business im Breisgau

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Im Fokus Finanzen

Ist Ihre GbR fit für 2024?

Trendwende in Toplagen

Ackern für mehr Attraktivität – ein Streifzug durch Südbadens Innenstädte

Bauen

Spatenstich-Stakkato in Freiburg

Verbände

Fremdenhass gefährdet

unseren Wohlstand

Bilanzen

Sick und Hekatron mit starken Zahlen

Wirtschaft
Mai 2024 Ausgabe Nr. 40

Zwischen Rezession und Stagnation

Gute Nachrichten wichtiger denn je

Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr nur knapp über der Nachweisgrenze wachsen. Mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute sprechen von 0,1 Prozent, die Bundesregierung hat unlängst ihre Prognose vom Herbst von 1,1 auf 0,2 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Es geht, nach einer leichten Rezession im Vorjahr, auch heuer nicht voran. Das ist auch eine Botschaft der jüngsten Konjunkturumfragen von Industrie- und Handelskammer, WVIB oder der Handwerkskammer in Freiburg. Deutschland bleibt weiterhin das Schlusslicht in der Tabelle der stärksten Volkswirtschaften der Welt, teilte der internationale Währungsfonds (IWF) Ende April mit.

Da sind gute Nachrichten doppelt wichtig. Eine dieser guten Nachrichten kam neulich vom Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof: Beide Filialen in der Freiburger Innenstadt bleiben erhalten. Jubel bei OB Horn, Jubel bei der Belegschaft, Jubel bei allen, denen die Innenstadt am Herzen liegt – und die, so steht zu hoffen, auch dort und nicht online einkaufen.

Wir waren aber auch in Waldkirch, in Emmendingen und in Bad Krozingen und wollten wissen, ob dort ebenfalls leere Ladenflächen die Innenstädte „schmücken“. Auf der Freiburger Kajo klafft bei den Kaiser-Modehäusern noch eine schmerzhafte Wunde. Dem Vernehmen nach gibt es aber dort auch bald gute Nachrichten.

Und die gibt es, kein Witz, auch auf dem Immobilienmarkt: Die Vertreter der Falk Pharma GmbH haben unlängst den Spatenstich für das 100 Millionen Euro schwere Corum-Projekt gefeiert, und die Freiburger Stadtbau investiert knapp 60 Millionen Euro in Landwasser. Und baut ein Haus, das allein Azubis beherbergen wird. Wichtig. Wer übrigens die Stagnation in diesem Land nicht einfach schulterzuckend akzeptieren will, der sollte sein Kreuz bei der anstehenden Europawahl nicht dort machen, wo gegen Ausländer agitiert wird. 27 Prozent aller Erwerbstätigen in unserem Land haben einen Migrationshintergrund. Ohne sie geht das Land zugrunde.

Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur

Foto: © Neithard Schleier
Editorial
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Inhalt

Titel

Jubel in Freiburg: Beide Galeria-Kaufhof sind vorerst gerettet. In der Innenstadt ist die Trendwende angekommen. In Waldkirch, Emmendingen und Bad Krozingen gibt es kaum Leerstände. Weil die Kommunen was tun. 6-8

Bilanzen

Beim Brandschutztechniker Hekatron gibt sich das neue Führungsduo optimistisch – und meldet 22 Millionen Euro mehr Umsatz 10

Der Sensorhersteller Sick macht erstmals mehr als 2,3 Milliarden Euro Umsatz. Und 189 Millionen Euro Gewinn vor Steuern und Zinsen 11

Mobilität

3500 Euro und immer noch kein Lappen: Warum Fahrschüler immer häufiger durchfallen 12-13

Immobilien

Dramatischer Einbruch: Gutachterausschuss legt neuen Immobilienmarktbericht für Freiburg vor 14

Neubau-Projekte

Falk Pharma feiert Spatenstich für 100-Millionen-Euro-Projekt am Güterbahnhof 15

IMPRESSUM business im Breisgau

Themenheft 05.2024

Das business im Breisgau erscheint im Freiburger Stadtmagazin chilli

Herausgeber: chilli Freiburg GmbH

Paul-Ehrlich-Straße 13 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)

Kommunale Gesellschaften

Die Freiburger Stadtbau feiert zwei Spatenstiche in einem: An der Wirthstraße entstehen ein Azubi-Wohnheim und 100 neue Wohnungen 16

Sanierungsgebiete

Bund und Land fördern Freiburger Projekte wie die Sanierung der KnopfhäusleSiedlung mit 3,8 Millionen Euro 17

Tourismus

Stadt und Natur: Wie die FWTM Freiburg beim Städtetourismus noch besser positionieren will 18-19

Finanzwelt

Expertenbeitrag I: Wirtschaftsprüfer Mathias Hecht über die neue eGBR 20

Expertenbeitrag II: Analyst Werner Krieger über die Vor- und Nachteile von ETFs 21

Chefredaktion: Lars Bargmann

Redaktion: Till Neumann, Philip Thomas

Autoren: Mario Wachter, Werner Krieger, Mathias Hecht, Tatjana Forsthuber

Titelcollage: Sven Weis, © iStock.com/ invincible_bulldog, freepik.com

Fotos: iStock.com, Pixabay, freepik.com

Grafik: Sven Weis, Julia Neininger

Lektorat: Beate Vogt

Anzeigen: Marion Jaeger-Butt, Nathalie Braun Druck: Hofmann Druck, Emmendingen

Einzelhandel

Zu Besuch im Nachtkiosk: In Freiburgs einzigem Späti lässt sich der Chef auch von Vermummten nicht einschüchtern 22-23

Schmuggelware

Südbadische Zöllner finden kiloweise Drogen, Bargeld und Elfenbein 23

Verbände

Kampagne: IHK setzt mit 27-ProzentLogo ein Zeichen für 100 Prozent Leistung 24

Konjunktur: Neue Umfragen von HWK und WVIB zeichnen ein Bild voller dunkler Wolken 25

Arbeitsmarkt

Von wegen Frühjahrsbelebung: Kaum Bewegung auf dem Arbeitsmarkt / Aber neue Job-Turbo-Projekte 27

Energiewende

Badenova plant neue Windparks und nimmt Windmühle im Kallenwald in Betrieb 28

Fakten bitte

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen 30

Ein Unternehmen der Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung und Einspeicherung in elektronische Systeme.

Gleiches gilt für den Nachdruck der von uns entworfenen Bilder und Anzeigen.

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Direkt am Bertoldsbrunnen:

Das Galeria-Kaufhaus ist vorerst gerettet.

Trendwende in Toplage

In Freiburg sind die Galeria-Kaufhof-Filialen gerettet

Nicht nur Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn ist am 27. April ein Stein vom Herzen gefallen. An jenem Samstag teilte die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH mit, dass beide Filialen an der Kaiser-Joseph-Straße im Herzen der Stadt erhalten bleiben. Auch im Umfeld gibt es viele Neu-Eröffnungen. Es ist eine Trendwende, die da eingeläutet wird. Auch in Waldkirch, Emmendingen und Bad Krozingen gibt es kaum Leerstände. Aber viel Bewusstsein dafür, dass man für die Innenstädte alles tun muss, was möglich ist.

Waldkirch, ein Samstag Anfang Mai. Auf dem Wochenmarkt herrscht dichtes Gedränge, im Rathaus-Innenhof ploppt der Korken einer Sektflasche. Davor bieten Händler ihre Waren feil. Rund um den Marktplatz an der nach Freiburg benannten Hauptstraße gibt es so gut wie keine leeren Schaufenster.

An der Ecke zur Turmstraße hängen zwei Werbeplakate der Telekom, dahinter ist die Ladenfläche verwaist. Eine Ausnahme unter 134 gewerblich genutzten Flächen in der Kernstadt. Die Waldkircher Verwaltung mit Oberbürgermeister Michael Schmieder hat im vergangenen Jahr zusammen mit der IHK Südlicher Oberrhein einen Zustandsbericht Innenstadt erarbeitet.

Zugpferd und Frequenzbringer

Heraus kam, dass die Innenstadt als Wirtschafts-, Arbeits-, Kultur- und Lebensraum auch nach der Pandemie gut dastehe. Zugpferd und Frequenzbringer sei der Wochenmarkt. Der IHK-Innenstadtberater Thomas Kaiser gab aber zu bedenken, dass ein Schutzmechanismus für innenstadtrelevante Sortimente fehle. „Deshalb ist es erklärtes Ziel unserer Stadtpolitik, diese wichtigen Fre-

quenzbringer durch flankierende Maßnahmen auch dort zu halten“, sagt Schmieder. 24 Einzelmaßnahmen stehen seither auf der Agenda. Etwa die – durchaus wünschenswerte – optische Aufwertung der Schuster- und Engelstraße oder die Installation von Trinkwasserspendern. Die wichtigste Liegenschaft ist aktuell aber das leerstehende ehemalige Volksbank-Gebäude direkt am Marktplatz. Wie geht es weiter? „Hier mischen wir uns nicht nur ein, sondern selber mit“, sagt der OB. Der Gemeinderat hat zugestimmt, dass das Rathaus nach der Sanierung im Erdgeschoss eine rund 400 Quadratmeter große Fläche für 2,29 Millionen kaufen wird. „Unser Ziel ist es, dort ein großes Bürgerdienstleitungszentrum einzurichten. So müssen unsere Bürgerinnen und Bürger nicht länger in unserem etwas verschachtelten Rathaus herumirren“, sagt Schmieder. Auch das kann sich als Frequenzbringer erweisen.

Fotos: © bar
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Im Schatten des Münsters: Während die Karstadt-Filiale so bleiben kann, wartet das einstige Modehaus Kaiser noch auf neue Mieter und den Umbau.

Emmendingen, am selben Tag. In der Innenstadt haben Flohmarkthändler ihre Stände aufgebaut. Auf dem Weg vom Stadttor ins Zentrum steht ein eingeschossiges Gebäude. „Blum, Papier & Trends“ steht an der Attika. Aber Blum ist aus der Stadt an die B3 gezogen. Hinter den Schaufenstern gähnende Leere. Es gibt in der ganzen Innenstadt nur zwei leere Geschäfte, aber viele inhabergeführte Läden. Eine heile Welt? Das Rathaus hat als Pilotkommune schon 2021 am lokalen Aktionsbündnis „Pro Innenstadt“ der IHK teilgenommen. Dann schickte das Team um Oberbürgermeister Stefan Schlatterer eine Bewerbung für das Bundesförderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren (ZiZ) nach Berlin – und bekam mit der Förderzusage knapp 300.000 Euro. Das Programm läuft noch bis August 2025 und setzt viele Projekte um. Aktuell wird eine neue Aufenthaltszone mit einem City-Deck auf dem kleinen

Marktplatz geschaffen, drei neue Trinkwasserbrunnen werden installiert und auch konsumfreie Zonen geschaffen. Noch im Mai startet das neue Format Forum Innenstadt, der erste Emmendinger Super-Samstag am 4. Mai wurde gut angenommen. Schon bald soll der Wochenmarkt größer werden, bis in den September gibt es zudem an jedem zweiten Samstag kostenlose Konzerte. Wie in Freiburg hat auch das Emmendinger Rathaus seit Juli 2023 einen Pop-up-Store in der Innenstadt eingerichtet, damit Interessierte ihr Geschäftskonzept unter realen Bedingungen ohne finanzielles Risiko testen können.

Ein zentraler Baustein ist derweil noch am Werden: Das ehemalige Kaufhaus Krauss wird von der Freiburger Unmüssig-Gruppe seit anderthalb Jahren revitalisiert. Am Bauzaun hängen historische Aufnahmen und Visualisierungen, wie es im Frühjahr im „Löwentor“ aussehen soll. Ein Drogeriemarkt wird einziehen, ein Optiker, ein Nonfoodhändler, eine Gastronomie. Darüber gibt es fast 40 Wohnungen. „Die Innenstädte wandeln sich von Konsumorten hin zu Aufenthaltsorten. Diesen Wandel müssen Kommu-

nen aktiv gemeinsam mit allen Akteuren aus Kultur, Kunst, Gastronomie, Dienstleistung und Handel begleiten“, sagt die städtische Wirtschaftsförderin Petra Mörder.

Bad Krozingen, 4. Mai, nachmittags. Vier Tage zuvor hatte Bürgermeister Volker Kieber Grund zum Jubeln. Innenminister Thomas Strobel hatte dem Rathauschef mitgeteilt, dass ab dem 1. Januar auf den Ortsschildern „Große Kreisstadt Bad Krozingen“ stehen kann. Im Landkreis BreisgauHochschwarzwald ein Alleinstellungsmerkmal. Damit wird Kieber zum Oberbürgermeister und er bekommt einen zusätzlichen Dezernenten. Am Lammplatz unterhalten sich zwei Müllwerker. „Ja, die Staufener schauen ja schon immer ganz ehrfurchtsvoll auf Bad Krozingen“, sagt der eine. Der andere nickt. Die anderen Passanten interessiert das mit großen und kleinen Kreisstädten nicht so sehr. Auf einem Schild in der Fußgängerzone steht: „Entspannt shoppen und genießen.“ Im Erdgeschoss eines langen Gebäudes ist das „Bad Krozinger Schaufenster“, eine Aktion der Wirtschaftsförderung. Hinter kleinen Glasscheiben werben Innenstadtgeschäfte für sich. Ein paar Meter weiter an der Bahnhofstraße 28 prangt beim Modehaus „eff“ in roten Lettern „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ am Schau-

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Gut gemacht, aber braucht noch viel mehr Leben: Die neue Ortsmitte in Bad Krozingen sucht Frequenzbringer.

fenster. Ansonsten muss man in der Innenstadt leere Ladenflächen mit der Lupe suchen. Die von der Wohnbau Baden AG gebaute neue Ortsmitte ist zwar architektonisch hochwertig, zieht aber nur wenig Publikum an. Es gibt ein Restaurant, einen Blumenladen, ein Frequenzbringer wäre wichtig. Wer vom Bahnhof in die Stadt schlendert, wird ob der überbordenden Schönheit nicht beeindruckt sein. Es ist das andere Ende der Fußgängerzone, das viel Potenzial hat, die Attraktivität der Innenstadt zu steigern. Was in Freiburg ein Dauer thema ist.

Waldkirch: Direkt am Marktplatz will das Rathaus ein Bürgerzentrum bauen.

Freiburg, Kajo, Sonntag, 5. Mai. Verkaufsoffene Sonntage zählen in Freiburg zu den am heftigsten umstrittenen Themen in der Politik. Aber auch wenn die Geschäfte zu sind, es ist viel Volk auf den Gassen unterwegs. Am Bertoldsbrunnen hängen zwei Galeria-Kaufhof-Logos an der blassroten Fassade mit der Hausnummer 195. Es ist buchstäblich verdient, dass gleich beide Filialen in der Innenstadt erhalten bleiben, während bei der angeschlagenen Warenhauskette bundesweit 16 von 92 dichtgemacht werden und 1400 Beschäftigte ihre Jobs verlieren. „Jede der fortzuführenden Filialen muss das Potenzial haben, die notwendige Profitabilität zu erzielen. Bei dieser Bewertung spielt neben soziodemographischen Rahmenbedingungen der Standorte insbesondere auch die Miethöhe eine zentrale Rolle“, teilte die Kette mit. Maximal elf Prozent vom Umsatz, das ist die Miet-Obergrenze für den Konzern, sagt Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus. Auch die Häuser in Lörrach und Offenburg sind vorerst gerettet. „Das sind gute Nachrichten für die Region“, sagt IHK-Innenstadtberater Thomas Kaiser, die Nähe zu Frankreich und zur Schweiz sei ein Standortvorteil. Und ohne die Warenhäuser „ginge ein Stück Großstadtkultur verloren“. Während bei den Warenhäusern neuer Wind heranzieht, gibt es andernorts in der City schon frischen Wind. An der Grünwälder Straße, in der jüngeren Vergangenheit eines der Leerstands-Sorgenkinder, haben mit dem kurdischen „Sweet Dunya“ und dem deutschen Grünwälder Café zuletzt zwei neue Cafés eröffnet. Am Eingang zur Dietler-Passage soll zudem bald ein neues asiatisches Restaurant eröffnen. Die wichtigste Adresse aber bleibt die Kajo. Und auf der herrscht trotz Galeria-Jubel nicht überall eitel Sonnenschein. Die beiden Gebäude

vom Modehaus Kaiser warten weiter auf ihre Wiedererweckung. Der Eigentümer des Herrenhauses, der anonym bleiben möchte, wollte sich auf Anfrage nicht zur Zukunft äußern. Beim größeren Damenhaus ist Mitinhaber Matthias Sasse indes „sehr optimistisch“, schon bald mit den nächsten guten Nachrichten aufwarten zu können. Sein Wunschtraum wäre eine Eröffnung bereits Ende des Jahres. Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung sei sehr gut. Das ganze Haus hat auf zwölf Stockwerken 14.000 Quadratmeter Fläche – zwei Fußballfelder. Wer darauf am Ende wo spielt, darüber könne er aufgrund vertraglicher Verpflichtungen aktuell nichts sagen. Der Bauantrag, auch für eine revitalisierte

Fachwerk in der Emmendinger City: Der erste Super-Samstag war ein Erfolg.

Verkaufsfläche auf 5500 Quadratmetern – sei gestellt. Darüber gibt es noch 800 Quadratmeter Büroflächen und 42 Wohnungen. Die Nachfrage nach den Handelsflächen sei „riesig“. Er könne diese Liegenschaft drei Mal belegen. Die erst durch den Online-Handel getroffene und dann durch die Coronakrise einen heftigen Nackenschlag einsteckende Freiburger Innenstadt richtet sich wieder auf. Die Trendwende ist eingeleitet. Lars Bargmann

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Fotos: © bar, Stadt Waldkirch

Nachfrage runter, Umsatz hoch

Das neue Führungsduo bei Hekatron gibt sich optimistisch

Das vergangene Jahr war turbulent für den Brandschutzspezialisten Hekatron: Hochkonjunktur, Nachfragerückgang, Selbst findung. Allen Herausforderungen zum Trotz hat das Unternehmen den Umsatz um 22 auf 265 Millionen Euro gesteigert. Auf einer Presseveranstaltung im Sulzburger Firmensitz gab sich das neue Geschäftsführerduo zukunftsfreudig und resilient.

Hekatron setzt sich aus zwei eigenständigen Gesellschaften zusammen: Hekatron Manufacturing und Hekatron Brandschutz. Obwohl beide unter dem Dach der Securitas-Gruppe koexistieren, widmen sie sich unterschiedlichen Arbeitsbereichen: Die erste produziert Elektronikkomponenten für die Industrie, die zweite Dienstleistungen für den anlagentechnischen Brandschutz. Da Neubauten seit der Rauchmelderpflicht ein integraler Geschäftszweig für das Unternehmen sind, macht der Negativtrend in der Baubranche auch vor den „Hekatronikern“ nicht Halt. Dennoch: Es wird zwar weniger gebaut, aber weiterhin modernisiert – insbesondere mit Blick auf die Sicherheit.

Der Blick bei Hekatron soll zukunftsgerichtet sein, was jedoch nur schwer möglich ist, ohne das Vorgängerjahr zu bilanzieren. Arno Hohmann, der neue Geschäftsführer von Hekatron Manufacturing, nennt 2023 mit geschäftsführerischem Pragmatismus ein „herausforderndes Jahr“, Frucht einer „volatilen Situation“. Im ersten Quartal standen die Zeichen noch auf Hochkonjunktur: Der Jahresbeginn markierte den höchsten Auftragsbestand in der 61-jährigen Firmengeschichte.

Hekatroniker: Petra Riesterer, Arno Hohmann und Marketingleiter Jens Mielke

Dem gewichtigen Nachfragerückgang in der zweiten Jahreshälfte zum Trotz habe man „das Jahr dennoch sehr gut abgeschlossen“. So stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 8,8 Prozent oder 22 Millionen auf 265 Millionen

Euro. Zum Gewinn wurden keine Angaben gemacht.

Für die nächsten Jahre ist viel geplant, allem voran steht die Ambition, „jedes Gebäude in Deutschland mit Hekatron auszurüsten“. Auch die Nachhaltigkeit steht weit oben auf der Agenda, angefangen bei den 1042 Mitarbeiter*innen, von denen bereits 193 ein sogenanntes „Jobrad“ fahren. Hohmann, der sich als „Fan der klaren Sprache“ apostrophiert, sieht dennoch Verbesserungspotenzial in der Personalverwaltung: So soll die Kurzarbeit im Fertigungsbereich bereits in der zweiten Jahreshälfte 2024 stark eingedämmt werden.

Darüber hinaus misst Hekatron dem eigenen Nachwuchs, also den 30 DualStudierenden und Auszubildenden, eine maßgebliche Bedeutung zu. Petra Riesterer, Geschäftsführerin der Brandschutz-Abteilung, bezeichnet diesen sogar als „Zukunft des Unternehmens“. Sie selbst sei ebenfalls ein Eigengewächs, schmunzelt sie, und fast zwei Jahrzehnte in unterschiedlichen Funktionen tätig gewesen. Hohmann hingegen bringe frischen Wind und neue Impulse hinzu, was einen kostbaren Perspektivenwechsel und eine synergetische Zusammenarbeit ermögliche. So kündigt er einen Ausbildungsgang an, der im Zeichen der Künstlichen Intelligenz stehen soll. Hohmann blickt auch schon auf 2025, um mögliche Negativtrends voraussehen zu können. So habe er auch die Nachwirkungen des Erbebens in Taiwan genauestens verfolgt, da die elektronischen Chips für die Rauchmelder dort produziert werden. Um diesbezüglichen Lieferengpässen entgegenzuwirken, wurde bereits 2022 ein Management zur reibungslosen Koordination der Lieferprozesse auf die Beine gestellt. So ist auch für den Notfall vorgesorgt: Sollten alle Stricke reißen, reicht der Lagerbestand für 24 Monate aus. Mario Wachter

Unternehmen in der Region
Fotos: © Hekatron 10 | chilli | business im Breisgau | 05.2024
Viel Rauch um nichts? Bei einer Simulation werden Rauchmelder getestet.

270 Millionen in Forschung investiert

Die Sick AG setzt ihren Wachstumskurs fort

Der Sensorspezialist SICK AG mit Hauptsitz in Waldkirch hat seinen Wachstumskurs im vergangenen Jahr fortgesetzt. Der Umsatz kletterte um 5,4 Prozent auf 2,307 Milliarden Euro – bereinigt um Währungskurseffekte sogar um 8,8 Prozent. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) erhöhte sich um 15,1 Prozent auf 189 Millionen Euro.

Auch die Finanz- und Ertragslage entwickelte sich positiv. Sick investierte 11,7 Prozent des Umsatzes in seine Forschung und Entwicklung, um sein Portfolio auf ein breites, zukunftsfähiges Fundament zu stellen, das Kunden weltweit bei der industriellen Digitalisierung unterstützt. Allein 70 Patentanmeldungen für software- und KIbasierte Automationslösungen hat das Unternehmen 2023 eingereicht. Weltweit hält Sick fast 4000 Patente.

„Wir haben Umsatz sowie Gewinn gesteigert und sind stolz auf diese Leistung in einem anspruchsvollen Jahr. Mehr als 12.000 Menschen haben mit viel Leidenschaft an neuen Lösungen für unsere Kunden gearbeitet und sich dabei flexibel dem hohen Tempo der Marktdynamik und des technologischen Fortschritts angepasst“, sagte der Vorstandsvorsitzende Mats Gökstorp.

Sick-Sensorapplikationen sind die Basis für die Steuerung digitaler und automatisierter industrieller Prozesse in der Fabrik-, Logistik- und Prozessindustrie. 2023 konnte das Unternehmen in allen drei Geschäftsfeldern mehr Umsatz machen, wobei die Fabrikautomation mit 6,9 Prozent auf 1,185 Milliarden das stärkste Wachstum zeigte. Die Prozessautomation wuchs um 5,8 Prozent auf 348 Millionen, die Logistikautomation um 2,8 Prozent auf 747 Millionen Euro. Im Heimatmarkt Deutschland wuchs der Umsatz trotz leicht rückläufiger Konjunktur um 4,2 Prozent auf 380 Millionen Euro. In Europa, Afrika, dem

nahen und mittleren Osten konnte der Umsatz um 12,2 Prozent auf 823 Millionen Euro überproportional gesteigert werden. Das Wachstum jenseits des Atlantiks, gestützt von den USA und Brasilien, legte um 7,1 Prozent auf 545 Millionen Euro zu. Der Umsatz in der Region Asien-Pazifik ging indes um 4,0 Prozent auf 559 Millionen Euro zurück. „Dies ist auf den chinesischen Markt zurückzuführen, der durch negativ wirkende Kursveränderungen des chinesischen Renminbis sowie allgemeine Marktunsicherheiten in der Region beeinflusst wurde“, heißt es in einer Pressemitteilung. bib

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Foto: © Sick AG chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 11
Stolz auf sein Team: Mats Gökstorp

Längeres Leiden: Seit 2021 dauert die praktische Führerscheinprüfung in Deutschland rund 55 Minuten.

3500 Euro und immer noch kein Lappen

Noch nie sind beim Führerschein so viele durchgerasselt

Leider nicht bestanden. Rund zwei Millionen theoretische Führerscheinprüfungen wurden 2023 in Deutschland abgelegt. Fast jeder Zweite fiel durch. Auch Daniel Müller (Name geändert) tat sich schwer: Er hat die praktische Prüfung gleich fünf Mal verhauen. Experten nennen die Gründe für die alarmierenden Zahlen.

Daniel Müller erzählt erstaunlich gelassen von seinem Schlamassel: „Wahrscheinlich war ich einfach nicht so gut vorbereitet.“ Gleich fünf Mal ist er seit Juni durch die praktische Prüfung gerasselt. Einmal fuhr er auf der Autobahn über eine durchgezogene Linie, einmal parkte er falsch ein, ein andermal missachtete er das Rechts-vorLinks. Doch seinem Fahrlehrer will der 20-jährige BWL-Student aus Frankfurt am Main keinen Vorwurf machen: „Wahrscheinlich haben da einfach bisschen die Nerven reingespielt.“

Immerhin: Die Theorie hat Müller beim ersten Mal bestanden. Das hat 2023 nur knapp jeder Zweite in Deutschland geschafft. 42 Prozent sind laut TÜV durchgefallen. So viele wie nie zuvor. 2014 war es „nur“ jeder Dritte (32 Prozent).

Jeder Zweite fällt durch die Prüfung

„Die Theorieprüfung ist wesentlich schwieriger geworden“, erklärt Jochen Klima, Vorsitzender des Fahrlehrerverbands Baden-Württemberg, die Zahlen. Stumpfes Auswendiglernen führe heute nicht mehr zum Führerschein. Verkehrsregeln müssten heutzutage nicht nur wiedergegeben, sondern auch angewandt werden. Und auch der Fragen-Pool hat sich über die Jahre von 800 auf aktuell rund 1300 vergrößert. Die praktische Fahrprüfung ist seit 2021 mit 55 Minuten veranschlagt und dauert damit länger als zuvor.

„Prüfungen haben heute den Charakter von Trial and Error“, so Klima –auch weil die Prüfungen mittlerweile beliebig oft wiederholt werden. Zuvor wurden Prüflinge bei dreimaligem Durchrasseln noch mit einer dreimonatigen Sperre belegt. Das ruft auch Betrüger auf den Plan: „Es scheint eine hohe Dunkelziffer zu geben“, sagt Klima. Zwei Betrugsmaschen seien bekannt: „Entweder schicken die Betrüger jemanden zur Prüfung, der ihnen ähnlich sieht, oder die Leute sind verkabelt, mit Knopf im Ohr und Kamera im Hemdknopf.“

Die Kosten für „den Lappen“ sind in den vergangenen Jahren explodiert. Laut Andreas Müller, Leiter Abteilung Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Südbaden, müssen Fahranfänger mit Kosten von 2500 bis zu 4500 Euro für einen B-Klasse-Schein rechnen. „In der Regel können die wenigsten Führerscheinschüler die Kosten selbst aufbringen. Sehr häufig werden

Foto: © iStock.com/urbazon
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Schüler von den Eltern oder nahen Verwandten unterstützt“, erklärt Müller. Klima begründet die Preissteigerung mit der fehlenden Vorerfahrung zahlreicher Fahrschüler: „Wir beobachten, dass Jugendliche heute so gut wie keine Mitfahrerfahrungen haben. Wir müssen heute viel mehr Verkehrsregeln erklären, die früher bekannt waren. Das steigert die Ausbildungszeit.“ Auch Müller nimmt die Prüflinge in die Pflicht: „Die Fähigkeiten der Fahrschüler, sich in komplexen Verkehrssituationen zurechtzufinden, sind stark zurückgegangen.“ Hinzu kämen zahlreiche Verteuerungen, die an Fahrschüler weitergegeben werden. „Früher hat man ein Auto für 300 Euro geleast, heute sind es 800 Euro“, sagt Klima. Auch der Fachkräftemangel spiele eine Rolle, viele Schulen suchen laut Klima händeringend Ausbilder. Die private, einjährige Ausbildung kostet rund 20.000 Euro. Der monatliche Bruttolohn für Berufseinsteiger liegt bei 3500 bis 4000 Euro. Unterm Strich zahlen deutsche Fahrschüler mehr als ihre europäischen Nachbarn: In Frankreich oder Belgien kostet der Führerschein durchschnittlich weniger als 2000 Euro. Laut Müller hängt das auch mit der Anzahl von Fahrstunden zusammen: „So sind in Deutschland 15 Stunden Praxis Pflicht, in anderen Ländern gibt es hingegen keine

Mindestanzahl an Stunden, die absolviert werden müssen.“

Auch in Freiburg ist der Negativ-Rekord bei Führerscheinprüfungen bekannt. Die größte Fahrschule hier ist die Academy Fahrschule Fiek unter Leitung von Sascha Fiek. Er sieht drei Gründe für die traurige Bilanz: „komplexere Prüfungen, weniger eigene Motivation der Prüflinge und ein verändertes Lernverhalten“. Fiek findet, gerade Fahrschulen seien da gefragt: „Wir können viel tun.” Vor der Prüfung brauche es Lernzielkontrollen.

„Verändertes Lernverhalten“

„Wir dürfen nur dann jemanden in die Prüfung schicken, wenn er prüfungsreif ist.“ Wer das nicht tue, brauche sich über so manche Ergebnisse nicht zu wundern. Fahrschulen seien sogar gesetzlich verpflichtet, sich darum zu kümmern. Und die heutige Generation junger Menschen sei es zudem gewohnt, an die Hand genommen zu werden. In seinem Haus liege die Durchfallquote bei nur 25 Prozent. Dafür sorge auch ein internes Ampelsystem: „Rot heißt, du bist noch gar nicht prüfungsreif. Gelb heißt, es könnte schon was werden. Grün heißt: Du hast unter Beweis gestellt, dass du prüfungsreif bist“, erklärt

Fiek. Bei ihm gehe ein Schüler nur dann in die Prüfung, wenn er grün ist. „Sonst kriegt man gar keine Zulassung.“ Dennoch bleibe es auch Abwägungssache: „Es ist ein Spagat. Eigentlich hätte ich Schüler gern noch fünf Stunden im Auto, um es etwas zu stabilisieren. Aber natürlich ist es auch teuer für junge Menschen“, sagt Fiek.

Dass Fahrschulen sich mit steigenden Preisen eine goldene Nase verdienen, sei falsch: „Wir sind eigentlich in Sachen Qualitätsmanagement noch unterfinanziert.“ Fahrschulen müssten durch geänderte Systeme mehr Autos vorhalten als früher. Die seien zudem deutlich teurer geworden. Genau wie Sprit und Energie. Das Personal werde außerdem zahlreicher und wolle keine Sechstagewoche mehr. „Das sind alles Kostentreiber, die es einfach gibt.“

Für Daniel Müller sind diese Zahlen Nebensache. Er hat bisher rund 3500 Euro bezahlt – und weiterhin keinen Führerschein. Die bestandene Theorieprüfung ist inzwischen verfallen und muss neu gemacht werden. Er möchte nun erst sein Studium beenden und dann einen neuen Anlauf nehmen. Mit mehr Fokus und Vorbereitung. Ein Leben ohne Auto kann er sich jedenfalls nicht vorstellen: Per Zug in die Heimat zu fahren, sei weitaus teurer als auf vier Rädern.

Till Neumann & Philip Thomas

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chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 13 Mobilität

Erdrutsch bei Eigentumswohnungen

Immobilienmarktbericht 2023: teuerste Villa für 5,4 Millionen Euro

Nicht zu kaufen, aber zu mieten: An der Neunlindenstraße wird die Freiburger Stadtbau mit dem Bau von rund 150 öffentlich geförderten Wohnungen beginnen – aber erst Mitte 2027.

Die Preise auf dem deutschen Immobilienmarkt sind im vergangenen Jahr so stark gefallen wie seit 60 Jahren nicht mehr: Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mitteilte, waren Eigentumswohnungen 8,9 Prozent, Einfamilienhäuser 11,3 Prozent und Mehrfamilienhäuser 20,1 Prozent billiger. „Dieser Preisverfall im bundesdeutschen Durchschnitt spiegelt sich aber nicht im Freiburger Immobilienmarkt wider“, betonte Baubürgermeister Martin Haag bei der Vorlage des Immobilienmarktberichts 2023 für Freiburg.

Nach dem Bericht des städtischen Gutachterausschusses ist das Volumen der Transaktionen 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurückgegangen. Im Vergleich zum Rekordjahr 2021 mit 1,25 Milliarden Euro sogar um 39 Prozent auf nun 763 Millionen Euro.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr nur zwölf Bauplätze für Ein- und Zweifamilienhäuser im gesamten Stadtgebiet verkauft. Bei Bauplätzen für mehrge-

schossige Gebäude (mit und ohne gewerbliche Anteile) hat der Ausschuss folgende Zahl verzeichnet: null. Und es ging auch nur ein einziges neues Einfamilienhaus über den Tisch.

Bei Villen in 1-a-Lage lag der Quadratmeterpreis bei rund 8060 Euro. Die durchschnittliche Villa mit 227 Quadratmetern Wohnfläche und 861 Quadratmetern Grundstück kostete 1,86 Millionen Euro. Freistehende, gebrauchte Ein- und Zweifamilienhäuser kosteten im Schnitt 755.000 Euro oder 5390 Euro pro Quadratmeter. Das teuerste Einfamilienhaus kostete 5,4 Millionen Euro, die teuerste Wohnung 1,925 Millionen.

Gebrauchte Reihenendhäuser und Doppelhaushälften (mit 141 Quadratmetern Wohn- und 340 Grundstücksfläche) lagen bei 682.000 Euro oder 5130 Euro pro Quadratmeter. Das ergibt sich immerhin aus 48 Käufen. 2023 wurden insgesamt 140 (2022: 167) Ein- und Zweifamilienwohnhäuser und 72 (2022: 60) Mehrfamilienhäuser verkauft. Einen Erdrutsch gab es bei neuen Eigentumswohnungen (wir berichteten exklusiv): Waren es 2022 noch 113, sackte

die Zahl jetzt auf 24 ab. Der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. 2021 waren es 282.

Im Stadtgebiet lag der durchschnittliche Kaufpreis je Quadratmeter Wohnfläche im Erstverkauf (ohne Tuniberggemeinden und Hochdorf) bei 7172 Euro. Bis 2009 lagen noch 85 Prozent der Neubauverkäufe im Segment bis 3500 Euro pro Quadratmeter. Seit 2016 gab es keinen einzigen Verkauf unter diesem Wert mehr. 50 Prozent der Verkäufe lagen 2023 bei über 6500 Euro. Ein gebrauchter Wohnquadratmeter kostete 2023 durchschnittlich rund 4760 Euro (2022: 5240 Euro). In Hamburg sackte der Preis von 6791 auf 5690 Euro ab, in Stuttgart von 4925 auf 4347. Woher kommen die Käufer? Nach den Erhebungen des Freiburger Gutachterausschusses zur knappen Hälfte aus der Stadt selber (46 Prozent), 19 Prozent kommen aus dem Ländle, 14 Prozent sind im Ländle tätige Wohnungsunternehmen. Nur jeder zehnte Käufer kommt von außerhalb Baden-Württembergs. Ähnlich sind die Zahlen aus dem Landkreis Emmendingen. 70 Prozent der Käufer kommen aus dem Landkreis, 12 Prozent aus Freiburg, berichtete Franziska Zeuke vom Gutachterausschuss in Emmendingen.

Die Entwicklung von Wohnungsbau sei „immer noch eine politische Herausforderung“, sagte Haag. Man arbeite aber „mit viel Druck an neuen Gebieten, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und den Wohnungsmarkt zu entlasten“. bar

Info

Den Immobilienmarktbericht 2023 gibt es online https://www.freiburg.de/ pb/1424099.html oder unter der E-Mail gutachterausschuss@stadt. freiburg.de.

Visualisierung: © AllesWirdGut Architektur ZT GmbH Wien München
Immobilien 14 | chilli | business im Breisgau | 05.2024

100 Millionen Euro fürs Corum

Dr. Falk Pharma begeht Spatenstich

Großer Auftrieb: Der Kreativpark der Lokhalle war gut gefüllt, als Carola und Martin Falk ans Mikrofon traten, um den Spatenstich für die neue Firmenzentrale der Dr. Falk Pharma GmbH zu feiern. Baubürgermeister Martin Haag hatte neben warmen Worten („Ich freue mich, dass Sie als Freiburger Traditionsunternehmen hier nebenan ihre neue Zentrale errichten.“) auch gleich den Baufreigabeschein für die Baugrube dabei.

Rund 100 Millionen Euro will die Lifa Breisgau GmbH, die Immobiliengesellschaft der Falk-Gruppe, direkt vis-à-vis der Lokhalle investieren. Dafür gibt es auf dem 8900 Quadratmeter großen Grundstück rund 18.000 Quadratmeter vermietbare Fläche, Wärme aus Geothermiesonden, Strom aus einer Solaranlage vom Dach. Das Gebäude wird in HolzhybridBauweise erstellt, die rostrote Fassade und das Dach werden begrünt, die Goldmedaille der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ist angestrebt. Drei kleine Plätze sollen auch für die Menschen im Güterbahnhof-Quartier attraktiv gestaltet werden.

Den vorgeschalteten Architektenwettbewerb hatte das Kopenhagener Büro Cobe gewonnen (wir berichteten). „Der Entwurf bietet einen tollen Bezug zur historischen Lokhalle, eines der schönsten Denkmäler und ein Juwel der Stadt Freiburg“, sagte Martin Falk. Falk lobte das Dezernat von Haag für die Zusammenarbeit, sagte aber auch: „Ein bisschen mehr Pragmatismus beim Bauantrag wäre schön.“

Carola Falk betonte den kooperativen Ansatz bei der Planung, es werde eben keine Betriebskantine, sondern eine offene

Beim Sandeln: Philipp Argast, Najda Koch, Martin Falk, Martin Haag, Carola Falk, Caroline Nagel und Ulrich Pohl von Cobe, Carolin Krämer und Stefan Ernst von Ernst² Architekten AG (v. l.)

Gastronomie geben, eine offene Coffee Corner, eine offene Dachterrasse für die Mieter und nicht zuletzt ein – durchaus spektakuläres – offenes Atrium für alle. Der Kunstname Corum ist ein Hybrid aus dem herkömmlichen Forum und genau diesen co-operierenden Momenten.

Die Dr. Falk Pharma und die Falk Foundation, die derzeit mit 400 Mitarbeitenden am immer enger werdenden Stammsitz in Hochdorf arbeiten, werden gut die Hälfte der Flächen belegen. Für rund 8000 Quadratmeter suchen die Falks noch „Freundmieter“. Mit dem Rohbau soll es Ende Oktober losgehen. Bis die Falk-Beschäftigten einziehen können, wird es noch bis zum Sommer 2026 dauern.„Bauen ist das letzte Abenteuer des 21. Jahrhunderts, da kann mehr passieren als im Dschungel“, sagte Haag. Und: „Die Bauerei ist überreguliert.“ Dafür gab es viel Beifall. bar

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Immobilien chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 15

WIR SÜD: Auf diesen Namen hört das Vorhaben für ein Azubi-Wohnheim in Landwasser.

»Tolle Geschichte«

Stadtbau feiert mit einem Spatenstich zwei Bauvorhaben

Auf dem nicht sozialen Wohnungsmarkt in Freiburg ist das heute ein besonderer Spatenstich“, sagte Oberbürgermeister Martin Horn an einem regnerischen Freitagmorgen im April an der Wirthstraße in Landwasser. Besonders, weil die Freiburger Stadtbau GmbH südlich der Straße 89 barrierefreie Ein- und Zweizimmer-Apartments mit günstigen Mieten für 145 Azubis baut. Das Projekt hört auf den Namen „WIR SÜD“. Auch nördlich der Straße ist die FSB kurz vor dem Baustart von vier Häusern mit 100 Wohnungen mit 6700 Quadratmetern Wohnfläche.

FSB-Geschäftsführerin Magdalena Szablewska erläuterte das Modell, bei dem die Ausbildungsfirmen ein Drittel der Kaltmiete (auf Mietspiegelniveau) zahlen sollen, damit die Azubis nicht ihr ganzes Geld allein fürs Wohnen ausgeben müssen.

Man befinde sich bereits „in guten Gesprächen“ mit der Handwerks- sowie der Industrie- und Handelskammer. „Das Konzept stößt auf große Resonanz bei Unternehmen und Institutionen. Der Bedarf ist riesig. Mit unserem Mietmodell können Unternehmen ihren Nachwuchs fördern und sich zugleich an der Schaffung von günstigem Wohnraum beteiligen“, sagte FSB-Geschäftsführer Matthias Müller. Das achtgeschossige Gebäude mit 3880 Quadratmetern Wohnfläche wird in vernünftiger KfW-55-Bauweise erstellt und bietet den Bewohnern auch Open Spaces, Community Lounges und auf dem Dach der viergruppigen Kita – die sich im Erdgeschoss aus dem Baukörper wie eine Schublade herauszieht – eine Terrasse. „Das Projekt ist eine tolle Geschichte für Freiburg und auch für die FSB“, sagte Baubürgermeister Martin Haag. Der alte Bolzplatz musste fürs Azubiwohnheim weichen, es wird allerdings nur wenige hundert Meter entfernt bald einen neuen geben.

Auf der anderen Straßenseite erstellt die FSB vier Häuser mit 31 geförderten Mietwohnungen, 15 frei finanzierten Mietwohnungen und 54 Eigentumswohnungen mit mindestens einem und maximal fünf Zimmern. Auch hier wird im KfWEffizienzhaus-Standard 55 gebaut, geht es also nicht über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Was Kosten spart. Wie beim Azubi-Projekt hatte auch hier das Konstanzer Büro Lanz Schwager den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen. Die Stadtbau investiert in beide Bauvorhaben knapp 60 Millionen Euro.

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Hoch die Schaufel: Martin Haag, Magdalena Szablewska, Martin Horn, Matthias Müller, Hanna Böhme, Stefan Breiter (v. l.)
Immobilien 16 | chilli | business im Breisgau | 05.2024

3,8 Millionen Euro von Bund und Land

Freiburg erhält Geld für Sanierungsprojekte

Die Stadt Freiburg erhält von Bund und Land aus dem Städtebauförderprogramm 3,8 Millionen Euro für laufende Erneuerungsmaßnahmen. Hinzu kommen 2,5 Millionen als ein Eigenanteil der Stadt.

Die Förderung ermöglicht die Sanierung und den Erhalt von dringend benötigtem Wohnraum. „Für die erneut großzügige und zuverlässige Unterstützung durch Bund und Land bin ich sehr dankbar“, sagt Baubürgermeister Martin Haag. Dank der Städtebauförderung können Gebäude in drei Sanierungsgebieten energetisch deutlich verbessert werden. Gleichzeitig blieben die Mieten bezahlbar.

Für die seit vier Jahren laufende denkmalgerechte Sanierung der Knopfhäusle-Siedlung gibt es aus dem Paket nun weitere 1,1 Millionen Euro. Die Bewohner des zweiten Bauabschnitts sind unlängst wieder in die Gebäude Schwarzwaldstraße 72 und 74 zurückgekehrt. Demnächst beginnen die Sanierungsarbeiten für die Hausnummern 66 und 68 (dritter Bauabschnitt) sowie in der 60 und 62 (vierter Bauabschnitt).

Fürs Sanierungsverfahren Sulzburger Straße gibt es 900.000 Euro. Eine der zentralen Maßnahmen ist die Sanierung und Erweiterung des Seniorenzentrums Weingarten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Sanierung von zwei achtgeschossigen Wohngebäuden der Freiburger Stadtbau GmbH. Für die Sanierung des Breisacher Hofs werden erneut 1,8 Millionen Euro bereitgestellt: Hier laufen derzeit die Arbeiten an den Gebäuden Elsässer Straße 2f und 2g. „Die Mittel sind ein wichtiger Baustein für die Stadt Freiburg, um ihre Quartiere lebenswert zu erhalten und gleichzeitig zukunftsfest zu gestalten“, kommentierte die Freiburger GrünenLandtagsabgeordnete Nadyne Saint-Cast.

Sanft saniert: Die ersten Häuserzeilen an der Ende des 19. Jahrhunderts gebauten Knopfhäusle-Siedlung am Alten Messplatz sind schon wieder bezogen.

Insgesamt stehen fast 235 Millionen Euro aus Landes- und Bundesmitteln für 302 Maßnahmen in 274 Städten und Gemeinden im Land zur Verfügung, darunter 51 neue Maßnahmen sowie 251 Sanierungsgebiete. Daraus sollen rund 25.400 Wohnungen entstehen.

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chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 17

What a feeling

Neues Tourismuskonzept setzt aufs Freiburg-Gefühl

Mit dem Oberbegriff Freiburg-Gefühl und dem zentralen Profil Natur & Aktiv will die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) künftig die Einzigartigkeit Freiburgs im Städtetourismus herausstellen. Der Tourismus spielt wirtschaftlich eine zunehmend große Rolle: Nach einer Erhebung der dwif-Consulting GmbH haben Touristen im Jahr 2022 in Freiburger Betrieben 812 Millionen Euro umgesetzt.

„Freiburg hat durch die Verbindung von Stadt und Natur, eine ausgezeichnete In-

frastruktur sowie eine urbane agile Szene in diesem Bereich enormes Potenzial“, sagte die FWTM-Abteilungsleiterin für den Tourismus, Franziska Pankow, bei der Vorstellung des neuen Tourismuskonzepts. Die Stärkung dieses Marktsegments in Verbindung mit Kulinarik und Kultur könne auch für mehr Auslastung in den Hotels, vor allem in den umsatzschwachen Monaten sorgen.

Unter dem Oberthema „Freiburg-Gefühl“ bilden die klassischen StadtThemen „Kultur und Kulinarik“ zentrale Säulen der Themenarchitektur des zweiten Tourismuskonzepts. Neu hinzu kommt das Thema „Workation“

(Kunstwort aus Work und Vacation), das den Trend der Verbindung von Arbeit mit Urlaub beschreibt.

Fünf Jahre nach dem ersten Tourismuskonzept hat die FWTM das Konzept im vergangenen Jahr in enger Abstimmung mit einer Gruppe aus dem Tourismusbeirat der FWTM, den touristischen Leistungsträgern und den städtischen Dezernaten und Gesellschaften grundlegend überarbeitet. „Auch das zweite Tourismuskonzept wird touristische Infrastrukturmaßnahmen enthalten, die gemeinsam mit der Stadtverwaltung oder Dritten umgesetzt werden“, sagte Bürgermeister Stefan Breiter.

Tourismus
Foto: © Neithard Schleieri
Urban und naturnah: Genau mit dieser Mischung will Freiburg sich künftig noch besser im Städtetourismus positionieren.
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„Sämtliche Analysen und Studien zeigen, dass die Kombination aus Stadt und stadtnaher Natur die Destination Freiburg in besonderem Maße ausmacht und damit ein Alleinstellungsmerkmal unter den deutschen Großstädten darstellt“, sagte FWTM-Geschäftsführerin

Hanna Böhme. Als zentrales Profilthema wurde daher „Natur & Aktiv“ festgelegt. Die Positionierung liegt auf dem Stadterlebnis, das in Freiburg unkompliziert mit Natur- und Aktiv-Erlebnissen kombiniert werden kann. Eine primäre Profilierung als Outdoor- oder NaturDestination ist aber nicht vorgesehen. Für einen Besuch in Freiburg wurden drei wesentliche Reiseanlässe analysiert: Leisure (Freizeittourismus), MICE (Meetings, Incentives, Conventions und Exhibitions – Geschäftsreisetourismus) und Gesundheit (medizinisch motivierte Reisen). Dem Geschäftsreisetourismus kommt im fortgeschriebenen Tourismuskonzept dabei eine bedeutende Rolle mit großem Potenzial zu.

„Das Tourismuskonzept bildet nicht nur eine gute Grundlage für die qualitätsorientierte Weiterentwicklung des Tourismus in Freiburg, sondern auch für die notwendige Steigerung der Bettenauslastung und Wertschöpfung“, kommentierte Christoph Glück, Vorsitzender Dehoga Freiburg-Stadt. Nach der dwif-Studie haben die Übernachtungsgäste für 343 Millionen und die Tagesgäste für knapp 470 Millionen Euro Umsatz gesorgt. Mehr als 13.000 Menschen in Freiburg würden wesentliche Teile ihres Einkommens mittlerweile durch den Tourismus beziehen. Auch die Rathausschatulle wird durch die Touristen gefüllt: Fast 74 Millionen Euro haben die Experten an Grund- und Gewerbesteuern, an Betten- und Zweitwohnungssteuern und Kurtaxen errechnet. 2023 feierte Freiburg mit 2,12 Millionen Übernachtungen – allein in Betrieben mit mehr als zehn Betten – einen neuen Rekord. bar

Helden des Tourismus

Staatssekretär zeichnet

Südbadener aus

Patrick Rapp, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, hat unlängst fünf engagierte Unternehmer:innen mit dem Tourismushelden-Preis ausgezeichenet. Über die Anerkennung freuen sich Niels und Caroline Möller (Luisenhöhe Horben), Christoph Glück (Hotelier, Gastronom und Mitglied der Dehoga-TaskForce), Achim Thoma und Andrea Duarte-Löffler (Dorint Thermenhotels Freiburg), Peter Ehrhardt (Adler Hochstetten) und Ulrike Weiß vom Naturgarten Kaiserstuhl.

bib

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chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 19

Mehr Vertrauen in den Vertragspartner

Mathias Hecht über die neue eGbR

Seit Januar 2024 kann sich eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) in das neue Gesellschaftsregister eintragen lassen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) unterscheidet seither ausdrücklich zwischen einer alten, im Wirkungskreis eingeschränkten GbR und einer neuen eGbR. Die Gesellschafter müssten sich also fragen, ob ihre GbR fit für 2024 ist.

Dem Gesetzgeber lag offenbar zu viel Staub auf dem Personengesellschaftsrecht. Nicht nur eine BGB-Regelung hat die Altersgrenze von 100 Jahren mittlerweile überschritten. Nach der Modernisierung kann die bisherige GbR zwar weiter in Ausnahmefällen unternehmerisch tätig sein, aber nicht mehr wie bisher: Sie ist gleichsam operativ leicht behindert. So kann sie etwa keine Veränderungen in Grundbüchern mehr veranlassen oder auch keine Grundstücke mehr kaufen oder verkaufen.

Zwar kann eine alte GbR auch weiterhin Anteile an einer Kommanditgesellschaft (KG) erwerben, aber ohne eine Eintragung der Kommanditisten-Stellung ins Handelsregister droht, wenn die KG am Geschäftsverkehr teilnimmt, die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter. Wer das vermeiden möchte, muss seine GbR vorher in eine eGbR

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Mathias Hecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Gesellschafter bei der Hecht, Budai & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Freiburg

umwandeln. Das verursacht zeitlichen Aufwand und kostet auch Geld. Aber auch die für neue eGbR gilt der alte Grundsatz: Jede Medaille hat zwei Seiten. So ist das Gesellschaftsregister als öffentliches Register für jeden kostenlos einsehbar, um wesentliche Informationen der eGbR abzurufen. Der Inhalt des Gesellschaftsregisters genießt zudem den öffentlichen Schutz des guten Glaubens auf die Richtigkeit des Inhaltes. Mit der Registerpublizität entsteht daher auch eine neue Transparenz über die Existenz und Identität der eGbR. Damit wird auch der Nachweis der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter im Geschäftsverkehr vereinfacht. Ohne Registerpublizität kann diese Befugnis der Gesellschafter nur durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages oder Vollmachten nachgewiesen werden. Insge-

samt bringt die Registrierung also auch mehr Rechtssicherheit und stärkt zudem das Vertrauen der Vertragspartner. Man könnte also frei nach Einstein auch sagen: e = ht² (e = eingetragen, h = handlungsfähiger, t = transparenter).

Fazit: Für viele bestehende GbRs erscheint eine Eintragung zunächst einfach nur lästig. Es sollte aber bedacht werden, dass, wenn Transaktionen geplant werden, die eine Eintragung voraussetzen, die „Wandlung“ im Vorfeld durchgeführt werden muss, um Verzögerungen bei der eigentlichen Transaktion zu vermeiden. Übrigens: Die Eintragung im Gesellschaftsregister führt nicht zu einem kaufmännischen Handelsgewerbe. Also kann auch eine gewandelte eGbR weiterhin über steuerliches Privatvermögen verfügen. Ist also Ihre GbR fit für 2024?

20 | chilli | business im Breisgau | 05.2024 Expertenbeitrag
GbR eGbR
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Die Tücken des passiven Investierens

Werner Krieger über die zwei Seiten der ETF-Medaille

In der Welt des Investierens sind ETFs (Exchange Traded Funds) derzeit in aller Munde. Immer mehr Anleger setzen auf sie, also auf Wertpapiere, die einfach nur einen Aktienindex abbilden und somit passives Investieren ermöglichen. Vielerorts werden ETFs als das Musthave-Investment für eine sichere Altersvorsorge angepriesen. Doch Vorsicht: ETF-Strategien bergen auch Risiken, die von Privatinvestoren oft übersehen werden.

Investoren können mit ETFs in ganze Indizes von Aktien, Branchen oder Ländern investieren und erhalten genau die Wertentwicklung des gewählten Index, also zum Beispiel des deutschen Leitindex DAX. Durch die breite Streuung über viele verschiedene Aktien versprechen ETFs eine vermeintlich sichere Anlage.

Hohe Gewichtung

überbewerteter Titel

Die Konstruktion von Aktienindizes führt in der Realität dazu, dass bestimmte Titel hoch gewichtet werden und das Chance-Risiko-Verhältnis dadurch beeinträchtigt ist. Der Grund dafür ist, dass die Aktien innerhalb eines Index nicht zu je gleichem Anteil gewichtet sind, sondern nach deren Wert an der Börse. Ein Blick auf den weltweiten Index MSCI ACWI verdeutlicht dies: Er beinhaltet über 3000 Aktien aus insgesamt 49 Industrie- und Schwellenländern und scheint damit ein sehr breit gestreutes Investment zu versprechen.

Tatsächlich investiert dieser Index jedoch zu 63 Prozent in US-Aktien, wovon wiederum 17 Prozent auf die sieben größten US-Technologieriesen entfallen – von einer breiten Streuung kann also keine Rede sein. Wenn wir das in Geldwerte umrechnen, so werden von jeder Million US-Dollar, die Anleger in den Index investieren, 630.000 US-Dollar nur in US-Aktien und davon allein 170.000 US-Dollar in die sieben größten Technologieaktien angelegt. Japan kommt beispielsweise als Land mit der zweitgrößten Gewichtung gerade mal auf 5,4 Prozent, und der Anteil von Industrieländern wie Frankreich, Kanada, Deutschland, Schweiz oder Australien ist noch weitaus kleiner.

Japan höher bewertet als USA

Diese Strukturierung der Aktien nach Ihrem Börsenwert führt mit der Zeit

zu einer zu hohen Gewichtung überbewerteter Titel im Index. Das Problem: Überbewertete Titel neigen im Rahmen von Crashs dazu, überdurchschnittlich stark an Wert zu verlieren. Noch Ende der 1980er-Jahre war der japanische Aktienmarkt stark übergewichtet und globale Aktienindizes mussten Japan höher gewichten als die USA – heute sieht das bekannterweise anders aus.

In Zeiten größerer Marktschwankungen oder gar einer Wirtschaftskrise – wie 2008 – können reine ETF-Investments zudem zu einer negativen Wertentwicklung über längere Phasen führen. Da sich Aktienmärkte in Zyklen bewegen, sind längere Durststrecken also vorprogrammiert.

So investieren Sie besser: Die Welt verändert sich ständig und Indizes reagieren oft zu träge auf diese Veränderungen. Passives Investieren über ETFs mag auf den ersten Blick einfach, risikoarm und bequem sein, doch es lohnt sich, die Tücken dieser Strategie genauer zu betrachten und alternative Anlageformen in Betracht zu ziehen. Um ein besseres Chance-Risiko-Verhältnis zu erzielen, sollten Anleger vielmehr verschiedene Aktienstrategien in Betracht ziehen und ETFs eher als Beimischung, denn als Alleininvestment sehen.

Info

Wer sich tiefer mit der Materie befassen möchte, dem sei der GFA-Podcast „Börsenkrieger“, der GFA-Newsletter oder die GFAVorträge und -Webinare empfohlen. Mehr Infos: www.gfa-vv.de.

chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 21 XXXXXXXXXXX
Foto: © GFA Arbeitsmarkt
Expertenbeitrag
Werner Krieger (60): Finanzmarktanalyst, Gründer und Geschäftsführer der GFA Vermögensverwaltung GmbH

Schmeißt den Laden: Goran Dolic nennt den Späti sein „erstes Zuhause“.

»Das respektieren alle«

Freiburgs einziger Späti kommt bisher ohne Trubel aus

Der „Bis Späti“ im Freiburger Stadtteil Stühlinger hat vor drei Jahren für viel Wirbel gesorgt. Und musste schließen. Mittlerweile gibt es an der Habsburger Straße in Herdern einen neuen Späti. Der Laden musste zwar bereits einen Angriff überstehen, kommt sonst aber ohne Trubel aus. Wie das geht, verrät Besitzer Goran Dolic.

In Köln oder Berlin gibt es Spätkiosks an fast jeder Ecke. In Freiburg ist das anders: Mit dem „Bis Späti“ eröffnete im Mai 2019 Freiburgs erster Nachtkiosk. Doch er hielt sich nach Ärger mit klagenden Anwohnenden nur rund zwei Jahre. Für viele junge Menschen hinterließ er eine Lücke. Die versucht Goran Dolic zu schließen. Der 28 Jahre alte Freiburger betreibt seit Oktober 2022 den aktuell einzigen Späti der Stadt. An der Habsburger Straße 119 ist sein „Späti Fourty Eight“ nur 200 Meter vom Europaplatz entfernt.

Etwas unscheinbar liegt der Laden am Straßenrand. Am Eingang gibt’s Post-

karten, ein Eisschild wirbt mit BumBum und Magnum unter einer LagneseFahne. Wer eintritt, fühlt sich ein bisschen wie am Tankstellen-Shop: Es gibt Drinks, Snacks und Eiswürfel – hinter der Kasse reihen sich unzählige Zigarettenschachteln aneinander. Früher war hier ein Spielcasino. Heute gehen Paprika-Chips über die Theke von Goran Dolic.

„Habe Respekt davor gehabt“

Dolic kennt den Ärger um den alten Späti. Mit dessen Vermieter war er im Austausch. „Ich habe Respekt davor gehabt, hier so etwas aufzumachen.“ Also nahm er sich vor, mit klaren Worten sicherzustellen, dass es keine verärgerten Anwohner·innen gibt: „Wir haben dafür gesorgt, dass es eben nicht so turbulent wird, dass die Leute dann nicht draußen rumirren.“

Dafür brauche es „normale Ansagen, mit Respekt auf jeden Fall“. Golic ist überzeugt: „Das respektieren alle.“ So gelinge es, dass die Kund·innen keinen Müll machen, nicht rumschreien und berücksichtigen, dass hier auch Menschen wohnen, die nicht die Jüngsten sind und ab einer bestimmten Uhrzeit ihre Ruhe haben wollen.

Beschwerden sind ihm bisher nicht zu Ohren gekommen. Im Gegenteil: Von den Nachbar·innen kenne er mittlerweile

Wie er dazu kam, einen Späti aufzumachen? „Auf die Idee kam ich gar nicht“, antwortet Dolic. Nur einen Monat vor der Eröffnung sei er von einem Kollegen eingeladen worden, den Laden zu führen. „Ich habe das Potenzial darin gesehen“, sagt Dolic. Also übernahm er ohne zu zögern. Auch um der Stadt zu bieten, was in seinen Augen fehlt: Nachtkiosks. Davor arbeitete er im Familienbetrieb auf dem Bau. Das macht der große Mann mit den breiten Schultern und kurzen Haaren noch immer. Doch die meiste Zeit steckt er in den Laden: „Ich lebe hier, ich esse hier.“ Der Späti sei „sein erstes Zuhause. Das zweite ist woanders“.

22 | chilli | business im Breisgau | 05.2024 Fotos: © tln
Einzelhandel

viele. „Die sind Kunden von uns“, sagt Dolic. Dass man bei ihm einkaufen könne, werde gerne angenommen. Möglich ist das unter der Woche bis 1 Uhr morgens. Freitags und samstags bis um 3.

Gefragt wird viel Flüssiges: Rund die Hälfte der verkauften Waren seien alkoholische Getränke. In den Regalen stehen Schnaps, Wein, Sekt, Bier ... „Freiburg ist eine Bierstadt“, sagt Dolic. Das gehe am besten. Aber auch Snacks seien begehrt. Wer eine Tiefkühlpizza, Eiswürfel oder Shampoo sucht, wird ebenfalls fündig.

Ganz ohne Zwischenfall hat es auch der neue Späti nicht geschafft: Im Juni 2023 attackierten Vermummte das Geschäft. „Da wurde fast jede Scheibe eingeschlagen“, erzählt

Dolic. Die Polizei meldete eine „massive Beschädigung“ durch eine Gruppe von fünf bis acht Personen. Der Sachschaden betrug rund 10.000 Euro. Gezahlt hat das die Versicherung, so der Betreiber. Wer hinter dem Angriff steckt, weiß er nicht. „Man kann immer nur spekulieren und hört Gerüchte“, sagt Dolic. Für ihn bleibt: „Ich mag es nicht, so negativ zu denken. Es ist halt so passiert. Was soll ich machen?“

Der Späti an der Habsburgerstraße liegt rund 200 Meter vom Europaplatz entfernt.

Den Blick richtet der gebürtige Freiburger nun nach vorne. Der Laden soll aufgehübscht werden, auch Stehtische für den Außenbereich schweben ihm vor. „Es gibt immer ausbaufähige Bausteine“, sagt Dolic. Zu viel verraten wolle er aber noch nicht.

Eine Wohnzimmer-Atmosphäre wie im „Bis Späti“ schwebt ihm nicht vor. „Ich würde sagen, wir sind eher so der klassische Einkaufsladen.“ Im Unterschied dazu sei sein Team auch viel kleiner: Dolic hat einen Angestellten in Vollzeit und einen Praktikanten.

Mit dem Andrang und der Lage ist er zufrieden. „Reich werden tut man nicht hier. Aber man lebt.“ Ein Späti-Leben ohne klagende Nachbar·innen – darum hätten ihn die Vorgänger mehr als beneidet. Till Neumann

Drogen, Elfenbein, Bargeld

HZA Lörrach bilanziert 2023

Das Hauptzollamt Lörrach (HZA) hat im vergangenen Jahr 4,1 Milliarden Euro an Zöllen, Einfuhrumsatzsteuer und Verbrauchsteuern verbucht. Zudem wurden kiloweise Drogen und Bargeld beschlagnahmt.

Den Löwenanteil bringt mit 3,8 Milliarden Euro die Einfuhrumsatzsteuer. Die reinen Zolleinnahmen legten um 15 auf 59 Millionen Euro zu, die fast vollständig an die EU abgeführt werden. Bei den Verbrauchsteuern (Tabak, Kaffee, Alkohol, Strom) ergibt sich ein Plus von 21 auf 225 Millionen Euro. Fürs HZA arbeiten auf fast 5000 Quadratkilometern rund 1000 Beschäftigte. Im vergangenen Jahr gab es nur noch 16 Beanstandungen wegen fehlender oder gefälschter CE-Kennzeichen. Halb so viele wie 2022. Die Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie schützt nicht nur das geistige Eigentum von Unternehmen, die in die Entwicklung von Produkten erhebliche geistige und finanzielle Ressourcen stecken. Billig produzierte gefälschte Markenware sei obendrein häufig mit Schadstoffen belastet oder berge andere Gefahren in sich, heißt es in einer Pressemitteilung. 10.499 gefälschte Gegenstände wurden beschlagnahmt, darunter 10.000 Halstücher mit falscher Herkunftsbezeichnung. Verdoppelt hat sich die Zahl der artenschutzrechtlichen Verstöße auf zehn. Darunter ein Klavier mit Elfenbeintastatur. Rund 820.000 Lkw haben den Grenzübergang Weil am Rhein in beide Richtungen passiert, beim Zollamt Rheinfelden-Autobahn wurden rund 553.000 Brummis gezählt. 94.000 Privatpersonen wurden kontrolliert. Dabei kam es zu mehr als 150 Festnahmen. Insgesamt wurden bei Grenzkontrollen und in Postsendungen 263 Gramm Heroin, 34 Kilogramm Kokain, vier Kilo Amphetamine, 35 Kilo Haschisch, 410 Kilo Marihuana, 19 Kilo Kath (enthält Amphetamin-ähnliche Substanzen) sowie 650 Ecstasy-Tabletten sichergestellt. Außerdem mehr als 60.000 unversteuerte Zigaretten, ein halbautomatisches Gewehr, mehr als 90 nach waffenrechtlichen Bestimmungen verbotene Gegenstände und über 800 nicht zugelassene Feuerwerkskörper. Die Gesamtsumme der sichergestellten Barmittel (man darf höchstens 10.000 Euro aus NichtEU-Staaten wie der Schweiz über die Grenze bringen) belief sich auf 360.000 Euro, 2022 lag dieser Betrag bei 690.000 Euro. Die Zöllner sind auch für andere Behörden und öffentlich-rechtliche Organisationen (etwa Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter und Familienkassen, für Krankenkassen und Berufsgenossenschaften) tätig. Dabei wurden 97,5 Millionen Euro beigetrieben. Im Jahr 2022 hatte das HZA 4,7 Milliarden Euro verbucht. bib/bar

Einzelhandel Bilanzen

Fremdenhass gefährdet den Wirtschaftsstandort

IHK mit 27-Prozent-Kampagne für 100 Prozent Leistung

Ohne sie läuft es nicht rund in der deutschen Wirtschaft: 27 Prozent der Berufstätigen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Mit der bundesweiten Kampagne „27 Prozent von uns – #keineWirtschaftohneWir“ macht jetzt die Deutsche Industrieund Handelskammer (DIHK) darauf aufmerksam, wie wichtig Menschen mit Migrationshintergrund für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind.

Die Kampagne ist auch ein politisches Statement gegen Fremdenhass und für Weltoffenheit und Vielfalt. Auch die IHK Südlicher Oberrhein beteiligt sich an der 27-Prozent-Kampagne und reduziert ihr IHK-Logo um 27 Prozent. „Wir wollen und können es uns nicht leisten, auf diese Menschen zu verzichten“, sagt IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon: „Nur mit diesen 27 Prozent kommt unsere Wirtschaft auf 100 Prozent Leistung.“

In der Region Südlicher Oberrhein sei die Zahl der Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund noch deutlich höher als in ganz Deutschland, schätzt Simon Kaiser, IHK-Geschäftsführer für Ausund Weiterbildung. „Wir sind eine Grenzregion. Zu uns kommen viele französische Arbeitnehmer. Auch für viele Geflüchtete ist das Dreiländereck eine erste Anlaufstation, und viele bleiben hier“, so Kaiser im Gespräch mit der Redaktion. Konkrete Zahlen hat er zwar nicht, einen Anhaltspunkt biete aber die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Migrationshintergrund: In ganz Deutschland sind das 15,3 Prozent, am südlichen Oberrhein 18,3 Prozent.

Auch für den regionalen Ausbildungsmarkt werden Menschen mit ausländi-

Das Welcome Center feiert in diesen Tagen seinen ersten Geburtstag: Justyna Gawron, Sophie Figueredo-Hardy und Olga Kuchendaeva (v. l.) kämpfen sich mit acht Sprachen durch ein bürokratisches Dickicht.

schem Pass immer wichtiger. Ihr Anteil an den neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen ist auf rund 20 Prozent gewachsen – Tendenz weiter steigend. Die IHK tue vieles, um Menschen aus dem Ausland in der Region in Arbeit zu bringen, berichtet Kaiser. Das Beratungsangebot in diesem Bereich werde sukzessive erweitert. Erste Anlaufstelle für Zuwanderer, aber auch für Betriebe, die Auszubildende und Fachkräfte suchen, ist seit einem Jahr das Welcome Center – ein Gemeinschaftsprojekt von IHK und der Handwerkskammer Freiburg.

Welcome Center gibt es in ganz BadenWürttemberg, sie werden vom Wirtschaftsministerium des Landes gefördert. Im „Welcome Center“ arbeiten als sogenannte Kümmerer auch Fachberater Ibrahim Sarialtin (Region Freiburg) und seine Kollegin Julia Gauerhof (Region Ortenau). Sie helfen zugewanderten und geflüchteten Jugendlichen oder jungen Erwachsenen aus dem Ausland, einen passenden Betrieb zu finden.

Ist ein Arbeitsplatz gefunden, läuft die Betreuung sechs Monate weiter. Die Kümmerer sind Teil des Projekts „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Zugewanderte“, das ebenfalls vom Wirtschaftsministerium gefördert wird. Bei den Herkunftsländern, aus denen die jungen Menschen auf der Suche nach einer Perspektive nach Deutschland kommen, hat Sarialtin in den vergangenen Jahren neue Entwicklungen beobachtet. Neben vielen jungen Menschen aus der Ukraine kommen immer mehr junge Türkinnen und Türken wegen der „schwierigen wirtschaftlichen und politischen Lage“ im Heimatland zu ihm, um sich beraten zu lassen. Oft seien diese gut ausgebildet: Mehr als 20 Prozent haben einen Uniabschluss. Nach einem Jahr Welcome Center habe sich gezeigt, wie wichtig die Beratung der Betriebe und der Zuwanderer für den Wirtschaftsstandort am südlichen Oberrhein sei, bilanziert Kaiser. Deshalb überlege die IHK, das Beratungsangebot auszuweiten – auch personell. „Bei der Einrichtung des Welcome Centers wussten wir nicht, ob das funktioniert, aber nach einem Jahr wissen wir: Die Nachfrage ist riesig.“ Tatjana Forsthuber

24 | chilli | business im Breisgau | 05.2024
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Verbände

Das Leben in der Talsohle

Neue Konjunkturumfragen des wvib und der HWK: Kritik am Bund

Die Stimmung in der Industrie im Südwesten ist, nun ja, so lala. Zumindest, wenn es nach der jüngsten Konjunkturumfrage des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen in Baden (wvib) geht. Auch die Freiburger Handwerkskammer meldet eine „lahmende Nachfrage“. Und beide kritisieren die Bundesregierung.

„Die konjunkturelle Wende mag sich weit am Horizont abzeichnen, in der Breite schlägt sich die Krise jetzt erst so richtig in den Zahlen nieder“, kommentierte wvib-Geschäftsführer Christoph Münzer die Ergebnisse. Die Bundesregierung müsse sich dringend auf einen Plan einigen, der die strukturellen Probleme des Landes angeht: „Wir brauchen niedrigere Energiepreise, deutlich weniger Bürokratie und eine international wettbewerbsfähige Steuerbelastung.“

Ins gleiche Horn bläst der neue Präsident der Handwerkskammer in Freiburg (HWK), Christoph Burger: „Die problematischen Rahmenbedingungen wie die Bürokratiebelastung der Betriebe, zu lange Genehmigungsverfahren und die hohen Energiepreise müssen von der Politik nicht nur erkannt, sondern

auch angegangen werden, um wieder Schwung in den Konjunkturmotor Handwerk zu bringen.“

Beim wvib meldeten fürs erste Quartal nur 31 Prozent gestiegene Umsätze, im ersten Vorjahresquartal waren es noch mehr als 73 Prozent. 61,9 Prozent notierten dagegen jetzt sinkende Umsätze (Q1 2023: 19,6 Prozent). Im vergangenen Jahr waren sie dagegen noch bei 57,3 Prozent der Befragten gestiegen. Die Aussichten, so Münzer, seien ebenfalls wenig positiv: Nur noch ein Viertel erwartet in den nächsten sechs Monaten steigende Umsätze (Q1 2023: 32,4 Prozent). Dagegen rechnen 22,3 Prozent mit geringeren.

Tiefster Punkt

seit Anfang 2020

Zum Ende des ersten Quartals lag der Index der wvib-Geschäftslage (Saldo zwischen positiver und negativer Umsatzentwicklung) bei minus 30,95 Punkten und damit auf dem tiefsten Stand seit Anfang 2020. Die saldierte Geschäftserwartung liegt indes bei 3,67 Punkten und damit über dem Wert zum Ende des Jahres (minus 12,5

Punkte). Aus dem Mittel zwischen beiden bildet sich das wvib-Geschäftsklima und das sinkt kräftig von 2,3 auf minus 14,4 Punkte. „Die Realitäten des industriellen Mittelstandes sind in Berlin noch nicht angekommen“, kritisiert Münzer.

Bei der HWK liegt der Konjunkturindikator, der Saldo aus Geschäftslage und -erwartungen, nach 26,8 Punkten im vierten Quartal 2023 nun bei 26,1 Punkten. Im Vorjahr waren es 40,7. „Die lahmende Nachfrage wirkt sich auch auf unsere Betriebe aus,“ sagte Burger. Aktuell sind die zwar noch sehr gut ausgelastet – was womöglich auch ein Zeichen für den Fachkräftemangel ist. Bei den Aufträgen aber meldete fürs erste Quartal jeder dritte Betrieb eine schwächere Nachfrage. Und auch bei den Umsätzen sind die Auswirkungen der Baukrise spürbar: Im Bauhauptgewerbe meldete kein einziger Betrieb gestiegene Umsätze. Knapp 40 Prozent meldeten Rückgänge. Der Stagnation auf niedrigem Niveau müsse endlich etwas entgegengesetzt werden, mahnt Burger, „das Handwerk darf nicht weiter ausgebremst werden.“ Immerhin erwarten die Betriebe in den kommenden Wochen Steigerungen bei Umsatz und Auftragseingängen.

bib/bar

Verbände
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Frühjahrsflaute statt Aufschwung

Arbeitsagentur spürt schwache Konjunktur / Zwei neue Kooperationen

Ziehen von links nach rechts an einem Strang: Heinz Disch (Geschäftsführer Jobcenter Landkreis Emmendingen), Katja Perminova, Tobias Wilde (Geschäftsführer Jobcenter Freiburg), Alina Arbeth (Vorstandsmitglied WESNA e. V.), Alexander Merk, Irina Friedemann, Irina Monno (Vorstandsmitglied WESNA e. V.), Achim Huber (Geschäftsführer Jobcenter Breisgau-Hochschwarzwald).

Bereits zum vierten Mal in Folge stagniert die Arbeitslosenquote im Bezirk der Arbeitsagentur Freiburg bei 4,0 Prozent. Von der traditionellen Frühjahrsbelebung ist nichts zu sehen. 15.063 Menschen in Freiburg sowie den Landkreisen Emmendingen und Breisgau-Hochschwarzwald waren Ende April ohne Arbeit. Nur 70 weniger als Ende März.

„Wir registrieren in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld zwar weniger Arbeitslose, die schwache Konjunktur spüren wir dennoch“, kommentierte Agenturgeschäftsführer Alexander Merk. Die Betriebe seien weiter vorsichtig, wenn es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze geht, hielten aber auf der anderen Seite auch ihr Personal. Wegen des steigenden Ersatzbedarfs vor allem an Fachkräften melden sie nach wie vor Stellenangebote: „Ihre Besetzung bleibt aber schwierig.“

Die im April deutlich gestiegene Zahl an offenen Stellen aus der Zeitarbeit könnte hingegen ein erster Hinweis sein, dass sich die Situation in den Unternehmen etwas aufhellt. Obwohl heute weniger Stellenangebote gemeldet werden als vor einem

Jahr, dauert es länger, sie zu besetzen. Was sich wie ein Widerspruch anhört, offenbart lediglich, dass der Strukturwandel den Arbeitsmarkt stärker beeinflusst als die aktuelle Eintrübung der Konjunktur. „Fachkräfteengpässe und verfestigte Arbeitslosigkeit bleiben unsere größte Herausforderung, weshalb es für Unternehmen, Beschäftigte und Arbeitslose wichtig ist, vor allem in Weiterbildung zu investieren“, sagt Merk. Die Arbeitskräftenachfrage zog im April nur leicht an. Die Unternehmen meldeten 1065 offene Stellen. 33 mehr als im März, aber 62 weniger als noch vor einem Jahr. Den größten Bedarf haben Unternehmensnahe Dienstleistungen (196 Stellen, darunter 174 aus der Zeitarbeit), Handel (172), Gesundheits- und Sozialwesen (165), Öffentliche Verwaltung (137), Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen (120) und Verarbeitendes Gewerbe (97). Mitte April lagen der Agentur für Arbeit Freiburg insgesamt 5128 Aufträge zur Stellenbesetzung vor.

Bundesweit gab es Ende April 2,75 Millionen Menschen ohne festen Job. 165.000 mehr als Ende April 2023. Die Quote blieb bei 6,0 Prozent. „Dem Arbeitsmarkt fehlt nach wie vor

26 | chilli | business im Breisgau | 05.2024 Arbeitsmarkt
Foto: © Arbeitsagentur Freiburg

Arbeitsmarkt

der konjunkturelle Rückenwind. Somit bleibt die Frühjahrsbelebung schwach. Obwohl die deutsche Wirtschaft seit zwei Jahren nicht in Tritt kommt, ist die Situation am Arbeitsmarkt aber weiterhin robust“, sagt der Vorstand Regionen der Bundesagentur für Arbeit (BA), Daniel Terzenbach. 863.000 Personen erhielten im April 2024 Arbeitslosengeld – 84.000 mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der erwerbsfähigen Bürgergeldberechtigten lag im April bei gut vier Millionen. 71.000 mehr als im April 2023. Die Unterbeschäftigung, die neben der Arbeitslosigkeit auch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und kurzfristige Arbeitsunfähigkeit umfasst, ist saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 11.000 gestiegen. Sie lag im April 2024 bei 3,572 Millionen Personen. 132.000 mehr als vor einem Jahr. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Ende März 45,81 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Die Agentur und der Job-Turbo

Vertreter der Agentur für Arbeit Freiburg und der Jobcenter Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald und Landkreis Emmendingen sowie der Vereine WESNA und Engagiertes Freiburg e. V. haben Ende April eine Absichtserklärung unterzeichnet mit dem Ziel, geflüchtete Menschen in der Wirtschaftsregion Freiburg schneller in den Ausbildungsund Arbeitsmarkt zu integrieren. „Wenn die Integration bei Sprache, Kultur und Freizeit nicht klappt, funktioniert es nach unseren Erfahrungen auch häufig nicht mit Ausbildung, Beruf oder Qualifikation. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Deshalb ist eine enge Zusammenarbeit mit unseren Partnern so wichtig“, sagte Merk. „Wir wünschen uns auch mehr Mut von den deutschen Unternehmen. Wir helfen als Brückenbauer, damit Unternehmen und Geflüchtete einen Weg zur gelungenen Integration finden“, sagte die WESNA-Vorstandsvorsitzende Irina Friedemann. „Mit dieser Absichtserklärung besiegeln wir unser gemeinschaftliches Engagement, Tausenden sehr fähigen ukrainischen Frauen, Männern und Jugendlichen eine Chance auf einen Neuanfang zu geben“, so Katja Perminova, 1. Vorstand von Engagiertes Freiburg. Wenige Tage zuvor hatten Arbeitsagentur und Jobcenter eine ähnlich lautende Absichtserklärung mit der DeutschUkrainischen Gesellschaft Freiburg unterzeichnet. Im März waren im Bezirk der Agentur für Arbeit Freiburg insgesamt 4164 erwerbsfähige Hilfebedürftige mit ukrainischem Pass registriert. Von ihnen suchten 3276 eine Arbeit, darunter 2160 Frauen und 1116 Männer. 81 Jugendliche hielten Ausschau nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz, darunter 46 Mädchen in 21 Ausbildungsberufen. bib/bar

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chilli | business im Breisgau | 05.2024 | 27

Sonnige Aussichten: Von der Bergkuppe des Kallenwalds werden nun die Hansgrohe-Werke in Offenburg und Schiltach mit Windstrom versorgt.

Frischer Wind auf den Höhenzügen

Badenova kommt beim Windkraft-Ausbau jetzt schneller voran

Die Badenova AG hat in den vergangenen Wochen gleich mehrere große WindkraftProjekte in Südbaden in Angriff genommen: Zusammen mit dem Sanitär-Ausstatter Hansgrohe SE und der baden-württembergischen Umweltministerin Thekla Walker nahm der Energieversorger am 6. Mai den Windpark Kallenwald in Betrieb. Für die Windparks im Kinzigtal und rund um Todtnau laufen die Vorbereitungen. Alle zusammen könnten den jährlichen Strombedarf von mehr als 80.000 Bürgern liefern.

„Der grüne Strom aus dem Windpark Kallenwald dekarbonisiert nun bis mindestens 2029 die Hansgrohe-Betriebsstätten in Offenburg und Schiltach. „Erneuerbare Energien sind ein wichtiger Standortfaktor. Der direkte Zugriff auf günstigen Windstrom verbessert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen“, sagte Walker vor Ort. Mit

der Taskforce Erneuerbare Energien habe die Landesregierung die Zeit zur Genehmigung eines Windrads deutlich verkürzt: „Wir rechnen daher in den kommenden Jahren mit einem neuen Aufschwung der Windkraft.“

Die 230 Meter hohe Windkraftanlage des Herstellers Enercon steht im Bereich der Bergkuppe des Kallenwaldes auf 545 Metern Höhe und soll jährlich neun Millionen Kilowattstunden grünen Strom liefern – und dadurch den Ausstoß von 3690 Tonnen CO2 einsparen. „Wir sind stolz darauf, gemeinsam mit Badenova unseren Beitrag für die Energiewende in der Region zu leisten“, sagte Hansgrohe-Vorstand Hans Jürgen Kalmbach.

Neue Windparks sind auch im Kinzigtal geplant. Auf einer Infoveranstaltung für einen interkommunalen Windpark mit drei Windmühlen auf den Gemarkungen der Kommunen Fischerbach und Haslach unterstützten die Bürgermeister Thomas Schneider (Fischerbach)

und Philipp Saar (Haslach) das Vorhaben, das bis zu 36 Millionen kWh Windstrom bringen soll. Grüner Strom für 20.000 Menschen, mehr als in den beiden Gemeinden wohnen.

Auch der Windpark Lailehöhe Kresselberg ist in der Pipeline. Auch hier könnte ein interkommunales Projekt mit der Beteiligung von Todtnau, Wieden und Utzenfeld entstehen. Angepeilt sind dort bis zu sieben Windräder: drei auf Todtnauer und je zwei auf Wiedener und Utzenfelder Gemarkung. Kommen sieben auf einen Streich, würden sie rund 84 Millionen kWh eindrehen, die den rechnerischen Strombedarf von 58.000 Menschen decken würden.

Badenova hat angekündigt, bis 2035 klimaneutral zu sein und dann gut ein Gigawatt erneuerbare Erzeugungskapazität zu betreiben. Knapp ein Drittel, 300 Megawatt, sollen dabei neu gebaute Windkraftanlagen in der Region beisteuern.

bib/bar

Energiewende
28 | chilli | business im Breisgau | 05.2024
Foto: © Badenova Jonas Conklin
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Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen

Pro-Kopf-CO2-Emissionen im Jahr 2022 (in Tonnen)

im Jahr 2022 (in Tonnen)

Pro-Kopf-CO2-Emissionen im Jahr 1990 (in Tonnen)

Zahl der E-Auto-Importe von ausländischen Herstellern im Jahr 2023

Wert der importierten E-Autos von ausländischen Herstellern im Jahr 2023 (in

Euro)

des aus dem Ländle nach Russland exportierten Bieres im Jahr 2023 (in Mio. Euro)

Wert des insgesamt aus dem Ländle exportierten Bieres im Jahr 2023 (in Mio. Euro)

Wert aller nach Russland exportierten Waren im Jahr 2023 (in Mio. Euro)

Wert aller nach Russland exportierten Waren im Jahr 2021 (in Mio. Euro) 3800

Grunderwerbsteuer-Einnahmen im Jahr 2022 in Stuttgart (in Mio. Euro) 74,3

Grunderwerbsteuer-Einnahmen im Jahr 2023 in Stuttgart (in Mio. Euro) 52,5

Grunderwerbsteuer-Einnahmen im Jahr 2022 in Freiburg (in Mio. Euro) 19,27

Grunderwerbsteuer-Einnahmen im Jahr 2023 in Freiburg (in Mio. Euro) 18,02

Rückgang der Grunderwerbssteuer-Einnahmen in Baden-Württemberg von 2023 zu 2022 (in Mio. Euro) 580

Veränderung der Baupreise für neue Wohngebäude im 1. Quartal 2024 im Vgl. zu 1. Q 2023 (in %) +3,0

Veränderung der Baupreise für Betonarbeiten an neuen Wohngebäuden im 1. Quartal 2024 im Vgl. zu 1. Q 2023 (in %) -3,6

Veränderung der Baupreise für Ausbaupreise an neuen Wohngebäuden im 1. Quartal 2024 im Vgl. zu 1. Q 2023 (in %) +5,4

Veränderung der Baupreise für Dämm- und Brandschutzarbeiten an neuen Wohngebäuden im 1. Quartal 2024 im Vgl. zu 1. Q 2023 (in %) +18,5

Zahl der Absagen für einen vakanten Trainerposten beim Bundesligisten SC Freiburg im Jahr 2024 0

Zahl der Absagen für einen vakanten Trainerposten beim Bundesligisten FC Bayern München im Jahr 2024 3*

Lars Bargmann / Idee: brandeins

*Stand bei Redaktionsschluss am 11. Mai 2024

Quellen: Statisches Bundesamt, Statistisches Landesamt, eigene Recherchen

Bundesdeutsche
8 Baden-württembergische
5,8 Baden-württembergische
7,4
in BW gepflanzt
461
5,2
786.000
36 Zahl der E-Auto-Exporte von deutschen Herstellern im Jahr 2022 497.000 Wert
24,2
Pro-Kopf-CO2-Emissionen
So viele Buchen müssten pro Kopf im Jahr 2022 für eine Kompensation
werden
So viele Buchen müssten in BW für 2022 insgesamt gepflanzt werden (in Mrd.)
Zahl der E-Auto-Exporte von deutschen Herstellern im Jahr 2023
Wert der exportierten E-Autos von deutschen Herstellern im Jahr 2023 (in Mrd. Euro)
der exportierten E-Autos von deutschen Herstellern im Jahr 2022 (in Mrd.
446.000
14,1 Zahl der E-Auto-Importe von ausländischen Herstellern im Jahr 2022 361.000 Wert
10,5
23,1
103,9
Mrd. Euro)
der importierten E-Autos von ausländischen Herstellern im Jahr 2022 (in Mrd. Euro)
Wert
1100
Fakten
Fakten 30 | chilli | business im Breisgau | 05.2024
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