Tragwerksentwurf Trägerrost
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Trägerrost Der Trägerrost besteht aus sich in unterschiedlichen Richtungen kreuzenden – möglichst ebenengleich gestoßenen – biege- und torsionssteif miteinander verbundenen Balken. Die Tragwirkung eines Trägerrostes kann mit der einer Platte gleichgesetzt werden, die durch Balkenscharen aufgelöst ist. Wie bei der Platte ergeben sich auch beim Trägerrost in Abhängigkeit von der Geometrie der Kreuzungspunkte vielfältige Möglichkeiten für die Auflagerung und eine entsprechend große Freiheit für die Stützenstellung. Bei großen horizontalen Ausdehnungen des Rostes ist bei der Ausbildung der Auflager durch entsprechende Maßnahmen zur horizontalen Verschieblichkeit auf eine zwängungsfreie Konstruktion zu achten. Üblicherweise werden zwei sich rechtwinklig kreuzende Trägerscharen als Rost verwendet. Schiefwinklig kreuzende Trägerscharen sind fertigungstechnisch deutlich aufwendiger und kommen daher nur in Einzelfällen zur Anwendung. Das Gleiche gilt für Trägerroste aus drei oder mehr sich kreuzenden Scharen. Eine Besonderheit stellt die Form des Trägerrostes mit gekrümmten Trägerlagen entsprechend den Verläufen der Hauptspannungen dar (Abb. 26). Diese Rostform nutzt die Trägerquerschnitte optimal, allerdings muss ein erhöhter Aufwand im Bereich der Anschlüsse in Kauf genommen werden. Trägerroste tragen Lasten senkrecht zu Ihrer Systemebene über die Biegetragwirkung in den Trägerscharen ab. Die Lastaufteilung auf die einzelnen Trägerlagen ist abhängig vom Steifigkeitsverhältnis der Balkenquerschnitte zueinander und von den Spannweitenverhältnissen der sich kreuzenden Träger.
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Man kann davon ausgehen, dass orthogonale Trägerroste mit gleichen Balkenquerschnitten in beide Richtungen bis zu einem Spannweitenverhältnis von 1:1,5 eine ausgeprägte zweiachsige Lastabtragung besitzen. Größere Spannweitenunterschiede führen zu einer einachsigen Lastabtragung in Richtung der kurzen Spannweite. Die Trägerschar mit der größeren Spannweite wird damit immer mehr zu einem untergeordneten Nebentragsystem. Wie bereits beim Tragsystem »Balken« beschrieben können auch Trägerroste durch eine Auflösung des Kraftflusses hinsichtlich ihres Materialverbrauchs optimiert werden. Dies kann beispielsweise in Form von Unterspannungen der Trägerscharen erfolgen. Entsprechende Konstruktionshöhen und ein größerer Aufwand durch die Ausbildung zusätzlicher Knotenpunkte sind dabei in Kauf zu nehmen. Die Wahl eines Trägerrostes als Tragsystem im Stahlbau kann aus folgenden Gründen erfolgen: • Adäquates Tragsystem für ein ungerichtetes räumliches Konzept mit sichtbarer Konstruktion • Möglichkeit zur freieren Anordnung der Stützen durch ein untergeordnetes enges Trägerraster bei hoher Querschnittsausnutzung • Minimierung der Konstruktonshöhe als Alternative zu einem System bestehend aus Haupt- und Nebenträgern Für die Wahl der erforderlichen Trägerquerschnitte ist bei der Bemessung eines Trägerrostes neben der für Biegetragwerke üblichen Verformungsbegrenzung und Tragfähigkeit auch die Entwicklung der Anschlussknoten maßgebend. Die Trägerstöße müssen neben Normalund Querkräften auch Biege- und Torsionsmomente abtragen. Dadurch erhöht
sich der Aufwand für die Konstruktion der Knotenpunkte. Dies gilt im Besonderen für Bereiche, in denen die Anschlussschnittgrößen über Schraubanschlüsse ausgeführt werden müssen (Montagestöße). Bei der Konstruktion der Trägerrostanschlüsse mit Schweißnähten können die Anschlussschnittgrößen harmonischer übertragen werden. Die Art und Lage der Schweißnähte muss dabei hinsichtlich ihrer Ausführbarkeit (Baustellenstöße, Zugänglichkeit innerhalb der Trägerscharen) überprüft werden.
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24 Über Mittelstützen weit auskragender Trägerrost Nationalgalerie Berlin, 1968, Mies van der Rohe 25 Tragsystem »Trägerrost« Verlauf der Biegemomente (dünne Linie) und Verformung (gestrichelt) 26 Trägerrostform in direkter Analogie zum Verlauf der Hauptbelastungen in einer punktgestützten Platte, Kurklinik und Terrassentherme, Bad Colberg 1997, Kaufmann, Theilig & Partner
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