DETAIL 4/2016 - Bauen mit Beton (deutsch)

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Carbonbeton – Hochleistungsbaustoff mit Effizienzpotenzial Carbon Concrete – a High-Performance Material with Great Efficiency Potential Alexander Kahnt, Frank Schladitz, Matthias Tietze, Silke Scheerer, Manfred Curbach

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Die allgemeine Verfügbarkeit der Rohstoffe, eine ausreichende Tragfähigkeit und Langlebigkeit sowie die einfache Herstellung ließen Stahlbeton zum Baustoff des 20. und des angehenden 21. Jahrhunderts werden. Im Jahr 2014 wurden ungefähr 4,2 Milliarden Tonnen Zement, ca. 28 Milliarden Tonnen Gesteinskörnung und ca. 2,8 Milliarden Tonnen Wasser für die Herstellung von Beton verwendet.1 Und das ist auch schon die Kehrseite des Universalbaustoffs Beton: Kein anderer Werkstoff ist für eine größere Rohstoffentnahme und höhere CO2-Emissionen verantwortlich. Problematisch sind vor allem die riesigen Mengen an Beton, die weltweit verbaut werden. Gelänge es, durch eine neue Art des Bauens schlanker zu konstruieren, ließen sich erhebliche Einsparungen erzielen. Carbonbeton bietet dieses Potenzial. Durch mattenartige Bewehrungsstrukturen (textile Gelege) aus Carbonfasern lassen sich bereits heute einige Stahlbetonanwendungen im Neubaubereich sinnvoll – d. h. im Sinne einer höheren Ressourcen- und Energieeffizienz – substituieren (Abb. 5). Zudem ist es möglich, sanierungsbedürftige Massivbauwerke durch Verstärkungsschichten aus Carbonbeton instandzusetzen und dadurch deren Nutzungsdauer zu erhöhen. Für Architekten und Gestalter bieten Carbonbeton und andere textilbewehrte Betonarten eine große Gestaltungsfreiheit, da sich damit beliebige Formen, Formate, Oberflächenstrukturen und Farben in hoher Qualität herstellen lassen. Von Vorteil sind dabei vor allem die flexiblen Bewehrungsstrukturen. Moderne Herstellungsverfahren erlauben es, auch digital entworfene Formen umzusetzen. Darüber hinaus lassen sich zusätzliche Funktionen wie Heizen, Beleuchten oder Gebäudeautomation in die Bauteile integrieren. Durch die Anordnung der Bewehrung entsprechend dem Kräfteverlauf benötigen Bauteile aus Textilbeton auch weniger Bewehrung als konventioneller, faserbewehrter Beton, bei dem geschnittene Kurzfasern aus Glas, Kunststoff oder Kohlefaser ungerichtet in die Betonmischung einge4 bracht werden.

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Bisherige Entwicklung Nach Alternativen zum Stahlbeton sucht man nicht erst seit heute. In Deutschland wurde bereits in den 1980er-Jahren mit Betonbewehrungen aus technischen Textilien experimentiert. Erste Verbundforschungsprojekte in Dresden, Chemnitz und Aachen folgten Mitte der 1990er-Jahre.2 Sie waren die Basis für zwei von der DFG geförderte Sonderforschungsbereiche in Dresden (SFB 528) und Aachen (SFB 532), in denen zwischen 1999 und 2011 die Grundlagenforschung auf dem Gebiet nichtmetallischer Bewehrungen vorangetrieben wurde. Schwerpunkt war die Entwicklung von Beton mit textilen Bewehrungen (kurz: Textilbeton, TRC) aus alkaliresistenten Glasfasern (ARGlas) und später verstärkt aus Carbonfasern. Schon früh wurden erste baupraktische Projekte realisiert, die bewiesen, dass das Material die hohen Erwartungen der Forscher und Ingenieure erfüllt.3 Im aktuell größten deutschen Bauforschungsprojekt C3 – Carbon Concrete Composite – widmen sich mehr als 130 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft der Entwicklung und Markteinführung von Carbonbeton.4

Verbundwerkstoff Carbonbeton Bekanntlich übernimmt beim Stahlbeton der Beton vorrangig die im Bauteil auftretenden Druckkräfte und der Bewehrungsstahl kompensiert Zugbeanspruchungen. Zudem schützt die Betondeckung den Stahl vor Korrosion, korrosionsfördernden Medien (z. B. Tausalze) und Bränden. Je nach Einbausituation muss die Deckschicht bis zu 5 cm dick sein. Beim Carbonbeton stellt das Carbon als Äquivalent zur Stahlbewehrung die Zugfestigkeit des Verbundwerkstoffs sicher. Die Prinzipien und Bemessungsgrundlagen sind dem Stahlbeton sehr ähnlich. Da Carbon im Gegensatz zu Stahl etwa sechsmal tragfähiger (3000 statt 500 N/mm2 Zugfestigkeit) und viermal leichter (1,8 statt 7,8 g/cm3) ist und zudem nicht korrodiert, kann mit dieser Bewehrung deutlich freier konstruiert werden. Da der Korrosionsschutz für die Bewehrung entfällt, lassen sich beispielsweise Betonplatten für Fassadenverkleidungen mit einer Dicke von 2 cm statt bisher mindestens 7 bis 10 cm herstellen. Für die Verstärkung bestehender Stahlbetonbauteile reichen noch dünnere Schichten aus.


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