MAGAZIN 17 29. November ; 2., 6., 10., 16., 25. (2x), 31.(2x) Dezember 2009; 11., 14. Mai; 18. Juni 2010
MANNER MIT HASSLICHEN BRILLEN E
Die Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach über Barbiere in Sevilla, Vanilla, Marilla und Berlin
E
PREMIERE
Rossinis DER BARBIER VON SEVILLA ist eine der meistgespielten Opern der Welt. Spüren Sie dadurch die Erwartung, etwas ganz Neues in dem Werk zu entdecken? Ich habe bis jetzt sieben Opern inszeniert, würde mich aber im gut ausgelegten Fall als Amateur bezeichnen – also als Liebhaberin. Eigentlich war es für mich mit jedem Komponisten ein erstes Mal, bis auf Janácˇek, den ich bis jetzt mit DAS SCHLAUEN FÜCHSLEIN und J E N U FA zweimal inszeniert habe. Auch wenn mir Mozart oder Offenbach natürlich in meiner Kindheit und Jugend über den Weg gelaufen sind, empfinde ich mich in der Oper schon als Entdeckerin. Nicht als Neuentdeckerin,sondern als Entdeckerin für mich. Für mich war Rossinis DER BARBIERVON SEVILLA etwas total Neues, als ich anfing, mich damit zu beschäftigen. KATHARINA THALBACH
Foto: André Rival
Wie haben Sie das Stück für sich entdeckt? Haben Sie Ruth Berghaus’ legendäre Inszenierung an der Staatsoper gesehen? KATHARINA THALBACH Ich habe mir eine sehr alte Aufnahme am Bildschirm angeschaut. Ich hatte den BARBIER bis dato noch nicht auf der Bühne gesehen, das muss ich gestehen. Ich hörte es mir an, und dann habe ich mir eine DVD besorgt. Es war eine Fernseh-
aufzeichnung der Oper aus dem Münchner Cuvilliés-Theater von 1959 mit einer großartigen Besetzung: Fritz Wunderlich als Graf Almaviva, Hermann Prey als Figaro und Erika Köth als Rosina. Die sangen es in diesem kleinen Theater auf Deutsch, und es wurde in schwarz-weiß abgefilmt. Man geht da wie durch einen Zeittunnel, da sitzen die Leute teilweise noch mit Hitler-Schnurrbärtchen im Orchestergraben, und oben hocken ganz brav Mädchen mit geflochtenen Zöpfen und Männer mit diesen hässlichen dunklen Bundestagsbrillen. Aber auf der Bühne merkt man, es herrschte Höchstvergnügen zwischen den Sängern. Sicher war es auf Deutsch schwierig, diese Art von Artistik zu erreichen, in der Artikulation wie in der Koloratur. Es war großartig und wirklich ein Vergnügen zu erleben, was für einen Spaß diese großen, berühmten Sänger dabei hatten. Köstlich! Der Spaß rührt sicher auch daher, dass Rossini ein wunderbarer Theaterkomponist ist, der mit seiner Musik die Bühnenmaschinerie in Gang setzt, so dass die Sänger beinahe zwangsläufig ins Spielen geraten. Das hoffe ich doch stark. Es ist ja immer ein Abenteuer, die Sänger kennen mich nicht, ich kenne die Sänger nicht. Erst in den Proben wird sich herausKATHARINA THALBACH
stellen,inwieweit wir da zu einem pingpongartigen Spaß kommen.Aber ich glaube,ohne Spaß geht das nicht. Und nachdem ich per DVD vorführen kann, dass weltberühmte Sänger diesen Spaß auch hatten, kann ich immer schön bei den Proben sagen: Kinder, wenn ihr den Spaß nicht habt, dann müsst ihr es lassen. Alberto Zedda, der große Rossini-Dirigent, hat einmal gesagt, dass Rossinis Musik geradezu zum Improvisieren einlädt und die Kreativität der Interpreten herausfordert.
Ja, der gute alte Kollege, den ich leider nie gehört habe.Ich werde mir das merken, dann kann ich nicht nur mit Herrn Wunderlich und Herrn Prey argumentieren, sondern auch mit Herrn Zedda. Ich bin schon etwas traurig, dass wir den BARBIER an der Deutschen Oper nicht auf Deutsch herausbringen, weil gerade, was die Zwischentexte, die Rezitative betrifft, glaube ich, wäre es für ein deutsches Publikum wesentlich vergnüglicher. Aber so ist dieser Opernbetrieb heute ja leider, man muss an die Umbesetzungen denken, und die Leute haben es ja alle nur auf Italienisch drauf. Als ich mit DON GIOVANNI im E-Werk meine erste Oper inszenierte, haben wir die Adligen auf Italienisch singen lassen und das Volk auf Deutsch. Die Rezitative waren alle KATHARINA THALBACH