Betonfertigteile im Hochbau Precast Concrete Components in Building Max Bögl, Andreas Gierer
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Betonfertigteile sind heute in vielen Bereichen des Bauens selbstverständlich. Im Gewerbe- und Industriebau werden sie aufgrund großer Spannweiten und der möglichen Serienproduktion in großem Umfang eingesetzt. Auch im kleinteiligen Hochbau sind vorgefertigte Bauteile wie Elementdecken, Treppenläufe und Balkonplatten üblich. In wirtschaftlicher Hinsicht konkurriert das Fertigteil mit dem Ortbeton. Aufgrund niedriger Lohnkosten ist dieser immer noch relativ günstig. Die Vorteile der Vorfertigung sind • eine verkürzte Bauzeit (kein Aushärten, Einbauteile, Leerrohre, Aussparungen für Haustechnik, Fensteröffnungen etc. werden noch im Werk eingebaut) • eine höhere Terminsicherheit durch geringere Abhängigkeiten von Witterungseinflüssen • eine größere Präzision und höhere Maßgenauigkeit • bessere Oberflächenqualitäten Der Architekt muss jedoch wissen, was die Verwendung von Fertigteilen für ihn und das Bauwerk bedeutet. Die wirtschaftlichen, technischen, logistischen, terminlichen und gestalterischen Aspekte vermengen sich im Regelfall zu einem komplexen Gefüge. Die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass Beton aufgrund der gewonnenen Präzision in der Herstellung und der hohen Druckfestigkeit auch ein Hochleistungsbaustoff sein kann, der in Zukunft in bestimmten Bereichen sogar Stahl ersetzen wird. Die nachfolgend angesprochenen Themen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie beleuchten Teilaspekte oder Details und geben einen Ausblick auf die weitere Entwicklung und die Einsatzmöglichkeiten von Stahlbetonfertigteilen. Einstieg in den Fertigteilbau Sinnvoll ist die Zusammenarbeit mit einem Tragwerksplaner, der Erfahrung im Fertigteilbau hat. Mit ihm kann die Konstruktion elementiert und für den Fertigteilbau optimiert werden, ebenso nichttragende Bauteile wie Fassadenverkleidungen. Auch die direkte Zusammenarbeit mit der Fertigteilin-
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dustrie ist möglich, da die Wirtschaftlichkeit von vielen Faktoren des Baubetriebs abhängt. So spielen z. B. die Transportkosten eine große Rolle. Generell gilt, je komplexer das Bauteil ist, desto weiter kann der Transportweg sein. Die hohen Wegekosten lassen sich hier leichter kompensieren als bei Standardelementen. Zu beachten sind auch die räumlichen Verhältnisse auf der Baustelle. Kräne und Lagerflächen brauchen Platz, um die Zeitersparnis bei der Montage umsetzen zu können. Wichtig ist in jedem Fall eine frühzeitige Elementierung, am besten schon im Entwurfsprozess. Das erspart spätere Umplanungen und bietet auch gestalterisch die größten Möglichkeiten. Standardprodukte bei Wänden Als wirtschaftliche Transportgröße haben sich Plattenformate bis maximal 10 m Länge und 4 m Breite herausgestellt, daher weisen auch die Schaltische der Fertigungen diese Abmessungen auf. Bei den tragenden Wänden unterscheidet man: • Einschalige Massivwand (Abb. 1a): Sie ist die einfachste Bauart. Ihre Sichtseite ist im Regelfall schalungsglatt, auf der Abriebseite lässt sich durch Glätten eine ähnlich ebene Oberfläche erzielen. Erhalten solche Wände außenseitig ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) oder eine vorgehängte Fassade, ist im äußeren Erscheinungsbild der Fertigteilcharakter nicht mehr zu erkennen. Bei einer Verkleidung aus Betonfertigteilen ist eine Vielzahl von Einteilungen, Farben und Strukturen möglich. Das Fugenraster dieser Platten ist dann völlig unabhängig von den tragenden Elementen. • Zweischalige Doppelwand (Abb. 1 b): Diese Weiterentwicklung der Massivwand wird seit etwa 20 Jahren in kombinierter Fertigteil-Ortbeton-Bauweise hergestellt. Die Doppelwand besteht aus zwei statisch bewehrten Elementdecken und Gitterträgern als Abstandshalter (Abb. 14), der Verbund erfolgt im Fertigteilwerk noch im nassen Beton (Abb. 15). In dieser Form werden die Wände auf die Baustelle trans-
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portiert und montiert. Durch das Vergießen der Zwischenräume mit Ortbeton werden nicht nur Doppelwände untereinander verbunden, auch andere Bauteile wie Anschlussbewehrungen oder Fugenbänder können in diesem Arbeitsschritt eingebaut werden. Die beiden Elementdecken haben eine minimale Stärke von jeweils 6 cm. Wände mit einer Gesamtstärke von 18 bis 40 cm Dicke sind möglich. Ein großer Vorteil ist die beidseits schalungsglatte und malerfertige Oberfläche. Das obere oder untere Überstehen einer Wandschale erspart auch die Randschalung beim Betonieren der Geschossdecke (Abb. 1 a). Auch winkelförmige Bauteile zur Ausbildung von Außenecken und werkseitige Aussparungen, z. B. für Fenster, sind üblich. • Sandwichwandplatte (Abb. 1 c): Dieses Fertigteil ist eine wirtschaftliche Lösung für kerngedämmte Wandkonstruktionen. Es wird – beginnend mit der Vorsatzschale – Schicht um Schicht betoniert. Zwischen der Vorsatz- und Tragschale liegt die zweilagige Dämmung mit versetzten Stößen. Je nach Anforderung ist als Dämmmaterial expandiertes oder extrudiertes Polystyrol und Mineralwolle möglich. Den statischen Verbund beider Schalen stellen im Fertigungsprozess einbetonierte Edelstahlanker her. Anker aus glasfaserverstärktem Kunststoff verbessern die Dämmeigenschaft, da sie weniger Wärme leiten. Die maximale Fertigungslänge beträgt auch bei Sandwichelementen 10 m. Die Vorsatzschale muss jedoch nach etwa 6 m unterbrochen werden, da sie wesentlich dünner ist und Risse sowie Verformungen auftreten könnten. Der Architekt muss sich bewusst sein, dass die Sandwichplatte bereits die fertige Fassadenoberfläche zeigt. Die Elementierung der tragenden Wände tritt also grundsätzlich mit dem Fugenbild nach außen in Erscheinung. Innerhalb gewisser Grenzen kann die Vorsatzschale jedoch von der Tragschale abweichen, z. B. bei Deckenauflagern (Abb. 1 c) und Außenecken (Abb. 9, 10). Bei Attikaabdeckungen und Fensteröffnungen kann die Vor-