DETAIL 12/2015 - Hybride Konstruktionen

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Brandschutz bei Hybridkonstruktionen mit nichttragenden Fassadenelementen aus Holz Fire Protection in Hybrid Forms of ­Construction with Non-Load-Bearing Timber Facade Elements René Stein

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Konstruktionen aus Holz werden zunehmend auch im urbanen Kontext eingesetzt. Die Vorteile liegen auf der Hand. Als nachwachsender Rohstoff verfügt das Material über eine neutrale Co2-Bilanz, das im Vergleich geringe Eigengewicht ermöglicht Einsparungen beim Tragwerk. Außerdem können bei Niedrigenergiehäusern, bei denen hochgedämmte Fassaden erforderlich sind, mit Dämmlagen zwischen der Holzrahmenkonstruktion dünnere Gesamtwandstärken realisiert werden als bei massiven Außenwänden mit davor aufgebrachter Wärmedämmschicht. Bei mehrgeschossigen Gebäuden ist der Einsatz von Holz jedoch durch Brandschutzbestimmungen auf vorgegebene Gebäudehöhen beschränkt, komplexe Tragwerke und Geschossdecken mit hohen Schallschutzanforderungen sind nur mit hohem technischen Aufwand als reine Holzkonstruktion realisierbar. Eine ökonomische und ressourcenschonende Lösung bieten Hybridbauweisen mit einem Stahlbetontragwerk in Schotten- oder Skelettbauweise und Außenwänden aus überwiegend vorgefertigten Holzrahmen­ bauelementen. Ein wichtiger Aspekt ist die nichttragende Eigenschaft der Außenwand­ elemente, die eine Anwendung der Holzbauelemente nach bauordnungsrechtlichen ­Vorgaben bis zur Hochhausgrenze (Höhe oberster Geschossfußboden gegenüber mittlerer Geländehöhe ≤ 22 m) ermöglicht. Bei tragenden Außenwänden aus Holz ist der Anwendungsbereich für sogenannte Regelbauten nach Musterbauordnung (MBO) bzw. jeweiligen Landesbauordnungen stärker eingeschränkt (Abb. H, I). Ein besonderes Augenmerk muss bei Hy­ bridbauweisen auf die integrale Konzeption der Anschlussbereiche zwischen Holz und Stahlbeton gelegt werden. Um mögliche Wege für eine weitere Standardisierung, Beschleunigung der Bauabläufe und eine noch weiter verbesserte Qualitätssicherung aufzuzeigen, haben Lehrstühle unterschiedlicher Fachrichtungen der TU München gemeinsam mit dem Labor Bauakustik des ift Rosenheim ein Forschungsvorhaben als Verbundprojekt realisiert: der Lehrstuhl für Holz-

bau und Baukonstruktion, der Lehrstuhl für energieeffizientes und nachhaltiges Planen und Bauen sowie der Lehrstuhl für Massivbau. Das Ziel der umfangreichen Bauteiluntersuchungen und Simulationsrechnungen ist die Erarbeitung eines Konstruktionskatalogs unter Fortschreibung des Standes der Technik zu allen relevanten Fragestellungen von der Tragwerksplanung über die Bau­ physik (Wärme-, Feuchte-, Schallschutz) bis zum Brandschutz. Auf der Grundlage dieses Konstruktionskatalogs soll die Bauweise technisch und baurechtlich gesichert angewendet werden können. So wurde u.a. die Flankenschallübertragung vertikaler und ­horizontaler Anschlüsse sowie die Verformungsverträglichkeit der Holzrahmenbauelemente zu den Stahlbetonbauteilen im gerissenen Zustand untersucht. Gebaute Beispiele wie das Aktiv-Stadthaus in Frankfurt von HHS Architekten (Abb. A – E) wurden analysiert; forschungsbegleitend entstand das energieeffiziente Wohnungsbauprojekt »ecoleben« in Penzberg. Der vorliegende Artikel ist ein Auszug des Abschlussberichts der von der bayerischen Bauwirtschaft geförderten Forschungsarbeit und legt den Schwerpunkt auf den Themenbereich Brandschutz. Grundanforderungen an Bauwerke Die Grundanforderungen an Bauwerke, die seit 2013 in der EU-weit geltenden Bauproduktenverordnung (BauPVO) definiert werden, bilden die Grundlage für die Erstellung von technischen Spezifikationen für Bauprodukte und deren Anwendung. Diese wesentlichen Merkmale finden sich als Leistungsklassen und -stufen in harmonisierten europäischen Normen (hEN) oder in europäisch-technischen Bewertungen (ETB) wieder, die nach europäisch-technischen Bewertungsdokumenten (EBD) erteilt wurden. Diese Vereinheitlichung bisher unterschiedlicher nationaler technischer Regeln umfasst die Grundanforderungen mechanische Festigkeit und Standsicherheit, Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, ­Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung, Schallschutz, Energieeinsparung und

Wärmeschutz sowie nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen. Für den Brandschutz wurde ein Klassifizierungskonzept für das Brandverhalten DIN EN 13501-1 und den Feuerwiderstand DIN EN 13501-2 eingeführt. Der Feuerwiderstand wird danach für die folgenden Hauptfunktionen geprüft: •  R (Résistance) beschreibt die Tragfähigkeit unter mechanischer Belastung und Brandeinwirkung •  E (Étanchéité) beschreibt raumabschließende Bauteile, die einer Brandeinwirkung ohne Branddurchtritt (Flammen und Rauch) und Brandweiterleitung wider­ stehen •  I (Isolation) beschreibt die Wärmeübertragung auf die vom Feuer abgewandte Seite •  Die Zahlen 30/60/90/120 beschreiben die Feuerwiderstandsdauer in Minuten Wenn zum Beispiel die Kriterien EI bei einseitiger Brandbeanspruchung eingehalten sind, kommt es auf der brandabgewandten Seite nicht zu einer Entzündung. Die möglichen Klassifizierungen für Deutschland sind in der Bauregelliste A, Anlage 0.1.2. aufgeführt. So werden z. B. tragende Bau­ teile mit Raumabschluss bei einer Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten mit REI 90, tragende Bauteile ohne Raumabschluss mit R 90 gekennzeichnet. Tragstrukturen: Skelett- oder Schottenbau? Ob ein Skelettbau oder ein Schottenbau als Tragstruktur gewählt wird, hängt von der gewünschten Flexibilität des Grundrisses, dem Aufwand für Planung und Herstellung, dem erforderlichen Materialbedarf und schließlich dem Aufwand für Rückbau ab. Der wesentliche Vorteil der Skelettbauweise liegt in einer flexiblen Grundstruktur, die lediglich durch das Stützenraster und die Aussteifungskerne determiniert wird. Durch nichttragende Trennwände ist eine Umgestaltung der Nutzfläche unproblematisch. Der Einsatz von Flachdecken bei Skelettbauten hat sich heutzutage weiter durchgesetzt. Im Gegensatz zu aufwändigen Kons­ truktionen mit Unterzügen kann die Ferti-


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