Brixner 275 - Dezember 2012

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Politik & Gesellschaft

BRIXEN

40 Jahre Psychiatrie in Brixen Das Zentrum für Psychische Gesundheit Brixen (ZPG) organisierte am 28. November anlässlich seines 40-jährigen Bestehens eine Tagung mit Referaten von Experten, mit Vorträgen über die Geschichte der Einrichtung und über zukünftige Aufgaben sowie einem „Tag der offenen Tür“ in den neuen Räumlichkeiten.

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osef Schwitzer, Primar des Psychiatrischen Dienstes, begrüßte die Ehrengäste und verwies in seiner Eröffnungsrede auf die symbolische Bedeutung des Tagungsortes im Forum, denn gerade dort, im ehemaligen GILGebäude, wurde vor 40 Jahren die erste Station für Psychiatrie in Brixen eröffnet. Seitdem hat sich vieles verändert: die Gebäude, die Psychiatrie als solche, die Einstellung zu den Erkrankten, die Bedürfnisse. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird zum Beispiel die Depression im Jahre 2020 die häufigste Erkrankung sein. In Deutschland ist sie es bereits, noch vor der Volkskrankheit Diabetes, und 40 Prozent der frühzeitig Pensionierten gehen infolge von Depression in Rente.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Der Vormittag stand

ganz im Zeichen der ExpertenAusführungen zu den „bipolaren affektiven Störungen“. Professor Giulio Perugi von der Universität Pisa, ein anerkannter Fachmann und wichtiger Berater des Zentrums für psychatrische Gesundheit (ZPG), nannte seinen Vortrag „Bipolare Störung. Genie und Wahnsinn“. In seiner Präsentation zeigte er viele Beispiele von Künstlern und Politikern, in deren Leben sich Phasen der Manie und der Depression abwechselten. Das herausragendste Beispiel ist wohl Vincent van Gogh, der im Sommer 1890 seinem Leben selbst ein Ende setzte. Allerdings hob Professor Perugi hervor, dass nicht alle Manisch-Depressiven so kreativ und aktiv seien wie etwa Tolstoi und Faulkner, Roosevelt und Churchill. Auch dauere es derzeit noch zu lange, bis die richtige Diagnose gestellt werde, im Durchschnitt zwischen zehn und 15 Jahren. An bipolaren Störungen Erkrankte versterben in der Regel 14

Das Team des Psychiatrischen Dienstes besteht aus Ettore Favaretto, Inge Schifferle,Ingo Stermann, Christina Mahlknecht, Sigrid Lun, Christian Wieser und Primar Josef Schwitzer

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fünf bis zehn Jahre früher, und zwar an anderen physischen Krankheiten und sekundären Komplikationen. Die Erkrankten seien besonders anfällig für einen erhöhten Missbrauch von Nikotin, Alkohol und anderen Drogen. Dazu komme die Neigung zu Spiel-, Sex- und Fresssucht sowie zu unbändigem selbstzerstörerischen Schaffensrausch. Mit dem Missbrauch werde sehr früh begonnen. Geld- und Beziehungsprobleme, Anpassungsschwierigkeiten und Kontrollverlust seien oft die Folgen. In den Phasen der Depression seien eine tiefe Melancholie, ein großer Pessimismus, ein geringes Selbstbewusstsein, Schuldgefühle, Verzweiflung und

ein starkes, oft vergebliches Ringen um Anerkennung typische Kennzeichen. Als Ursache gilt zum einen die genetische Veranlagung, zum anderen führen ungünstige Umweltfaktoren zum Ausbruch der Erkrankung. Die Heilungschancen sind gut: Auch wenn die Disposition nicht ausgemerzt werden könne, gelinge es, durch Stimmungsstabilisatoren das Auftreten zu unterdrücken.

Mens sana in corpore sano. Wie

wir selbst auf unser Zentralnervensystem einwirken können, also, was wir selber tun können, um unser Gehirn gesund zu erhalten, darauf ging Professor Andreas

Erfurt, Primar der Psychiatrie am Otto-Wagner-Spital in Wien, in seinem Referat „Doktor! Was ist mit mir los? Psycho-Edukation für Patienten mit bipolarer Störung“ ein. Schädlich fürs Gehirn sind hoher Blutdruck, Glukose-Mangel infolge von Essstörungen, Schlafmangel und der Konsum von Zellgiften wie Nikotin, Alkohol und Drogen sowie körperliche Trägheit. Körperliche Aktivitäten recyceln nicht mehr funktionstüchtige Organellen, Membranteile und andere Strukturen des Gehirns. Er kommt zum Schluss, dass die Römer mit ihrer Forderung, Körper und Geist gleichermaßen zu trainieren, völlig richtig lagen. Und für die Ärzte


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