Friedl Dicker-Brandeis

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Werke aus der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien

Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Linda Schädler (Hrsg.)

6 Grußwort Andrea Mayer 7 Grußwort Teresa Indjein 8 Vorwort Gerald Bast, Eva Maria Stadler 9 Vorwort Linda Schädler 11 Was immer du siehst, könnte auch anders sein Zur Einführung in diesen Band Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer 19 Raum-Schleifen Politische Dimensionen von Schichtung, Verwebung und Verschlingung im Werk von Friedl Dicker-Brandeis im Kontext der europäischen Avantgarden Daniela Stöppel 46 Sitzender und schwebender Akt Noemi Scherrer 50 Liegende, Sitzende, Akte Hamida Sivac 69 Der befreiende Innenraum von Friedl Dicker Mark Wigley 92 Zwei Handtaschen, Ledermuster und Entwurfsgrafik für eine Handtasche Laura Egger-Karlegger 98 Textilien – elf Stoffmuster, Schal und Wandbehang Laura Egger-Karlegger 110 Entwürfe für das Theater Eva Marie Klimpel 118 Ein beidseitig bemalter Karton: Hortensie, Figuren Laura Egger-Karlegger 124 Flirtende Paare Hamida Sivac 128 Sitzende mit Flügeln Hamida Sivac 133 Zwischen den Medien –Erkenntnismethoden erfassen Julie M. Johnson 152 Verhör Hamida Sivac 156 Eine negative und positive Variation derselben Form von einem Kraftfeld gehalten und [von einem] Band überschwebt Hamida Sivac 160 Kompositionen mit abstrakten Figuren Hamida Sivac 164 Genremotive – Landschaften, Stillleben und eine Katze –12 Zeichnungen Laura Egger-Karlegger

Inhalt

177 Kunst im Angesicht des Faschismus Zum Politischen im Werk von Friedl Dicker-Brandeis ca. 1930 bis 1942 Stefanie Kitzberger 200 Fotocollagen Hamida Sivac 212 Fuchs lernt Spanisch Hamida Sivac 216 Dunkle Lithografien Christian Scherrer 225 Durch Kunst wachsen Friedl Dicker-Brandeis und ihre Arbeit mit Kindern im Kontext Bernadette Reinhold 244 Einladungen für den 1. und den 8. Bauhaus-Abend Hamida Sivac 252 Komposition mit Musikinstrumenten Hamida Sivac 258 Sieben Porträts Laura Egger-Karlegger 266 Frau mit Kopftuch Noemi Scherrer 271 Psychologie der Kunst Gestalt und Farbe bei Friedl Dicker-Brandeis Robin Rehm 292 Studien zu Anna Selbdritt Hamida Sivac 298 Eine Komposition mit Spirale und ein roter Dämon Hamida Sivac 303 Strategien der Flexibilisierung in Raumgestaltungen von Friedl Dicker und Franz Singer Zur Einraumwohnung Hans Heller Katharina Hövelmann 333 Werkliste 341 Bibliografie 344 Biografie Friedl Dicker-Brandeis 345 Ausstellungen, Theatervorstellungen, Liederabende, Messen, Vorträge 348 Kurzbiografien 350 Impressum

Mit mehr als 200 Zeichnungen, Skizzen, Aquarellen, Entwürfen für Möbel, Spielzeug, Textilien und Inneneinrichtungen der außergewöhnlichen Künstlerin und Gestalterin Friedl Dicker-Brandeis verfügt Kunstsammlung und Archiv der Angewandten über einen Schatz und mehr noch über ein Zeugnis einer der wichtigsten Phasen des 20. Jahrhunderts, in der nicht weniger zur Disposition stand als die Utopie einer neuen Gesellschaft. Die einschneidenden Veränderungen, die bedingt durch den Ersten Weltkrieg alle Lebensbereiche erfassten, gaben Anlass, die Rolle der Familie, der Geschlechter, die Frage des Wohnens und Arbeitens – kurz, die Gestaltung des Lebens neu zu denken. Friedl Dicker-Brandeis besaß die Einbildungskraft, um die Transformation der Gesellschaft im Politischen wie im Ästhetischen voranzutreiben. Der schreienden Ungerechtigkeit im Sozialen trat sie genauso entschlossen entgegen wie den monströsen Machenschaften des zunehmend faschisierten Bürgertums. Mit schonungslosem Blick dekonstruierte Dicker-Brandeis die eigennützigen Interessen der Nationalsozialisten und begegnete deren propagandistischer Ästhetik, indem sie auf eine humane und soziale Emanzipation setzte, die das Individuum stets im gesellschaftlichen Verband sieht.

Mit einem internationalen Ausstellungsreigen in Warschau, Linz, Zürich und Wien wird Friedl Dicker-Brandeis nun endlich einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt.

Mit der vorliegenden Publikation und der Ausstellung Werkstätten bildender Kunst. Werke von Friedl Dicker-Brandeis in Kunstsammlung und Archiv, die im Herbst 2022 in der Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof und im Frühjahr 2023 in der Graphischen Sammlung ETH Zürich gezeigt wird, ist es gelungen, dem bedeutenden Werk dieser herausragenden Künstlerin neue Aktualität zu verleihen. In einer zunehmend posthumanen und postsozialen Umwelt, die mehr durch Konflikte um das individuelle Leben als um Konflikte um das Soziale gekennzeichnet ist, erscheint es besonders dringlich, der Imagination des Sozialen Raum zu geben.

Es gilt, den Studierenden der Universität für angewandte Kunst Wien genauso wie einem internationalen Publikum das Vertrauen in die Kraft der Kunst, wie es Friedl Dicker-Brandeis behauptete, aber auch die Verantwortung der Kunst der Gesellschaft gegenüber zu vermitteln.

Gerald Bast

Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien Eva Maria Stadler

Vizerektorin und Professorin für Kunst und Wissenstransfer an der Universität für angewandte Kunst Wien

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Vorwort

Für die Schweiz ist es eine Entdeckung: Das Werk von Friedl Dicker-Brandeis (1898–1944) ist dort bislang noch nie in einer Einzelausstellung gewürdigt worden. Zwar gab es 1989/90 eine Wiener Kooperation mit dem Architekturmuseum Basel, doch damals wurde Dicker-Brandeis gemeinsam mit ihrem zeitweiligen Atelierpartner Franz Singer präsentiert und der Fokus auf die Bauhaus-Zeit gelegt. Daher ist die Zusammenarbeit mit Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien eine ideale Gelegenheit, diese wichtige österreichische Künstlerin erstmals umfassend in der Schweiz vorzustellen. Ohne ihre tragischen Lebensumstände völlig auszublenden ist es das Ziel der Ausstellung, die Qualität ihrer Arbeit in verschiedenen Tätigkeitsfeldern in den Vordergrund zu rücken.

Die Graphische Sammlung ETH Zürich besitzt selbst keine Werke der vielseitig Begabten. So ist es eine glückliche Fügung, dass Cosima Rainer, Leiterin von Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien, uns in Bezug auf eine Kooperation kontaktierte. Ihre Institution verfügt über einen einzigartig großen Bestand. Der ausgesprochen guten Zusammenarbeit ist es zu verdanken, dass eine Auswahl der Werke nach Zürich reist, nachdem Dicker-Brandeis im Winter 2022 in der Universitätsgalerie im Heiligenkreuzerhof in Wien gezeigt worden ist. Die Partnerschaft ergibt auch deshalb Sinn, da wir beides Universitätssammlungen mit einer großen Nähe zu Lehre und Forschung sind. Ein Austausch im Rahmen von Seminaren ist daher geplant. Ebenso ist ein Ausstellungstausch vorgesehen. So wie Werke DickerBrandeis’ nach Zürich kommen, gehen mit Lill Tschudi (1911–2004) Arbeiten einer Schweizer Künstlerin nach Wien. Nachdem letztere im Winter 2021/22 eine Einzelausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich hatte, wird ihr vielfältiges Werk in der Universitätsgalerie der Angewandten gezeigt. Auch Tschudi stand bislang eher im Schatten der Kunstgeschichte, obwohl sie mit ihren Linolschnitten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts große Bekanntheit im angelsächsischen Raum erreichte.

Die gelungene Kooperation zeigt, wie wertvoll und gewinnbringend der Austausch zwischen Institutionen ist. Wir danken Cosima Rainer als Hauptprojektleiterin für ihre Offenheit und die konstruktive Zusammenarbeit, Stefanie Kitzberger für die wissenschaftliche Betreuung insbesondere der Publikation, Robert Müller für die Mitkonzeption der Ausstellung sowie Eva Maria Stadler für die Begeisterung, mit ihren Studierenden im Rahmen einer Seminarreise die Graphische Sammlung ETH Zürich zu besuchen. Das Gespräch geht damit über die Ausstellungseröffnung hinaus vielversprechend weiter.

Eingeschlossen in den Dank sind wie immer die Fördergeber*innen eines solch ambitionierten Projekts. Ohne ihre finanzielle Hilfe wäre das Vorhaben nicht realisierbar gewesen. Wir bedanken uns bei der Dr. Georg und Josi Guggenheim Stiftung und dem Omanut Forum für jüdische Kunst und Kultur sowie bei jenen Fördergeber*innen, die anonym bleiben möchten.

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Vorwort

Was immer du siehst, könnte auch anders sein

Zur Einführung in diesen Band

Nicht leicht einzuordnen hieß, in Vergessenheit zu geraten.

Friedl Dicker-Brandeis’ künstlerisches Werk ist vielschichtig, gesellschaftsutopisch und multimedial. Es reicht von Grafiken, Malereien, Bühnenbildern und -kostümen über Gebäude- und Innenraumgestaltungen, modulare und wandelbare Möbel, Textilien, Spielzeuge und politisch agitierende Collagen zu ihrer Arbeit als Kunstvermittlerin und -pädagogin, die sie auch noch nach ihrer Deportation ins Ghetto in Theresienstadt ausübte. Während ihrer kurzen Karriere arbeitete Dicker fortlaufend in unterschiedlichen Kollaborationen und Arbeitsverhältnissen. Ihr daraus hervorgehendes komplexes Werk macht sie zu einer herausragenden Position. Wie viele Künstler*innen ihrer Generation ist sie in der Kunstgeschichte der europäischen Moderne dennoch kaum sichtbar. Diese Vernachlässigung hat in Dicker-Brandeis’ Fall vielfältige Ursachen, darunter geschlechtsspezifisch, klassistisch und antisemitisch bedingte Formen der Marginalisierung. Lange Zeit wurde Dicker primär als Partnerin des Architekten Franz Singer rezipiert. Ihre Verfolgung als Sozialistin ab den 1930-er Jahren und ihre Ermordung als Jüdin durch das nationalsozialistische Regime brachte zudem mit sich, dass zentrale Teile ihres reichhaltigen Werks zerstreut und zerstört wurden oder verloren gingen.

Die Tendenz der Kunstgeschichte, den Kanon zum 20. Jahrhundert entlang der Trennung von Medien und einer vermeintlichen Dichotomie von bildender und angewandter Kunst zu etablieren, hat die Einordnung und Interpretation von DickerBrandeis’ interdisziplinärem Œuvre sicherlich erschwert. Das Interesse an der Überschreitung etablierter Kategorien schlug sich jedoch bereits im Frühwerk der Künstlerin sprachlich und konzeptuell nieder. So formulierten Dicker und Singer mit der

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Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer

Benennung ihrer ersten Firma als Werkstätten Bildender Kunst GmbH ein avantgardistisches Verständnis von bildender Kunst als materielle Arbeit am gesellschaftlichen Ganzen. Dicker-Brandeis, die mit den Mitteln der Kunst auf ihre sich häufig ändernden, zum Teil prekären Lebenssituationen reagierte, war eine höchst widerständige, ästhetisch wie sozial kraftvolle Künstlerin. Ihre starke Persönlichkeit, ihre spezifische künstlerische Sprache und ihre ungewöhnlichen Gestaltungsideen und Formkombinationen, die sie in verschiedensten Bereichen einsetzte, waren sowohl von ihrer vielseitigen Bildung bei Lehrer*innen wie Rosalia Rothansl, Arnold Schönberg, Johannes Itten, Lothar Schreyer oder Paul Klee und an Institutionen wie der Wiener Graphischen Versuchs- und Lehranstalt, der Wiener Kunstgewerbeschule und dem Weimarer Bauhaus als auch durch ihre weit über das Kunstfeld hinausreichenden Netzwerke informiert und durch ihre spezifischen Lebens- und Produktionsverhältnisse als jüdische, aus dem Kleinbürgertum stammende Kommunistin geprägt. Die vorliegende Werkmonografie Friedl Dicker-Brandeis. Werke aus der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien bildet den letzten Teil eines zweijährigen Forschungsprojekts, in dem die Auseinandersetzung mit einem Korpus des Instituts Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien von über 200 Werken und Dokumenten zur Künstlerin – dem größten öffentlich zugänglichen Bestand in Österreich1 – weiter vertieft wird. Die Ergebnisse des Projekts wurden erstmals im Herbst 2022 in der Wiener Ausstellung Friedl Dicker-Brandeis. Werkstätten bildender Kunst präsentiert. In einer Kooperation mit der Graphischen Sammlung ETH Zürich wird diese Ausstellung in überarbeiteter Form im Frühjahr 2023 ebendort gezeigt.

Die vom Künstler Robert Müller gestaltete Schau hatte zum Ziel, den Blick auf das Œuvre der Künstlerin zu erweitern und zu nuancieren. In der Ausstellung wurde dafür die materielle, formale und thematische Komplexität von Friedl Dicker-Brandeis’ gattungs- und medienübergreifend angelegten Produktion ins Zentrum gerückt, und neben den vielfältigen Arbeitsweisen der Künstlerin und deren politischen und historischen Kontexten auch die intellektuellen und künstlerischen Milieus, mit denen sie verbunden war, thematisiert.

Mit entsprechend problemorientierten Fragestellungen liefern die Ausstellung und die vorliegende Publikation neue Beiträge zu Friedl Dicker-Brandeis, aber auch zur Geschichte des Modernismus und seiner Dekanonisierung, und möchten in diesem Sinne das Programm Oswald Oberhubers, des Gründers von Kunstsammlung und Archiv an der Angewandten, zeitgenössisch interpretieren und fortfahren.

Oswald Oberhuber und der Aufbau des Bestands Friedl

an der Angewandten

Die Existenz dieser in Österreich einzigartigen Sammlung zur Künstlerin ist eng mit Oswald Oberhubers Aktivitäten verbunden, der sich als Künstler, Ausstellungsmacher und späterer Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien für die Re-Etablierung einer ‹österreichischen Avantgarde› einsetzte.2 Dicker-Brandeis’ in den Jahren nach ihrer Ermordung kaum beachtetes Werk wurde ab den 1970er-Jahren nach und nach

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Dicker-Brandeis Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer

wiederentdeckt.3 Mit der Ausstellung Österreichische Avantgarde 1900–1938. Ein unbekannter Aspekt (1976) und dem Katalog Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus (1985) reihte Oberhuber ihren Namen wieder in den Kunstdiskurs ein. Oberhubers programmatische Arbeit wurde in der Ausstellung Schule Oberhuber. Eine Sammlung als Programm des Instituts Kunstsammlung und Archiv im Frühjahr 2022 umfassend dargestellt.4 Sein Augenmerk lag auf Avantgarde-Künstler*innen und durch den Faschismus ermordeten, vertriebenen oder auf andere Weise marginalisierten Protagonist*innen der österreichischen Kulturlandschaft. Mit der Schenkung einer Druckgrafik Dickers � S. 245 und drei Abzügen fotografischer Abbildungen einer Reihe von (heute verlorenen oder zerstörten) Fotocollagen � S. 206, S. 210, S. 211 legte er 1981 den Grundstein5 für den Aufbau einer Sammlung zu Friedl Dicker-Brandeis an der Angewandten.6

Erika Patka, Sammlungsleiterin von 1980 bis 2004, setzte diesen Fokus fort. Wie Korrespondenzen Patkas und ihres Nachfolgers Patrick Werkner mit Freund*innen und ehemaligen Kollaborateur*innen der Künstlerin zeigen, gelangten durch ihr Engagement zwischen 1990 und 2012 mehrere Konvolute an Grafiken, Gemälden und Briefen aus dem Privatbesitz von Georg Schrom, Judith Adler und Hildegard Angelini-Kothny in die Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien. Alle drei genannten Personen sind in biografischer Hinsicht mit Friedl Dicker-Brandeis verbunden. Leopoldine Schrom, die Tante des Wiener Architekten Georg Schrom, war Mitarbeiterin der Ateliergemeinschaft von Franz Singer und Friedl Dicker und hatte bis zu ihrem Tod den größten Teil der im Atelier entstandenen Werke verwaltet. Aus diesem Konvolut, das gegenwärtig von Schrom verwahrt wird, wurden 1990 und 1991 Entwurfsgrafiken zur Wohnung für Viktor Kraus,7 eine Axonometrie zur Wohnung für Hans Heller,8 zwei Taschen und eine Reihe von Stoffmustern und textilen Entwürfen der Künstlerin an das damalige Universitätsarchiv der Angewandten übergeben. Beginnend im Jahr 1999 mit einem Ankauf von über fünfzig Werken aus dem Besitz von Judith Adler, der Tochter von Dicker-Brandeis’ Studienkollegin und Freundin Anny Wottitz-Moller, gelangte über die Familie Adler bis 2002 der Hauptteil des Konvoluts an künstlerischen Arbeiten und archivalischen Dokumenten an Kunstsammlung und Archiv. Neben acht historischen Glasnegativen, die die erwähnten Fotocollagen aus den 1930er-Jahren – den gegenwärtig am häufigsten rezipierten individuellen künstlerischen Arbeiten Dickers – dokumentieren,9 einigen architektonischen Entwürfen aus der Ateliergemeinschaft mit Franz Singer und Gemälden aus Dicker-Brandeis’ späterem Werk sowie Briefen aus den 1920er- bis in die 1940er-Jahre, beinhaltet dieser Teil zahlreiche Grafiken, die die Künstlerin im Kontext ihrer Ausbildung am Weimarer Bauhaus (1919–23) und während ihrer Arbeit als Bühnenbildnerin in Dresden und Berlin angefertigt hatte. Über den Nachlass von Hildegard Angelini-Kothny gelangten 2002 weitere Korrespondenzen und Gemälde in die Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien. Kothny hatte Dicker-Brandeis 1936 in Prag kennengelernt und stand mit ihr insbesondere während ihres Exils in Prag und Hronov, aber auch noch nach ihrer Deportation ins KZ Theresienstadt in engem Austausch.10

Was immer du siehst, könnte auch anders sein

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Friedl Dicker-Brandeis, Weg in Hronov, um 1940, Öl auf Karton, 54 × 57,5 cm © Belvedere Wien, Inv.nr. 9654

Raum-Schleifen

Politische Dimensionen von Schichtung, Verwebung und Verschlingung im Werk von Friedl Dicker-Brandeis im Kontext der europäischen Avantgarden

Die Disparität von Friedl Dicker-Brandeis’ Werk ist nicht leicht zu fassen , es kann mit gängigen kunsthistorischen Erklärungsmodellen in seiner Heterogenität und disziplinären Vielfalt nur schwer adäquat beschrieben werden.

So steht beispielsweise 1941 eine abstrakt-diagrammatische Assemblage � S. 158 gleichzeitig entstandenen naturalistischen Landschaftsbildern mehr oder weniger kontextlos gegenüber. In den 1920er- und 30er-Jahren werden rektilinear-sachliche Konstruktionszeichnungen für funktionalistische Raumgestaltungen � S. 43 von figürlichen Arbeiten � S. 55 begleitet, kurvierte Linienführung und plastische Durcharbeitung sich kaum mit dem strengen modernistischen Vokabular in Verbindung setzen lassen. Auch die webtechnisch ambitionierten Textilgestaltungen im BauhausStil � S. 98 weisen nicht unmittelbar auf die politischen Fotocollagen der 1930erJahre � S. 200 voraus, in denen gesellschaftliche Themen dicht gedrängt und rhetorisch überspitzt präsentiert werden. Zu dieser stilistischen und disziplinären Heterogenität tritt als weitere Facette das äußerst vielfältige pädagogische und szenografische Wirken Dicker-Brandeis’ hinzu. Nicht zuletzt erschweren ihr kollaboratives Zusammenwirken mit anderen Künstler*innen und auch das für eine selbstständig unternehmerisch tätige Künstlerin erforderliche wirtschaftliche Kalkül die Erfassung und Einschätzung ihres gestalterischen Œuvres in seiner Gesamtheit.

Mithin stellt die Auseinandersetzung mit Dicker-Brandeis’ Schaffen methodisch eine nicht geringe Herausforderung dar, da es immer wieder nach neuen Perspektivierungen und veränderten Fragestellungen verlangt.

So wurde die oben beschriebene Spanne im Werk Dicker-Brandeis’ in der Vergangenheit verschieden erklärt und bewertet: als unter bestimmten ‹Einflüssen› entstanden, wie dem Johannes Ittens, als dessen ‹Schülerin› Dicker gemeinhin gilt und mit dem sie 1919 von Wien ans Bauhaus nach Weimar ging;1 als Folge kollaborativer

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Daniela

Praktiken, insbesondere mit Franz Singer und Anny Wottitz, die eine Angleichung oder gar Unterordnung bewirkten;2 oder aber als ein jeweils an bestimmte funktionale Erfordernisse angepasstes Formenvokabular, das bewusst zwischen angewandter und bildender Kunst stilistisch unterschied. Kaum befriedigender fällt der Abgleich mit den großen, sich wandelnden Kunstströmungen aus: Denn mit ‹Phasen›, wie einer expressionistischen, einer konstruktivistischen oder einer neusachlichen, haben wir es, wie die oben angeführten Nebenläufigkeiten von Ungleichzeitigem zeigen, ebenfalls nicht zu tun. Überholt erscheinen heute auch biografisch ausgerichtete Ansätze, die in einem allgemeinen Grundcharakter der Persönlichkeit oder in prägenden Lebensereignissen die bestimmenden Faktoren für Dicker-Brandeis’ künstlerische Produktion sehen möchten.3

Wie also sich nähern, ohne das Werk in Einzelbereiche aufzuspalten, den ‹Einfluss› externer oder biografischer Ereignisse überzubetonen, ohne zugleich in eine homogenisierende oder essentialisierende Perspektive zu verfallen, die allein in der Künstlerin den Antrieb zu einer bestimmten Formgebung sehen möchte? Und wie eine Verortung innerhalb einer europäischen Avantgarde vornehmen, zumal diese im Singular nie existierte und sich somit nur bedingt als normativer Maßstab eignet?

Jüngere Forschungen haben das Werk von Friedl Dicker-Brandeis gewinnbringend unter einer Perspektive des Transitionsraums untersucht (Otto), ihre Stilheterogenität als eine «Ars combinatoria» beschrieben (Johnson) und auch die quellenbasierte Aufarbeitung der (kollaborativen) Entstehungszusammenhänge ihrer Werke vorangetrieben (Hövelmann, Romauch).4 An diese plurikausalen Ansätze möchte ich hier anknüpfen, auch, um in gewisser Weise der Versuchung zu widerstehen, Dicker-Brandeis ex post einen Platz innerhalb des Kanons der europäischen Avantgarde-Kunst zuzuweisen, der nur um den Preis der Homogenisierung ihres Werkes zu gewinnen wäre; ich möchte vielmehr versuchen, den real wirkmächtigen Handlungs- und Reflexionsspielraum auszuloten, innerhalb dessen sie als weibliche, jüdische, um 1900 geborene und in Wien sozialisierte Künstlerin faktisch agieren konnte und agierte. Diese Annäherung würde idealerweise auch dazu beitragen, einen monolithischen Modernerespektive Avantgardebegriff infrage zu stellen.

Es soll hier also zum einen rekonstruiert werden, welche künstlerischen Positionen Dicker gekannt hat, und zum zweiten, in welchen allgemeinen Erfahrungs- und Erwartungshorizont hinein sie ihre Werke produzierte. Dabei beziehe ich die von ihr im Laufe mehrerer Ausbildungen erworbenen praktischen Kompetenzen im Sinne einer praktizierten oder angewandten ‹Kunsttheorie› ebenfalls mit ein, insbesondere um eine passivisch gedachte ‹Einflusskunstgeschichte› zu korrigieren und an deren Stelle eine bewusste, proaktive Aneignungspraxis und reziprok gedachte Auseinandersetzung zu setzen. Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob sich mittels formaler Analyse in Dicker-Brandeis’ Arbeiten bestimmte ästhetische Kriterien, die unter Umständen denen einer allgemeineren Ästhetik der Avantgarde entsprechen, identifizieren lassen, oder ob ihr Werk letztlich jenseits dieser Kategorien anzusiedeln ist.

In einem Brief an Hilde Kothny schrieb Friedl Dicker-Brandeis 1940 zu ihren künstlerischen Anliegen, sie wolle «einen Bewegungsablauf im Material ausdrücken. Von der Fläche bis zur Linie.»5 Dieser wenngleich kurze und kunsttheoretisch zunächst nicht sonderlich elaboriert wirkende Satz ist insofern von besonderem Gewicht, als er eines der wenigen Selbstzeugnisse darstellt, in denen Dicker-Brandeis ihr Kunst-

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Daniela Stöppel

verständnis explizit zum Ausdruck bringt.6 Im zitierten Satz kommen zudem zwei wesentliche Gesichtspunkte zur Sprache. Zum ersten: Dynamische Prozesse sollen sich über eine bestimmte Behandlung des Materials vermitteln. Dieses Prinzip beschreibt Dicker-Brandeis interessanterweise, zweitens, als von der Fläche zur Linie ausgehend. Mit erstgenanntem Dynamisierungsprinzip schließt sie an die bereits in Wien, später am Bauhaus und allgemein im internationalen, besonders russisch-sowjetischen Kontext geführten ästhetischen Diskurse an, die im Prinzip der Bewegung eine künstlerische wie politische Dimension erblickten.7 Diese sah Dicker-Brandeis offenbar als materialgebunden an – auch dies eine Denkweise, die sie mit vielen Gestalter*innen ihrer Zeit teilt. Der Bewegung kam in diesen zeitgenössischen Diskursen häufig eine transzendierende Funktion zu, um die materielle Schwere und ontologische Trägheit der Materialien in ein übergeordnetes Prinzip, das oft als ein ‹abstrakt-geistiges› verstanden wurde, zu überführen. So liegt offenbar auch für Dicker-Brandeis der Dynamisierung von Materialien ein übergeordnetes, im weitesten Sinne ‹spirituell› umrissenes, geistiges Ziel zugrunde. Mit solchen Ansichten von dynamisierter Materie war sie durch die ab 1916 in Wien präsente Itten-Schule, in der körperliche Bewegung gezielt in die Lehre miteinbezogen wurde, bereits als junge Künstlerin vertraut. Der zweite Aspekt, von der Fläche zur Linie zu denken, und nicht umgekehrt, spiegelt ebenfalls ihren eigenen künstlerischen ‹Bildungsroman› wider, der sie von einer Lehre der Fotografie und Reproduktionsgrafik an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt Wien 1912 bis 1915 über eine sich anschließende achtmonatige Ausbildungszeit bis zum Sommer 1916 an der Kunstgewerbeschule in der Klasse der «Textil-, Teppich- und Gobelinspezialistin» Rosalia Rothansl8 (wo sie auch mit Franz Čižek in Kontakt kam) zur freien Kunst bei Itten geführt hatte. Die flachen Medien Fotografie und Textil stellten für Dicker-Brandeis also zumindest in bildungsbiografischer Hinsicht den Ausgangspunkt für ihr eigenes gestalterisches Denken dar und nicht die Linie als zeichnerisch orientierter Entwurfsprozess.

In der von Dicker-Brandeis geäußerten Bedeutung der Fläche zeigt sich indes eine gewisse Devianz von gängigen Modellen und Theorien, die vor allem am Bauhaus, das sie von 1919 bis 1923 besuchte, diskutiert und entwickelt wurden. Insbesondere Kandinsky und Klee betonten beide das Primat der Linie. Inwiefern Dicker-Brandeis’ Umkehrung nun aus einer feministischen Perspektive betrachtet dem Aufbrechen genderstereotyper Kreativitätsvorstellungen oder deren Affirmation gleichkommt, kann hier schwer beantwortet werden. Insbesondere ihre Tätigkeit in der Ateliergemeinschaft mit Franz Singer wurde jedoch zumeist genau unter der Prämisse einer binären geschlechtsbezogenen Aufteilung der gemeinsamen Praxis in Entwurf und materiell‹stoffliche› Ausfüllung beschrieben. So wies man Dicker-Brandeis in der retrospektiven Betrachtung den männlich und mit der Linie konnotierten Entwurfsprozess zu, während Dicker-Brandeis für dessen materielle Ausstattung mit Stoffen und Farben, also für die ‹Flächenfüllung› zuständig war.9 Dicker-Brandeis’ Qualität habe demnach unter anderem darin gelegen, die Kund*innen mit anschaulichen Stoffmustern zu versorgen.

Abgesehen davon, dass die genaue Arbeitsteilung der Ateliergemeinschaft noch nicht abschließend rekonstruiert ist, scheint in diesem Zusammenhang von Interesse, dass Dicker-Brandeis’ den rangniedrigeren, feminin konnotierten Bereich der Fläche in ihrem Brief zuerst nennt. Dies ließe sich zum einen als dessen Aufwertung, zugleich

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aber auch als ein annehmendes Sich-Einfügen in geschlechtsspezifisch aufgeteilte Aufgabenbereiche lesen.

Auch der Blick auf ihre Arbeiten dieser Zeit bestätigt die Deckung ihrer eigenen Theorie mit einer eigenständigen Ästhetik: Selbst die Blätter, die in direkter Zusammenarbeit mit Itten für den von Bruno Adler 1921 herausgegebenen Band UTOPIA entstanden waren, zeigen ein Verständnis von Text, das Schrift weniger als rein lineare Abfolge von Buchstaben verstehen will, sondern als ein – sich in der Fläche entfaltendes – Gewebe, in dem sich unterschiedliche bandartige Stränge buchstäblich ineinander verschränken. Gerade im Vergleich mit Ittens diagrammhaften Schriftbildern zeigt sich der Unterschied: Dicker-Brandeis setzte verstärkt Textblöcke unterschiedlicher Dichte und Struktur nebeneinander und verwob diese über wechselseitig hineinragende Zeilenvorstöße zu einer Art Textur, während Itten sonst eher ‹leiterhaft› sprungartige Junktionen verwendete.10 Tatsächlich scheint bei Dicker-Brandeis ein Bewegungsimpuls von der Fläche auf die Linie überzugehen und nicht umgekehrt. Inwieweit dies nun auf ihre handwerklich-technisch geschulten Kompetenzen in der Flächengestaltung – eine gewisse Ähnlichkeit zu ihren Textilgestaltungen, bei denen sie nicht selten die Webrichtung wechselte, ist offensichtlich – zurückgeht oder reflexiv-subversive Qualität hat, kann heute nicht mehr rekonstruiert werden.11

Die ‹freien› Arbeiten dieser Zeit, die Dicker vor allem im Medium der Kohlezeichnung ausführte, zeigen vornehmlich figurative Motive, vor allem menschliche Körper und Landschaftsdarstellungen.12 � S. 167 Dicker präferierte das weiche Material der Kohle, die sie in großzügiger Strichführung auf das Papier brachte und verwischte. Auch in ihren Pastell- und Ölbildern setzte sie die Farbe vor allem als plastisches Mittel ohne scharfe Konturierungen ein. Die Kohlezeichnung als ‹malerisches› Verfahren nahm noch im 19. Jahrhundert einen eher niedrigen und ebenfalls oft weiblich konnotierten Rang innerhalb der Zeichenmedien ein.13 Möglicherweise knüpfte Dicker an solche latenten Bedeutungszuweisungen an oder sie wurden ihr – von Itten, der an einer Dualität der Geschlechter festhielt – als ihrem Wesen gemäßes Gestaltungsmedium zugeordnet.14 Jedenfalls fällt auf, dass sie Linien nicht im Sinne von Konturierung,

Friedl Dicker, Johannes Itten, Analysen alter Meister, Blatt 10, in: Utopia. Dokumente der Wirklichkeit, Weimar: UtopiaVerlag, 1921, n. p., Andruck, 33 × 24 cm

Bauhaus-Archiv Berlin, Inv.nr. 7293/8, © Bildrecht Wien 2022

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und damit als ideell-idealistisches Element, verwendete, sondern diese aus der Farbmaterie heraus arbeitete. Ein Dynamisierungswille zeigt sich dabei nicht nur in einem permanenten Aus-dem-Grund-Auftauchen der Form, sondern ebenso in der häufig im Schwung schwächer werdenden, gleichsam im Nichts endenden Linie, deren Verjüngung auch ein zeitliches Auslaufen suggeriert.

Als Franz Singer 1933 im Zuge des sogenannten Passfälscher-Prozesses, in dem Dicker der Dokumentenfälschung beschuldigt wurde, aussagte «Friedl kann keine gerade Linie ziehen»,15 kam er ihr mit dieser zugespitzten Formulierung nicht nur als Entlastungszeuge zu Hilfe, sondern benannte auch ein charakteristisches Merkmal ihrer Gestaltungsweise: über dynamisch-geschwungene Linien einen zeitlichen Prozess anschaulich zu machen, der nicht durch Konstruktion, sondern durch physische Evokation erreicht wurde. Auch hier kann nicht entschieden werden, ob es sich in dieser fast leiblichen Materialisierung von Bewegung um eine aneignende Rekuperation geschlechtertypisierter Schöpfungsvorstellungen handelt, oder um die Affirmation dessen, was von den männlichen Bauhaus-Lehrern insbesondere von ihren Schülerinnen erwartet wurde. Jenseits dieser Frage bleibt festzuhalten, dass dynamisierte Räumlichkeit offenbar eine der zentralen Kategorien für Dicker-Brandeis darstellte, weshalb es legitim erscheint, an diesem Punkt den allgemeinen Diskurs etwas ausführlicher darzulegen.

Schon Dicker-Brandeis’ Prägung im Rahmen der jüdischen Jugendbewegung in Wien dürfte im Sinne einer dynamischen Umformung der Gesellschaft zu Sozialismus und Gleichberechtigung von Mann und Frau als Form der physischen Materialisierung geistig-intellektueller Prozesse zu verstehen sein.16 Dicker-Brandeis war insbesondere mit Otto Fenichel befreundet, der die Methode der Psychoanalyse im Sinne der oben genannten emanzipatorischen Ziele innerhalb der Jugendkulturbewegung propagierte.17 Psychische (Bewegungs-)Prozesse konnten in diesem Sinne nicht nur als ich-bildend, sondern auch als gesellschaftsumformend begriffen werden.18 Der Begriff Jugendbewegung und noch stärker das zeitgenössisch häufig verwendete Adjektiv jugendbewegt lassen sich damit im wortwörtlichen Sinne als Formen dynamischer Aktivität beschreiben.

Friedl Dicker, Stickmuster/ Netzarbeit, 1920–30 Privatsammlung Georg Schrom, Foto © Lentos Kunstmuseum Linz, Reinhard Haider

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Raum-Schleifen

Gestalt, 1919–20 Inv.nr. 16.415/6

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Liegende mit gestrecktem Arm, 1919–20 Inv.nr. 12.196

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Friedl Dicker, Franz Singer, Entwurf des Bühnenbilds für die Aufführung von August Stramms Erwachen (Regie: Berthold Viertel), um 1921, © Victoria and Albert Museum, London, Inv.nr. THM-492-1

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Der befreiende Innenraum von Friedl Dicker

Die Künstlerin, Architektin, Designerin und Lehrerin Friedl Dicker wurde am 9. Oktober 1944 im Alter von 46 Jahren in Auschwitz-Birkenau ermordet.1 Das sollte nie vergessen werden. Doch wie können wir die Arbeit eines ermordeten Menschen betrachten und daraus lernen, ohne sein Leben so zu behandeln, als wäre es immer schon im nahenden Schatten der bevorstehenden Brutalität gelebt worden? Durch die Vorstellung eines derartigen Schattens wird die Grausamkeit noch gesteigert und das Opfer lange vor der Tat zum Opfer. In gewisser Weise werden Gefangenschaft und Gewalt dadurch wiederholt und ein bedrohlicher Begleiter heraufbeschworen, der an jedem Gedanken und jeder Handlung aktiv beteiligt ist. Sich ein unbehelligtes Leben vorzustellen, ist jedoch ebenso respektlos, so, als wäre das Grauen unangekündigt geschehen. Sicherlich entstehen Kunst und Architektur gleichermaßen im Schatten wie im Licht. Sie werden häufig als eine Art von Licht betrachtet und manchmal im Angesicht der Verzweiflung als kostbares Geschenk an andere weitergegeben. Dies gilt vor allem für Friedl Dicker, deren Geschenk in einer besonderen Art von minimalistischem, aber psychologisch weitläufigem Innenraum bestand. Dieser schützende Raum war als schwebender Kokon abgetrennt von einer unbarmherzig brutalen Außenwelt, ohne jedoch einzusperren, einzuschnüren oder einengend, erstickend oder entmenschlichend zu sein. Im Gegenteil, er war ein Weg, um seine Bewohner*innen zu befreien. Dickers Geschenk war ein befreiender Innenraum, ein beweglicher, aber letztlich zerbrechlicher Raum, der systematisch ausgelöscht wurde, zusammen mit so vielen von denen, die in ihm Schutz gefunden hatten – und doch überlebt der Raum in zurückbleibenden archivarischen Spuren, die selbst trotzige Zeugen sind.

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Lange Schatten

Im Halbdunkel zwischen äußerer Bedrohung und innerem Widerstand entstand eine einzigartige Architektur, die auch von innen nie einfach zu erkennen war und sich ohnehin ständig veränderte, wie eine Art umhüllende Fata Morgana. Diese Architektur war nie anästhetisch. Sie ist nicht weich und auch nicht so bequem. Sie soll eine Gemeinschaft wachhalten – und zum Leben, Denken, Reden und Handeln anregen. Sie ist für das Leben da, das so leicht genommen werden kann.

Dickers Tod war schließlich weder zufällig noch unerwartet. Im Gegenteil, das Töten war von langer Hand theoretisiert, geplant, kalkuliert, konstruiert, industrialisiert und dokumentiert worden. Es wurde als staatlicher Verwaltungsakt mit der ihm eigenen eiskalten Bürokratie konzipiert und ausgeführt. Dieser geplante Völkermord war vier Jahre lang ein offenes Geheimnis, das auf der langen Geschichte alltäglicher, durch rassistische Stereotypen, Ausgrenzung und Unterordnung normalisierter Gewalt beruhte. Dicker war Ende 1931 in Wien verhaftet und verhört worden, weil sie zusammen mit einer Gruppe von Kommunist*innen in ihrem Atelierraum Pässe gefälscht haben soll. Mehr als ein Dutzend Zeitungen berichtete sofort ausführlich über diese Anschuldigung, darunter auch einige, die kurz zuvor noch ihre Gestaltungsphilosophie bejubelt hatten.2 Dicker wurde im März 1932 vor Gericht zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt, von der sie einen Teil verbüßte. Doch auch nach ihrer Freilassung war sie als Kommunistin, Jüdin und Frau einer ständigen dreifachen Bedrohung ausgesetzt. Wien galt zu dieser Zeit als Hauptstadt des Antisemitismus, und bereits 1931 kam es zu Ausschreitungen gegen die jüdischen Bewohner*innen. Dass die systematischen institutionellen und sozialen Grausamkeiten zur offiziellen Politik werden konnten, war eine unvermeidliche Entwicklung, die durch den gescheiterten nationalsozialistischen Putschversuch von 1934 nur kurzzeitig aufgehalten wurde. Dickers Arbeit entstand bereits unter einer immer deutlicher werdenden Lebensgefahr, so dass sie sich schließlich gezwungen sah, in die Tschechoslowakei zu flüchten und aktives Mitglied einer kommunistischen Zelle wurde, bevor sie zwei Jahre lang im Ghetto der Festungsstadt Theresienstadt eingesperrt war und dann in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde.3 Zehn Jahre, in denen die Kunst mehr war als nur eine

Atelier-Ausstellung oder LadenVerkaufsangebot der Werkstätten Bildender Kunst, Berlin mit Arbeiten von Friedl Dicker, Franz Singer und Anny Wottitz: Mappe Werkstätten Bildender Kunst, Berlin, 1923–24, Silbergelatine auf Barytpapier, 11,8 × 15 cm Bauhaus-Archiv Berlin, Inv.nr 9030/3

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Mark Wigley

Möglichkeit, um zu überleben und in denen ein Gemälde mit Blumen, die vor einem Fenster mit Blick auf eine idyllische Landschaft das Licht der untergehenden Sonne einfangen, ebenso intensiv aufgeladen war wie das quälende Gemälde eines Verhörs

� S. 155, das Selbstporträt militanter Mobilität oder der Innenhof eines Gefängnisses. Doch in dieser Arbeits- und Ideenproduktion im Angesicht einer tödlichen Bedrohung blühte auch das auf, was Dickers Werk von Anfang an auszeichnete. Das Leben, das 1944 so abrupt ausgelöscht wurde, war seit der Kindheit von zahllosen subtilen und demütigenden rassistischen, antisemitischen und geschlechtsspezifischen Grausamkeiten geprägt und bereits als eine Art innerer Flucht oder Widerstand gelebt worden. Dies brachte eine starke, eigensinnige, aber unverwüstliche Kämpferin hervor, die ständig Künste des Widerstands erfand – gegen Vorurteile, elitäres Denken, Kapitalismus, Faschismus, Langeweile, Routine, Passivität, Untätigkeit, Stillstand und Schweigen. Doch geht es hier nicht einfach darum, Dickers Werk wegen dem zu lesen, wogegen es Widerstand leistet und was auch heute noch aktive Bedrohungen darstellt, sondern darum, den Raum zu erkunden, den dieser Widerstand geschaffen hat, diesen Raum zu besetzen und dadurch hoffentlich zu einem*r weiteren ihrer Schüler*innen zu werden.

Schwebende Innenräume

Dicker ließ sich nie in konventionelle Kategorien einordnen. Ihre Arbeit umfasste so vielfältige Medien wie Zeichnung, Malerei, Fotocollage, Skulptur, Textilien, Stickerei, Theater, Kostüme, Accessoires, Puppen, Spielzeug und Möbel, ohne dass sie eines davon den anderen vorgezogen hätte.4 Die meisten dieser zahlreichen Medien wurden jedoch irgendwie in der architektonischen Arbeit und im Unterricht miteinander verwoben, die beide letztendlich als eine Kunst des Innenraums behandelt wurden.

In dieser Hinsicht war Dicker mehr Bauhaus als das Bauhaus, und das schon bevor sie dort 1919 als eine der ersten und stärksten Schüler*innen eintraf und nahezu sofort als Lehrerin für ihre Kolleg*innen eingesetzt wurde, wie sich Walter Gropius später erinnerte. Sie widersetzte sich aktiv der Dominanz irgendeines Mediums und hatte zwischen 1912 und 1918 in Wien bereits Textilien, Ornamentik, Zeichnung, Lithografie, Theater und Musikkomposition studiert. 1916 besuchte sie den privaten Kunstunterricht des Malers Johannes Itten und folgte ihm nach Weimar, wo sie zu seinen engsten Mitarbeiter*innen gehörte – was auch daran deutlich wurde, dass sie für die bemerkenswert aufwendige experimentelle typografische und konzeptionelle Darstellung seiner künstlerischen und pädagogischen Philosophie für den Bauhaus-Almanach Utopia: Dokumente der Wirklichkeit � S. 22 von 1921 verantwortlich zeichnete. Allerdings pflegte sie auch den Austausch mit den meisten der Werkstätten und anderen Lehrer*innen, zu Anfang insbesondere mit Paul Klee und gegen Ende mit Oskar Schlemmer; als Ittens Rivalität mit Gropius 1923 in seinem Weggang gipfelte, verließ auch sie die Schule. Die Architektur scheint in Dickers Werk kurz vor ihrem Eintritt ins Bauhaus 1918 mit dem Entwurf eines Bühnenbilds für das Theater und der Möblierung einer Wohnung Einzug gehalten zu haben und setzte sich mit vom Bauhaus inspirierten Arbeiten für Theaterproduktionen außerhalb der Schule und Gebäudezeichnungen innerhalb der Schule fort.5 Zu einer konsequenten Praxis wurde sie jedoch erst, als Dicker Weimar verließ, allerdings immer im Zusammenhang mit anderen

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Der befreiende Innenraum von
Friedl Dicker

Entwürfe für das Theater

Drei Arbeiten aus der Sammlung sind Entwürfe für Theaterproduktionen, an denen Friedl Dicker in den 1920erJahren beteiligt war. Es ist nicht abschließend geklärt, für welche Stücke die Entwürfe angefertigt wurden, weshalb im Folgenden versucht wird, dieser Frage im Rahmen einer historischen Kontextualisierung näher zu kommen. Die kontrastreiche Kohlezeichnung � S. 111 stellt zwei stehende Figuren dar, deren Köpfe einander zugewandt sind.1 Auf der Rückseite der Zeichnung hat Dicker handschriftlich «Thea» und «Figurinen» notiert, was nahelegt, dass es sich um Kostümentwürfe handelt. Während eine Gestalt mit schulterlangen Locken, die im Profil abgebildet und in einen weiten Mantel gehüllt ist, im Zentrum des Bildes steht und auf die rechte Seite übergeht, ist die linke, schmalere, in ein sanduhrartiges Gewand gekleidete Figur den Betrachtenden zugewandt, leicht nach hinten versetzt und scheint aufgrund des unausgefüllten Bereichs unter der geschwungenen Linie ihres Rocksaums zu schweben. Die schemenhaft angedeuteten, durch Leerstellen in der Zeichnung gebildeten Gesichtszüge verstärken die Puppenhaftigkeit der Figuren. Ihre aus tiefschwarzen Linien gebildete Kostümierung trägt Merkmale des sogenannten Elisabethanischen Zeitalters: die Kopfbedeckung der linken Figur mit ihrer die Stirn einrahmenden geschwungenen Linie erinnert an das herzförmige Drahtgestell des Attifet2 und an die nach hinten spitz zulaufende Tudorhaube;3 ihr Kopf wird von einer weißen Halskrause gestützt.4 Elena Makarova ordnete die Zeichnung der im September 1923 im Berliner Lustspielhaus uraufgeführten Inszenierung von Shakespeares Der Kaufmann von Venedig mit Berthold Viertels Die Truppe zu.5 Aufgrund der beschriebenen historischen Bezüge und der Tatsache, dass Friedl Dicker nach heutigem Kenntnisstand an keinem anderen Stück aus dem 16. Jahrhundert arbeitete, erscheint diese Zuschreibung sinnvoll.6

Die intermediale und soziale Kunstform des Theaters durchdringt Friedl Dicker-Brandeis’ vielfältiges Schaffen von den Anfängen bis zu ihrer Arbeit mit Kindern im Konzentrationslager Theresienstadt. Um sich ab 1914 ihr Studium an der Kunstgewerbeschule zu finanzieren, arbeitete sie als Requisiteurin und Puppenspielerin.7 Am Bauhaus studierte sie unter anderem in der 1921 durch Lothar Schreyer gegründeten Bühnenwerkstatt und

1 Zum Einsatz des HellDunkel-Kontrasts in Dickers grafischen Arbeiten siehe auch die Werktexte zu den Genremotiven und den Kompositionen.

2 Es handelt sich dabei um eine in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch Maria Stuart in Mode gebrachte Haube, siehe Ingrid Loschek, Reclams Mode- und Kostümlexikon, Stuttgart: Philipp Reclam junior, 2005, S. 105.

3 Jane Seymour trägt diese etwa in einem Porträt von Hans Holbein – ein Gemälde, das Friedl Dicker im Kunsthistorischen Museum Wien gesehen haben könnte.

4 Die enganliegenden, hier ornamental ausgefüllten Strümpfe und der geschlitzte Saum des Gewandes sowie das Barett der rechten Figur sind charakteristisch für die Mode der europäischen männlichen Oberschicht im 16. Jahrhundert. Vgl. dazu Loschek 2005, S. 34.

5 Siehe Elena Makarova, Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre, Wien/München: Verlag Christian Brandstätter, 1999, S. 72.

6 Dass Die Truppe neben Theaterautoren der Moderne ausgerechnet Shakespeare spielte, ist erstaunlich, vielleicht aber durch dessen Einfluss auf die zunehmende Säkularisierung des Theaters seiner Zeit oder seine Bedeutung für Marx’ Schriften zurückzuführen. Zur Rezeption Shakespeares, siehe Bettina Boecker, Shakespeares elisabethanisches Publikum: Formen und Funktionen einer Fiktion der Shakespearekritik und -forschung, Berlin/Boston: De Gruyter, 2012. Außerdem Hugh Grady/Christian Smith, Introduction: Marx and Shakespeare: A Continuing Process, in: Shakespeare, Bd. 14, Nr. 2, Mai 2018, S. 99–105.

7 Dicker schrieb eine eigene Version des Blaubart, baute Marionetten und führte das

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Bühnenbildentwurf, um 1920 Inv.nr. 12.206

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Friedl Dicker, Selbstporträt auf dem Umschlag einer Zeichenmappe (Geschenk an Josef und Ella Deutsch), 1931, Fotocollage und Tempera, 70 × 50 cm Privatsammlung, Visual Resource Center, UTSA

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Zwischen den Medien — Erkenntnismethoden erfassen

Geschichte wird in Worten erzählt: Wenn Frauen in Büchern nicht vorkommen, ist es so, als hätte es sie nie gegeben.

Jennifer Higgie, 20211

In ihrer kulturellen Überlieferung wird eine Gesellschaft sichtbar: für sich und für andere. Welche Vergangenheit sie darin sichtbar werden und in der Wertperspektive ihrer identifikatorischen Aneignung hervortreten lässt, sagt etwas aus über das, was sie ist und worauf sie hinauswill.

Prolog

Friedl Dicker-Brandeis (1898–1944) verbrachte die ersten zehn Jahre ihres Berufslebens in Gemeinschaftsateliers in Berlin und Wien und zog 1925 nach Wien.3 Am 4. November 1931 kam es zu einem schweren Einschnitt in ihrem Leben: Sie wurde festgenommen, verhört, vor Gericht gestellt und zu drei Monaten Haft verurteilt. Die Anklage: Passfälschung. Dicker wurde wegen versuchten Betrugs verurteilt und verbüßte schließlich vom 11. bis 27. September 1932 eine wesentlich kürzere Haftstrafe als vorgesehen.4 Bis zum 24. Juni 1933 war sie in Wien gemeldet, danach zog sie nach Prag. In dieser Übergangsphase (ab 1931) fertigte sie eine Reihe von Selbstporträts

� S. 152 an, was für die sonst eher nach außen gewandte, politisch engagierte Künstlerin ungewöhnlich war.5 In diesen seltenen Selbstporträts trägt sie ihren ungewissen, besonderen historischen Lebensumständen durch einen einfallsreichen, hybriden methodischen Ansatz Rechnung: Sie bricht mit den Konventionen des Genres und zeigt sich im Profil oder von hinten, in einem Verhörraum sitzend oder beim Autofahren. Die ungewöhnlichen Bilder, auf denen ihre Ohren deutlicher zu sehen sind als ihre Augen, zeugen von ihrem Interesse für Klang und Interdisziplinarität.6

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Julie M. Johnson

1

Wien, 1931. Das Geschenk

Friedl Dicker schneidet ein Foto von sich aus � S. 132. Sie hat eine Geschenkidee für Ella und Josef Deutsch, ein junges Paar, mit dem sie sich angefreundet hat.7 Das Foto klebt sie auf den Umschlag einer Zeichenmappe. Es soll ein Bild von ihr bei der Herstellung dieses Bildes werden, ein Meta-Bild, eine Aktualisierung des üblichen im Atelier gefertigten Selbstporträts. Sie ist darauf im Profil zu sehen, wie sie lächelnd ihr Werk betrachtet. Sie malt eine Linie in roter Tempera, hat bereits in weißen Linien einen Tisch und Papier skizziert. Obwohl die Linien am Seitenrand verankert sind, scheinen sie zu schweben. Statt der Atelierumgebung gibt es lediglich einen leeren, rosafarbenen Hintergrund, der Raum für Möglichkeiten und Vorstellungen lässt. Das Profil ist für ein Selbstporträt ungewöhnlich. Die Blicke von Betrachter*in und Künstlerin treffen sich hier eher auf der fiktionalen Ebene des Bildes/Spiegels. Das Spiel mit Repräsentation und Indexikalität in diesem Selbstporträt zeigt Dickers Sinn für Humor. Wann wird eine Linie zu einem Objekt? Wann entsteht ein Bild? Es handelt sich hier um ein medienübergreifendes Kunstwerk, das die durch Fotomontage dargestellte Künstlerin beim Akt des Zeichnens eben jenes Bildes zeigt, das wir vor uns sehen. Ein Bild, das sich wunderbar eignet für den Umschlag ihrer Zeichenmappe. Dicker lädt uns in ihre Welt ein: einmal umblättern, und da ist ihre Kunst. Noch etwas ist bemerkenswert: Dicker ist nicht wirklich allein. Jemand anderes hat ihr fröhliches Strahlen auf einem Foto festgehalten. Hier tritt die gesellige Frau zutage, die Teamarbeiterin, Lehrerin und Geschenkemacherin.

Dicker gehört zu den Künstler*innen, die neue Techniken erfinden oder bekannte Materialien und Techniken auf neue Weise kombinieren. Auch Man Ray und John Heartfield, die ebenfalls mit unterschiedlichen Medien experimentieren, zeigen sich in unkonventionellen Selbstporträts im Profil.8 1932 porträtiert sich Man Ray in einem solarisierten Silbergelatine-Abzug beim Einstellen des Kameraobjektivs (Selbstporträt mit Kamera, Smithsonian). Er hatte das Licht in der Dunkelkammer eingeschaltet, um den ungewöhnlichen Solarisierungseffekt zu erzeugen, eine Technik, die er mit Lee Miller neu entdeckte. In Space Writing (Self-Portrait), einer experimentellen Foto-

Friedl Dicker, Traum, 1934–35, Sprühtinte, Gouache und Pastell auf Papier, 57,5 × 78,5 cm Jüdisches Museum Prag, Inv.nr. 176.188, Foto © Jüdisches Museum Prag

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Julie M. Johnson

grafie aus dem Jahr 1935, ist sein Gesicht nur verschwommen zu sehen und hinter verschnörkelten Linien verborgen. Die Langzeitbelichtung hatte die sonst unsichtbare, kurzzeitige Bewegung des Schreibens im Raum sichtbar gemacht. Als Medium nutzt Man Ray das Licht, die Grundlage der Fotografie; er erfindet lediglich die Prozesse neu. Auch Dicker experimentiert, aber nicht mit den Chemikalien oder Prozessen der Dunkelkammer, sondern mit der Alchemie der Kunst selbst. Zu Beginn ihrer formellen Ausbildung machte sie in Wien eine Lehre in Fotografie und Reproduktionstechnik,9 anschließend studiert sie Textiles Gestalten, Design und verschiedene Medien, darunter auch Musikkomposition bei Arnold Schönberg.10 Sie ist unendlich kreativ darin, neue, ungewöhnliche Materialien und Sujets miteinander zu kombinieren, bricht mit Konventionen und schafft ungewöhnliche Verbindungen zwischen den Disziplinen. Obwohl beide, Man Ray und Friedl Dicker, experimentiert und auf neuartige Weise Grenzen überschritten haben, wurde ihr nur selten Aufmerksamkeit zuteil.

Dicker spezialisiert sich darauf, die Formen und Erwartungen eines Mediums auf ein anderes zu übertragen. Etwa zur gleichen Zeit, in der Man Ray sein Selbstporträt in Licht erstellt, malt sie ein Traumbild in Sprühfarbe, Gouache und Pastell. In diesem Mixed-Media-Bild wird der Prozess der Remediation, bei dem Formen eines alten Mediums in ein neues überführt werden, umgekehrt.11 Hier übersetzt sie die Effekte der Fotografie, des neuen experimentellen Mediums, in die alte Technik von Gouache, Sprühfarbe und Pastell. Ein als weißer Umriss dargestellter Mann streckt winzige schwarze Hände aus. Der Sprühfarbeneffekt birgt einen Ausblick auf die solarisierten Ränder der Fotografie und einen Rückblick auf die ältesten Techniken von Scherenschnitt und Schablone, bekannt seit der prähistorischen Höhlenmalerei. Die grauen, männlichen Umrisse sind ebenso flach wie ihre langen Schatten. Figuren und Schatten haben etwas Traumartiges, wie in einem Fotogramm. Wie die Lichtschrift von Man Ray tanzt weißes Gekritzel über einer schwarzen Wolke. Die frei fließende, feine und leichte Gouache zeichnet Dicker an den Rändern mit einer elegant fließenden roten Linie nach. Die Bildebene wird von Stangen durchzogen, eine davon schwarz, die andere mit rot-weißem Absperrband umwickelt. Nahtlos integriert Dicker das Vokabular alter und neuer Techniken in ihren Bildraum. Narrativ und Lesbarkeit versinken, wie in einem Traum, und sind nicht mehr vollständig zugänglich.

Indras Netz und die latente Interobjektivität der Kunst

Kunsthelden des 20. Jahrhunderts wie Picasso und Duchamp haben ihren Status der Tatsache zu verdanken, dass ihre Beiträge sich nachhaltig auf das auswirkten, was folgte – zum Beispiel, dass Kunst wie eine Sprache oder ein Alltagsobjekt das Medium eines Werks sein kann, sicherlich eine der beständigsten Strategien der zeitgenössischen Kunst. Aber was wäre, wenn wir Dicker-Brandeis in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken würden? Ein solches Gedankenexperiment ist womöglich gar nicht so radikal oder unmöglich, wie es klingen mag. Sie war ‹vernetzt› und hatte eine Verbindung zu den verschiedensten Medien, Idiomen und Strategien der modernen Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die zeitgenössische Hinwendung zu Interdisziplinarität, Zusammenarbeit und Relational Art beziehungsweise partizipativer Kunst macht uns empfänglicher für die Geschichte früherer Künstler*innen, die auf ähnliche

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Zwischen den Medien

Verhör, 1933–34

Die zumeist als Verhör betitelte Arbeit ist eines von drei erhaltenen Bildern, in denen sich Friedl Dicker mit ihrer Festnahme in Wien auseinandersetzte.1 Es ist das einzige dieser Gemälde, das nicht in Öl und auf festem Bildgrund ausgeführt ist.2 Stattdessen griff Dicker hier auf die ihr vertraute Technik der Collage auf Karton zurück. Aus mit Gouache bemalten Papier- und Zeitungsschnipseln klebte sie ein Gesicht, das trotz seiner fragmentarischen Zusammensetzung als anschauliches Ganzes erscheint. Die Technik der Collage mit farbigen Papierstücken hatte Dicker zunächst bei Johannes Itten geübt3 und lehrte sie infolge auch selbst ihren Schüler*innen in Prag und Theresienstadt. Edith Kramer, eine ehemalige Schülerin Dicker-Brandeis’ während ihres Aufenthalts in Prag –also in ebenjener Zeit, in der auch dieses Gemälde entstanden ist – erinnert sich, dass sie «bei ihr viele Kompositionen mit farbigem Papier gemacht» habe.4

Wie so oft beschränkte sich Dicker auch hier nicht auf ein einziges bildgebendes Werkzeug, sondern mischte verschiedene Techniken miteinander, etwa feucht-flüssige Gouache mit trocken-fester Kreide. Ebenso heterogen gestaltet sich ihre Strich- und Pinselführung. Ein pastoser weicht stellenweise einem lasierenden Farbauftrag; eine geradlinige Pinselführung einer zirkulierenden; ein scharf gezogener Kreidestrich einem breiten Kreidestreifen; und nicht zuletzt ein geschwungener einem geraden Scherenschnitt. Dennoch erweckt die Gesamtkomposition einen kohärenten Eindruck. Das Gesicht taucht expressionistisch aus einem Farbnebel auf. Seine hellsten Stellen setzen sich aus drei orthogonal zueinander geklebten und teilweise übermalten Zeitungsausschnitten zusammen. Ganz in der Tradition der avantgardistischen Collage verwandelte Dicker die gedruckte Schrift der Zeitung in darstellende Schraffur – Text wird zu Textur. Der Zeitungstext ist also weniger zu lesen, sondern vielmehr als Bildvehikel wahrzunehmen. Trotzdem fungiert die Zeitung hier als Index, der als Zeitzeuge, als Fragment der außerbildlichen Realität auftritt. So führt uns die tschechischsprachige Zeitung in die damalige Tschechoslowakei – ein Ort, der die Flucht und das Exil von Friedl Dicker markiert. Zuvor kam es in Österreich aufgrund des am 26. Mai 1933 von der christlich-sozialen Regierung unter Kanzler Engelbert Dollfuß verhängten Verbots der Kommunistischen Partei zu zahlreichen Razzien und Massenverhaftungen.5 Dicker

1 Dicker wurde 1932 angeklagt, Pässe gefälscht zu haben, da in ihrem Atelier solche aufgefunden wurden. Siehe Katharina Hövelmann, Bauhaus in Wien? Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer, Wien/Köln: Böhlau Verlag, 2021, S. 429.

2 Die anderen zwei motivisch verwandten und mit Verhör I und Verhör II betitelten Bilder sind jeweils in Öl auf Holz oder auf Leinwand ausgeführt. Beide befinden sich in der Sammlung des Jüdischen Museums in Prag und werden vonseiten des Museums auf die Entstehungsjahre 1934–35 geschätzt.

3 Siehe Julie M. Johnson, The Other Legacy of Vienna 1900: The Ars Combinatoria of Friedl Dicker-Brandeis, in: Austrian History Yearbook, 51, 2020, S. 243–268, hier S. 262; zu dieser Technik in Ittens Lehre siehe Rainer K. Wick, BauhausPädagogik, Köln: DuMont, 1982, S. 79.

4 Edith Kramer, Erinnerungen an Friedl Dicker-Brandeis [Vom September 1988, am Grundlsee], in: Kat. Franz Singer – Friedl Dicker. 2 x Bauhaus in Wien, Wien: Hochschule für angewandte Kunst in Wien, Wien: 1989, S. 16–18, hier S. 17.

5 Siehe Walter Baier, Das kurze Jahrhundert. Kommunismus in Österreich. KPÖ 1918 bis 2008, Wien: Edition Steinbauer, 2009, S. 37f.

6 Dies gilt als wahrscheinlich, obwohl es keine konkreten Quellen zu ihrem Beitritt zur KPÖ gibt, siehe Hövelmann 2021, S. 133.

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selbst trat vermutlich gegen 1931 der Kommunistischen Partei Österreichs bei.6 Ein Jahr später wurde Dickers Atelier durchsucht, wo gefälschte Pässe gefunden wurden. Daraufhin wurde die Künstlerin wegen Dokumentenfälschung angeklagt.7 Nach ihrem Verhör 19328 und der anschließenden, insgesamt dreimonatigen Inhaftierungen floh die Künstlerin 1933 von Wien nach Franzensbad.9 In Anbetracht dieser Umstände mag die Wahl des Bildträgers – ein an den Ecken ausgefranster Karton – als improvisierte Notlösung erscheinen. Die wohl nicht zufällig gewählte Annoncensektion eines der Zeitungsausschnitte stellt einen weiteren Realitätsbezug zu ihrem und dem Leben vieler Arbeiter*innen jener krisengeplagten Zwischenkriegszeit her: Die Stellenanzeigen weisen auf ihre eigene Arbeitslosigkeit nach der Ankunft im neuen Land wie auch auf die allgemein hohe Arbeitslosigkeit der Krisenzeit vor dem Zweiten Weltkrieg hin. Während der Titel Verhör das Dargestellte in Wien verortet, verweist die Zeitung auf die sich anbahnende Zäsur im Leben der Künstlerin. Vermutlich handelt es sich bei dem Gesicht um ein Selbstbildnis Dickers.10 So scheint die (zukünftige) Flucht aus Wien der Künstlerin förmlich ins Gesicht geschrieben zu sein. Dessen Mimik trägt angesichts der bedrohlichen Situation eines polizeilichen Verhörs ein enigmatisches Lächeln zur Schau. Auch die tiefschwarzen Augen sind von hoher expressiver Kraft. Obwohl keine Pupillen erkennbar sind, blickt uns die Dargestellte aus den Tiefen ihrer Augenhöhlen eindringlich an. Die expressionistisch anmutenden Verhör-Gemälde markieren nicht nur einen persönlichen Bruch im Leben von Friedl Dicker, sondern kündigen auch eine inhaltliche sowie materielle Neuorientierung der Künstlerin an. Die Fokussierung auf sozio-politische Inhalte in den frühen 1930erJahren, die sie in der Technik der Fotomontage verhandelte, verschiebt sich nun hin zu Landschaften, Stillleben � S. 164 und expressionistischen Porträts, für die Dicker die Techniken der Öl- und Pastellmalerei bevorzugen wird.

7 Siehe Hövelmann 2021, S. 134. Angeblich hatte Dicker die Pässe nur für Freunde aufbewahrt und nicht selbst gefälscht, siehe Kramer 1989, S. 16. Siehe auch die Aussage Franz Singers, in der er behauptete, Dicker könne «keine grade Linie ziehen», die ihr die Freilassung verschaffte, vgl. Elena Makarova, Kat. Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre. Wien –Weimar – Prag – Hronov –Theresienstadt – Auschwitz, Wien/München: Christian Brandstätter, 2000, S. 23.

8 Entgegen der Auffassung, wonach Dicker während des Februaraufstandes 1934 festgenommen wurde (siehe etwa Makarova 2000, S. 238), bezeugen Melde- und Entlassungsscheine aus dem Wiener Stadt- und Landesarchiv, Signatur 2.5.1.4.K11.Dicker Friedl.30.7.1898, dass die Künstlerin zweimal aus der Haft entlassen wurde – einmal am 21.12.1931 und das zweite Mal am 11.9.1932. Siehe dazu auch Hövelmann 2021, S. 134.

9 Ein Meldezettel dem Wiener Stadt- und Landesarchiv belegt, dass Dicker sich am 24.6.1933 aus Wien abmeldet und das tschechoslowakische Franzensbad als neuen Wohnort angibt. In Franzensbad existierte bis zum Zweiten Weltkrieg eine große jüdische Gemeinde.

10 Julie M. Johnson wirft mit Bezug auf die Gemälde Verhör I und Verhör II die Frage auf, ob hier das Gesicht der verhörenden Person oder das der Angeklagten, also der Künstlerin selbst, dargestellt ist. Siehe Johnson 2020, S. 263.

Die damals als «Bubikopf» bezeichnete Kurzhaarfrisur, die in Fotografien von Dicker aus der Prager Zeit dokumentiert ist und die auch hier zum Vorschein kommt, könnte jedoch ein Hinweis darauf sein, dass es sich um ein Selbstbildnis handelt. Andererseits könnte Dicker die Zuschreibung auch absichtlich ambivalent gehalten haben.

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Verhör III, 1933–34 Inv.nr. 8703

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Friedl Dicker-Brandeis, Don Quijote & Lenin, 1940, Öl auf Leinwand, 77 × 100 cm Privatsammlung

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Kunst im Angesicht des Faschismus

Zum Politischen im Werk von Friedl Dicker-Brandeis ca. 1930 bis 1942 1

Vergangenes historisch artikulieren heißt nicht, es erkennen ‹wie es denn eigentlich gewesen ist›. Es heißt, sich einer Erinnerung zu bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt. Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte 2

I.

Zwei weiß lackierte Stühle stehen im Zimmer eines Altbaus. Der Altbau, vermutlich in Wien, das Zimmer, vielleicht ein Raum, in dem Friedl Dicker lebte, bevor sie 1933, kurz nach Ende ihres Gefängnisaufenthalts aufgrund einer Verurteilung wegen angeblicher Dokumentenfälschung in die damalige Tschechoslowakei emigrierte.3 In diesem Innenraum hat eine den heutigen Betrachter*innen unbekannte Person, womöglich Dicker selbst, nacheinander insgesamt neun 1,2 × 1/0,9 Meter große Tafeln4 aus Holzfaser und Sperrholz dokumentiert, die in unterschiedlichen Techniken bemalt, beschriftet und mit Ausschnitten aus Schwarz-Weiß-Fotografien und ausgeschnittenen Schriften beklebt wurden: Es handelt sich um sechs großformatige Fotocollagen der Künstlerin Friedl Dicker � S. 200, die sich als linkspolitisch positionierte Agitationsbilder einordnen lassen. Die erhaltenen Glasnegative,5 die mit einer Fachkamera angefertigt wurden, zeigen somit künstlerische Arbeiten Dickers, die zwar offenkundig eine größere Öffentlichkeit adressierten, jedoch anstatt in ihrem ‹natürlichen› Milieu –in einer politischen Ausstellung oder einem Arbeiterklub – in diesen Privaträumlichkeiten inszeniert wurden.6 Mit Ausnahme eines Paars zeigen die Aufnahmen jeweils einzelne, um 90 Grad gedrehte, auf zwei Stühlen platzierte Tafeln, deren Unterkanten die Sitzflächen berühren, und hinter deren Oberkanten sich das Relief einer geschreinerten Türe abzeichnet. Links der Fotocollagen wird ein gefliester, nach oben hin abgetreppter Kamin sichtbar. In der das Tafelpaar zeigenden Fotografie ist ganz rechts ein mit einem karierten Leintuch bespanntes Bett erkennbar.7 Darüber befinden sich drei Steckdosen, aus denen ein Elektrokabel nach unten hängt. Die Linke der beiden Tafeln liegt auf zwei schmalen Büchern auf, eines davon eine Ausgabe von Friedrich

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Engels’ Der deutsche Bauernkrieg (1850). Während die Fotocollagen selbst bereits kurze Zeit nach ihrer Dokumentation verschwinden und mit ihnen sämtliche Informationen zu ihrem konkreten Entstehungskontext (Auftrag, Funktion, Ausstellungsort), wird Friedl Dickers Freundin Anny Wottitz-Moller die Glasnegative während der Zeit des Nationalsozialismus aufbewahren. Ihre Erb*innen werden sie zusammen mit anderen erhaltenen Arbeiten der Künstlerin ab den 1990er-Jahren einem breiten Publikum zugänglich machen und so die erste detaillierte kunsthistorische Auseinandersetzung ermöglichen.8

Die hier skizzierte Konstellation des Erscheinens und Verschwindens der Fotocollagen Dickers ist charakteristisch für die mehrfache Prekarität, welche ihr künstlerisches Gesamtwerk durchzieht: Wir begegnen einer in ihrer materiellen Substanz verloren gegangenen künstlerischen Arbeit, die nur als Reproduktion erhalten blieb, und zu deren ursprünglichen Produktions- und Rezeptionskontexten kaum Primärquellen existieren. Dies betrifft etwa auch die gesamte gebaute Architektur (mit Ausnahme einiger Möbel), die die Künstlerin in ihrer langjährigen Ateliergemeinschaft mit Franz Singer entworfen hatte. Sie wurde zerstört und ist heute nur noch fragmentarisch über Fotografien oder Entwurfsgrafiken übermittelt. Ein Großteil der in der Literatur angeführten kontextuellen Informationen entstammt nicht schriftlichen Dokumenten, sondern der mündlichen Überlieferung durch Zeitzeug*innen an die Kunsttherapeutin und Dicker-Biografin Elena Makarova. Diese veröffentlichte ihre Informationen jedoch in Form einer Erzählung von Dickers Leben ohne genauere quellenkritische Kommentare.9

Dennoch, die Reproduktionen der Fotocollagen verraten selbst einiges über die Umstände ihrer eigenen Herstellung und bieten so ihrer sozial- und kunsthistorischen Interpretation einen relevanten Rahmen. Denn der bisher unbeachtet gebliebene domestische Raum, in dem sie inszeniert wurden, erweist sich nicht nur als einfache Erweiterung der Evidenzen, auf die sich die Biograf*in in ihrer Erzählung berufen kann. Als jenseits der öffentlichen Sphäre10 positionierter Ort der sozialen Reproduktion und der unbezahlten ‹weiblichen› Arbeit, wie er bis heute in der politischen Ökonomie marginalisiert wird, reflektiert er die spezifischen Lebens- und Arbeitsbedingungen, unter denen die Collagen von ihrer Autorin um 1930 hergestellt wurden: Als aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende und lange unverheiratete jüdische Frau musste sie von Kindheit an mit klassistischer, antisemitisch-rassistischer und misogyner Diskriminierung umgehen. Zwar kannte sie bedeutende Intellektuelle und Personen in und außerhalb des Kunstbetriebs, konnte sich aber nie institutionell verankern, schloss sich abseits ihrer Kooperationen mit dem Dramaturgen Berthold Viertel und dem Architekten Franz Singer keiner der bekannten Künstler*innen-Gruppen der europäischen Avantgarde an und profitierte entsprechend auch nicht von deren transnationalen Disseminationsstrategien.11 Zudem verfügte sie über keine größeren Rücklagen, sondern musste ihren Lebensunterhalt aus eigener Arbeit bestreiten – eine Notwendigkeit, deren Bewerkstelligung mit der ‹Machtergreifung› der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 sowie dem sogenannten ‹Anschluss› 1938 massiv erschwert und nach ihrer Deportation nach Theresienstadt verunmöglicht wurde.12

Diese privaten und politischen ‹Umstände›, unter denen Friedl Dicker-Brandeis in den 1930er-Jahren bis zu ihrer Deportation ins KZ Theresienstadt (über)lebte, haben sich wie die Ränder der beschriebenen Fotografien scheinbar zufällig in die Form ihrer

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künstlerischen Arbeiten eingeschrieben: Der aus dem Hintergrund hervortretende ‹private Rahmen› innerhalb der Fotografien regt dazu an, die Rolle des ‹Privaten› als ein dem Werk scheinbar Äußerliches oder Unpolitisches zu überdenken. In der nachfolgenden Untersuchung des Verhältnisses von Kunst und Politik in Dicker-Brandeis’ späterem Werk möchte ich diesem Aspekt Rechnung tragen. Über inhaltliche und formale Werkanalysen möchte ich exemplarisch eine Art der Interpretation vorschlagen, die den ästhetischen Modus des Politischen in den Arbeiten von Dicker-Brandeis verdeutlicht und diesen in einen konkreten Bezug zur ‹privaten› Biografie der Künstlerin stellt, um so die scheinbare Trennung von Politik, Kunst und Privatem zu hinterfragen, die insbesondere im Falle von marginalisierten Personen wie Dicker-Brandeis in Zweifel zu ziehen ist. Ich möchte im Zuge dessen auch versuchen, die oft vage bleibende ‹kommunistische› oder ‹linke› Verortung der Künstlerin innerhalb zeitgenössischer gesellschafts- und parteipolitischer Entwicklungen mittels genauer Betrachtungen zu Form und Inhalt ihrer künstlerischen Arbeit nachzuschärfen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welchen Umgang Dicker-Brandeis mit den sich in den 1930er- und 1940er-Jahren insbesondere für jüdische Sozialist*innen rapide verschlechternden Produktions-, Distributions- und Publikumsverhältnissen fand, und wie sich dieser in ihren künstlerischen Strategien und Ausdrucksformen konkret artikulierte.

II. Während Dickers Frühwerk meist im Hinblick auf formal-ästhetische Aspekte beziehungsweise auf die Rezeption bildnerischer Strategien der internationalen Avantgarden am Bauhaus betrachtet wird, taucht die Bezeichnung ‹politisch› vorwiegend in Beschreibungen ihrer späteren Werke auf, allen voran der bereits erwähnten Fotocollagen sowie der unmittelbar nach Dickers Emigration in die Tschechoslowakei 1933 entstandenen Verhör-Serie � S. 152. Tatsächlich begann die Künstlerin erst in den 1930er-Jahren damit, ihre politische Haltung explizit in ihre künstlerische Produktion hineinzutragen. Sie kam jedoch bereits zu einem frühen Zeitpunkt mit linkspolitischen Ansichten in Berührung. Bereits in den 1910er-Jahren begannen teils langjährige Freundschaften mit Personen aus dem Umfeld der zionistisch-sozialistischen Wiener

Warenüberfluss (Detail), 1932–33 Inv.nr. 15.590/3/FW

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Fotocollagen

, 1932–33

Die Originalfassungen von Dickers Fotocollagen gelten heute als verschollen oder vernichtet. Nur noch auf acht Glasplatten erhaltene Negativfotografien geben diese vermutlich farbigen Arbeiten in Graustufen wieder.1 Die Platten zeigen sechs großformatige Tafeln, die alle im selben häuslichen Innenraum – in den Hintergründen lässt sich dasselbe Bett wiedererkennen – abgelichtet worden sind. Angesichts ihrer nahenden Emigration ins tschechoslowakische Franzensbad Ende Juni 1933 beabsichtigte Dicker mit diesen fluchtartig aufgenommenen Fotografien vermutlich, jene Arbeiten, die sie nicht mitnehmen konnte oder durfte, zu dokumentieren. Möglicherweise hat die Künstlerin die Originale aufgrund ihrer dezidiert linksgerichteten politischen Inhalte selbst vernichtet.2 Die Kommunistische Partei war am 26. Mai 1933, also knapp einen Monat vor Dickers Flucht, unter Kanzler Engelbert Dollfuß verboten worden.3

Es liegt nahe, die Entstehung der Fotocollagen mit der Agitprop-Abteilung der KPÖ in Bezug zu setzen, in der strategische Agitation gegen den Faschismus und Propaganda für kommunistische Agenden betrieben wurde.4 Dass die Arbeiten noch in Wien entstanden sind, lassen nicht nur die darin zum Einsatz kommenden deutschsprachigen Textausschnitte vermuten, sondern auch ein in der Collage Gegenwart und Zukunft des Kindes vorzufindender Zeitungsschnipsel, der die Datierung auf 1932–33 als einen terminus post quem nahelegt. Die auf etwa 120 × 90 cm geschätzten Maße lassen auf Großformate, womöglich für Agitations- oder Ausstellungszwecke, schließen.5 In ihrer figurativen Dimension weisen die Bilder eine hohe Dichte an zusammengetragenem Zeitungsmaterial auf, während sie in ihrer schriftlichen Dimension sowohl montierte Zeitungszeilen als auch von Dicker selbst gestaltete Schrifttypen beinhalten. Obwohl jedes Bild eine klare und geordnete Komposition aufweist, ist in Dickers Fotocollagen eine augenblickliche Erfassung des Bildgeschehens unmöglich.6 Formal erinnert deren fragmentierte Struktur etwa an Hannah Höchs (1889–1978) oder Paul Citroens (1896–1983) dadaistische Fotocollagen der frühen 1920er-Jahre. Jedoch handelt es sich bei Dickers Arbeiten nicht um reine Collagen, sondern um eine Mischtechnik mit Fotomontage-Effekten – scheinen doch Skalierungen, flüssiger Farbstoff und Retuschen angewendet worden zu sein. So ist der für die Collage beziehungs-

1 Das historische Speichermedium des Glasnegativs stellt bereits um die Jahrhundertwende ein überholtes und hauptsächlich von gelernten Fotograf*innen benutztes Trägermaterial dar. Da die schwere Glasplatte weniger alltagstauglich war als der biegsame Rollfilm, wurde sie sukzessive gänzlich vom Negativfilm abgelöst, siehe dazu Willfried Baatz, Geschichte der Fotografie, Köln: DuMont, 1997, S. 65.

2 Einen Hinweis auf Dickers kommunistische Orientierung liefert auch eine für eine Fotografie zur Begradigung der Fotomontage Gegenwart und Zukunft des Kindes benutzte Ausgabe von Der Deutsche Bauernkrieg von Friedrich Engels.

3 Siehe Walter Baier, Das kurze Jahrhundert. Kommunismus in Österreich. KPÖ 1918 bis 2008, Wien: Edition Steinbauer, 2009, S. 37.

4 Dicker trat um 1931 der KPÖ bei. Konkrete Quellen zu ihrem Beitritt zur KPÖ gibt es nicht, nur die Erinnerungen von Zeitzeuginnen aufgenommen von Elena Makarova. Siehe dazu Katharina Hövelmann, Bauhaus in Wien? Möbeldesign, Innenraumgestaltung und Architektur der Wiener Ateliergemeinschaft von Friedl Dicker und Franz Singer, Wien/Köln: Böhlau Verlag, 2021, S. 133.

5 Vgl. Angelika Romauch, Friedl Dicker. Marxistische Fotomontagen 1932/33. Das Verfahren der Montage als sozialkritische Methode, Wien: unpubl. Dipl., 2003, S. 100.

6 Siehe zu diesem Aspekt einen Vergleich mit den zeitgleich entstandenen Fotomontagen John Heartfields (1891–1968) bei Elena Makarova, Kat. Friedl Dicker-Brandeis. Ein Leben für Kunst und Lehre. Wien – Weimar – Prag –Hronov – Theresienstadt –Auschwitz, Wien/München: Christian Brandstätter, 2000, S. 22 sowie bei Romauch 2003, S. 48–51.

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Fürchtet den Tod nicht, 1932–33 Inv.nr. 15.590/7/FW

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den 1. und den 8. Bauhaus-Abend

Einladungen für

«Für den Künstler der Handschrift ist der Inhalt seines Schreibens nur ein Vorwand, wie für den Maler das Motiv seines Bildes.»1 Mit dieser Feststellung leitet die deutschjüdische Dichterin Else Lasker-Schüler (geboren 1869 in Elberfeld, heutiges Wuppertal, gestorben 1945 in Jerusalem) ihren Essay Handschrift ein, in dem sie sich mit der «Kunst der Buchstaben» befasst.2 Auch Friedl Dicker beschäftigt sich in der Gestaltung zweier Einladungen zu Bauhaus-Abenden3 mit Lasker-Schüler und Helge Lindberg primär mit den bildlichen beziehungsweise kalligrafischen Eigenschaften von Schrift. So setzt Dicker mannigfaltig entworfene Schrifttypen ein, um diese Einladungen, die beide mithilfe des lithografischen Flachdruckverfahrens entstanden sind, zu gestalten.4 In beiden Entwürfen behält die Schrift zwar ihren sprachlichen Wert, wird in ihrer bildlichen Funktion stellenweise aber mit Nachdruck betont, indem sie etwa die Aufgabe eines Ornaments oder einer Schraffur übernimmt. Die Schrift erfährt eine Verräumlichung. Zudem entwickeln sich die Schriftzeichen bei Dicker kaum linear und folgen keiner kulturell vorgegebenen Schreibrichtung, etwa von links nach rechts, sondern breiten sich in freien Pfaden auf dem Blatt aus. Diese verspielte und freie Form entspricht ganz den stilistischen Merkmalen ihrer lithografischen Entwürfe jener Zeit. Vielgestaltigkeit von Strichführung und Schraffur stellen in allen Lithografien Dickers eines der primären Gestaltungsprinzipien dar, das in den Text erfordernden Einladungen um die Vielfalt der Schrifttypen erweitert wird. Deren Schriftzüge geben in beiden Fällen nichts anderes als den Vor- und Nachnamen der Protagonistin / des Protagonisten der jeweiligen Abende preis.

Für das Recto der Einladung zur Lesung von Else Lasker-Schüler am 14. April 1920 fertigte Dicker ihren Entwurf mit lithografischer Tusche oder Feder an.5 Zu diesem Zeitpunkt hatte die Dichterin durch Publikationen in Der Sturm und Die Fackel sowie eine Reihe von eigenen Gedichtbänden bereits Bekanntheit erlangt.6 Dicker inkorporiert hebräische Motive, die Lasker-Schüler in ihrer Lyrik oftmals mit indischen, «ägyptischen, arabischen, ganz allgemein orientalischen eigentümlich verschmelzen» lässt.7 So ist etwa der fünfzackige Davidstern zweimal zu erkennen,8 einmal in zerfranstem Stil über den Palmen9 –

1 Else Lasker-Schüler, Handschrift, in: Der Sturm, 39, 1910, S. 309f., hier S. 309.

2 Lasker-Schüler 1910, S. 310.

3 Die Bauhaus-Abende waren eine ab 1920 initiierte und jeden Mittwoch stattfindende Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, Lesungen und Konzerten. Bereits 1919 verankert Gropius die Teilnahme am öffentlichen Leben als Teil der Ausbildung in seinem Programm des Bauhauses, siehe Walter Gropius, 1919: Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses Weimar, in: Programme und Manifeste der Architektur des 20. Jahrhunderts. Bauwelt Fundamente 1, hg. von Ulrich Conrads, Basel: Birkhäuser, 2013, S. 47–51, hier S. 49. Siehe dazu auch Peter Bernhard, Die BauhausVorträge als Medium interner und externer Kommunikation, in: Bauhaus Kommunikation. Innovative Strategien im Umgang mit Medien, interner und externer Öffentlichkeit, hg. von Patrick Rössler, Berlin: Mann, 2009, S. 171–185.

4 Ende des gleichen Jahres übernimmt Dicker auch für Johannes Ittens Almanach Utopia zahlreiche typografisch-gestalterische Aufgaben, unter anderem die Illustration des Kapitels Analysen Alter Meister. Elena Makarova zufolge war es ihre Aufgabe, «eine Schrift zu erfinden, die das Lesen selbst zu einer Meditation macht», in: Makarova 2000, S. 16. Siehe dazu auch einen Brief vom Bauhaus an Anny Wottitz von Ende 1920, wo sie über die stundenlange Arbeit an der Setzung und über die Typografie berichtet. Inv.nr. 13.705/Aut/5.

5 Siehe Verso der Einladung in Peter Bernhard, Frau Lasker-Schüler hatte uns mit ihren Staccato-Versen völlig im Bann, in: Bauhausvorträge. Gastredner am Weimarer Bauhaus 1919–1925, hg. von Peter Bernhard, Berlin: Bauhaus-Archiv, 2017, S. 85–102, hier S. 99. Bereits im

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Einladung für den 1. Bauhaus-Abend: Lesung mit Else Lasker-Schüler am 14. April 1920, 1920 Inv.nr. 2353

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2002) war mit dem Arzt Kurt Lingens (1912–1966) verheiratet. 1942 wurden sie von der Gestapo verhaftet, weil sie jüdischen Mitbürger*innen zur Flucht verholfen hatten. Ella Reiner-Lingens musste von 1942 bis 1945 als Häftlingsärztin in KZs arbeiten.

8 Alfred Breslauer (1897–1943) übernahm Anfang der 1920er-Jahre die Metallwarenfirma Johann Andreas Frank in Reichenberg. Er wurde in Auschwitz ermordet.

9 Viktor Kraus (1887–unbek.) arbeitete in Reichenberg für die Textilfirma Carl Kraus Sohn Viktor. Schicksal unbekannt.

10 Die Kindergartenpädagogin Hedwig Schwarz, geb. Fleischl (1892–1968) arbeitete in dem Montessori-Kindergarten im Goethehof in Wien, den das Atelier von Dicker und Singer von 1930 bis 1932 gestaltet hatte. Nach der Entlassung der dort tätigen Pädagoginnen unter dem Dollfuß-Regime gründete sie zunächst einen Privatkindergarten in Wien und flüchtete schließlich nach London.

11 So zum Beispiel bei den Wohnungen Téry-Buschmann (1929–30) und ReymersMünz (1930).

12 Dazu zählt auch eine Wohnungsgestaltung für Hans Hellers Cousin Karl Heller (1899–1980).

13 Siehe Hans Heller, Zwischen zwei Welten. Erinnerungen, Dokumente, Prosa, Bilder, Wels: Ovilava-Libri, 1985, S. 43.

14 Gisela Urban, A Viennese Entertains, in: Independent Woman, 11, 1932, S. 400f.

15 Amelia S. Levetus, A most valuable one-room flat, in: The Evening Standard, 26.7.1934, S. 18.

16 Siehe rückseitige Beschriftung des Fotos: BHA, Fotosammlung, Franz Singer, Inv.nr. 7751/8.

17 Zu Dickers Textilarbeiten und ihrem Anteil im Atelier siehe Katharina Hövelmann, Die Textilien der BauhausKünstlerin Friedl Dicker: Raumgestaltung und Möbeldesign, in: Textile Moderne/ Textile Modernism, hg. von Burcu Dogramaci, Köln: Böhlau, 2019, S. 205–215; Katharina Hövelmann, Friedl Dickers Beitrag in der Ateliergemeinschaft mit Franz Singer. Eine kreative Zusammenarbeit, in: Kat. Friedl Dicker-Brandeis (1898–1944), hg. von Brigitte ReutnerDoneus und Hemma Schmutz, Lentos Kunstmuseum Linz, München: Hirmer, 2022.

18 Siehe Hajo Düchting, Farbe am Bauhaus. Synthese und Synästhesie, Berlin: Mann, 1996, S. 13.

19 Siehe Clark V. Poling, Kandinsky-Unterricht am Bauhaus. Farbenseminar und analytisches Zeichnen dargestellt am Beispiel der Sammlung des Bauhaus-Archivs, Berlin: Kunstverlag Weingarten, 1982, S. 43.

20 Siehe Theo van Doesburg, Der Wille zum Stil. Neugestaltung von Leben, Kunst und Technik (Schluß), in: De Stijl, 3, 1922, S. 33–41.

21 Van Doesburg hatte sich erfolglos für eine Lehrstelle am Bauhaus beworben und richtete daraufhin 1922 im Atelier des Bauhaus-Studenten Karl Peter Röhl in Weimar einen De-Stijl-Kursus ein, um die Prinzipien der De-Stijl-Bewegung den Bauhaus-Studierenden zu vermitteln.

22 Siehe rückseitige Beschriftung des Fotos: BHA, Fotosammlung, Franz Singer, Inv.nr. 7751/68.

23 Siehe Patent, Franz Singer, Diwanbett, Patentamt Österreich, 125629, angemeldet: 24.9.1929, Beginn: 15.7.1931, ausgegeben: 25.11.1931.

24 Siehe Walter Gropius, Bauhausbauten Dessau, Reihe Bauhausbücher, Bd. 12, München: Langen, 1930, S. 110.

25 Franz Schuster, Eine eingerichtete Kleinstwohnung, Frankfurt a. M., 1927.

26 o. A., Das richtige Wohnen. Das moderne Wohnprinzip: Ökonomie der Zeit, des Raumes, des Geldes und der Nerven. Franz Singer Möbel, in: Kölner Tageblatt, 29./ 30.8.1931, o. S.

27 Wilhelm Lotz, Möbel und Wohnraum, in: Die Form. Zeitschrift für gestaltende Arbeit, 2, 1931, S. 42.

28 Privatsammlung Georg Schrom, Brief Hans Heller an Franz Singer, 1934.

29 Hans Heller, Zwischen zwei Welten. Erinnerungen, Dokumente, Prosa, Bilder, Wels: Ovilava-Libri, 1985, S. 49.

30 Ebd.

31 Privatsammlung Georg Schrom, Brief Peter Heller an Matthias Boeckl, 10.2.1993.

32 Siehe Selim O. ChanMagomedow, Design, Architektur, Agitations- und Gebrauchsgraphik im Schaffen Alexander Michailowitsch Rodtschenkos, in: Rodtschenko. Aufsätze, Autobiographische Notizen, Briefe, Erinnerungen, Dresden: Verlag der Kunst, 1993, S. 44.

33 Siehe Daniela Stöppel, Falten, Klappen, Knicken als ästhetische Konzepte der Zwischenkriegszeit in Möbelgestaltung, Architektur und Grafikdesign, in: Modern Wohnen. Möbeldesign und Wohnkultur der Moderne, hg. von Rudolf Fischer/Wolf Tegethoff, Berlin: Gebr. Mann Verlag, 2016, S. 135, 143f. Siehe zu diesem Zusammenhang auch den Beitrag von Daniela Stöppel in diesem Band.

34 Privatsammlung Georg Schrom, Brief Peter Heller an Matthias Boeckl, 10.2.1993.

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Katharina Hövelmann

mit Franz Singer, Entwurf für die Wohnung von Hans Heller, Karolinengasse, Wien IV.: Kombiniertes Schlaf-, Wohn- und Esszimmer für einen Junggesellen, 1927–28 Inv.nr. 9394/1

311

mit Franz Singer, Entwurf für die Wohnung von Hans Heller: Farbstudie für den Fußboden, um 1927 Inv.nr. 9394/4

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mit Franz Singer, Entwurf für die Wohnung von Hans Heller: Farbstudie für den Fußboden im Vorzimmer, um 1927 Inv.nr. 9394/5

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mit Franz Singer, Entwurf für die Wohnung von Hans Heller: Raumansicht, um 1927 Inv.nr. 9394/2

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mit Franz Singer, Entwurf für die Wohnung von Hans Heller: Raumansicht, um 1927 Inv.nr. 9394/3

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Impressum

Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer, Linda Schädler (Hrsg.)

Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv Leitung: Cosima Rainer

Begleitend zu dieser Publikation war die Ausstellung Friedl Dicker-Brandeis. Werkstätten bildender Kunst (Gestaltung: Robert Müller) vom 23. September bis 26. November 2022 in der Universitätsgalerie der Universität für angewandte Kunst Wien im Heiligenkreuzerhof in Wien zu sehen. Weitere Station der Ausstellung: Eine Künstlerin der Moderne. Friedl DickerBrandeis, 29. März bis 18. Juni 2023, Graphische Sammlung ETH Zürich

Universität für angewandte Kunst Wien, Kunstsammlung und Archiv Postgasse 6, A-1010 Wien www.dieangewandte.at www.kunstsammlungundarchiv.at

ETH Zürich

Graphische Sammlung Rämistrasse 101, CH-8092 Zürich https://gs.ethz.ch/

Die Graphische Sammlung ETH Zürich ist Teil der ETH-Bibliothek.

Konzept

Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer

Projektleitung «Edition Angewandte» für die Universität für angewandte Kunst Wien Anja Seipenbusch-Hufschmied, A-Wien

Content and Production Editor für den Verlag Katharina Holas, A-Wien

Redaktion

Stefanie Kitzberger, Laura Egger-Karlegger, Eva Marie Klimpel Werkliste

Laura Egger-Karlegger, Eva Marie Klimpel Bibliografie

Laura Egger-Karlegger, Eva Marie Klimpel

Biografie Friedl Dicker-Brandeis

Laura Egger-Karlegger, Eva Marie Klimpel Liste von Ausstellungen, Theatervorstellungen, Liederabenden, Messebeteiligungen und Vorträgen

Laura Egger-Karlegger, Eva Marie Klimpel Produktion

Laura Egger-Karlegger, Sofie Mathoi Bildredaktion

Lian Hannah Walter, Laura Egger-Karlegger Reproduktionen der Bestände aus Kunstsammlung und Archiv

Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com

Grafische Gestaltung

Martha Stutteregger Lektorat Jeanette Pacher Übersetzungen ins Deutsche Anja Schulte Litho

Pixelstorm Litho & Digital Imaging Druck

Holzhausen, die Buchmarke der Gerin Druck GmbH Papier Munken Polar 130 g/m²

Autor*innen

Laura Egger-Karlegger, Julie M. Johnson, Stefanie Kitzberger, Eva Marie Klimpel, Cosima Rainer, Robin Rehm, Bernadette Reinhold, Linda Schädler, Christian Scherrer, Noemi Scherrer, Hamida Sivac, Daniela Stöppel, Mark Wigley

Dank an Ann Adler, Tanja Aichberger, Dominik Buda, Judith Burger, Luisa Chmiel, Anita Dumfahrt, Nathalie Feitsch, Anette Freudenberger, Natalia Ganahl, Silvia Herkt, Katharina Hövelmann, Teresa Indjein, Rita Kersting, Konrad Krcal, Elena Makarova, Birgit Megerle, Evelina Merhaut, Robert Müller, Florian Pumhösl, Herbert und Katja Rainer, Kathrin Rhomberg, Angelika Romauch, Emanuel Scheib, Christian Scherrer, Georg Schrom, Anja Seipenbusch-Hufschmied, Daniela Singer, Jenni Tischer, Ines Turian, Heide Wihrheim, Georg Wolf, Gerd Zillner, Heidy Zimmermann, Heimo Zobernig

Cover: Atelier Friedl Dicker und Franz Singer, Entwurf für die Wohnung von Hans Heller, Farbstudie für den Fußboden im Vorzimmer, um 1927 (Detail), Inv.nr. 9394/5, © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien, Foto: kunst-dokumentation.com

Alle Arbeiten von Friedl Dicker-Brandeis aus der Sammlung der Angewandten: © Kunstsammlung und Archiv, Universität für angewandte Kunst Wien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

ISSN 1866-248X

ISBN 978-3-11-078907-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-078912-6 Englisch Print-ISBN 978-3-11-078906-5

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Anmerkungen

Sorgfältige Recherche und viel Zeit wurde der Ermittlung sämtlicher Rechteinhaber*innen gewidmet. Bei berechtigten, aber noch nicht abgegoltenen Ansprüchen bitten wir um Kontaktaufnahme.

Werktitel zu den künstlerischen Arbeiten von Friedl Dicker-Brandeis sind nur dann kursiv gestellt, wenn es sich um historisch dokumentierte Titel handelt oder die Betitelung in vergleichbarer Weise nachvollziehbar ist.

Doppelnamen bei Friedl Dicker-Brandeis und anderen zentralen Figuren werden nur dort verwendet, wo aufgrund der Jahreszahl eine Heirat nachvollziehbar oder aber kein spezifischer Bezug zu einer Datierung vorhanden ist. Eine Ausnahme ist Mark Wigleys Essay.

Produziert mit freundlicher Unterstützung durch die Edition Angewandte, den Zukunftsfonds der Republik Österreich, die ERSTE Stiftung, das österreichische Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, die Dr. Georg und Josi Guggenheim Stiftung, das Omanut, Forum für jüdische Kunst und Kultur sowie weitere Stiftungen, die anonym bleiben wollen.

Library of Congress Control
Number: 2022932174

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