Deutsche Oper Magazin

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Monolog für eine Frau. Anna Politkowskaja gewidmet. Er sagte: Ich bin einer, der nur in Gedanken handelt. Aber du bist jemand, der handelt, damit er denken kann. Du bist groß. Ich bin eine Idiotin, ich stehe immer noch auf in einer Aufstehmanier, als ob ich damit rechnete, daß mir ­dieser morgen ein Aufkommen schenken würde. Nach jedem Ammenschlaf, das Warten auf die Rechnung, die so sicher kommt wie das Amen in der Kirche. Rechnen, ob es auf der Straße, im Park, im Restaurant, in der Wohnung, im Hausflur, im Ausland ge­ schehen wird. Freu dich, wenn sie dich noch nicht erschossen haben wie einen Hund, der an ihren Fleischtöpfen schnüffelt. Vielleicht reichen sie dir auch einen Becher mit gestrecktem Kaffee, den ich brauche, um aufzuwachen. Ihr unerschöpflicher Output, meine Liebe, könnte unbequem für Sie werden. Denken Sie nicht so viel an morgen, sofern Sie ihn noch erleben wollen. Wo ein Geist ausgesprochen wird, nehmen sie dich ins Fadenkreuz. Das ist der Lauf der Dinge, der im Lauf des Gewehrkolbens fortgesetzt wird. Feuern Sie auf die Fotze, die ihre Gebärmutter zu weit aufgerissen hat, weil sie keine Kinder, aber Ansichten geboren hat. Hinterlassen Sie keine Spuren, außer ihren aufgebrochenen Körper als deutliche Markierung für andere Idioten. Einkaufen Abwaschen, unbedingt THE BLAST OF SILENCE anschauen SHAKESPEARE lesen Mit wem soll ich sprechen, wo niemand vertrauenswürdig ist, weil jedes deiner Worte als Mordinstruktion gegen dich verwendet werden kann. Bei meiner Autopsie werden sie nichts finden, außer in Blut gelegtes Fleisch. THERE’S NO ART TO FIND THE MIND’S CONSTRUCTION IN THE FACE: Der Mann, der mich auszog wie ein Mädchen, der mich systematisch auslieferte, den ich liebte und von dem ich keine Kinder wollte, allein meine Ansichten mit ihm teilen. HE WAS A GENTLEMAN ON WHOM I BUILT AN ABSOLUTE TRUST Du hast gesagt, deine Abenteuer beginnen, wenn du sie erzählst. Es waren meine. Wir haben uns sterblich ineinander verliebt. Er war der Romeo und ich war keine Julia. Eine Augenzeugin vieler Blutbäder, einschließlich meines eigenen Bades in der Menge, das ich in- und ­auswendig kenne, als letzter Niederschlag auf mich. Woanders würdest du gesteinigt. IT WILL BE RAIN TONIGHT In meinem Blut werden sie waten und bedauern, daß sie meinen Blutzoll nicht verhindern konnten. Sie ­werden lächerlich laut aufschreien und in einem Denkmal werden sie meinen Tod festhalten. Im Andenken eines Menschen, der nicht vom Denken lassen konnte. Mein Tod wird kein Irrtum sein. Eins wissen sie nicht: Nichts ist lauter als denken.

Vielleicht setzt der Frisör die Schere zu tief an, vielleicht gleitet beim Überqueren der Straße die Tram aus ­ihrer Spur, vielleicht würzt eine Aushilfskraft mein nächstes Abendessen mit dem Tod, vielleicht kommt ­meinem Nachbarn sein Rüde von der Leine, vielleicht meinen sies aber gnädig und eine flüchtige Bekanntschaft wird mich beim Liebesakt erwürgen. Ausgeschlossen. Wahrscheinlich wird es schnell gehen. Und niemand wird sich mit meinem Blut die Finger färben wollen, das aus meinem Körper drängt. Ich werde daliegen wie die Schlußklammer einer Gleichung, die mein Leben schließt. Ich, die offene Rechnung, die sie mit einem Schlag, Stich oder Schuß begleichen. Die Klammer, die mein Blut stillen soll, falls mich jemand findet, bevor mich das Zeitige segnet, wird nur Geste einer anerzogenen Solidarität unter Menschen sein. Der Beischlaf war nie wichtig, am Anfang schon, später hat er sich anders in mich eingeschlichen. Heute weiß ich, warum. Als Frau, in einem Land, das keine Wahrheiten braucht, außer die bekannte, die niemand glaubt, aber jeder hören will. Der Beischlaf war nicht wichtig. Einkaufen Abwaschen, unbedingt THE BLAST OF SILENCE anschauen SHAKESPEARE lesen Die einfachsten Dinge mußt du dir notieren. Nur wenn ich einkaufe, fühl ich mich noch lebendig. Die Welt ist ein Scheißhaus und die Spülung den Schergen vorbehalten. Worauf warten sie eigentlich noch. Vielleicht putzen sie mich nie weg und lassen mich mit meiner Angst allein, auf meine eigene Hand spekulierend, die vom Wahn gepackt an meinen Pulsadern sägt. Aber den Gefallen tu ich ihnen nicht. Solange ich lebe. Nichts ist lauter als denken. Ich kann nicht aufstehen, ohne mich im Spiegel zu sehen. Mein abgelaufenes Bild sagt mir die Zeit, die bleiben wird, das zu tun, was du immer getan hast, bevor sie dich auf eine Liste gesetzt haben. Das Schönste sei es zu helfen, sich zu freuen, wenn andere sich freuen. Für mich die einzige Illusion Teil ein und derselben Spezies zu sein. Jetzt kannst du dir nicht mal selber helfen. Nach dem Beischlaf sind sich alle Lebewesen fremd. Das wollte ich nie begreifen. In der Konsequenz ist es also richtig, daß sie dich wegputzen wie Lustspeichel auf dem trauten Laken der Endlichkeit. Ich werde nicht sterben in meinem Bett.

Christoph Nußbaumeder

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Ein Denkmal aus Stein werden sie errichten, nachdem sie mich umgelegt haben, wie man eine Frau immer auf den Rücken zwingt. Die Nachrufe werden sich mit Lobgesängen überschlagen. Ob sie schon ge­ schrieben stehen. Das Grauen ist statisch. Und wie die Koloratur meines letzten Seufzers einsilbig und ohne Kehrreim. Was wohl ein Mensch denkt, während sie ihm das Gehirn wegblasen.

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Ich werde nicht sterben in meinem Bett


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