CIVIS mit Sonde 2018/1

Page 97

mit dem Titel „Was will der AStA an der Universität Bonn?“ nahm der neu gewählte AStA ausführlich Stellung zum NRW-Hochschulgesetzentwurf des SPD-Ministerpräsidenten Heinz Kühn vom 27. Oktober 1969, der die „verfaßte Studentenschaft“ auflösen wollte.

Am 16. April 1968 demonstrieren in Bonn hunderte Studenten friedlich gegen das Attentat auf Rudi Dutschke in Berlin am 11. April. Auch der RCDS und der Rektor verurteilen das Attentat. Es folgen nun die sog. „Osterunruhen“ mit der Anti-Springer-Kampagne, insbesondere in Hamburg, Berlin, Frankfurt. In München werden der Student Rüdiger Schreck und der AP-Fotograf Klaus Frings von Steinwürfen linksradikaler Studenten getötet. Im Spiegel kommentiert Rudolf Augstein: „Die zwei Toten der Ostertage gehen auf das Konto des SDS, daran gibt es keinen Zweifel.“ Das war eine späte Erkenntnis, denn bis dahin hatte der Spiegel einen Starkult um Dutschke betrieben.

Der AStA formulierte zahlreiche Änderungsvorschläge für ein demokratisches Hochschulmodell und hatte Erfolg. Der neu gewählte Kultusminister Johannes Rau setzte auf den Dialog mit den gesprächsbereiten Studentenvertretern des RCDS und legte ein neues modernes Hochschulgesetz vor. Wieder hatte sich die hartnäckige, reformorientierte Sacharbeit ausgezahlt.

Der RCDS-Bonn reagierte auf die Toten mit einem Schweigemarsch durch die Bonner Innenstadt und dem Transparent: „RCDS: Gegen Radikale von links und rechts“ und „Mit SDS und DFU – Demokratie legt sich zur Ruh“. RCDS-Mitglieder verteilten Flugblätter mit dem Aufruf an alle Studenten und Bürger, sich zur Gewaltlosigkeit zu bekennen.

»Es hat nie eine einheitliche ›68er-Studentenbewegung‹ gegeben.« Die 68er Bewegung als Medienereignis Die Ereignisse an der Universität Bonn in den Jahren von 1965-1970 zeigen eindeutig: Es hat nie eine einheitliche „68er-Studentenbewegung“ gegeben, sondern es gab eine reformorientierte und eine revolutionäre Protestbewegung. Rudi Dutschke war für die Medien wegen seines Charismas und seines revolutionären Auftretens attraktiv und wurde so in der Öffentlichkeit als Leitfigur der „68er-Bewegung“ wahrgenommen. Die Sacharbeit und die gewaltfreien und damit weniger spektakulären Aktionen fanden dagegen bei den Massenmedien kaum Resonanz. Der RCDS wurde von den Medien fast totgeschwiegen.

Wahlen zum Studentenparlament „Fortschritt ohne Terror“ forderte der RCDS in seiner Wahlzeitung für die SP-Wahl vom 28. bis 30. Januar 1969. In der offiziellen Wahlzeitung wiederholte ich meinen Aufruf zu einer hohen Wahlbeteiligung: Es gilt bei dieser Wahl eine Machtergreifung der linken Studentenverbände zu verhindern. Die vorgefaßten dogmatischen Meinungen der Radikal-Sozialisten lassen kein fruchtbares Gespräch mehr zustande kommen. Nichts gegen eine wache, offene Kritik. Nichts gegen ein Unbehagen an Konfirmismus, Karrierehascherei. Aber alles gegen Indoktrination und Fanatismus. Freiheit von Forschung und Lehre müssen von jedem totalitären Anspruch geschützt werden.

Die „68er“ also ein aufgeblasenes Medienereignis, wie der Philosoph Uwe C. Steiner sagt? Ex-­SpiegelChef Stefan Aust findet sogar, die 68er-Bewegung war in wesentlichen Aspekten eine Medienrevolution, ein Konstrukt der Medien. Und er zieht das Fazit: „Die Medien schreiben noch heute der APO Verdienste zu, die sie gar nicht hat.“

Die Appelle an die demokratische Mitte der Bonner Studentenschaft hatten Erfolg. Eine hohe Wahlbeteiligung von über 50 Prozent sicherte den gemäßigten Hochschulgruppen RCDS, BSU und BHF erneut eine knappe Mehrheit im Studentenparlament. Am 10. Juli 1969 wurde ich im 15. Wahlgang zum neuen Bonner AStA-Vorsitzenden gewählt. In einem vierseitigen Informationsblatt

„Der Erfolg und die Wirkung von 1968“, so Professor Stefan Greif, Literaturwissenschaftler an der Universität Kassel, „war ganz wesentlich an die Interaktion mit den Massenmedien gekoppelt. Und besonders das Fernsehen hat zu einer Emotionalisierung des Publikums beigetragen.“

97


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.