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Kein Drahtseilakt WDI rollt groß auf

Was wäre ein hafen ohne eine Seilerei? Die Reeperbahn hat ihren namen angeblich von den Seilherstellern, die hamburger Seilerstraße läuft bis heute parallel zur Reeperbahn und ist tatsächlich schnurgerade. auf einer geraden Bahn wurden die hanfseile zu dicken tauen geknüpft. heute sind viele Seile aus Stahl, aber sie werden immer noch aus einzelnen Drähten hergestellt, die kunstvoll miteinander verdreht werden. In Dortmund macht das die Firma WDI – und wie sollte es anders sein – jetzt auch direkt am Wasser.

Die Geschichte von WDI (Westfälische Drahtindustrie) ist nicht die Schifffahrt, vielmehr ist der Ursprung eng mit dem Bergbau verbunden. Förderanlagen, die Aufzüge für die Mitarbeiter, alles was per Winden und Motoren an Seilzügen bewegt werden musste, setzte auf die hochwertigen Seile von WDI. Der Bergbau verlagerte sich in andere Kontinente, und heute ist WDI stärker im Export als in den heimischen Märkten. Denn bis heute vertraut der Bergmann lieber einem deutschen Qualitätsseil aus der Wiege des Steinkohlenabbaus. Christian Willen, Betriebsleiter in Dortmund: „In China beispielsweise bedeutet Made in Germany noch sehr viel. Seile sind nur ein kleiner Teil einer meist viel teureren Anlage, aber ohne Seil geht es eben nicht. Standzeiten sind ebenfalls kostspielig, wenn die Anlagen ausfallen, deshalb sind unsere Python-Seile weltweit sehr gefragt, sie sind langlebig, für den Zweck konstruiert und im Bedarfsfall auch schnell verfügbar.“

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In den zwei Betrieben an der Seilerstraßen und am Hafen kommen die Drähte auf großen Rollen an und verlassen als Seile auf noch größeren Rollen (Haspeln) Dortmund.

Seil ist nicht gleich Seil, vor allem nicht bei den von finger- bis armdick reichenden Exemplaren, die in Dortmund hergestellt werden. Der Kern des Seiles wird auch Seele genannt. Um die Stahlseele kommen dann die Außenlagen – je nach Zweck unterschiedliche Litzen, das sind vereinfacht gesagt Drahtbündel, die kunstvoll miteinander verdreht werden. Diese Litzen können auf jede erdenkliche Weise wiederum verseilt oder in der Anzahl der Drähte bestückt werden, woraus sich die unterschiedlichsten Seile ergeben. Es gibt Seile, die sich nicht drehen – also drehungsfrei hergestellt werden. Es gibt Seile, die bei einem theoretischen Bruch eines Drahtes noch ihre Haltbarkeit zu 100 % halten. »Jedem Zweck sein Seil« könnte die Maxime bei WDI lauten. Die Qualität liegt im Detail, und bei dem genauen Herstellungsprozess und seinen Details wird man dann auch schweigsam an der Seilerstraße (die es eben auch in Dortmund gibt). Deshalb kaufen Kunden aus aller Welt die Seile aus Dortmund mit den Drähten aus der eigenen Herstellung im Konzern.

Unmittelbar am Kanal liegt der erweiterte Firmensitz der Westfälische Drahtindustrie. Die neue Produktionshalle ist kein Zufall, geplant ist, die bis zu 200 Tonnen schweren Seilrollen aus der Produktion direkt auf ein Schiff zu verladen. Auch ein Gleisanschluss könnte reaktiviert werden. Die umweltfreundlichen Transportwege sind dabei nicht nur aus grüner, sondern vor allem aus finanzieller Sicht attraktiv: LKWs können die Haspeln (Seilrollen) nur als Schwerlasttransport bewegen, Genehmigungen, Nachtfahrten und der Abbau von Ampelanlagen fressen einen großen Teil des Gewinns. Über die Spundwand auf das Schiff und dann zum Beispiel nach China hört sich nicht nur einfacher an. Es ist auch die einfachere Lösung.

»Phython« lautet der Markenname der Stahlseile aus Dortmund. Betriebsleiter Christian Willen erklärt »einundzwanzig«, wie das geht.

Dortmunder Seile halten je nach Einsatz 30 Jahre und länger, aber schon das Fetten der Seile ist eine eigene Wissenschaft, zu viel ist schlecht, zu wenig kann Probleme auf einer Anlage verursachen. Auch hier beraten die WDI-Fachleute, genau so wie bei der Konstruktion und Dimension der Seile. Christian Willen tut es fast schon in der Seele weh, wenn er sieht, dass bei den Anwendungen der Seile oft Fehler gemacht werden, zum Beispiel, wenn Seile mehr geknickt denn geführt werden. „Schön für die Seilindustrie, aber wir wollen ja auch, dass die Seile laufen, also geben wir lieber mal Hinweise, wie man es besser machen würde.“ Hier helfen Formeln, Mathematik und die zum Teil jahrzehntelange Erfahrung vor Ort der WDI-Fachleute. Einige beherrschen auch noch das alte Handwerk, Stahlseile zu »nähen«. Eine schwierige und kraftaufreibende Tätigkeit, die nur wenige auf der Welt noch beherrschen und die bei den Unterseilen der Förderkörbe noch eingesetzt wird. Genau wie das noch gängigere Verspleißen – zwei Seilenden werden auseinandergedreht und miteinander auf einer vorgegebenen Länge wieder verflochten. Spleißen ist mit Hanfseilen schon eine Kunst, mit Drahtseilen muss der Mann selbst Nerven wie Drahtseile haben und Oberarme wie jemand, der im Hafen keiner Rauferei aus dem Weg geht. Wobei die Mitarbeiter von WDI völlig nett und liebenswert daher kommen, im besten Wissen um ihre Weltqualität, »Made in Dortmund«.

Ohne Fett geht es nicht – weder bei der Herstellung noch beim Einsatz. Viele kunstvoll verdrehte Drähte ergeben die Litzen, aus denen Stahlseile bestehen.

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