eco.nova April 2018

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Zukunft Bildung & Innovation

Warum die Wahrheit keine Torte ist

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ie einen argumentieren mit Zahlen, Daten und Fakten, die anderen wischen alles als Fake News vom Tisch und präsentieren „alternative Fakten“. Kommen wir aus diesem Dilemma je wieder heraus? Ja, meint Simon Hadler. Er ist seit 1999 Redakteur

bei orf.at und hat letztes Jahr ein Buch geschrieben. Anschaulich (nicht zuletzt durch die feinen Illus von Stefan Rauter), aber nicht belehrend und dennoch äußert klug zeigt er darin, was Statistiken können. Und was eben nicht.

Was hat Sie bei Ihren Recherchen für das Buch selbst am meisten überrascht?

SIMON HADLER: Unglaublich war für mich etwa, dass der CO2-Ausstoß pro Kopf durch das Autofahren noch immer ansteigt, wo doch dauernd nur von E-Autos und dem geringen Verbrauch der Neuwagen die Rede ist, genauso wie vom Trend zum Radfahren und vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Auf der anderen Seite war mir nicht bewusst, wie stark Hunger und Armut in den letzten Jahrzehnten prozentual gesehen weltweit zurückgegangen sind. Und insgesamt war es schon eine Überraschung, geballt zu sehen, in welchem Ausmaß Boulevard-, aber auch Qualitätsmedien Schwachsinn verbreiten. Welche Tipps haben Sie, wie Fake von Fakt unterschieden werden kann? Sehr wichtig ist es, bei den Quellen wählerisch zu sein. Welches Medium präsentiert mir eine Statistik und wer hat die Statistik gemacht? Kenne ich das Institut? Welche Medien zitieren Statistiken dieses Instituts sonst noch (via Google News überprüfen)? Wie groß ist die Stichprobe? Wenn

6. CHRISTIAN-DOPPLERLABOR IN INNSBRUCK Christian-Doppler (CD)-Labors sind Stätten herausragender Forschung, deren Einrichtung grundsätzlich an zwei Voraussetzungen geknüpft ist: Einerseits muss der konkrete Bedarf eines Unternehmens an Know-how aus der Grundlagenforschung bestehen, andererseits braucht es die Bereitschaft eines Wissenschaftlers, sich diesem unternehmerischen Bedarf langfristig zu öffnen. Die Projekte laufen grundsätzlich über sieben Jahre und können mit bis zu fünf Millionen Euro unterstützt werden, wobei die Hälfte der Fördersumme von öffentlicher Hand getragen wird. Im letzten Jahr wurden an der Medizinischen Universität Innsbruck drei neue solcher Labors eingerichtet, Anfang 2018 folgte mit dem „CD-Labor für Eisenmetabolismus und Anämieforschung“ das mittlerweile sechste. Das Labor unter der Leitung des Internisten und Infektiologen Dr. Günter Weiss wird mit insgesamt 900.000 Euro unterstützt und befasst sich mit der Optimierung von Anämie- und Eisenmangeltherapien.

ein seriöses Medium eine Statistik mit großer Stichprobe eines anerkannten Instituts wiedergibt, habe ich gute Chancen, keinem Fake aufzusitzen. Die Überprüfung nimmt keine zwei Minuten in Anspruch. Aufregung über medial verbreitete Inhalte zahlt sich aber ohnehin meist nicht aus. Es ist momentan in Mode, sich mit politischen Debatten zu beschäftigen und sein eigenes Wohlbefinden davon abhängig zu machen – ganz egal, ob einen das Thema selbst überhaupt betrifft oder nicht. Das war auch ein Lernprozess für mich. Mittlerweile kann ich manchmal ohne schlechtes Gewissen zu mir sagen: „Scheiß drauf, du musst nicht jedes Thema zu deinem eigenen machen.“ Es gibt ein Leben außerhalb der Medienwelt. Wenn Sie drei Wünsche an den Journalismus formulieren dürften, welche wären das? Schluss mit Dramatisieren. Boulevardmedien, die den Untergang des Abendlandes wegen der Flüchtlinge herbeischreiben, und Qualitätsmedien, die glauben, alles wird immer schlimmer wegen faschistischer Tendenzen oder des Turbokapitalismus, haben beide versagt. Man kann auch anders für Aufmerksamkeit sorgen. Zweitens: Weniger Storys produzieren, dafür mehr in die Tiefe recherchieren. Aber weniger Content bedeutet auch weniger Werbeeinnahmen. Deshalb drittens, und das richtet sich an staatliche Institutionen: Mehr Presseförderung und außerdem mehr Medienkunde an den Schulen, damit schon die Jüngsten lernen, entspannt durch die Medienwelt zu gehen und sich nicht verarschen zu lassen. Es wird ja gerade auch um die Aufmerksamkeit der Jungen gekämpft, die sind eine lukrative Zielgruppe für Werbekunden.

WIRKLICH WAHR!

Simon Hadler, Deuticke Verlag, 272 Seiten, EUR 22,70 Simon Hadler plädiert dafür, den Kampf um die richtige Auslegung von Fakten in Medien und Social Media weniger erbittert zu führen. Fakten sind hart und biegsam zugleich, logisch und absurd, sinnstiftend und sinnlos. Setzen wir sie nicht als Waffe ein, sondern lernen wir, wieder lustvoll und mit Verstand zu argumentieren. Ein kluges Buch mit Tiefgang, das ohne den erhobenen Zeigefinger auskommt.

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FH-RANKING 2018 Jedes Jahr vergleicht das Industriemagazin die österreichischen Fachhochschulen. Dazu hat das Meinungsforschungsinstitut meinungsraum.at 560 Entscheider heimischer Unternehmen zu ihren Erfahrungen mit deren Absolventen befragt. Sie haben 335 Studiengänge an 18 Fachhochschulen nach Schulnoten bewertet. Wie in den vergangenen Jahren kann sich die FH Kufstein Tirol auch heuer wieder als Hotspot der Berufsausbildung im Bereich Facility Management, Immobilien behaupten. Auch in den Bereichen Management und Energietechnik konnten die Kufsteiner punkten.


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