Menschen & Meinungen
Wie geht es weiter mit Europa?
UMFRAGE
Fotos: Josef Cutajar
Die „Brixner“-Umfrage on tour: Wir haben in Brüssel acht Südtiroler aufgespürt, die EU-Politik täglich hautnah erleben. Von ihnen wollen wir wissen: Wie wird sich das Wahlergebnis in Europa auf die kommenden fünf Jahre auswirken?
„Die Leute haben Lust, dass die EU sich nun auch um andere Dinge kümmert, die über das Wirtschaftliche hinausgehen – zum Beispiel um Klimaschutz“, sagt Katharina von Tschurtschenthaler. „Dieses Thema wurde ja von den Volksparteien ziemlich stiefmütterlich behandelt. Trotzdem glaube ich nicht, dass Europa näher zum Bürger rückt, denn trotz der höheren Wahlbeteiligung ist sie immer noch sehr niedrig.“
„Das Parlament ist fragmentierter. Es muss insgesamt ein breiteres Bündnis geschmiedet werden, das aber gleichzeitig instabiler sein wird. Also kann passieren, dass in jedem Politikbereich andere Parteien miteinander koalieren müssen, um eine Mehrheit zu erzielen“, sagt Markus Warasin, „wir befinden uns global in einer wichtigen Übergangsphase, und Europa muss aufpassen, nicht auf der Strecke zu bleiben.“
„Es wird keine absolute Mehrheit der beiden Volksparteien mehr geben, was neuen Schwung in die Gesetzgebung bringen wird – vor allem mit den Grünen, die bisher nicht unbedingt beteiligt waren.“ Laut Dhana Irsara hat dies nicht nur positive Auswirkungen: „In einigen Bereichen, wie in der Umweltpolitik, werden wir Besserungen sehen, aber kritische Bereiche wie die Einwanderungspolitik werden weiterhin problematisch bleiben.“
„Die große Angst vor dem Rechtsruck ist nicht so stark eingetreten wie vorher befürchtet wurde.“ Für Jasmin Ploner ist das ein gutes Zeichen: „Es herrscht ein breiter Konsens, dass Europa im globalen Kontext arbeiten soll und muss. Hoffentlich wird nun etwas strategischer gedacht: Die EU muss sich überlegen, welche Rolle sie in der Welt spielen will. Entweder wir antworten globalen Entwicklungen jetzt, oder das europäische Modell bricht zusammen.“
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„Diese Wahl war ein Weckruf“, so Ulrich Ladurner. „Es ist klar geworden, dass die Gesetzgeber nicht mehr so viel Zeit haben und Gesetze schneller umsetzen müssen. Das EU-Parlament ist fragmentierter, also wird es in Zukunft schwieriger werden, Mehrheiten zu finden. Es gibt mehr freie Spieler. Das wird in den nächsten fünf Jahren eine große Rolle spielen – mit hoffentlich positiven Auswirkungen für die Bürger.“
Corinna Franzinelli sagt: „Die Wahlen waren stimmungsweisend für Europa! Die vergleichsweise hohe Wahlbeteiligung zeigt, dass die Bürger Europa schätzen und dass es ihnen wichtig ist, wie es mit der EU weitergeht. Das Wahlergebnis ist schwer einzuschätzen, gerade wegen Großbritanniens unsicherer Rolle. Es zeigt aber trotz eines Erstarkens der Rechtspopulisten, dass die Bürger mehr Europa wollen.“
„Es wird sich einiges ändern in den europäischen Institutionen“, glaubt Alexander Nitz. „Die Sozialdemokraten und Christdemokraten konnten keine Mehrheit mehr erreichen. Dadurch werden die Liberalen und Grünen mehr zu sagen haben. Aber die Europaskeptiker haben weniger Zuspruch erhalten als erwartet – das ist durchaus positiv zu bewerten.“
Stephan von Marsoner sagt: „Die EU hat durch die höhere Wahlbeteiligung das Signal bekommen, dass die Bürger zur EU stehen. Sie wollen, dass die EU in den nächsten fünf Jahren etwas weiterbringt und bewegt. Das Resultat zeigt, dass die proeuropäischen Kräfte fast konstant geblieben sind. Das Signal ist klar: Pro Europa! Das ist ein Auftrag, die EU in den nächsten fünf Jahren weiter auszubauen und die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten zu stärken.“