Personal – Entwicklung und Kultur

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DEKVthema Ausgabe 06 | Dezember 2012 | Zeitschrift des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes e.V.

Profile | Praxis | Dialog

Personal – Entwicklung und Kultur

Best Practice Diakonische Personalentwicklung – verankert in Unternehmenskultur und Strategie Profilfrage Gemeinsam Beten – Das  ,Vater Unser‘ übersetzt für evangelische Krankenhäuser Management In V   erbünden stärker – mit Partnern neue W   ege gehen


Prolog

Liebe Leserinnen und Leser, das Bild vom harmonischen Zusammenspiel eines Orchesters inspiriert, Gestaltungsfreiräume zu gewähren sowie Vertrauen und Respekt in unserer Unternehmenskultur zu pflegen. Professionelle Personalauswahl und –entwicklung werden immer wichtiger und sind erfolgreich, wenn das Arbeitsklima stimmt. Mit unseren Mitarbeitenden können wir die Zukunft unserer Evangelischen Krankenhäuser gestalten – und das wollen wir gemeinsam auf Augenhöhe tun. Denn sie sind es, die unseren Dienst am Menschen tragen. Die von uns in Auftrag gegebene Prognos-Studie zur Krankenhauslandschaft 2020 skizziert weitere Herausforderungen: Zum einen müssen wir unsere Investitionskraft stärken. Zum anderen sollen wir uns für regionale Verbünde und Kooperationen mit Partnern anderer Konfessionen öffnen. Ökumene findet da statt, wo unsere evangelischen Krankenhäuser mit katholischen Nachbarkrankenhäusern guten Kontakt pflegen und im Austausch sind. Über die Initiative Christlicher Krankenhäuser in Deutschland (CKiD) möchten wir diesen Prozess unterstützen. Foto: Julia Scharte

Viel Anregung beim Lesen der Lektüre wünscht Ihnen Ihr Manfred Witkowski DEKV Vorsitzender

In dieser Ausgabe:

Orchesterstimmung im Krankenhaus:

Wenn der  Arbeitsplatz mit Passion gestaltet und vom Team gemeinsam belebt wird, gibt es keine Personalsorgen mehr.

Schwerpunkt

04 Arbeitsfeld: Respekt, Vertrauen und Gestaltungsfreiheit 06 Personal: Entwicklung im diakonischen Unternehmen 07 Mitarbeitende: Visionen und Ideen für die Zukunft

Seite 04

Studie zur „Krankenhauslandschaft 2020“:

Für die Gesundheitsversorgung braucht es starke Verbünde, verbindliche Kooperationen und eine gestärkte Investitionskraft.

Politik

08 Politik: CKiD – zum Handeln herausgefordert! 09 Kolumne: Kassen-Reichtum – Klinik-Armut?

Initiative

10 Kommentar: Hat Krankenhaus-Ökumene Zukunft? 11 KD-Bank: Alternative Finanzierungsformen

Seite 08

Kongress zukunft: pflegen + begleiten:

Nachwuchskräfte in Pflege und  Assistenz formulierten ihre V  orstellungen von attraktiven Berufsbildern in einem Manifest.

INterview

12 Führungskompetenz: Dialog auf  Augenhöhe

Meldungen

14 Netzwerktreffen: CKiD – gemeinsam kommunizieren 15 Kurzmeldungen: Luftpost für die Pflege

Seite 15

15 Buchtipp: Strategien für das Talentmanagement

Impressum: DEKVthema ist die Mitgliederzeitschrift des DEKV. Herausgeber: Deutscher Evangelischer Krankenhausverband e.V. Geschäftsführung: Norbert Groß | Redaktion: Stefanie Joeres | Mitarbeit an dieser Ausgabe: Georg Stamelos | Bilder: Ingo Jakschies, Julia Scharte, Georg Stamelos, iStockphoto (Titel) | Grafik und Herstellung: xkontor, Hamburg | Druck: Langebartels, Hamburg | Auflage 3.500 Stück | Ausgabe Dezember 2012 | Umwelthinweis: Druckerei und Papier dieser Zeitschrift sind FSC-zertifiziert. | ISSN 2190-748X

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Impuls

Vater Unser

Christliche Spiritualität im Krankenhaus kann sehr facettenreich sein. Ein kraftspendendes Element ist das gemeinsame Sprechen des   ater des V Vater Unser.  Aus dem Projekt Spiritualität und Kommunikation in der Pflege ist das Gebet für alle Mitarbeitenden im evangelischen Krankenhaus übersetzt worden. worden

Vater Unser ... beziehungsreich Pflege und ärztliche Begleitung ist in einem christlichen Krankenhaus Beziehung. Inmitten der vielen und kurzen Kontakte im Klinikalltag gelingt es, einander – auch berufsgruppenübergreifend – wahrzunehmen und mit  Wertschätzung zu begegnen. Im Himmel ... unverfügbar Gesundheit ist nicht „machbar“, sondern auch immer ein W   under. Gott kann unverhofft Genesung wider menschliches Ermessen schenken. Ein solches außergewöhnlich empfundenes Wunder liegt allein in seiner Hand. Dein Name werde geheiligt. ... (an)betend Spiritualität im Gesundheitswesen wird in Symbolen, Riten, seelsorgerlichen Gesprächen sichtbar. Sie ereignet sich aber auch im stillen Gebet von Mitarbeitenden für ihre Patientinnen oder Patienten, inmitten ihres medizinischpflegerisch-therapeutischen Handelns. Dein Reich komme. ... heilsam Spirituelle Praxis im Krankenhaus dient der Bewältigung von Krankheit, Leid und Schmerz. Entsprechende Bildungsangebote für Führungskräfte und Mitarbeitende fördern und unterstützen die Profilierung von christlicher Spiritualität in diakonischen Krankenhäusern. Dein W   ille geschehe ... recht-schaffend Die Christliche Dienstgemeinschaft ist Garant für gute  Arbeitsbedingungen. In V   erantwortung

für alle Mitarbeitenden werden  Arbeitszeiten, Entlohnung und soziale  Absicherung gleichermaßen vereinbart und eingehalten. Wie im Himmel so auf Erden. ... präsent Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart. Auch in normierten Zeittakten, Minutenpflege und verdichtetem  Arbeitsanfall gilt die gesamte Aufmerksamkeit immer dem Gegenüber, besonders wenn er unserer Hilfe bedarf. Unser tägliches Brot gib uns heute. ... dankbar Dankbarkeit ist eine innere Haltung, die zu Ausgeglichenheit und Zufriedenheit führt. Eingeübt ist sie ein Faktor von Resilienz und Coping und damit wesentlicher Bestandteil der Burnout-Prophylaxe im betrieblichen Gesundheitswesen. Und vergib uns unsere Schuld ... versöhnend Gott war in Christus und hat die W   elt mit sich selbst versöhnt (2 Korinther 5,19). Für eine versöhnende Kommunikation müssen sich Mitarbeitende vorurteilsfrei begegnen können und das verständige Hören üben. Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern ... friedvoll Selig sind die Friedensstifter, (Matthäus 5,9). Konflikte entstehen fast unvermeidlich, wenn Menschen miteinander arbeiten. Aktiv sich um Frieden bemühen, ist unerlässlich für ein gelingendes Konfliktmanagement. Und führe uns nicht in V  ersuchung, ... angefochten Qualifikation und Engagement können Fehler

Foto: Georg Stamelos

Christliche Spiritualität ist ...

und Krisen nicht immer verhindern. Offenheit und innovatives Lernen in der Organisation korrespondieren mit einem barmherzigen Umgang gegenüber sich selbst oder anderen. Sondern erlöse uns von dem Bösen. ... befreiend Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten motivieren Mitarbeitende im Christlichen Krankenhaus. Es ist niemandem erlaubt, die Arbeitsqualität etwa durch Mobbing einzuschränken. Jeder erhält V   erantwortung und Aufgaben, in denen er wachsen kann. Denn dein ist das Reich ... hierarchiefrei In Christlicher Spiritualität gilt das  Ansehen jeder Person. Machtgefälle im Team oder zwischen den Professionen werden überbrückt und die  Asymmetrie von mächtigen Helfern und ohnmächtigen Patientinnen und Patienten aufgehoben. und die Kraft ... kraftvoll Ärzte, Pflegende und Therapeuten wissen sich im Glauben gehalten. So können sie ihren Patientinnen und Patienten auch Halt geben. Christliche Spiritualität ist eine wesentliche Kraftressource. und die Herrlichkeit ... staunend Staunen macht das Herz weit und weckt Lebensfreude.  Atemberaubende Naturerlebnisse können begeistern, aber auch außerordentliche menschliche Leistungen und herausragende Erfolge im Team. In Ewigkeit ... unverlierbar Die unvergängliche Würde eines jedes Menschen wird im christlichen Krankenhaus geachtet. Räume zur Entfaltung von Integrität werden geschaffen, indem Grenzen respektiert und  Anerkennung und Zugehörigkeit gewährt werden. Amen ... wahrhaftig Ein aufrichtiger und wahrhaftiger Umgang ist von zentraler Bedeutung. Im Spannungsfeld zwischen ökonomischen Zwängen und ethischem  Anspruch ist ein unermüdliches Bemühen um Glaubwürdigkeit und eine faire, transparente und ehrliche Kommunikation unerlässlich.  Dr. Astrid Giebel vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. leitet das ESF-Projekt Existentielle Kommunikation und spirituelle Ressourcen im Pflegeberuf astrid.giebel@diakonie.de

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Schwerpunkt

Führungskräfte sind gefordert!

Attraktiver Arbeitsplatz: Respekt, Vertrauen und Gestaltungsfreiheit Ungeordnetes Einstimmen des Orchesters dringt durch den Raum. Dann wird es still.  Aus der Stille wagt sich ein Klangbild, das neugierig macht. Die freudige  Antizipation, das sensible aufeinander Hören sind förmlich greifbar. Die Musik wird intensiver,  Arme schwingen, Körper bewegen sich im Einklang. Jeder gibt sein Ganzes, leidenschaftlich und voller Enthusiasmus. Das Schöpferische, das Bewegen und bewegt werden ist in den wachen Gesichtern zu sehen. Die Musik schwingt sich in freudige Höhen… Was wäre, wenn diese Stimmung den  Arbeitsalltag „Krankenhaus“ ausmachte; wenn solch ein  Arbeitsplatz existierte, der mit Passion gestaltet und vom Team gemeinsam belebt wird? Auf die Haltung kommt es an! Die Arbeitssituation im Krankenhaus ist häufig geprägt von Fachkräftemangel und der Gefahr von Qualitätsverlust.  Arbeitsüberlastung ist an der Tagesordnung,  Ausfallzeiten sind hoch. Alle ringen darum, Prozesse am Laufen zu halten und V   ersorgung zu ermöglichen. Doch Unzufriedenheit macht sich breit. Die Frage, wie das Problem lösen, liegt schwer im Raum. Der Einsatz von „Effizienzaposteln“ und „Hard-Core-Ökonomen“ klärt nur eine Seite des Problems.  Was also ist die Lösung, um einen Arbeitsplatz zu schaffen, der Mitarbeiter bindet, Prozesse effektiv gestaltet und aktive Lösungen findet? Es beginnt beim Menschen, dort, wo die Prozesse und Interventionen in der Organisation ausgeführt werden. „Die Stärkung des respektvollen Umgangs ist ein geschickter Ansatz, um so4

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wohl den Herausforderungen der Personalbindung und -gewinnung, als auch den unternehmerischen Zielen gerecht zu werden. Der wesentliche Nutzen besteht für Unternehmen in der Senkung der Fluktuationsraten und des Krankenstands und in der Gewinnung von Personal durch den Aufbau eines guten Rufs.  Außerdem wird der Unternehmenserfolg durch eine Stärkung respektvoller Zusammenarbeit direkt beeinflusst, indem Barrieren zwischen Berufsgruppen und Hierarchien, aber auch innerhalb von Teams, abgebaut werden. Dies unterstützt organisatorische Veränderungen, erhöht die Qualität der erbrachten Leistungen und verringert dabei sogar den Gesamtaufwand.“ (Birger Dreher, Soziologe Mag., M.A. in Management und wiss. Mitarbeiter am Institut für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft IEGUS GmbH.) Es geht um die  Aktivierung von umfassendem Prozesswissen, welches jeder Mitarbeiter eines Krankenhauses mit sich trägt.  Wenn Führungskräfte und Mitarbeiter gemeinsam eine Kultur schaffen, in der dieses Wissen durch Eigeninitiative und Selbsthilfe gefördert wird, können Defizite und Fehler leichter und schneller aufgegriffen und bearbeitet werden. Dies schafft Sinn und Zufriedenheit am  Arbeitsplatz.


Schwerpunkt

Doch wie sieht dieser Kulturwandel im Krankenhaus aus? Die Haltung ist Startpunkt einerKultur, die die Überwindung bestehender Grenzen ermöglicht und neue Erfolgswege öffnet. Die Haltung bestimmt, wie und in welcher Form etwas getan wird. Und da ein Team nicht isoliert voneinander agiert, bedingt die Haltung auch die Qualität des eigenen V   orbildes. Ist die Haltung zudem respektvoll und aktiv-gestalterisch, resultiert daraus eine  Art der Kommunikation, die sich offen und lösungsorientiert darstellt. Dies wiederum schafft Entfaltungsraum und Zufriedenheit am  Arbeitsplatz.

Foto: istockphoto.com

Nutzen der Haltungsänderung Das V   erständnis für die eigene Rolle innerhalb des Systems wird V   oraussetzung für eine Haltung, in der Rollen und Entscheidungsspielräume neu gestaltet und kontinuierlich weiterentwickelt werden können. Der Nutzen einer Haltungsänderung und der Schaffung einer neuen respektvollen  Aktiv- und Gestaltungskultur liegt klar auf der Hand: • Schaffung von Freiräumen für die Mitarbeitenden, ob nun  Arzt, Pflegekräfte oder Therapeuten • Produktivitätssteigerung mittelfristig von mindestens 6-8 % • Eliminierung von persönlichen „Zeitfressern“ in den Prozessen, wodurch die  Arbeitsplatzzufriedenheit steigt und langfristig gelebt werden kann • Entwicklung einer prozessorientierten Unternehmenskultur • Zufriedenheit der Kunden aufgrund stimmiger Prozesse mit kurzer  Aufenthaltsdauer und gutem Behandlungsergebnis „Weiche“ Erfolgsfaktoren Wie schafft es ein Team also, die Haltung seiner Mitglieder so zu entwickeln, dass durch respektvolle Kommunikation und V   ertrauen ineinander Kooperation und gemeinsame Problemlösung möglich sowie Engagement für die  Aufgaben im  Alltag geschaffen werden? Wir haben uns dem Training mittels kreativer, erfahrungsbasierter Prozesse gewidmet und Folgendes festgestellt: W   erden Mitarbeitende und Führungskräfte eingeladen, beispielsweise einen musikalischen Prozess, dem eines Orchesters gleich, zu gestalten, sind die positiven Effekte vielfältig. In solcherlei musischen Erfahrungen werden neue Räume geschaffen, in denen sich plötzlich unvorhergesehene  Wege öffnen. Das Chaos, welches jedwedem künstlerischen Gestalten zugrunde liegt, ermöglicht das  Aufbrechen und Neuordnen von Strukturen sowohl im Künstler selbst als auch im System. Durch Fantasie und sensible W   ahrnehmung im künstlerischen Spiel entstehen neue Perspektiven und überraschende Erkenntnisse. Die Teilnehmer werden befähigt, ihre eigenen Möglichkeiten und Potentiale auszuprobieren und hieraus neue Lösungen für Kommunikation und Kooperation auszuspielen und zu integrieren. Persönliches sowie systemisch integratives W   achstum ist die Ernte dieser ungewöhnlichen Erfahrung. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die des Mitspielenden werden stark gefördert, da die Teilnehmer sich gemeinsam auf etwas Neues einlassen. So wie im  Arbeitsalltag immer wieder auf neue, unbekannte Situationen reagiert werden muss, so begeben sich die Musiker des Orchesters in einem solchen musikalischen Experiment auf unbekanntes Territorium. Sie müssen sich aufeinander einlassen,  zuhören und aktiv gestalten, um Musik zu kreieren, die gut klingt und Stolz hervorruft. V   ertrauen ist also eine Grundhaltung, ohne die solch ein Prozess nur unbefriedigend und lückenhaft erfüllt werden kann. Des Weiteren erfordert ein solches Spiel den gegenseitigen Respekt vor den unterschiedlichen Fähigkeiten und Kompetenzen. Es geht viel-

mehr darum, die Ressourcen des Einzelnen in ihrer individuellen  Ausdrucksform anzunehmen und zu integrieren. Um den Gesamtklang des Orchesters zu erreichen, zählt nicht der rückhaltlose  Alleingang in die Klangwelt. Ein Solo, also das vom Orchester getragene Alleinspiel, kann nur funktionieren, wenn dieser Alleingang in engem Kontakt mit dem restlichen Orchester ausgeführt werden kann. Professor Gernot Schulz, Dirigent und ehemaliger  Assistent Leonard Bernsteins sagt hierzu: „Unser Interesse als Orchester ist es, dem Solisten, der es im Moment besonders schwer hat, das Leben so leicht wie möglich zu machen.  Als Dirigent gehe ich zu ihm in engsten Kontakt, richte mein Führen nach ihm aus und lenke die  Aufmerksamkeit des ganzen Orchesters auf ihn, so dass eine bestmögliche Begleitung seinesTuns entsteht.  Auf der anderen Seite darf der von uns unterstützte Solist die Freiheiten, die wir ihm gewähren, nicht überstrapazieren, er darf keinen ‚Höhenflug‘ bekommen und den Kontakt zu uns verlieren. Sonst überstrapaziert er unsere Flexibilität und alles fliegt auseinander. Alles basiert auf gegenseitigem V  ertrauen.“ Es ist also die respektvolle Haltung und gegenseitiges Vertrauen, die sowohl erfolgreiches Zusammenspiel als auch solistische  Aktivität funktionieren lassen. Der Rückschluss dieser Erkenntnisse auf den  Arbeitsalltag liegt auf der Hand. Systemische Einbettung der Haltung Die Praxis zeigt, dass die besten Ergebnisse in einem Innovationsprozess nur dann erzielt werden, wenn Kreativität komplementär zu fundiertem Experten- und Erfahrungswissen gefördert wird. Das Spielfeld, welches von Struktur und Strategie des Unternehmens bestimmt wird, muss also Grundlage und Rahmen der Kreativitätsprozesse sein. Nur im Zusammenspiel, können diese V   eränderungen das Unternehmen mit einem qualitativen Sprung in die Entwicklung von neuen Lösungen nachhaltig nach vorne bringen. • Die Denk- und Handlungslogik der Klinik-Organisation muss als Rahmen beachtet werden. • Innerhalb dieses Rahmens setzt der Kreativprozess blockierte Potentiale frei und schafft Respekt und V   ertrauen. Somit können Zielvorstellungen erfolgreich umgesetzt und Lösungen für schwierige Situationen nachhaltig implementiert werden. Die schlagkräftige Zusammenarbeit zwischen Kreativität und pragmatischer Analyse ist ein bewährter Katalysator für erfolgreiche Innovationen. Solche Innovationen bedingen das Engagement und die aktive Gestaltungsfreude am  Arbeitsplatz. Der Alltag darf sich weiterentwickeln und bietet den Mitarbeitenden Raum, dies zu tun. Ein Sinn gebender, interaktiver Arbeitsplatz ist geschaffen. 

Detlef Friedrich ist geschäftsführender Gesellschafter der contec GmbH, ein Beratungsunternehmen für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft und Non-Profit-Organisationen. Kontakt: detlef.friedrich@contec.de

Kathrin Keune ist für die fachliche Kompetenz und Organisation der Komplementärberatung in der contec GmbH verantwortlich. Kontakt: kathrin.keune@contec.de weitere Informationen: www.contec.de

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Faktor Unternehmenskultur

Diakonische Personalentwicklung Auch die jüngste Prognos-Studie bestätigt: Die Zukunft gehört den diakonischen Krankenhausunternehmen, die hoch effizient arbeiten und sich zugleich als diakonisch glaubwürdig erweisen. Die Paul Gerhardt Diakonie e.V.  (PGD) hat frühzeitig erkannt, dass sie ihre zukünftige Leistungsfähigkeit durch eine vorausschauende Personalstrategie absichern muss – und, dass ihre diakonische Identität und Kultur hierfür besondere Potentiale bieten. Von Dr. Rainer Wettreck, Theologischer Vorstand PGD, Veronika Drews-Galle und Katja Rothe, Paul Gerhardt Diakonie – Akademie

„Potenziale entwickeln – Zukunft gestalten“: die 2010 unter diesem Titel verabschiedete „Personalstrategie 2015“ der Paul Gerhardt Diakonie e.V. basiert auf einer detaillierten Analyse der Unternehmensziele, sich wandelnder Umfeldbedingungen sowie der internen  Ausgangslage im Dialog mit leitenden Führungskräften. Realisiert wurden seitdem u.a. die Einführung von Führungsgrundsätzen und ein Pilot für ein Führungsfeedbacksystem, ein zertifizierter Coaching-Pool, das verbindliche Kursangebot „Neu in Führungsverantwortung“, die flächendeckende Einführung von Mitarbeiterjahresgesprächen, das für Mitarbeiter kostenlose Kindernotfallbetreuungsangebot „KidsMobil“ sowie ein High-Potential-Programm zur Bindung und Förderung aufstrebender ärztlicher TOPFührungskräfte in Kooperation mit der Ärztekammer Berlin. Innerhalb der Maßnahmen wird großes Gewicht auf  Werteorientierung im Sinne unseres Leitbildes 6

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gelegt. Mitarbeitende und Führungskräfte können dabei entdecken, dass persönliche  Werte und Integrität sowie eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Leitvorstellungen des Unternehmens Teil erfolgreicher professioneller Rollengestaltung und nachhaltiger Motivation sind. Eine zentrale Rolle für die Umsetzung der Personalstrategie spielt die 2009 gegründete diakonische Unternehmensakademie (Lutherstadt Wittenberg) mit inzwischen jährlich mehr als 1000 Teilnehmenden aus der PGD. Integrale Personal- und Unternehmenskulturentwicklung Während des Entwicklungsprozesses der Personalstrategie 2015 zeigt sich verstärkt, dass wesentliche Bindungs-, Gesundheitsund Leistungsfaktoren mit dem Faktor Unternehmenskultur zusammenhängen. Von 2009 bis 2011 fand bereits konzernweit ein

erster grundlegender diakonischer Kulturentwicklungsprozess in den Handlungsfeldern Kultur, Ethik, Seelsorge, diakonische Personalentwicklung und Sterbebegleitung bottom-up statt. Es bildeten sich neue Strukturen, Projekte und u.a. 10 unternehmensweite Foren heraus. Wichtige Erkenntnis: Gerade von diakonischen Unternehmen erwarten Mitarbeitende, dass die Fragen, die heute mit der weltanschaulichen Pluralität, mit den ökonomischen Herausforderungen und der Effizienzsteigerung in den standardisierten Prozessen verbunden sind, glaubwürdig aufgegriffen werden. Eine alltagspraktische Orientierung des Mehrwertes Diakonie wird erwartet. „Zeit für unsere  Werte“ – in der PGD wurde daher jetzt ein strategischer topdown-Prozess zur diakonischen Profilierung der Unternehmenskultur angestoßen. Dieser soll auch gemäß den Werteverständnis der Mitarbeitenden eine Orientierung zu Identität und  Auftrag ermöglichen, Gemeinschaft und Kooperation stärken und den Dienst am Nächsten verstärkt an Empathie und diakonischen Werten ausrichten. Die  Akademie unterstützt ab 2013 den strategischen Prozess als „Kompetenzzentrum diakonische Unternehmenskultur“ mit Kulturwerkstätten und Begegnungsformaten, attraktiven spirituellen Angeboten und alltagspraktische Innovationen, wie respectare® – Berührung mit Respekt. Dabei werden diakonische Identität und seelische Gesundheit in allen  Angeboten berücksichtigt.


Abb: Paul Gerhard Diakonie

Schwerpunkt

Johanniter-Schwesternschaft

Luisenhospital Aachen

Lukas Krankenhaus Bünde

Case managen – Ausbildungsinhalte integrieren!

Dual studieren – Systemgrenzen überwinden!

Personal binden – Orientierungshilfe geben!

von Dr. Christine von Reibnitz, Referentin

von Jochen Vennekate M.A., Akademieleiter

Von Renate Letsch, Pflegedirektorin

Case-Management beinhaltet nicht nur die Steuerung von Pflege.  Aufgrund der konzeptionellen Grundlage des Case-Managements, seinen Parallelen zu anderen professionellen Regelkreisläufen sowie eines nicht abgrenzbaren Handlungsfeldes sollte dieser Bereich kein eigenständiges Berufsbild darstellen, sondern eine zusätzliche Qualifikation in der Pflegeausbildung sein. Das  Aufgabenspektrum stellt hohe Anforderungen an die fachlichen und sozialen Kompetenzen der Case-Manager. Sie müssen zudem in hohem Maße die Fähigkeit zur Gestaltung von  Aushandlungs- und V   ernetzungsprozessen mitbringen. Das erfordert aber auch eine Reund Neuorientierung im beruflichen Handeln der Pflege. In der Form, dass professionelles Handeln sich endlich konsequent am Versorgungsbedarf des Klienten/Patienten orientiert. Dies verlangt von der Pflege und allen anderen beteiligten Professionen in ihrem beruflichen Handeln eine vorausschauende Planung über Systemgrenzen hinweg. Deshalb sind meiner Meinung nach Qualifikationen im Case-Management zukünftig und notwendigerweise bereits in die Pflegeausbildung zu integrieren. 

Viele Pflegeschulen und Fachseminare haben sich zu modernen, regionalen Bildungszentren weiterentwickelt. Durch Kooperation und Fusion ist es möglich, Synergien zu nutzen und die  Ausbildungsqualität zu steigern. Parallel entwickeln sich an den Hochschulen primär qualifizierende Pflegestudiengänge, davon 6 Modellstudiengänge alleine in NRW. Unsere Bildungsakademie nimmt seit 2011 als eine von 20 Schulen mit 5 Auszubildenden pro Kurs am dualen Studiengang Pflege der Katholischen Hochschule NRW teil. Besonderes Merkmal dieses Studiengangs ist die große  Anzahl der Kooperationsschulen, die auf  Augenhöhe mit der Hochschule bei der Realisierung des Studiengangs zusammenarbeiten. Die Studenten profitieren vom Lernen an drei Orten (Schule, Hochschule, Pflegepraxis) und erleben das Studium als ein attraktives, die Berufsausbildung nicht ersetzendes, sondern ergänzendes Bildungsangebot. Für die Schulen bedeutet die Mitarbeit im Modellstudiengang die Förderung des Schulentwicklungsprozesses und der Netzwerkbildung mit den Partnern. Fazit: Berufsbildung und Hochschulbildung in der grundständigen Pflege gehören zusammen. 

Gute Pflegequalität erfordert qualifiziertes Pflegepersonal, das wir nur durch klar festgelegte Rahmenbedingungen gewinnen und halten. Schon die Internetseite muss so gestaltet werden, dass Unternehmenswerte, Qualitätsmanagement und Pflegeleitbild Interesse und Neugierde wecken.  Ausführliche V   orstellungsgespräche sind wichtig, um gegenseitige Erwartungen deutlich zu benennen und die vorhandenen Kompetenzen in Fachlichkeit, Organisation und  Anleitung herauszufinden. Unser Einarbeitungskonzept ist ein roter Faden und begleitet die „Neuen“. Transparente V   orgaben, strukturierte  Abläufe und Prozesse sowie klare Regelungen der V   erantwortung geben Sicherheit und tragen zur W   eiterentwicklung von Kompetenzen bei. W   ir fordern eine Umgangskultur, die mit V   ertrauen, Wertschätzung,Verlässlichkeit, Offenheit und Fairness von allen Beteiligten gelebt wird. Personalgewinnung, Mitarbeiterbindung und letztendlich auch die W   eiterentwicklung des Berufsbildes kann m.  E.  n. nur gelingen, wenn Führungskräfte durch ihr positives V   orbild überzeugen. 

Diskussionsgrundlage

7 Denkanstöße* zur Personalentwicklung im Krankenhaus Eine Projektgruppe hat sich intensiv mit PE im christlichen Krankenhaus befasst und auf einer Fachtagung Best Practice Beispiele diskutiert. Im Fokus stand die Situation in der Pflege.

 Interprofessionelle Teams wünschen Dialog auf  Augenhöhe: Die gemeinsame Arbeit braucht verbindliche Regelungen und Rituale.  Christliche Pflege ergänzt medizinische Leistungen um das Element der Beziehung: Professionell, selbstbewusst und von Respekt geprägt.  Personalgewinnung erfordert eine disponible Strategie:   Zufriedene Mitarbeitende sind wesentliches Marketingmerkmal des Hauses.  Intergenerative Zusammenarbeit eröffnet Innovationen: Kompetenzen aus neuen Bildungswegen brauchen Gestaltungsräume.  Personalbindung basiert auf einem gemeinsamen Kulturbewusstsein: Vertrauen unterstützt die persönliche Entwicklung.   ege zu gehen.  Leadership will begeistern statt steuern: Dazu braucht es Mut, V  isionen zu entwickeln, sie zu zulassen und neue W  Führung basiert auf Vertrauen und ist lernbar: Es gilt die Potenziale von Mitarbeitenden für Führungsaufgaben und -positionen zu fördern. *Die Denkanstöße sind ausführlich als Diakonie T  exte und im DEKV-Wissensportal veröffentlicht (Januar 2013) – www.dekv-wissen.de. DEKVthema 06/2012

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politik

CKiD zum Handeln herausgefordert

Mehr Verbindlichkeit im Verbund! Die Prognos-Studie „Krankenhauslandschaft 2020“ benennt die entscheidenden Herausforderungen für Christliche Krankenhäuser in Deutschland (CKiD). Sie liefert wichtige Parameter, wie christliche Krankenhausträger und -verbünde auch bis 2020 werteorientiert, innovativ und wettbewerbsstark aufgestellt sein müssen. Zentrale Botschaft der Studie: Um die Gesundheitsversorgung künftig sicher zu stellen, braucht es starke V   erbünde, verbindliche Kooperationen und eine gestärkte Investitionskraft. Von Norbert Groß, Verbandsdirektor DEKV

„Im V   erbund stärker“ formuliert die neue Prognos-Studie zur Krankenhauslandschaft 2020 – die anlässlich der ersten CKiD-Jahrestagung im September der Öffentlichkeit präsentiert wurde – schon im Untertitel. Damit benennen die Basler Prognostiker den aus ihrer Sicht wichtigsten Faktor, um angesichts anhaltender systematischer Unterfinanzierung der Kliniken und ihrer Leistungen sowie weiter steigenden Einspardrucks im  Wettbewerb nicht auf der Strecke zu bleiben. Die christlichen Krankenhäuser müssen verstärkt zusammengehen und Konzernstrukturen bilden. W   eniger verbindliche Kooperationen reichen letztlich nicht aus. Nur auf Basis einer ausreichenden unternehmerischen Größe und der damit korrespondierenden Kapitalausstattung wird es künftig gelingen, die Kosten zu begrenzen und angemessene Überschüsse zu erwirtschaften, um die erforderlichen – selbst zu finanzierenden – Investitionen zu stemmen. Man mag das bedauern und für viele selbständige Träger und christliche Krankenhäuser plädieren. Die ökonomischen Rahmenbedingungen aber zwingen zum Zusammenschluss und zur V   erbundbildung. Dass es so kommen würde, deutete sich schon lange an. W   eitsichtig hat der V   orstand des DEKV bereits seit der „Gesundheitsreform 2000“ die Bildung von V   erbundstrukturen als für die  Wettbewerbsfähigkeit der evangelischen Kliniken entscheidende Strategie propagiert und gefördert. Heute gehören bereits über 70 % der evangelischen Krankenhäuser V   erbünden an. Die Entwicklung seit Einführung des DRG-Systems, vor allem in den letzten beiden Jahren, hat den Handlungsdruck in dieser Hinsicht noch einmal kräftig erhöht. Nicht nur einzelne Kliniken, sondern auch bereits bestehende V   erbünde fusionieren zu noch größeren Einheiten. So wurde etwa im  August der Zusammenschluss von zwei der größten evangelischen Klinikunternehmen, der  Agaplesion gAG und der ProDiako gGmbH, bekannt gegeben. Vergleichbare Entwicklungen vollziehen sich im Übrigen in allen Trägerbereichen. Die CURACON Unternehmensberatung kommt 8

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Anlässlich der in  Auftrag gegebenen Prognos-Studie wurden Fachgespräche mit 121 Geschäftsführer/-innen christlicher Krankenhäuser geführt. Durch die Studie konnten wichtige Grundlagen für die weitere Arbeit der CKiD gewonnen werden. Die Studie kann gegen eine Schutzgebühr von 2,50 €/ Exemplar in der DEKV Geschäftsstelle bestellt werden!


politik

Foto: Georg Stamelos

deshalb in einem Fachbeitrag im September zu der Einschätzung, dass in absehbarer Zeit 80-90 % der deutschen Krankenhäuser gesellschaftsrechtlich in V   erbundstrukturen integriert sein werden. Der entscheidende V   orteil eines V   erbundes bzw. Konzerns, wenn er denn auf wirtschaftlich solider Basis steht, ist seine gegenüber einer einzelnen Einrichtung deutlich höhere Kapitalausstattung und Investitionsfähigkeit.  Auf diese kommt es umso mehr an, je weiter die Investitionsförderung durch die öffentliche Hand abnimmt oder nicht zeitgerecht zur Verfügung steht.  Wenn der Einsatz von Eigenkapital und die Bereitstellung von Fremdkapital durch Banken immer wichtiger werden, werden allein stehende oder kleinere Einrichtungen und Träger schnell an ihre Grenzen stoßen und im Wettbewerb das Nachsehen haben. Kapitalausstattung und Investitionsfähigkeit markieren aktuell aber Schwachpunkte der kirchlichen Krankenhäuser, stellt die Prognos-Studie fest.  Auch deshalb das starke Plädoyer mit geeigneten Partnern zusammen zu gehen. Dabei gilt es, den richtigen Zeitpunkt nicht zu versäumen. Christa Garvert, Geschäftsführerin der katholischen Marienhaus GmbH, und Bernd W   eber, langjähriger V   orstandsvorsitzender der  Agaplesion gAG, machten anlässlich der CKiD-Jahrestagung deutlich, dass wirtschaftlich angeschlagene Einrichtungen nicht darauf vertrauen können, ggfs. von einem V   erbund aufgenommen und gerettet zu werden. Insofern ist der richtige Zeitpunkt, einem V   erbund beizutreten bzw. einen Verbund zu bilden, dann gegeben, wenn eine Klinik noch gut dasteht. Die regionalen Gegebenheiten werden die Bildung rein evangelischer V   erbünde nicht überall zulassen. Dann müssen auch ökumenische oder andere V   erbundstrukturen in gemischter Trägerschaft gestaltet werden. Entsprechende Erfahrungen und Modelle gibt es bereits, wie eine gute Zusammenarbeit evangelischer und katholischer Krankenhäuser auf regionaler und lokaler Ebene funktionieren kann: So haben sich zu Beginn des Jahres in Brandenburg zehn katholische und evangelische Krankenhäuser zum Verbund christlicher Kliniken in Brandenburg zusammengeschlossen. Mit dem „Klinikum Mittelmosel“ ist ein neues V   erbundkrankenhaus aus einem evangelischen und katholischen Träger hervorgegangen. Ökumenische Kooperationen zeigen sich auch auf der fachlichen Ebene. Bereits seit 2005 arbeitet z. B. das Flensburger Diakonissenkrankenhaus mit seinem katholischen Nachbarn, dem St. FranziskusHospital, vor Ort eng zusammen. In allen Fällen werden die jeweiligen Spezialisierungen in die Behandlungskette einbezogen. Die Konzentrationsprozesse am Klinikmarkt schreiten fort. Das Management ist eines der großen Zukunftsthemen im Hinblick auf Solidität und  Wettbewerbsstärke. Die große Mehrheit der in der Studie befragten Geschäftsführungen will mit ihren Häusern im Markt wachsen. Hier wird auf flexibles und zügiges Handeln gesetzt, um Effizienzsteigerungen und Einsparpotentiale zu realisieren. Trotzdem, der Schritt aus der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit in eine V   erbund- bzw. Konzernstruktur stellt eine große Herausforderung dar. Noch anspruchsvoller und schwieriger aber ist die Integration der unterschiedlichen gewachsenen Kulturen und das Finden und Gestalten einer neuen gemeinsamen Identität. Diese soll weiterhin erkennbar christlich sein und bedarf deshalb geeigneter Träger-,  Aufsichts- und Führungsstrukturen, aus denen sie sich beständig erneuert und weiter entwickelt. Das zu gewährleisten beschreibt auch in Zukunft eine fundamentale Herausforderung für Träger und Management christlicher Krankenhäuser. 

Kolumne Dr. Uwe K. Preusker, Chefredakteur des Branchendienstes „Klinik Markt inside“.

Kassen-Reichtum – Klinik-Armut Verrückte W   elt:  Während die GKV-Kassen und der Gesundheitsfonds zum Jahresende 2012 nach den jüngsten Ergebnissen des GKV-Schätzerkreises voraussichtlich Überschüsse von knapp unter 30 Milliarden Euro angesammelt haben werden, rutschen immer mehr Krankenhäuser ins Defizit. Landauf, landab mehren sich die Meldungen, dass Kliniken trotz aller Sparbemühungen und Rationalisierungen mit den dramatisch geringen Preiszuwächsen nicht auskommen, während gleichzeitig Preis und Tarifsteigerungen zu massiven und faktisch nicht mehr abweisbaren Mehrkosten führen. Gleichzeitig meldet die Techniker Krankenkasse, dass sie allein für Beitragsrückserstattungen in diesem Jahr eine halbe Milliarde Euro aufwenden will. Und TK ebenso wie KKH  Allianz haben zusätzlich angekündigt, ihren V   ersicherten, die sich gesundheitsbewusst verhalten, die Praxisgebühr zurückerstatten. Da kommt der V   orstoß aus Bayern gerade recht: Im Bundesrat hat Bayern einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem sowohl der  Ausgleich der Tarifsteigerungen als auch die Ungerechtigkeit, dass Mehrleistungen einzelner Kliniken die Landesbasisfallwerte für alle Kliniken sinken lassen, beseitigt werden soll. Im Bundesrat fand der bayrische  Antrag partei- und länderübergreifend eine breite Mehrheit – gibt es also Hoffnung auf finanzielle Erleichterung? Der Fehler, der zur Zeit Krankenhäuser – von der kleinen Kreisklinik bis hin zu vielen Universitätsklinika – in die V   erlustzone drückt, ist ein doppelter, der auch durch den neuen Orientierungswert in keiner  Weise ausgeglichen wird: Preisund Tarifsteigerungen werden im Orientierungswert erst mit zeitlicher V   erzögerung berücksichtigt, während die steigenden Kosten sofort durchschlagen. Und wenn es dann deutliche Preiserhöhungs-Spielräume bei den Landesbasisfallwerten geben könnte, werden diese politisch weggekürzt – siehe die Kürzung der Grundlohnrate, die zum Großteil für die gegenwärtigen Probleme der Kliniken verantwortlich sind.  Wenn man jetzt korrigiert, dann bitte dauerhaft und richtig statt einmalig als W   ahlgeschenk! 

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CKiD Initiative

Hat KrankenhausÖkumene Zukunft? Die Konzentrationsprozesse bringen es mit sich, dass Krankenhäuser Partner in V   erbünden suchen. Die  Anforderung an die Finanzstärke ist die eine, das Gebot, das christliche Profil in kirchlichen Trägerschaften zu erhalten, die andere Herausforderung. Ein Kommentar von Manfred Witkowski, Vorsitzender des DEKV

Klinik Markt inside Der umfassende Newsletter mit den Top-Informationen zum Krankenhausmarkt Die rechtlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für die Kliniken ändern sich in rasanter Geschwindigkeit. Aktuelles und zuverlässiges Wissen um die aktuellen Entwicklungen ist deshalb jetzt mehr denn je ein Muss. Klinik Markt inside berichtet alle zwei Wochen über die wichtigsten Trends und Ereignisse auf dem Krankenhausmarkt! Klinik Markt inside berichtet über erfolgreiche, neue Ideen und Projekte aus den Kliniken und ihrem Umfeld - mit Hintergründen, Einschätzungen und Bewertungen! Klinik Markt inside informiert seine Abonnenten zusätzlich per Email – dann, wenn etwas Wichtiges passiert. Jetzt kostenlose Probeausgabe anfordern oder ein Schnupperabo bestellen für € 99,www.klinikmarktinside.de

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Die  Weiterentwicklung und  Ausgestaltung der Ökumene auf Kirchenebene ist ein langwieriges Unterfangen. Bei den kirchlichen Krankenhäusern, zumal auf Ebene ihrer Verbände, kommt sie jedoch gut voran. Die erste Jahrestagung der Christlichen Krankenhäuser in Deutschland (CKiD) am 25./26. September in Berlin kann mit Fug und Recht als ein ökumenischer Meilenstein angesehen werden.  Alle Teilnehmenden bestätigten: Die evangelischen und katholischen Krankenhäuser in Deutschland stehen vor gleichen Herausforderungen – und sie können sie am besten gemeinsam bewältigen. Dass das für die politische Interessenvertretung gilt, ist längst erkannt und wird mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt. Wir werden als Trägergruppe mit deutlich erkennbarem Profil und gemeinsamen Interessen als wesentlicher Akteur und verlässlicher Partner im Gesundheitswesen wahrgenommen. Die von DEKV und KKVD gemeinsam in Auftrag gegebene und auf der Jahrestagung vorgestellte Prognos-Studie zu den künftigen Herausforderungen für kirchliche Krankenhäuser sieht deren Zukunft vor allem in V   erbund- und Konzernbildungen. Und dies in einem größeren  Ausmaß als bisher geschehen. Dabei werden zunehmend konfessionsübergreifende, eben ökumenische Kooperationen, für erforderlich und sinnvoll gehalten. Tatsächlich gibt es bereits seit längerem eindrucksvolle Beispiele von verbindlichen Kooperationsstrukturen, in denen die Partner ihr Leistungsspektrum aufeinander abstimmen oder gar gesellschaftsrechtliche Verflechtungen eingehen. Nicht selten sind es die Planungsbehörden, die die Zusammenarbeit bis hin zum

Zusammenschluss evangelischer und katholischer Kliniken anregen oder auch fordern, etwa in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein oder Thüringen.Vermehrt gehen die V   erantwortlichen vor Ort auch ohne  Anstoß von außen aufeinander zu – mit dem Ziel, gemeinsam den Versorgungsauftrag in der Region wahrzunehmen. Die politisch betriebene Konsolidierung und Konzentration im Krankenhausbereich bringt es mit sich, dass an Orten, an denen bisher ein katholisches und ein evangelisches Krankenhaus nebeneinander auskömmlich arbeiten konnten, künftig der V   ersorgungsauftrag nur noch abgestimmt erfüllt werden kann oder gar nur eine Klinik die V   ersorgung übernimmt. Um der Menschen W   illen – sowohl der Patientinnen und Patienten als auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – ist Kirchturmsdenken hier fehl am Platz. Es muss um die beste Lösung für alle Beteiligten gehen. Dabei sollte es auch möglich sein, dass in einem „ökumenischen“ Klinikum beide Traditionen weiterleben können. Kirchenrechtliche V   orgaben mögen solchen sinnvollen Lösungen stellenweise noch entgegenstehen. Den kirchlichen Krankenhäusern wird jedoch ein V   erdrängungswettbewerb aufgenötigt, der ihrem Wesen und ihrem Auftrag zutiefst fremd ist.  Wir brauchen faire Rahmenbedingungen, damit evangelische, katholische und ökumenische Kliniken ihre Position stärken können; zu steigender V   ersorgungsqualität, zu mehr Patienten- und Mitarbeiterorientierung, zu überzeugender Integration von Ethik und Ökonomie und zu einer deutlichen Profilierung als christliche Krankenhäuser. 


Foto: Ingo Jakschies

Regional- und Großbanken Schwierigkeiten bereiten. Banken sind gehalten, abhängig von ihrer Eigenkapitalsituation und der Kreditstrategie sogenannte „Klumpenrisiken“ im eigenen Kreditportfolio zu verhindern.  Auch in der Vermeidung übermäßiger Eigenkapitalbeanspruchungen der Banken – Stichwort Basel III – oder dem Erreichen der bankaufsichtlich gesetzten Einzelkreditgrenze für Kreditnehmer der Bank können Gründe liegen, dass Banken Kredite im mehrstelligen Millionenbereich nicht bereitstellen.

Kirchliche Krankenhäuser

Finanzieller Spielraum 125 Millionen Euro – so hoch ist der Investitionsbedarf der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf in den kommenden sechs Jahren.  Allein in ihrem Florence-Nightingale-Krankenhaus, nach dem Universitätsklinikum das zweitgrößte Krankenhaus der Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen, investiert das diakonische Dienstleistungsunternehmen rund 80 Millionen Euro in bauliche Maßnahmen. Mit dem Ziel, das Angebot zukunftssicher und innovativ zu erhalten. Die Finanzierung einer solchen Investition ist kein Selbstläufer.. Von Hans Wennemers, Direktor Diakonie Rheinland, Bank für Kirche und Diakonie – KD-Bank

Viele Häuser, stehen wie die Kaiserswerther Diakonie vor einem wachsenden Investitionsbedarf, um W   ettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit langfristig sicherzustellen. Die Erkenntnis, dass das Krankenhaus mit seiner traditionell stationären  Aufgabenstellung sich zukünftig zu einer Immobilie wandelt, in der stationäre, teilstationäre, ambulante, pflegerische und rehabilitative Leistungen durch gesundheitsnahe  Angebote ergänzt werden, fordert den Krankenhausgeschäftsleitungen viel ab. Sie müssen vorausschauend, systemisch und prozessorientiert agieren und sich zunehmend auch am Kreditmarkt etablieren. Die W   irtschaftlichkeit des Krankenhauses ist V   oraussetzung. Hier haben die kirchlichen Häuser bereits in der V   ergangenheit begonnen, Abläufe zu optimieren und kostengünstig zu arbeiten. Dass auch gemeinnützige Häuser eine angemessene Rendite erwirtschaften müssen, um zukunftsfähig zu bleiben, stellt heute niemand mehr in Frage. So können sie im Wettbewerb mit privaten Betreibern – bei

weiter rückläufigen Marktanteilen der öffentlich-rechtlichen Häuser – ein spürbares Gegengewicht schaffen und sich im Umfeld „abwachsender“ Gesamtkapazitäten positionieren. Kirchliche Krankenhäuser bieten einen qualitativ ethischen Mehrwert für Gesundheitsversorgung und genießen in der öffentlichen W   ahrnehmung ein hohes Vertrauen. Die aktuelle Prognos-Studie belegt unsere Erfahrung. Wer finanziert? Es ist die ureigenste  Aufgabe der Kirchenbanken, passende Finanzierungsbausteine anzubieten, um ein dauerhaft tragfähiges Ganzes zu formen und im Dialog mit dem Kunden an einer gesicherten Zukunft der Krankenhäuser zu arbeiten.   Als Spezialbanken verbinden die kirchlichen Kreditgenossenschaften die Kenntnisse in diesem besonderen Markt mit dem W   issen und den Erfahrungen aus dem Finanzwesen. Doch auch bei guten betriebswirtschaftlichen Zahlen kann die Finanzierung hoher Investitionssummen bei

Meta statt Mikro Metakredite können hier eine Lösung sein. Dies bedeutet, dass mehrere Banken sich zu einem Konsortium zusammenschließen und gemeinsam die Finanzierung und das Risiko stemmen. Für Krankenhäuser bietet es V   orteile, wenn Banken mit den erforderlichen Branchenkenntnissen den Metakredit organisieren. Insbesondere, wenn es um die Einbindung von Fördermitteln und Sonderkreditprogrammen geht, ist die Erfahrung der Bank für Kirche und Diakonie wertvoll. In Düsseldorf ist der erste Spatenstich bereits Geschichte. Hans-Georg Lauer,  Finanzvorstand der Kaiserswerther Diakonie freute sich: „Wir sind sehr glücklich über diesen Konsortialkreditvertrag, den wir gemeinsam mit den Banken sorgfältig ausgearbeitet haben und im Frühjahr 2012 zur Unterschrift bringen konnten.“ Das diakonische Dienstleistungsunternehmen hat einen Metakredit mit der Bank für Kirche und Diakonie als Konsortialführer und der örtlichen Sparkasse sowie weiteren Partnern abgeschlossen und so ihr Finanzierungspaket für das Florence-Nightingale-Krankenhaus von 68 Millionen Euro geschnürt. 

Bank für Kirche und Diakonie In den 1920er-Jahren haben Menschen in Kirche und Diakonie die genossenschaftliche Idee für sich genutzt. Solidarität,  Partnerschaftlichkeit und Hilfe zur Selbsthilfe sind bis heute die maßgeblichen W   erte der Bank für Kirche und Diakonie. Sie bietet Lösungen in allen Finanzfragen:   Vom professionellen Zahlungsverkehr über nachhaltige Geldanlagen bis hin zu komplexen Finanzierungen. Rund 100 Krankenhäuser und Verbünde zählen zum Kundenkreis. Weitere Informationen: www.KD-Bank.de

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Pfarrer Christoph Radbruch im Gespräch

Führungskompetenz

Grenzen anerkennen macht gelassener! Für Christoph Radbruch liegen die aktuellen Herausforderungen diakonischer Träger und Einrichtungen sowohl in einer christlich geleiteten Unternehmensstrategie als auch im Dialog auf  Augenhöhe zwischen den verschiedenen Berufsgruppen im Krankenhaus. Im Interview am Rande der 1. CKiD Jahrestagung spricht sich der V   orstandsvorsitzende der Pfeifferschen Stiftungen u. a. für Spartentarife aus. Interview: Georg Stamelos

Wie gelingt es Ihnen, Mitarbeitende glaubwürdig von wichtigen, vielleicht nicht immer einfachen, Unternehmensprozessen zu überzeugen? Gegenüber den Mitarbeitenden vertrete ich den Grundsatz: Sie können sich darauf verlassen, dass ich die  Wahrheit sage und meine W   ertschätzung von Mitarbeitenden spiegelt sich auch darin, dass ich sie ernst nehme und sie mit der Realität konfrontiere.  Wenn man zugesteht, dass die Mitarbeitenden auch eine eigene Sicht der Realität haben, kommt man eigentlich gut in einen Dialog

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den Dienst und die Einrichtung betonen. Die Beteiligung der Mitarbeitenden an der Entwicklung des W   erkes ist auch für das W   erk gut, wenn sie ihre Ideen einbringen können. Dienstgemeinschaft bedeutet vor allem, die Mitarbeitenden in die Gestaltung der  Arbeitsbedingungen einzubeziehen. Es ist sehr wichtig,  auf sie zu hören und ihre W   ünsche zu berücksichtigen.

Wie verhält es sich mit dem Dialog der Berufsgruppen untereinander? Die Frage nach dem Dialog der Berufsgruppen ist komplexer. Hier spielen nicht selten traditionell geprägte V   erhaltensweisen eine Rolle und der nötige Dialog kann nur auf V   erhaltensänderungen folgen, die nicht so leicht zu organisieren sind. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess. Ich bin gespannt, ob sich durch die Tatsache etwas ändern wird, dass Medizin zurzeit weiblicher wird. Es ist eine konstante Herausforderung, dass der Dialog auf  Augenhöhe zwischen Pflege und Ärzten eingeübt wird.

Sind vor diesem pragmatischen Hintergrund Glaubenskurse noch zeitgemäß? Ich störe mich immer an dem  Wort Glaubenskurse. Denn Glauben ist unverfügbar. Glauben kann ich auch nicht beibringen. Der Heilige Geist weht wo er will und nicht wo ich das organisiere. Ich bin aber der Meinung, dass Mitarbeitende eines evangelischen Krankenhauses dessen Grundhaltung und Philosophie verstehen müssen. Deshalb muss es Bildungsmaßnahmen geben, mit deren Hilfe sie nachvollziehen können, warum ein Haus ein bestimmtes Menschenbild hat und wie es dieses Menschenbild in der Praxis umsetzt. Es ist unabdingbar zu begreifen, welche Verhaltensweisen wir wünschen, damit dieses Menschenbild auch von den Patienten erlebt werden kann. Das fängt mit Freundlichkeit an und hört mit Namennennung nicht auf.

Wie kann ein neues Verständnis von Dienstgemeinschaft gelebt werden? Es wäre schon eine Hilfe, wenn wir den Begriff Dienstgemeinschaft von der Frage entkoppeln, wie die Entlohnung festgelegt wird. W   ir können sie auch denken und leben, indem wir die gemeinsame V   erantwortung für

Zunehmende Kooperationen und Übernahmen im evangelischen Bereich – Wie beurteilen Sie das Postulat der Prognos Studie „In Verbünden stärker“? Ich persönlich glaube, dass Verbünde eine Lösung auf die gegenwärtigen Herausforderungen sein können. Man muss aber die jeweilige Situation

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Interview

Foto: Georg Stamelos

vor Ort genau analysieren und zuerst die strategischen Fragen beantworten und entscheiden. Der V   erbund befreit mich nicht von dieser Aufgabe. Die Entscheidungen über die Strategie und auch über mögliche Fusionen von Krankenhäusern müssen aber in den Kuratorien getroffen werden, die Geschäftsführungen können das nur vorbereiten und begleiten. V   on V   erbandseite müssen wir deswegen versuchen, mit den meist ehrenamtlichen Kuratorien über diese drängenden Fragen ins Gespräch zu kommen. Zentraler Punkt für die Zukunftssicherheit der Krankenhäuser werden (alternative) Investitionsfinanzierungen sein. Welche innovativen Möglichkeiten sehen Sie? Ich wehre mich dagegen, auch in der Öffentlichkeit zu schnell auf alternative Finanzierungsmöglichkeiten abzuheben. Das setzt nämlich wieder voraus, dass wir das Paradigma der Privaten anerkennen, Krankenhäuser seien vermehrt über Privatkapital zu finanzieren. Die kirchlichen Krankenhäuser sollten sich dem nicht zu schnell unterwerfen, sondern eher auf die öffentliche Finanzierung und die Investition durch öffentliche Mittel beharren. Neben all den Lösungen die uns die Banken vorstellen, könnte man aber vielleicht aus der Geschichte der Diakonie die Idee der Sozialanleihe bzw. Sozialaktie wieder beleben. Mit der CKiD-Initiative versuchen die christlichen Krankenhäuser in Deutschland ihre Kräfte zu bündeln. Welche Perspektiven bietet die Ökumene? Ich finde diese Initiative äußerst hilfreich, weil sie die Interessen der beiden Konfessionen im Krankenhauswesen nach außen bündelt. In der breiten Bevölkerung ist der Unterschied zwischen evangelischem und katholischem Krankenhaus fast nicht mehr nachvollziehbar. Ich warne aber vor der Illusion, dass so eine Initiative die bestehenden Unterschiede von evangelischen und katholischen Institutionen überspringen kann. Sie wird nicht verhindern, dass die Institutionen der ev. und kath. Kirche in Deutschland eigene Interessen haben, die auf Trägerebene durchaus eine Rolle spielen. Nun stellt die Studie auch die Attraktivität evangelischer Krankenhäuser als Arbeitgeber heraus. Welche Faktoren spielen hier eine Rolle? Vor etwa drei W   ochen habe ich mit einer Medizinstudentin gesprochen, die bei uns Famu-

latur gemacht hat. Bevor sie zu uns kam, wollte sie eigentlich aufhören, weil das Klima und der raue Umgangston ihr den Beruf verleidet hatten. ‚Ich lass mich doch nicht anbrüllen‘, war das Zitat. Ebenso war sie von den unverlässlichen  Arbeitszeiten enttäuscht und wollte sich nach Studienabschluss neu orientieren. Nach 14 Tagen bei Pfeiffers konnte sie sich wieder vorstellen Ärztin zu sein. Das hat sie festgemacht am pünktlichen Feierabend, dem freundlichen Umgangston und der Bereitschaft, Fragen zu beantworten. Eigentlich ganz selbstverständliche Dinge. Und natürlich müssen auch die Löhne stimmen. Attraktive Vergütung im Krankenhaus – Welche notwendigen Weichen müssen heute in der AVR gestellt werden? Ich warne davor, das Profil eines evangelischen Krankenhauses an der arbeitsvertraglichen Gestaltung festzumachen. Hier ist eher gefragt, welche Leistung es bringt und wie Spiritualität gelebt wird. Vor allem aber brauchen wir Arbeitsrechtsregelungen, die nach Sparten und Regionen differenziert sind.  Aus meiner Sicht müsste der Mantel bundesweit gelten und die Entlohnung nach Region und  Arbeitsfeld differenziert betrachtet werden. Das könnte sogar so weit gehen, das Lohnsystem bis auf die Einrichtungen runter zu brechen. Wie müssen junge Nachwuchskräfte ausgestattet sein, um die Vision Diakonischer Einrichtungen zu tragen? Idealerweise würde ich mir wünschen, dass eine Nachwuchsführungskraft natürlich ihre jeweilige Fachkompetenz mitbringt, aber auch ein Grundverständnis für ökonomische Zusammenhänge und diakonisch-theologische Fragestellungen hat. Eigentlich müssten alle Professionen im Krankenhaus die Fähigkeit haben diese Dimension bei Entscheidungen qualifiziert mit zu reflektieren. Welche Rolle will der DEKV im neu formierten „Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V.“ einnehmen? Eine aktive: Die Gremien des Diakonischen Werkes Deutschland haben sich in den letzten Jahren im Rahmen der Fusion sehr viel mit sich selbst beschäftigt. Meine Hoffnung ist, dass die Blaue Diakonie und die Entwicklungshilfe nach der Fusion zusammenwachsen. Dabei müssen wir deutlich machen, dass wir als unternehmerische Diakonie „Kirche in der sozialen Marktwirtschaft“ sind. Das be-

deutet andere Herausforderungen, als wenn ich steuerfinanzierte  Arbeit mache. An welcher Leitidee orientieren Sie Ihre verantwortungsvolle Aufgabe als Führungskraft? In meiner Arbeit erlebe ich tagtäglich Grenzen und das Akzeptieren von Grenzen kann uns eine gewisse Gelassenheit verleihen, auch im Umgang miteinander. Für mich ist die  Anerkennung der Tatsache, dass wir Menschen begrenzt sind, eigentlich der diakonische Wert. Mich fasziniert am Christentum, dass es eine Religion ist, die mit Grenzen offen und offensiv umgeht. Sie lebt davon, nicht nur zu fragen, wie es ist, wenn es gut ist, sondern wie ist es, wenn ich meine Grenzen erreiche. Was bedeutet für Sie Transparenz und Authentizität? Das Grundprinzip hat etwas zu tun mit der Ebenbildlichkeit Gottes des Menschen. Jeder Mensch ist gleich wert und wir müssen uns auf Augenhöhe begegnen. In Magdeburg läuft gerade eine Kampagne „Magdeburg als Stadt der Familie“. Ein Ehepaar berichtete dort, wie familienfreundlich Pfeiffers ist. Hier haben sie sich kennengelernt und die  Arbeitszeiten sind so organisiert, dass beide ihre Kinder gut erziehen können. W   ir sind darauf angewiesen, dass die Menschen so über uns erzählen. Glaubhaft ist das nur, wenn sie dies ehrlich tun.   

Zur Person und Stiftung Pfarrer Christoph Radbruch ist seit 2006 Vorsteher und Vorstandsvorsitzender der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg, einer traditionsreichen diakonischen Komplexeinrichtung mit ambulanten und stationären  Angeboten zu denen u.a. zwei Krankenhäuser gehören. W   ährend seiner Berufstätigkeit als Superintendent des Kirchenkreises Duisburg-Süd war er Mitglied der  Aufsichtsräte mehrerer großer diakonischer Einrichtungen im Rheinland. Seit 2009 ist er Mitglied des DEKVVorstandes und mit den  Aufgaben des Schatzmeisters (2011) sowie der Leitung des DEKV-Fachausschusses für Theologie und Ethik betraut. Er vertritt den V   erband sowohl in der Konferenz für Diakonie und Entwicklung der EKD als auch in der Fachverbandskonferenz des Diakonischen Werkes der EKD.

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Fotos: Georg Stamelos

1. Netzwerktreffen PR/ÖR

Gemeinsam kommunizieren – Kulturarbeit christlicher Krankenhäuser Auf dem Netzwerktreffen Öffentlichkeitsarbeit diskutierten Kommunikationsprofis evangelischer und katholischer Einrichtungen anlässlich der ersten CKiD-Jahrestagung über das  WIE christlicher Kommunikation. Künftig wollen Christliche Krankenhäuser in Deutschland ihre  Aktivitäten unter dem Signet (CKiD) ausbauen, um auch politisch stärker Einfluss zu nehmen.  Was liegt näher, neben katholischen und evangelischen Klinikmanagern auch die  Akteure der neuralgischen Stabsstellen für Kommunikation zu einem ersten Netzwerktreffen Öffentlichkeitsarbeit zu versammeln? Ziel war es, Erfahrungen auszutauschen, gemeinsame Themen zu verorten und die Zusammenarbeit in der Region anzuregen. Bevor die PR-Profis selbst loslegten, gab Thorsten Alsleben, ehemaliger ZDF-Hauptstadtkorrespondent und jetzt Hauptstadt-Repräsentant der Unternehmens- und Personalberatung Kienbaum, eine Sicht auf die mediale Außenwahrnehmung christlicher Krankenhäuser. Die Medien stehen christlichen Verbänden und Einrichtungen besonders kritisch gegenüber, lautete eine seiner Thesen. Das forderte heraus  Antworten zu finden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Netzwerktreffens erarbeiteten innerhalb eines mehrstufigen  Werkstatt-Konzeptes zentrale Themenfelder wie zur Profilfrage, zu den Herausforderungen an PR-Arbeit, Perspektiven der CKiD und zum Krisenmanagement. Es kristallisierte sich heraus, dass besonders die V   ermittlung christlicher W   er14

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te als  Alleinstellungsmerkmal von Krankenhäusern schwierig zu fassen ist. Der Mehrwert Christlicher Identität eines Krankenhauses oder Trägerverbundes gegen- über privaten oder kommunalen Einrichtungen ließ sich in  Abgrenzung schwer definieren. Die Mitglieder der  Arbeitsgruppe arbeiteten jedoch wichtige Eckpunkte heraus, die eine christliche Profilierung konfessioneller Krankenhäuser stärken. Eine wichtige Erkenntnis: Die  Anforderungen in Ost und West unterscheiden sich. Dies muss bei Identitätsklärung und Profilbildung unbedingt berücksichtigt werden. Zudem gilt es bei der  Arbeit nach innen, das Leitbild lebendig umzusetzen und eine werteorientierte Führung zu intensivieren. Nur so können Glaubwürdigkeit und  Authentizität erzielt werden. Dazu gehört die klare und transparente  Ansprache und Darstellung der Prozesse für Patienten und Kooperationspartner. Christliche Krankenhäuser müssen quasi „Kulturarbeit“ leisten, formulierten einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Dazu bedarf es auch der theologischen Expertise. Diese hinzuzuziehen, war eine Empfehlung für ein nächstes Netzwerktreffen. Hartmut Hagmann, Geschäftsführer St. Josef-Krankenhaus Potsdam-Sansscouci, und Dr. Gerrit Popkes, Leiter Unternehmens-

kommunikation Immanuel Diakonie, zeigten mit der V   orstellung der strategischen PRund Marketingarbeit für den ökumenischen Verbund Christlicher Kliniken Brandenburg auf, welcher Schritte ein Identität stiftendes Konzept bedarf und wie es eine  Außenwirkung erzielen kann.  Wesentliches Merkmal des Erfolges stellen neben den strategischen Tools die vertrauensbildenden Maßnahmen und konkurrenzfreie  Aktionsräume dar. Darüber hinaus zeigte das erste Netzwerktreffen Öffentlichkeitsarbeit auf, wie die Krankenhausverbände die  Arbeit vor Ort unterstützen können. Neben der politischen Lobbyarbeit sind der  Wissenstransfer und die Bereitstellung eines Expertenpools zu ethischen wie fachlichen Fragestellungen wichtige Parameter. Die Kampagnenwebsite könne ebenso  Anregungen in Fragen christlicher Identität liefern.  An der Basis möchte man die Kommunikation in den Regionen verbessern und die mediale Arbeit auf der Bundesebene mit Praxiswissen und Best Practice unterstützen. Die politische und fachöffentliche  Aufmerksamkeit auf die CKiD kann dadurch insgesamt verbessert werden – davon waren alle überzeugt. (GS)

Webbasiertes Wissen im Netzwerk CKiD Unter dem Signet Christliche Krankenhäuser in Deutschland (CKiD) verstärken die beiden kirchlichen Krankenhausverbände, DEKV und KKVD, ihre gemeinsamen  Aktivitäten. Über die neue Website www.christliche-krankenhaeuser.de und die professionelle Pressearbeit sollen die Christlichen Krankenhäuser gegenüber Fachöffentlichkeit und Politik eine deutlichere Präsenz erhalten. Die Informationen sind auch über das Smartphone mit einer mobilen V   ersion der Website einfach von unterwegs abzurufen. Einen regelmäßiger  Austausch zwischen den Netzwerkmitgliedern sowie mediale  Anfragen laufen über das CKiD-Mailingtool. Dem Netzwerk gehören bereits die Teilnehmenden des ersten Treffens an. Ein zweites Netzwerktreffen ist für 2013 geplant. Bei Interesse am Netzwerk bitten wir um persönliche Kontaktaufnahme (joeres@dekv.de).


Meldungen

Foto: Ingo Jakschies

Das Manifest der Nachwuchskräfte – wie der Pflegeberuf an  Attraktivität gewinnt – kann als Poster bestellt werden!

In die Ausbildung investieren

Pflege hat Zukunft! Der 3. DEKV Kongress „zukunft: pflegen + begleiten“ öffnete wieder die Pforten für über 1.000 SchülerInnen und Studierende in Berlin-Mitte.  Auf dem Kongress formulierten die Nachwuchskräfte in Pflege und  Assistenz deutlich ihre Vorstellungen von attraktiven Berufsbildern. Ein Kongress ist nicht nur ein Event – Für die Nachwuchskräfte war er eine dreitägige Party, auf der intensiv diskutiert und gelacht, gefeiert und getanzt wurde,Themen erarbeitet und politische  Aktionen gestartet wurden. Das

Ergebnis lässt sich sehen. V   oller Energie und mit klarem Blick für die politischen Rahmenbedingungen und ihre  Ausbildungssituation vor Ort erarbeiteten die Teilnehmenden während der Kongresstage in drei Open-Space Foren

ein Manifest, das auf dem  Abschlussplenum unter großem Beifallsjubel vorgestellt wurde. Es formuliert in neun Leitsätzen ihre Forderungen an Politik, V   erbände und Träger. Darin fordern sie, mit bestehenden Tabus zu brechen, mehr Zeit für die professionelle  Ausübung des Berufes, mehr Verantwortung und bessere Aus- wie W   eiterbildungsbedingungen. Gleichzeitig betonen sie die Bedeutung von Vor-Bildern und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe in generationenübergreifenden Teams. Die W   ertigkeit der  Arbeit in den Pflegeberufen muss sich sowohl monetär als auch durch familienfreundliche  Arbeitszeiten niederschlagen. Politisch kristallisiert sich der deutliche Ruf nach einer Pflegekammer heraus. In den Fragerunden drängten die Nachwuchskräfte Experten und Expertinnen aus Politik, Wissenschaft, Medien und Einrichtungen selbstbewusst zu verbindlichen  Antworten und eindeutigen Positionen. Grüße aus Polen und Ungarn, aber auch aus Politik und Kirche, erreichten uns über die Aktion Luftpost für die Pflege. Mit der Berliner Politik haben wir auf dem  Alexanderplatz ein starkes Zeichen für die bessere Pflegeausbildung und berufliche Perspektive in diakonischen Einrichtungen von morgen gesetzt. Die Impulse des Kongresses müssen weiter aufgegriffen und politische wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen für die Pflege verbessert werden. Hierfür setzen wir uns gemeinsam ein, damit immer mehr junge Menschen diesen Beruf ausüben wollen. (SJ)

Buchtipp: Innovative Strategien für das Personalmanagement

Talentmanagement – Modewort oder Herausforderung unserer Zeit? Herausgeber: Alfons Runde, Patrick Da-Cruz, Philipp Schwegel

Ohne Frage werden sowohl die demografische wie auch die Entwicklung der chronischen Erkrankungen in Zukunft für eine steigende Nachfrage nach Gesundheitsleitungen sorgen. Diese bedürfen der  Akquise exzellenten Personals, was im Gesundheitssektor kaum substituierbar ist. Bei einem enger werdenden  Arbeitsmarkt wird es für alle Gesundheitseinrichtungen immer wichtiger, den drohenden Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen. Durch erfolgreiche personalpolitische und -strategische Maßnahmen kann dieses Personal nicht nur gefunden, sondern auch gefördert und langfristig gebunden werden. W   as dabei zu

beachten und praktisch relevant ist, ist Gegenstand des von den  Autoren in diesem Jahr neu vorgelegten Buches. Ohne Schnörkel und gut strukturiert werden praktische Beispiele, fundierte Empirie und Prioritäten präsentiert und aufgestellt.Talentmanagement gehört in die Hände all derjenigen, die sich heute mit den Lösungen der Personalfragen von Morgen im Gesundheitswesen befassen. 

Erschienen bei medhochzwei Verlag, 2012. Softcover, 124 Seiten, € 39,95 (ISBN 978-386216-083-9)

Weitere Informationen zum Buch und das Interview mit Prof. Dr. Patrick Da-Cruz zum Thema finden Sie auf:  www.medhochzwei-verlag.de DEKVthema 06/2012 05/2012

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Ein Unternehmen ist wie ein Orchester – Erfolg hat man nur bei einem guten Zusammenspiel

Die Management- und Unternehmensberatung der Gesundheits- und Sozialwirtschaft

Mit neuer Haltung zu optimalen Prozessen! So gelingen fachbereichsübergreifende Kooperationen und heben die Zusammenarbeit im Krankenhaus auf eine neue Ebene. Wir sprechen Herz und Hirn der Mitwirkenden an – für den Erfolg im kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Zeitfresser: ausgemerzt! Kooperationen: verbessert! Prozesse: optimiert! Zusammenspiel: harmonisiert! Wir laden Sie ein zu Inspiration und Begeisterung.

© Tom Win / pixelio.de

Gestalten mit Leidenschaft – Beraten mit Kompetenz: contec – die Komplementärberater. mehr lesen:

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DEKVthema 06/2012

der gemeinsame Weg zum Ziel Bochum | Berlin | Stuttgart | München

contec.de


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