Innenraum, Design, Vision Ulrike Förschler
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Um in Zukunft den Materialeinsatz zu verringern und Transportkosten zu reduzieren, wird im Bereich des Hochbaus durch diverse Untersuchungen zum Thema »Leichtes Bauen mit Beton« geforscht. Im Innenraum hingegen sind es andere, eher gestalterische Themen, die Bauherren, Architekten, Innenarchitekten und Produktgestalter beim Thema Beton bewegen.
Entwicklungen beim gestalterischen Einsatz von Beton
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Ateliertheater Bardill, Scharans (CH) 2007, Valerio Olgiati geschnitzte Rosette in Weichholz und zugehöriges Werkzeug, Ateliertheater Bardill In die Schalung eingelegte Kristalle laufen zur Sichtseite konisch zu. Eine Beschichtung auf der Steinrückseite sorgt für ausreichende Haftung. Nach dem Betoniervorgang und Ausschalen bleiben die Kristalle sichtbar und reflektieren einfallende Lichtstrahlen. Farbige Betonlasuren heben den Materialcharakter hervor. Veredelung des Materials Beton durch nachträgliches Aufbringen von Blattgold und Blattsilber Nähen als Verbindungstechnik des mit Beton imprägnierten Textils, Stiching-Concrete-Stuhl (D), Florian Schmid eingefärbter Textilbeton zum Bespannen von Möbeln etc.
In Industrie- und Lagerhallen, aber auch im Kirchenbau, haben es die Pioniere des Stahlbetons ab ca. 1890 gewagt, Betonflächen im Innenraum sichtbar zu belassen. Zu den wichtigen Beispielen in der Geschichte von Beton im Innenraum zählen Gebäude von Architekten wie Le Corbusier, Louis Kahn, Gottfried Böhm und Walter Förderer aus den 1950er- bis 70er-Jahren. Der Beton wurde damals mit rauen Brettschalungen geformt. Daraus ergab sich eine gewollt harte und kompromisslose Darstellung des Konstruktionsbetons auch im Innenraum. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden die Innenflächen dann zunehmend mit einem puristisch anmutenden glatten, möglichst porenfreien Sichtbeton mit geordneten Schalungsstößen und geplanten Spannlöchern an Innenflächen ausgeführt. In jüngerer Zeit wird Sichtbeton nun vermehrt mit anderen Materialien wie z. B. Holz, Textilien, Leder, Kunststoff, Metall, Leuchtelementen und sogar organischen Materialien sowie Grünpflanzen kombiniert – Materialien, die, indem sie gerade die Eigenschaften, herausarbeiten, die der Beton augenscheinlich nicht besitzt, eine Vision schaffen, beispielsweise eine Ornamentik, die den Geist des Orts erahnen lässt, ein glänzender oder funkelnder Beton, ein weicher und faltbarer Beton, ein Beton, den eine Begrünung zum Leben erweckt, oder fließend geformter Beton. Ornamentik
Bei Verwendung von Beton im Innenraum entwickelt sich ein Spiel mit den Oberflächen, die auf unterschiedliche Weise entstehen und ihre Prägung erhalten. Das Beispiel des Atelier-
theaters Bardill in Scharans von Valerio Olgiati zeigt, wie die reliefartigen Ornamente, die nicht nur einzelne Bauteile, sondern die Betonoberfläche der gesamten Innenräume und Außenfassaden überziehen, entscheidend zur Gesamtwirkung des Gebäudes beitragen. Ein Ornament auf einer alten Truhe des Bauherrn diente dem Architekten als Inspiration für die Rosetten, die in drei verschiedenen Größen als Vertiefungen in die Brettschalung aus Weichholz geschnitzt wurden (Abb. C 6.2). Diese ergeben auf der ausgeschalten Betonfläche erhabene Rosetten. Den kräftigen erdroten Farbton des Sichtbetons erzielte der Architekt durch Zugabe von Farbpigmenten und zusätzlichem Steinmehl (Abb. C 6.1). Entscheidet man sich für ein handwerkliches Verfahren wie in diesem Fall, impliziert dies den Verzicht auf moderne Techniken wie computergesteuertes Fräsen und Pixelgrafiken oder die Verwendung von Strukturmatrizen (siehe »Matrizen/ Matrizenschalungen«, S. 56f.), additiv aufgebrachten Schalungsformteilen, Fotobeton (siehe »Sondertechnik Fotobeton«, S. 59), Waschbetonpapier (siehe »Waschbetonflächen«, S. 59) oder Gravuren mit Strahlfolien. Das handwerkliche Verfahren des Schnitzens ist zwar sehr zeitintensiv, macht aber den unverwechselbaren Charakter aus. Intarsien und Oberflächenbeschichtung
Eine Aufwertung erhält das Material Beton aber auch durch Einlegearbeiten bzw. Intarsien, z. B. aus geschliffenen Glassteinen, oder durch nachträgliche Oberflächenbeschichtungen beispielsweise mit Edelmetallen. Extravagant erscheinen Wandoberflächen mit in der Schalung fixierten Mikroglaskugeln oder geschliffenen Kristallen. Auf diese Weise vorgefertigte Paneele dienen z. B. als Vorsatzschale oder als tragende Paneele für den Wandaufbau im gehobenen Innenausbau (Abb. C 6.3). Sowohl bei Wohnaccessoires als auch bei Wandfliesen aus Zement für den Innenbereich ist eine Veredelung durch nachträgliches Aufbringen von Blattgold und Blattsilber in der traditionellen Handwerkstechnik der Vergolder möglich. Hierbei entsteht ein starker Kontrast zwischen dem stumpfen, samtigen Beton und der glänzenden Metalloberfläche (Abb. C 6.5).