DETAIL 1/2 · 2014 · Bauen mit Holz · Timber Construction · Construire en bois

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Bericht

2014 ¥ 1/2 ∂

Architekturschule in Straßburg Architecture School in Strasbourg Claudia Fuchs

Architekt: Marc Mimram, Paris

Im Zentrum einer europäischen Großstadt studieren, inmittens eines gewachsenen Viertels mit guter Verkehrsanbindung, in einem lichtdurchfluteten Neubau inklusive Dachterrasse mit Blick über die Dächer – für Architekturstudenten in Straßburg ist das seit vergangenem September Realität. Zwar hat die École Nationale Supérieure d’Architecture de Strasbourg (Ensas) schon seit 1987 ihren Sitz am östlichen Altstadtrand unweit des Hauptbahnhofs, in einem umgebauten früheren Autohaus aus den 1950er-Jahren. Doch mit dem direkt gegenüberliegenden neuen Erweiterungsbau nutzt die Schule nun die Chance, sich stärker zur Stadt zu öffnen. Mit dem Entwurf des Pariser Architekten Marc Mimram, hervorgegangen aus dem Wettbewerb zu Erweiterung und Umbau des Ensas-Gebäudes, ist dies gelungen. Vielfältige Ein- und Ausblicke verknüpfen den Neubau mit seiner Umgebung, vom aufgeglasten Sockelgeschoss über die semi-transparente Aluminiumverkleidung der verglasten »Boxen« und deren überdimensionalen »Fenstern« bis zu den Dachterrassen. Die markante Gebäudekubatur der gestapelten zweigeschossigen Quader – die unteren kragen über das Erdgeschoss aus, der obere springt als Attikageschoss zurück – ist aus städtebaulichen Vorgaben und bestehenden Traufhöhen entwickelt. Elegant ausbalanciert, verweist die versetzte Anordnung auf die tragwerksplanerische Finesse Marc Mimrams, der als Architekt und Ingenieur herausragende Brückenbauwerke realisiert hat. Der Stahl-Glas-Bau ist ebenso kraftvoll in der Form wie raffiniert in der Oberfläche: Für die Aluminiumhülle, die je nach Lichteinfall von dunkelgrau-opaken Flächen zu flirrenden Linienmustern changiert, wurden spezielle geschosshohe Paneele aus Streckmetall entwickelt. Sie umspielen die Fassade wie ein Vorhang aus dünnem Stoff, dessen reizvoller »Faltenwurf« durch die unterschiedlich gewellten Paneele entsteht. Tagsüber dient die Hülle als Sonnenschutz und Lichtfilter, am Abend gibt sie den Blick in die Innenräume frei und lässt die Tragstruktur sichtbar werden: Jede Box besteht aus 7 m hohen, bis zu 27 m langen Stahlrahmen in Fassaden-

ebene, die stützenfreie, flexibel unterteilbare Geschossebenen ermöglichen. Die Rahmen selbst werden gebildet aus einem kombinierten System von Fachwerk- und Vierendeelträgern, um die großen »Fenster« zu integrieren. Im Innern setzen sich die klare Gliederung und die Konzentration auf wenige Materialien konsequent fort. Die kühl-sachliche, fast spröde Gestaltung überrascht zunächst: Stahltragwerk, Sichtbeton, Streckmetall, grauer Estrich wirken für eine Hochschule unkonventionell, sie erinnern mehr an kreative Lofts. Zentraler Treffpunkt ist die Treppe des Atriums, sie verbindet als Kommunikationsort Eingangshalle, Hörsäle im Souterrain

und Seminar- und Übungsräume der oberen Etagen. Im ersten Obergeschoss führt ein Verbindungssteg zum Bestandsgebäude, das derzeit umgestaltet wird. Aufzüge, Nebenräume und Treppenhäuser sind im schmalen massiven Bauteil untergebracht, der an die Nachbarbebauung anschließt. In den großzügigen Übungsräumen, ebenfalls in zurückhaltendem Grau-Weiß gestaltet, herrscht Workshop-Atmosphäre. Hier wird entworfen und diskutiert, Konzepte und Modelle entstehen – stets mit direktem Blick zur Stadt. Der Bezug zum Kontext, zu aktuellen Entwicklungen ebenso wie zu den Bauten früherer Epochen, wird so zum selbstverständlichen Bestandteil der Ausbildung.


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