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Tradition und Trend

Aus dem Leben

Die innigste Verbindung von Tradition und Trend

Wertvolles statt Wegwerfware: Im Sinne der Nachhaltigkeit rücken Produktqualität und Langlebigkeit bei immer mehr Menschen ins Blickfeld. Gleichzeitig hat Corona die Kochleidenschaft in Deutschland noch einmal befeuert. Mitten in der Schnittmenge aus Tradition und Trend: die Messermanufaktur Herder aus Solingen.

„Aus dem Leben“ ist eine Rubrik in den FFB Fondsgesprächen – über Trends in Gesellschaft, Kultur, Design und Konsum. Mit spannenden Geschichten zu Themen, die (auch) die Investmentwelt bewegen. Diesmal steht Nachhaltigkeit im Fokus – mit einer ganz außergewöhnlichen Produktidee.

Die Küchenschlacht“, „Das perfekte Dinner“, „Kitchen Impossible“ oder „Ready to beef“ – Kochshows im Fernsehen sind Quotenrenner. Auch weil es durch die pandemiebedingt geschlossenen Restaurants und Kantinen zuletzt einmal mehr hieß: Wir kochen zu Hause. Kochen zu Hause – dazu gehören auch das Schnippeln und Schneiden, das Schälen und Filetieren mit Messern. Die Nachfrage nach „Windmühlenmessern“ speist sich aber noch aus einer zweiten Quelle: dem Wunsch nach hochwertigen und langlebigen Produkten. Daher trifft die Windmühlenmesser-Manufactur Robert Herder aus Solingen den Nerv der Zeit. Das Unternehmen stellt Messer für Küche und Haushalt her, von außergewöhnlicher Qualität und Form – gemacht für Jahrzehnte. Darunter sind Koch- und Filiermesser, Tomaten- und Käsemesser, Geflügel- und Bratenmesser, Gemüsemesser mit Wellenschliff oder durchgehender Klinge. Neueste Produkte im Sortiment: die Käsemesser-Serie „Fromaĝo“, Fleischmesser für Grillen und Braten und „FreiForm“-Schneidebretter.

Vom Pließten und Blaupließten

Dabei setzt das Unternehmen, das im kommenden Jahr seinen 150. Geburtstag feiert, auf alte Handwerkskunst. „Gute Messer sind von Hand gemacht“, erklärt Giselheid Herder-

Scholz, die die Windmühlenmesser-Manufactur zusammen mit ihrem Cousin

„Immer wieder schicken Kunden ihre Lieblingsmesser oder Erbstücke nach Jahr- zehnten der Nutzung zur Reparatur: Der Holzgriff sei abgenutzt, ob man diesen nicht ersetzen könne. Über die Klinge fällt meist kein Wort. Denn diese ist in der Regel auch nach mehr als 60 Jahren noch scharf.“

Solinger Dünnschliff

Giselheid Herder-Scholz

Blaupließten: fertige Klinge auf dem Saum Reiden: das Vernieten

Frank Daniel Herder führt. Sie ist überzeugt: Im Messerhandwerk ist die menschliche Arbeit für viele Vorgänge unverzichtbar.

Das Schleifen und Pließten, eine besondere Form des Schleifens, spielen eine große Rolle dabei, genauer gesagt das „Blaupließten“. Dafür wird die Oberfläche der Klinge so fein geglättet und verschlossen, dass Rost etwas weniger Chance hat und die Schärfe noch erhöht wird. „Diese Arbeit benötigt sehr viel Feingefühl, Geschick, Geduld und ein gutes Auge, um die gewünschte Qualität zu erzielen.“ Dazu kommen das „Reiden“ – das Zusammenfügen von Klinge und Griff – und das „Ausmachen“, das feine Ausformen und Beschleifen der Griffe und des Erls, der Verlängerung der Klinge in den Messergriff. Seit einigen Jahren schafft es das Unternehmen wieder, in den alten Lehrberufen wie Schleifer, Pließter, Reider und Ausmacher junge Menschen auszubilden.

„Solinger Dünnschliff“ als Markenkennzeichen

Giselheid Herder-Scholz, die 1988 ins Unternehmen ihrer Familie einstieg, musste damals mit ihrem Cousin entscheiden: Setzen wir auf Automatisierung oder bleiben wir beim Handwerk? Ihre Überzeugung: Besser ist es, sich mit Besonderheiten hervorzuheben. „Unsere Nische heißt Carbonstahl, Dünnschliff, hohe Qualität. Das hat das Überleben gesichert.“

Mit dem 5-Euro-Messer aus dem Möbelhaus haben Windmühlenmesser nichts gemein. Anders als die große Masse werden sie noch immer nach dem Prinzip des „Solinger Dünnschliffs“ gefertigt. Dabei wird der Schliffwinkel weit oben angesetzt, die Klinge läuft schlank und sehr spitz auf die Schneide zu. „Das Ergebnis zeigt sich in der besonderen Schärfe und Schnitthaltigkeit“, erläutert Herder-Scholz. Diese traditionelle Schliffart werde selbst in Solingen kaum mehr praktiziert. „Dabei begründete sie einst die hohe Wertschätzung der Solinger Messer in aller Welt.“ Der sogenannte Walkschliff, ebenfalls aus der Solinger Tradition, findet sogar nur noch in der Herder-Manufaktur Anwendung.

Kochmesser

Klassiker mit Wellenschliff

Gabelspitz-Tomaten-und-Käsemesser

Brotsägemesser

Universalkäsemesser

„Gesamter Rohstoffkreislauf mitgedacht“ Gegründet hat das Unternehmen HerderScholz´ Urgroßvater Robert 1872. Auch damals schon war der Standort die Solinger

Alter Lehrberuf für junge Menschen: Pließter

„Manche Dinge machen wir wie vor 100 Jahren, andere aber nicht.“

Giselheid Herder-Scholz

Ellerstraße. „Manchmal schaue ich mir die ganz alten Produkte an, die vor meiner Geburt entstanden sind. Und dann denke ich: Mann, Wahnsinn, was die gemacht haben, wie schön das war“, erzählt Herder-Scholz. Ihr Verständnis von Tradition: etwas herübernehmen aus der alten Zeit, es zu transportieren in die neue Zeit – und dabei das Besondere nicht zu verlieren. „Manche Dinge machen wir wie vor 100 Jahren, andere aber nicht.“

Die Windmühle in Firmenlogo und -namen kommt nicht von ungefähr: Firmengründer Robert Herders Sohn Paul, just 1872 geboren, bereiste zur Auslotung von Vermarktungsmöglichkeiten Belgien und die Niederlande. Die Windmühlen dort waren für ihn ein passendes internationales Symbol für die Schneidwaren aus dem Familienbetrieb. International ist das Unternehmen bis heute und exportiert viel. Außerdem tauscht man sich seit über 20 Jahren mit japanischen Schmieden aus.

Nicht nur im Sinne langlebiger und hochwertiger Produkte steht die Windmühlenmesser-Manufactur für Nachhaltigkeit. „Schon lange wird der gesamte Rohstoffkreislauf mitgedacht“, erklärt Herder-Scholz. So arbeitet das Unternehmen etwa mit naturbelassenen Rohstoffen, der größte Teil des Rohstoffabfalls wird recycelt und dem Kreislauf wieder zugeführt. „So ist der Traditionsbetrieb auch nach fast 150 Jahren noch ein Trendsetter.“ Mehr Infos unter www.windmuehlenmesser.de

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