DETAIL Praxis Bad und Sanitär

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Einleitung

Der Stellenwert des Badezimmers in der Architektur ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Früher isoliert, dunkel und innen liegend, werden neue Bäder im privaten Bereich heute meist offen gestaltet. Eine natürliche Belichtung ist fast zwingend, Tageslicht wird gelenkt, farbige Licht­stimmungen inszenieren den Raum und schaffen unterschiedlichste Atmosphären. Die Palette der Hersteller für Badmöbel, Armaturen und Kera­mik erweitert sich ständig, neue Mate­ria­lien und Verarbeitungstechniken ermöglichen etwa Fliesen von außergewöhnlichen Dimensionen oder Waschbecken aus Verbundwerkstoffen, die sich beliebig formen lassen. Die Wünsche der Bewoh­ ner orientieren sich häufig an den groß­ zügigen Spa-Bereichen von Hotels und öffentlichen Bädern. Damit ändern sich auch im Privatbad die Anforderungen hinsichtlich der Zonierung und Multi­ funktionalität des Grundrisses sowie der Flexibilität, um auf veränderte Wün­ sche reagieren zu können. Gleichzeitig steigt der Anspruch an Qualität und Gestaltung. Themen wie altersgerechte Planung, Ökologie und technische und digitale Weiterentwicklungen wer­ den künftig noch stärker in den Fokus rücken. In öffentlichen Sanitärbereichen, z. B. in Bürogebäuden, Gaststätten, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Sport­ stätten, Flughäfen oder anderen öffent­ lichen Einrichtungen, kommt es in erster Linie auf Aspekte wie Funktionalität, ­Pflegeleichtigkeit und Langlebigkeit an. Dennoch orientieren sie sich in der Gestaltung mehr denn je an ihrer Umge­ bung, da sie in zunehmendem Maß auch als Visitenkarten eines Gebäudes die­ nen. Sie nehmen die Material- und Farb­ sprache der Architektur und Innenraum­ gestaltung auf und zeugen vom Erfin­ dungsreichtum bei der Umsetzung der Konzepte.

Historische Entwicklung der Bäder Frühe Badeanlagen waren schon im alten Ägypten und in Mesopotamien bekannt. Auch im antiken Griechenland, wo im 5. Jahrhundert v. Chr. öffentliche Bäder entstanden, hatte die Badekultur einen hohen Stellenwert. Bäder dienten neben der Reinigung auch der Entspannung und der Kommunikation. Im Römischen Reich wurden zunächst kleinere öffent­ liche Badestuben errichtet, später präch­ tig ausgestattete Thermen. Diese waren kommunikative Orte und wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens. Das kostbare Gut Wasser wurde über öffentliche Bauwerke, die Aquädukte, herantransportiert. Eine ausreichende Wasserversorgung und eine deutliche Verbesserung der Hygiene war so ge­­ währleistet. Mit dem Niedergang des Römischen Reichs im 5. Jahrhundert n. Chr. ging auch die Badekultur im west­ lichen Europa verloren. Im Byzantinischen Reich blieb sie dagegen erhalten. Von dort brachten im Mittelalter die Kreuz­ fahrer Ideen und Baupläne auch wieder nach Westeuropa. Öffentliche Badehäu­ ser wurden damit auch hier zu einem Ort, an dem die meisten Menschen mit fließen­dem Wasser in Berührung kamen. Zudem entwickelten sie sich erneut wie­ der zu Zentren der Kommunikation und Geselligkeit. Religiöse Prüderie sowie die Ausbreitung der Syphilis und nicht zuletzt die großen Pestepidemien mit ihrer Ansteckungs­ gefahr führten bis zum Ende des 16. Jahr­ hunderts zur Schließung der meisten Badehäuser. Damit verbunden verbrei­ tete sich die Meinung, dass Wasser grundsätzlich eine gesundheitliche Gefahr darstelle. Man beschränkte sich fortan vor allem in feudalen Kreisen beim Kontakt mit Wasser eher aufs Duftwässer­ chen, statt gewaschen wurde der Kör­ per trocken abgerieben und gepudert. Erst mit der Aufklärung Mitte des 18. Jahr­

hunderts setzte ein Umdenken ein und es entstanden wieder öffentliche und pri­ vate Bäder. Im 19. Jahrhundert kam es durch neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Hygiene zu einer Renaissance von öffentlichen Wannenbädern. Die erste öffentliche Wasch- und Badeanstalt wurde 1842 in Liverpool eingerichtet, das erste deutsche Volksbad mit 65 Bade­ wannen und 56 Waschtischen entstand 1855 in Hamburg. Im Privathaushalt war der Waschtisch zunächst noch im Wohnraum unterge­ bracht. Für das erstarkende Bürgertum wurde das private Bad im Haus zu einem repräsentativen architektonischen Ele­ ment und so entstand ein neuer Funk­ tionsraum. Bis zur Wende zum 20. Jahr­ hundert verfügten dann auch viele Mehr­ familienhäuser in der Stadt zumindest über einen gemeinsamen Baderaum auf dem Gang. Doch die Individualisierung setzte sich fort. Ziel war es bald, jede Wohneinheit mit einem eigenen Bad aus­ zustatten, bei ausreichend Platz zusätzlich noch mit einer Gästetoilette oder einem Gästebad. Heute wünschen Bauherren zum Teil sogar, dass möglichst jeder ­Person im Haus ein eigener Badbereich zur Verfügung steht. »Master Bathroom«, getrenntes Eltern- und Kinderbad, Well­ nessbad – eines ist all diesen Bestrebun­ gen gemeinsam: das private Bad dient als individuelle Ausdrucks-, Rückzugsund Entspannungsmöglichkeit. Analog dazu entwickeln sich auch öffentliche Bäder mehr und mehr zu Wellness- und Erholungsorten von der Hektik des Alltags und als Quelle neuer Energien. Neuer Typus Bad In seiner Entwicklung von den römischen Thermen und den Badehäusern des Mit­ telalters hin zum Individualbad waren die Waschräume der Menschen immer auch ein Spiegel der Gesellschaft. Faktoren wie regional unterschiedliche Komfort­ 7


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