sem Augenblick an bestand bis zum Abschluss des Projekts eine fruchtbare Zusammenarbeit. Fassaden und Innenräume wurden mit einer typografischen Ebene überzogen, die aus Zitaten aus Werken der Bibliothek besteht, die wiederum wichtige Begriffe für die Signaletik enthalten. Es geht hier nicht darum, ein Projekt vorzustellen, sondern zu zeigen, wie ein spätes Zusammenwachsen des grafischen Ausdrucks mit einem Architekturprojekt erfolgen kann. Existiert eines von beidem bereits, kann sich die Interaktion mit dem anderen nur einseitig entwickeln. Die Genauigkeit der Anpassung einer Disziplin an die andere ist dabei umso wichtiger. Die Berücksichtigung des Kontexts betrifft dabei übrigens nicht nur den Architekten, sondern auch den Grafiker, der durch sein Eingreifen häufig eine Brücke vom Behälter zum Inhalt schlägt. Er darf sich keinesfalls damit zufriedengeben, durch sein Projekt die räumliche Lösung zu verstärken und die Materialien, die Maße, die Formen, die vorherrschenden Farben zu respektieren, er muss ebenso die Nutzung des Orts berücksichtigen. Und auch hier handelt es sich wiederum um ein Zusammenführen der Disziplinen.
An einem Besprechungstisch in einem Pariser Architekturbüro
Wettbewerb für die Renovierung der AP2, einer alten, als Kathedrale bezeichneten Schiffshalle in der französischen Stadt Dunkerque (Dünkirchen). Anstatt das Raumprogramm des FRAC Nord-Pas de Calais, eine Sammlung zeitgenössischer Kunst, im vorhandenen Gebäude zu komprimieren und die Raumwirkung der Halle somit zu zerstören, beschlossen die Architekten im Verlauf des Wettbewerbs, eine zweite Halle mit den gleichen Dimensionen zu bauen und die »Kathedrale« in ihrem jetzigen Zustand zu erhalten. Die Grafik sollte das Programm des Hauses durch die transparente Fassade lesbar machen, diese Intension wurde nach dem gewonnen Wettbewerb vom Hausgrafiker der Institution übernommen. Wichtig war, dass die Architekten ihr ge plantes Konzept umsetzen konnten. Architektur: Lacaton & Vassal; Grafik Wettbewerb: Intégral Ruedi Baur, Paris, Ruedi Baur, Olivier Duzelier, Sébastien Thiery; Auftrag geber: Communauté Urbaine de Dunkerque, FRAC Nord-Pas de Calais
Noch ein anderes Projekt. Auch hier spielt der Ort keine große Rolle. Es dient vielmehr dazu, einen interdisziplinären Austausch zu evozieren, wie er für Wettbewerbe oder Anfangsphasen von Architekturprojekten typisch ist. Um den etwas düsteren Besprechungstisch sitzen verschiedene renommierte Gestalter. Die Architekten haben einen Landschaftsgestalter und mich als Lichtplaner eingeladen. Es zeichnet sich eine langwierige und sehr intensive Arbeitssitzung ab. Zunächst werden uns zusammenfassend die Anforderungen des Wettbewerbs präsentiert. Die Architekten stellen ihre Eindrücke dar und zeigen anhand von Skizzen ihre ersten Ideen. Die Fragestellungen und das Potenzial der Situation erschließen sich nach und nach. Obgleich die Architekten den anderen Beteiligten in ihrem Wissen voraus sind, bleiben sie dennoch sehr aufmerksam, ja noch zögerlich; sie sind bereit, ihren eigenen Vorschlag mithilfe der während der Diskussion reifenden Ideen weiter zuentwickeln. Ihre Präsentation gibt jedoch den Grundton vor. Jeder darf auf der Basis dieser Ideen seine eigene Projektvorstellung entwickeln. Durch die Versuche, die ursprünglichen Entwürfe zu verbessern oder ihnen in konstruktivem Widerspruch gegenüberzutreten, werden sie letztendlich bestärkt. Schließlich ist dann die Zeit gekommen, auf die konkreten Anforderungen des Projekts zu reagieren, auch auf die Gefahr hin, dass sich der Austausch verändert. Aufgrund seines jeweiligen Fachwissens wird jeder Planer die Fragestellung auf seine Art angehen. Er steuert seine eigene Sichtweise dazu bei, wobei er die globale Fragestellung nicht außer Acht lässt und damit über die Grenzen seiner Disziplin hinausgeht. Die Ideen sprudeln. Einigen gelingt es, sich dauerhafter zu behaupten. So entsteht allmählich eine Synergie rund um einen Vorschlag. Die Vorschläge gleichen sich an, ein Konsens scheint gefunden. Zu diesem Zeitpunkt wäre ein Denken in den Schranken der eigenen Disziplin vollkommen unangebracht. Im Vordergrund stehen die angemessene Konfrontation mit der Fragestellung und das Gesamtinteresse des Projekts. Den Architekten kommt dabei die Aufgabe der Synthese zu. Jeder Teilnehmer am Gesamtprozess muss die Richtigkeit des Entwurfs für seinen eigenen Kompetenzbereich prüfen, der Architekt behält seine zentrale Rolle, unabhängig von der Sichtbarkeit des Entwurfs. Im vorliegenden Fall entschied man sich für eine Fassadengestaltung in Form eines vertikalen Gartens. Der Pflanzenbewuchs wurde somit zu einer der wichtigsten Ausdrucksformen des Projekts. Licht und grafische Gestaltung ordnen sich unter und versuchen sogar, den Ausdruck zu verstärken.