Einmal Elsass und zurück Warum in Freiburg der Leichentourismus boomt
A
Fotos: © Tanja Bruckert
uch in Freiburg entscheiden sich immer mehr Menschen für eine Feuerbestattung: Obwohl die Zahl der Todesfälle im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2001 um etwa 100 sank, nahm die Zahl der Verbrennungen um gut 100 zu. Insgesamt 1085 Urnenbestattungen zählte der städtische Eigenbetrieb Friedhöfe. Viele Freiburger lassen ihre Angehörigen übrigens im Elsass verbrennen. Warum? „Bestattungsinstitute lassen im Ausland einäschern, weil sie an den Überführungskosten verdienen“, kritisiert Betriebsleiter Bernhard Keller. Das weist Karl-Heinz Müller, Chef des gleichnamigen Freiburger Bestattungsinstituts, weit von sich. Wer sich das Krematorium auf dem Freiburger Hauptfriedhof als dunklen, unheimlichen Ort vorstellt, wird von der Wirklichkeit enttäuscht sein. Auf hellen Bodenfliesen stehen zwei hochmoderne Öfen mit elektronischer Steuerung, die Sonne strahlt durch die weit geöffneten Fenster. Die beiden Verbrennungsöfen sind werktags selten aus – bis zu acht Leichen können hier täglich eingeäschert werden. Das bereits 1914 eröffnete Freiburger Krematorium wird heute vom Eigenbetrieb Friedhöfe geführt, dessen Umsatz 2010 bei 5,2 Millionen Euro lag. Mehr als 1000 Urnen bringen die Totengräber jedes Jahr unter die Erde, das sind zwei Drittel aller Bestattungen. Wer das viel findet, dem entgegnet Keller, dass es Städte gibt, in denen es fast hundert Prozent sind. Weil die Zahl der Leichenverbrennungen steigt, sinkt die Zahl der Erdbestattungen – von über 800 im Jahr 2001 auf 566 im vergangenen Jahr. Das Resultat: Durch die sinkende Anzahl der Erdbestattungen und Familiengräber seien rund 40 Prozent der Freiburger Friedhofsflächen mittlerweile ungenutzt, erzählt Keller in der Einsegnungshalle.
26 CHILLI NOVEMBER 2012
Baumbestattungen auf dem Hauptfriedhof: Statt eines Grabsteins kennzeichnen kleine Steinplatten die Urnengräber. Ein bizarres Phänomen, das die steigende Zahl der Verbrennungen mit sich bringt, ist der Leichentourismus ins Elsass: Viele Freiburger werden nicht mehr in ihrer Heimatstadt eingeäschert, sondern über die französische Grenze gebracht. Das Crématorium de l‘Ill im elsässischen Sausheim – 50 Kilometer von Freiburg entfernt – verbrennt rund 3000 Verstorbene im Jahr, zwischen 900 und 1200 kommen davon aus dem Raum Südbaden. „Das Freiburger Krematorium ist städtisch und daher teurer als die privatwirtschaftlichen im Elsass, in Lahr oder Lörrach“, erklärt Jan Leber vom Freiburger Bestattungsinstitut Müller. Bernhard Keller kann diese Argumente nicht nachvollziehen: Die reine Einäscherung sei in Freiburg zwar teurer – rechne man Fahrtkosten und Zolldokumente hinzu, sei der Preisvorteil jedoch dahin. Wer hat nun Recht? In Freiburg kostet die reine Einäscherung mitsamt der Aschenkapsel 550 Euro. Rechnet man die Überführung vom Bestattungsinstitut zum Friedhof hinzu (bei Müller 120 Euro zum Hauptfriedhof, 172 Euro zu anderen Friedhöfen), liegen die Gesamtkosten bei 670 bis 722 Euro. Im Elsass kostet die Verbrennung 427 Euro zuzüglich 24 Euro für die Urnenkapsel. Hinzu kommen die Fahrtkosten (beim Bestattungsinstitut Müller 198 Euro) und eine Gebühr für den internationalen Leichenpass von 20 Euro – insgesamt also 669 Euro. Wird der Verstorbene nach der Kremation im Elsass auf dem Freiburger Hauptfriedhof begraben, beträgt die Ersparnis somit genau einen Euro. Bestattungsinstitutschef Karl-Heinz Müller sieht jedoch auch nicht in den Kosten den Vorteil des elsässischen Bestattungs-