Atlas Moderner Betonbau

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Materialität und Oberfläche

Kultivierung glatter Oberflächen ergab sich beim Planer zunehmend der Wunsch (und für den Ausführenden der Auftrag) nach maximaler Makellosigkeit. Brettschalung Die sogenannte Brettschalung ist die älteste Art des Formenbaus in der neuzeitlichen Betontechnik. Sie arbeitet mit natürlichen Holzoberflächen und nutzt im Grunde die Sägewerksprodukte des traditionellen Holzbaus: unbehandelte Nadelholzbretter, die nur zwei bis maximal vier Schalungseinsätze erlauben. Man unterscheidet gespundete (Nut- und Feder) und ungespundete Brettschalungen, die in regelmäßigen oder unregelmäßigen Brettbreiten angefertigt werden können. In den Oberflächentexturen variieren Brettschalungen von sägerau bis gehobelt. In einigen Fällen werden auch hochwertigere Hölzer als Betonschalung eingesetzt, etwa um ein besonderes Maserungs- oder Fugenbild zu erreichen. Schalungen aus ungespundeten Brettern bauüblicher Nadelhölzer lassen sich aufgrund der vielen stumpfen Stöße schwer gegen Flüssigkeitsverluste abdichten. In der Folge zeichnen sich undichte Brettfugen an der fertigen Betonfläche nahezu immer als ungewünschte Dunkelverfärbungen ab. Bei der traditionellen Bauweise mit erdfeuchten Stampfbetonen trat dieser Effekt nicht auf, da das Material keine flüssigen Matrixanteile enthielt. Die ungespundete Brettschalung wurde etwa bis 1950 eingesetzt. Seit den 1960er-Jahren werden jedoch zunehmend flüssigere Betone verwendet, die eine entsprechend dichte Schalhaut mit exakten Abmessungen erfordern. Die stark saugenden Schalhäute aus rohem Holz erzeugen an der Betonoberfläche die ihnen eigene raue Textur und verhindern zugleich sehr zuverlässig die Bildung sichtbarer Poren, da das Holz oberflächennahe Luft- und Wasserblasen aufnimmt. Dieser grobe Schalungsbau ergibt zwar meist keine exakten Bauteilkanten, erfordert aber z. B. auch kaum Dreikantleisten oder ähnliche Maßnahmen zur Kantenausbildung. Mit der Technisierung der Holzverarbeitung werden ab etwa 1950 zunehmend gespundete Bretter für den Schalungsbau eingesetzt. Diese Art der Brettschalung ist bei mittlerer Holzfeuchte und mit sorgfältig geschlossener Spundung wesentlich dichter gegen Zementleimverluste. Die Verwendung von Schalölen als Konservierungs- und Trennmittel ermöglicht neben glatteren Brettoberflächen die mehrfache Wiederverwendung der Schalhaut. Gleichzeitig entwickelte die Bautechnik leistungsfähige Kräne und Hebezeuge, die größere Schalelemente versetzen können. Damit wurde es wirtschaftlicher, die Nadelholzbretter zu größeren Schalelementen zusammenzufügen und sie mehrfach ohne Zwischendemontage mithilfe von Kränen zu versetzen. Gleichzeitig entwickelte sich die industrielle Holzbearbeitung und glattere, gehobelte Bretter konnten sehr kostengünstig hergestellt werden. Aus der

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ungespundeten, sägerauen Brettschalung wurde als qualitatives Maximum die gespundete, gehobelte Brettschalung, die in einigen Teilbereichen der Architektur und der Bautechnik (z. B. im Brückenbau) bis heute aktuell ist. Baubetrieblich sind bei der Brettschalung folgende Punkte zu beachten: • Im Ersteinsatz muss die neue Schalhaut mit Zementmilch, Beton oder durch zweimaliges Besprühen mit einer 3 – 5 %igen Natronlauge vorgealtert werden, da die natürlichen Hölzer möglicherweise Stoffe enthalten, die auf den frischen Beton erhärtungsstörend wirken und waschbetonartige Flächenbilder sowie Fehlstellen erzeugen können.

• Beim ersten Kontakt mit Frischbeton wird nicht nur Wasser, sondern sogenannte Zementmatrix (Wasser, Zement und feinste Gesteinskörnung) in das oberflächennahe Porensystem des Holzes eingesogen. Die Zementmatrix erhärtet und verbleibt dort. Dies verändert das Saugverhalten des Porensystems und das Aussehen der Betonoberflächen beim nächsten Einsatz. • Wechselnde Feuchtezustände in natürlichen Hölzern können Quellen und Schwinden und damit erhebliche Verformungen bewirken, sodass sich z. B. Brettfugen von zu feuchten Schalbrettern bei nachfolgender Trocknung öffnen und undicht werden. Eine zu trocken montierte Schalung kann sich beim Kontakt

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