Lohhofer & Landkreis Anzeiger 09/22

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AKTUELLES

LANDKREIS-ANZEIGER

Samstag, 5. März 2022

Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof e.V.

Unterwegs mit der Urzel-Zunft in Lohhof-Unterschleißheim Bekanntermaßen fiel auch heuer der Fasching pandemiebedingt aus. Die Nachbarschaft der Siebenbürger Sachsen Lohhof wollte jedoch ihren Mitgliedern zeigen: Wir denken an euch! So plante der Vorstand für Faschingssamstag mit einer kleinen freiwilligen Gruppe der UrzelZunft unsere Mitglieder kurz am Gartenzaun zu besuchen, sofern sie damit einverstanden sind. Bis zum Beginn des 2. Weltkrieges liefen in einigen Ortschaften des Harbachtals in Siebenbürgen Urzelgruppen von Haus zu Haus, sprachen den traditionellen Urzelspruch und bekamen Krapfen mit auf den Weg, die sie in ihre speziellen Krapfen-Klemmen steckten. Nach dem Krieg integrierten sich Urzelgruppen sowohl in der alten als auch in der neuen Heimat in die Faschingsumzüge und zeigten dabei allerlei Kunststückchen. Auch Unterschleißheims Faschingsumzug hat seine Peitschen schwingende Urzelgruppe, bis die Pandemie alles lahmlegte. In der ursprünglichen Form lässt sich der alte Brauch jedoch auch trotz Corona durchführen. So konnte die Gruppe schnell zusammengestellt und bei unseren fleißigen Frauen eine angemessene Zahl leckerer Krapfen bestellt werden. Dann aber holte uns die brutale Realität ein: von einem auf den anderen Tag herrscht Krieg in Europa, fast vor unserer Haustüre. Aufgeben oder festhalten und weitermachen? Aufgeben war keine Option. Eine Legende um diese alte Tradition in Siebenbürgen half und machte uns Mut, unser Vorhaben doch noch durchzuführen. Dazu sei aber ein kleiner Exkurs in die Historie der Urzel-Zunft erlaubt: Bei der Besiedelung Siebenbürgens verlangte der ungarische König von seinen neuen Bürgern den Schutz des Landes gegen die aus dem Osten immer wieder einfallenden osmanischen Reitervölker. Die Siedler erbauten im Laufe der Zeit die Kirchenburgen. Wehrhafte Festungen, die der Dorfgemeinschaft im Falle eines Angriffs Schutz boten und eine Verteidigung ermöglichten. Und eben diese Legende erzählt: In einem Dorf im Harbachtal drohte der Sturm osmanischer Heerscharen. Die gesamte Dorfgemeinschaft zog sich in ihre Kirchenburg zurück, verschanzte und wehrte sich tapfer gegen den Ansturm der Angreifer. Die Belagerung dauerte jedoch länger, als die Vorräte für Mensch und Tier reichten. Da ersann eine tapfere junge Frau namens Ursula eine List, indem sie sich eines

alten alemannischen Brauchs erinnerte. Sie nähte Fellteile und Lappen auf helle Tücher, wickelte sich klirrende Ketten und Schellen um, verbarg den Kopf in einem Pelz. In einer finsteren Nacht, in der Wolkenfetzen über den Himmel jagten und das Mondlicht immer wieder gespenstisch aufblitzte, schlüpfte diese furchterregende Gestalt durchs Burgtor, während gleichzeitig in der Burg ein infernalischer Lärm einsetzte. Ursula lief den Berg hinunter, knallte mit der Peitsche, schepperte mit den Ketten und Schellen und ihr Fetzengewand flatterte im Wind. Voller Schreck flohen die Belagerer und ließen alles zurück. Die Bewohner waren gerettet. Die mutige Tat wurde nicht vergessen, sprach sich herum und man erzählt sie bis heute. Aus Ursula wurde Urzel und mit dem Urzellauf wird bis heute an die unrechtmäßige Belagerung erinnert. Diese Geschichte aus grauer Vorzeit nahmen wir am vergangenen Faschingssamstag dann auch als unser Zeichen gegen die aktuelle Situation im Hier und Jetzt. Manch einer mag sich am Samstag die Augen gerieben haben über die sieben finsteren Gestalten, die laut scheppernd, manchmal auch Peitschen knallend über den Marktplatz und später durch

Wohngebiete zogen. Die Gruppe unserer Urzel-Zunft verteilte zunächst auf dem Markt an unsere Mitbürger viele Krapfen, kurzerhand in „Friedenskrapfen“ umbenannt. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an unsere Krapfen-Bäckerinnen für dieses spontane Engagement. Für unsere Aktion ernteten wir durchweg positiven Zuspruch. Danach zog die Gruppe mit ihrem mit Krapfen beladenen Bollerwagen kreuz und quer durch Lohhof und klopfte bei Mitgliedern der Nachbarschaft Lohhof, die mit unserem Besuch einverstanden waren, an die Türen. In gebührendem Abstand sagten wir unseren Urzelspruch auf: „Wir wünschen viel Glück in Ihrem Haus und treiben mit Schellen den Ärger aus. Unsere Lieder und Witze kann jeder hören und dass wir zu Euch kommen, beweist, dass wir Euch ehren.“ So zauberten wir allen Besuchten ein Lächeln aufs Gesicht. Überall waren wir willkommen und wurden herzhaft bewirtet. Und auch das Wetter war wieder einmal voll auf unserer Seite. Bis in die Abendstunden dauerte unser Urzellauf. Ursprünglich anders geplant und nun dem Frieden in Europa gewidmet. Uschi Mühlbacher, Öffentlichkeitsarbeit

Anzeigenschluss ist am Mittwoch, 16.00 Uhr. Bei fertigen Druckunterlagen Donnerstag, 14.00 Uhr. Textänderungs- und Platzierungswünsche können nachher nicht berücksichtigt werden.


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