Martin Rauch: Gebaute Erde

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Lehmboden Gestampfte Erde ist als Fußboden so alt wie die Menschheit. Kein anderes Material bezieht sich so unmittelbar auf den Grund, auf dem wir stehen und uns bewegen. Ein Boden aus Stampflehm ist ursprünglich, direkt und deshalb weltweit in allen Kulturen verbreitet. Mit einfachsten Mitteln wird aus einem Stück Erde ein Ort geschaffen, wird aus der Natur ein Raum abgetrennt, um ihn zu bewohnen. Im Wohnbereich trägt der Boden das lebendige Erbe seiner Herkunft weiter. Weich und sinnlich spielt der Stampflehm seine taktilen Qualitäten aus. Seine unregelmäßige Oberfläche regt ebenso das Auge an wie die Tastsinne der Füße. In ländlichen Gegenden sind solche traditionellen Böden noch zu finden, die täglicher Pflege bedürfen. Am Abend werden sie gewässert und aufgenommen. Durch diese Arbeit wird die oberste und empfindlichste Schicht regeneriert. Diese Art von Böden ist für die heutige Zeit zu rustikal. Der unmittelbare Kontakt mit der Erde hat zwar seinen Reiz – er ist dem Komfort gewöhnten Menschen aber nicht mehr zuzumuten.

In verfeinerter Form birgt der Lehmboden für Innenräume eine neue

Qualität: Wärme, Fugenlosigkeit, Masse, lebendige Textur, Haptik. Die Oberfläche zeigt sich in ihrer zeitgemäßen Anwendung pflegeleicht und langlebig. Eine finale Schicht aus eigens entwickeltem Carnauba-Hartwachs stabilisiert den Lehmboden und verleiht der Oberfläche die gewünschte Widerstandskraft. Der Aufbau der Konstruktion wurde ebenfalls weiterentwickelt. Bei traditionellen Böden sind nur in den unteren Schichten gröbere Steine eingestampft, zur Oberfläche hin wird die Mischung immer feiner. Das macht sie an der Oberfläche homogen, aber auch anfällig für Schäden durch mechanische Belastungen. Moderne Lehmböden hingegen sind bis knapp unter die Oberfläche mit der gleichen groben Materialmischung gebaut, die auch für Stampflehmwände geeignet ist (siehe Material, S. 116). Diese Anpassung macht sie langlebig und belastbar. Der ganze Fortschritt ändert aber nichts daran, dass sich gerade beim Boden die Meisterschaft und Erfahrung im Lehmbau zeigt. Nur wer Material und Ausführung in ihrer ganzen Bandbreite kennt, wird auf die jeweilige Situation eingehen können und dem Lehmboden seine Schönheit und Langlebigkeit entlocken. Ein Lehmboden ist mit viel Arbeit verbunden. Über drei bis vier Wochen muss sich ein Facharbeiter um den Boden kümmern, da die Ausführung mit zeitlich versetzten und individuell an die Aufgabe angepassten Arbeitsschritten verbunden ist. Dies führt im Vergleich zu anderen Bodenbelägen zu höheren Kosten, wobei kleinere Flächen in der Tendenz teurer ausfallen, da auch bei ihnen die aufwendige Vorbereitung und alle Arbeitsschritte anfallen. Das Resultat spiegelt die Mühen wider: Jeder Lehmboden ist ein Unikat – mit herausragenden Eigenschaften bezüglich Behaglichkeit, Wohnlichkeit und Ästhetik.

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