Kunst & Kultur
KUNSTAUSSTELLUNG IN DER FESTUNG FRANZENSFESTE
Freiräume für die Kunst
Zum fünften Mal lädt Hartwig Thaler zur Biennale „50x50x50 Art Südtirol“ in die Festung Franzensfeste, um das trutzige Bauwerk der Kunst zur Verfügung zu stellen und ihren Exponenten den nötigen Freiraum zu gewähren.
D
ie Biennale „50x50x50 Art Südtirol“ hat sich zweifelsfrei zum beliebtesten Kunstereignis des Landes gemausert; nicht anders erklären sich 45 Bewerbungen innerhalb von sechs Tagen nach Aussendung. Es ist mittlerweile die einzige Plattform, wo sich eine so große Zahl an Kunstschaffenden der Öffentlichkeit präsentieren kann. „Hier bekommen über 50 Künstler jene Freiräume, die sie zum Atmen brauchen“, freut sich Hartwig Thaler. Die Biennale zeigt zeitgenössische Positionen von Künstlern, die einen besonderen Bezug zu Südtirol haben – einerlei, ob hier geboren, im Ausland lebend oder neu beheimatet. Eine zweite Prämisse ist eine fundierte Ausbildung und eine möglichst internationale Ausstellungstätigkeit.
Performance „Doomsday“ von Peter Kompripiotr Holzknecht und eine hintersinnige Aktion von Matthias Schönweger, dessen Wigwams im Innenhof Symbole für Flucht und Vertreibung sind. Ein Schild schreit uns entgegen:
Auf Erkundungstour. Die Fe-
Ungewöhnliche Einblicke. Ich
stung zu erkunden ist für jeden Besucher immer wieder eine Herausforderung. Ein Ariadnefaden wäre hilfreich, um sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden; stattdessen muss ein völlig prosaischer Lageplan vor den bespielten Gebäuden umständlich entschlüsselt werden. Auf dem Exerzierplatz sind die militärischen Granden schon längst vom Sockel gestoßen: Statt der Bronzestatuen von Heß und Radetzky empfangen uns die Büsten aus Marmor und Granit von Bildhauer Markus Gasser. Am Eröffnungstag erlebt das Publikum die ohrenbetäubende 28
viduellen Charakteren oder der geschwisterlichen Einheit befassen. Ungewöhnliche Einblicke in sein Innerstes gewährt Hubert Scheibe mit eindrücklichen Selbstportraits. Noch intimer mutet die Arbeit von Monika Costabiei an: Ein ein-
Liegestuhl zurücklehnen kann man bei der Installation „FEIER ABEND“ von Markus Keim und Beate Hecher, die uns vor Augen führen, dass der Mensch als Produktionsfaktor im Zeitalter der Digitalisierung ausgedient hat.
„Hier bekommen über 50 Künstler jene Freiräume, die sie zum Atmen brauchen“_ Hartwig Thaler, Künstlerischer Leiter der Biennale „50x50x50 Art Südtirol“ „MARE NOSTRUM – KEIN MITTEL MEER“ als ein dringlicher Aufruf nach mehr Empathie. Alexander Wierer lässt ein altes Auto aufstellen, in das sich ein verschrecktes Eichhörnchen vor der rastlos lauten Welt in Sicherheit gebracht hat. beginne den Parcours am Goldlauf von Manfred Alois Mayr entlang bis zum Aufzug, der mich in die luftigen Höhen der mittleren Festung bringt. Saftige Wiesen laden zum Verweilen ein − mein Pech, es sind keine Sitzgelegenheiten vorhanden. Über 20 Künstler haben sich hier heraufgewagt, um die Räume mit Installationen und Bildern zu beseelen. Leonora Prugger thematisiert mit ihrer Konstruktion mit vier beweglichen Flügeln die Beziehung von vier Geschwistern untereinander. Der Besucher kann die Paneele öffnen oder auch schließen und sich mit den indi-
sames Paar Schuhe und ein Stuhl mit eingeknicktem Bein spielen auf ihre eigene fragile gesundheitliche Situation an. Zerbrechlich wirken auch die Aluminiumfigürchen von Verena Oberhollenzer: Es sind Flüchtende, Verfolgte, Heimatlose, mit deren Schicksal die Kunsttherapeutin eng verbunden ist. Sehr wirkungsvoll präsentiert sich Astrid Gamper mit einem vielschichtigen Werk, bestehend aus zarten Überlappungen nackter Körper. Nirgends passt das gesellschaftskritische Projekt „Born to Kill“ von Nora Pider, Julian Angerer und Ali Paloma besser hin als in die Festung, einst größtes Waffenlager des Landes. Wie Muscheln am Strand liegen die Objekte aus gebranntem Ton von Sonya Hofer am Boden – einerseits Natur in Reinform, anderseits zerbrochene Seelenschalen. Alles andere als sich entspannt im
Gesellschaftskritische Positionen. Auch in der unteren Festung
begegnen wir etlichen künstlerischen Positionen, die mehr oder weniger explizit gesellschaftskritische Elemente beinhalten. So greift Karolina Gacke in ihrer farbenfrohen Bilderinstallation sehr dringliche Themen auf wie die Bedrohung durch die übermächtige Digitalisierung und den zunehmenden Druck, dem die Menschen dadurch ausgesetzt sind. Ähnliche Empfindungen bewegen Kyra Leimegger zu ihrer Installation „Panik“, wo Hände hilfesuchend aus der Wand ragen. Silvia Barbolinis stellt mit den Lüsterweibchen das Weibliche in dem aktuellen widersprüchlichen Kontext in den Mittelpunkt. Sind Frauen nur Dekorationsgegenstände oder verführerische Sirenen? Verlieren sie durch das Eindringen in die männliche Domäne ihre Weiblichkeit?