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Interview: Werteorientierung
Im Dialog
Die Ethius Invest Schweiz GmbH wurde 2018 als nachhaltige und werteorientierte Vermögensverwaltung in Luzern gegründet. Anfang März dieses Jahrs hat Ethius einen neuen globalen Aktienfonds in Deutschland nach Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung mit dem Namen Ethius Global Impact aufgelegt. Wir haben Julius van Sambeck, Managing Director der Ethius, sechs Fragen zu dem neuen Fonds gestellt.
Herr van Sambeck, welche Unternehmen sind in dem neuen Fonds der Ethius Invest enthalten?
Julius van Sambeck: Der Ethius Global Impact Fonds investiert in alle 50 Unternehmen des Global Challenges Indexes (GCX). Strenge Ausschlusskriterien wie zum Beispiel der Ausschluss von fossilen Brennstoffen, grüner Gentechnik oder der Rüstungsindustrie führen das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung Geldanlagen haben immer eine direkte oder indirekte Auswirkung auf die Umwelt und die Gesellschaft. Beides gilt auch für die Wirkung einer Investition in den Ethius Fonds. Indirekte Wirkung entfalten die passiven Ansätze unserer Anlagestrategie. Mit einer ethisch-nachhaltigen Titelselektion von börsennotierten Wertpapieren (SRI-Investing) fördern wir jene Unternehmen, die auf Basis der Einzeltitelanalyse besonders
starke soziale und ökologische Kriterien aufweisen. Wie der Name „Global Challenges“ vermuten lässt, ist für die Auswahl der Unternehmen entscheidend, inwiefern sie sich aktiv den großen globalen Herausforderungen unserer Zeit stellen.
Mit der aktiven Anlagestrategie, die nach dem Investitionsentscheid des Fonds folgt, wird eine direkte Wirkung erzielt. In einem konstruktiven Dialog mit den Fondsunternehmen werden explizite Ansprüche an das Unternehmen verdeutlicht. Dazu gehören hohe Standards in
Werteorientie rung
aus der häufig beklagten Abstraktheit heraus und konkretisieren dabei klar definierte Positivkriterien für die Auswahl. Die Portfoliounternehmen des Fonds sind hauptsächlich in Europa, aber auch in Nordamerika beheimatet und zeichnen sich dadurch aus, dass sie aktive, substanzielle und richtungsweisende Beiträge zur Bewältigung von sieben identifizierten globalen Herausforderungen leisten. Dazu gehören zum Beispiel der Umgang mit der Bevölkerungsentwicklung, Armut, dem Klimawandel oder der Biodiversität. Große Tech-Konzerne haben in dem Fonds genauso wenig Platz wie Ölmultis oder Agrarriesen. Die Gewichtung der einzelnen Titel des GCX in unserem Fonds ist einzigartig, denn kleinere Unternehmen haben bei uns ein höheres Gewicht als im Index. Darüber hinaus betreiben wir Engagement mit allen Fondsunternehmen sowie dessen StakeholderInnen und nehmen Abstimmungen auf Hauptversamm-
lungen treuhänderisch und im Rahmen der Philosophie des Fonds wahr.
Ihr Fonds wurde wohl auch deshalb von Anbeginn an dem Artikel 9 der neuen EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) zugewiesen. Welche gesellschaftliche Wirkung soll der Fonds genau erzielen und mit welchen Zielen im Kopf haben Sie den Fonds aufgebaut?
van Sambeck: Ja, der Fonds strebt in der Tat eine nachhaltige Investition nach Artikel 9 der SFDR an.
Julius van Sambeck,
Managing Director Ethius Invest
den Feldern Unternehmenspolitik, soziale Verantwortung, ressourcenschonende Betriebsführung, entwicklungspolitische Ziele sowie Produktverantwortung. Auch das Vorhandensein ökologischer und sozialer Standards (z.B. Umweltmanagementsysteme oder Antikorruptionssysteme), nachhaltige Beschaffungsstrukturen, Transparenz und ein fairer Umgang mit allen Stakeholdern spielen für uns eine große Rolle in unserem ausgearbeiteten Engagement-Prozess. Das Einwirken auf diese Unternehmen über diesen konstruktiven Dialog steht in unmittelbarer Verbindung zu der Auswirkung der Unternehmen auf ihre Umwelt und die Gesellschaft im Rahmen ihrer
Geschäftstätigkeit. Diese Aufgaben nehmen wir treuhänderisch für unsere InvestorInnen wahr.
Werteorientie rung
Welche sind denn konkret die innovativen Merkmale und Treiber des Ethius Global Impact Fonds? Was zeichnet ihn gegenüber anderen bestehenden Nachhaltigkeitsfonds aus?
van Sambeck: Die Dialogführung mit Fondsunternehmen und dessen StakeholderInnnen sowie die Abstimmung auf Hauptversammlungen gemäß individuellen Stimmrechtsrichtlinien zeichnen den Fonds im Vergleich zu vielen anderen Nachhaltigkeitsfonds aus. Anders als bei den großen Asset-Managern, die das Thema Nachhaltigkeit einem sonst fremden Kerngeschäft beimengen, ist diese Engagement-Strategie Teil des fundamentalen Anlageprozesses bei Ethius und wird während des gesamten Investitionslebenszyklus ausgeübt. Nur so kann man von erfolgter Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Investmentstrategie und den Anlageprozess sprechen. Zur Vermeidung von Risiken und zur Förderung der Nachhaltigkeit in der unternehmerischen Praxis stehen wir mit NGOs, Ratingagenturen und den Portfoliounternehmen selbst im aktiven Dialog. Diese Form des verantwortungsvollen Investierens bedeutet zum einen einen großen zeitlichen Aufwand und erfordert zum anderen auch spezifisches Know-how im Nachhaltigkeitsmanagement bei uns, den Fondsinitiatoren. Der Fonds zeichnet sich also dadurch aus, dass wir unseren
Fokus darauf legen, im kritisch konstruktiven Austausch mit allen StakeholderInnen zu stehen, um unter anderem eine fortwährende Steigerung ihrer ESG-Performance zu erreichen. Wir sind frei von Interessenkonflikten und keinem Finanzkonzern verpflichtet. Deshalb zählen wir zu unserer aktiven Anlagestrategie ebenfalls das philanthropische Engagement, welches durch die direkte finanzielle Unterstützung in Projekte und Programme durch die Ethius Stiftung erfolgt. Mit Dauerspenden für eine spezifische, gemeinnützige Sache mit den Förderschwerpunkten innerhalb der sieben Herausforderungen stellt diese Strategie die direkte und die messbarste Form von positivem „Impact“ dar. Die Finanzierung der Programme und Projekte erfolgt durch einen Teil unserer Umsätze aus dem Fonds. Aktuell werden 15% der eingehenden Verwaltungsvergütung des Fonds direkt in die Ethius Stiftung einbezahlt. Wir schaffen somit eine Brücke zwischen Finanzplatz und sozialem Unternehmertum, wobei die Auswahl der Programme und Projekte unter Aufsicht eines unabhängigen Stiftungsbeirats erfolgt. Sowohl diese Engagement-Aktivitäten des Fonds als auch die finanzierten Programme und Projekte der Stiftung werden fortlaufend auf unseren Webseiten vorgestellt und sind transparent im jährlich erstellten Impact Report des Fonds ersichtlich.
Sie betonen den besonders intensiven Dialog mit den investierten Unternehmen zu Nachhaltigkeitsfragen. Aber ist das überhaupt notwendig? Ihre Portfoliounter-
Unternehmensphilosophie Ethius Invest Schweiz
Die Grundüberzeugung: Ethisch verantwortliche Geldanlagen haben das Potenzial, gesellschaft- liche, soziale und ökologische Verhältnisse in der wirtschaftlichen Realität Schritt für Schritt positiv zu beeinflussen und zu verändern.
nehmen scheinen doch schon nachhaltige Vorzeigefirmen zu sein, da sie ja dem GCX-Index angehören.
van Sambeck: Die Portfoliounternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass ihr Kerngeschäft einen substanziellen Beitrag zu den globalen Herausforderungen leistet. Das bedeutet jedoch nicht gleichzeitig, dass diese Firmen in ihren Geschäftspraktiken in jeder Hinsicht hohe Nachhaltigkeitsstandards aufweisen. Dass die Firmen sich jedoch durch ihr nachhaltiges Geschäftsmodell bereits auszeichnen, erleichtert allerdings den Dialogeinstieg mit ihnen, wenn es darum geht, an sie Verbesserungsvorschläge zu adressieren, die ihre Nachhaltigkeitsperformance zusätzlich steigern. Wir haben für jedes Fondsunternehmen ein transparentes, öffentlich einsehbares Stärken-Schwächen-Profil erstellt. Aus diesen Kritikpunkten können sie konkrete Verbesserungsvorschläge für jedes Unternehmen ableiten. Gleichwohl sind wir uns bewusst, dass wir mit diesem Fonds allein nicht die Welt verändern. Wir möchten jedoch an alle anderen InvestorInnen appellieren, sich an unserer Arbeit zu beteiligen. Unsere Wirkungskraft entfaltet sich dann besonders, wenn andere Teilhaber unserer Firmen ebenfalls einen aktiven Anspruch einer nachhaltigen Transformation an die Unternehmen stellen. Wir für unser Unternehmen jedenfalls leisten hiermit unseren Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung in dem Wirkungskreis, den wir aktiv beeinflussen können.
Wie weit können oder werden Sie beim Engagement gehen? Wie ist Ihre Einstellung zu Divestments?
van Sambeck: Ein Divestment ist unserer Meinung nach kein wirkungsorientiertes Instrument, um eine nachhaltige Veränderung innerhalb der Unternehmen zu erreichen. Wir setzen auf Kooperation, mit Nachdruck. Die Methode des Divestments ist zwar bedeutend, um ganzen Branchen aufzuzeigen, dass sie gemieden werden, in unserem Fall jedoch nicht notwendig, da strenge Ausschlusskriterien vor dem Anlageentscheid dafür Sorge tragen, nicht in solche Branchen zu investieren. Bei Unternehmen, deren Geschäftsmodell an sich „sauber“ ist und wenn es sich bei den Engagement-Themen um einzelne Geschäftspraktiken handelt, ist es stattdessen wichtig, sich aus diesen Unternehmen gerade nicht zurückzuziehen, nur weil sie nicht umgehend auf unsere Vorschläge und Kritik reagieren. Damit würde man schlichtweg seine Stimme einem anderen Marktteilnehmer überlas-
„Der Fonds zeichnet sich also dadurch aus, im kritisch konstruktiven Austausch mit allen StakeholderInnen zu stehen.“
Julius van Sambeck
sen, der diese im Zweifelsfall nicht für eine nachhaltige Veränderung nutzen würde. Stattdessen muss man über viele Jahre an den wichtigen Themen für eine nachhaltige Transformation dranbleiben. Rahmenbedingungen wie gesetzliche Vorschriften oder auch Druck aufseiten der KundInnen des Unternehmens können auf lange Sicht ein verändertes Marktumfeld schaffen, sodass Unternehmen vielleicht erst mit der Zeit unsere Veränderungsvorschläge positiv aufnehmen und Taten folgen lassen. In derselben Zeit kann Ethius an anderer Stelle aktiv werden, nämlich indem wir Allianzen mit weiteren Teilhabern eines Unternehmens schließen und sie von der Wichtigkeit unseres Anliegens überzeugen. Mit dieser neu gewonnenen Stimmkraft steigt dann im nächsten Schritt wiederum die Wahrscheinlichkeit, von den Fondsunternehmen zu dringenden Themen gehört zu werden. Insbesondere das Lieferkettengesetz gibt uns bei deutschen Unternehmen eine zuvor noch nie dagewesene Hebelwirkung. Erste Resultate deuten darauf hin, dass der Gesetzgeber mit diesem Gesetz Rahmenbedingungen geschaffen hat, die den Einsatz für eine noch nachhaltigere Entwicklung positiv beeinflussen werden.
Sie erwähnten, ein Teil der Verwaltungsvergütung des Fonds geht systematisch an die Ethius Stiftung. Was macht diese Stiftung mit dem Geld? Können Sie uns konkrete Projekte vorstellen?
van Sambeck: Der Entscheid über die Mittelverwendung geschieht auf Antrag unseres ausgewählten Stiftungsbeirats. Er besteht aus Persönlichkeiten mit Erfahrungen in den Bereichen der internationalen Entwicklungsarbeit und national tätigen Kultur- und Infrastruktur-Förderungseinrichtungen in der Schweiz und in Deutschland. Der Stiftungsbeirat hat das Vorschlags- und Auswahlrecht von Förderprogrammen und Projekten zur finanziellen Unterstützung und Begleitung. Zuletzt wurde ein Projekt in Simbabwe mit dem Projektnamen „Wüste in Lebensraum verwandeln“ vom Weltfriedensdienst ausgewählt. Die unterstützten Projekte sind auf der Stiftungswebseite einsehbar und werden dort vorgestellt. Alternativ geben wir einen jährlichen Impact Report heraus, in dem die Projekte der Stiftung im Detail vorgestellt werden und gezeigt wird, welchen konkreten Beitrag sie zu den Handlungsfeldern des Fonds leisten.
