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Ruth Jamnik, Maria Theresia Rössler, Sabine Schenk, Susi Wegmann, Brigitta Profunser, Agnes Hinterwaldner
Maria Theresia Rössler: Während wir die Texte von den Kindern und Jugendlichen lektoriert haben, ließen wir jene Texte der Menschen mit Behinderung so, wie sie sind – diese Texte stehen für sich selbst. Wichtig war uns zudem, dass der Leser nicht auf den ersten Blick erkennt, wie alt der Autor ist und ob es nun ein Mensch mit oder ohne Behinderung ist. Deshalb haben wir diese Angaben erst am Ende des Buches aufgelistet, bei den Texten selbst steht nur der Name des Autors. Brigitte Profunser: Der Titel „Südti-Roller“ stammt auch von mir. Ich bin im Büro angestellt, da tippe ich dann manchmal etwas ab. Und einmal habe ich Südti-Roller geschrieben. Welche Rolle spielten die Begleitung der Autoren und das Lektorat? Maria Theresia Rössler: Das Lektorat und die Entscheidung, die Texte in einem schön gestalteten Buch mit Hardcover zu veröffentlichen, waren uns wichtig: Es ist ein Zeichen, dass die Arbeit der Beteiligten ernst genommen wird – und die Überraschung bei der Präsentation des Buches war dementsprechend hoch. Es fiel in der Jury auch der Beschluss, möglichst alle Texte aufzunehmen. Beim Lektorat war mir insbesondere die Rücksprache mit den jungen Autoren wichtig: Ich habe die überarbeitete Geschichte dem Kind gebracht und wir haben gemeinsam am Computer daran weitergearbeitet. Die Kinder machten somit die Erfahrung, dass sie als Autoren das letzte Wort haben und über die Vorschläge des Lektors entscheiden können. Dies war zwar eine intensive Arbeit, aber sie hat sich gelohnt, da so schlussendlich jeder stolz auf seine Geschichte sein kann. Sabine Schenk: Für mich ist es schon ein Erlebnis, den eigenen Text in einem Buch zu sehen – man ist dann stolz, dass man dies geschafft hat, und dass man das Buch vorzeigen kann. Susi Wegmann: Für mich war diese professionelle Rückmeldung für die Schüler ebenso wichtig, das Projekt hat mich auch deswegen überzeugt.
Wie wichtig ist diese Form der Öffentlichkeits- und Sensibilisierungsarbeit für eine Geschützte Werkstatt, und was trägt Sie zur Integration bei? Ruth Jamnik: Diese Sensibilisierungsarbeit für Menschen mit Behinderung ist für mich ein wichtiger Teil unserer Arbeit: Somit können wir allen zeigen, was Menschen mit Behinderung können und was sie leisten. Die Menschen ohne Behinderung sollen erstaunt darüber sein, was in einer geschützten Werkstatt entstehen kann. Zudem finde ich, dass durch solche Projekte das Image der Werkstätten aufgewertet wird. Wir haben den Kontakt mit den Schulen gesucht, wir haben gemeinsam etwas erarbeitet – und auch auf diesem Wege ist Integration passiert: Die Fähigkeiten haben sich ergänzt und es ist dabei ein Ergebnis herausgekommen, das sich sehen lassen kann. Maria Theresia Rössler: Meiner Erfahrung nach steigt durch diese Erlebnisse unsere Wertschätzung für Menschen mit Behinderung. Je mehr wir von diesen Menschen wissen, umso leichter verändert sich auch unsere Haltung ihnen gegenüber. Es eröffnen sich neue Möglichkeiten, ihnen zu begegnen. Susi Wegmann: Ich war mit meiner Klasse zu Besuch in der Werkstatt und hier hat Begegnung stattgefunden, wobei auch Berührungsängste zum Vorschein gekommen sind. Eine Schülerin beispielsweise hatte Angst vor der innigen und spontanen Umarmung eines Menschen mit Behinderung. Im Lehrerkollegium haben wir jedenfalls beschlossen, uns in Zukunft noch mehr an integrativen Projekten zu beteiligen. Sabine Schenk: Ich wusste vorher gar nicht, dass es so eine Werkstatt gibt und konnte auch gar nicht glauben, dass die Figuren von den Menschen mit Behinderung stammten – ich dachte zunächst, Künstler hätten diese hergestellt. Mir war es schon wichtig, in die Werkstatt zu kommen, weil man dann einen engeren Bezug dazu kriegt. Es war ein gutes Erlebnis hierherzukommen!
Geschichten zum RadKunstWeg Im Sommer 2009 wurde der RadKunstWeg Bozen-Blumau eröffnet: Menschen mit Behinderung hatten hierbei erstmals die Möglichkeit, ihre Kunstwerke dauerhaft entlang des Radweges auszustellen. Kinder und Besucher wollten aber noch mehr über die Skulpturen erfahren und so entstand die Idee, ein Buch zu verfassen. 140 Grund-, Mittelund BerufsschülerInnen, Kindergartenkinder und Menschen mit Behinderung machten sich gemeinsam mit ihren LehrerInnen und ErzieherInnen an die Arbeit und hauchten mit ihren Geschichten, Interviews, Rätseln und Reimen den Skulpturen Leben ein. Die Schüler wurden zu jungen Autoren, deren Geschichten und Gedichte erstmals in einem Buch veröffentlicht wurden. Jeder einzelne Beitrag wurde gemeinsam mit dem Verfasser überarbeitet, sodass dieser die Entwicklung seiner Texte miterleben konnte. Viele Fotos dokumentieren zudem eindrucksvoll die Herstellung der einzelnen Kunstwerke durch die Gruppenmitglieder von KIMM: So entstand ein Buch zum Anschauen, Lesen, Vorlesen, Staunen und Schmunzeln mit dem originellen Titel: SÜDTI ROLLER. Projektträger Geschützte Werkstatt KIMM – BZG SaltenSchlern, JUKIBUZ im Südtiroler Kulturinstitut Projektbeteiligte Menschen mit Behinderung aus der Geschützten Werkstatt KIMM, Schüler der Grundschule Kardaun, Karneid, der Mittelschule Blumau und der Berufsschule für Handwerk und Industrie Bozen - Grundstufe für Kunsthandwerk, Kindergartenkinder aus Kardaun Zielgruppe Kinder, Jugendliche und Erwachsene Zeitlicher Rahmen Oktober 2009 – Juni 2010 Kontakt Ruth Jamnik, Geschützten Werkstatt KIMM, Kardaun, Tel. 0471 360 815 ruth.jamnik@bzgsaltenschlern.it