Gründerzeitbauten 1870 –1920
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Häuserzeile, Hohenzollernring, Köln (D) 1885, C. A. Philipp C 2.2 Grundrisse Wohnhäuser, Köln (D) 1885, C. A. Philipp a Erdgeschoss b 1. Obergeschoss C 2.3 Kalklöschen und Kalkmörtelzubereitung an einer Baustelle um 1900 C 2.4 ehemals geschlossene Hinterhofbebauung in Köln, heute seitlich offen
Personen in einem Raum unterbringen zu können. Diese Struktur setzt stark dimensionierte, tragende Innen- und Außenwände voraus, die meist parallel zur Fassade angeordnet, eine einfache, orthogonale Raumfolge ergeben. Beides kommt einer heutigen Umnutzung entgegen. Die Räume eignen sich heute für Büronutzungen genauso wie für offene Wohnformen; Unterteilungen für kleinflächige Nutzungen sind zusätzlich möglich. Eine massive Bauweise mit großen Mauerstärken (ausgenommen oft das oberste Geschoss) sorgt für einen guten Schallschutz und ausreichende Wärmespeicherung. Bei straßenbegleitenden Bauten erzielen hoch eingesetzte Fensterstürze gute Tageslichtbedingungen. Die Schwächen liegen in der gewinnmaximierenden Bebauung sowie den fehlenden Technologien begründet. Enge Hinterhofbebauungen und dunkle, enge Grundrisse mit langen Erschließungsfluren ohne natürliche Belichtung – oftmals nur einseitig belichtet, ohne Querlüftungsmöglichkeit – lassen sich auch heute schlecht vermarkten. Umbauten verbessern diesen Zustand kaum, da die natürliche Belichtung nicht verändert werden kann. Bei Stadtsanierungen der letzten Jahrzehnte ist daher immer wieder versucht worden, solche Viertel zu entkernen, also Hinterhofbebauungen abzubrechen. Hinzu kommen technische Mängel. Fehlende oder defekte Abdichtungen der Kelleraußenwände (horizontal oder vertikal) sorgen für feuchte Keller, Tiefparterre- und oft auch Erdgeschosswohnungen. Zudem weisen die Holzbalkendecken einen unzureichenden Trittschallschutz, schlechte Luftschall- sowie Brandschutzwerte auf und sind oft zu schwach dimensioniert, was zu sichtbaren Durchbiegungen führt.
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senem Aufwand möglich. Anders verhält es sich dagegen bei feuchten Kellern; hier ist eine nachträgliche Trockenlegung so gut wie ausgeschlossen. Aufgrund der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten und der hohen Attraktivität von Gründerzeitbauten können diese Probleme aber so weit vernachlässigt werden. Ein vollständiger Abbruch solcher Einzelgebäude aus ökonomischen Gründen ist von vornherein auszuschließen – es sei denn, es handelt sich um eine städtebauliche Maßnahme.
Keller waren damit brauchbare, jedoch nicht wirtschaftlich vermietbare Flächen. Die Ausführung entspricht dieser Prämisse – trotz fortgeschrittener Bautechnologien. So gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts industriell hergestellten und somit bezahlbaren Zement sowie Abdichtungen auf Teerbasis, welche aber in der Regel nicht oder nicht regelgerecht eingesetzt wurden. Daher sind Keller der Gründerzeit zwar meist standfest, jedoch dauerhaft feucht. Größere Schäden sind selten, aber eine dauerhafte Nutzung, gar mit Aufenthaltsräumen, ist mit vertretbarem Aufwand nicht zu erreichen (Abb. C 2.7).
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Keller Gründungen und Böden
In Städten mit extremem Zuzug und entsprechender Wohnungsnot, wie z. B. in Berlin zu jener Zeit, wurden Keller in der Gründerzeit auch als bewohnbare Räume geplant. Üblicherweise dienten sie jedoch: • als Lagerraum für Lebensmittel (aufgrund ihrer gleichmäßig kühlen Temperatur) oder für Heizmaterial • zum Schutz gegen aufsteigende Feuchtigkeit bzw. Spritzwasser im Sockelbereich durch Herausheben des Erdgeschossbodens um mehr als 40 cm • zum Schutz vor gesundheitsschädlichen »Dämpfen« aus dem Grundwasser, welche z. B. für Typhus verantwortlich gemacht wurden
Da es sich bei Gründerzeitbauten um eine massive Mauerwerksbauweise handelt, findet man bei normaler Baugrundbeschaffenheit Streifenfundamente (historische Bezeichnung: Bankette). Als frostfreie Gründung geben zeitgenössische Fachbücher meist 1,0 bis 1,2 m unter Geländeniveau an [1]. Um die zulässigen Pressungen des Erdreichs, zu denen es grobe Richtlinen gab, nicht zu überschreiten, wurden die Fundamentsohlen durch Abtreppungen verbreitert: Das Mauerwerk verspringt in jeder zweiten Schicht beidseitig um ¼ Stein (Reichsformat 6,5 cm). Die unterste Lage des Fundaments muss möglichst eine gerade Auflage für das Mauerwerk bilden und geringfügig unterschiedliche Baugrundgegebenheiten überbrücken. Als Bau-
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Umbaupotenzial Gründerzeitbauten haben ein großes Umbaupotenzial. Die Grundstruktur eignet sich für eine Vielzahl von Nutzungen mit teilweise sehr hoher Aufenthaltsqualität. Im auf die einfache Grundstruktur reduzierten Umbau verbleiben nach dem Einbau zeitgemäßer Haustechnik meist zwei Problemzonen: Holzbalkendecke und Keller. Die Verbesserung der Decken ist bis zu einem gewissen Grad mit angemes-
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