Wein und Raum

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Heinz-Gert Woschek  Denis Duhme  Katrin Friederichs

Architektonische Konzepte zum Präsentieren, Probieren und Genießen


Wein und Raum


Heinz-Gert Woschek

Denis Duhme

Katrin Friederichs

Architektonische Konzepte zum Präsentieren, Probieren und Genießen

Edition ∂


Impressum Autoren: Heinz-Gert Woschek (Hrsg.), Denis Duhme, Katrin Friederichs Redaktion: Cosima Frohnmaier, Cornelia Hellstern (Projektleitung), Florian Köhler, Kai Meyer Redaktionelle Mitarbeit: Theresa Steinel Lektorat: Dr. Ilka Backmeister-Collacott Zeichnungen: Simon Kramer Cover und Gestaltungskonzept: Heinz Hiltbrunner Herstellung / DTP: Roswitha Siegler Reproduktion: ludwig:media, Zell am See Druck und Bindung: Kösel GmbH & Co. KG, Altusried-Krugzell

© 2014, erste Auflage DETAIL – Institut für internationale ArchitekturDokumentation GmbH & Co. KG, München www.detail.de ISBN 978-3-95553-226-0 (Print) ISBN 978-3-95553-227-7 (E-Book) ISBN 978-3-95553-228-4 (Bundle)

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Zeichnungen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.


Inhalt

Weingenuss – eine kurze Chronologie Wein als Produkt Das inszenierte Angebot

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Weinabteilung im SPAR Flagshipstore in Budapest (H) DiVino in Budapest (H) Balthazar Wine & Coffee Bar in Sint-Truiden (B) RED Pif in Prag (CZ) 28°– 50° Marylebone in London (GB) Neue Sternen Trotte, Weingut zum Sternen in Würenlingen (CH) Galerie du Vin in Zürich (CH) Weingut Abril in Vogtsburg-Bischoffingen (D) VinoTeck, Mack & Schühle in Owen an der Teck (D) NORD Coffee • Lunch • Wine Bar in Mannheim (D) Weingut Leiss in Gellmersbach (D) Weinhandlung Kreis in Stuttgart (D) Wasems Kloster Engelthal in Ingelheim am Rhein (D) Weingut LANZ .WEIN in Nonnenhorn (D)

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wineBANK, Weingut Balthasar Ress in Eltville-Hattenheim (D) BECKER’S Weinbar in Trier (D) La Bohème entre amis in Porto (P) Cata 1.81 in Barcelona (E) Bodega Casa Primicia in Laguardia (E) Fiesta del Vino in Poznan´ (PL) Weingut Koppitsch in Neusiedl am See (A) Weingut Jungmayr in Ebersbrunn (A) Weingut Neumeister in Straden (A) GRAPY.SHOP in Roosendaal (NL) Beros & van Schaik Wine Traders in Bukarest (RO) eTT? in Bruneck (I) Cantina Antinori nel Chianti Classico in Bargino (I) Wirtshaus Löwengrube in Bozen (I) Vineria Paradeis, Weingut Alois Lageder in Margreid (I) Romeo in Rom (I) winecenter in Kaltern (I)

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Kurzporträts Weitere Projekte Namensregister Bildnachweis Autorenviten

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Weinbar und Restaurant MonvĂ­nic in Barcelona (E). Im Keller lagern etwa 3000 unterschiedliche Weine aller Kontinente.


Vorwort

Weingenuss – der Kult Seit dem Altertum nimmt der Wein in den Hochkulturen respektive im Leben der Menschen eine einzigartige Stellung ein. Sie zeichnet sich sowohl durch die Vielfältigkeit des Erzeugnisses wie auch durch eine weit darüber hinausgehende Wertvorstellung aus. Kein anderes Agrarprodukt und Genussmittel konnte jemals diesen Stellenwert erreichen. Die außergewöhnliche Wirkung, die dem Wein zugesprochen wird, besteht nur vordergründig in seinen sensorischen und berauschenden Eigenschaften. Vielmehr wird Wein mitunter als »göttliches« Getränk apostrophiert und mit einem »Mysterium« gleichgesetzt. Doch die einstmals transzendente Verbindung des Getränks Wein mit mythischen und übersinnlichen Mächten ist längst ein Relikt aus der Vergangenheit. Anstelle von Dionysos, Bacchus oder mittelalterlichen Weinheiligen weisen Beschäftigung und Umgang mit Wein heute andere Inhalte auf. Da sie aber vielfach über ökonomische Prozesse und einfache Konsumgewohnheiten hinausreichen, repräsentieren auch sie durchaus kulturelle Werte. Das Spektrum einer modernen »Weinkultur« reicht von klassischen Darstellungsformen in bildender Kunst und Musik über gelungenes Design für Ausstattung und Präsentation des Produkts Wein bis zu vielfältigen Aktivitäten, in denen Wein in folkloristischem oder festlichem Auftritt gefeiert wird. Das »Mysterium Wein« wurde somit von der »Faszination Wein« abgelöst. Derartige Veränderungen waren allerdings nur möglich, indem Wein als Konsumgut an Attraktivität gewann. Wein in der heute üblichen Bereitung und Beschaffenheit hat mit dem gleichnamigen Produkt vergangener Jahrhunderte nur noch rudimentär etwas gemein. Entscheidende Produkteigenschaften wie ein bestimmtes Maß an Bekömmlichkeit, verlässliche Qualitätsnormen und zuverlässige Herkunftsbezeichnungen sowie eine verbrauchsgerechte Angebotsgestaltung beförder-

ten in den letzten Jahrzehnten die zunehmende Popularität des Weingenusses. Weltweite Distribution und Verfügbarkeit sowie ein weitgefächertes Preisgefüge eröffneten dem »Rebensaft« nahezu alle Absatzkanäle und Marktsegmente – vom volkstümlichen Schoppenwein bis zum elitären Luxusgetränk. Unabhängig vom quantitativen Wachstum zeichneten sich in diesem Zeitraum prägnante Veränderungen bei der Güte der Erzeugnisse ab, die als Folge erheblicher Verbesserungen der Erzeugungsmethoden global zunahm. Im Weinanbau ist es vor allem die Konzentration auf bewährte und international bevorzugte Rebsorten, rationelle Bearbeitung und Ernteverfahren. Diese Grundlagen werden in der Kellerwirtschaft ergänzt durch neueste Technologie – nicht selten kombiniert mit dem Einsatz traditioneller Weinbereitung zum Beispiel im Barriqueholzfass. Ein solches stichwortartiges Profil zeitgemäßer Weinherstellung lässt sich indes nicht unisono auf die gesamte önologische Praxis übertragen. Tatsächlich führen zahlreiche Variationen erst zum eigentlichen individuellen Charakter des Erzeugnisses Wein. Die sich daraus ergebenden Differenzierungen reichen vom preiswerten, »industriell« erzeugten Produkt bis zur »handwerklich« erstellten Kreszenz als Beleg für authentische Weingewinnung. In der Tat formen spezifische Umweltfaktoren, vor allem Klima, Lage und Boden, die mit dem Fachbegriff »Terroir« umschrieben werden, die unverwechselbare Originalität eines Weines. Und gerade das Erkennen dieser Merkmale und ihres Einflusses auf das Erscheinungsbild eines Weines ist für immer mehr Menschen Anlass und Vergnügen, sich mit dem Kulturprodukt Wein zu beschäftigen. Dabei erfährt man »Kultur« übrigens in mehrfacher Weise: Zum einen in der ursprünglichsten Form als landwirtschaftliche Kultur (agricultura), aber dann vor allem in veredelter Version, und zwar als Erlebnis für die Sinne, als Stimulanz und nicht zuletzt als Medium der Geselligkeit und Kommunikation.

Somit erstreckt sich der Weinkult inzwischen auf die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Als Begleiter zeitgemäßer Esskultur spielt er ebenso eine unverzichtbare Rolle wie als Bestandteil eines weinorientierten Tourismus, Mittelpunkt weinkultureller Events oder als Sammelobjekt, Investitionsgut und Statussymbol. Nicht zuletzt bestimmt Weinkennerschaft auch das Prestige einer Persönlichkeit, sodass die Aneignung von Weinwissen häufig zur reizvollen Nebenbeschäftigung wird. Bedeutsamstes Glied in dieser Kette vom Weinmachen zum Weingenießen ist der Anbieter. Wenn auch mit unterschiedlichen Bezeichnungen – ob Berater, Weinexperte, Verkäufer, Sommelier oder Weingastronom –, handelt es sich prinzipiell stets um die gleiche Aufgabe: mit Eloquenz, Sachverstand und Glaubwürdigkeit beim potenziellen Kunden und Gast Interesse, Zuneigung, Begeisterung zu wecken. Dass zum Funktionieren einer solchen Vermittlung das jeweilige Umfeld, Ambiente und Interieur, die Architektur und Gestaltung, der besondere Raum für das Erlebnis Wein eine wesentliche Rolle spielen, zeigen die in diesem Buch zusammengestellten Beispiele aus den unterschiedlichsten Angebots- und Vermarktungsbereichen. Für unseren ersten Band, »Wein und Architektur«, berücksichtigten wir – der spezifischen Thematik entsprechend – die verkaufsorientierte Weinpräsentation nur marginal. Da sie jedoch für den erfolgreichen Weinabsatz in Erzeugung, Handel und Gastronomie hohe Bedeutung besitzt, konzentriert sich der vorliegende Band auf die Vorstellung von exemplarischen Projekten, die jeweils typisch sind für die große Bandbreite der Weinvermarktung in Europa. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie nicht nur interessante Anregungen für architektonische und gestalterische Lösungen, sondern reflektieren das reizvolle Panorama zeitgemäßer Weinkultur. Heinz-Gert Woschek im Juli 2014 7



EinfĂźhrung

Weingenuss – eine kurze Chronologie

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Wein als Produkt

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Das inszenierte Angebot

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Winzer in Verbindung mit überwiegend rustikalen Spezialitäten aus der jeweiligen Region. Aus dieser Einrichtung mit anheimelndem Lokalkolorit entwickelten sich die Weinprobierstube des Winzers und im weiteren Verlauf die »Vinothek«. Im Gegensatz zu dieser ländlichen und eher betulichen Szenerie nahmen Weingastronomie und Weinhandel im neuzeitlichen urbanen Umfeld einen rasanten Aufschwung. Der Ausbau von Transportwegen und die historische Bedeutung der wichtigen Städte, die an diesen Wegen lagen, wurden bereits seit dem Mittelalter vom schwunghaften Weinhandel beeinflusst. Als relevante Markt- und Messeplätze entwickelten sie sich zu renommierten Zentren für Weinumschlag und -verkauf durch Weinhändler und -makler. Prosperität und wirtschaftliche Bedeutung dokumentierten die imposanten Ratskeller, die ab dem 15. Jahrhundert in den Kellergewölben der Rathäuser vornehmlich in Hansestädten geschaffen wurden. Zunächst als streng beaufsichtigtes und dank meterdickem Mauerwerk bestens temperiertes städtisches Weinlager konzipiert, entwickelten sich die hohen Gewölbekeller alsbald zu beliebten weingastronomischen Treffpunkten städtischer Bevölkerung. Im 18. und noch ausgeprägter im 19. Jahrhundert kam es zur Gründerwelle von Handelsunternehmen, die anfänglich ein breites Sortiment von Produkten aller Art (vor allem Kolonialwaren) führten, sich später aber zunehmend auf Weine und Spirituosen konzentrierten. Nicht zuletzt aufgrund der Umstellung vom Gemischtwarenladen zum Spezial12

geschäft verdankten einige Händler ihr Ansehen als kundige und zuverlässige Weinkaufleute; damit zusammen hing auch ihre gesellschaftliche Stellung, die sich auf das Vertrauen stützte, das ihnen von prominenten Kunden entgegengebracht wurde. Beispielhaft dafür ist die Erfurter Weinhandlung der Gebrüder Ramann zu nennen, zu deren Kundschaft unter anderem viele renommierte Dichter der deutschen Klassik um Goethe und Schiller zählten. Bis ins späte 18. Jahrhundert wickelte man den Weinhandel ausschließlich im »Gebinde«, in Holzfässern unterschiedlichster Größen, ab. Dementsprechend unterschieden sich die Lager- und Verkaufseinrichtungen eines typischen Weinhandelsunternehmens kaum von Kellereien und Winzerbetrieben. Herzstück war das Fasslager mit Fässern verschiedener Größe, vor allem das Ohm (ca. 150 l), das Viertelstück (ca. 300 l) oder das Halbstück (ca. 600 l). Hier nahmen später Import- und Großhandelsfirmen auch eigene Abfüllungen vor. Der eigentliche kommerzielle Geschäftsverkehr spielte sich im »Comptoir« ab. Neben dem Kontor gab es Räumlichkeiten für Weinverkostungen, die mit ihrer gediegenen Einrichtung das altehrwürdige Flair so mancher Traditionsweinhandlung betonten. Mit der maschinellen Herstellung standardisierter Formate von Weinflaschen und der Verwendung des Korkens als Flaschenverschluss sowie mit der Deklarierung des Inhalts auf beigefügtem Flaschenschild (Etikett) brach für den Weinhandel eine völlig

neue Epoche an. Den klassischen Handel mit »loser Ware« (im Fass) lösten die Handelsgeschäfte »en gros und en détail mit Bouteillen« ab. Das Holzfasslager und die Ansammlung von Korbflaschen reduzierte sich zunehmend durch die Einrichtung des Flaschenlagers, in dem neue Verpackungselemente wie die Holzkiste für sechs oder zwölf Flaschen dominierten. Die gewaltigen logistischen Erleichterungen ermöglichten vor allem, nun in verschließbaren Flaschen haltbare Weine zu erwerben, die längere Zeit aufbewahrt werden konnten. Aus diesem Grund avancierte der Wein im 19. Jahrhundert in der gutbürgerlichen Gesellschaft zum Bestandteil anspruchsvoller Lebenskultur und eines auf Repräsentation bedachten Lebensstils. Beschränkten sich in früheren Zeiten die Merkmale beeindruckender Weinpräsentation im Wesentlichen auf den Gebrauch kostbarer Accessoires wie Gläser und Karaffen, so entwickelte sich nunmehr die rituelle Weindegustation im Kreis kundiger Genießer und Sammler. Der mit erlesenen Kreszenzen bestückte Weinkeller im Privathaus wurde zum Statussymbol. In seinem »Weinbuch« beklagte Dr. Wilhelm Hamm 1865, dass man »in den Häusern der Neuzeit« einen guten Weinkeller weit seltener finde als in alten Gebäuden: »Es mag teilweise seinen Grund darin haben, dass der verbreitete Weinhandel der Gegenwart jene Anhäufung von Weinen in Privatbesitz unnöthig macht, welche man früher als wesentliches Requisit eines gut eingerichteten Haushalts für unumgänglich hielt.«


Links: Auerbachs Keller in Leipzig (D). 1525 begründet, gilt er heute als eines der bekanntesten Weinrestaurants – einzigartig vor allem durch die künstlerische Ausgestaltung der Weinstuben und des Großen Kellers. Goethe war hier oft zu Gast und machte den Keller durch seine Tragödie »Faust« berühmt. Mitte: Rieslinggut Robert Weil in Kiedrich / Rheingau (D). Der Gartensaal im Gutshaus aus dem 19. Jahrhundert ist ein typisches Beispiel für die Salonkultur, in der früher Gutsweinproben stattfanden. Rechts: Haus »Samson« in Leer (D). Das Gebäude wurde im Jahr 1570 errichtet und beherbergt seit 1800 das Fachgeschäft Wein Wolff. Die historische Ladeneinrichtung ist bis heute erhalten. Diese Seite oben: Der aus Mainz stammende Lorenz Adlon betrieb in Berlin (D) zunächst eine Weinhandlung, bevor er sein berühmtes Luxushotel 1907 eröffnete. Zum außergewöhnlichen Interieur des Hauses zählte auch der legendäre klimatisierte Weinkeller, in dem berühmte Gutsweine im Fass gelagert und auf Flaschen gezogen wurden. Beim Plündern des gigantischen Weinvorrats durch russische Soldaten ent-

stand im Mai 1945 der Brand, der das Luxushotel vernichtete. Das Foto von 1913 zeigt einen Kellner am Sektkühlschrank der Großküche. Unten: »Fürstliche« Weinprobe im 1721 vollendeten Schloss Johannisberg (D). Umgeben von Halbstückfässern und von mit Schimmel bedecktem Mauerwerk verkosteten im tonnengewölbten, 260 m langen Keller am 1. November 1897 Adlige und Weinbau-Prominenz erlesene Tropfen. Stehend (von links): J. J. von Zimmermann, Fürst-von-Metternich’scher Rentmeister; I. Heinisch, Fürst-von-Metternich’scher DomäneInspector; H. Allinger, Fürst-von-Metternich’scher Kellermeister. Sitzend (von links): Dr. Clemens Wenzel von Metternich-Winneburg; C. Nobile dei Baroni Aliotti; Prinz Franz von und zu Liechtenstein; A. Czéh, Königlich-Preussischer Domäne-Rat (Kloster Eberbach); Rudolf Goethe, Königlich Preussischer Landesoekonomie-Rat (Direktor der Lehranstalt für Obst- und Weinbau, Geisenheim); H. W. Dahlen, GeneralSekretär des Deutschen Weinbau-Vereins; A. Dorn, Administrator seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Albrecht von Preussen (Schloss Reinhartshausen); Karl Prileszki von Prilesz, Kaiserlicher Zehntkommissär, Wien.

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Entscheidenden Einfluss auf die qualitative Beurteilung haben Geruch und Geschmack, die wesentlich von Aromen bestimmt werden. Primäre Aromen entstehen durch den Stoffwechsel in der Rebe, die sich je nach Klima und Reife unterschiedlich entwickeln. Sekundäre Aromen entwickeln sich bei der Verarbeitung der Trauben, der Mostbehandlung und Gärung. Tertiäre Aromen bilden sich im Verlauf der Lagerung im Fass (z. B. durch Reife im kleinen Eichenholzfass) und auf der Flasche. Wie bereits zuvor über die Weinanalytik erläutert, sind für die Geschmacksbildung Zucker (Saccharose), Säuren, Mineralstoffe und Spurenelemente, Gerbstoffe (Tannin, Polyphenole) sowie schweflige Säure und höhere Alkohole, vor allem Glycerin, ausschlaggebend. Alkohol ist nur mittelbar Geschmacksträger, der für Charakter und Fülle des Weins (»Körper«) mitbestimmend ist. Für jedes einzelne Kriterium können bei unterschiedlichen Weinen positive und negative Eigenschaften stehen. Weinfehler basieren oft auf mikrobiologischen Veränderungen bei der Weinerzeugung wie z. B. Hefe- oder Eiweißtrübungen oder Farbveränderungen durch Oxydation. Manche Weinfehler sind sowohl im Geruch als auch im Geschmack wahrnehmbar, wie Essig- oder Milchsäurestich. Der Ausbau in einem unsauberen Fass kann zum »Muffton« eines Weins führen, andere Fehltöne sind der »Böckser« mit Geruch von faulen Eiern und der »Geranienton«, der durch Milchsäurebakterien hervorgerufen wird. »Korkgeschmack« ist hingegen kein 16

eigentlicher Weinfehler, sondern Folge eines muffigen Korkens. Lange gereifte und gelagerte Weine weisen oft einen spezifischen Alterston (»Firne«) auf, der im Aroma an Brotkruste erinnert. Selbst wenn die Farbe dieser meist süßen Weißweine dem Sherry ähnelt, werden sie dank ihres eindrucksvollen Aromas als »edelfirne« Spezialität geschätzt.

Weinverkostung Um einen Eindruck vom Zustand des Weins zu erhalten, bedarf es der »Sinnenprüfung«, bei der jedes einzelne oben aufgeführte Unterscheidungsmerkmal kritisch bewertet wird. Im professionellen Umgang mit Wein ist diese sensorische Degustation (oder »Tasting«) unerlässlich, während die geselligen und unterhaltsamen Weinproben oft lediglich hedonistisch motivierte Beliebtheitsentscheidungen der Verbraucher darstellen. Fachlich korrekte Weinverkostungen beruhen auf einem bestimmen Regelwerk, das trotz nicht auszuschließender Subjektivität der Prüfer zu möglichst zuverlässigen, objektiven Ergebnissen führen soll. Im Rahmen der önologisch-wissenschaftlichen Untersuchung mit dem Produkt hat die organoleptische Prüfung ebenso eine wichtige Aussagekraft wie beim kommerziellen Umgang, z. B. beim Weineinkauf oder zur Beurteilung der Haltbarkeit und der gastronomische Eignung (als Begleiter bestimmter Speisen). Die in der Praxis angewandten unterschiedlichsten Prüf- und Bewertungsverfahren setzen beim Prüfer

entsprechende Kenntnisse und Erfahrung voraus. Nahezu alle Weinprüfungen mittels Sensorik erfolgen auf der Grundlage von Klassifizierungen der Parameter Farbe, Geruch und Geschmack. Sie können je nach Bewertungsmodell durch weitere Merkmale wie Klarheit, Viskosität oder den Gesamteindruck (Harmonie, Typizität etc.) ergänzt werden. Die jeweils vom Prüfer festgestellten Eindrücke werden mit der Vergabe von Punkten auf der Grundlage der jeweiligen Bewertungssysteme dokumentiert. Um eine unbeeinflusste Wahrnehmung der einzelnen Sinneseindrücke zu gewährleisten, erfolgen die Weinproben »verdeckt« oder »blind«, d. h. ohne namentliche Kenntnis des Produkts und des Erzeugers. Die Bewertung des Weins erfolgt in der Regel auf Basis einer kleinen Menge, meist in speziellen Degustationsgläsern, die mit ihrer Formgestaltung den besonderen Funktionen von Weinverkostungen entsprechen. Eine gute Grundlage zur Einarbeitung in fachliche Weinverkostungen sind die Zusammenstellungen von unterschiedlichsten Aromaproben zum Kennlernen und von »Aromarädern«, aus denen die Begriffe und Zuordnung der einzelnen Attribute zu den Weinsorten ersichtlich sind.

Weinaufbewahrung Gegenüber vielen anderen Getränken zeichnet sich Wein unter anderem durch seine Langlebigkeit aus. Abgesehen von Weinen, die mit Alkohol verstärkt


wurden (Sherry, Port), ist die Haltbarkeit zeitlich nicht unbegrenzt, sofern nach längerer Aufbewahrung ein Genusserlebnis erwartet wird. Durch den auf dem Etikett ersichtlichen Ursprung wie Jahrgang oder Herkunft und der daraus resultierenden unendlichen Vielfältigkeit fasziniert Wein als ideelles und materielles Sammelobjekt. Traditionell sind daran technische und physikalische Voraussetzungen gebunden, die dank moderner Kellertechnologie in letzter Zeit kaum mehr den Regeln aus vorigen Jahrhunderten entsprechen müssen. Vor allem Weine, die für einen baldigen Konsum vorgesehen sind, können in der kurzfristigen Aufbewahrung einfacher behandelt werden, ohne dass deutliche Qualitätsverluste zu befürchten sind. Gleichwohl empfiehlt es sich, bei der Weinlagerung zu berücksichtigen, dass es sich in gewisser Weise um ein »fragiles« Produkt handelt, dessen Entwicklung mit der Flaschenabfüllung keineswegs beendet ist. Die komplexen Reife- und Alterungsvorgänge verlaufen höchst unterschiedlich. Sie sind von mikrobiologischen Faktoren wie Einfluss den Phenolen (bei Rotweinen) und der Säure (vor allem bei Weißweinen), aber auch von physikalischen Einwirkungen (Lagertemperatur) abhängig. Die drei klassischen Empfehlungen zur sachgerechten Lagerung sind ganz auf den Alterungsprozess des Weins ausgerichtet: • Lagerung bei gleichmäßiger Temperatur (Weißweine 8 °C bis 12 °C, Rotweine bis 16 °C) und Luftfeuchtigkeit (60 % bis max. 80 %) im geruchsneutralen, vibrationsfreien Umfeld.

• Liegende oder leicht geneigte Lagerung der Flaschen, die mit Naturkork verschlossen sind, damit dieser elastisch bleibt und Austrocknen vermieden wird. Dies betrifft nicht Spirituosen und Weinflaschen mit Kunststoff-, Glas und Schraubverschluss. • Angepasste, nicht zu starke Lichteinwirkung, z. B. LED mit geringer Wärmeentwicklung Gewerblichen Weinanbietern und Weinsammlern steht für die optimale Aufbewahrung und Präsentation eine breite Palette an Hilfsmitteln und Geräten, Regalen und Ausstattungsprodukten zur Verfügung, die höchsten Ansprüchen in puncto Logistik, physikalischen Bedingungen und Design gerecht werden. Vor der Entscheidung für bestimmte Lager- und Präsentationstechniken sowie Ausstattung sollten die Fragen nach der Abstimmung auf die Standortgegebenheiten, die benötigte Unterbringungskapazität sowie Umbau- und Erweiterungsmöglichkeiten (Flexibilität durch Modellbauweise) beantwortet werden. Das Spektrum der Regale für Präsentation und Aufbewahrung von Weinflaschen erreichte in jüngster Zeit eine Vielfalt, die an praxisgerechten Materialien, flexiblen und mobilen Einsatzmöglichkeiten sowie attraktiven Ausstattungsmerkmalen kaum noch zu überbieten ist: Der Klassiker ist das funktionsgerechte Holzregal aus unterschiedlichsten Holzarten. Metallregale zeichnen sich durch Stabilität und Widerstandsfähigkeit gegenüber hoher Luftfeuchtigkeit aus und eignen sich speziell für die Installa-

tion in feuchten Kellerräumen. Weinregale aus Kunststoff verfügen trotz ihres leichteren Materials über gute Standfestigkeit. Stilgerecht wirken aufwendige Steinregale aus Ton, die über hohe Druckfestigkeit und Luftdurchlässigkeit verfügen. Eine imposante Anmutung besitzen Regalfächer aus schwarzem, naturreinen Lavagestein, Tuffstein (Vulkanasche) oder Steinguss in Sandsteinoptik. Gemauerte Flaschenfächer wirken gleichermaßen rustikal und dekorativ. Perfekt klimatisierte Weinlagerung ermöglicht ein vielfältiges Geräteangebot. Es reicht vom Weinkühlschrank bzw. Weinklimaschrank mit abgestuften Klimazonen und variablem Fassungsvermögen (bis zu etwa 4000 Flaschen) bis zu schallgedämpften Klimageräten. Sie gewährleisten eine gleichmäßige Raumtemperatur zwischen 10 °C und 12 °C. Mittels Luftbefeuchtern lässt sich der konstante Feuchtigkeitsgehalt der Luft im Weinlager erreichen, von denen einige Modelle sogar unangenehme Geruchsbildung beseitigen.

Links: Bei professionellen Verkostungen ist die Farbe des Weins erstes Indiz für Alter und Beschaffenheit. Oben: Im Mörtel verlegte Drainagerohre ermöglichen eine für die Weinlagerung geeignete Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Geeignet ist dieses System vor allem zur Aufbewahrung von Einzelflaschen. Am Flaschenhals angebrachte Zettel oder kleine Tafeln mit Angaben über den jeweiligen Wein erlauben das Auffinden der gesuchten Flaschen, ohne dass diese dafür aus den Röhren herausbewegt werden müssen.

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Projekte Weinabteilung im SPAR Flagshipstore in Budapest (H)

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DiVino in Budapest (H)

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Balthazar Wine & Coffee Bar in Sint-Truiden (B)

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RED Pif in Prag (CZ)

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28°– 50° Marylebone in London (GB)

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Neue Sternen Trotte, Weingut zum Sternen in Würenlingen (CH)

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Galerie du Vin in Zürich (CH)

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Weingut Abril in Vogtsburg-Bischoffingen (D)

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VinoTeck, Mack & Schühle in Owen an der Teck (D)

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NORD Coffee • Lunch • Wine Bar in Mannheim (D)

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Weingut Leiss in Gellmersbach (D)

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Weinhandlung Kreis in Stuttgart (D)

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Wasems Kloster Engelthal in Ingelheim am Rhein (D)

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Weingut LANZ .WEIN in Nonnenhorn (D)

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wineBANK, Weingut Balthasar Ress in Eltville-Hattenheim (D)

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BECKER’S Weinbar in Trier (D)

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La Bohème entre amis in Porto (P)

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Cata 1.81 in Barcelona (E)

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Bodega Casa Primicia in Laguardia (E)

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Fiesta del Vino in Poznan´ (PL)

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Weingut Koppitsch in Neusiedl am See (A)

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Weingut Jungmayr in Ebersbrunn (A)

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Weingut Neumeister in Straden (A)

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GRAPY.SHOP in Roosendaal (NL)

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Beros & van Schaik Wine Traders in Bukarest (RO)

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eTT? in Bruneck (I)

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Cantina Antinori nel Chianti Classico in Bargino (I)

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Wirtshaus Löwengrube in Bozen (I)

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Vineria Paradeis, Weingut Alois Lageder in Margreid (I)

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Romeo in Rom (I)

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winecenter in Kaltern (I)

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Balthazar Wine & Coffee Bar in Sint-Truiden (B) Architekten: Creneau International, Hellebeemden 13, B – 3500 Hasselt, www.creneau.com Mitarbeiter: Simone Pullens, Andrew Theunissen, Joris Put, Fre Lemmens Bruttogeschossfläche: 100 m2 (Erdgeschoss /Bar), 30 m2 (Untergeschoss), 18 m2 (Obergeschoss) Fertigstellung: 2012 Kontakt: Balthazar Wine & Coffee, Grote Markt 52, B – 3800 Sint-Truiden, www.barbalthazar.wordpress.com

Im Süden der flämischen Provinz Limburg, eingebettet in das fruchtbare, vom Obstanbau geprägte Haspengau, liegt das beschauliche Städtchen Sint-Truiden. Mit etwas Aufmerksamkeit entdeckt der Besucher des Orts den schmalen Eingang zu einem wahren Kleinod, der Wein- und Kaffeebar Balthazar. Durch einen zur Straße hin offenen Vorbereich, wo man auf groben Holzbänken bei einem Glas Wein zusammensitzen kann, gelangt man in die dezent beleuchtete, gemütliche Bar. In dem schlauchartigen Inneren befindet sich links die Theke. Dahinter öffnet sich ein kleiner Raum, der mit schlichten Holztischen zum Essen oder Weintrinken einlädt. Der Inhaber Maurice Vroonen war einige Jahre in der Modebranche tätig und führte in Sint-Truiden eine Boutique. Schon sein Vater war weinbegeistert, importierte Wein und träumte von einer Weinbar. Der Sohn erbte diese Passion und realisierte den Traum, nachdem er dem Textilgeschäft den Rücken gekehrt hatte. Zusammen mit dem im nahen Hasselt ansässigen Architektur- und Designbüro Creneau wurde der Ausbau der Bar geplant. Federführend waren dabei Simone Pullens, Andrew Theunissen und Joris Put. 30

Die Idee war, einen lebendigen Treffpunkt für ortsansässige Genießer und Touristen zu schaffen, der aber auch junge Leute anziehen sollte. Denn neben dem traditionellem Bierkonsum steigt in Belgien das Interesse an Wein gerade bei den jungen Konsumenten stetig. Die Bar hat 40 Stillweine und 30 Champagner im Angebot, davon wöchentlich wechselnd sechs im glasweisen Ausschank. Es gibt täglich eine neue Karte mit kleinen Gerichten und »Tapas« aus regionalen Produkten. In den Details der Einrichtung spiegelt sich die ländliche Struktur der Region wider: Von den Wänden blicken Jagdtrophäen, an Haken über der Theke hängen Fasane, Schinken, Würste und Knoblauchzöpfe. In Glasglocken oder eingerahmt sind präparierte Fische, Vögel und Schmetterlinge ausgestellt. Die Atmosphäre ist gemütlich, aber nicht rustikal. Alle innenarchitektonischen Elemente sind bewusst einfach gehalten. Der Boden ist schlicht polierter Beton, die Theke besteht aus unbehandelter Eiche. Alle Einfassungen sind aus dunklem Stahl. Die Wände im Barbereich sind mit einer glänzenden Brokattapete ausgekleidet, die Decke mit einer Stucktapete, deren Oberfläche an verwittertes Metall erinnert. Die hinter der Theke angebrachten Regale bestehen


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Grundriss MaĂ&#x;stab 1:200 1

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AuĂ&#x;enbereich Eingang Bar/ Theke Gastraum Weinregal


aus Wein-Stapelkisten und sind mit Gittertüren versehen – sie erinnern an Vorratskammern mit ihren typischen Gitternetzen. Der hintere Raum ist einfach gehalten. Der Betonboden setzt sich hier fort, die Wände aber sind verputzt und mit einem matt-sandfarben Anstrich versehen. Von der Decke hängen schwarze Metalllampen, wie man sie in einem Keller oder auch Stallungen finden könnte. An der Kopfwand hängt ein Klimaschrank, in dem die Weine lagern. Darunter befindet sich eine mit Samt gepolsterte durchgehende Sitzbank im Vintagestil. Über eine Stahltreppe gelangt man nach

unten in den Sanitärbereich, in dem leise Musik spielt. Über den eckigen, weißen Waschbecken hängen horizontal aufgeschnittene Weinfässer, in deren Boden ein Spiegel eingelassen ist und aus denen die Wasserhähne ragen. Alles ist reduziert und funktional und stellt doch den Bezug zum Wein und zur Landwirtschaft her. Die Balthazar Wine & Coffee Bar wurde im Jahr 2012 eröffnet. Als Balthazar bezeichnet man im ursprünglichen Sinn eine Flaschengröße für Wein und Champagner, die ein Fassungsvermögen von 12 Litern hat.

Inhaber und Architekten entwickelten das Konzept gemeinsam: Hochwertige Weine und ländliche Produkte sollten in einer Atmosphäre genossen werden, die regionaltypisch, gemütlich, aber nicht altmodisch ist. Geschickt verwoben sie puristische und rustikale Elemente in dieser ausgefallenen Weinbar. Die Bar erfreut sich einer wachsenden Besucherzahl. Eine Institution ist inzwischen der »Apéro« auf den sich viele Ortsansässige nach der Arbeit treffen, es werden aber auch regelmäßig Partys und kleine Konzerte veranstaltet. Und Maurice Vroonen plant bereits, das leer stehende Ladenlokal nebenan bald hinzuzunehmen. 33


Neue Sternen Trotte, Weingut zum Sternen in Würenlingen (CH) Architekten: Liechti Graf Zumsteg, Stapferstrasse 2, CH – 5201 Brugg, www.lgz.ch Baurealisierung: Schneider Spannagel, CH – 5312 Döttingen Bruttogeschossfläche: 80 m2 Fertigstellung: 2012 Anbaugebiet: Unteres Aretal Kontakt: Weingut zum Sternen, Andreas Meier & Co., Rebschulweg 2, CH – 5303 Würenlingen, www.weingut-sternen.ch

Wenn Andreas Meier sich zum Probieren seiner Weine zurückziehen will, steigt er einige Treppenstufen hinauf. Zwei Stahltreppen führen in den Giebel des Kelterhauses. Hier oben, im Sensorikraum des Weinguts zum Sternen, hat er nicht nur die nötige Ruhe, sondern durch ein großes Fenster auch das gesamte Geschehen bis zu den Grundstücksgrenzen im Blick. In der Mitte des ansonsten dunklen Raumes steht ein großer, weißer Tisch. »Ideal für die Verkostungen, um die Farbe der

Weine gut anzusprechen«, erklärt Andreas Meier, der mit seinem Bruder das 1995 von den Eltern übernommene Weingut führt. Die glänzend lackierte Oberfläche erscheint elegant in dem ansonsten zurückhaltend wirkenden Raum. Der weiße Tisch war einer der wenigen Wünsche des Bauherrn an das Büro Liechti Graf Zumsteg aus Brugg, als er es mit dem Umbau des historischen Kelterhauses (»Trotte«) aus dem Jahr 1860 beauftragte.

Der Umbau war notwendig, um die Betriebsabläufe des 11,5 ha umfassenden Weinguts zu optimieren, zudem sollte eine Vinothek zur Verkostung integriert werden. Das bestehende Gebäude musste hierfür bis auf den bereits vorhandenen Lastenaufzug weitgehend abgetragen werden. Der im August 2012 nach nur sechsmonatiger Bauzeit fertiggestellte neue Bau erscheint sowohl in seiner Form als auch der Materialwahl in der Tradition historischer Scheunen im dörflichen Kontext. Neben einer markanten Giebelfassade wurden die beiden Vordächer ausladend nach vorne gezogen. Die Enden der seitlich am Dach angebrachten Regenrinnen wurden in der historischen Form der damals verwendeten Viertelkugel nachgebaut. Auch das wasserabführende seitliche Regenrohr erscheint in der seinerzeit hier üblichen Form eines Schwanenhalses. Für beides fanden die Architekten regionale Handwerker, die diese Fertigungskenntnisse noch haben und umsetzen können. Als Dachziegel wurden die traditionellen Biberschwänze verwendet. Die Zugangsfassade ist aus Tannenholz gefertigt und besitzt eine schwarz geölte Brettschalung. Der Stern, im Logo des Weinguts zum Sternen als Ausdruck des eigenen hohen Qualitätsanspruchs verankert, wurde in der Fassadengestaltung als ausgesägtes Ornament aufgenommen. Bei eingeschalteter Beleuchtung im Inneren der Trotte bricht sich außen das Licht in den Aussparungen. Verstärkt wird dieser Effekt durch die hinter die Holzschalung gesetzten transparenten

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Lageplan Maßstab 1:2000 Grundrisse Maßstab 1:400

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Traubenpressen Vinothek Luftraum Gärtanks Sensorikraum a

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Hohlraumplatten. Die rückseitige Fassade ließen die Architekten mit Lochblech verkleiden. Über die gesamte Fläche gesetzt, verleiht es ihr Ruhe. Auch hier schützen die dahintergesetzten Hohlraumplatten im Winter vor eindringender Kälte und im Sommer vor Hitze, sodass sich eine über das Jahr hinweg nahezu gleichmäßige Innentemperatur einstellt. Die Gestaltung der Innenräume ist funktional aufgebaut und gewährleistet optimale Produktionsabläufe – was einer der Garanten für die sehr hohe Qualität der Weine des Guts ist. Über drei Ebenen hinweg erfolgt die Verarbeitung der Trauben zu Wein. Rohe Materialien wie Holz, OSB-Platten und verzinkter Stahl dominieren im Inneren. Die im Erdgeschoss gelegene Vinothek, welche das Weingut mit dem angrenzenden, ebenfalls dazugehörigen Restaurant verbindet, wurde vollständig in schwarzem Holz gehalten. Durch die dunkle Gestaltung tritt die Hülle des Raums zurück – der Wein steht im Zentrum des Betrachters. Zwei große Hängeleuchten heben die aus heimischer Eiche gebaute, auf vier Barriquefässer gesetzte Tischplatte hervor. Die Lagenweine des Weinguts zum Sternen sowie die hier ausgebauten CuvéeWeine von Bessertstein, einem Zusammenschluss Aargauer Winzer, werden in beleuchteten, in die Wände integrierten Regalen präsentiert. Beim Probieren eines Pinot Noir der Lage Kloster Sion wird rasch klar, dass die Architektur der neuen Sternen Trotte das Streben von Andreas Meier nach höchster Qualität und Perfektion ebenso zum Ausdruck bringt wie seine Weine. 43


NORD Coffee • Lunch • Wine Bar in Mannheim (D) Designer: Uli Odenwald, furniture I interior I design, K 2 / 7, D – 68159 Mannheim, www.uliodenwald.com Bruttogeschossfläche: 100 m2 Fertigstellung: 2013 Kontakt: NORD, Lange Rötterstraße 66, D – 68167 Mannheim, www.nord.li

Selten sieht man das Holz der Bergulme, auch Rüster genannt, als Material in der Innenraumgestaltung. Die Baumart ist in Europa aufgrund des Ulmensterbens stark dezimiert. Noch seltener aber ist Rüster in dieser Dimension zu sehen. Der 4,20 m lange Tisch aus dem eleganten, rötlich gemaserten und ringporigen Holz gestaltet markant den hinteren Raum von Eva Feldmanns NORD und stellt einen warmen Kontrast zu den Wänden aus Sichtbeton dar. Es war Eva Feldmanns Wunsch, einen Platz zu schaffen, an dem Menschen gemeinsam an einem Tisch zusammensitzen. Über dem Tisch hängen alte Fabrikleuchten aus Russland. Die Stühle wiederum stammen aus einer Schule und an den Wänden hängen Gemälde eines befreundeten Künstlers als Teil einer wechselnden Ausstellung. Alles zusammen verleiht dem Raum einen persönlichen Charakter. Als die Inhaberin mit der Realisierung ihres langjährigen Wunschs begann, ein Café mit Weinbar zu eröffnen, erinnerte sie sich an Uli Odenwald, einen Bekannten aus Studienzeiten, dessen außergewöhnliche Möbelkreationen sie seinerzeit bewundert hatte. Der gelernte Schreiner und Designer nahm eine Vielzahl von Eva Feldmanns Ideen und Vorschlägen auf und entwarf mit ihr zusammen die Innengestaltung. Bauliche Vorgaben waren infolge des Gebäudeneubaus vonseiten des Eigentümers nur wenige vorhanden. Der Schallschutz sollte ausreichend Berücksichtigung finden und 52

das zentrale Treppenhaus – wie ein eingestellter Kubus im Raum – in Sichtbetonoptik verbleiben. Ein erster Entwurf mit einer durchgehenden Schallschutzdecke wurde aufgrund der zu hohen Kosten verworfen. Als Alternative plante Uli Odenwald an einer Seite in jedem Bereich Schallschutzlamellen aus hellem Fichtenholz, die vor die bestehende Sichtbetonwand gesetzt wurden. Im vordereren Teil der Bar scheinen die Bänke in geschwungener Form aus dieser Wand zu »wachsen«. Das Holz steht auch hier im Kontrast zu der ansonsten in Sichtbeton gehaltenen Decke und der hinteren Wand, den schwarzen, eigens angefertigten Tischen aus Harzkompositplatten sowie den orangefarbenen Stühlen von Charles und Ray Eames. Die Hängeleuchten wiederum sind eine Eigenkreation von Eva Feldmann. Spinnenähnlich hängen Schnüre mit nackten Glühbirnen über den Raum verteilt von der Decke und tauchen ihn vor allem am Abend in ein warmes Licht. Um den Raum zu zonieren, wurde die Decke über der Bar sowie im hinteren Teil abhängt und mit einer Schattenfuge sowie indirekter Beleuchtung zur Sichtbetonwand versehen. Über dem Tresen, der mit rohen Stahlplatten verkleidet ist, hängen schwarze Lampen eines dänischen Herstellers, der die Objekte zeitgenössischer skandinavischer Designer produziert. Die Gestaltung wirkt zurückhaltend und lenkt den Blick auf die


Grundriss MaĂ&#x;stab 1:200 1 2 3 4

Verkostung Lounge Theke Abstellraum

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Beros & van Schaik Wine Traders in Bukarest (RO) Architekten: Beros & Abdul Architects, Strada Smardan 9, RO – 030071 Bukarest, www.sod.ro Mitarbeiter: Christian Beros, Esenghiul Abdul, Claudia Trufas Bruttogeschossfläche: 50 m2 Fertigstellung: 2012 Kontakt: Beros & van Schaik Wine Traders Strada Covaci 19, RO – 033071 Bukarest, www.bvswines.ro

Schnitte Maßstab 1:100

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Der Castillo de Molina Carmenère Jahrgang 2010 im Weinregal des kleinen Ladens Beros & van Schaik Wine Traders in Bukarest kommt von weit her. Wie auch Christian Beros, einer der beiden Eigentümer von BvS Wine Traders. In Santiago de Chile aufgewachsen, kam er nach dem dortigen Architekturstudium und einem mehrjährigen Aufenthalt in London beruflich nach Bukarest. Neben der Selbstständigkeit mit eigenem Architekturbüro nutzte er seine privaten Kontakte zu chilenischen Winzern und begann, deren Weine nach Rumänien zu importieren. Mit Jerry van Schaik traf er einen weininteressierten Partner, der bereits in Bukarest erfolgreich ein Hotel betrieb. Zusammen mit ihm erweiterte er das bestehende Importgeschäft mit Weinen aus Spanien, Frankreich, Italien, Neuseeland und Australien. Sie gründeten die BvS Wine Traders, die neben dem Import die Weine auch an Hotels, Restaurants und Bars vertreiben. Waren es zunächst nur ausländische Weine, so veränderte sich das Angebot mit zunehmenden Kontakten zu einheimischen, rumänischen Winzern. Heute sind es fast zwei Drittel rumänische 98

Weine, die BvS Wine Traders im Programm führen. Mit der Entscheidung, 2012 einen Shop zusammen mit einer Weinbar zu eröffnen, wollten Beros und van Schaik in Verbindung mit ihrem Webshop stärker Endkunden ansprechen. Die Gäste sollten hier die Möglichkeit erhalten, Weine vor dem Kauf zu probieren. Die Räumlichkeiten liegen im Zentrum von Bukarest in idealer Lage. Christian Beros, der das Innere der Bar gestaltete, entfernte die bestehende abgehängte Decke, machte die hohen Wände somit sichtbar und nutzt diese für die Präsentation der Weine. An eine Bibliothek erinnernd, reichen die Regale bis unter die in rohem Zustand belassene Decke. Die Weine stehen auf Regalböden aus Furniersperrholzplatten, die mit Metallschellen an Eisenstützen, ähnlich einem Gerüst, befestigt sind. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein langer Wandtresen mit integrierten, für die Präsentation von besonderen Weinen vorgesehenen Schaukästen. Auf darüberliegenden Tafeln werden die wöchentlich wechselnden offenen Weine angeschrieben. Unter dem Wand-


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eTT? in Bruneck (I) Architekt: Walter Angonese, Marktplatz 6, I – 39052 Kaltern, www.angonesewalter.it Künstlerische Intervention: Manfred Alois Mayr, I – 39100 Bozen Mitarbeiter: Theodor Gallmetzer, I – 39100, Bozen Bruttogeschossfläche: 35 m2 Fertigstellung: 2006 Kontakt: Bar eTT?, Gilmplatz 1/a, I – 39031 Bruneck

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Grundriss Maßstab 1:200 1 2 3 4 5

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Eingang Theke Servicebereich Toilette Sitzbank

»Et?« – dieser Begriff aus dem Pustertaler Dialekt war häufig zu hören, als Hildegard Stabinger und Walter Angonese zusammen mit den Handwerkern am Ausbau der Bar am Gilmplatz in Bruneck in Südtirol gearbeitet haben. Das Wort »et« lässt sich mit dem Satzanhängsel »nicht wahr« oder auch »oder« übersetzen. Nach diesem kleinen, der diplomatischen Kommunikation förderlichen Wort wurde die neue Bar benannt. Um Verwechslungen mit Hollywoodfilmen zu vermeiden, hängte man kurzerhand noch ein »t« an. Hildegard Stabinger, Inhaberin der Bar eTT?, arbeitete lange als Saalchefin im Restaurant gretl am see am Kalterer See. Der Wunsch, etwas Eigenes aufzuziehen, und das Heimweh nach ihrer Heimat, dem Pustertal, führten zu dem Entschluss, einen Raum im Erdgeschoss des Hotels Post in Bruneck zu pachten. Das alte Hotel Post (nicht zu verwechseln mit dem neuen Hotel Post) war eine Institution in Bruneck, bekannte Persönlichkeiten verkehrten hier. Allerdings wurde es im Jahr 2002 abgerissen und in den folgenden zwei Jahren in Anlehnung an das ursprüngliche Stadtbild neu errichtet. Der Architekt Walter Angonese war im gretl am see häufig Gast bei Hildegard Stabinger. Eines Tages überraschte sie ihn mit einem groben Entwurf für die Neugestaltung der Räume. Der Architekt wollte zunächst aus Zeitmangel ablehnen, machte aber schon am Tisch im Restaurant die ersten Skizzen. Schließlich sagte er doch zu. Die Herausforderung bestand darin, den kleinen, schlauchförmigen, 102

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3,2 ≈ 9 m messenden Raum optimal auszunutzen und neu auszustatten. Als Vorbild diente die American Bar in Wien von Adolf Loos. Man wollte nicht den »letzten zeitgenössischen Schrei« kreieren, sondern einen stimmungsvollen, funktionalen Raum, der einladend, gemütlich, aber dabei jenseits von Altbackenem ist. Walter Angonese und der Künstler Manfred Alois Mayr stellten sich dieser spannenden Aufgabe. Der Boden wurde mit grauen Sandsteinplatten aus der Toskana gefliest. Die linke Hälfte des Raums nimmt eine Theke aus massiver Eiche ein, deren vorderer Teil frei in den Raum ragt. Hier ist es möglich auf Barhockern zu sitzen. Der hintere Teil lädt zum Stehen ein. Dort befindet sich ein von Manfred Alois Mayr entworfener, massiver Handlauf aus gedrechseltem, schwarz lackiertem Holz. Das körperhafte Element stellt nicht nur den Bezug zur handwerklichen Tradition her, sondern vermittelt auch haptische Sinnlichkeit. Der Gast kann hier verweilen, tasten und findet im Wortsinn Halt. Der mittlere Teil der Theke ist aufgeschnitten und verglast. Er dient als Vitrine für Weine sowie kleine Snacks. Die angebotenen regionalen Weine werden im Regal an der dahinter liegenden Wand präsentiert. Spiegel vergrößern den Raum optisch und geben ihm Tiefe. Im hinteren Bereich der Bar befindet sich eine trapezförmige Ausbuchtung, die gleichzeitig als Stauraum und Arbeitsfläche genutzt wird.


Entlang der rechten Wand ist eine durchgehende Sitzbank aus massiver Eiche angebracht. Die Rückenlehne ist zweigeteilt – in einer Nut sind mehrere weiß lackierte Holztische fixiert, die sich bei Bedarf zusammenschieben lassen. So können sich kleine Gruppen zusammensetzen, oder die Tische werden zu einer großen Tafel gefügt, auf der, je nach Anlass, Häppchen und Fingerfood angerichtet werden. Auf der über der Rückenlehne angebrachten durchgehenden Tafel sind die Weine im offenen Ausschank oder auch Veranstaltungen angeschrieben. Darüber und an der Decke wurde mit Spritzwurf-Putz gearbeitet. Dieser schwer zu verarbeitende Putz ist weiß gestrichen und sorgt für eine authentische Stimmung. Die runden Deckenlampen aus schwarzem Stahl und Milchglas entwarfen Angonese und Mayr selbst. Sie sorgen für ein angenehmes, weiches Licht. Die Fassade, der Eingang und die in Edelstahl gefassten Glastüren wurden nicht verändert. Da Neonleuchtschrift in Bruneck verboten ist, wendete man beim Schriftzug eTT? einen kleinen Trick an: Die Buchstaben bestehen aus hinterleuchtetem Glas. Die Inhaberin ist mit dem Ergebnis absolut zufrieden. Die dominierende Farbe Braun, kombiniert mit den weißen Elementen, verleiht dem Raum ein gemütliches und gleichzeitig modernes Ambiente. Die Enge des optimal genutzten Raums ist im Winter angenehm wärmend, und für die heißen Tage im Sommer befinden sich im Außenbereich schattige Sitzgelegenheiten. Nur ein halbes Jahr nach Planungsbeginn wurde die Bar im März 2006 mit einer Party eröffnet. Die Bar eTT? hat wochentags von früh morgens bis zum frühen Abend geöffnet. Morgens und mittags kommen Schüler und Berufstätige auf einen Kaffee herein oder genießen einen der selbst gemachten kleinen Snacks wie Brioches und Panini. Nach Feierabend trifft man sich auf einen »Apéro«. Neben den Weinen regionaler Winzer und Kellereien werden auch Drinks wie Sprizz und Hugo angeboten. Hildegard Stabinger stellt den Prosecco Foss Marai Extra Dry als besonders bemerkenswert heraus und einer der Lieblingsweine von Walter Angonese ist der Réserve del Conte von Manincor. 103



Nebenteil

Kurzportr채ts

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Weitere Projekte

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Namensregister

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Bildnachweis

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Autorenviten

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Glas.Cabinet, Weingut Robert Weil in Kiedrich (D)

Rotisserie Weingrün in Berlin (D)

Weinmanufaktur Untertürkheim in Stuttgart (D)

Architekt: Planungsbüro Heiko Preusser, D – 65399 Kiedrich Verkostungsbereich: eins:33 GmbH, Dreimühlenstraße 19, D – 80469 München, www.einszu33.com Fertigstellung: 2013 Anbaugebiet: Rheingau Kontakt: Weingut Robert Weil, Mühlberg 5, D – 65399 Kiedrich / Rheingau, www.weingut-robert-weil.com

Restaurantgestaltung: Herbert Beltle, Heide Hagen Fertigstellung: 2009 Kontakt: rotisserie WEINGRÜN, Gertraudenstraße 10 –12, D –10178 Berlin-Mitte, www.rotisserie-weingruen.de

Architekten: Wolfgang Münzing Innenarchitekt, Neubrunnenstraße 23, D – 74223 Flein, www.wolfgang-muenzing.de Fertigstellung: 2011 Kontakt: Weinmanufaktur Untertürkheim, Strümpfelbacher Straße 47, D – 70327 Stuttgart, www.weinmanufaktur.de

Höchst selten leistet sich ein Weingut den Luxus, zwei Vinotheken zu unterhalten. In einem der renommiertesten Rieslinggüter der Welt trifft man auf diese besondere Konstellation. Vor 15 Jahren eröffnete Wilhelm Weil seine erste, postmodern gestaltete Vinothek, die die architekturhistorisch interessante, im Tudorstil errichtete Villa aus dem 19. Jahrhundert samt Nebengebäuden ergänzte. Mit Fertigstellung des auf optimale Produktionsabläufe konzipierten Kellereineubaus im Jahr 2013 bildet als weitere Besuchereinrichtung das »Glas.Cabinet« quasi den »krönenden« Abschluss. Unter Einbeziehung der Terrasse finden hier auch große Gästegruppen Platz. Der von schwarz-blauem Naturstein und hellem Eichenholz geprägte, schlicht-elegante Pavillon verfügt neben modernster Gastrotechnik über großzügig bemessene Glasflächen, die beeindruckende Ausblicke auf das umgebende Weinbergpanorama ermöglichen.

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Das denkmalgeschützte neogotische »JuwelPalais« – mit seiner reich verzierten Sandsteinfassade das Einzige noch existierende Dreigiebelhaus in Berlin – liegt an einem Seitenarm der Spree in Berlin Mitte und wurde 2002 aufwendig saniert. Der Gastronom Herbert Beltle, auch Inhaber des Weinguts Horcher in der Pfalz (u. a. mit exquisitem Showroom), kombinierte hier ein Grill- mit einem Weinrestaurant, dessen besondere Merkmale ein Flammenwandgrill sowie eine bemerkenswerte Wein- und Speisenauswahl sind. Original erhaltene Bestandteile wie Decken, Fliesenböden und große Fenster bilden den Rahmen für die Gestaltung im Bistrostil. Dominant ist das große, indirekt beleuchtete Wein- und Präsentationsregal sowie dunkelfarbige Wände, an denen das jeweilige Tagesangebot auf Schiefertafeln aushängt.

Andere Wege beschreiten – das war und ist für die Weingärtner, deren Vorfahren sich 1887 zum genossenschaftlichen Verbund zusammengeschlossen haben, schon bei ihrer neuen Namensfindung das Motto: 2001 benannte sich das Unternehmen in »Weinmanufaktur« um. Und auch dem über 100 Jahre alten Betriebsgebäude wurde mit weitläufigen, von drei flachen Bogen überspannten, ansprechend mit »Probierinseln« ausgestatteten Degustations- und Verkaufsräumlichkeiten sowie stilvollen Raumteilern und Präsentationselementen neuer architektonischer Glanz eingehaucht. Anstelle modischer Spielereien herrschen helle, gold lasierte Flächen und elegant geschwungene Eschenholztheken vor, die der großen Vinothek ein dezentvornehmes Ambiente verleihen und das sinnliche Erlebnis Wein in den Vordergrund stellen.


BECKER’S XO in Trier (D)

Architekten: Atelier d’Architecture et de Design Jim Clemes, 120, rue de Luxembourg, L-4221 Esch/Alzette, www.clemes.lu Fertigstellung: 2013 Kontakt: BECKER’S XO, Fleischstraße 59, Posthof am Kornmarkt, D – 54290 Trier, www.xo-trier.de

Das 2013 im Gebäudekomplex des alten Postamts direkt am Kornmarkt in Trier eröffnete BECKER’S XO kombiniert Restaurant, Bar und Deli in perfekter Weise. Das ab 1879 erbaute Post- und Telegrafengebäude wurde nach der Schließung des Postverteilerzentrums umgebaut und erhält sukzessive Einzelhandelsflächen, Gastronomie sowie Wohnungen. In Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Jim Clemes hat der Bauherr und Trierer Sternekoch Wolfgang Becker mit dem XO auf 700 m2 Gesamtfläche ein Cross-over-Konzept realisiert. Die einzelnen Bereiche unterscheiden sich dabei in ihrem Charakter je nach der jeweiligen Nutzung, wirken aber insgesamt als Einheit. Bei dem Umbau blieb die neobarocke Außenfassade des denkmalgeschützten Komplexes erhalten; lediglich die Fenster zum Innenhof wurden bodentief geöffnet, um eine stärkere Verbindung zu dem neu angelegten Hof, der auch als Terrasse für das XO dient, herzustellen. Im Inneren konnte die vorhandene, zum Teil rau wirkende Struktur und der besondere Charme der Räume erhalten und mit neuen, klaren Formen sowie hochwertigen und edlen Materialien ergänzt werden. Auf eine bauliche Unterteilung der Gesamtfläche mit raumhohen Wänden wurde weitgehend verzichtet. Stattdessen trennen unterschiedlich hohe, vom Bestand losgelöst im Raum stehende Metallwände mit behandelten Schwarzblechoberflächen die Nutzungsbereiche. Diese bilden gleichzeitig das wiederkehrende und verbindende Element in den einzelnen gastronomischen Bereichen, die sich ansonsten gestalterisch entsprechend ihrer Nutzung unterscheiden.

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Meraner Weinhaus in Meran (I)

Monvínic in Barcelona (E)

OHLA in Barcelona (E)

Architekt: Harry Thaler, 51 Tudor Road, Unit 4, GB – London E97SN, www.harrythaler.it Fertigstellung: 2011 Kontakt: Meraner Weinhaus GmbH, Romstraße 76, I – 39012 Meran, www.meranerweinhaus.com

Innenarchitekt: Alfons Tost, Passatge Marimón, 7, E – 08021 Barcelona, www.alfonstost.com Fertigstellung: 2008 Kontakt: Monvínic, Carrer de la Diputació, 249, E – 08007 Barcelona, www.monvinic.com

Architekten: Daniel Isern, Via Laietana, 47, E – 08003 Barcelona, www.isern.pro; Alonso Balaguer y Arquitectos Asociados, Carrer de la Riba, 36, E – 08950 Esplugues de Llobregat Fertigstellung: 2011 Kontakt: Ohla Hotel, Via Laietana, 49, E – 08003 Barcelona, www.ohlahotel.com

2004 als beste Enoteca Italiens ausgezeichnet, punktet das von zwei diplomierten Sommeliers geführte Weinhaus seit einigen Jahrzehnten nicht nur mit seinem gigantischen Sortiment von über 2500 Weinen (plus 500 Spirituosen und ausgewählter Feinkost), sondern vor allem mit seinem interaktiven Degustationsangebot, bei dem 40 verschiedene Kreszenzen unterschiedlichster Provenienzen ständig verkostet werden können. Die »Tasting Zone« mit ihren Weindispensern bildet daher den besonderen Anziehungspunkt, vor und neben dem sich Regalwände und Weinpräsentationsmöbel aus hellem und dunklem Holz erstrecken. Diese korrespondieren mit den hellen Böden und Decken auf wohltuende Weise und ermöglichen eine jeweils produktgerechte Präsentation der Flaschen, wahlweise stehend oder liegend.

Das Monvínic ist weit über Barcelona hinaus eine der berühmtesten Adressen in der Weingastronomie – und kann geradezu als vinologisch-kulinarische »Institution« bezeichnet werden. Das internationale Weinangebot umfasst etwa 3000 Etiketten, davon 60 im offenen Ausschank. Anstelle gedruckter Weinkarten wählt man digital mittels »WinePad« oder nach Beratung durch einen der sechs Sommeliers aus. Innenarchitekt Alfons Tost inszenierte das Restaurant und die Weinbar ebenso individuell und effektvoll wie den Verkostungs- und Konferenzraum sowie ein Dokumentationszentrum. Hierbei nutzte er unterschiedliche Materialien – vor allem Holz und unterschiedliche Metalle – und brachte ein raffiniertes Beleuchtungskonzept zur Ausführung. Goldfarbene Decken und hellgelbe Wandverkleidungen ergänzen die stilvollmodernen Sitzmöbel, die mit kräftig gelben und dunkelbraunen Stoffen bezogen sind, sowie die beigefarbenen Böden – es entsteht eine Art Gesamtkunstwerk für alle Sinne.

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Bereits die keramischen »Augen«-Skulpturen des Künstlers Frederic Amat, die von der neoklassizistischen Gebäudefassade des einstmals ersten Kaufhauses der Stadt herabblicken, signalisieren den nicht ganz alltäglichen Stil dieses 2011 hier eröffneten luxuriösen Boutique-Hotels. Für die extravagante und fantasievolle Gestaltung zeichneten Alonso Balaguer und Daniel Isern verantwortlich, die dafür unter anderem erlesene Möbel aus der Cappellini-Kollektion sowie eine exzellente Beleuchtungsinstallation des darauf spezialisierten Studios artec3 einsetzten. An Blickfängern aller Art mangelt es nicht, wie die Raumausstattung zum Beispiel der Boutique-Bar und der Gastro-Bar mit spektakulären Installationen sowie intensiven Licht-, Material- und Farbkontrasten zeigt.


Bodegas 14 Viñas in Picón (E)

Pa Catar in Sevilla (E)

Finca de los Arandinos in Entrena (E)

Architekten: S -M.A.O. Sancho-Madridejos Architecture Office, Calle Santa Leonor, 61 Bajo 2A, E – 28037 Madrid, www.sancho-madridejos.com Fertigstellung: 2008 Anbaugebiet: La Mancha Kontakt: 14 Viñas, S.L. – Viñedos y bodega en Finca Casalobos, Carretera autonómica CM 412, km 6,5, E –13196 Picón

Architekten: Donaire Arquitectos, Calle Velarde, 10 A, E – 41001 Sevilla, www.donairearquitectos.com Fertigstellung: 2011 Kontakt: Pacatar, Calle Javier Lasso de la Vega, 1, E – 41002 Sevilla

Architekt: Javier Arizcure, Calle San Anton, 1– 5G, E – 26002 Logrono, www.arizcurenarquitectos.com Innenarchiteken: David Delfín, Calle Augusto Figueroa, 16 1A planta, E – 28004 Madrid, www.davidelfin.com; AKA ESTUDIO, Calle Duque de Osuna, 4, E – 28015 Madrid, www.akaestudio.com Fertigstellung: 2011 Anbaugebiet: Rioja Kontakt: Finca de los Arandinos, Carretera LR -137, km 4,6, E–26375 Entrena, www.fincadelosarandinos.com

Die moderne Weinarchitektur ist in Spanien mit auffallend vielen außergewöhnlichen Projekten vertreten. Dazu zählt auch eine Weinkellerei, die 2008 in der Region Kastilien-La Mancha entstand. Bei Picón (Provinz Ciudad Real) erstreckt sich ein am Hang gelegener Kubus, der mit seiner Verkleidung aus vertikal angeordneten Aluminiumleisten eher an ein Industriegebäude als an ein Weingut denken lässt. Hinter der 80 Meter langen Fassade brachten die Architekten Juan Carlos Sancho Osinaga und Sol Madridejos, die mit diesem Projekt 2009 für den Mies van der Rohe Award nominiert wurden, auf der unteren Ebene Kellertechnik und Weinlagerung unter. Darüber liegen großzügig dimensionierte, elegant geschnittene Räumlichkeiten aus Sichtbeton für Lounge, Degustations- und Verkostungsbereiche, aus denen man an vielen Stellen grandiose Ausblicke in die Rebenlandschaft genießt.

Auf den ersten Blick mutet dieses 2011 eröffnete Weinrestaurant im Stadtzentrum von Sevilla mit seiner fast spartanischen Gestaltung wie ein ländliches Casino an. Betonböden, holzverkleidete und weiß gekalkte Backsteinwände, rustikale Holzhocker und schlicht designte Stühle – das Büro Juan Pedro Donaire Arquitectos setzte auf Einfachheit, vermied jegliche Übertreibung und überflüssige Schmuckelemente. Die Ausstattung sollte die »Erdverbundenheit« des Weins symbolisieren; umgesetzt wurde dieses Konzept durch die Bevorzugung »natürlicher« Materialien. Kistenähnliche Flaschenregale unterhalb der Decke, grünliche Glaslampen mit an Weinkelche erinnernden Formen sowie schlanke, weiße, gusseiserne Säulen setzen unaufdringliche Akzente im ungekünstelten Interieur.

In diesem Weinhotel mit seinem gastronomisch hochgelobten Restaurant inmitten der RiojaRegion, das 2013 mit dem »Best of Wine Tourism«Award der Great Wine Capitals ausgezeichnet wurde, feiert die architektonische Moderne ihren Triumph: Architekt Javier Arizcuren und Innenarchitekt David Delfín in Kooperation mit AKA ESTUDIO schufen mit Materialien wie Beton, Glas und Holz farbige, abwechslungsreiche Elemente, die dem gesamten Anwesen eine frische, heitere Note vermitteln. Die direkte räumliche Anbindung des Hotels an die Weinkellerei mit Barriquelager sowie Verkostungstheke und Weinbar ist ebenso gelungen wie die Ausrichtung auf die herrliche Umgebung mit den angrenzenden Wein- und Obstgärten der Rioja und die Berge der Sierra de Moncalvillo.

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