GESUNDHEIT ERSCHÖPFUNG
»KEINE ÄRZTLICHE HILFE« WIE BETROFFENE UNTER DEM FATIGUE-SYNDROM LEIDEN – UND DIE UNIKLINIK KRITISIEREN
D
ie Kraft ist oft weg, der Alltag wird zur Qual. Menschen, die unter dem Postviralen Fatigue-Syndrom ME/CFS leiden, müssen ihr Leben umstellen. Einige kommen nicht mal mehr aus dem Haus – auch in Freiburg. Zwei Betroffene erheben schwere Vorwürfe gegen das Freiburger Uniklinikum. Dort verweist man auf eine umfassende Versorgung der Patient·innen und eine kontroverse Diskussion. „Ich kann nicht einkaufen, nicht putzen, aber ich kann mir meistens Tortellini kochen.“ So fasst Katharina Meier (Name geändert) ihren Zustand zusammen. Die 35-Jährige lebt in Freiburg und ist arbeitsunfähig. Nach einer Covid-Infektion leidet sie heute unter dem Postviralen Fatigue-Syndrom ME/CFS, der wahrscheinlich schwersten Ausprägung des PostCovid-Syndroms. Das heißt: Jede körperliche Anstrengung ist zu viel. Aus dem Haus kommt sie nicht mehr. Ihr Alltag? „Bett, Sofa, Bett, Sofa, Bett, Sofa“, antwortet Meier. Ihre Mutter versorgt sie, so gut es geht. Bis zu einer Corona-Infektion im März 2022 stand Meier voll im Leben. Sie leitete ein Team in der Begleitung Geflüchteter und machte ein Masterstudium zur psychologischen Beraterin. Beides hat sie verloren – und den Glauben an eine ausreichende medizinische Versorgung. „Ich hatte keine Begrifflichkeiten für die Art, wie es mir schlecht ging“, erinnert sie sich an die ersten Monate. Auf einer Ge-
burtstagsfeier sagte ihr jemand: Du hast Post-Covid. Also begann sie zu recherchieren und stolperte über das Postvirale Fatigue-Syndrom ME/CFS. Auf eigenen Wunsch überwies ihre Hausärztin sie an die Post-Covid-Ambulanz in der Neurologie am Uniklinikum – eine weitere Ambulanz gibt es in der Infektiologie. Was sie dort im Oktober 2022 erleben sollte, gleicht einem Trauma. Das hat sie in einem mehrseitigen Tagebucheintrag festgehalten, der dem chilli vorliegt. Sie schreibt von einem desinteressierten Arzt, der nicht bereit gewesen sei, auf ME/ CFS einzugehen und ihr stattdessen einen Fragebogen zu Depressionen gab. Er soll gesagt haben, „er könne zum Thema Fatigue nichts sagen, das läge nicht in der Zuständigkeit der Neurologie“. Eine Behandlung sei ihr nicht angeboten worden. Meier: „Ich war entgeistert, entmutigt, traurig, völlig erschöpft.“ Ihre Beschwerden mit Depressionen in Verbindung zu bringen, findet sie fahrlässig. Bei Depressionen sei körperliche Aktivierung hilfreich. Bei Menschen mit Belastungsintoleranz jedoch gefährlich, da sie die Symptome verschlimmere. „Das ist Körperverletzung“, findet Meier. Das unterschreibt auch Christine Müller (Name geändert). Die Freiburgerin hat genau wie Meier Covid-Infektionen hinter sich und leidet seitdem an chronischer Erschöpfung. Auch die Mittvierzigerin hat mit der Uniklinik Freiburg schlechte
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»ICH WAR ENTGEISTERT«
14 CHILLI DEZEMBER 2023/JANUAR 2024