best of DETAIL Glas / Glass

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1–3 Bibliothek der TU Cottbus, 2004, Architekten: Herzog & de Meuron Grundriss 7. OG, Maßstab 1:1000 4– 6 Bibliothek der Universität Deusto, Bilbao 2010, Architekt: Rafael Moneo 1–3 Library, Technical University, Cottbus 2004, Architects: Herzog & de Meuron Plan of 7th storey, scale 1:1000 4– 6 Library, University of Deusto, Bilbao 2010, Architect: Rafael Moneo

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tags zunächst keinerlei Auskunft über Oberflächen und Materialien gibt. Erst aus der Nähe betrachtet erscheinen dann die Tex­ turen und Lichtschattierungen der eigens für dieses Projekt entwickelten transluzenten Glassteine, die fast drei Viertel der Gebäudeoberfläche bedecken. Bezugnehmend auf die Oberflächenstruktur von dorischen Säulen weisen die quadra­ tischen Glasblöcke mit einer Kantenlänge von 30 cm an ihrer Außenseite vertikale Kanneluren auf – ein Motiv, das sich auf der dem Innenraum zugewandten Seite wiederholt, jedoch im Inneren der Glassteine, sodass sich die Oberfläche dort glatt anfühlt. Egal, ob die Nutzer dieses subtile Zitat der griechischen Antike mit ihrer herausragenden Wissenskultur nun erkennen oder nicht: Fest steht, dass die facettierten Glasblöcke ihre beabsichtigte Außenwirkung nicht verfehlen. Führen die 20 mm tiefen Kanneluren schon tagsüber zu einem Spiel bewegter Reflexionen, so beginnt das Gebäude in der Dämmerung als erhabener Leuchtturm des Wissens zu glühen. Zur selben Zeit ­übrigens, wie das aufgeregte Spektakel des Guggenheim Museums gerade in der Dunkelheit zu versinken beginnt.

in Paris, einem Zentrum zur Erforschung von Augenkrankheiten (Abb. 7, 8). Dabei handelt es sich um ein in Bezug auf seine innere Organisation durch und durch funk­ tionales Laborgebäude, das sich mit seiner einfachen Kubatur bescheiden in den innerstädtischen Kontext einfügt, mit seiner Glasfassade aber zugleich deutlich aus dem Rahmen fällt. Grundlage für die ungewöhn­ liche Kombination modularer Glasformate und Oberflächentexturen bildet die Idee, die Fassade mit Begriffen zu verknüpfen, wie sie auch in der Augenmedizin vorkommen: Lichtdurchlässigkeit, Diffraktion oder Reflexion. Verwendet wurden insgesamt sechs verschiedene streifenförmige, punktuelle

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bzw. flächige Glasprägungen, die allein durch ihre Prägungsart und das dadurch ­erzeugte Licht- und Schattenspiel in verschiedenen Grautönen erscheinen. Die opaken Gläser wurden abwechselnd mit den Klarglasfeldern der Fensteröffnungen liegend oder stehend eingebaut, sodass die innere Gebäudestruktur fast vollkommen verschleiert wird – die Lage von Decken­ stirnen oder geschlossenen Außenwänden lässt sich von der Straße erst auf den zweiten Blick ablesen, wenn die Sonnenschutzlamellen heruntergefahren sind. Durch die unkonventionelle Kombination vertrauter Fassadenelemente entsteht eine unerwartet eigenständige Architektur.

Visuell Im eigentlichen Wortsinn beschreibt der ­ursprünglich vom lateinischen »facies« ­abgeleitete Begriff Fassade das »Gesicht« eines Gebäudes. Diese Analogie zur Physio­ gnomie des Menschen und ein Blick in die Baugeschichte machen einerseits deutlich, welch hohen Stellenwert die Gebäudehülle bei Architekten schon immer einnimmt – vor allem dann, wenn man wie der römische Staatsmann Cicero das Gesicht »als Abbild der Seele« betrachtet. Andererseits haftet aber gerade den Gebäudefassaden stets der Makel der inszenierten Vordergründigkeit an. Glas spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, stehen Fenster­ öffnungen doch gewissermaßen sinnbildlich für die Augen eines Gebäudes. Von einer Bildhaftigkeit wie dieser inspiriert sahen sich die Architekten Jérôme Brunet und Eric Saunier beim Entwurf des »Institut de la Vision« 6

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