Finanzwelt
Gebrannte Gemeinde
Nach der Greensill-Pleite bangt Bötzingen um Millionen
Der beschauliche Schein trügt: „Die Verantwortlichen haben das Gemeinwesen auf die schrecklichste Art und Weise betrogen“, sagt Kämmerer Gervas Dufner.
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Foto: © Gemeinde Bötzingen, Schwarzwald Tourismus
n Bötzingen fehlen knapp 40 Prozent Kohle in der Kasse. Ob die KaiserstuhlGemeinde ihr Geld, das sie bei der Pleitebank Greensill angelegt hat, jemals wiedersehen wird, ist offen. Sicher ist nur: Noch einmal wollen die Verantwortlichen solch eine Situation nicht erleben. 13,2 Millionen Euro. Das sind für eine rund 5300 Einwohner zählende Gemeinde wahrlich keine Peanuts. Dass dieses Geld – eventuell für immer – weg ist, schmerzt. Wie sehr, sieht man Kämmerer Gervas Dufner an, als er mit hängenden Schultern bei einer Einwohnerversammlung beklagt: „Die Verantwortlichen der Greensill Bank haben das Gemeinwesen, also uns, auf die schrecklichste Art und Weise betrogen.“ Da hilft es auch nicht, dass Bötzingen mit seinem Schicksal nicht alleine dasteht. Allein in Baden-Württemberg haben neun Kommunen Geld bei der Pleitebank angelegt. Meist waren die Beträge deutlich niedriger als in Böt-
zingen. So sind in Neckarsulm fünf Millionen Euro weg, Friedrichshafen, Hüfingen, Mengen und Heidenheim haben jeweils drei Millionen Euro verloren, Bad Dürrheim zwei Millionen. Nur die Gemeinde Weissach im Landkreis Böblingen hatte mit 16 Millionen Euro ebenfalls eine zweistellige Millionensumme investiert. Damit kommt das Ländle noch vergleichsweise gut weg. Deutschlandweit sollen mindestens 343 Millionen Euro aus 38 Kommunen und dem Bundesland Thüringen geflossen sein. Glück im Unglück hatten dabei die Gemeinden, die ihr Geld schon vor 2017 angelegt haben. Bis dahin gab es noch einen Einlagensicherungsfonds des Bundes, der nun für die Verluste aufkommt. Den anderen Kommunen bleibt nichts anderes übrig, als auf das Insolvenzverfahren zu warten, das sich aber über die nächsten vier bis fünf Jahre strecken könnte. Zudem bleibt der Rechtsweg. Dabei scheint es, als würden die meisten Gemeinden verzweifelt in alle Richtungen schlagen. Bötzingen hat sich dafür mit den anderen betroffenen Kommunen des Landes zusam-
18 | chilli | business im Breisgau | 05.2021
mengetan und zusätzlich den Freiburger Rechtsanwalt Thomas Dehlfing, Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht, beauftragt. Die Anwälte prüfen nun, wer haftbar gemacht werden kann: die Verantwortlichen bei der Bank? Der Wirtschaftsprüfer? Die Finanzaufsicht Bafin, die bereits Anfang 2020 von Unregelmäßigkeiten bei der Bank gewusst haben soll? Oder die Finanzvermittler, die Bötzingen zu der Anlage geraten haben? Noch gibt es dabei keine Ergebnisse: „Wir fordern das Geld zurück, aber ob das gelingt, ist noch offen“, so Dehlfing. Bleibt die Frage, inwiefern die Gemeinden selbst für ihre Misere verantwortlich sind. Deren Kämmerer und Bürgermeister müssen sich aktuell ein dickes Fell wachsen lassen. PresseÜberschriften wie „Die Zocker-Kommunen waren gewarnt“ tragen nicht dazu bei, den Unmut der Bürger zu dämpfen. In der Gemeinde sei die Stimmung „unterschiedlich“, berichtet Bürgermeister Dieter Schneckenburger (CDU). Die meisten Bötzinger hätten Verständnis für die Lage.