Bauen mit Stahl

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Tragwerksentwurf Gebäudeentwurf Funktion / Nutzung

Ökologie

Wirtschaftlichkeit

Dauerhaftigkeit 1

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Zentriertes Raumfachwerk Radsporthalle, Berlin 1996, Dominique Perrault Randbedingungen des Tragwerksentwurfs

Tragwerksentwicklung Der Entwurf eines Tragwerks ist ein Spiel mit Kräften und mit der Form der Wege, die diese Kräfte vom Ort ihrer Entstehung zu ihrem Ziel, den Auflagern, zurücklegen. Der Tragwerksentwurf ist prinzipiell anders als sein statischer Nachweis, bei dem es vorrangig darum geht, für ein bereits planerisch fixiertes Tragwerk die Standsicherheit richtig und nachvollziehbar zu bestimmen. Der Tragwerksentwurf und die Entwicklung konstruktiver Lösungen wird vom architektonischen Entwurfsansatz geleitet und orientiert sich dabei an zahlreichen Randbedingungen. Die nicht zu trennende Verknüpfung von Tragwerksform und Gebäudegestalt fordert eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Architekten und Ingenieuren, da nur so die Synergien aus Funktionalität und Gestaltung in den Entwurf integriert werden können. Auf diese Weise entstehen in Abhängigkeit von wirtschaftlichen Überlegungen nahezu unbegrenzte Gestaltungsmöglichkeiten. Tragwerke haben die Aufgabe Lasten aufzunehmen und an den Stellen, die als Auflager vorgesehen sind oder sich dafür anbieten, abzuleiten. Die Lasten werden dabei getrennt nach Eigengewicht und Verkehrslasten, die sich aus der Nutzung und den klimatischen Bedingungen ergeben, betrachtet. Bei der Entwicklung eines Tragwerks beschreibt das Kraftsystem die konstruktive Aufgabe, die Kräfte von ihren Angriffspunkten zu den Auflagern hin zu verschieben. Das Kraftsystem ist bestimmt durch Größe, Verteilung, Richtung und Angriffspunkte der Lasten sowie die Lage der Auflagerungspunkte. Aus dem Kraftsystem lassen sich Varianten für ein Tragsystem, oft auch als stati-

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Tragwerksentwurf

Materialeigenschaften

Baurecht

Beanspruchung

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sches System bezeichnet, entwickeln. Das Tragsystem wird beschrieben durch die System-Maße (z. B. Stützweiten), die Form (äußere Geometrie), die Auflagereigenschaften (z. B. fest, verschieblich, eingespannt) und die Belastung. Erst das Tragsystem ist die Grundlage für eine statische Berechnung. Neben den konstruktiven Randbedingungen, die im Kraftsystem formuliert werden, sind unter der Voraussetzung eines integrativen Ansatzes zahlreiche weitere Einflüsse, unter anderem die Wirtschaftlichkeit, die Dauerhaftigkeit und der Bauablauf zu berücksichtigen. Im gleichen Maß, in dem der architektonische Entwurf zunächst ein gestalterisches Konzept aus städtebaulichen, soziologischen und funktionalen Anforderungen entwickelt, liegt es am Tragwerksentwurf ein Konzept für den Lastabtrag zu finden, das den konstruktiven Randbedingungen, den gestalterischen Ansätzen und der Erwartung an die Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Konstruktion gerecht wird. Stahl als Baustoff für tragende Konstruktionen bietet sowohl aufgrund seiner Formbarkeit als auch durch die Möglichkeiten zur Addition elementierter Bauteile und deren Anpassung an die Belastungen im Gesamttragwerk gute Voraussetzungen für die Optimierung von Tragwerken hinsichtlich der geforderten Funktionalität und Gestalt. Die primäre Stahlkonstruktion ist im Hochbau dabei immer ein Skelettbau, der gegenüber dem Massivbau durch lineare Tragelemente und durch die strikte Trennung von tragenden und raumbildenden (umhüllenden) Bauteilen gekennzeichnet ist. Die Optimierung der Struktur hinsichtlich der Kraftflüsse führt fast immer zu einer guten Ablesbarkeit des Kräfteverlaufs. Dabei ist abzuwägen, ob ein Tragwerk

inszeniert werden soll oder zurückhaltend nur der Funktionalität dient. An den beiden Beispielen (S. 8ff. und S. 20ff.) zeigen sich die Vorzüge von Tragwerken aus Stahl im Hochbau. Vorteile von Stahlkonstruktionen bei Aufstockungen oder Umbauten: • Trockene Baustelle und kurze Bauzeit durch Vorfertigung bei der Primärkonstruktion, • geringes Eigengewicht der Konstruktion und daher Berücksichtigung der begrenzten Tragfähigkeit des Bestandes möglich, • leichte Montage bei entsprechender Elementierung, • geringe Konstruktionshöhen durch eine an die Beanspruchung angepasste Profilwahl und durch die Leistungsfähigkeit des Baustoffs Stahl, • große Freiheiten bei der Gestaltung von Grundriss und Gebäudehülle durch Skelettbauweise, • Integration der unverkleideten Primärkonstruktion in die Gestaltung des Innenraumes durch entsprechende Detailausbildung. Vorteile von Stahltragwerken bei Hallenbauten: • Erzeugen von Spannweite mit filigraner Konstruktion durch Anpassung der Profilgeometrien an die Schnittgrößenverläufe, • Integration der gebäudetechnischen Installationen unter Berücksichtigung des Kraftflusses in den elementaren Bauteilen, • kurze Montagezeiten und geringer Aufwand bei der Baustelleneinrichtung durch den hohen Vorfertigungsgrad, • Skelettbauweise bietet durch die Entflechtung von Tragwerk und Hülle die Möglichkeit für große Toröffnungen. 31


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