Behörden Spiegel Oktober 2022

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Fünfte Ausgabe des Sicherheitstages

(BS/jb) Zwar sind Straftaten im öffentlichen Raum rückläufig, dennoch beschleicht viele Men schen besonders in der dunklen Jahreszeit ein mulmiges Gefühl in Parks und auf Plätzen. Um die sen Ängsten entgegenzuwirken, beteiligten sich Beamtinnen und Beamte aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland am landes übergreifenden Sicherheitstag. Die Zusammenarbeit geht auf eine länderübergreifende Ko operationsvereinbarung aus dem Jahr 2019 zurück. Ziel der “Kooperationsvereinbarung zur Bekämpfung von Straftaten im öffentlichen Raum” ist es, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu stärken. Neben regelmäßigen gemeinsamen Fahndungs- und Sicherheitsta gen inkludiert die Kooperation auch die sichtbare Erhöhung der Polizeipräsenz und die Be kämpfung von Straftaten im öf fentlichen Raum.

Weiterhin zu niedrig

(BS/jf) Eine Woche vor der Land tagswahl hat der Niedersäch sische Landtag das Gesetz zur amtsangemessenen Alimentation beschlossen. “Anscheinend hat der Gesetzgeber endlich erkannt, dass die niedersächsische Ali mentation aktuell und in der Vergangenheit im Kern nicht amtsangemessen erfolgt”, sagte der erste Landesvorsitzende des Niedersächsischen Beamtenbund und Tarifunion (NBB), Alexander Zimbehl. Trotzdem sei weiterhin von einer deutlichen Unterali mentation für die Landesbeam tinnen und -beamten auszuge hen. Vor allem der erforderliche Mindestabstand von 15 Prozent zum Grundsicherungsniveau werde nicht eingehalten.

Taschenuhren sind keine Turmuhren

Ungleiche Lebensverhältnisse führen zu Frust, Wut und Demokratieabkehr

(BS/Malin Jacobson) Der Bus in die nächste Stadt fährt nur zweimal am Tag, nur auf der Brücke im Ort hat das Handy Netz und der nächste Supermarkt ist mindestens 15 Kilometer entfernt. Das ist keine idyllische Abgeschiedenheit mehr, sondern Brutstätte für Arbeitslosigkeit, Abwanderung und Abkehr von der Rechtsstaatlichkeit. Gerade in ländlichen Räumen fehlt es an der nötigen Infrastruktur, um Arbeitgeber anzusiedeln und damit wiederum an Perspektiven für die Menschen vor Ort.

“Wir werden gleichwertige Le bensverhältnisse nie zur Gän ze erreichen”, erklärt Matthias Wohltmann, Beigeordneter des Deutschen Landkreistages (DLT), auf die Frage, ob die Lebensver hältnisse in Deutschland der zeit überall gleichwertig seien. Dennoch müssten gleichwertige Lebensverhältnisse weiterhin das Ziel politischer und wirtschaft licher Akteure sein. Dabei gehe es um nichts Geringeres als die Zukunft der Demokratie, da “wir ansonsten den Kontakt z. B. zur Bevölkerung verlieren, die ihre Belange in der Politik nicht wider gespiegelt sieht”. “Denn”, so Kas sem Taher Saleh (Bündnis 90/ Die Grünen), Obmann im Bun destagsausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen: “Perspektivlo sigkeit und Ungerechtigkeit füh ren zu Frust, Wut und Demokra tieabkehr.” Die Aufwertung des ländlichen Raums kann aber nur gelingen, wenn man sich dessen Stärken bewusst macht. Daniel Föst (FDP), ebenfalls Obmann im genannten Ausschuss, erklärt in diesem Zusammenhang: “Sowohl Stadt als auch Land haben Vor teile, die es zu nutzen gilt. Der Wandel der Arbeit und der Aus bau der digitalen Infrastruktur eröf f nen neue Möglichkeiten.”

Dem kann sich auch Wohltmann anschließen, der dafür plädiert, den ländlichen Raum als Chan

cenraum zu begreifen. Er ergänzt: “Das produzierende Gewerbe, das immer noch eine der tra genden Säulen der deutschen Volkswirtschaft ist, sitzt in der Fläche, nicht in den Metropolen.”

Und Sascha Lawrenz aus dem Bundesministerium des Innern und für Heimat ergänzt: “Die Politik für gleichwertige Lebens verhältnisse ist eine innenpoli tische Querschnittsaufgabe, die Auswirkungen auf nahezu alle Politikbereiche hat und auf Dauer angelegt sein muss.” Konkret merke man das beispielsweise in der Wohnungsbaupolitik, die vorwiegend über den Wohnungs

KI kann nicht alles

mangel in den Großstädten, aber nicht über den Leerstand in den ländlichen Räumen spreche, so Landkreistagsvertreter Wohlt mann. “Wenn man Berlin weiter nachverdichtet, entstehen nur mehr Probleme”, führt er aus, “dann heizt sich die Stadt weiter auf und mehr und mehr Freiflä chen gehen verloren.” Und sollten die Lebensverhältnisse deutsch landweit ungleicher werden, “ist zu befürchten, dass noch mehr Menschen in die Ballungsräu me drängen und der Wohnraum deshalb noch knapper und teu rer wird”, so Föst. Das Problem sei, so Taher Saleh, “dass viel

zu selten unbefristete Arbeits verträge angeboten werden”, um die Menschen von der Abwande rung abzuhalten. “Rückschritte in der Digitalisierung oder dem Schienenverkehr behindern notwendige Standortentschei dungen seitens der Industrie. Ohne High-Speed-Internet und gute Verkehrsanbindung siedeln s ich hier keine Unternehmen an.” Ebenso wird die Versorgung mit grüner Energie immer mehr zum Standortfaktor (siehe Sei te 17). Auch wenn die Investi tionstätigkeit der Kommunen seit vielen Jahren hoch sei, sei sie in den einzelnen Regionen

sehr unterschiedlich, weiß der SPD-Obmann des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen, Bern hard Daldrup. Er und Susan ne Hennig-Wellsow (Die Linke), ebenfalls Obfrau desselben Aus schusses, sind sich daher einig, dass es eine “höhere finanzielle Ausstattung von Gemeinden” brauche, um die Voraussetzun gen für gleichwertige Lebens verhältnisse zu schaffen. Dafür müsse das Thema gleichwertige Lebensverhältnisse weiterhin in den Fokus genommen werden –auch wenn andere Krisenherde derzeit viel Aufmerksamkeit auf sich zögen. Denn auch wenn es in der vergangenen Legislatur eine Kommission “Gleichwertige Le bensverhältnisse” gegeben habe, sei das Thema damit nicht ab geschlossen, so der Beigeordnete des Landkreistags. Dabei sei es wichtig, die betroffenen Gegenden in ihrer Verschiedenheit in den Blick zu nehmen, mahnt Wohltmann. Zu oft wird seiner Meinung nach Politik aus der “Berliner Brille” gemacht und es werden beispielsweise Instrumente oder Bearbeitungsfähigkeiten der Kommunen außer Acht gelassen. Dazu zitiert er den Vergleich der Kleinstadtakademie, wonach eine Taschenuhr und eine Turmuhr zwar beide Uhren seien, sie aber mit unterschiedlichen Werkzeu gen behandelt werden müssten.

(BS) Wenn im 21. Jahrhundert eines in Massen verfügbar ist, sind es Daten. Die Frage lautet mittlerweile nicht mehr, wie man an Daten gelangt, sondern wie man sie komprimieren und interpretieren kann.

Insbesondere die Strafverfol gung steht vor diesem komplexen Problem. Hinweise und Indizien können Polizei und Co. heute durch eigene Recherche und Hilfe aus der Zivilgesellschaft vergleichsweise leicht erlangen – aber sie zu strafrechtlich re levanten Beweisen zu formen, steht auf einem anderen Blatt Papier. Zu den noch unterschätz ten Ermittlungsmethoden der deutschen Polizei zählt OSINT.

Unter OSINT versteht man die Ermittlung und Auswertung von Inhalten aus offenen Quellen im Internet – die Open Source Intelligence. Ähnlich wie in der Wissenschaft wird dabei nicht grundlos recherchiert, sondern mittels gut durchdachter Frage stellungen gearbeitet. Aufgrund der Masse an öffentlich verfüg baren Informationen muss die anfragende Stelle den OSINTAnalystinnen und Analysten klar definieren, was recherchiert werden soll. Bei den Ermittlun

gen können optional technische Tools genutzt werden, die Ermitt lerinnen und Ermittlern dabei helfen, relevante Informationen noch schneller zu sammeln und in Verbindung zu setzen. Viele dieser Softwarelösungen arbei ten mit Künstlicher Intelligenz (KI) und bringen in einigen Be reichen den Ermittelnden einen Mehrwert.

Doch in Deutschland ergeben sich im Einsatz dieser Tools zwei grundsätzliche Probleme. Au tomatisierte OSINT-Methoden können erhebliche Grundrecht seingriffe nach sich ziehen – in der öffentlichen Debatte ist ein oft zitiertes Beispiel die KI-basierte Gesichtserkennungssoftware. Neben den ethischen und da tenschutzrechtlich relevanten Fragestel lungen, in welchem Maße KI bei OSINT-Recherchen überhaupt verwendet werden darf, ist des Weiteren die Inter pretations- bzw. Analysefähigkeit von KI-gestützter Recherche zu

hinterfragen. Vor allem in der Beweisführung vor Gericht sind “harte” Beweise nötig. Hinsicht lich OSINT-Tools, die mittels KI agieren, lässt sich schlussfolgern: Je “härter” die Beweise werden sollen, desto weniger ist der Ein satz von OSINT-Tools möglich. Vor Gericht müssen Strafbehör den transparent nachweisen, in welcher Form sie an die jeweili ge Information gekommen sind und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben – eine KIgestützte OSINT-Recherche kann das allein nicht leisten. In einer Gesellschaft, in der KI als Allheil mittel in Medizin, Verkehr und Cyber-Sicherheit angepriesen wird, sollten wir in der öffentli chen Debatte häufiger über die Hürden und Gefahren der Tech nologie sprechen. Wer sagt, eine KI könne den Analysten ersetzen, der hat die Vielschichtigkeit der Fähigkeiten des Menschen nicht verstanden.

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen DienstISSN 1437-8337 G 1805 www.behoerdenspiegel.deBerlin und Bonn / Oktober 2022Nr. IX / 38. Jg / 42. Woche
Jobmotor
für Deutschland Gabriele Katzmarek berichtet von der Gesundheitswirtschaft 6
Maßgebliche Stütze der Verteidigung Prof. Dr. Patrick Sensburg zu Lehren für die Reserve aus dem Ukraine-Krieg 49 Mehr als Feenglaube und Dudelsackmusik Dr. Gisbert Hemprich über die Herausforderungen, Freuden und Leiden, eines kleinen Studienfachs 52 Trautes Heim, Glück allein
Kommentar
Der ländliche Raum muss als Chancenraum verstanden werden. Dafür müssen für seine Entwicklung andere Instrumente angewandt werden als bei Metropolregionen – den Turmuhren unter den Kommunen. Foto: BS/Stihl024, stock.adobe.com Adressfeld

Als kleinste Einheit der öffentlichen Verwaltung ist die Kommune das Bindeglied zwischen Bevölkerung und Staat. Deshalb muss auch sie mit den wandelnden Lebensrealitäten der Bürgerinnen und Bürger Schritt halten. Die daraus resultierenden technischen Anforderungen umzusetzen, stellt eine besondere Herausforderung für die Kommunen und deren begrenzte Ressourcen dar. Mutige und kreative Lösungen sind gefragt, um Neues zu verwirklichen oder mit Historischem zu verbinden, wie hier bei der Elbphilharmonie.

Kommunen im technischen Wandel

Den Mix und die Prozesse managen Energieversorgung dezentralisieren und neue Modelle bauen Seite 17

Maintals Zukunft ist grün und blau Umfangreiches Paket an Maßnahmen und Fördermöglichkeiten Seite 18

Zwischen Gamescom und Uraltprozessen Junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister umgehen und überwinden Hindernisse Seite 19

“Ich will abfallfreie Baustellen sehen” Urban Mining funktioniert (fast) immer Seite 24

Unverhofft digital kommt nur einmal Ein Erfahrungsbericht aus der digitalen Modellkommune Soest Seite 29

Denkmodell Netzwerkkommune Digitale Daseinsvorsorge im Fokus Seite 36

Enormer Vertrauensverlust droht Kommunen im Fadenkreuz von Cyber-Kriminellen Seite 38

Impressum

Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Jonas Brandstetter, Marco Feldmann (Innere Sicherheit), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Benjamin Hilbricht (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (Online-Redaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Tim Rotthaus (Online-Redaktion), Sven Rudolf (Online-Redaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Dr. Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10

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Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 34/2022, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.)

Im Zeichen des Ukraine-Kriegs

Die Berliner Sicherheitskonferenz zur äußeren Sicherheit (BS/Dorothee Frank) Nach den ersten friedlichen Jahren in Europa, die durch das Ende des Kalten Krieges eingeleitet wurden, brachte bereits der Kosovo-Krieg einen ersten Einschnitt. Während sich damals eine Koalition der Willigen unter der Führung der USA versammelte, um den Menschenrechtsverbrechen und besonders der zahlreichen Ermordung von Zivilisten mit militärischer Gewalt Einhalt zu gebieten, ist ein solches Vorgehen nun gegen die Nuklearmacht Russland nicht möglich. Dennoch fand sich erneut eine Koalition der Willigen unter der Führung der USA, um zumindest Waffensysteme an die Angegriffene zu liefern und die Soldatinnen und Soldaten der ukrainischen Streitkräfte an diesen Geräten auszubilden. Doch wie durchhaltefähig ist diese Koalition, wie lange könnte ein Krieg dauern? Und besteht überhaupt die Möglichkeit, dass Russland sich zurückzieht, solange dessen Präsident Wladimir Putin noch lebt?

Während Deutschland – egoistisch betrachtet – eine gewisse Pufferzone zwischen sich und dem Aggressor Russland besitzt, sieht dies für die baltischen, osteuropäischen und nordischen Staaten ganz anders aus. Für sie steht der Gegner direkt an der eigenen Grenze, denn auch wenn Norwegen auf den ersten Blick auf eine zweidimensionale Landkarte kaum an Russland grenzt, sieht die Lage bei der Betrachtung eines Globus ganz anders aus. Vor allem wenn bedacht wird, dass die blaue Meeresfläche, welche die Nordhalbkugel auf jedem Globus ziert, meistens weiß durch eine dicke, durchaus tragfähige

Eisschicht ist. Russland sprach in der Vergangenheit bereits deutliche Ansprüche betreffend die norwegischen arktischen Gebiete aus – zu einer Zeit, als Deutschland noch an Nordstream baute.

In diesem Jahr ist Norwegen nun Partner der Berliner Sicherheitskonferenz, die am 30. November und 1. Dezember in Berlin stattfinden wird. Angesichts der brisanten Lage in Europa wird die Berliner Sicherheitskonferenz in diesem Jahr der Treffpunkt, um das neue Europa und die möglichen Reaktionen gegen Russland zu erörtern. Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Teilnahme ebenso zugesagt wie

der norwegische Premierminister Jonas Gahr Støre. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg wird eine Rede halten. Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wird ebenso anwesend sein wie ihre Counterparts aus Finnland: Antti Kaikonen, Großbritannien: Ben Wallace sowie Norwegen: Bjørn Arild Gram.

An hochrangigen militärischen Vertretern sei vor allem auf die Teilnehmer des Forums “The High North – Security and Military Challenges” hingewiesen. Bisher bestätigten Vizeadmiral Jonas Haggren, Chief of Defence Staff, Schweden, General Timo Kivinen, Chief of Defence, Finnland, General Eirik J. Kristoffersen,

Chief of Defence, Norwegen, General Flemming Lentfer, Chief of Defence, Dänemark, Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin im BMVg sowie Admiral Olivier Lebas, Commander Atlantic Maritime Region (CECLANT), Frankreich, ihre Teilnahme. Neben dem Hauptprogramm diskutieren ebenfalls hochrangige Experten aus Politik, Militär und Wirtschaft konkretere Themen in den Fachforen. So wird sich ein Panel mit “European Medical Healthcare”, ein anderes mit “Air Power in a Changing Security Environment” oder “How to think European Defence in the Land Domain” befassen. Insgesamt 13 Fachforen decken hierdurch

eine große Bandbreite konkreter Themenkomplexe ab. Die Berliner Sicherheitskonferenz wird vom Behörden Spiegel als unabhängigem Medium und Mittler zwischen den relevanten Akteuren veranstaltet.

Weitere Informationen zu diesem hochrangigen Event und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es auf der Homepage unter: www.euro-defence.eu .

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 2 Inhalt
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Aktuelles Öffentlicher Dienst

Zwischen Stille und Verständigung

Modern Workplace: Herausforderungen der Arbeitsplatzgestaltung (BS/mj) Von externen Faktoren beeinflusst, haben sich die Arbeitsplätze in der Verwaltung verändert und sind zugleich in ihrer Transformation noch nicht abgeschlossen. Statt vollständiger Präsenz im Büro, wird es künftig auf eine zweigeteilte Arbeitswelt hinauslaufen. Klar ist: So wie vor Corona wird es nicht mehr werden.

“Der moderne Arbeitsplatz ist facettenreich und heterogen”, erklärte Ulrich Zuber, Referatsleiter der Organisationsund Digitalisierungsberatung des Bundesverwaltungsamt, im Rahmen eines politischen Frühstücks des Behörden Spiegel. Die Entwicklung sei vor allem von externen Parametern wie der Corona-Pandemie oder der Energiekrise geprägt. Dabei kritisierte er, dass dieser “Transformationszünder” aus der gemeinsamen Not entstanden sei statt aus dem nachhaltigen Ansporn einer gemeinsamen Vision. Daher forderte er, sich auf den Ursprungsgedanken des Modern Workplace zurückzubesinnen: Einen Arbeitsplatz, mit dem sich

DIGITALISIERUNG KONKRET Erfahrungen mit EfA – ernüchternd

Ich halte den “Einer-für-alle” (EfA-)-Ansatz für gut! Aber ein guter Ansatz allein führt noch nicht zu erfolgreichen Nachnutzungen.

Nehmen wir unseren ersten Versuch der Nachnutzung einer EfA-Lösung eines anderen Bundeslandes. Beim Blick auf den Datensatz wurden 17 Unterschiede erkennbar. 16 davon ließen sich grundsätzlich lösen; aber ein fehlendes Datenfeld brachte das Vorhaben zum Scheitern. Der Anbieter wollte keine Sonderlösung für NRW einbauen. Grundsätzlich verständlich – aber stimmt dann der Grundansatz der EfA-Lösung?

Erkenntnis: Ein guter Ansatz allein reicht noch nicht – nur eine gemeinsame Ausprägung, und zwar modular und “offen”, kann föderale Unterschiede ausgleichen. Ein anderes Beispiel: Der OZG-Datenkranz der Servicekonto-Lösungen wies kein Feld für “Staatsangehörigkeit” auf.

Unsere OZG-Leistung erforderte diese Information jedoch. Wir machten uns auf den steinigen Weg, zunächst dem zuständigen Ministerium gegenüber die Notwendigkeit zu verdeutlichen und im Anschluss den Diensteanbieter um die Ergänzung des Datenkranzes zu bitten.

Es hat vier Monate und einige Gespräche gebraucht – nun er-

halten wir dieses Feld über das Servicekonto.

Im dritten Beispiel fragte ich den IT-Architekten einer vorgestellten EfA-Lösung, worum diese in der Ablage auf einem virtuellen Speicher endet. Seine Antwort war ernüchternd: niemand wolle bereits jetzt eine tiefere Integration angehen. Eine gemeinsame Pilotierung ist nunmehr in Abstimmung.

Christian Lindner hat in der Meeseburg-Pressekonferenz davon gesprochen, dass Digitalisierung Menschen brauche, welche diese auch umsetzen wollten.

Ich denke, gleiches gilt für den EfA-Ansatz. Wir müssen Hürden abbauen und nicht als Grund dafür hernehmen, lieber eigene IT-Lösungen zu entwickeln.

Wir brauchen EfA-Lösungen, die gemeinsam entwickelt, modular über föderale Ebenen und Grenzen hinweg eingesetzt und weiterentwickelt werden können. Vertreiben wir die Ernüchterung mit gemeinsam ausgeprägten EfA-Lösungen!

die Mitarbeitenden identifizieren könnten. Hierfür müssten zukünftig Zeit und Ort des Arbeitens heterogen organisiert und Raumkonzepte an die sich ändernden Bedarfe angepasst werden.

Das Home-Base-Prinzip

Dass mobile Arbeitsformen Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben, berichtete auch Marianne von Glasow, Referentin der Abteilung Zentrale Verwaltung des ITZBund. Sie erläuterte, wie der zentrale IT-Dienstleister derzeit ortsfl exibles Arbeiten eingeführt habe und wie dies von den Beschäftigten aufgenommen worden sei. Dabei sei vor allem das Home-Base-Prinzip wichtig geworden, erklärt sie. Das sieht vor, dass Mitarbeitende desselben Referats zusammensitzen, wenn sie ins Büro kommen, und Führungskräfte Räume für Mitarbeitergespräche oder die Verarbeitung sensibler Daten zur Verfügung gestellt bekommen. “Wir beim ITZBund wollen Begegnungs- und Kommunikationsstätten schaffen – Stille haben die Leute dann zu Hause”, so von Glasow. Sie ergänzt: “Die Anforderungen an die Dienst-

stellen steigen, aber wir können nicht auf den Stand vor Corona zurück, denn dafür sind wir zu weit fortgeschritten.”

Arbeitsumfeld gestalten

Im Umgang mit den Nutzenden, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer Verwaltung, ergänzte der Referatsleiter des Bundesverwaltungsamts, dass Barrierefreiheit und Urheberrechte der Mitarbeitenden oft viel zu wenig thematisiert würden.

Auch diese Aspekte hätten aber einen großen Einfluss auf die Gestaltung moderner Arbeitsplätze. Dabei könnten die individuellen Wünsche der Mitarbeitenden, wie ihr Arbeitsumfeld gestaltet und ausgestattet sein sollte, sehr variieren, gab auch die ITZ-Referentin zu bedenken. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn die einen Mitarbeitenden Schallschutzwände bräuchten, andere Mitarbeitende sich von diesen gestört fühlten. “Und generell fällt es vielen schwer, sich von ihrem festen Arbeitsplatz zu lösen – man möchte dann doch nach wie vor einen Ort haben, an dem man private Fotos aufhängen oder die Lieblingskaffeetasse verstauen kann”, erläuterte sie.

Neue Standards setzen

Wichtig sei es, bei allen Arbeitsplatzformen Sicherheit und Anwenderfreundlichkeit gleichermaßen in den Blick zu nehmen, erklärte Gérard Mons, Senior Service Manager von Bechtle.

Die Endgeräte für den jeweiligen Nutzer im Homeoffice zu konfigurieren, ginge beispielsweise per Cloud, indem nur die Hardware an den Arbeitnehmer verschickt werde und das Endgerät nach Eingabe eines Nutzernamens und Passworts automatisch alle notwendigen Softwares installiere. “Die Cloud ist nicht böse”, ergänzte er, gab aber auch zu bedenken, dass die Polizei mit Sicherheitsfragen anderes umgehen müsse als die

Stadtverwaltung. In diesem Sinne sei es auch an der Verwaltung, so Zuber, eigene Standards zu setzen. Das betreffe auch und vor allem Führungspositionen in der Verwaltung. “Führen in verteilter Arbeit ist ein anderes Führungsbild, das man erst lernen muss”, führte er aus. Arbeitsaufträge und Ziele müssten dann anders formuliert werden und man müsse “weg vom Mikromanaging hin zum Expertentum”.

Umsetzung beim ITZBund

Beim ITZBund habe man den Führungskräften bestimmte Räumlichkeiten für Mitarbeitergespräche oder sensible Datenverarbeitung zur Verfügung gestellt, sodass sie auch am Desksharing teilnehmen könnten, erläuterte von Glasow und gab zu bedenken, dass es wichtig sei, bei der Umsetzung von ortsflexiblem Arbeiten zu entscheiden, wie mit Führungskräften verfahren werden solle – ob diese immer im Büro sein dürften oder müssten und wie beispielsweise Mitarbeitergesprächen abgehalten werden sollten. Was sich bewährt habe, führte sie weiter aus, sei die Einbeziehung der Personalräte und Interessenvertretungen. Diese seien sehr offen an das Thema ortsflexibles Arbeiten herangegangen, wodurch viele Konflikte hätten vermieden werden können.

MELDUNG

Zu lang!

(BS/jf) Beamtinnen und Beamte in Rheinland-Pfalz müssten zu lange darauf warten, die Aufwendungen im Krankheitsfall durch die Beihilfestellen erstattet zu bekommen, konstatiert Lilli Lenz, Landesvorsitzende des DBB Rheinland-Pfalz. 22 Arbeitstage und damit mehr als vier Wochen dauere es im Durchschnitt, bis die Beihilfestelle des Landes einen Beihilfeantrag und damit die grundsätzliche Erstattung der Hälfte anerkennungsfähiger Rechnungsbeträge bearbeite. Damit gehöre Rheinland-Pfalz bundesweit zu den Schlusslichtern.

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.deBerlin und Bonn / Oktober 2022 Diskutierten über den Arbeitsplatz der Zukunft in der Verwaltung: Gérard Mons, Uwe Proll, Marianne von Glasow, Ulrich Zuber, Waldemar Zgrzebski ( v.l.n.r.) Foto: BS/Jacobson Beate van Kempen ist IT-Referentin und -Architektin im Digitalisierungsdezernat des Landschaftsverbands Rheinland. Foto: BS/privat
Eine Veranstaltung des Je nach Pandemielage wird die Tagung gegebenenfalls virtuell durchgeführt. Zukunft Dienstrecht 22.–23. November 2022, GOP-Varieté-Theater Bonn Weitere Informationen und Anmeldung zur Tagung „Zukunft Dienstrecht“ unter: www.zukunft-dienstrecht.de Arbeits-, tarif- und beamtenrechtliche Entwicklungen

U

m mit den langfristigen Faktoren zu beginnen, seien vor allem Kriege und Konflikte, instabile Staaten, wirtschaftliche Ungleichgewichte, die Effekte der Globalisierung und demografische Entwicklungen genannt. Neue Kommunikationsmittel und die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels führen zusätzlich zu einem wachsenden Maß an Mobilität.

Die Bedeutung dieser Faktoren wird in Zukunft mit Sicherheit zunehmen und zu einem immer größeren Migrationspotenzial führen.

Konflikte, Kriege und Instabilität sind dabei die wichtigsten strukturellen Faktoren, auch wenn sie oft in Verbindung mit anderen Aspekten auftreten.

In den letzten 30 Jahren war der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen und irregulären Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien, Afghanistan, dem Irak, Syrien, aus Afrika oder aus Lateinamerika und jetzt aus der Ukraine hauptsächlich darauf zurückzuführen.

Entwicklung und Zahlen

Während die Zahl der internationalen Migranten zwischen 1990 und 2020 um 84 Prozent von 153 Millionen auf 281 Millionen anstieg, erhöhte sich die Zahl der Flüchtlinge und Intern Vertriebenen um 400 Prozent von etwa 20 Millionen auf mehr als 100 Millionen. Und diese Zahl steigt weiterhin an. Wir müssen nur an die geschätzten 30 bis 50 Millionen Menschen denken, die durch die Flutkatastrophe in Pakistan ihre Lebensgrundlage verloren haben. In diesem zunehmend instabilen globalen Umfeld haben sich Europa und die EU zu einem globalen Hauptziel von Flüchtlingen, Asylbewerbern und irregulären Migranten entwickelt. Und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Migrationsströme und ihre Bewältigung

Ursachen, Probleme und Chancen

(BS/Michael Spindelegger) Die Europäische Union erlebt gegenwärtig die vielleicht schwierigste Zeit ihrer Geschichte – sowohl was die geopolitische Lage als auch was die Themen Migration, Flucht und Vertreibung betrifft. Die Union muss sich zum einen mit langfristigen und strukturellen Faktoren auseinandersetzen, welche Migration bewirken und verstärken. Zum anderen geht es um kurzfristige Ereignisse, die unvorhersehbar waren, aber – vielleicht auch gerade deshalb – einen großen Einfluss auf die Migrationssituation haben.

Seit letztem Herbst steht die EU vor neuen und komplexen Herausforderungen. Zunächst versuchte Belarus, Migration als Waffe gegen die EU einzusetzen, indem Flüchtlinge aus unterschiedlichsten Ländern an die Grenze zu Polen gebracht wurden. Dann führte die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine zur größten Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Wir müssen nur die aktuelle Situation in den Kontext früherer Erfahrungen stellen. Europa hat in den letzten Jahrzehnten drei große Fluchtkrisen erlebt. In den 1990er-Jahren flohen etwa eine Million Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien in die EU. Diese Bewegungen fanden über einen Zeitraum von acht Jahren statt. Während der Flüchtlingskrise von 2015 kamen innerhalb von zwei Jahren 2,6 Millionen Menschen nach Europa. Jetzt sprechen wir von 4,1 Millionen ukrainischen Flüchtlingen, die innerhalb von sechs Monaten um vorübergehenden Schutz in der EU angesucht haben. Wir wissen nicht, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, viele Flüchtlinge sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt oder möchten das in Zukunft tun. Andere werden bleiben. Die Bewältigung dieser Krise, die Integration der Flüchtlinge, ihre Rückkehr und der Wiederaufbau der Ukraine werden uns auf jeden Fall noch lange beschäftigen.

Die geopolitischen Konflikte wirken sich aber auch auf Regionen aus, die weit von der jeweiligen Krise entfernt sind.

Dies gilt momentan etwa für afrikanische Länder, die in hohem Maße von Weizenimporten aus der Ukraine und Russland abhängig sind und wo große Sorgen über Versorgungsengpässe bestehen. Sollten diese länger anhalten, wird das auf jeden Fall zu einem Anstieg der irregulären Migration in die EU beitragen.

Problem Arbeitskraft

Wir dürfen gleichzeitig aber einen weiteren wichtigen Aspekt nicht vergessen. Die EU befindet sich inmitten eines tiefgreifenden demografischen Wandels. Europa wird immer älter und der Anteil der Erwerbsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung nimmt stetig ab. Zwischen 2020 und 2050 wird der Anteil der Über65-Jährigen um mehr als 60 Prozent steigen. Schon heute gibt es erheblichen Arbeitskräftemangel in einer Reihe von wichtigen Branchen. Wir sollten also auch unbedingt darüber nachdenken, wie wir Arbeitsmigration besser gestalten können, um unseren Bedarf zu decken, aber auch um die Kooperation mit den Ursprungsländern zu verbessern und mehr Gemeinsamkeiten in

Michael Spindelegger leitet seit 2016 das International Centre for Migration Policy (ICMPD) mit Sitz in Wien. Davor war er unter anderem in

Jahren 2011-2014 Vizekanzler und von

Republik

die politische Bereitschaft in den Ursprungsländern erhöhen, in Migrationsfragen zusammenzuarbeiten. Und diese Partnerschaften brauchen wir.

Wir sollten unsere beruflichen Ausbildungsstandards in die Ursprungsländer tragen. Als Beitrag zur Entwicklung dort, aber auch, um potenzielle Migranten mit den Kenntnissen auszustatten, die wir hier in Europa brauchen und brauchen werden.

Fortschritte gemacht und vieles dazugelernt. Gerade Deutschland hat dabei eine Vorreiterrolle gespielt, etwa was die Kooperation und den Aufbau von Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Staaten betrifft. Wir müssen uns aber eingestehen, dass diese Fortschritte in Summe noch zu wenig waren, um den kurz- und langfristigen Herausforderungen gerecht zu werden.

Wir werden mehr Einigkeit im Hinblick auf gemeinsame europäische Ziele brauchen, mehr Ressourcen, mehr Kooperation mit Ländern außerhalb der EU und einen Rahmen, der bewährte Ideen und Programme zu allgemeinen Politiken macht und es gleichzeitig erlaubt, neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.

der Migrationspolitik zu schaffen.

Es gibt also eine Vielzahl an ganz großen Herausforderungen. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob es auch Lösungen gibt. Wir denken, dass das der Fall ist. Es gibt nur leider nicht die eine magische Maßnahme, die alle Probleme löst, sondern es braucht eine Reihe von Ansätzen.

Es gibt nicht die eine Lösung Zunächst müssen wir uns immer vergegenwärtigen, dass nur eine kleine Minderheit der Weltbevölkerung tatsächlich migriert. Im Wesentlichen sind es die jungen und vergleichsweise gut Ausgebildeten, die aber keine Perspektiven in der Heimat vorfinden. Das gilt für irreguläre Migranten genauso wie für Flüchtlinge. Wo immer es möglich ist, sollten Investitionen und Entwicklungszusammenarbeit versuchen, für diese Zielgruppe Jobs und Perspektiven in der Heimat zu schaffen. Das wird nicht immer ausreichen, um Strukturschwächen zu beseitigen. Es wird aber auf jeden Fall

Die Rückkehr von Migranten muss ebenfalls mit Investitionen und der Schaffung von Jobs verbunden werden, die dann auch der Infrastruktur und den lokalen Communities in den Heimatstaaten zugute kommt.

Wir müssen weiterhin in Richtung eines echten globalen Flüchtlingsregimes arbeiten, das unter Beteiligung der gesamten Staatengemeinschaft für eine gerechtere Lastenteilung sorgt, so schwierig das auch sein mag. Schlussendlich werden wir auch weiterhin funktionierende Migrations- und Grenzkontrolle brauchen. Bestehende Fallstudien legen nahe, dass eine Kombination aus legalen Migrationsmöglichkeiten UND strikter Migrationskontrolle –inklusive modernster Mittel zur Authentifizierung – am ehesten geeignet ist, irreguläre Migration zu verringern.

In all den genannten Bereichen – und es gibt natürlich noch viele mehr, die von Bedeutung sind –hat die EU in den letzten Jahren

Das ICMPD

Das International Centre for Migration Policy (ICMPD) ist eine internationale Organisation mit 19 Mitgliedsstaaten und mehr als 465 Mitarbeitern. Die Organisation ist in über 90 Ländern weltweit tätig und arbeitet mit mehr als 240 Partnern zusammen, darunter EU-Institutionen und UN-Agenturen. Zu den Schwerpunktregionen gehören Afrika, Osteuropa und Zentralasien, der Mittelmeerraum, die Seidenstraßen, die westlichen Balkanländer und die Türkei. Die Organisation mit Sitz in Wien hat eine Vertretung in Brüssel und ist in 30 Ländern weltweit vor Ort vertreten. Das ICMPD erhält finanzielle Mittel von seinen Mitgliedsstaaten, der Europäischen Kommission, den Vereinten Nationen und anderen multilateralen Institutionen. Das 1993 gegründete ICMPD hat Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 4 Aktuelles Öffentlicher Dienst
den
2008-2013 Außenminister der
Österreich Foto: BS/ICMPD „Digitalisierung bedeutet für uns, Entlastung für unser Team zu schaffen.“ eGovPraxis unterstützt Sachbearbeitende, indem Ihnen praxisorientierte Rechtsinformationen, lokale Regelungen und Arbeitsmittel durch unsere Redaktion zentral und entlang des Arbeitsprozesses bereitgestellt werden. Digital. Jederzeit. Von überall. ● Für eine produktive Fall- und Vorgangsbearbeitung ● Für ein praxisorientiertes Rechtswissensmanagement ● Für ein effektives Einarbeiten von neuen Mitarbeitenden ● Für eine Digitalisierung, dort, wo sie gebraucht wird Mit eGovPraxis sorgen Sie für Entlastung im Arbeitsalltag, mehr Rechtssicherheit und Zufriedenheit. eGovPraxis egovpraxis.de/editionen Jetzt die passende eGovPraxis auswählen & testen: Für Sozialämter, Jobcenter und Personalämter verfügbar WK_eGovPraxis_Allg_BehSp_33-22_285x200_4c_neu.indd 1 17.08.22 11:09

Behörden Spiegel: Energiekrise, Inflation und mögli cherweise Rezession – ist jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt, in die Digitalisierung des öffentlichen Sektors zu investieren?

Markus Haas: Die Digitalisierung der Verwaltung ist kein Selbst zweck. Sie ist ein sehr wirksames Werkzeug, um die aktuellen He rausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft zu meistern und Deutschland zukunftsfähig aufzu stellen. Innovative Technologien wie die Künstliche Intelligenz (KI) oder das Internet of Things (IoT) helfen uns, Energie zu sparen und Produktionsprozesse zu de karbonisieren.

Behörden Spiegel: Wie das denn?

Haas: Sie können durch gezielte Präventionen die Qualität der Gesundheitsversorgung erhöhen, unnötige und falsche Behandlun gen vermeiden und damit Kosten sparen – und sie können Verwal tungsprozesse beschleunigen und verbessern. Der bürokratische Aufwand wird verringert und die Mitarbeiter haben mehr Zeit für ihre Kernaufgaben.

Behörden Spiegel: Wie können öffentliche Verwaltungen diese Entwicklung unterstützen?

Haas: Der Staat kann die Digi talisierung vorantreiben, indem er die notwendige Infrastruktur sowie rechtliche Rahmenbedingungen schafft. Er muss aber auch selbst den Schritt ins digitale 21. Jahr hundert machen. Dazu gehören digitale Verwaltungsprozesse ge nauso wie Smart-City-Lösungen –

Digitales Ökosystem erforderlich

Die digitale Transformation braucht starke Partner

von der digitalen Fuhrparkver waltung bis zu intelligenter Ver kehrsführung. Voraussetzung für die Digitalisierung ist eine flä chendeckende, leistungsfähige und resiliente Netzinfrastruktur. Daran arbeiten wir bei o2 Tele fónica genauso wie andere Mo bilfunkanbieter mit Hochdruck.

Behörden Spiegel: Was bringt das?

Haas: Alle drei nationalen Mo bilfunknetze werden im connectNetztest, dem unabhängigen Branchen-Benchmark, gleich wertig mit “sehr gut” bewertet.

Mehr als 17.000 5G-Antennen funken aktuell allein im Netz von o2 Telefónica; sie erreichen da mit deutlich mehr als 50 Prozent der Menschen hierzulande. Das ultraschnelle 5G-Netz eröffnet Verwaltungen sowie dem Sicher heitssektor eine neue digitale Di mension. Dataport, Helios oder die Technische Universität München testen beispielsweise innovative Anwendungen in 5G-Campus netzen, die o2 Telefónica speziell für diese Zwecke eingerichtet hat.

Behörden Spiegel: Hier ein ultramodernes Netz, dort weiße Flecken in der Netzversorgung. Wie passt das zusammen?

Haas: Was den Ausbau von Mo bilfunknetzen hemmt, sind büro

Wider den Fachkräftemangel

Kongress Innovatives Management 2022 (BS/lma) Das “Bleibebarometer Öffentlicher Dienst 2022”, welches die Next:Public-Beratungsagentur zusammen mit der Hertie School of Governance erstellt hat, liefert eindrückliche Zahlen: Demnach kön nen sich 80 Prozent der Beschäftigten vorstellen, den Arbeitgeber zu wechseln. Knapp ein Drittel davon ziehe sogar einen Arbeitgeber in der Privatwirtschaft in Betracht. Ohnehin ist der Fachkräftemangel im Öffentlichen Dienst ein akutes Thema.

Die Gründe dafür sieht Matthias Kohlhardt, Vorstandsvorsitzender der MACH AG, unter anderem in den vielfältigen Krisen, mit denen Staat und Gesellschaft momentan konfrontiert sind. Dazu zählten der Krieg und die damit zusam menhängenden Inflations- und Energiekrisen. Aber auch die Pan demie spiele eine Rolle. “Mitarbei terinnen und Mitarbeiter deutscher Verwaltungen spüren die Zeichen des Wandels besonders deutlich”, erklärt Kohlhardt. “Mehr Aufgaben, weniger Zeit, veränderte Prozesse.”

Das Thema der Beschäftigungs situation im Öffentlichen Dienst steht deswegen im Fokus des Kon gresses “Innovatives Management”, welcher am 8. November 2022 in Lübeck stattfindet. Wie muss sich eine Verwaltung aufstellen, um vorhandene und neue Mitarbei terinnen und Mitarbeiter wieder zu begeistern? Mit welchen tech nischen Innovationen lässt sich das Pensum schaffen? Über diese Fragen werden namhafte Refe rentinnen und Referenten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung auf dem Kongress dis kutieren.

Doch auch die Beziehungen zwi schen dem Staat und den Bürgern werden bei dem Event diskutiert.

Die Geschäftsführerin der Initiative D21, Lena-Sophie Müller, wird sich mit den gesellschaftlichen Impli kationen der Digitalisierung ausei nandersetzen. Schließlich basiert die Demokratie auf dem Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in leistungsstarke staatliche Institu tionen. Während die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld erleb ten, dass sowohl private als auch wirtschaftliche Belange durch Co

rona einen Digitalisierungsschub bekamen, hinkte die Verwaltung weiter hinterher und konnte nicht im gleichen Maße skalieren.

Dies wird unter anderem durch Zahlen des aktuellen “Digital Eco nomy and Society Index (DESI)” belegt, welchen die Europäische Kommission in jedem Jahr he rausgibt. Was digitale öffentliche Dienste betrifft, belegt Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU im Ranking der Mitgliedsstaaten einen ernüchternden 18. Platz. E-Government-Leistungen wer den lediglich von 55 Prozent der Internetnutzer in Anspruch genom men, Platz 24 im EU-Vergleich.

Bei vorausgefüllten Formularen liege die Bundesrepublik mit ei nem Wert von 42 etwas hinter dem EU-Durchschnitt von 64, wo mit es zu den fünf Ländern mit der schlechtesten Leistung zähle, heißt es im DESI-Länderbericht für Deutschland.

Die Zahlen zeigen, dass die digi tale Verwaltung in Deutschland weiter ausgebaut werden muss. Gelingt dies nicht, könnte der Ver trauensverlust in den Staat zuneh men. Gäste wie Ammar Alkassar, der ehemalige CIO des Saarlands, werden auf dem Event über die Auswirkungen dieses schwinden den Vertrauens in Staat und Ver waltung sprechen.

Der Behörden Spiegel ist Medi enpartner des Kongresses “Inno vatives Management 2022” am 8. November 2022. Neben dem Live-Besuch der Veranstaltung in Lübeck wird auch eine Teilnahme per Livestream möglich sein. Wei tere Informationen zum Programm und zur Anmeldung gibt es online unter www.mach.de/ima.

kratische Hürden, insbesondere bei den Genehmigungsverfahren. Die zugrunde liegenden Regelun gen sind überall anders und die Verfahren dauern noch viel zu lan ge – teilweise vergehen Jahre, bis beschieden wird. Warum können wir nicht ebenso wie Elon Musk

in Brandenburg ohne Genehmi gung bauen – und im Zweifel den Rückbau vollziehen, falls es final nicht zur Freigabe kommt?

Behörden Spiegel: Die Digita lisierung würde diese Verfahren beschleunigen?

Haas: Wenn wir die bestehenden analogen Prozesse einfach digital abbilden, springen wir deutlich zu kurz. Jedes Land, jede Regi on oder jede Behörde entwickelt dann ihre eigene Lösung. Statt dessen benötigen wir kompatible und skalierbare Anwendungen, die sich beliebig ausbreiten, er weitern und, wenn nötig, auch spezifizieren lassen. Nur so kön nen wir als Gesellschaft von den enormen Potenzialen der Digita lisierung profitieren.

Behörden Spiegel: Viele Di gitalisierungsprojekte sind ge scheitert – welche Faktoren sind erfolgsentscheidend?

Haas: Vieles ist schon vorhan den. Wir haben leistungsstarke Netze, digitale Services, siche re Cloud-Lösungen und Cyber Security-Konzepte. Damit daraus funktionierende digitale Lösungen

mit Mehrwert für die Bürgerin nen und Bürger sowie die Un ternehmen werden, müssen sich die einzelnen Anbieter zu einem digitalen Ökosystem verbinden. Solche Systeme folgen dem Prinzip des Gebens und Nehmens. Wenn sich jeder Teilnehmer auf seine individuellen Stärken fokussieren kann, wird am Ende ein besseres Ergebnis für alle erreicht. Netzbe treiber wie o2 Telefónica haben die Kompetenz, solche Ökosysteme zu orchestrieren.

Behörden Spiegel: Was zeich net Sie noch aus?

Haas: Zudem verfügen wir über Schnittstellen zum Beispiel zwi schen Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen. Seit mehr als 20 Jahren kooperiert o2 Telefónica mit großen und klei nen Partnern – beim Netzausbau, bei den Mobilfunkangeboten und Geschäftskundenlösungen so wie übrigens auch mit anderen Telekommunikationsanbietern zur noch besseren Netzabde ckung. Die Zusammenarbeit mit kompetenten Partnern ist auch unerlässlich, um die Digitalisie rung der öffentlichen Verwaltung schneller voranzutreiben.

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Seite 5Behörden Spiegel / Oktober 2022 Aktuelles Öffentlicher Dienst
(BS) Markus Haas ist Vorstandsvorsitzender von Telefónica Deutschland. Er spricht mit dem Behörden Spiegel über das Potenzial digitaler Öko systeme und die Fähigkeit, zu kooperieren.
“Was den Ausbau von Mobilfunknetzen hemmt, sind bürokrati sche Hürden, insbeson dere bei den Genehmi gungsverfahren.”
Markus Haas ist Vorstandsvorsitzen der von Telefónica Deutschland. Foto: BS/Telefónica Deutschland
Das

Deshalb fordert das Mitglied des Wirtschaftsausschusses

“eine kluge Industriepolitik für diese Branche.” Dazu zählten die Gewinnung von Fachkräften und weitere Ansätze zum Ausbau des Wirtschaftsstandortes Deutsch land und Europa.

Behörden Spiegel: Frau Katz marek, warum beschäftigen Sie si ch i m Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages mit Fragen aus dem Bereich der Ge sundheit?

Katzmarek: Die Gesundheits wirtschaft ist in Deutschland ein bedeutender Wirtschaftszweig. Si e erwirtschaftete 2020 laut Bundesministerium für Wirt schaft und Klimaschutz (BMWK) mit 7,4 Millionen Arbeitneh merinnen und Arbeitnehmern direkt rund 364,5 Mrd. Euro. Der Sektor umfasst nicht nur die medizinische Versorgung von der Apotheke vor Ort über das Kran kenhaus bis zur P h ysiothera piepraxis und weitere Dienst leistungen, son dern auch einen industri ellen Zweig. Dieser besteht aus den Bereichen der Pharmaindustrie, Biotechnologie und der Medizin technik. Alle Entscheidungen, die im Gesundheitsbereich für das gesamte System getroffen werden, haben auch Auswirkung auf die industrielle Gesundheits wirtschaft. Beide sind extrem miteinander verzahnt.

Jobmotor für Deutschland

Forschungsförderung, Fachkräfte und Zusammenarbeit für die Gesundheitswirtschaft (BS) Die Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion für die industrielle Gesundheitswirtschaft und Parlamentarische Geschäftsführerin Gabri ele Katzmarek fordert bessere Bedingungen für diese Wachstumsbranche. “Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig stabile Lieferketten, eine sichere Arzneimittelversorgung, ausreichende Produktionskapazitäten und die nachhaltige Förderung von Innovation und Forschung für Deutschland und Europa sind”, betont die Sozialdemokratin. das Interview führte Robert Hess im September 2022.

Einfluss auf die Standorte hier. Allen ist klar, dass das Defizit der Krankenkassen, man rechnet für 2023 mit mindestens 17 Milliar den Euro, ausgeglichen werden muss. Über die Mittel und Wege herrscht mit den Betroffenen, vor allem Verbänden und Un ternehmen, noch Uneinigkeit.

“Die Gesundheitswirt schaft hat 7,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und setzt 364,5 Mrd. Euro um”

Das vom Kabinett beschlossene Paket umf asst beispielsweise eine Verlängerung des Preis moratoriums bei Arzneimitteln bis 2026. Zudem einen höheren Herstellerabschlag für die Kassen insbesondere für patentgeschütz te Arzneimittel. Damit berührt man einen wich tigen Standort faktor für die hier ansässigen U nt ernehmen. Wenn wir den Industriestand ort Deutschland zum Wohle der gesamten Gesellschaft bewahren wollen, dann müssen wir auch entsprechende Rahmenbedin gungen schaffen. Dazu gehören Planbarkeit und Berechenbarkeit auf längere Sicht für beide Seiten.

Behörden Spiegel: Was heißt das konkret?

Katzmarek: Deutschland ist ein entscheidender Standort und Ab satzmarkt für die industrielle Ge sundheitswirtschaft. Die momen tan diskutierten Maßnahmen zur Finanzierung und Stabilisierung der gesetzlichen K rankenkas sen (GKV) haben einen großen

Behörden Spiegel: Warum ist denn diese Branche so wichtig für Deutschland, dass Sie sich so enorm für sie einsetzen?

Katzmarek: Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig stabile Lie ferketten, eine sichere Arznei mittelversorgung, ausreichen de Produktionskapazitäten und die nachhaltige Förderung von Innovation und Forschung für Deutschland und Europa sind.

Wir haben gesehen, dass wir in einigen Bereichen noch sehr gut aufgestellt sind, in anderen Bereichen, insbesondere in der Produktion, eine extreme Abhän gigkeit von wenigen Produzen ten außerhalb Europas haben. Schon heute haben wir durch die aktuelle Weltlage erhebli che Engpässe bei bestimmten Medikamenten. Die industrielle Gesundheitswirtschaft mit ihren drei Teilbereichen Pharmaindus trie, Biotechnologie und Medizin technik ist mit einem volkswirt schaftlichen Fußabdruck von 75,2 Mrd. Euro (2020) und rund einer Million Beschäftigten eine wichtige Wachstumsbranche auf Augenhöhe mit der Automobil wirtschaft. Deshalb gibt es seit 2015 auch das von mir ins Leben gerufene SPD-Fachforum “Indus trielle Gesundheitswirtschaft”. Zi e l ist es, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Wir erarbei

Rechtsinformationssysteme als Erfolgsfaktor

Eine Stütze der modernen Verwaltungsarbeit

(BS/Franz Schlickum) Die Verwaltung steht aktuell vor vielfältigen Herausforderungen wie Fachkräfteman gel, hoher Rechtsdynamik und steigenden Produktivitätsanforderungen. Neben den Fachverfahren und Dokumentenmanagement-bzw. E-Akten-Systemen stellen digitale Rechtsinformationssysteme einen zent ralen Erfolgsfaktor dar, um diesen Herausforderungen begegnen zu können. Denn nur aktuelle, rechtssichere und immer verfügbare Rechtsinformationen ermöglichen ein Verwaltungshandeln, das den Qualitätsanfor derungen der Verwaltung, der Politik, der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen genügt.

Ein digitales Rechtsinformati onssystem bietet unmittelbar produktivitäts- und qualitätsstei gernde Effekte: schnelle Fallbe arbeitung, rechtssichere Verwal tungsakte und nicht zuletzt die Entlastung der Mitarbeitenden. Bei Konzeption und Einsatz des Systems sollten die Anforderun gen der einzelnen Nutzergruppen im jeweiligen Fachkontext beach tet werden.

So hilft das System

Für alle Nutzergruppen gilt, dass das Rechtsinformations system

• mit Fachverfahren und EAkten-Systemen integrierbar ist, um den Arbeits- und Do kumentationsprozess zu un terstützen, • über vielfältige Informations zugänge und -typen verfügt, um den unterschiedlichen An forderungen der Nutzenden zu entsprechen, • lokale In halte der Behörde wie Rechtsvorschriften und Arbeitshilfen kontextsensitiv integriert, da diese für die richtige Entscheidung vor Ort unabdingbar sind und • niedrigschwellige kollaborative Funktionen beinhaltet, mit de nen innerhalb der Behörde, aber auch darüber hinaus, Rechts wissen aufgebaut und verfügbar gemacht werden kann.

Für die Nutzer gruppe der Fallund Sachbear beitenden, die in der Regel keine umfangreiche ju ristische Ausbil dung hat, ist für die erfolgreiche Fallbearbeitung der Zugriff auf einfach zu erfas sende Rechtsin formationen essenziell. Wenn das System auch Onboardingun d Schulungs-Funktionen bietet, ist der beschleunigte produktive Einsatz neuer und die Entlastung bestehender Mitarbeitenden ein direkter Mehrwert.

up to date

Für die Nutzergruppe der Füh rungskräfte und Amtsleitungen sind Funktionen zur digitalen Verteilung und nachhaltigen Verfügbarmachung der Rechts informationen wesentlich, da neue Vorgaben sofort an alle Mitarbeitenden kommuniziert werden und so behördenein heitliches Verwaltungshandeln gewährleistet wird.

Rechtsinformationssysteme sind ein integraler Bestandteil der Verwaltungsdigitalisierung und damit ein Schlüsselerfolgs faktor. Die digitale Plattform

dafür bietet beispielsweise die Produktfamilie eGovPraxis von Wolters Kluwer. Mit der redak tionellen Dienstleistung von eGovPraxis ist die Behörde zu dem optimal auf die aktuellen Herausforderungen ausgerichtet und für die Zukunft aufgestellt.

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Wie stehen Sie dazu? Welche Rolle kann gemeinsames europäisches Handeln dabei haben?

“Das Ziel darf nicht sein, die komplette Wertschöpfungsket te bei Arzneimitteln zurück aus Asien zu holen”

Gabriele Katzmarek ist ordentliches Mitglied im Wirtschaftsausschuss, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und zudem im Un terausschuss “Globale Gesundheit”. Für die SPD-Fraktion ist sie Berichterstatterin für die industrielle Gesundheitswirtschaft, Arbeits marktfragen sowie die Transformation der Wirtschaft zuständig.

ten dabei gemeinschaftlich kon krete Handlungsempfehlungen.

Behörden Spiegel: Warum strei ten Sie als Sozialdemokratin für eine Branche, die nicht den besten Ruf in der Bevölkerung hat?

Katzmarek: Die Branche ist durch ihre Innovationskraft und ihre Beschäftigungsstärke ei ner der Motoren des Standorts Deutschland. Rund 12.500 Un ternehmen im Bereich Medizin technik sowie 360 Pharma- und B iotechnologieunternehmen beschäftigen rund eine Million Erwerbstätige. Noch einmal: Sie bieten damit fast genauso viele Arbeitsplätze wie die Automo bilindustrie. Mit einem hohen Lohnniveau, Tarifbindung und Sozialpartnerschaften trägt die industrielle Gesundheitswirtschaft nachhaltig zur guten Beschäfti gungslage in Deutschland bei. Ich kenne die Branche durch meinen Gewerkschaftshintergrund bei der IG BCE und meiner Ausbildung als Chemielaborantin in allen Be reichen sehr gut. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich sehr kritisch bin und mir immer ein eigenes, differenziertes Bild mache.

Behörden Spiegel: Und wie stehen Sie zu unserem Gesund heitssystem?

Katzmarek: Ich bin selbst aus Überzeu gu ng gesetzlich kran kenversichert. Kürzlich konnte ich wegen eines Unfalls wieder genug einschlägige Erfahrungen mit unserem Gesundheitssystem machen. Es ist wirklich nicht schlecht, aber reformbedürftig. Insbesondere die Personalde cke muss besser werden. Auch hier zeigt sich, wie sehr wir gut ausgebildetes und gut bezahltes Personal brauchen. Eine klug ausgestaltete KrankenhausStrukturreform mit Beteiligung der Länder und Kommunen, die Gewinnung von mehr Fachkräf ten sowie eine nachhaltige GKVFinanzierung sind drei Baustei ne für eine solide Verbesserung uns e res Gesundheitssystems. Aber im jetzigen Zustand fehlen einfach wie in vielen Bereichen an allen Ecken und Enden die Fachkräfte.

Behörden Spiegel: Wo sehen Sie eine Lösung für dieses gesamt wirtschaftliche Problem?

Katzmarek: In meiner parla mentarischen Arbeit setze ich m i ch wegen meines Gewerk schaftshintergrundes sehr für das Thema Fachkräftegewin nung ein. Der demografische W a ndel zwingt uns dazu, auf neuen Wegen qualifizierte Ar beitnehmerinnen und Arbeit nehmer zu gewinnen. Die Lösung kan n nur aus einem Bündel

Foto: BS/Hoffotografen

an Maßnahmen bestehen. So müssen wir nicht nur die Quote der Schulabbrecher drücken, sondern auch die Erwerbsquote von Frauen durch bessere Ver einbarkeit von Beruf und Familie anheben sowie mehr Weiterbil dungsmöglichkeiten für Arbeit nehmerinnen und Arbeitnehmer bieten. Gerade die nachhaltige Transformation der deutschen Wirtschaft wird die Arbeitswelt verändern. Fachkräfte müssen sich beruflich umorientieren kön nen. Unsere Aufgabe ist es, ihnen Möglichkeiten dafür zu schaffen, damit der Wandel gelingt. Hier müssen wir unsere Hausaufga ben machen.

Behörden Spiegel: Und bei der Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland noch zulegen?

Katzmarek: Vollkommen richtig. Das ist die zweite Säule zur Lö sung des Fachkräftemangels. Bei einem geschätzten Fachkräftebe darf von rund 500.000 Personen pro Jahr ab 2025 müssen wir auch die Anwerbung aus dem Ausland pragmatischer gestal ten. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Punktesystem muss dringend verabschiedet werden.

Die Möglichkeiten der Blue Card1 müssen erweitert werden. Beides kann zu einer bedarfsgerechten Fachkräftezuwanderung führen.

Die Arbeitswelt ist gerade in den größeren Unternehmen schon sehr viel internationaler gewor den. Arbeitnehmerinnen und Ar beitnehmer, die nach Deutsch land kommen, können dort auch gut mit e nglischen Sprach kenntnissen i nt egriert werden. Der Schlüssel für die Integration in unseren Arbeitsmarkt ist aber natürlich grundsätzlich immer noch die Sprache. Begleitende Sprachkurse sind ein wichtiges Element, um Fachkräfte dazu zu motivieren, längerfristig hier in Deutschland zu arbeiten.

Katzmarek: Lassen Sie mich zunächst etwas zur generellen Strategie für Europa sagen: Das Ziel darf es nicht sein, die komplette Wertschöpfungskette bei den Arzneimitteln zurück aus Asien zu holen, sondern die Selbstversorgung in Schlüssel bereichen für jeden Kontinent zu gewährleisten. Die Stärkung der strategischen Technologiefelder in Europa, z. B. durch Important Projects of Common European Interest (IPCEI), sehe ich als Möglichkeit, um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Es gibt den deutsch-französischen Vorschlag, ein IPCEI Health als ein strategisches Förderinstru ment zu nutzen, um die euro päische Gesundheitswirtschaft unabhängiger aufzustellen. Und das alles im Einklang mit dem EU-Beihilferecht. 16 Nationen, so auch Frankreich, sind bereits dabei. Nur Deutschland zögert momentan leider noch, in die sem Haushalt in die Zukunft zu investieren. Jeder Euro, den wir durch staatliche Förderung in die Forschung und den Inno vationstransfer stecken, trägt dazu bei, den Standort Deutsch land zukunftsfest aufzustellen. Wir haben erhebliche Vorteile durch Innovationen, die hier in Deutschland gemacht werden. Sie verringern, wie wir gesehen haben, die Abhängigkeiten und machen Lieferketten krisensi cherer. Wir brauchen deshalb eine kluge Industriepolitik für diese Branche auf nationaler und europäischer Ebene.

Behörden Spiegel: Frau Katz marek, noch mal zurück auf die deutsche Ebene: Die Kommunen und Bundesländer suchen Un ternehmen, die sich bei Ihnen ansiedeln. Wie können sie von der industriellen Gesundheits wirtschaft profitieren?

“Die industrielle Gesundheits wirtschaft trägt nachhaltig zur guten Beschäftigungslage in Deutschland bei”

Behörden Spiegel: Warum ist das so wichtig für den Standort Deutschland?

Katzmarek: Der Rohstoff, der unsere Wirtschaft so stark macht, sind die gut ausgebildeten Fach kräfte in den Betrieben. Die drin gend benötigte Fachkräftestra tegie des Bundes, die im Herbst dieses Jahres vorliegen soll, ist dabei sehr wichtig. Sie wird einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.

Behörden Spiegel: Die Unter nehmen fordern in diesem Zusam menhang auch mehr staatliche For schungsförderung, um Fachkräfte auch längerfristig halten zu können.

Katzmarek: Jede Gemeinde, Stadt oder jedes Bundesland profitiert erheblich davon, wenn sich vor Ort ein innovatives Unter nehmen der industriellen Gesund heitswirtschaft ansiedelt oder aus einem Start Up erwachsen kann. Schauen Sie sich die Erfolgsge schichte von Biontech in Mainz an. Ohne jahrelange auch öffentlich geförderte Grundlagenforschung wäre dieser Erfolg in der Ent wicklung eines Impfstoffes nicht möglich gewesen. Heute kann die Firma die Gewinne in andere Be reiche der Forschung investieren. Aber auch Partner und Zulieferer haben von dem Wachstum der Firma ihre Vorteile gehabt. So wird ein Standort attraktiv für weitere An siedlungen und de n Zuzug von Fachkräften mit ihren Familien. Die Kommu nen haben dann nicht nur neue Einwohner gewonnen, sondern freuen sich auch über mehr Ein nahmen durch die Gewerbesteuer. Wir wollen deshalb auch mit den kommunalen Spitzenverbänden in den Dialog zu den Standortbe dingungen für die Gesundheits wirtschaft ins Gespräch kommen. Dazu lade ich alle herzlich ein.

Behörden Spiegel: Frau Katz marek, wir danken für das Ge spräch.1

1Die EU Blue Card ist analog zur amerikanischen Green Card kon zipiert. Sie gibt hochqualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten die Möglichkeit, in der EU zu arbei ten. Dafür müssen sie bestimmte Voraussetzungen in der Qualifi kation und beim nachgewiesenen Arbeitsplatz erfüllen. Der beste hende Mangel an Fachkräften in vielen Beschäftigungssektoren soll so ausgeglichen werden.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 6 Aktuelles Öffentlicher Dienst
Franz Schlickum, Senior Pro duct Manager eGovPraxis, Wolters Kluwer Deutschland GmbH Foto: BS/Wolters Kluwer

des Behörden Spiegel zum 15-jährigen Bestehen des Bundesamts für Justiz (BfJ)

Dynamisches Wachstum und enormes Aufgabenspektrum

Das Bundesamt für Justiz feiert 15-jähriges Jubiläum

(BS) Vor 15 Jahren entstand in Bonn das Bundesamt für Justiz (BfJ). Seitdem sind viele Aufgaben hinzugekommen, neben dem Führungszeugnis die EHUG-Ordnungsverfahren oder die Verkündung von Bundesgesetzen und -verordnungen. Zum Jubiläum sprach BfJ-Präsidentin Veronika Keller-Engels mit dem Behörden Spiegel über die aktuelle Lage des Amts sowie zukünftige Herausforderungen. Die Fragen stellte Uwe Proll.

B

ehörden Spiegel: Frau Präsidentin, das BfJ ist eine “relativ” junge Behörde. Was war 2007 der Grund für seine Errichtung? Keller-Engels: Ziel der Gründung war zunächst die Bündelung bestimmter Verwaltungsaufgaben, die bis dato vom Bundesjustizministerium, aber auch von der Bundesanwaltschaft wahrgenommen wurden. Ein zweiter Grund lag in der Notwendigkeit, sowohl für Zivil- als auch Strafsachen eine zentrale Anlaufstelle für den internationalen Rechtsverkehr aufzubauen. Drittens brauchte der Bund eine zentrale Behörde für bestimmte Aufgaben, beispielsweise die EHUG-Ordnungsgeldverfahren, also die Ahndung von Verstößen gegen Offenlegungspflichten durch Kapitalgesellschaften. Maßgeblich durch die Einnahmen aus diesen Verfahren trägt sich das BfJ nicht nur selbst, sondern wir können sogar jährlich einen Einnahmeüberschuss für den Bundeshaushalt erzielen: Im letzten Jahr lag dieser bei rund 61 Millionen Euro. Gestartet sind wir übrigens mit ungefähr 400 Beschäftigten. Diese Zahl ist in den letzten 15 Jahren auf knapp 1.400 angewachsen. Inzwischen können wir mit einem gewissen Stolz sagen, der zentrale Dienstleister und ein Kompetenzträger für die Justiz zu sein.

Behörden Spiegel: Wie sieht das Aufgabenspektrum des BfJ heutzutage aus?

Keller-Engels: Wir haben inzwischen ein enormes Aufgabenspektrum, welches rasant gewachsen ist. Eine unserer Kernkompetenzen liegt – wie gesagt – im internationalen Bereich. Zum Beispiel unterstützen wir Betroff ene bei internationalen Kindesentführungen oder bei der grenzüberschreitenden Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen als “Zentrale Behörde″ und nehmen für die internationale Strafverfolgung wichtige Aufgaben der Rechtshilfe wahr, beispielsweise bei Fragen der Auslieferung. Ein Kernaufgabengebiet sind auch die Register, also das Bundeszentralregister, das Gewerbezentralregister und das zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister.

Von unserem wichtigsten Produkt, dem Führungszeugnis, verlassen jeden Tag rund 17.000 unser Haus. Weitere wichtige Säulen sind, wie bereits erwähnt, die EHUG-Ordnungsgeldverfahren, aber auch die Verkündung von Bundesgesetzen und -verordnungen. Unser Spektrum wird sich in Zukunft aller Voraussicht nach weiter in Richtung Bürger-Services entwickeln, dazu gehören auch die Aufgaben der Schlichtungsstellen.

Vor allem die Luftschlichtung war zu Zeiten der Corona-Pandemie extrem wichtig. Hier geht es um zivilrechtliche Ansprüche, wenn zum Beispiel der Flug annulliert wurde.

Ein besonderer Pluspunkt für das BfJ ist sicher die Aufgabenvielfalt, die verschiedenste spannende Tätigkeitsfelder bietet und auch einen internen Wechsel erleichtert.

Schließlich sind wir auf Grundlage des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes im Bereich der Bekämpfung von Hasskriminalität tätig. Ein weiterer wichtiger Punkt, der nicht so sehr im Licht der Öffentlichkeit steht, ist die Gewährung von Härteleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe und terroristischer Straftaten.

Diese Aufgabe hat uns etwa nach dem Attentat vom Breitscheidplatz in Berlin und nach den Anschlägen von Hanau und Halle stark gefordert. Künftig werden wir auch die Whistleblower-Richtlinie umsetzen, also die Aufgaben als externe Meldestelle des Bundes nach dem Hinweisgeberschutzgesetz wahrnehmen. Dieses Gesetz ist zwar noch in der Diskussion. Trotzdem bereiten wir uns hierfür bereits mit Hochdruck vor.

Behörden Spiegel: Sie beschreiben ein Themenspektrum, bei dem viele Dinge nichts miteinander zu tun haben. Wie halten Sie dabei die ganze Behörde zusammen?

Keller-Engels: Das dynamische Wachstum der Behörde verursacht zwangsläufig Fliehkräfte, denen wir durch verschiedene Maßnahmen entgegenwirken.

Wir fördern zum Beispiel den behördenweiten Austausch unter den Kolleginnen und Kollegen, etwa in übergreifenden Arbeitsgruppen zu wichtigen Themen

wie Fachkräfterekrutierung oder Gesundheitsmanagement. Darüber hinaus legen wir besonderen Wert auf die Kommunikation nach innen, um den Zusammenhalt zu stärken. Ein weiterer Punkt, der aus meiner Sicht sehr wichtig ist, ist die Liegenschaftskonsolidierung. Ursprünglich verfügte das BfJ über fünf Liegenschaften, verteilt über das Bonner Stadtgebiet. Momentan sind es noch vier. Diese sind zum Teil so weit voneinander entfernt, dass sich die Beschäftigten nicht mal eben zu einem persönlichen Austausch oder zur Mittagspause treffen können.

Wir müssen die Verwaltungsstrukturen modernisieren.

Mein Ziel ist es, diese Standorte in Bonn auf zwei Liegenschaften zusammenzuführen. Dies wird sicher auch Impulse für eine Modernisierung der Arbeitsstrukturen oder der Raumnutzung geben, zum Beispiel Desk-Sharing im Zusammenhang mit ortsflexiblem Arbeiten.

Behörden Spiegel: Sie sagten vorhin, täglich verließen rund 17.000 Führungszeugnisse das BfJ. Das kann ja nur digital gehen, oder? Keller-Engels: Richtig, beantragen können Sie das Führungszeugnis über das OLAF-Verfahren bereits digital. Hier sind die Zahlen stark gestiegen. Nach knapp über 200.000 Anträgen im letzten Jahr prognostizieren wir für dieses Jahr ungefähr 250.000 Anträge. Allerdings ist das Führungszeugnis an sich noch nicht digital, sondern wird auf fälschungssicherem Gründruckpapier gedruckt. Der Rückkanal ist also noch analog per Post.

Behörden Spiegel: Das schreit ja nach Digitalisierung. Keller-Engels: Das stimmt. Diesen Schrei nehmen wir auf. Die Digitalisierung des Prozesses ist eines unserer wichtigen Zukunftsprojekte.

Behörden Spiegel: Wie weit ist die Digitalisierung denn im BfJ sonst?

Keller-Engels: Das BfJ ist Vorreiter und Pilotbehörde bei der Einführung der E-Akte Bund. Hier beschränken wir uns auch nicht auf die Umstellung auf eine elektronische Aktenführung, sondern haben zum Beispiel im Bereich der Luftschlichtung eine Schnittstelle zu einer weiteren Bundeskomponente –

dem Formular-ManagementSystem – entwickelt, um so den Arbeitsprozess insgesamt digital zu unterstützen. Nach dem Eingang eines digitalen Antrags werden alle Daten wie die Flugnummer oder die Adresse automatisiert in die E-Akte übernommen und können von dort ebenfalls automatisiert in Antwortschreiben eingezogen werden. So werden viele Arbeitsschritte gespart. Diese Schnittstelle bieten wir über das ITZBund auch anderen Bundesbehörden zur Nachnutzung an. Wenn wir über Digitalisierung im BfJ sprechen, sind unter dem Stichwort “Re-Design” auch das Bundeszentral- und das Gewerbezentralregister zu nennen, die dringend aktualisiert werden müssen. Aufgrund ihrer Konzeption sind sie nicht mehr so ausgelegt, wie wir sie heute benötigen. Insgesamt müssen wir die Verwaltungsstrukturen modernisieren. Das geht schlichtweg nur durch Digitalisierung. Auch das für die moderne Arbeitswelt so wichtige ortsflexible Arbeiten ist davon abhängig. Dies und alles, was damit zusammenhängt, ist nur möglich, wenn umfassend digital gearbeitet werden kann. Das bedeutet, dass wir nicht mehr Berge an Akten von Zimmer zu Zimmer tragen, sondern dass von überall über gesicherte Systeme auch auf Daten zugegriffen werden kann.

Behörden Spiegel: Wir haben schon über den Aufwuchs gesprochen, den Ihre Behörde in den letzten Jahren erlebt hat. Hierfür brauchen Sie auch die entsprechenden Mitarbeitenden, die Sie auf einem umkämpften Arbeitsmarkt gewinnen müssen. Haben Sie Probleme beim Recruiting? Keller-Engels: Ich würde gerne “nein” sagen. Tatsache ist aber, dass das Recruiting auch für uns eine große Herausforderung bedeutet. Wir stehen in Bonn in einer Wettbewerbssituation mit zahlreichen anderen Behörden, aber natürlich auch mit großen Unternehmen. Um uns für die Zukunft noch besser aufzustellen, sind wir gerade dabei, mit einer Projektgruppe nochmals alle Rekrutierungsmöglichkeiten auszuloten. Das beginnt im Grunde genommen schon bei der Ausbildung. Wir bilden neben Verwaltungsfachangestellten auch Fachinformatiker aus, weil wir gerade für unsere IT-Abteilung mit bereits über 100 Beschäftigten laufend weiteren Bedarf haben. Angesichts der notwendigen Entwicklung von Fachverfahren sind wir darauf angewiesen, dass Fachleute zu uns kommen und mitarbeiten.

Auch auf unserer gerade aktualisierten Homepage werben wir um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein besonderer Pluspunkt für das BfJ ist sicher die bereits erwähnte Aufgabenvielfalt, die verschiedenste spannende Tätig-

keitsfelder bietet und auch einen internen Wechsel erleichtert. Wir haben dadurch auch sehr gute Personalentwicklungsmöglichkeiten. Des Weiteren bieten wir flexible Arbeitszeiten und JobSharing. Dies ist für Teilzeitkräfte ein besonderer Vorteil, weil man sich auch eine Führungsposition teilen kann. Ich empfinde es darüber hinaus als sehr positiv, dass bei uns viele Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft arbeiten. Dadurch werden unterschiedliche Perspektiven zusammengeführt.

Behörden Spiegel: Wie hoch ist die Zahl der nicht besetzten Planstellen?

Keller-Engels: Unsere Stellenbesetzung ist eigentlich gut. Normalerweise liegt sie bei über 90 Prozent. Momentan ist sie allerdings etwas niedriger, weil wir Stellen, die wir im Haushalt 2022 bekommen haben, noch besetzen müssen. Im September hatten wir Besuch der für das BfJ zuständigen Haushaltsberichterstatter der Koalitionsfraktionen. Bei dieser Gelegenheit haben wir verstärkt für mehr Planstellen im Bereich Digitalisierung geworben. Für unsere Digitalisierungsprojekte benötigen wir dringend personelle Verstärkung.

Behörden Spiegel: Welche Perspektive sehen Sie für das Amt in den nächsten zehn Jahren?

Keller-Engels: Das ist weit in die Zukunft gedacht. Ich gehe davon aus, dass wir weitere vielfältige Aufgaben aus den unterschiedlichsten Bereichen bekommen werden.

Dafür brauchen wir natürlich auch das erforderliche Personal. Wir wollen so modern und leistungsstark aufgestellt sein, dass wir mit dem Schwerpunkt auf Digitalisierung unsere Aufgaben bewältigen

Die Bürgernähe wird in jedem Fall in unserem Fokus stehen.

können. Eine besondere Rolle wird die Service-Orientierung für die Bürgerinnen und Bürger spielen: Leistungen kommen möglichst digital und zügig zu ihnen. Der ursprüngliche Gedanke hinter der Gründung des BfJ war es ja, als Kompetenzzentrum für Verwaltungsaufgaben der Bundesjustiz zum einen sehr transparent, aber auch sehr bürgernah zu agieren.

Diese Bürgernähe, welche sich in einem schnellen und digitalen Bürgerservice ausdrückt, wird in jedem Fall in unserem Fokus stehen.

Berlin und Bonn / Oktober 2022
Veronika Keller-Engels ist seit Anfang 2021 die Präsidentin des Bundesamts für Justiz. Foto: BS/Lorenz
SONDERBEILAGE
Foto: BS/Alexander Limbach, stock.adobe.com

Was verbirgt sich hinter dem Bundeszentralre gister? Kurz gesagt: Es ist das zentrale deutsche Strafre gister. Seine wichtigste Aufgabe besteht darin, nach klar definierten Regeln Strafurteile zu registrieren, für eine bestimmte Zeit im Bestand zu halten und Auskünfte darü ber zu erteilen. Geführt wird das Register in einer elektronischen Datenbank. Eingang in das Regis ter finden, neben rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen, unter anderem auch bestimmte Entscheidungen von Verwaltungs behörden und Gerichten, deren zentrale Registrierung mit Blick auf die Strafrechtspflege oder aus Gründen der Gefahrenabwehr von besonderer Bedeutung ist. Hierun ter fallen zum Beispiel Vorgänge, in denen einer Person der Besitz und Erwerb von Waffen und Mu nition oder die Ausübung eines bes ti mmten Berufs behördlich untersagt worden ist.

Das Führungszeugnis

Die Informationen über Eintra gungen im Bundeszentralregister werden vornehmlich in Form von Fü hrungszeugnissen und soge nannten unbeschränkten Auskünf ten erteilt. Die Auskunftsberechti gung ist dabei grundsätzlich auf die betroffene Person selbst sowie bestimmte Behörden für jeweils vorgegebene Zwecke beschränkt. Darüber hinaus dürfen Informati onen aus den Registern nicht an Dritte erteilt werden. Die meisten Einträge im Bundeszentralregister werden nach Ablauf einer vom Gesetz konkret vorgegebenen Frist nicht mehr in Führungszeugnisse aufgenommen und nach Ablauf einer weiteren Frist aus dem Re gister entfernt. Grundlegend für dieses Vorgehen ist der Gedanke der Resozialisierung. Verurteilten Personen soll so die Chance gege ben werden, wieder im normalen Leben F uß z u fassen und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Dauer der Frist hängt insbesondere von der Art und Höhe der Strafe ab. Wird eine Person, die einen Eintrag im Bundeszentralregister hat, erneut straffällig, so bleibt grundsätzlich auch die alte Ein tragung dementsprechend länger im Register gespeichert.

Zum Bundeszentralregister zählt auch das Erziehungsregister. Dort werden überwiegend Entscheidun gen nach dem Jugendgerichtsge

Das (Straf-)Gedächtnis

BfJ verantwortet das Bundeszentralregister

(BS/Guido Gehrt) Zu den Aufgaben der ersten Stunde zählt beim Bundesamt für Justiz (BfJ) die Führung des Bundeszentralregisters – seitdem und bis heute eine der Kernaufgaben der Behörde. Auf der Grundlage der Vorgaben des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) ist innerhalb des BfJ die Abteilung “Zentrale Register” für dessen Führung verantwortlich. Neben dem Bundeszentralregister werden hier auch weitere Register geführt, u. a. das Gewerbezentralregister und das zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister. Das Kernstück der Abteilung – und in der Betreuung mit Abstand am aufwendigsten – ist jedoch das Bundeszentralregister.

setz eingetragen, die Verfehlungen Jugendlicher zum Gegenstand ha ben. Obwohl auch das Erziehungs register unter das Bundeszentralregistergesetz fällt, gelten für Eintragungen in diesem spezielle Regelungen. So sind Auskünfte aus dem Erziehungsregister etwa nur in sehr begrenztem Maße vorge sehen. Insbesondere Strafgerichte und Staatsanwaltschaften, Fami liengerichte, Jugendämter sowie Waffenbehörden erhalten hieraus Auskünfte. Sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat, werden die Eintragungen aus dem Erziehungsregister entfernt. Immenser Datenbestand Aktuell sind im Bundeszentralre gister rund 15,3 Millionen Entschei dungen zu etwa 4,1 Mio. Personen gespeichert. An jedem Arbeitstag werden durch das BfJ aus dem Bundeszentralregister über 61.000 Auskünfte erteilt, davon mehr als 17.000 Führungszeugnisse. Über 50.000 dieser Auskünfte werden voll automatisiert erteilt. Das Bun deszentralregister ist ein technisch hochkomplexes System, für dessen reibungslosen Ablauf eine stetige Wartung, Pflege und Modernisie rung notwendig ist. Zudem wurde es in den vergangenen 15 Jahren, in denen es beim BfJ geführt wird, sukzessive um zahlreiche zusätzli che Komponenten erweitert. Sukzessive Erweiterung

So wurde 2009 zur Verbesserung der Prävention von Straftaten an Kindern und Jugendlichen das erweiterte Führungszeugnis ein geführt. Dieses wird erteilt, so fern es für eine berufliche oder ehrenamtliche Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbil dung Minderjähriger oder eine ver gleichbare Tätigkeit benötigt wird.

Der Unterschied zum regulären Führungszeugnis: Bestimmte Ver urteilungen wegen Sexualdelikten und Verurteilungen nach weiteren für den Schutz von Kindern und Ju

Akt der Solidarität

Im Februar 2019 erhielt das Führungszeugnis ein neues Aussehen. Es ist seitdem übersichtlicher und internationaler. So ist auf den ersten Blick erkennbar, ob eine Eintragung vorliegt. Foto: BS/BfJ

gendlichen besonders relevanten Straftatbeständen finden hierin auch dann Eingang, wenn sie nicht (mehr) in ein normales Führungs zeugnis aufzunehmen sind.

Im April 2012 wurde zur Verbesse rung des Informationsaustauschs zwischen den Strafregistern der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union das Europäische Strafregis terinformationssystem ECRIS (Eu ropean Criminal Register Informa tion System) eingeführt, das einen m edienbruchfrei elektronischen Informationsaustausch zwischen den angebundenen Strafregistern der Mitgliedsstaaten der Europä ischen Union und des Vereinigten Königreichs ermöglicht. Über EC

RIS werden zum einen Strafnach richten versandt: Wird in Deutsch land eine Person verurteilt, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaats der EU besitzt, wird diesem Herkunftsmitgliedsstaat die Verurteilung mitgeteilt. Umge kehrt werden auch Verurteilungen deutscher Staatsangehöriger im EU Ausland dem Bundeszentralregister gemeldet und darin ge speicher t. Das Strafregister des Herkunftsstaates eines Staatsange hörigen eines EU-Mitgliedsstaates ist dadurch zentraler Anlaufpunkt für die gesamte EU. Hier sollen alle Informationen zu strafrechtlichen Verurteilungen einer Person aus allen Mitgliedsstaaten gesammelt

werden und abrufbar sein. Zum an deren erfolgt über ECRIS auch der Informationsaustausch aufgrund von Auskunftsersuchen. Sobald ei ne deutsche Behörde eine Auskunft aus dem Strafregister eines anderen Mitgliedsstaates beantragt, wird dieses Ersuchen über ECRIS elek tronisch an die Zentralbehörde des jeweiligen Mitgliedsstaates weitergeleitet. Diese übermittelt die Auskunft dann elektronisch an das BfJ.

Gleichzeitig mit ECRIS wurde als weiterer Beitrag zur Verbes serung des Strafregisterinforma tionsaustauschs in Deutschland das Europäische Führungszeugnis eingeführt. Ein solches erhalten Personen verpflichtend, die – ne ben oder anstatt der deutschen –die Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer anderer Mitgliedsstaaten der Europäischen Union besitzen. Das Europäische Führungszeug nis enthält neben dem deutschen Führungszeugnis die Mitteilung über Eintragungen im Strafregister des Herkunftsmitgliedsstaates in der übermittelten Sprache, sofern der Herkunftsmitgliedsstaat eine Übermittlung nach seinem Recht vorsieht.

Beantragung online in wenigen Minuten möglich

Anfang September 2014 wurde das Online Portal des Bundesamts für Justiz in Betrieb genommen.

Bürgerinnen und Bürger haben hierüber die Möglichkeit, das Füh rungszeugnis in wenigen Minuten online zu beantragen. Die Iden tifizierung erfolgt z. B. mit dem elektronischen Personalausweis.

Durch die Einrichtung eines Benut zerkontos bei der Antragstellung können die antragstellenden Per sonen zudem mit dem BfJ kommu nizieren, um mögliche Fragestel lungen unmittelbar zu klären. Der Versand des Führungszeugnisses erfolgt per Post. Die Nutzung des Online Portals ist seit der Einfüh rung kontinuierlich gestiegen und

hat während der Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass die Vorlage eines Führungszeugnisses trotz Lockdowns und Kontaktbeschrän kungen auch kurzfristig möglich blieb.

Zukünftige Weiterentwicklung

Zukünftig stehen bereits zahlrei che Erweiterungen des Registers an. Neben fachl i chen Änderun gen sorgen Digitalisierung und technol ogi scher Fortschritt da für, dass auch in den kommenden Jahren durchgehend Projekte im Zu sammenhang mit dem Bun deszentralregister umzusetzen s ein werden. S o wird die Bean tragung von Führungszeugnissen für bestimmte Zwecke im Zuge der Umsetzung des Onlinezugangsge setzes in ausgewählten Bereichen zukünftig in einem gemeinsamen Portalverbund von Bund, Ländern und Gemeinden angeboten wer den. Auch die Digitalisierung des Führungszeugnis ses selbst, das heißt die Beauskunftung als Datei anstelle der bislang bekannten grünen Urkunde, ist ein weiteres Projekt zur fortwährenden Digi talisierung des Registerbetriebs. Das bereits laufende Projekt EC RIS TCN (Third Country Nationals) ergänzt den über ECRIS durchge führten Austausch zwischen den europäischen Strafregistern im Hin blick auf Strafregisterinformationen über verurteilte Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mit gliedsstaates der EU haben und sol chen, die neben einer Staatsange hörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates auch die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besitzen. Zudem soll das Bundeszentralregister mittel fristig auf eine vollständig neue technische Grundlage gestellt wer den. Dadurch soll dessen Zukunfts fähigkeit gewährleistet werden, um die vielfältigen Aufgaben für Bürgerinnen, Bürger und (Justiz ) Behörden auch zukünftig bestmög lich erfüllen zu können.

Härteleistungen für Opfer terroristischer und extremistischer Taten

(BS/Guido Gehrt) Jedes Jahr fordern terroristische und extremistische Taten zahlreiche Opfer und hinterlassen trauma tisierte Angehörige. Um diese finanziell zu unterstützen, werden jährlich vom Deutschen Bundestag Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt. Die Betroffenen können beim Bundesamt für Justiz (BfJ) Anträge auf Bewilligung von sogenannten Härteleistungen stellen.

Grundlage der Bewilligung sind verschiedene Richtlinien. Be reits 2001 trat die Richtlinie zur Zahlung von Härteleistungen für Opfer rechtsextremistischer Über griffe in Kraft. Ein wesentlicher Grund für den Erlass der Richtlinie waren vorangegangene Brandanschläge auf Unterkünfte von Migrantinnen und Migranten und der Anstieg wei terer rechtsextremistischer Strafta ten. 2010 wurden die Härteleistun gen auf Opfer aller extremistischen Übergriffe ausgeweitet. Bereits seit 2002 können zudem auch Opfer terroristischer Straftaten Härteleis tungen erhalten. Seit August 2021 sind die bisherigen Regelungen in der Richtlinie zur Zahlung von Här teleistungen für Opfer terroristischer und extremistischer Taten zusam mengefasst. Mit der neuen Richtlinie soll vor allem eine größere Transpa renz für die Betroffenen geschaffen werden, da die Voraussetzungen für die Bewilligung und der Umfang der

in Betracht kommenden Härteleis tungen klarer dargelegt werden als in den alten Richtlinien.

Härteleistungen sind dabei nicht etwa als Entschädigungen zu ver stehen. Vielmehr handelt es sich um freiwillige Leistungen, die als Akt der Solidarität des Staates sowie seiner Bürgerinnen und Bürger mit den Opfern und Hinterbliebenen gedacht sind.

Möglichst schnell und unbürokratisch helfen

Das BfJ ist hier nicht nur die Stelle, bei der Menschen Härteleistungen beantragen. Nicht selten sind Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter des BfJ bereits unmittelbar nach der Tat vor Ort – etwa bei der rechtsextre mistischen Tat von Hanau mit neun Todesopfern – und informieren die Betroffenen über Unterstützungs möglichkeiten. “Möglichst schnelle und unbürokratische Hilfe für Opfer und Hinterbliebene”, lautet das

Credo. Hinterbliebene, die ihre Ehe gattin oder Ehegatten, ein Elternteil oder ein Kind verloren haben, er halten daher in der Regel sehr rasch nach Antragstellung eine Pauschale

von 30.000 Euro, Hinterbliebene, die ein Geschwisterteil verloren haben, eine Pauschale von 15.000 Euro. Ggf. kann noch eine Pauschale zur Abmilderung eines Unterhalts

verlustes hinzukommen, deren Hö he bei Kindern von ihrem Alter bei Tötung des Elternteils abhängt. Um den bei Großschadensereignissen körperlich und seelisch Verletzten möglichst schnell Unterstützung zukommen zu lassen, erhalten diese zunächst eine pauschale Sofort hilfe. Anschließend wird in einem zweiten, ggf. dritten Schritt – unter Berücksichtigung der konkreten Verletzungen und deren Folgen –eine weitergehende Härteleistung bewilligt. Bei sehr schwer verletzten Personen kann oft erst nach einem längeren Zeitraum abschließend

über die Härteleistung entschieden werden, weil erst dann zumindest eine Prognose über die dauerhaften Auswirkungen der Verletzungen möglich ist.

Soweit möglich, fordert das BfJ die gezahlten Gelder auch von den Tätern zurück, klagt sie ggf. ein und vollstreckt das erstrittene Urteil. Ein Blick auf die Fallzahlen im Be reich Terrorismus: Während im Jahr 2015 nur 15 Hinterbliebene und Verletzte Anträge auf Härteleistun gen stellten, waren es im Jahr 2016 bereits 108. Ein Höchststand wurde 2017 mit 224 Anträgen verzeichnet. Zwischen den Jahren 2015 und 2021 stellten insgesamt 517 Betroffene einen Antrag auf Bewilligung ei ner Härteleistung als Opfer einer terroristischen Tat. Dabei bezogen sich die Anträge auf mehr als 20 ver schiedene terroristische Anschläge im In und Ausland; darunter waren der Anschlag in Istanbul vor der Blauen Moschee im Januar 2016, die Anschläge auf den Flughafen und die U-Bahn in Brüssel im März 2016, der Anschlag auf dem Breit scheidplatz in Berlin im Dezember 2016 und der Anschlag in Barce lona im August 2017. Insgesamt wurden zwischen 2015 und 2021 Härteleistungen in Höhe von 10,5 Mio. Euro an die Hinterbliebenen und Verletzten von terroristischen Anschlägen gezahlt.

15 Jahre Bundesamt für Justiz
Seit über 20 Jahren stellt der Deutsche Bundestag Opfern extremistischer Übergriffe
eine
Härteleistung
zur
Verfügung. Zuständig für deren Bewilligung
ist das BfJ in Bonn mit Hauptsitz am Rhein. Foto: BS/BfJ
Behörden Spiegel / Oktober 2022

Im Dienste der Demokratie

Die Schriftleitung des Bundesgesetzblatts

Gehrt)

Das Bundesgesetzblatt ist ex akt so alt wie die Bundesre publik Deutschland. Seine Geschichte beginnt mit der ersten Verkündung eines Gesetzes am 23. Mai 1949. Dabei handelte es sich um nichts Geringeres als unsere Verfas sung, das Grundgesetz. Seitdem wur den mehrere tausend Ausgaben des Bundesgesetzblatts herausgegeben. Herausgeber des Bundesgesetzblatts ist das Bundesministerium der Justiz (BMJ). Da dem BfJ als nachgeord neter Behörde im Geschäftsbereich des BMJ die Schriftleitung des Bun desgesetzblatts obliegt, ist das BfJ für die Koordination des Prozesses der Gesetzesverkündung zuständig – bis zur tatsächlichen Verkündung. Frühestens zu diesem Zeitpunkt kann ein Gesetz tatsächlich rechtliche Wir kungen entfalten – somit kommt dem BfJ eine Schlüsselfunktion in der Rechtsetzung auf Bundesebene zu.

Mit der Urschrift fängt es an Bevor ein Bundesgesetz durch den Bundespräsidenten unterzeichnet bzw. ausgefertigt wird, muss es von der zuständigen Ministerin oder dem Minister sowie durch den Bundeskanzler gegengezeichnet werden. Diese amtliche Urschrift wird umgangssprachlich auch Bütte genannt, denn sie wird auf einem eigens dafür hergestellten Bütten papier gedruckt, das sich durch eine besondere Qualität und lan ge Haltbarkeit auszeichnet. Diese Urschrift wird in Bonn vorberei tet. Dazu erteilt das federführende Bundesministerium einen Auftrag an die Schriftleitung des Bundes gesetzblatts und sendet die finale,

ir sind eine Kontaktund Kommunikati onsstelle”, erklärt Stefan Schlauß, Leiter der Abteilung für Internationales Zivilrecht im BfJ. Als zentrale Behörde” und Kontakt stelle bei der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenarbeit unter stützt das Amt sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Gerichte und Behörden. Um diese Zusammen arbeit zu stärken, wurden interna tional Zentrale Behörden ins Leben gerufen, sodass ein international verknüpftes System entstand. In der EU ist diese Arbeit nochmals vertieft.

Einen Rahmen für die europäische justizielle Zusammenarbeit bildet das Europäische Justizielle Netz” (EJN) in Zivil- und Handelssachen.

Das Netzwerk, welches 2002 ent stand, hat die Aufgabe, Gerichte unbürokratisch bei grenzübergrei fenden Verfahren zu unterstützen. Das BfJ bildet in diesem System ein Bindeglied.

Doch dies war nicht immer so. Bevor das BfJ gegründet und mit den Aufgaben der internationalen Zusammenarbeit betraut wurde, lag die Verantwortung dafür im Wesent lichen beim Generalbundesanwalt.

“Dort passten diese Aufgaben natür lich inhaltlich nicht ganz hin”, sagt Schlauß. Seit der Gründung 2007 übernimmt das Amt nun die Rolle als Anlaufstelle für den internationalen Rechtshilfeverkehr.

Vielfältige Aufgaben

Als internationale Anlaufstelle ist das BfJ besonders für das interna tionale Familienrecht wichtig. Zah lenmäßig besonders bedeutend ist die Zentrale Behörde bei der Unter stützung der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. “Derzeit sind über 10.000 Fälle von grenzüber schreitenden Unterhaltsvorgängen in Bearbeitung – von über 14.000

im Bundestag verabschiedete Fas sung des Gesetzestextes an das BfJ. Dieser wird dort durch die beiden Schriftleiter und deren Team geprüft.

Die Fachleute sind speziell darauf geschult, letzte redaktionelle Feh ler – beispielsweise Zahlendreher, Rechtschreib- oder Grammatikfehler oder fehlerhafte Zitierungen von Ge setzen zu entdecken. Allerdings darf die Schriftleitung im BfJ Änderungen am vom Bundestag beschlossenen Inhalt nicht eigenmächtig vorneh men. Daher erörtert der zuständige

Schriftleiter mit dem jeweiligen Mi nisterium, ob und welche Änderun gen am Text vorgenommen werden können und das Ministerium erteilt letztendlich in eigener Verantwor tung die Druckfreigabe.

Im nächsten Schritt geht die Ur schrift beim Bundesanzeiger Verlag in Köln in Druck und kehrt anschlie ßend zur abschließenden Prüfung nochmals zum BfJ nach Bonn zurück.

Dann geht die fertige Urschrift an die Bundesregierung zur Unter schrift, bevor diese, versehen mit

Siegel und schwarz-rot-goldener Schnur, dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung vorgelegt wird. Mit allen Unterschriften wird diese nun – mitsamt dem formalen Auftrag zur Verkündung im Bundesgesetz blatt – wieder zur Schriftleitung nach Bonn gesandt.

Von der Bütte zur Verkündung

Die Entscheidung, welche Gesetze zu einer Ausgabe des Bundesge setzblatts zusammengefasst wer

den, liegt bei der Schriftleitung im BfJ, die auch in Abstimmung mit dem Bundesanzeiger Verlag den Ausgabetag festlegt. Die Urschrift geht zur Aufbewahrung an das Bundesarchiv in Koblenz. Beim Bundesgesetzblatt werden die bei den eigenständigen Reihen Teil I und Teil II unterschieden. In einer Ausgabe des Bundesgesetzblat tes Teil I werden zumeist mehrere Bundesgesetze verkündet. Hinzu kommen noch Verordnungen des Bundes und gelegentlich Entschei dungen des Bundesverfassungs gerichtes und andere amtliche Bekanntmachungen.

Teil II enthält insbesondere Gesetze, Verord nungen und Bekanntmachungen zu völker r echtlichen Verträgen, welche die Bundesrepublik mit anderen Staaten geschlossen hat.

Der Erscheinungszyklus der Aus gaben des Bundesgesetzblattes is t unregelm äßig und folgt der durch den Gesetzgeber geschaf fenen Auftragslage. Diese unterliegt über das Jahr deutlichen saisona len Schwankungen. Während die parlamentarische Sommerpause zu den Zeiten mit wenig gesetz geberischen Aktivitäten zählt, gehören die Zeit vor dieser und insbesondere die letzten beiden Monate des Jahres zu den Stoßzei ten, denn viele Gesetze sollen zum 1. Januar des Folgejahres in Kraft treten. Dies erfordert jedoch, dass deren Verkündung noch im alten Jahr erfolgt. Das parlamentarische ″Dezemberfieber“ hat somit auch Auswirkungen auf die Arbeitsbe lastung von den Schriftleitern und deren Team.

Abonnenten des Bundesgesetz blatts sind insbesondere Gerichte, Rechtsanwälte, Notare, Behörden und Bibliotheken, die ihre Exem plare per Post erhalten. Dies ist ent scheidend für den grundgesetzlich verankerten Akt der Verkündung. Denn in dem Moment, in dem die ers ten Exemplare zum Versand bei der Post aufgegeben werden,

Von Anfang an grenzüberschreitendes Bindeglied

Die Rolle des BfJ im internationalen Zivilrechtsverkehr (BS/Bennet Klawon) Internationales Familienrecht, internationales Sorgerecht und Adoptionsverfahren – diese Aufgaben ge hörten zu den ersten des Bundesamtes für Justiz (BfJ) seit seiner Gründung vor 15 Jahren. Damit leistet die Behörde – als zentrale Anlaufstelle und Ansprechpartner – eine wichtige Aufgabe im internationalen Zivilrechtsverkehr.

antragstellenden Personen”, berich tet der Abteilungsleiter. In über 130 Staaten werden Ansprüche geltend gemacht. “Wenn jemand alleine ver sucht, im Ausland Ansprüche gel tend zu machen, kann das nicht nur sprachlich, sondern auch rechtlich schwierig werden”, erläutert Schlauß. Konkret unterstützt das BfJ private Antragsteller, also in Deutschland lebende unterhaltsberechtigte Kinder und Alleinerziehende, und öffentliche Stellen, wie Jugendämter, bei der Geltendmachung von Unterhaltsan sprüchen gegen im Ausland lebende Elternteile. Dabei berät und unter stützt das BfJ die antragstellende Seite bei der Kommunikation mit den zuständigen Stellen. Aber auch umgekehrt unter stützt das Bundesamt, wenn ein Antragsteller aus dem Ausland Unterhaltsansprüche gegen einen in Deutschland lebenden Elternteil hat. In diesem Fall hat das Bundes amt weitergehende Befugnisse. Tritt es im Ausland nur als Unterstützer für den Antragsteller auf, ist es in Deutschland befugt, den Antrag steller anwaltsähnlich gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. 400 bis 500 Kindes entführungsfälle pro Jahr

Eine weitere Aufgabe, die das BfJ übernimmt, ist im Bereich des in ternationalen Sorgerechts. Gerade in Fällen der internationalen Kin

desentführung ist das Bundesamt beteiligt. “Bei diesen Fällen unter stützen wir umfassend als Zentrale Behörde”, sagt Schlauß. Und diese Fälle kommen nicht so selten vor, wie man denken könnte. Das BfJ ist pro Jahr in ungefähr 400 bis 500 Fällen von internationaler Kindes entführung involviert. Rechtliche Grundlagen bilden dafür das Haager Kindesentführungsübereinkommen sowie die sog. Brüssel-IIb-Verord nung, welche seit Anfang August dieses Jahres die Vorgängernorm in den EU-Mitgliedsstaaten ersetzt. An dem Haager Übereinkommen sind rund 100 Staaten beteiligt. Wenn ein Kind in einen anderen Vertragsstaat des Übereinkommens entführt wird, kann der zurückge lassene Elternteil mit einem Antrag an das BfJ herantreten, damit die Behörde ihn bei der Rückführung des Kindes unterstützt. Das BfJ leitet den Antrag sodann an die ausländi sche Partnerbehörde weiter. Mit der neuen EU-Verordnung wurde eine Fünf-Tages-Frist für eine Erstbearbei tung durch die Zentrale Behörde im ersuchten Mitgliedsstaat eingeführt. Darauf sei man aber beim BfJ schon eingestellt, so der Abteilungsleiter. Zudem können die Zentralen Behör den wie das BfJ in die gerichtlichen Rückführungsverfahren durch die Ge richte miteinbezogen werden. Dies umfasst u. a. die Aufenthaltsermitt lung des Kindes und die Förderung

einer gütlichen Einigung zwischen den Elternteilen. Es wird aber auch dann miteinbezogen, wenn Schutz maßnahmen ergriffen werden müssen. Neu ist ebenso, dass das BfJ auch in solche inländische Rückführungs verfahren involviert werden kann, in denen es mangels Beauftragung durch den zurückgelassenen Elternteil nicht eingebunden war. Kindeswohl im Vordergrund Sehr sensibel sind auch internatio nale Adoptionsverfahren. Hier ist die Bundesrepublik seit 2002 Vertrags staat des Haager Adoptionsüberein kommens. Da eine internationale Adoption für das Kind eine starke Veränderung bedeutet und einen Wechsel in ein fremdes kulturelles und geografisches Umfeld heißt, ist so ein Vorgang nicht einfach. Das Ziel des Haager Übereinkommens ist es deshalb, das Kindeswohl zu schützen. Um Kinderhandel zu ver hindern und ein sicheres Verfahren zu gewährleisten, sieht das Über einkommen eine Zusammenarbeit der zuständigen Behörden vor. Auf Bundesebene übernimmt hierbei das BfJ die Rolle der Zentralen Behörde. “Wir vermitteln keine internatio nalen Adoptionen”, stellt Schlauß klar. Vielmehr hilft das BfJ bei der Kommunikation und ist bei der Anerkennung von ausländischen Adoptionsentscheidungen vor den Familiengerichten beteiligt. “Wir

prüfen die Unterlagen, ob die aus ländische Adoption mit den wesent lichen deutschen Grundstandards vereinbar ist”, erklärt er. Es wird insbesondere geprüft, ob das Kin deswohl in irgendeiner Art verletzt wurde. Z. B. wird grundsätzlich keine Adoption in Deutschland anerkannt, wenn keine Adoptionsvermittlungs stelle beteiligt war, die das Adopti onsbedürfnis und die Eignung der Eltern überprüft hat. Grundlage bildet dabei das Gesetz zur Ver besserung der Hilfen für Familien bei Adoption (Adoptionshilfe-Gesetz), welches die Anerkennung von im Ausland erfolgten Adoptionsent scheidungen mit neuen Regelungen verschärft hat. Zudem hat das BfJ in diesem Zuge das Recht erhalten, Beschwerde einzulegen, wenn es Bedenken bzgl. der Adoption hat.

Aber die Zahl der zu bearbeiten den Fälle ist seit Jahren rückläufig. Waren es vor ein paar Jahren noch beträchtliche Zahlen von rund 1.000 Vorgängen jährlich, sinkt die Zahl kontinuierlich. Entsprechend seien internationale Adoptionen auch nicht mehr so in den Medien präsent.

Dies habe mehrere Gründe, vermutet Schlauß. Zum einen hätten sich die Anforderungen an Auslandsadop tionen durch das Übereinkommen selbst mit Blick auf das zu beachten de Kindeswohl erhöht. Zum anderen erlaubten einige Staaten aus politi schen Gründen keine internationalen

gelten die darin abgedruckten Ge setze und Verordnungen offiziell als verkündet.

E-Verkündung soll 2023 kommen

Dieses analoge Verfahren der Ver kündung soll ab dem kommenden J a hr im Zuge der Digitalisierung abgelöst werden. Die Verkündung soll zukünftig auf einer digitalen Verkündungsplattform des Bundes durch das BfJ vorgenommen werden.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann hat den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Ver kündungs- und Bekanntmachungs wesens eingebracht, der Mitte Sep tember in erster Lesung im Deutschen Bundestag diskutiert wurde. ″Ab dem kommenden Jahr sollen Gesetze und Verordnungen des Bundes elektro nisch im Internet verkündet werden statt wie bisher in Papierform “, so Minister Dr. Buschmann im Parlament.

Die Verkündung solle künftig auf einer eigenen Plattform durch das Bundesamt für Justiz vorgenommen werden. Das beschleunige die Ver kündung, sei vor allem nachhaltig und passe schon deshalb absolut in die Zeit. Ein jährlicher Papierberg von 2,5 Kilometern Höhe falle weg, so Dr. Buschmann weiter.

Das elektronisch ausgegebene Bun desgesetzblatt soll unentgeltlich und barrierefrei zur Verfügung gestellt und ohne Einschränkungen gespeichert, ausgedruckt und weiterverwendet werden können. Das wird für spürbar größere Transparenz für diejenigen sorgen, die sich beruflich mit Recht und Gesetz beschäftigen, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger“, so der Minister im Deutschen Bundes tag. Das Bundesgesetzblatt bzw. die Verkündung von Bundesgesetzen wird somit zukünftig, nach fast 74 Jahren, im Format grundlegend ver ändert und vom Physischen ins Digi tale transformiert. Die zentrale Rolle des BfJ im Verkündungsprozess wird jedoch auch im zukünftigen Prozess weiterhin bestehen bleiben.

Adoptionen mehr. Zudem habe es medizinische Fortschritte u. a. in der Reproduktionsmedizin gegeben. Aufgabenportfolio verändert sich stetig

Das BfJ hat im internationalen Rechtsverkehr noch nicht das En de seiner Entwicklung erreicht. “Es gibt aktuell ei ne Vertiefung der bestehenden Rechtsinstrumente”, erläutert Schlauß. So hat die neue Brüssel-IIb-Verordnung die grenz überschreitende Kommunikation noch stärker als in der Vergangenheit über die Zentralen Behörden kanalisiert. Neu ist, dass das BfJ mit Wirkung zum 1. Juli dieses Jahres auch als Zentral stelle auf Bundesebene für den Bereich der grenzüberschreitenden Zustellung und Beweisaufnahme ernannt worden ist. Damit wird die Stellung des BfJ bei der Lösung von Schwierigkeiten im internationalen Zivilrechtshilfeverkehr gesetzlich verankert.

Aktuell überprüft die EU-Kommis sion den Bereich des internationalen Erwachsenenschutzes, um den An forderungen infolge des demogra fischen Wandels auch im internatio nalen Betreuungsrecht Rechnung zu tragen. Mit einer möglichen Regelung zum Haager Erwachsenenschutzüber einkommen hat die EU-Kommission die Absicht, die Zusammenarbeit und Anerkennung bei grenzüberschrei tenden Betreuungsfällen weiter zu verbessern. Eine ähnliche Entwicklung ist im internationalen Urkundenver kehr bereits erfolgt. Während es in der Vergangenheit im grenzüber schreitenden Urkundenverkehr einer Apostille, einer besonderen Bestäti gung der Echtheit, bedurfte, können nun innerhalb der EU bes tim mte Urkunden formlos eingereicht wer den. Sollte es dennoch Nachfragen oder Zweifel bzgl. der Echtheit geben, können die Zentralen Behörden bei der Überprüfung Hilfestellung leisten.

(BS/Guido
Das Bundesgesetzblatt spielt bei der Ausfertigung und Verkündung von Gesetzen des Bundes
eine
zentrale und grundgesetzlich in Artikel 82 GG verankerte Rolle. Was dort nicht steht, sondern aus der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien hervorgeht: Das Bundesamt für Justiz (BfJ) ist als mit der Schriftleitung des Bundesgesetzblattes
beauf
tragte Behörde Dreh- und Angelpunkt dieses komplexen Verfahrens. Behörden Spiegel / Oktober 2022 15 Jahre Bundesamt für Justiz
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So alt wie die Bundesrepublik Deutschland: Die erste Ausgabe des Bundesgesetzblattes vom 23. Mai 1949 Foto: BS/BfJ

B

ehörden Spiegel: Herr Reska, der Produktivbetrieb der “EAkte Bund” ist im BfJ Anfang 2019 gestartet. Wie ist der aktuelle Stand des Rollouts?

Reska: Wir haben die E-Akte Bund zunächst im Beschaffungs prozess unserer IT-Abteilung pi lotiert. Neben der Aktenablage haben wir dabei auch die elekt ronische Vorgangsbearbeitung erprobt. Seither werden sämtliche IT-Beschaffungen medienbruchfrei über alle Instanzen, d. h. inklusive der Schlusszeichnung durch unsere Präsidentin Frau Keller-Engels, in der E-Akte bearbeitet. Der Rollout der E-Akte im ganzen BfJ erfolgt sukzessive. Wir beschränken uns bei der Einführung der E-Akte aber nicht auf die reine Umstellung auf eine elektronische Aktenablage und Aktenbearbeitung. Wir sind Pilot behörde bei der Einführung und Beschaffung der E-Akte. Sowohl die Vorgangsbearbeitung als auch die Aktenablage sind davon erfasst und erfolgen elektronisch. Bis hin zur Schlusszeichnung durch unsere Präsidentin werden die Vorgänge durch alle Instanzen hindurch elek tronisch bearbeitet.

Behörden Spiegel: Werden auch die Massenverfahren über OnlineVerfahren in der E-Akte bearbeitet? Reska: In einem weiteren Schritt haben wir eine Schnittstelle zwi schen einer weiteren BundesKomponente, dem Formular-Ma nagement-System (FMS), und der E-Akte entwickeln lassen, über die Informationen aus Online-Formu laren in die E-Akte übernommen werden können. Diese Schnittstelle haben wir in unserer Schlichtungs stelle Luftverkehr eingeführt. Infor mationen aus dem Online-Formular können dabei auch direkt in Do kumentvorlagen für Schreiben an Bürgerinnen und Bürger eingespielt werden. Das erleichtert die Bearbei tung erheblich. Die Pandemie-Zeit

Mehr Flexibilität und Transparenz

Das Bundesamt für Justiz führt schrittweise die E-Akte ein

(BS) Anfang des Jahres 2019 startete im Bundesamt für Justiz (BfJ) die schrittweise Einführung der elektronischen Akte, kurz E-Akte. Zielsetzung des Pro jektes: Bis zum Jahr 2027 soll die E-Akte Bund in allen Bereichen des Hauses eingesetzt werden und in die Verwaltungsprozesse integriert sein. Über den aktuellen Stand des Projektes, gesammelte Erfahrungen und die konkreten Potenziale der E-Akte für Prozesse im BfJ, sprach Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt im Interview mit Martin Reska, Leiter des Referats “Digitalisierung; Elektronische Verwaltungsarbeit”, und Barbara Bailly, Referentin in der Schlichtungsstelle Luftverkehr.

haben wir dann dazu genutzt, ein ELearning-Angebot aufzubauen und die E Akte in unser Standardpaket für die elektronische Verwaltungs arbeit einzubetten wir nennen es EVA-Basispaket. Dabei wird die E-Akte um die Digitalisierung des Posteingangs und einen zentra len Postversand ergänzt. Dadurch ermöglicht das System eine voll ständige, medienbruchfreie Bear beitung, auch beim ortsflexiblen Arbeiten im Homeoffice. Insgesamt arbeiten im BfJ derzeit gut 200 Be schäftigte aktiv mit der E-Akte Bund und es werden laufend mehr.

Behörden Spiegel: Welches Feed back bekommen Sie bislang von den Kolleginnen und Kollegen?

Reska: Die Resonanz der Beschäf tigten, die uns erreicht, fällt über wiegend sehr positiv aus. Sind die anfänglichen Berührungsängste mit der neuen Arbeitsweise erst einmal überwunden, werden insbesondere der ortsunabhängige Zugriff und die deutlich erhöhte Transparenz der Vorgangsbearbeitung von den Kolleginnen und Kollegen positiv herausgestellt. So können Vorgänge und deren Bearbeitungsstand jeder zeit eingesehen werden, auch wenn sie gerade im Umlauf sind.

Behörden Spiegel: Welches Po tenzial bietet die Einführung der E-Akte für die Prozesse des BfJ? Reska: Die E-Akte ermöglicht es uns, viele Prozesse ganz neu zu denken und effektiver zu ge

stalten: Über die schon genannte Sc h nittstelle zum FMS können Verfahren, in denen Anträge von Bürgerinnen und Bürgern gestellt werden, online umgesetzt werden und die Anträge direkt in die EAkte übernommen werden. Vor gänge können nicht nur sequenzi ell, sondern vielfach auch parallel bearbeitet werden und die bishe rigen Transport- und Liegezeiten entfallen, was die Durchlaufzeiten der Vorgänge nochmals deutlich reduziert.

Behörden Spiegel: Frau Bailly, wie ist der derzeitige Stand der E-AkteEinführung in die Schlichtungsstelle Luftverkehr?

Bailly: Die Einführung der EAkte in die Schlichtungsstelle Luftverkehr ist abgeschlossen. Der erste Rollout der E-Akte für die eigentlichen Schlichtungsver fahren erfolgte im Oktober 2020. Zeitgleich wurde das FMS-Antrags formular online gestellt. Seit der Anbindung des Haushaltsreferats an die E-Akte im Dezember 2021 bearbeitet die Schlichtungsstelle auch die Gebührenerhebung und Zahlungsüberwachung in der EAkte. Im letzten Schritt werden seit Januar 2022 auch alle allge meinen Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern mithilfe der E-Akte beantwortet.

Behörden Spiegel: Inwieweit hat die E-Akte die Arbeit der Schlich tungsstelle nachhaltig verändert?

Die E-Akte ermöglicht es uns, viele Prozesse ganz neu zu denken und effektiver zu gestalten.

Bailly: Lassen Sie mich zunächst kurz die Aufgabe der Schlichtungs stelle Luftverkehr vorstellen. Wir schlichten auf Antrag von Verbrau cherinnen und Verbrauchern deren Streitigkeiten mit vornehmlich aus ländischen Fluggesellschaften in einer Reihe von Fallkonstellationen, die recht häufig vorkommen. Bei spiele sind die Rückerstattung von Ticketkosten nach Flugannullierung durch die Fluggesellschaft – das ist in der Corona-Krise sehr aktuell geworden – oder Probleme mit dem Reisegepäck.

Zum einen nehmen wir wahr, dass der Zugang für die Verbraucherin nen und Verbraucher zur Schlich tungsstelle Luftverkehr durch das Online-Formular sehr viel leichter geworden ist. Der Online-Antrag ist responsiv, das heißt er funktio niert auf dem heimischen PC, aber auch auf mobilen Endgeräten, also Smartphone und Tablet. Inzwischen werden etwa 95 Prozent der Anträge über das FMS-Formular gestellt.

In dem Formular werden die für das Schlichtungsverfahren wesent lichen Informationen abgefragt: Be schwerdegrund, Flugdaten, Höhe der Forderung usw. Das Formular ist adaptiv und dadurch auf die tat sächlich relevanten Informationen beschränkt. Je nach Beschwerde grund werden unterschiedliche Daten erfragt. Zugleich werden diejenigen Anliegen herausgefiltert, für die wir nicht oder noch nicht zuständig sind. Die Verbraucherin oder der Verbraucher wird durch Hinweistexte an die zutreffende Stelle verwiesen.

Aus dem Formular werden be stimmte Fachdaten quasi automa tisch in die E-Akte übernommen und in die in der E-Akte hinterlegten Vorlagen eingefügt. Das erleichtert natürlich die Fallbearbeitung in der Schlichtungsstelle insgesamt sehr.

Auch darüber hinaus haben sich Prozesse verändert, zum Beispiel bei der Fristenkontrolle, aber auch bei der “Aktenanlage” – zum Beispiel fal len das Beschriften und das Foliieren der Akten weg – und eingehende Post ist den einzelnen Vorgängen leichter zuzuordnen.

Ein wesentlicher Punkt ist die Er leichterung des ortsflexiblen Arbei tens im Homeoffice. Für Kollegin nen und Kollegen in bestimmten Funktionen wurde durch die E-Akte überhaupt erst das Arbeiten im Homeoffice möglich gemacht. In diesem Zusammenhang ist auch

der bereits von Herrn Reska ange sprochene verbesserte Zugriff auf die Vorgänge zu erwähnen.

Behörden Spiegel: Wie werden die Beschäftigten im Zuge des Ein führungsprozesses mitgenommen, generell im Hause und speziell in der Schlichtungsstelle Luftverkehr? Reska: Wir richten uns auf vielen Kanälen an die Beschäftigten. Seit Beginn des Projektes informieren wir immer wieder über den aktuellen Stand und die nächsten Schritte, zum Beispiel auf unserer Intranetseite, unserem hausinternen “Flurfunk”Newsletter oder dem BfJ-Magazin. Rückt die Einführung der E-Akte in einem konkreten Bereich näher, werden in einer Workshop-Reihe zu nächst die relevanten Rahmenbedin gungen erhoben und in einem stan dardisierten Konzept festgehalten. In den Fachbereichen gibt es jeweils E-Akte-Betreuende als erste An sprechpersonen, die als Schnittstelle zum E-Akte-Team fungieren. Dazu führen wir im Rahmen eines umfang reichen Schulungsprogramms alle Beteiligten an die neue Arbeitsweise mit einer elektronischen Akte heran und stehen auch danach jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.

Bailly: Bereits bei der Entwicklung des Online-Formulars und im Vor feld der E-Akte-Einführung gab es eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen der Schlichtungsstelle Luftverkehr und dem E-Akte-Team. Dies war sicherlich sehr hilfreich für uns. Dabei wurden unter anderem die Geschäftsprozesse analysiert und es wurde geschaut, wo es noch Verbesserungsbedarf gibt. Es gab rechtzeitig vor dem Rollout gut geplante aufgabenspezifische Schulungen für alle Mitarbeiterin nen und Mitarbeiter in der Schlich tungsstelle, teilweise getrennt für die einzelnen Funktionsbereiche. Sehr hilfreich war die Möglichkeit, in den ersten Wochen nach der Einführung ein “1:1-Coaching” in Anspruch nehmen zu können. Sehr gut ist auch, dass in der Or ganisationseinheit zwei Personen in der Fachadministration tätig sind, die speziell für diese Aufgabe ge schult wurden und den Kollegin nen und Kollegen bei Fragen als Ansprechpersonen zur Verfügung stehen, aber auch kurzfristig be stimmte Anpassungen, zum Beispiel an den hinterlegten Vordrucken und Textbausteinen, vornehmen können.

Behörden Spiegel: Transformati onsprozesse bieten neben Chancen auch immer Herausforderungen. Wo liegen diese bei der Einführung der E-Akte?

Reska: Sie haben hier die aus mei ner Sicht wichtigsten Punkte bereits angesprochen. Einerseits wollen wir die bestehenden Prozesse nicht einfach nur elektronisch abbilden, sondern im Lichte der neuen Mög lichkeiten auch neu denken. Das ist natürlich an vielen Stellen mit nicht ganz unerheblichen Veränderun gen verbunden. Viele, insbesondere jüngere Kolleginnen und Kollegen, können diesen Schritt der Moderni sierung kaum erwarten, wohingegen andere den Veränderungen teilweise skeptisch oder gar mit Sorge entge gensehen. Hierbei niemanden auf der Strecke zu verlieren, sondern von den neuen Arbeitsweisen zu überzeugen, ja vielleicht sogar dafür zu begeistern, darin liegt meiner Meinung nach die größte Heraus forderung.

Bailly: Bei uns ist das gelungen. Wir sind durchaus stolz darauf, an dem Pilotprojekt mitgewirkt zu haben.

Die E-Akte wurde auf einem Hö hepunkt der Pandemie im Herbst 2020 eingeführt. Gerade in dieser Zeit gab es einen so nicht vorherseh baren und bislang nicht gekannten Zuwachs an Schlichtungsanträgen. Dies alles zusammenzubringen, war eine große Herausforderung. Zu gleich haben wir gerade im weiteren Verlauf der Pandemie sehr von der E-Akte und den Möglichkeiten des ortsflexiblen Arbeitens profitiert.

Für einige Kolleginnen und Kol legen ist die E-Akte sicherlich eine größere Herausforderung als für andere. Wichtig sind deshalb gute Schulungen, die auf die jeweiligen Aufgaben zugeschnitten sind, und persönliche Ansprechpartner bei Problemen. Dies nimmt auch die Angst vor der E-Akte.

Andererseits ist die E-Akte auch in Kombination mit dem neuen OnlineFormular kein “Entscheidungsau tomat”. Die Arbeit am Einzelfall ist nach wie vor erforderlich. Das ist auch gut so. Das Arbeiten am Bildschirm ist zudem durchaus eine Herausforderung. Bei komplexeren Vorgängen kann es mitunter müh sam sein, weil viele Einzeldokumente gesondert geöffnet werden müssen.

Hier ist eine hohe Konzentrations leistung gefragt.

Und wenn man das Arbeiten mit Papier gewohnt ist, ist es schon eine Umstellung. Diese kann aber gut gelingen. Für uns ist die E-Akte ein Gewinn.

Behörden Spiegel: Das Projekt zur Einführung der E-Akte Bund läuft im BfJ noch bis zum Jahr 2027. Welches Ziel soll dann erreicht sein und wie sehen die nächsten Schritte aus?

Reska: Bis 2027 wollen wir die EAkte Bund in allen Bereichen des Hauses eingesetzt haben, integriert in unsere Verwaltungsprozesse. Dazu bemühen wir uns um diverse Schnittstellen für die E Akte, z. B. im Kontext von Online-Formula ren, E-Rechnungen oder auch der Integration in Fachverfahren. Erste Schritte in diese Richtung sind wir mit der Schlichtungsstelle Luftver kehr und unserem EVA-Basispaket gegangen, weitere werden folgen.

Das EVA-Basispakt wird derzeit in unserem Leitungsstab und danach in der Verwaltungsabteilung aus gerollt, bevor es sukzessive in den Fachbereichen weitergeht.

Treiben mit Engagement und Überzeugung die Einführung der E-Akte im BfJ voran: Martin Reska, Referatsleiter des Referats “Di gitalisierung; Elektronische Verwaltungsarbeit”, und Barbara Bailly, Referentin in der Schlichtungsstelle Luftverkehr. Foto: BS/BfJ
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Behörden Spiegel: Herr Dr. Bayaz, Sie sind seit Mai 2021 Finanzminister des Lan des, haben also – angesichts der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges – Ihr Amt im per manenten Krisenmodus ausgeübt. Gibt es für Sie dennoch kreativen Spielraum für gestalterische und nachhaltige Finanzpolitik oder liegt der Fokus seitdem vor allem auf reaktiven Maßnahmen, um Schlimmeres zu verhindern?

Dr. Bayaz: Unmittelbar nach meinem Amtsantritt war ich schon mit den Haushaltsver handlungen zum Nachtragshaus halt der Corona-Pandemie be schäftigt. Ich hatte die Hoffnung, dass wir uns nach Überwindung dieser Krise auch anderen, bis dahin etwas vernachlässigten, wichtigen Themen widmen kön nen. Aber dann begann am 24. Februar der schreckliche russi sche Angriffskrieg auf die Ukraine und seitdem sind wir wieder im Krisenmodus durch die schwie rige Energieversorgung, explo dierende Gaspreise, die Inflation und einen enormen Entlastungs bedarf bei Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen. In solchen Zeiten verstehe ich Haus haltspolitik und Finanzpolitik vor allem als Risikomanagement, um die Gesellschaft bestmöglich auf das vorzubereiten, was uns noch bevorsteht. Gleichzeitig habe ich den Anspruch, dass Finanzpolitik ganz konkret gestalten soll.

Zwei Hauptinhalte sind mir be sonders wichtig: Einerseits die Verwaltungsmodernisierung, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und andererseits Klimaschutz in Baden-Würt temberg.

Behörden Spiegel: Wie ist das Land aus Ihrer Sicht bislang finan ziell durch die Corona-Pandemie gekommen? Was waren die zen tralen Maßnahmen?

Dr. Bayaz: Die Pandemie war ein Stresstest für die Funkti onsfähigkeit des Staates. Wir haben in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, den Län dern und Kommunen gute Arbeit geleistet. Natürlich sind auch Fehler vorgekommen. Insgesamt haben wir jedoch unser Ziel er reicht, unser Land so gut es geht durch die Krise zu bringen. Das zeigen unsere Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung. Wir haben dafür sehr viel Geld in die Hand genommen. Allein

Der aktuelle Ukraine-Konflikt hat die gestiegenen Anforderun gen an die Konzernsteuerung noch mal deutlich gesteigert. Der Datenaustausch innerhalb des Beteiligungsmanagements sowie zwischen dem Beteiligungsma nagement der Stadt Frankfurt am Main und den städtischen B eteiligungsunternehmen er folgte in der Vergangenheit in der Regel über E-Mail-Verkehr. D ur ch fortschreitende Digita lisierung und umfangreichere Datenmengen reicht die begrenz te Übertragungsgröße von zehn MB in Outlook nicht mehr aus.

Der Einsatz der Microsoft Share Point-Technologie hat zu einer erheblichen Verbesserung der Datenzugriffsgeschwindigkeit geführt. Darüber hinaus wird auch die Transparenz und Da tenverfügbarkeit im Beteiligungs management deutlich erhöht, was aufgrund des verstärkten mobilen Arbeitens der Mitarbeiter des Beteiligungsmanagements unerlässlich ist.

Dabei erfolgte der Aufbau des SharePoints für das Beteiligungs management durch kluge Pro zessorganisation im laufenden Betrieb während der Phase des 2. Lockdowns ab Oktober 2020 in intensiver Zusammenarbeit mit dem städtischen Amt für Infor mations- und Kommunikations

Krisen meistern durch Zusammenhalt

Baden-Württembergs Bilanz zu Corona und Ukraine-Krieg

(BS) Die Corona-Krise und der darauffolgende russische Angriffskrieg auf die Ukraine waren für den Finanzhaushalt Baden-Württembergs eine große Belastungsprobe. Für Bürger und Kommunen wurden immense Summen zur finanziellen Absicherung bereitgestellt. Während dieser fi nanzpolitisch schwierigen Zeit trat Dr. Danyal Bayaz im Mai 2021 sein Amt als Finanzminister Baden-Württembergs an. Über die wirtschaftlichen Herausforderungen, die Schuldenbremse und positive Aussichten beim “Green Bond Baden-Württemberg” sprach er im Interview mit Guido Gehrt.

“Die Kommunen sind der Ort, wo Bürgerinnen und Bürger unmittelbar den Staat und seine Funktionstüchtigkeit erfahren. Deswegen war diese Unterstützung für uns selbstverständlich.”

Als Finanzminister Baden-Württem bergs bewertet Dr. Danyal Bayaz die aktuelle finanzpolitische Lage.

Foto: BS/Reiner Pfisterer

das Land Baden-Württemberg hat mehrere Milliarden bereit gestellt. So haben wir in einem Kraftakt Schulen, Kitas, unsere Gesundheitsämter und Kran kenhäuser sowie die Kommunen unterstützt. Wegen der finan ziellen Belastung durch diese Ausgaben wollten wir jetzt ei gentlich wieder zur Normalität zurückkehren. Das ist seit Fe bruar leider Makulatur.

Behörden Spiegel: Wie unter stützt das Land die Kommunen konkret bei der Bewältigung der finanziellen Corona-Folgen?

Dr. Bayaz: Wir haben in BadenWürttemberg traditionell eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Land und den Kommu nen. Die großen Krisen und He rausforderungen unserer Zeit s c haffen wir nur gemeinsam. Das Land Baden-Württemberg steht zu seinen Kommunen, das haben wir auch während der Pandemie gezeigt. Wir haben damals einen Stabilitäts- und Zukunftspakt mit einem Volu men von über vier Milliarden

Euro eingeführt, drei Milliar den Euro davon hat das Land getragen. So sollten Einbußen bei den Gewerbesteuern und Einnahmeausfälle kompensiert werden. Im Folgejahr haben wir im Nachtragshaushalt nochmals ein großes Paket mit 600 Millio nen Euro geschnürt, vor allem für kommunale Krankenhäuser und den ÖPNV. Die Kommunen sind der Ort, wo Bürgerinnen und Bürger unmittelbar den Staat und seine Funktionstüch tigkeit erfahren. Deswegen war di ese U nterstützung für uns selbstverständlich.

Behörden Spiegel: Nach den “fetten” 2010er-Jahren, in denen die haushaltsmäßige Verschul dung des Landes teilweise sogar zurückgeführt wurde, ist diese seit 2020 wieder massiv gestiegen. Der Staatshaushaltsplan 2022 –im Dezember 2021 verabschiedet –sah keinerlei Neuverschuldung und sogar eine Tilgung in Hö he von einer Milliarde Euro vor. Können Sie schon absehen, in welchem Ausmaß der UkraineKrieg Ihnen buchstäblich einen

Strich durch diese Rechnung ge macht hat?

Dr. Bayaz: Wir hatten dieses Jahr konjunkturell bislang kei nen tiefen Absturz und relativ stabile Steuereinnahmen. Ba den-Württemberg ist ein star kes Bundesland. Im Hinblick auf die Finanzpolitik bestehen drei Hauptherausforderungen gleich zeitig: Wir haben erstens einen massiven Investitionsbedarf. Wir haben zweitens einen massiven Entlastungsbedarf der Menschen, denn für viele sind die steigenden Energiepreise existenzbedroh lich. Wir haben drittens nach den großen finanziellen Hilfen während der Pandemie auch ei nen Konsolidierungsbedarf. Auch beim nächsten Doppelhaushalt soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Im Fall ei ner tiefen Rezession oder einer Gasmangellage müssen wir die Situation allerdings neu bewer ten. Die Inflation erschwert un sere Situation ungemein, denn wir haben ja auch mit steigenden Energiekosten bei unseren 8.000 Landesgebäuden zu kämpfen,

mit Baupreissteigerungen und steigenden Beschaffungskosten.

Behörden Spiegel: Durch den Ukraine-Krieg und dessen Aus wirkungen auf die Weltwirtschaft hat sich der Druck auf die öffent lichen Haushalte weiter erhöht. Welche finanzpolitischen Maßnah men kann man ergreifen, um die Handlungsfähigkeit des Staates in Land und Kommunen auch in Krisenzeiten auf hohem Niveau zu gewährleisten?

Dr. Bayaz: Nehmen wir als Bei spiel das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung. Es ist ein gigantisches Entlastungspaket, das wir als Länder mitfinanzieren müssen. Wo wir mitbezahlen, ist es auch ein guter demokratischer Anspruch, mitzusprechen. Das ignoriert der Bund zuletzt leider häufiger. Entlastungen sind sehr wichtig, wenn sie an Menschen und Unternehmen gerichtet sind, die aktuell sehr stark belastet sind. Allerdings können wir nicht nach dem Gießkannenprinzip verfahren, nicht alles mit dem Füllhorn heute ausschütten, sondern müssen trotzdem die richtigen politischen Schwer punkte setzen und dort investie ren und helfen, wo es notwendig ist. Dringliches umzusetzen und Wichtiges nicht zu vergessen, sind zwei Seiten einer Medail le. Es hat sich in der Pandemie nach meiner Wahrnehmung die

chen und sich vorsichtig optimis tisch geäußert, dass Sie in diesem Jahr im Land Baden-Württemberg eingehalten wird. Müssen wir uns angesichts der derzeitigen Krisen sowie der zahlreichen Herausfor derungen und Investitionsaufga ben des Staates nicht– zumindest mittelfristig – von der Schulden bremse verabschieden?

Dr. Bayaz: Die verfassungsmä ßigen Hürden für den Ausnahme tatbestand der Schuldenbremse sind recht hoch. Ich halte es für fraglich, dass sie schon erfüllt sind in einer Situation, in der die Wirtschaft zwar angeschlagen ist, wir aber insgesamt ja noch stabile Steuereinnahmen haben. Wir be reiten uns auf alle Eventualitäten vor, um möglichst schnell und effektiv handeln zu können. Ich bin grundsätzlich ein Befürworter einer Schuldenbremse, die dafür sorgt, dass wir nicht von einer Schuldenlast erdrückt werden.

Sie kann jedoch dann ein Problem werden, wenn wichtige Investitio nen ausbleiben. Ich habe mal vor geschlagen, die Schuldenbremse so weiterzuentwickeln, dass sie Kreditaufnahmen für gezielte In vestitionen zulässt. Und zwar in der Größenordnung von einem Prozent der Wirtschaftskraft. Mit einem Prozent zusätzlicher Inves titionsmöglichkeiten könnte man schon einiges bewerkstelligen. Dafür gibt es derzeit aber keine politische Mehrheit.

Ich halte es allerdings für frag lich, ob Sondervermögen, die ja Sonderschulden sind, im Sinne der Schuldenbremse sind. Hier müsste es eine ehrlichere Antwort geben. Wenn die Schuldenbremse dort blinde Flecken hat, dann muss man sie teilweise anpas sen und weiterentwickeln. Ich sehe da vor allem den Bund in der Verantwortung. Das ist aber

“Ich bin grundsätzlich ein Befürworter einer Schul denbremse, die dafür sorgt, dass wir nicht von einer Schuldenlast erdrückt werden.”

Einstellung verbreitet, der starke Staat muss jetzt alle Kosten abfe dern. Das wird aber nicht möglich sein. Hier haben wir die Pflicht, möglichst verantwortungsvoll mit Steuergeld umzugehen. Und das heißt, gezielt zu entlasten und zu unterstützen, aber nicht pau schal alle, unabhängig davon, ob sie es brauchen oder nicht.

Behörden Spiegel: Sie haben die Schuldenbremse schon angespro

Digitalisierung im Konzernverbund Stadt

Erfahrungsbericht des Beteiligungsmanagements der Stadt Frankfurt am Main (BS/Lars Scheider*) Wie wichtig die konsequente Digitalisierung der Arbeitsprozesse ist, haben nicht zuletzt auch ganz aktuell die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Beteiligungsmanagement gezeigt. Denn die Konzernsteuerung unterliegt in der Corona-Pandemie gestiegenen Anforderungen. Neben dem Thema der Liquiditätssicherung für die Beteiligungsunternehmen erlangt auch die Kommunikation im Rahmen der Gremienbetreuung der Aufsichtsräte und Betriebskommissionen eine herausragende Funktion für die Steuerung des Konzernverbundes der Stadt Frankfurt am Main.

technik und ab März 2021 fach lich verstärkt durch T-Systems als externen Dienstleister.

Ein Projekt in sechs Phasen

In der ersten Projektphase (Okt. 2020 bis Jan. 2021) wurde der SharePoint mit rd. 66 wesentli chen Beteiligungsgesellschaften aufgebaut. In der zweiten Pro jektphase (Feb. bis April 2021) w ur den über 200 Mitarbeiter der städtischen Beteiligungsge sellschaften aus dem Bereich Gremienbüros in den Share Point für Beteiligungsmanage ment aufgenommen. In der drit ten Projektphase (April bis Juli 2021) wurden 51 Mitarbeiter der städtischen Verwaltung in den SharePoint das Beteiligungsma nagement aufgenommen. Zwar konnten hier die Berechtigun gen ohne sog. Token vergeben werden, da es sich um interne Kunden des SharePoints han delt, allerdings sind aufgrund des städtischen Aufgabenvertei

lungsplans und dem damit ver bundenen rechtlichen Rahmen besondere Anforderungen an die Vertraulichkeit der Daten und den Datenschutz zu stellen. In sofern musste eine interne Über wachungssoftware installiert wer den, die den Datenzugriff aus den Ämtern überwacht. In der vierten Projektphase (Aug 2021 bis Juli 2022) wurden die Aufsichtsrats mitglieder der städtischen Be teiligungsunternehmen in den SharePoint das Beteiligungsma nagement aufgenommen. Damit kommt es mindestens zu einer Verdreifachung der zu pflegenden Zugriffsberechtigungen, denn die Gesamtzahl aller Aufsichtsrats mandate – städtische Vertreter mit 267 Mandaten, Arbeitneh mervertreter bei mitbestimmten Aufsichtsräten (über 100 Manda te) und externe Dritte (wie z. B. die Thüga-Vertreter bei der Mainova oder Remondis bei der FES) – be trägt 637 Mandate. Deshalb wur de es notwendig, in einer fünften

Projektphase (ab Mai 2022) ein professionelles Berechtigungstool (sog. Framework) aufzubauen. Dazu wurde eine App-Lösung von T-Systems ausgewählt, welche in einem agilen Projekt von Mitar beitern des Beteiligungsmanage ments in Zusammenarbeit mit T-Systems als maßgeschneiderte Lösung für das Beteiligungsma nagement der Stadt Frankfurt am Main erstellt wurde, sodass dieses Projekt bundesweit durch aus als Pilotprojekt verstanden werden kann. Der Einsatz des SharePoints für das Beteiligungs management hat zu einer erheb lichen Verbesserung der Effizienz der Kommunikation des immer komplexer werdenden Konzern verbundes der Stadt Frankfurt am Main geführt. Allerdings be dingt dies dann auch ein kom plexes Berechtigungskonzept, um die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten. Außerdem sind hohe Anforderungen der IT-Si cherheit zu gewährleisten. In der

sechsten Projektphase (seit Juni 2022) werden die Fachdezernate ebenfalls in den SharePoint für das Beteiligungsmanagement aufgenommen. Nach Aussage des Konzernbüros der Stadtwer ke Frankfurt am Main Holding GmbH (SWFH) sparen die SWFH sowie die Töchter ICB und AVA, deren Aufsichtsräte auch vom Konzernbüro der SWFH betreut werden, rd. 125.000 Blatt Pa pier im Jahr durch den Share Point Beteiligungsmanagement der Stadt Frankfurt am Main. I nsofern ist für den Konzern verbund Stadt insgesamt mit einer Einsparung von weit über 1.000.000 Blatt Papier auszu gehen. Damit leistet das Betei ligungsmanagement auch einen aktiven Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit.

*Lars Scheider ist Abteilungs leiter Beteiligungsmanagement bei der Stadtkämmerei der Stadt Frankfurt a. M.

nicht Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrages und daher gibt es an dieser Stelle jetzt keine schnellen Lösungen.

Behörden Spiegel: BadenWürttemberg hat im Mai 2022 bereits die zweite Auflage des “Green Bonds Baden-Württem berg” emittiert. Was ist das Ziel dieses Angebots und was wird aus den Erlösen der “Green Bonds” finanziert?

Dr. Bayaz: Wir sehen gerade große Veränderungen am Kapi talmarkt. Immer mehr Investoren orientieren sich an der Nachhal tigkeit. Viele kennen das unter dem Stichwort der Taxonomie, w o ein Klassifikationssystem entwickelt wird, damit man ein gewisses Gütesiegel hat, das auf nachhaltiges Investment ver weist. Wir brauchen den Green Bond, weil wir sehr viel priva tes Kapital mobilisieren wollen, um erneuerbare Energien und grüne Technologien zu fördern. Gleichzeitig hat der Staat hier ei ne Vorbildfunktion, ohne die wir keinen Einsatz von privaten In vestoren erwarten können. Daher bin ich stolz, dass wir das erste Bundesland sind, das den Green Bond emittiert hat. Über unsere Green Bonds werden Projekte und Maßnahmen refinanziert, die Beiträge zu den Umweltzielen der EU-Taxonomie leisten. Diese Projekte sind sehr vielfältig: In vestitionen in klimafreundliche Gebäude, in Maßnahmen für klimawandelresistente Wälder oder die Förderung der Elek tromobilität. Dahinter steckt die ganze Bandbreite an staatlichen Investitionen im Bereich Nach haltigkeit. Es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir auf dieses Instrument zurückgegriffen haben. Übrigens auch, weil es am Markt sehr gut angenommen wird.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 12
Finanzen

In Hessen z. B. gab bzw. gibt es laut dem Hessischen Ministe rium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen keine pandemie- oder kriegsbedingten Abweichungen von den in Para graf 12 des Hessischen Vergabeund Tariftreuegesetzes (HVTG) festgelegten Schwellenwerten.

Das HVTG findet bei der Ver gabe von öffentlichen Aufträgen Anwendung, deren geschätzter Auftragswert 10.000 Euro ohne Umsatzsteuer überschreitet. Die Vergabe von öffentlichen Aufträ gen erfolgt grundsätzlich in öf fentlicher Ausschreibung oder Beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb. Auch beabsichtige man in Wiesbaden nicht, die im HVTG verankerten Schwellenwerte zu verändern, da man das Gesetz erst im Juli 2021 umfassend novelliert habe.

Keine Ausnahmen

Ebenso handhabt auch der Frei staat Sachsen die momentane Situation. Bei der Freihändigen Vergabe von Liefer-, Dienst- und Bauleistungen gilt nach dem Sächsischen Vergabegesetz die Wertgrenze von 25.000 Euro. An lässlich der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges habe es im Freistaat Sachsen keine Ausnahmen von diesen Schwel lenwerten gegeben, so das säch sische Wirtschaftsministerium.

Ebenso ausgelaufen sind die Maßnahmen, die im Zuge der Co rona-Pandemie in MecklenburgVorpommern erlassen wurden. Im Corona-Vergabeerlass des Lan des hieß es: “Liefer-, Dienst- und

Schwellenwerte in Krisenzeiten

Reaktionen auf Ukraine-Krieg und Pandemie

(BS/bk) Handlungsfähig bleiben trotz Pandemie und Krieg – das

Bauleistungen, die unmittelbar oder mittelbar zur Eindämmung der Corona-Pandemie oder deren Folgen beitragen, können unter Berücksichtigung der Haushalts grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne Durch führung eines Vergabeverfah rens bis zur Höhe des jeweiligen EU-Schwellenwertes beschafft werden (Direktauftrag); auf eine Markterkundung kann verzichtet werden.” Gesonderte Regelungen für die jetzige Situation aufgrund des Ukraine-Krieges gibt es nicht.

Auch aus dem baden-würt tembergischen Wirtschaftsmi nisterium heißt es: “Aufgrund der Ukraine-Lage wurden in Baden-Württemberg keine verga berechtlichen Sonderregelungen i m Sinne einer Anhebung der Wertgrenzen eingeführt.”

Im Gegensatz zum hessischen Nachbarn hat man jedoch in der Corona-Pandemie die Grenzen angehoben. So wurden Direkt aufträge bei Bauleistungen auf 5.000 Euro und Frei händi ge Vergaben auf 100.000 Euro in diesem Bereich angehoben. Bei Lieferungen und Dienstleistungen verschob man die Wertgrenze bei Direktaufträgen auf 10.000 Euro.

Die Verwaltungsvorschrift “Inves titionsfördermaßnahmen öA” lief Ende 2021 aus. Im kommunalen

gabeverfahren vor dem 1. August 2022 begonnen haben, unterhalb des jeweiligen Schwellenwertes gemäß Paragraf 106 des GWB im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbe werb vergeben werden. Die Aus führungsbestimmungen basieren a von Paragraf 8 Abs. 4 Nr. 17 der UVgO.

MELDUNG

Lehren aus der Impfstoffbeschaffung

(BS/bk) Der Europäische Rech nungshof (EuRH) hat die Be schaffung von Corona-Impfstoff dosen durch die Europäische Union untersucht und einen Sonderbericht veröffentlicht.

D er EuRH hebt das “maßge schneiderte zentralisierte System für die Beschaffung von Impfstof fen” positiv hervor, mit dem es gelungen sei, “ein erstes Portfolio von Impfstoffkandidaten unter Einbeziehung unterschiedlicher Unternehmen und Technologien zu erstellen”.

Wie schon in der Corona-Pandemie

Bereich galten die erhöhten Wert grenzen übergangsweise noch bis 31. März 2022.

Andere Wege geht das Land Niedersachsen. Sowohl in der Reaktion auf die Corona-Pande mie als auch in der Reaktion auf den Ukraine-Krieg wurden die Schwellenwerte angepasst. Die Schwellenwerte für Auftragswert grenzen wurden in der Niedersäch sischen Wertgrenzenverordnung (NWertVO) als Erleichterung im Zuge der Pandemie angehoben. Diese Regelung ist mittlerweile ausgelaufen. Im Zuge des Ukrai

Bundesländer

die vergaberechtlichen Herausforderungen,

ne-Krieges wurde Mitte März die Ausführungsbestimmung für die Verhandlungsvergabe nach der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) veröffentlicht. Danach dürfen Aufträge über Lieferund Dienstleistungen, die u. a. der Aufnahme, Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Schutzsuchenden, der Gefahren abwehr, der Verbesserung der IT- und Cyber-Sicherheit oder der Ausübung einer Sektorentätigkeit nach Paragraf 102 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun gen (GWB) dienen und deren Ver

Preissteigerungen im Zuge des Ukraine-Krieges

Vergabe im ITK-Bereich besonders betroffen (BS/bk) Die Preissteigerungen im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stellen die Vergabe aufgrund von langfristig angelegten Ausschreibungsprozessen sowie mehrjährigen Rahmenverträgen vor besondere Herausforderungen. Betroffen sei insbesondere der ITK-Bereich, hält ein Positionspapier des Bitkom, des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, fest. Doch es gebe Möglichkeiten, diesen Schwierigkeiten zu begegnen.

In dem Papier begründet der Autor Marc Danneberg die starke Betroffenheit des ITK-Bereichs damit, dass die Kosten in viel fältigen Maßen steigen würden. Steigerungen seien bei Energie, Rohstoffen (insbesondere bei

mend unter Druck stehenden Geldwertstabilität ist die Kal kulation mittel- und langfristig tragfähiger Preise derzeit kaum noch realisierbar. Die Vergabe öffentlicher Aufträge ist davon in besonderer Weise betroffen”,

Gefahr einer Marktverengung, bei der Unternehmen ihre Betei ligung an öffentlichen Ausschrei bungsverfahren einschränken”, befürchtet Danneberg. Ebenso entstehe die Gefahr der Wettbe werbsverzerrung zugunsten von großen Anbietern, die bessere finanzielle Spielräume hätten. Konsequenzen für die Vergabe

Jahr auf Vertragsanpassungen geprüft werden sollten. Auf Auf tragnehmerseite sollte dazu ge nau dargelegt werden, warum eine Anpassung notwendig sei. Auf Auftraggeberseite brauche es dafür Gesprächsbereitschaft.

Das Land Niedersachsen be gründet die Fokussierung der Vergabeverfahren auf wenige ge eignete Anbieter und die damit einhergehende Wettbewerbsein schränkung damit, dass durch die dynamische Lage notwendige Bedarfe besser gedeckt werden könnten. Im Vergleich zu gege benenfalls erforderlichen Dring lichkeitsbeschaffungen (Para graf 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO) stelle diese Ausführungsbestimmung sogar ein Mehr an Wettbewerb her, da weiterhin grundsätzlich mindestens drei Unternehmen zur Abgabe eines Angebots oder zur Teilnahme an Verhandlun gen aufzufordern seien, heißt es vonseiten des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums. Diese Ausführungsbestimmung ist je doch auf Liefer- und Dienstleis tungen begrenzt und umfasst kei ne Aufträge über Bauleistungen. Die Bestimmung ist vorläufig bis zum 31. Januar 2023 befristet.

Doch habe man erst später als z. B. die USA und das Vereinigte Königreich mit der Beschaffung begonnen. Ebenso kritisieren die Autoren des Berichts, dass die geschlossenen Verträge keine spezifischen Regelungen bzgl. des Umgangs mit Lieferunter brechungen enthalten hätten. Zudem sei die Leistungsfähigkeit des Beschaffungsprozesses nur unzureichend bewertet worden. Der EuRH empfiehlt der Euro päischen Kommission auf die ser Grundlage, Leitlinien für die Beschaffung bei Pandemien zu entwickeln, eine Risikobewertung des Beschaffungskonzepts der EU durchzuführen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen sowie zur Ermittlung von Schwachstel len und von Verbesserungspo tenzial im Prozess alle Teile des aktualisierten Beschaffungsrah mens für Pandemiefälle einem Test zu unterziehen.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen

Metallen, elektronischen Bau teilen, Kabeln) und der globalen Logistik zu beobachten. Gerade die Logistikkosten hätten sich aufgrund von Fahrermangel, Containerkosten sowie Treib stoffkosten erhöht. Zudem wirkten auch die gestiegenen Lagerkosten als Preistreiber. Dies resultiere aus einem in folge der Unsicherheiten ver änderten Abrufverhalten der Kunden, das eine verstärkte Einlagerung von Waren erforder lich mache. Unternehmen aus dem Hardwarebereich stünden desw egen vor große Heraus forderungen. Die Lohnkosten bei IT-Dienstleistern täten ihr Übriges. “Aufgrund der hohen Inflationsraten und einer zuneh

schreibt Danneberg. Dies hänge mit den meist langen Ausschrei bungs- und Vergabeprozessen und der Preiskalkulation, die “lange” vor dem Vertragsschluss erfolge, zusammen. Ebenso er zeugten die häufig genutzten, mehrjährigen Rahmenverträge Planungsunsicherheit. Um die ser Unsicherheit zu begegnen, reagierten Unternehmen häu fig mit Risikoaufschlägen. “In der Konsequenz werden sich bes onders risikoaffine Ange bote zunehmend durchsetzen.

Das gilt insbesondere, da das Preiskriterium zunehmend an Bedeutung gewinnt und häufig allein ausschlaggebend bei der Vergabe eines öffentlichen Auf trags ist. Daraus resultiert die

Das Bundeswirtschaftsministe rium (BMWK) veröffentlichte dim Juni ein Schreiben zum Umgang mit den Kostensteigerungen bei der Vergabe. Dem Schreiben nach handelt es sich bei dem Krieg um ein außergewöhnliches Ereignis, das unter Umständen als Begründung für Vertragsan passungen bzw. die Aufnahme von Preisgleitklauseln bei der Vergabe öffentlicher Aufträge genutzt werden kann. Die Mög lichkeiten der Preisgleitklausel würden den Erfahrungen der Bitkom-Mitgliedsunternehmen nach jedoch kaum genutzt, kri tisiert Danneberg Bieterfragen zur Aufnahme von Preisgleitklauseln in Rah menvereinbarungen würden v o n ausschreibenden Stellen in der Regel abgelehnt. Die Ab lehnung erfolge zumeist grund los. Anpassungen seien über das Preisklauselgesetz (PreisKlG) geregelt. Es gebe keine Diskussi on zwischen Auftraggebern und Bietern. Mit den “Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen” (EVB-IT) könnten zwar Preisan passungen vereinbart werden, es gebe jedoch eine Deckelung von jährlich maximal drei Pro zent. Bei einer aktuellen Infla tion von zehn Prozent spiegele diese Deckelung die Realität nicht wider.

Transparenz besonders wichtig Danneberg macht sich dafür stark, dass laufende Verträge mit einer Restlaufzeit von über einem

Transparenz wichtig Des Weiteren sollten in Neu verträge Preisgleitklauseln auf genommen w erden. Diese verringern nach Meinung des Bitkom die Unsicherheiten bei der Kalkulation und der Pla nung von Aufträgen. Bei der Aufnahme solcher Vertrags komponenten sei eine Kosten elementeklausel zielführend, die die verschiedenen Elemente des Prei ses aufschlüssele und an passende Indizes koppele. D. h. es braucht Transparenz bei der Preisgestaltung, um Anpassun gen durchzuführen.

Beschaffertage

Seite 13Behörden Spiegel / Oktober 2022 Beschaffung / Vergabe
ist das erklärte Ziel von Staat und Verwaltung. Doch die mannigfaltigen und sich ge genseitig potenzierenden Auswirkungen von beiden Krisen verteuern nicht nur für Privatpersonen Produkte. Nichtsdestotrotz müssen Vergabestel len in manchen Fällen schnell und unkompliziert Aufträge vergeben. Ein Blick in die Länder zeigt jedoch, wie unterschiedlich die Reaktionen ausfallen.
reagieren die
auch auf
die durch den Ukraine-Krieg entstan den sind. Foto: BS/claudettethebat, stock.adobe.com
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Eine Veranstaltung des
Fachliche
Leitung Der
Branchenverband Bitkom fordert bei der Vergabe im ITK-Bereich die Auf nahme von Preisgleitklauseln. Foto: BS/Alexa, pixabay.com

Entscheidungen zum VergaberechtWas zulässig ist und was nicht

Beschaffungsdienstleistung beinhaltet Rechtsdienstleistungen (BS/Günther Pinkenburg*) Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (Beschl. v. 25.05.2022, Az. VII-Verg 33/21) hat im Zuge eines Vergabenachprüfungsverfahrens obergerichtlich präzisiert, bei welchen Vergabe beratungsleistungen es sich um Rechtsdienstleistungen handelt sowie welche Leistungen davon gegebe nenfalls als zulässige Nebenleistung nicht-anwaltlicher Beschaffungsdienstleister noch erlaubt sind; was zugleich einen Rückschluss darauf zulässt, wann dies nicht mehr der Fall ist.

Für die im streitgegenständli chen Fall nachgefragten Dienst leistungen galt:

• ausnahmslos Musterverga beverfahren ohne spezielle Anforderungen,

• standardisierte Leistungen (Unterhalts- und Glasreini gung, Grün- und Graupfle ge) zum Gegenstand,

• Bei der Wahl des Vergabe verfahrens sei vor allem zu prüfen, ob der maßgebliche Schwellenwert erreicht oder unterschritten sei,

• eine Vergabe im offenen Verfahren sei der Standard, • bei der Frage der Losauftei lung gehe es vorwiegend um die Bildung von Mengenlo sen, die nach den von der Antragsgegnerin erstellten standardisierten Vorgaben zur Bildung mittelstandsge rechter Losgrößen ermittelt würden,

• die im R ahmen der Eig nungsprüfung vorzu nehmende Prüfung der Vergleichbarkeit von Re ferenzen beschränke sich schließlich zumeist auf die Prüfung der Reinigungsflä chen und die zu reinigen den Grundflächen, • die abschließende Ent scheidung über die Antwort auf Bieterfragen liege bei der Antragsgegnerin, das standardisierte Zu schlagskriterium sei zu 100 Prozent der Preis.

I n ei nem weiteren Fachlos wurden zudem parallel explizit rechtsanwaltliche Vergabebera tungsleistungen ausgeschrieben. Beispiele für Rechtsdienst leistungen

Das OLG entschied, dass es sich bei den Leistungspositionen “Erstellung Vergabevermerk”, “Beantwortung von Bieteranfra gen”, “Auswertung der Angebo te” und “Fertigung des Aufklä rungsschreibens im Entwurf” um Rechtsdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG handele, bei denen eine rechtliche Prüfung ei nes Einzelfalls erforderlich werde. Rechtsdienstleistungen als zulässige Nebenleistungen

Im Weiteren stellte das OLG fest, dass die vorliegend enthaltenen rechtsberatenden Anteile der ausgeschriebenen Beschaffungs dienstleistung dem Umfang und Inhalt nach Nebenleistungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienst leistungen (RDG) darstellten. Ei ne Nebenleistung liege vor, wenn die rechtsberatende Tätigkeit die Leistung nicht insgesamt präge, das heißt, die Rechtsberatung innerhalb der Gesamtleistung nicht ein solches Gewicht habe, dass ihre Erbringung die Kom petenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erfordere.

Das sei vorliegend ein deutig nicht der Fall, da weitergehende Rechtsberatungsleistungen, wel che über die oben aufgeführten Rechtsdienstleistungen hinaus gingen – im Bereich der Losbil dung, der Angebotsprüfung, der Eignungs- und Referenzprüfung oder der Frage, ob es sich bei fehlenden Unterlagen um solche im Sinne der Nachforderungs vorschriften handele – in den ausgeschriebenen Beschaffungs leistungen nicht enthalten seien.

Nur ein Pyrrhussieg

Die Entscheidung des OLG Düs seldorf kann nur als Pyrrhussieg für nichtanwaltliche Beschaf fungsdienstleister bezeichnet

Das OLG Düsseldorf hat entschieden und konkretisiert, welche Bestandteile ei nes Vergabeverfahrens als Rechtsdienstleistungen einzuordnen sind und nicht länger von nichtanwaltlichen Beratern ausgeführt werden dürfen.

Foto: BS/TeamDaf

► LEISTUNGSVERSPRECHEN

Garen beim Fahren

Funktioniert Küche auf dem Lkw?!

Der Auftraggeber schrieb die Versorgung mit warmen Mahl zeiten für eine Unterkunft von rund 1.000 Asylbewerbern funk tional aus. Er hat kein kon kretes Produktionsverfahren vorgegeben, sondern lediglich verlangt, dass alle einschlägigen hygienischen und technischen Normen einzuhalten seien, z. B. eine Maximaldauer für die Warmhaltung der Speisen und eine Minimaltemperatur. Ein Bieter, dessen Küche über 150 Kilometer entfernt liegt, hat da für ein Konzept entwickelt, wo nach die Speisen während des Transports fertig gegart werden. So will er eine zu lange Warm haltezeit vermeiden. Ein Kon kurrent hält dies für untauglich und fordert vom Auftraggeber, er dürfe diesem Konzept nicht ungeprüft den Zuschlag erteilen.

rar gefordert hat. Denn durch die neue Unverbindlichkeit der HOAI gibt es keine Pflicht für den Auftraggeber mehr, eine be stimmte Honorarzone zugrunde zu legen. Er kann sich vielmehr bei der Kostenschätzung auf den Marktpreis stützen, wie er aus den Erstangeboten ablesbar ist.

► EIGNUNGSPROGNOSE

Frühere Schlechtleistung Erfahrungen anderer Dienststellen

Eigentlich hatte das Tiefbau unternehmen einst einen guten Ruf besessen. Doch nach und nach ist die Qualität seiner Ar beit immer weiter abgesunken. Die zunehmenden Qualitätsmängel sind im Landesbetrieb Mobilität aufgefallen, der über das ganze Land verteilt eine Rei he von Dienststellen unterhält.

er die aktuelle Dateiversion, die hinreichende und aktuelle Referenzen enthält. Ob diese Übersendung eine Reaktion auf die Mitteilung des Auftraggebers war oder der Bieter seinen Feh ler vor Fristende selbst bemerkt und korrigiert hat, bleibt unge klärt. Der Auftraggeber berück sichtigt die neuen Referenzen nicht mehr und schließt das Angebot aus.

Günther Pinkenburg, LL.M., ist Rechtsanwalt und Fachan walt für IT-Recht und für Ver gaberecht bei der Mayburg Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München.

Foto: BS/Klawon

werden, denn nach dieser Ent scheidung gilt:

1. Die Begleitung jedes Ver gabeverfahrens beinhaltet die Erbringung von Rechts dienstleistungen. Rechts dienstleistungen sind nach expliziter Feststellung des OLG insbesondere (also nicht abschließend): die Erstellung des Vergabever merks, die Ermittlung der Vergabeverfahrensart, die Klärung der Losaufteilung, die Festlegung und Gewich tung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die Be antwortung von Bieterfra gen mit vergaberechtlichem Bezug, die formale Ange botsprüfung, die Eignungs prüfung und die Fertigung von Aufklärungsschreiben.

2. Öffentliche Auftraggeber dürfen die Begleitung von Vergabeverfahren auf nichtanwaltliche Beschaf fungsdienstleister out sourcen, wenn und soweit es sich um vonseiten des Auftraggebers (!) vollständig vorstrukturierte Muster vergaben handelt und die Tätigkeit des nichtanwaltli chen Dienstleisters sich im Wesentlichen im Ausfüllen von Formularen und in der Anwendung metrischer Kri terien (z. B. 100 Prozent Preis als Zuschlagskrite rium; Auftragswert über schreitet Schwellenwert; Bildung von Mengenlosen bei bestimmter Objektgrö ße; Vergleichbarkeit einer Referenz wegen Erreichen von Quadratmeter-Vorga be) erschöpft. Wenn ein öff entlicher Auftraggeber aber eine vollumfängliche Beratung und Abwick

lung des Ver gabeverfahrens wünscht, bei dem der Dienstleister sämtl iche bzw. weit überwiegend die Vergabeunter lagen erstellt, das Vergabeverfahren durchführt und den Auftraggeber zu allen anfallen den Punkten berät – also das sog. “Rund um-sorglosPaket” gefragt ist –, spä testens dann handelt es sich nicht mehr um Neben leistungen im dargestellten Sinne. Denn die bei einem solchen Beschaffungsvor haben notwendigen Pla nungen und Prüfungen bedürfen einer profunden Expertise in juristischer Hinsicht. Beispielhaft zu nennen sind hier:

• die Prüfung der Zulässig keit eines etwaigen Abwei chens vom Grundsatz der Fachlosaufteilung.

• die Prüfung der rechtskon formen Ausübung des Leis tungsbestimmungsrechts.

• das Erstellen juristisch fun dierter Vergabevermerke (vgl. § 8 Abs. 2 VgV). die Erstellung der Ver fahrensregelungen in den Bewerbungsbedingungen. das Erstellen vertraglicher Regelung inkl. der Fest legung der Vertragsart (Kauf-, Werk- oder Werk lieferungsvertrag).

• die Ausgestaltung eines zu lässigen Bewertungs vorgehens (Ausfertigung e i nzelner Kriterien samt Bewertungsvorgehen, aber auch die Bewertungsme thode zur Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots an sich).

Zusammenfassend ist festzu stellen, dass die Luft für nichtanwaltliche Beschaffungsdienst leister zunehmend dünner wird, dies insbesondere, wenn der Dienstleister/Berater nicht nur punktuell unterstützend, son dern mangels eigener Expertise des Auftraggebers umfänglich tätig werden soll.

So sieht es auch die Vergabe kammer. Grundsätzlich darf der Auftraggeber auf das Leistu ngsversprechen vertrauen, jedoch nicht mehr dann, wenn konkrete Einwände vorgetragen sind, die Zweifel an der techni schen Umsetzbarkeit aufkom men lassen. So hat der Konkurrent hier vorgerechnet, dass auf der Ladefläche eines Lkw nicht zugleich die Garschrän ke und deren Stromversorgung untergebracht werden könnten. Wegen des hohen Stromver brauches würde ein so großes und schweres Aggregat benötigt, dass dann kein Platz für das Essen mehr sei. Dies zu über prüfen, hat die Vergabekammer dem Auftraggeber auferlegt.

VK Südbayern (Beschl. v. 30.05.2022, Az.: 3194.Z3-3_0121-61)

► AUFTRAGSWERT

Neuausschreibung nach Aufhebung Angebote als Schätzgrundlage geeignet

Seitdem die HOAI kein binden des Preisrecht mehr darstellt, sind die Preise für Planungsleistungen variabel. So auch bei der Planung einer Gefängniskü che, in der ein Bieter und der Auftraggeber um die richtige Honorarzone streiten. Davon hängt nämlich ab, ob der geschätzte Auftragswert über oder unter der Schwelle für die An wendung des GWB liegt und eine Nachprüfung überhaupt möglich ist. Ein erstes, europa weit geführtes Vergabeverfahren war aufgehoben worden. Des sen Wiederholung allerdings wurde nur national umgesetzt. Das OLG hält das für zuläs sig. Es verhielt sich nämlich so, dass während des ersten Verfahrens die Kostenschät zung präzisiert wurde. Demnach wurde der Schwellenwert nun knapp unt e rschritten. Nach Öffnung der ersten Angebote hat sich herausgestellt, dass sie tatsächlich alle unter der Schwelle lagen, weil sie mit Ho norarzone II rechneten. Daraus durfte für die Wiederholung zu Recht abgeleitet werden, dass auch die Neuen den Schwel lenwert nicht erreichen, denn das Auftragsvolumen hat sich nun leicht reduziert. Dass die neuen Angebote nach Honorar zone III theoretisch die Schwelle überschreiten würden, spielt keine Rolle, wenn schon vorher niemand dieses höhere Hono

Als sich nun das Unternehmen erneut um einen Auftrag be wirbt, fragt die ausschreibende Dien ststelle b ei den benach barten Kollegen nach, ob auch dort Qualitätsmängel aufgefal len sind. Schließlich will man nicht ein Unternehmen negativ bewerten, weil es rein zufällig in zwei aufeinanderfolgenden Aufträgen Probleme gab. Doch das Ergebnis der Nachfrage ist verheerend: Auch die Kollegen berichten von langwierigen Ge währleistungsabwicklungen, davon, dass ihnen unnötig viel Arbeit beschert worden sei, der Bauvertrag in einem Fiasko ge endet habe u. v. m. Dennoch will sich das Unternehmen nicht mit seinem Ausschluss wegen mangelnder Eignung abfinden.

Das OLG Koblenz sieht für den Bieter keine Aussicht auf Erfolg. Der Ausschluss sei zu lässigerweise erfolgt, zumal die Beurteilung des Auftraggebers nur eingeschränkt überprüfbar sei, sie dürfe nur nicht auf ei ner unvollständigen Tatsache nermittlung oder sachfremden Erwägungen beruhen. Beides ist hier offensichtlich nicht der Fall.

Im Gegenteil: Die Vergabestelle hat sich nicht nur auf ihre ei genen (schlechten) Erfahrungen gestützt, sondern zudem noch diejenigen der Nachbar-Dienst stellen abgefragt, die den eige nen Eindruck bestätigt haben. Dies ist nicht nur ausdrücklich zulässig, sondern stellt die Pro gnose sogar auf eine noch breitere Basis.

OLG Koblenz (Beschl. v. 16.12.2021, Az.: 12 U 1143/21)

► NACHFORDERUNG

Nur einmal erlaubt Falsche Datei nachgereicht

Der Bieter legte irrtümlich seinem Angebot nicht die drei geforderten Referenzen bei. Der Auftraggeber fordert diese Re ferenzen nach und setzt dafür eine Frist von sechs Kalendertagen. Bereits am zweiten Tag der Frist übersendet der Bieter hastig eine Datei mit Referenzen und bemerkt dabei (zunächst) nicht, dass es sich um eine ver altete Dateiversion handelt. Die angegebenen Referenzen sind bis auf eine alle mehr als fünf Jahre alt. Einen Tag vor Fristablauf informiert der Auftraggeber darüber, dass die Referenzen zu alt sind, ohne zu einer erneu ten Nachreichung aufzufordern. Gut eine Stunde später erhält

Der Bieter hält das für falsch. Mit seiner vorfristigen Informa tion über die fehlerhaften Referenzen habe der Auftraggeber ihm die Möglichkeit abgeschnit ten, sich noch innerhalb der Frist zu korrigieren, was zuläs sig sei. Das allerdings sieht die Vergabekammer anders. Auch ei ne unaufgeforderte weitere Nachreichung sei nur möglich, wenn eine Aufforderung dazu erforderlich gewesen wäre. Der Nachreichungsvorgang sei aber spätestens mit der Prüfung der ersten Nachreichung durch den Auftraggeber abgeschlossen. Jede weitere Übersendung stellt demnach eine unzulässige zwei te Nachreichung dar.

VK Bund (Beschl. v. 11.03.2022, Az.: VK 1-23/22)

► VERSPÄTUNG

Zwischen den Jahren Poststelle war geöffnet

Ein Angebotsschlusstermin am ersten Werktag des neuen Jahres um elf Uhr ist relativ unge-wöhnlich, setzt er doch voraus, dass die Bieter ihre An gebote über Weihnachten bear beiten. Doch auch ein Bieter, der noch vor Weihnachten sein Angebot auf den Weg brach te, konnte nicht sicher sein, dass er diesen Schlusstermin einhält. Er hatte sich auf das Le istungsversprechen seines Kurierdienstes verlassen, dass dieser die Sendung innerhalb von maximal 48 Stunden an einem Werktag zwischen acht und 17 Uhr dem Empfänger übergibt. Mit der Einlieferung am 23.12.2021 wäre das also allerspätestens am 29.12. ge wesen (wenn man Heiligabend nicht als Werktag betrachtet). Doch der Kurierdienst ließ die Sendung in der (aus der Luft gegriffenen) Annahme liegen, die Poststelle des Empfängers sei zwischen den Jahren ohnehin nicht besetzt. Am 03.01.2022 lieferte der Kurier die Sendung aus, jedoch gut eine Stunde zu spät.

Der Bieter meint, sein Angebot sei noch zu werten. Er habe die Verspätung nicht zu vertreten. Der Auftraggeber habe nämlich nicht die Öffnungszeiten zwi schen den Jahren mitgeteilt, weswegen er den Kurierdienst nicht habe darauf hinweisen können. Anders sieht es aber die Vergabekammer. Der Bieter hätte nicht auf Öffnungszeiten hinweisen müssen, sondern vor allem auf den Schlusstermin.

Das aber hatte er ebenfalls nicht getan, weswegen ihm die Ver spätung zuzurechnen und sein Angebot auszuschließen ist.

Bund

(Beschl. v.

Zusammenfassung der Ent scheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, Mün chen (Oppler Büchner PartGmbB)

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 14 Beschaffung / Vergaberecht
OLG Karlsruhe (Beschl. v. 04.05.2022, Az.: 15 Verg 1/22)
VK
02.05.2022, Az.: VK 1-33/22)
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von Berlin –Senatskanzlei

Leitungsstab

-3010 Persönliches Büro der Regierenden Bürgermeisterin

Leitung LS Marc Niklas Förster

Reden und Grußworte

Die Sprecher/-innen des Senats Spr/CPIA Lisa Frerichs

-3200 Stv Spr Seb astian Brux

Die Bürgermeister/-innen von Berlin Bm Bettina Jarasch

-2500 Stv Spr Kathi Seef eld

-3300

-3400 Bm Dr . Klau s Lederer

RBm/R Dr . Ursula Walker

-2459 Chief Digital Officer Staatssekretär für Digitalisierung und Verwaltungsmodernisierung CDO Dr . Ralf Kleindiek

-90223/2750 (bei der Sen atsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport)

Verwaltungssteuerung CDO/VS Birgit Stapf Finé

-3013 RBm/Per sRef 1 Falk Branzke

RBm/PersRef Marian Liesenfeld

-3016 RBm/Per sRef 2 Olivia Hannemann

-3017 Planung und Gremien

Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin Franziska Giffey

-2400 Spr/R

-2357

-2548 Smart City/CityLAB CDO/SC K aren Laßmann

-3702

-2100

Abteilung ZS Zentrale Steuerung, E-Government, Personalkommission des Senats Bernd Palenda

-2130

ZS A Personal, Organisation Daniela Rösch

-2463

ZS B Zentrales Finanzmanagement Jürgen Gärtner

-2188

ZS C Informationstechnik, E-Government Jens Heinrich

ZS D Innere Dienste, Grundstücksund Gebäudeangelegenheiten, Beschaffung

-2180

-2322

Michaela Urban

ZS E Rechtsangelegenheiten, Vergabe-Service, Personalkommission, Registratur Claudia Näser

-2348 Rbm/PlG 2 Janick Ellwein

-2800

RBm/PlG 1 Astrid Ho llmann

Abteilung IV Kommunikation und Information Katrin Münch Nebel

IV A Aktueller Dienst; Landesredaktion Berlin de, Öffentlichkeitsarbeit

-2412

IV B Social Media IV C

Sonderformate, Partizipation

Mathias Gille

Foto: BS/SPD Berlin, Jonas Holthaus Chef der Senatskanzlei/Staatssekretär für Medien und die Metropolregion CdS Dr . Severin Fischer

-3100 CdS/R ef 1 Christopher King

-3103 CdS/R ef 2 Anna-Lena Jaross

-3104 CdS/R ef 3 Kai Schlotterose

-3105

-2300

Abteilung III Koordinierung Ressorts und Landespolitik

NN

Abteilung II Protokollchefin des Landes Berlin, Protokoll und Internationales Carolin Freifrau von

-2600 Bud denbrock Hettersdorf

-2340

III A Inneres, Justiz, Finanzen, Bürgerberatung Julia Beckel

-2210

III B Wirtschaft, Stadtund Regionalentwicklung Prof . Dr . Hans Jörg Schmedes

-2620

II A Protokoll; Betreuung offizieller inund ausländischer Gäste, Veranstaltungen, Orden und Ehrungen; Ehrengrabstätten Regine Kayser

-2352

III C Gesundheit, Kultus und Stadtgesellschaft Guido Bockelmann

III E Wohnungsbau und Infrastruktur Daniela Riedel

-2240

B Internationales (ohne EU-Angelegenheiten); internationale Städteverbindungen; ausländische Vertretungen in Berlin; Streitkräfteangelegenheiten Dr . Rainer Seider

-2700

Bundesangelegenheiten, Medien, Engagementund Demokratieförderung Wolf Plesmann

Bundesangelegenheiten

-2723

-2722

-2450 Abteilung

Cordula Biniasz

MPK, Medienund Rundfunkangelegenheiten, Netzpolitik

Alice Halsdorfer

Engagementund Demokratieförderung Friedemann Walther

Rathaus

Rotes

-2721 III G (GSen) Geschäftsstelle des Senats Steffen Glöckler

-2380

Personelles Seite 15Behörden Spiegel / Oktober 2022
ef Benedikt Ziegenfuß -3205 Bevollmächtige des Landes Berlin beim Bund, Staatssekretärin für Engagement-, Demokratieförderung und Internationales Bv Ana-Maria Tr ă snea -3600 Bv/R ef Dorieta Gjura -3601
Jüdenstraße 1 10178 Berlin Tel.: 9026-0 Intern: (9)26 F ax: 9026-2013 E M ail: Die-Regierende-Buergermeisterin@senatskanzlei-berlin.deI A**
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Dr .
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I
II
Die Regierende Bügermeisterin
Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Die Regierende Bügermeisterin von Berlin –Senatskanzlei Stand: Oktober 2022 **) Landesbüro beim Bundesrat Berlin Leipziger Straße 3–4 10117 Berlin 11055 Berlin (Postanschrift) Tel.: 18 9100 910/912 Fax: 18 9100 911 *) berichtspflichtig gegenüber dem CdS

Freundlich, gründlich, zuverlässig

Ein Gespräch mit dem Botschafter der Niederlande Ronald van Roeden in Berlin

(BS/ps)

Wenn 17 Millionen Menschen auf einer Fläche kleiner als Niedersachsen leben, dann geht es eng zu. Genau genommen teilen sich 420 Einwohner einen Quadratkilometer. Sie sind statistisch gesehen das körperlich längste Volk der Welt und fahren jährlich rund 14 Milliarden km mit dem Fahrrad. Das ist ebenso gesund wie bequem, denn Hügel (geschweige denn Berge) gibt es mitnichten. Ungefähr die Hälfte des Königreiches liegt weniger als einen Meter über und ein Viertel unterhalb des Meeresspiegels. Man steht dort bei “lekker” Heringsfilets (mit oder ohne Zwiebeln) beisammen, wünscht einander “Eet smakelijk” und radelt weiter mit seinem fiets. So gehört sich das in Holland.

Eigentlich gehörte es sich ja, “Niederlande” zu schreiben, weil Holland nur der Name einer Region im Westen des Landes ist.

Aber wir dürfen das – man kennt sich längst als Nachbarn aus guten und schlechten Tagen. Damit Letztere die Ausnahme bleiben, gründen die Regierungen in Den Haag, die niederländische Hauptstadt Amsterdam liegt gut 60 km nordöstlich, und Bonn zusammen mit Belgien, Frankreich und Italien 1951 die Montanunion für gemeinsame Kohle- und Stahlproduktion. Der supranationale Wirtschaftsverband sollte 1957 mit den “Römischen Verträgen” die Blaupause für die EWG und die EU werden.

Blick in die Vergangenheit

1992 werden diese durch den Vertrag von Maastricht ersetzt, die “Vereinten Staaten von Europa” nehmen zunehmend Gestalt an und van Roeden schließt sein Studium an der “École nationale d’administration” (Nationale Hochschule für Verwaltung) in Paris ab. 1985 ist er in den diplomatischen Dienst eingetreten, bis 1995 Ständiger Vertreter bei der OECD in Paris, und ist immer wieder im Außenministerium in Den Haag tätig. 2006 wird er Botschafter in Norwegen und Island, später europapolitscher Berater des niederländischen Ministerpräidenten, dann EUBotschafter in Brüssel und 2021 schließlich diplomatischer Frontmann bei uns.

Gegenseitig stärken

Mit Berlin sind die bilateralen Beziehungen auf allen Ebenen freundschaftlich, eng und vielseitig. “Zum einen verfolgen wir die Entwicklungen in Deutschland in vielen Bereichen, zum anderen fördern wir eine noch engere, breitere Zusammenarbeit

und müssen daher weiter in sie investieren, denn Deutschland ist ein Schwergewicht in Europa und unser wichtigster Handelspartner. Aber auch in den Bereichen Verteidigung, Polizei und Justiz, Kultur, Bildung oder Innovation gilt es zu kooperieren. Denken Sie nur an die Energiefrage, die jetzt durch den schrecklichen Krieg, den Russland in der Ukraine entfesselt hat, noch größer geworden ist”, sagt van Roeden

Hier böten sich große Chancen, zum Beispiel im Bereich Wasserstoff und Offshore-Windenergie. “Die Niederlande und Deutschland können sich gegenseitig stärken”, so der Chefdiplomat des Königsreichs. “Und wo wir unterschiedlich denken, ist der Gedankenaustausch immer konstruktiv und pragmatisch. Dies ist nur möglich,

Rezept des Botschafters

Jagdschoddel

wenn man über gute Kontakte und ein starkes Netzwerk verfügt. Wir tun dies mit Dutzenden von Mitarbeitern. in der Botschaft in Berlin, in den Generalkonsulaten in Düsseldorf und München, verschiedenen Netherlands Business Support Offices (NBSO) und mit unseren Honorarkonsuln. Es ist schön und herausfordernd, sie führen zu können. Es geht nicht nur um den guten Ruf, sondern ebenso sehr um den Inhalt.”

Gleiche Positionen

Und dabei vertreten Berlin und Den Haag in der Politik, bei der Währungsunion, den wirtschaftlichen Strukturreformen in der Eurozone sowie bei den fundamentalen Werten der EU gleiche Positionen. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte schon 2014: “Die Niederlande und Deutschland stehen sich näher denn je. Wir sind nicht einfach Nachbarn, sondern enge Freunde im Herzen Europas.” “Niederländer und Deutsche”, so Botschafter van Roeden, “haben ein ähnliches Weltbild und entsprechende pragmatische Einstellungen. Letztlich waren es jedoch die vielen zwischenmenschlichen Kontakte, die unsere Länder einander sehr na-

hegebracht haben. Nehmen Sie die Reihe erfolgreicher Besuche unseres Königs und unserer Königin in allen Bundesstaaten in den letzten Jahren, die regelmäßigen Konsultationen zwischen Regierungschefs und Ministern. Ein weiteres gutes Beispiel ist, dass die Grenze zwischen unseren Ländern die einzige in Europa war, die während des Höhepunkts der Corona-Pandemie offenblieb. Aber ein ebenso wichtiger Faktor: Viele Deutsche besuchen die Niederlande. Und vice versa natürlich auch – privat und geschäftlich. Persönliche Kontakte helfen enorm, das gegenseitige Verständnis und die Freundschaft zu fördern. All dies hat dazu geführt, dass sich das Image Deutschlands in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat. Wenn ich das Bild in wenigen Worten zusammenfassen müsste: freundlich, gründlich, zuverlässig.”

Weg vom Gas

Auch bei der Energieversorgung gibt es große Gemeinsamkeiten zwischen beiden Nachbarn. Obwohl Erdgas mit Abstand der wichtigste Energieträger der Niederlande ist, soll sich das, wie bei uns, ändern. Den Haag will weg

vom Gas, hin zu den Erneuerbaren. Bis 2023 sollen 16 Prozent des Energiebedarfs aus regenerativen Quellen kommen und bis Ende dieses Jahres will man von russischen fossilen Brennstoffen unabhängig sein. “Die europäische Frist für Kohle ist der 11. August. Die Niederlande importieren etwa 15 Prozent aus Russland und versuchen, diesen Anteil so schnell wie möglich zu reduzieren.” Zum Vergleich: Der europä-

ische Durchschnitt liege bei 35 und der deutsche bei 50 Prozent. Dies geschehe durch Energieeinsparungen, Diversifizierung durch LNG-Terminals, wie z. B. die Erweiterung des bestehenden Terminals in Rotterdam und ein neues schwimmendes Terminal im Eemshaven, um sicherzustellen, dass die niederländischen Gasspeicher vor dem Winter voll seien. Dies könne durch Preisgarantiesysteme, zusätzliche Prämien und Ausgleichszahlungen für Lagerkosten geschehen. “Der Abbau des Groninger Gasfeldes wird fortgesetzt. Nur unter extremen Umständen könnte mehr herausgeholt werden”, berichtet van Roeden

Zutaten: Roastbeef (250 bis 300 g), 500 g Rinder/Schweinehack, 5 Zwiebeln (in halbe Ringe geschnitten), 2 EL Sonnenblumenöl, 1 EL Butter, 1 Lorbeerblatt, 2 Nelken/1/2 TL Nelkenpulver, 1 EL weißer Naturessig, 1 EL Zucker, 1 Scheibe Soßen-Lebkuchen, Schuss Rotwein, Pfeffer, Salz nach Geschmack. Kleiner Rotkohl (600 Gramm), 1 Schalotte, 2 EL Butter, Pfeffer, Salz, 2 TL Zimt, 1 EL Zucker, 1 Lorbeerblatt, 1 Teelöffel Nelkenpulver oder 3 Nelken, 1 großer Apfel, 1 EL Maisstärke, eventuell 2 EL Marmelade (Pflaumen, Heidelbeeren, Cranberry), 750 Gramm weichkochende Kartoffeln , Salz, Pfeffer, Muskatnuss, 2 dl Milch, 25 Gramm Butter, 1 Extra-Apfel (in dünne Scheiben aufgeteilt), Paniermehl, Butter

Zubereitung: Hackfleisch in Sonnenblumenöl von allen Seiten braun anbraten, aus der Pfanne nehmen und die in halbe Ringe geschnittenen Zwiebeln im restlichen Fett schmoren. Wenn Sie Rindfleischreste verwenden, schneiden Sie diese in Stücke und geben Sie sie zu den

Röstzwiebeln. Mit Wasser so ablöschen, dass das Fleisch und die Zwiebeln bedeckt sind. Lorbeerblatt, Gewürznelken/Nelkenpulver, Essig, Zucker, Pfeffer, Salz und die Lebkuchenscheibe (in Stücken) hinzufügen. Alles gut umrühren und das Hackfleisch mit dem Roastbeef mindestens 2 Stunden und mit dem restlichen Fleisch etwa 45 Minuten köcheln lassen.

Rotkohl

Den Rotkohl waschen. Den Kohl raspeln oder in kleine Streifen schneiden. Die Zwiebel schälen und würfeln. Öl in der Pfanne erhitzen. Die Zwiebel glasig anbraten, den Rotkohl dazugeben und kurz anbraten. Zimtstange, Lorbeerblatt, Nelkenpulver, Salz, Essig und Zucker in die Pfanne geben. Gut umrühren. 1 dl Wasser hinzufügen. Den Rotkohl zum Kochen bringen. Den Deckel auf die Pfanne legen und den Kohl unter gelegentlichem Umrühren etwa 20-30 Minuten kochen lassen. Wenn die Flüssigkeit zu sehr verdunstet, fügen Sie etwas mehr Wasser hinzu. Zimtstange und Lorbeerblatt

entfernen. Apfel und Backpflaumen und/ oder Zwetschgenmarmelade dazugeben und unterrühren.

Kartoffelpüree

Aus 8-10 mittelgroßen, mehligkochenden Kartoffeln ein grobes Püree zubereiten und mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss abschmecken.

Backofen auf 200 Grad Celsius (Ober- und Unterhitze) oder 180 Grad Celsius (Warmluft) vorheizen. Das Hackfleisch auf den Boden der Auflaufform legen und Rotkohl darauf verteilen.

Dann die dünnen Apfelscheiben und das Kartoffelpüree dazu geben, mit Semmelbröseln bestreuen und einige Butterflöckchen darüber verteilen. Die Schüssel in die Mitte des auf 200 Grad vorgeheizten Ofens stellen und etwa 30 bis 45 Minuten backen, bis der Brei eine schöne goldbraune Farbe hat und alles schön warm ist.

Dazu passen ein Pilsner, Rotwein und zum Schluss ein Genever.

Eet smakelijk, guten Appetit!

37 Jahre ist Ronald van Roeden mittlerweile 65, im diplomatischen Dienst der Niederlande und rundum damit zufrieden, sodass er allenfalls für einen Tag mit Prof. Dr. Jacco Pekelder vom Zentrum für Niederlande-Studien an der Universität Münster tauschen möchte. “Ich stelle es mir schön vor, die Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden aus der Perspektive von Kultur, Bildung und Nachbarschaft zu erforschen.”

Letzte Frage: Hat Mijnheerer schon Pläne für die Zeit “danach”, als Diplomat a. D.? “Mehr Zeit mit meiner Frau, aber auch mit den Kindern, Enkeln und Freunden zu verbringen. Über europäische Zusammenarbeit zu unterrichten und zu schreiben, insbesondere Briefe und Kolumnen.”

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 16 Diplomatenspiegel
(Jagdgericht) für 4 Personen
Fahrradfahren, wie hier über den Grachten in Amsterdam, ist in den Niederlanden sehr beliebt. Foto: BS/adisa, stock.adobe.com Seit 2021 repräsentiert er das Königreich Niederlande in Berlin: Botschafter Roland van Roeden, hier am Hackischen Markt Foto: BS/Niederländische Botschaft

Den Mix und die Prozesse managen

Energieversorgung dezentralisieren und neue Modelle bauen

(BS/Jörn Fieseler) Die Diskussion um die Energiepreise ist das eine. Die langfristige, möglichst unabhängige Sicherstellung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Energiebedarfs das andere. Im Zentrum steht die Transformation der Energiegewinnung. In der Fläche genauso wie in den Städten. Für Letztere liegt die Lösung im Quartier. Wieder mal. Schon bei der Diskussion über die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum fiel dieser Satz. Jetzt wird er wiederholt. Zu Recht. Doch schon Johann Wolfgang von Goethe hat treffenderweise formuliert: “Die Lösung eines Problems ist ein neues Problem.”

“Wir müssen Ruhe bewahren und unsere Kraft bei den Punkten einsetzen, die wir beeinflussen können”, sagte Dr. Maik Piehler aus der Geschäftsführung der Leipziger Stadtwerke GmbH, auf dem diesjährigen Stadtwerkekon gress des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Auch wenn die Gasspeicher aktuell bei über 90 Prozent stünden, gehe es kurzzeitig trotzdem darum, einen breiten Mix an Einsatzstoffen sicherzustellen, auch mit Kohle und Atomkraft.

Damit bringt er die Haltung der kommunalen Energieversorger auf den Punkt. Mittel- und langfristig ist es das Ziel, die Energieversor gung auf 100 Prozent aus Erneu erbaren Energien umzustellen. Grüne Energie als Standortvorteil

Dabei befinden sich die Leipziger Stadtwerke in einer günstigen Ausgangslage. Erst im September ist eines der modernsten Gas kraftwerke in Betrieb gegangen, mit dem rund 50 Prozent der Kernstadt mit Wärme versorgt werden können. Herzstück sind zwei Gasturbinen mit jeweils 62,5 Megawatt (MW) elektrischer Leistung, deren Abgasstrom in nachgeschalteten Heißwasserer zeugern genutzt wird, um jeweils 81,5 MW thermische Leistung für die Wärmeversorgung bereitzu stellen. Beide Turbinen können nicht nur mit Gas, sondern auch mit grün hergestelltem Wasser stoff betrieben werden.

Ebenso treibt die Lausitzer Ener gie AG (LEAG) die Energie-Trans formation voran. “Die Bergbau folgeflächen der LEAG-Tagebaue, rund 33.000 Hektar, sind ein Flä chenschatz für Erneuerbare Ener gien und vergleichsweise konflikt arm für Naturschutz, Mensch und Umwelt”, u n terstrich Thorsten Kramer, Vorstandsvorsitzender

der LEAG, auf dem Ostdeutschen Energieforum. Deshalb will das Unternehmen eine Gigawatt Factory auf den eigenen Arealen errichten und neben Wind und Photovoltaik grünen Wasserstoff produzieren – Leistungsumfang: sieben Gigawatt.

Überhaupt war man sich auf dem Forum einig, dass die Um stellung auf und die Bereitstel lung von Strom aus 100 Prozent Erneuerbaren Energien immer mehr zum Standortvorteil für Kommunen wird. “Wir sprechen mit immer mehr Bürgermeistern über grüne Gewerbegebiete. Wir haben diesbezüglich eine exzel lente Startposition”, sagte Dr. Stephan Lowis, Vorstandsvorsit zender der envia Mitteldeutsche Energie AG (enviaM).

Für Dr. Simone Peter, Präsiden tin des Bundesverbandes Er neuerbare Energie e.V., zählt zu diesen Standortvorteilen auch die Energie aus 9.500 Biogasanla gen. Für die frühere Vorsitzende

von Bündnis 90/Die Grünen sind diese Anlagen ein Back-up für Sonne und Wind vor Ort.

Quartierswerke bauen Doch Fernwärmenetze und Bio gasanlagen werden nicht aus reichen, um die Energie- und Stromversorgung überall sicher zustellen. Gerade in den Städten nicht. “Quartiere sind die Lösung”, unterstreicht Georg Friedrichs, Vorstandsvorsitzender der Gasag AG. Faktisch werde man Quar tierswerke errichten, mehrere kleinere Stadtwerke innerhalb der Stadtwerke. So etwa beim Berliner Projekt “Gartenfeld” in Spandau.

Dort sollen rund 3.700 Wohnun gen und 600 Gewerbeeinheiten auf 40 Baufeldern entstehen. Die Wärmeversorgung soll über eine innovative Kraft-Wärme-Koppe lung in Kombination mit einer so genannten Power-to-Heat-Anlage und m ehreren Wärmepumpen sichergestellt werden. Auch der Einsatz von Wasserstoff werde

mitgedacht. Zudem sollen Pho tovoltaik-Anlagen auf allen Dä chern den benötigten Mieterstrom liefern. Selbst das Regenwasser soll in einem großen Rückhalte becken und auf Retentionsflächen gesammelt und zur Grünflächen bewässerung genutzt werden. Ein Beispiel mit Zukunftsaussichten. Baustelle Bestand

Die Energieversorgung dezentral beim Neubau von Quartieren zu planen und umzusetzen, ist einfach. Viel schwieriger ist es, Lösungen für den Bestand zu fin den. Dafür sei im ersten Schritt ein stabiler CO2-Fußabdruck zu ermitteln, erläutert Thomas Hum melsbeck, Geschäftsführer der Rheinwohnungsbau GmbH. So werde sichtbar, wo Bedarfe lägen und wo nicht. Den höchsten CO2 Wert im Bestand verzeichne die Wohnungsbaugesellschaft in ei nem Quartier in einem Duisbur ger Stadtteil mit 850 Wohnungen, die alle mit Gas beheizt würden.

“Wir müssen viel Arbeit in die Idee investieren, uns von fossiler Energie unabhängig zu machen”, bilanziert Hummelsbeck. Denn 40 Prozent der Wohnungsbestände in Deutschland seien zwischen 1950 und 1975 gebaut. “Darauf liegt der Hauptfokus, dort ist die Lage am dringlichsten.” Doch nicht überall lassen sich Wärmepumpen oder Photovolta ik-Anlagen ohne Weiteres einbau en. Nicht jedes Dach ist für eine PV-Anlage geeignet. Ebenso ist der weitere Ausbau des lokalen Netzes mit Netzverstärkern auf Nieder- und Mittelspannungs netzen mitzudenken. Letztlich müssten für die Energiewende im Bestand eine Vielzahl von Akteuren zusammenkommen, um dezentral die geeignetsten Lösungen zu finden. “Das ist eine Managementaufgabe und das sollte Aufgabe der Kommunen sein”, fordert Natalie Heinrichs, Geschäftsführerin der Stadtwer ke Sehnde GmbH. Doch dafür seien diese nicht aufgestellt und hätten zu wenig Ressourcen.

Fest steht: Die Wärmewende darf nicht mit derselben “Geschwin digkeit” vonstattengehen wie bei spielsweise der Glasfaserausbau. Dafür ist ein gemeinsames Han deln von Kommunalverwaltungen, Stadtwerken, Wohnungsbauge nossenschaften und auch privaten Hauseigentümern nötig. Im Sinne G oethes wirft dies die nächste Frage auf: die Finanzierung all dessen. Für die Energiewende braucht es viel Kapital. Auch in Form von Investorengeldern. Hier gilt es, Scheuklappen abzulegen und über neue Wege nachzuden ken. Warum nicht partnerschaft liche Modelle oder Kooperationen mit Wohnungsbaugenossenschaf ten und Energieversorgern einge hen. Auch das ist eine Aufgabe für Entscheidungsträger.

KNAPP

Aufnahmeeinrichtun gen sind voll belegt (BS/mj) “In vielen Städten sind alle Aufnahmeeinrichtungen voll belegt und das schon vor dem Winter”, warnt Burkhard Jung, Oberbürgermeister von Leipzig und Vizepräsident des Deutschen Städtetages (DST). Er fordert von Bund und Ländern, mehr Ka pazitäten für die ankommenden Menschen zu schaffen (siehe dazu auch Seite 25 ) und deren Ver teilung besser zu koordinierten.

Laut dem DST-Vizepräsidenten müssen bereits jetzt einige Städte auf Turnhallen und andere Notun terkünfte zurückgreifen. Zudem steige die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. “Die Lage ist aktuell sehr ernst”, fasst er die Situation zusammen und macht zugleich deutlich, dass die Kommunen in ihrer Hilfe für die Geflüchteten aus der Ukraine nicht nachlassen wollten. Aller dings könnten sie die Unterbrin gung nicht mehr allein stemmen. Des Weiteren bemängelt Jung : “Innerhalb der Länder gibt es ein Ungleichgewicht zulasten der gro ßen Städte.”

Kommunaler Woh nungsbau stagniert

(BS/mj) “Der Dreiklang lautet: Entlasten, beschleunigen, Anrei ze setzen”, forderte Nicole Razavi, Baden-Württembergs Ministe rin für Landesentwicklung und Wohnen, auf der Sitzung des Ausschusses für Städtebau und Umwelt des Deutschen Städteund Gemeindebunds (DStGB).

Die Zielmarke von 100.000 neu en Sozialwohnungen pro Jahr, könne de r zeit aufgrund von steigenden Baukosten, Mate rialengpässen sowie Fachkräf temangel nur schwer erreicht werden, erklärte Tobias Eschen bacher, Oberbürgermeister von Freising und Vorsitzender des D StGB-Ausschusses. “Umso wichtiger ist es, dass die beein flussbaren Faktoren beim Thema Wohnungsbau, insbesondere im Bereich der Baulandmobilisie rung, weiter verbessert werden.”

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.de Kommune Berlin und Bonn / Oktober 2022
Die Energiewende zu managen, ist Aufgabe der Kommunen. Je nach Größe sind neue Lösungen auf Quartiersebene zu suchen. Foto: BS/gopixa, stock.adobe.com .org Klimaschutz und Infrastruktur –von der Agenda zur Umsetzung neuestadt.org/kongress Grafik: © VectorMine, stock.adobe.com 7. Dezember 2022  fast 100 Referenten/-innen aus kommunaler Praxis, Politik, Wissenschaft und (Kommunal-) Wirtschaft  Hauptprogramm und parallele Fachforen, Workshops und Breakouts  Networking mit den Referenten/-innen und anderen Teilnehmenden in der Weblounge kostenfrei

Für die kreisfreie Stadt In golstadt ist die Anpassung an den Kl imaw andel ein we sentlicher Bestandteil nach haltiger Klimaschutzpolitik und sie ergänzt das “Integrierte Klimaschutzkonzept”, das die Maßnahmen zur Treibhaus gasreduzierung auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2035 beschreibt.

Der Schlüssel zur Anpassung an die Folgen des Klimawan dels liegt im Erhalt und Ausbau blauer und grüner Infrastruktur. Ökosysteme und ihre Leistungen, etwa die “blaue Infrastruktur” naturnaher Bäche und Flüsse als natürlicher Hochwasserschutz und die “grüne Infrastruktur” wie Wälder und Parks, sind ebenso wie “graue, also technische Infrastruktur” für die Entwicklung der Stadt unverzichtbar. Blaue und grüne Infrastruktur tragen zum menschlichen Wohlergehen durch Erholungsmöglichkeiten und zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei. Zuletzt rückte die Be deutung der blauen und grünen Infrastruktur für die Anpassung an den Klimawandel immer mehr in den Fokus, so auch bei der Europäischen Union und ihren Förderprogrammen zur interna tionalen Zusammenarbeit.

Zusammenarbeit an der Donau

Die verschiedenen Interreg-Pro gramme der EU zielen auf eine verbesserte Zusammenarbeit von Städten und Regionen ab und ermöglichen somit Austausch und Lernen über die Grenzen hinweg.

Ingolstadt beteiligt sich seit vielen Jahren im Rahmen die ser Interreg-Programme an eu ropäischen Projekten, die sich mit den verschiedenen Aspekten blauer und grüner Infrastruktur auf großmaßstäblicher Ebene beschäftigen. Ab 2009 setzte Ingolstadt Naturschutzprojek te an der Donau im Rahmen des Südosteuropa- und Donauraumprogramms um, woraus zur Verstetigung der Verein “Danubeparks” mit Mitgliedern von Bayern bis ins Donaudelta entstand, bei dem Ingolstadt im Vorstand vertreten ist.

Internationale Naturschutzpro jekte entlang der Donau werden mit der Entwicklung der Auen gebiete in und um Ingolstadt

Um den klimatischen Heraus forderungen zu begegnen, braucht es konkrete Maßnahmen auf Ebene der Stadtentwicklung und -planung. Aber auch das Alltagshandeln der Bürgerinnen und Bürger ist entscheidend, denn Veränderungen wirken bereits im Kleinen, wenn sich alle beteiligen. Deshalb ist es uns wichtig, die Bürgerschaft auf dem Weg, der vor uns liegt, mit zunehmen – durch Information, Kommunikation und Beteiligung. Ein wesentlicher Ansatz im Handlungsfeld der Klimaanpas sung ist die Stärkung der blauen und grünen Infrastruktur. Wir wollen die Bedeutung von Stadt grün und Wasser sichtbarer ma chen. Ziel ist, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern, die Lebensqualität der Menschen zu steigern, die Artenvielfalt zu erhalten und dem Natur- und Umweltschutz mehr Raum zu geben.

Lieblingsbäume

So entsteht zum Beispiel mehr naturnahes Stadtgrün durch das Bund-Länder-Programm “Wachstum und nachhaltige Erneuerung”. Seit 2018 parti zipiert Maintal an diesem Städ tebauförderprogramm, das die grüne und blaue Infrastruktur verbessern sowie Klimaanpas sung und -schutz in die Stadtund Quartiersentwicklung integrieren möchte. Das BundLänder-Programm ist aber nur

(BS/Dr. Christian

Dem Klimawandel begegnen

Blaue und grüne Infrastruktur für nachhaltige Städte

bei weiter zunehmenden som merlichen Hitzeperioden für die Lebensqualität der Bewohnerin nen und Bewohner von großer B edeutung. Gleichzeitig sind Aspekte der Biodiversität und der biologischen Durchgängig keit an Land und im Wasser zu berücksichtigen.

Umsetzung des Aktionsplans

menarbeiten.

Lead-Partner wurde die Regi on Métropole Nice Côte d’Azur aus Frankreich, wissenschaftli cher Partner die Universität von Greenwich aus Großbritannien.

Für sechs Städte und Regionen wurden Aktionspläne entwickelt. Diese beschreiben das Vorgehen zur Entwicklung und Förderung blauer und grüner Infrastruktur als Bestandteil einer nachhal tigen Stadt- und Regionalent wicklung. Aktionspläne wurden von der Stadt Ingolstadt, der Stadt Växjö (Schweden) und den Regionen Piemont (Italien), Rije ka (Kroatien), Nice Côte d’Azur (Frankreich), Bukarest (Rumä nien) und Southern Regional Assembly (Irland) entwickelt.

Rückgrat des europäischen Biotopverbundsystems

Der Ingolstädter Aktionsplan wurde bei Workshops zusam men mit den Interessenvertre tern vor Ort wie dem Wasser wirtschaftsamt, Stadtplanern, Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft und den Projektpartnern entwickelt. Er konzentriert sich auf die Wei terentwicklung des “Stadtparks Donau”, des Planungsbereichs der innerstädtischen Donau und ihrer Uferbereiche.

Der Aktionsplan umfasst drei Punkte: In einem hybriden Betei ligungsprozess konnten Bürge rinnen und Bürger sowohl vor Ort beim “Donaulust”-Festival 2021 als auch auf www.ingolstadtmacht-mit.de ihre Visionen, Meinungen und Kommentare zur Entwicklung des Stadtparks Donau abgeben. Sowohl Begriff lichkeiten als auch die Notwen digkeit von blauer und grüner I nf rastruktur konnten damit breiten Bevölkerungsschichten nahegebracht werden.

Zweiter Punkt ist die wissen schaftliche Untersuchung der bi ol ogischen Durchgängigkeit der Stadt im Rahmen einer “faunistischen Raumwider standsanalyse”. Diese Analyse der Technischen Universitäten M ünchen und Wien ist noch nicht abgeschlossen und wird als Ergebnis des “Blue Green City”Projekts vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor schung (BBSR) gefördert.

Der d ritte Pu nkt ist die Um setzung vor Ort durch die Über nahme der Ergebnisse in die Landschaftsplanung und das Einbringen der Erkenntnisse in internationale Gremien wie den Danubeparks-Verein und die Initiative “Landschaftsplanung in Bayern – kommunal und in novativ”.

umgesetzt, so beispielsweise die Markierung von donauqueren den Stromleitungen, um Vogel schlag zu vermeiden.

Um auch auf Erfahrungen und Good-Practice-Beispiele aus ganz

Europa zurückgreifen zu kön nen, entschloss sich die Stadt 2019, sich mit sieben weiteren Projektpartnern unter dem Leit ziel “Blaue und grüne Infrastruk tur für nachhaltige Städte" beim

Projekt “Blue Green City” zu be werben. Dies erfolgte im Rahmen von Interreg Europe, dem “Policy Learning”-Programm der EU in der Regionalentwicklung.

“Blue Green City” Hierbei müssen Partner aus mindestens drei europäischen Ländern aus unterschiedlichen geografischen Regionen zusam

Die Donau ist ein Rückgrat des europäischen Biotopverbund systems “Natura 2000” und durchfließt Ingolstadt auf fast 15 km Länge. Sie verbindet Na turschutzgebiete im Westen und Osten der Stadt und ist gleichzei tig bevorzugter Aufenthalts- und Erholungsraum, der direkt mit dem Stadtzentrum verbunden ist. Daraus ergibt sich die He rausforderung, blaue (Donau) und grüne Infrastruktur (Ufer) ganzheitlich zu betrachten und multifunktional zu gestalten.

Die zu Recht gewünschte Ver besserung der Einbindung der Donau in die Stadt ist besonders

Maintals Zukunft ist grün und blau

Umfangreiches Paket an Maßnahmen und Fördermöglichkeiten

(BS/Monika Böttcher) Die Stadt der Zukunft ist keine Vision von morgen, sondern eine Aufgabe, der wir uns schon heute stellen müssen. Wenn wir eine lebenswerte Umwelt erhalten und gestalten wollen, müssen wir angesichts des Klimawandels entschieden handeln. Als Kommune tragen wir in besonderer Weise dafür Verantwortung. Deshalb bauen wir die klimaresiliente Stadt von morgen bereits heute.

ein Baustein im Bestreben für mehr Stadtgrün. Mit der Initi ative “Mehr Räume für Bäume” fördern wir Neupflanzungen und die Gesunderhaltung bestehen der Bäume – sowohl auf privaten Grundstücken als auch im öffent lichen Raum. Mit der jährlichen Aktion “Mein Lieblingsbaum” gibt es ein niedrigschwelliges Angebot für die Pflanzung neuer Bäume. Dank eines städtischen Zuschus ses können Maintalerinnen und Maintaler (auch Unternehmen) für 29 Euro einen Stadt- oder Obstbaum erwerben, um ihn auf dem eigenen Grundstück an zupflanzen. Denn mehr Bäume bedeuten entsiegelte Flächen, wen iger Schadstoffe und bes sere Kühlungseffekte. Zudem bereichern Bäume das Stadtbild. Deshalb sollen in den kommen den Jahren so viele Bäume wie möglich gepflanzt werden. Auch wenn das Ziel von 40.000 Baum pflanzungen hochgesteckt ist, w ol len wir einen Blick in die se Richtung wagen. Zusätzlich unterstützen Bürgerinnen und B ürger als freiwillige “BaumFitness-Coaches” das gesunde

Wachstum von Bäumen, indem sie während der Vegetations phase den Gesundheitszustand ausgewählter Bäume messen. Blumen- und Insektenvielfalt Ein grünes und vor allem blü hendes Maintal verfolgt auch das Projekt “Maintal blüht”, das 2016 i n der kreisweiten Initi ative “Main.Kinzig.Blüht.Netz” auf gegangen ist und mit dem sich die Stadt für die biologische und die Insektenvielfalt einsetzt. Ausgesuchte Flächen im Stadt gebiet wurden und werden als Lebensräume für Insekten akti viert und vernetzt. Es entstehen Wildblumenwiesen, -säume und -staudenbeete. Zudem werden “Blühbotschafterinnen für die Insektenvielfalt” als Ansprech personen und Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet. A uch im Bereich der Stadt entwicklung achten wir auf ei ne r essourcenschonende, klimafreundliche Entwicklung neuer Wohnquartiere mit einem möglichst geringen Flächenver brauch (Stichwort Konversion) sowie nachhaltigen Mobilitäts-

Monika Böttcher ist seit 2016 Bürgermeisterin der Stadt Maintal, die zu den ersten Klima-Kommunen in Hessen gehörte. Seit Januar 2022 ist Böttcher kommuna le Projektleiterin des Bünd nisses mit hessenweit mehr als 360 Kommunen.

Foto: BS/Mike Bender

und Energiekonzepten. Mit Carsharing-Angeboten, dem Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur für mehr E-Mobilität, zusätzlichen Fahrradabstellplätzen und einem attraktiven Angebot im öffent lichen Nahverkehr stärken wir kl i mafreundliche Alternativen für eine nachhaltige Mobilitäts wende.

Regenwasser auf Grundstücken halten

Im Bereich der Hausplanung und -sanierung gibt es ebenfalls viel Potenzial zur Klimaanpassung. Eine Option ist das Schwamm stadt-Prinzip. Wir müssen in Zukunft mehr “Schwämme” in unsere Stadt bringen und Maintal

ist da bereits auf einem guten Weg. In den vergange nen Jahren wur den Aspekte des Schwammprinzips umgesetzt, damit Regenwasser auf Grundstücken ge speichert wird und dort versickert. So ist bei Neubau ten der Einbau einer Retenti onszisterne verpflichtend. Für Bestandsgebäude gibt es ein städtisches Förderprogramm für Regenwasserauffangbehältnis se. Bereits seit Ende der 90erJahre werden Neubaugebiete im Trennsystem erschlossen, um Regen- und Schmutzwasser in getrennten Kanälen abzuführen. Das Regenwasser wird ortsnah in das nächstgelegene Gewässer oder in den Wald geleitet und dem Wasser- und Naturkreislauf zugeführt.

Auch über die Regelung der Ab wassergebühr schafft die Stadt finanzielle Anreize, um Flächen zu entsiegeln und Regenwasser zu nutzen. Bürgerinnen und

Die Teilnahme an Projekten wie “Blue Green City” ist trotz der Förderung in Höhe von bis zu 85 Prozent der Projektkos ten mit erheblichem Aufwand verbunden. Der Gewinn für die teilnehmenden Städte ist aber die einmalige Gelegenheit, Rück meldungen und Ratschläge für die eigene Stadtentwicklung von verschiedensten Stellen zu be kommen, andere S ichtweisen kennenzulernen und nicht zuletzt die eigene Stadt bekannter zu machen. Die Stadt Ingolstadt wird sich daher auch in Zukunft in diesen Projekten engagieren.

Bürger können so dauerhaft Niederschlagswasser-Gebühr einsparen und zusätzlich das Mikroklima verbessern. Weitere finanzielle Unterstützung gibt es im Rahmen der Maintaler Klima-Förderrichtlinie zum Bei spiel durch Förderungen in den Bereichen Dach- und Fassaden begrünung oder PV-Gründach. Fließgewässer als wertvolle Lebensräume

Darüber hinaus möchten wir Wasser durch die Renaturie rung und naturnahe Gestaltung von Flüssen und Bächen wieder mehr Raum geben. Insbesondere der Main wurde in den vergan genen Jahrzehnten begradigt und aufgestaut – auf Kosten natürlicher Auenlandschaften.

Um Fluss, Ufer und Aue wieder funktional zu vernetzen und ei nen Beitrag zum Natur- und Ar tenschutz zu leisten, hat Maintal das Projekt “Auenrevitalisierung am rechten Mainufer” ins Leben gerufen. Das Projekt ist einge bettet in das Bundesprogramm “Blaues Band Deutschland”. Die Initiative trägt dazu bei, Fließ gewässer und ihre Auen wieder in wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu verwan deln. Neben dem ökologischen Mehrwert dienen die Auen als natü rliche Retentionsräume auch dem Hochwasserschutz.

Wir Kommunen spielen eine zentrale Rolle bei Klimaschutz und Klimaanpassung.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 18 Grün und Blau – die Stadt der Zukunft
Scharpf)
Sommerliche Hitze- und Dürreperioden, Starkniederschläge und Stürme werden als Folge des Klimawandels weiter zunehmen. Städte sind aufgrund des hohen Versiegelungsgrads durch Gebäude und Verkehrsflächen besonders betroffen. Berechnungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt zeigen, dass die Anzahl der Hitzetage und auch der Hitzewellen sich schon in naher Zukunft verdoppeln und die Zahl der Starkregentage um mehr als die Hälfte zunehmen könnte. Gesundheit und Lebensqualität der Stadtbewohner sind dadurch beeinträchtigt. Die Stadt Ingolstadt setzt neben kommunalen Klimaschutzmaßnahmen auf eine Ergänzung durch Klimaanpassungsmaßnahmen. Dr. Christian Scharpf ist seit 2020 Oberbürgermeister der Stadt Ingol stadt. Foto: BS/Herbert, Stadt Ingolstadt Die Donauauen umgeben die Altstadt von Ingolstadt. Foto: BS/Schalles, Stadt Ingolstadt Das Donauufer lädt zum Verweilen ein. Foto: BS/Michel, Stadt Ingolstadt

Biodiversitätsstrategie in Hannover

Aspekte zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt (BS/Beate Butsch) Das Aussterben von Arten – Pflanzen, Tiere und Pilze – hat ein bedrohliches Tempo und Ausmaß angenommen. Städte und staatliche Institutionen, die Flächen besitzen, haben hier eine besondere Verantwortung. In Deutschland stehen etwa 35 Prozent der heimischen Arten auf Roten Listen, welche von Fachdienststellen für verschiedene Artengruppen erstellt wurden, um deren Bestands- und Gefährdungssi tuation darzustellen.

Hannover ist durch seine natur räumliche Lage an der Grenze des Flachlands und der Börde von der naturräumlichen Grundaus stattung her begünstigt. Feuch te Niederungen mit Wasserläu fen, sandige Geestrücken, ein Hochmoor, die mitten durch die Stadt verlaufende Leineaue sowie Bereiche mit Lößauflagen und Kalkmergelstandorte im Süden haben Potential für Artenreich tum. Die für große Städte typi sche umfangreiche Versiegelung von Flächen und die intensive Nutzung der Freiräume durch die Bevölkerung sind dennoch eine große Herausforderung für die Erhaltung und Weiterent wicklung der biologischen Viel falt. Die Biodiversitätsstrategie der Stadt Hannover setzt daher auf ein breit gefächertes Bündel an Maßnahmen. Biodiversität muss wie auch Klimawandelfol genanpassung immer mitgedacht werden. Erfolge erfordern einen langen Atem und zukunftsge richtete Entscheidungen.

Biodiversität im Stadtgebiet

In der Öffentlichkeit ist vor al lem der dramatische Rückgang der Insekten angekommen. Am Beispiel dieser Tiergruppe wird deutlich, dass es wichtig ist, die Artenvielfalt zu erhalten, denn sie stehen in einem komplexen Beziehungsnetz miteinander in Verbindung und sind vonein ander abhängig. Der Verlust an biologischer Vielfalt gefährdet die Funktion von Ökosystemen und damit auch die Lebensgrundlage für uns Menschen.

Es sind vor allem der Flächenver brauch für Rohstoffgewinnung, Nahrungsmittelproduktion, Ver kehrswege und Bebauung, der die Lebensräume stark übernutzt oder vernichtet und die Belastung der Umwelt mit Auswirkungen wie Luft-, Wasser- und Bodenver schmutzung mit Stoffen aller Art, aber auch Lichtverschmutzung und t hermische Belastungen, die zur Gefährdung und dem Aussterben von Arten führen. Die übergroße und zunehmende Zahl an Menschen verursacht durch die Übernutzung der Flächen und Ressourcen der Erde den Klimawandel und die Verluste an Biodiversität.

Klimawandel, Pandemie und Krieg in Osteuropa haben den dramatischen Verlust der Bio diversität im Bewusstsein der Öffentlichkeit mehr in den Hin tergrund treten lassen. Es ist eine große Herausforderung un serer Zeit, dieses Thema nicht zu vernachlässigen. Städte und staatliche Institutionen, die Flä chen besitzen, haben hier eine besondere Verantwortung.

Die Landeshauptstadt Hanno ver verfolgt schon seit langem das Ziel, di e Biodiversität im Stadtgebiet zu erhalten und zu fördern. Diese Aufgabe ist pri mär im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün verankert.

Politischer Wille erforderlich 2011 wurde Hannover mit dem Titel Bundeshauptstadt der Bio diversität ausgezeichnet. Diese Anerkennung zei gte, dass wir auf dem richtigen Weg sind und war gleichzeitig ein Ansporn, uns weiter für Artenvielfalt und Na turschutz zu engagieren. Zu den wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Arbeit für Bio diversität und den Erhalt der Lebensgrundlagen gehören: • angemessene personelle Res sourcen, sowohl quantitativ al s auch qualitativ (wichtig sind fachliche Qualifikation, Motivation und Ausdauer der

Beate

Mitarbeiterinnen und Mitar beitern),

• finanzielle Ressourcen – nicht nur für Projekte und Maßnah men, sondern auch für Ent wicklung, dauerhafte Pflege und Monitoring, • politischer Wille und entspre chende Beschlüsse zur För derung der Biodiversität und des Artenschutzes zu fassen.

Strategie für Biodiversität

Die aktuelle Biodiversitätsstra tegie der Stadt Hannover verfolgt das Ziel auf verschiedenen We gen, da auch unterschiedliche Lebensräume und Flächen zur Artenvielfalt beitragen: Zum ei nen orientiert sich das Pflegema nagement der Stadtwälder, allen voran der mitten in der Stadt liegenden Eilenriede, am Ziel, ihre Qualität für Biodiversität zu erhalten und zu fördern sowie an ihrer Funktion zur Naherho lung und zur Verbesserung des Stadtklimas. In den städtischen Wäldern erfolgt keine klassische Forstwirtschaft, im Gegenteil: Starke Bäume werden erhalten und Totholz bleibt überwiegend im Wald. Das naturschutzori entierte Waldbaukonzept der Landeshauptstadt ist dreifach zertifiziert (PEFC = Programme for Endorsement of Forest Cer tification Schemes; FSC = Forest Stewardship Council; NaturlandSiegel).

Zum anderen erfolgt die Unter haltung der Grünflächen in der Stadt schonend und möglichst extensiv. Auf einem Großteil der bisherigen Rasenflächen findet eine Umstellung des Mahdre gimes entsprechend den Anfor derungen von Insekten statt.

Je nach Fläche werden weniger Schnitte durchgeführt, diese aber mit Abfuhr des Mähguts Teilbe reiche bleiben bis zum nächsten Frühjahr stehen. Diese Umstel lung erfordert nicht nur Schu lungen und Sensibilisierung des Pflegepersonals, sondern auch eine entsprechende maschinelle Ausstattung. Darüber hinaus werden Sonderstrukturen an gelegt, wie Sandarien, Totholz elemente und Lesesteinhaufen.

Ein großer Anteil der Stechim menarten baut seine Brutröhren i m Boden und benötigt dafür locker bewachsene oder sogar fast vegetationsfreie Bereiche. Auch eine möglichst große Viel falt an Pflanzengesellschaften

und kleinräumi ge Wechsel von Strukturen för dern die Insek tenvielfalt und die Populations stärken. Hierfür zieht die städti sche Baumschule gebietsheimische Gehölze an, die für Anpflanzungen in den landschaftsräumen und in der Stadt eingesetzt werden. Da bei wird besonders auf den Erhalt der innerartlichen genetischen Diversität geachtet.

In den Landschaftsräumen wird die Entwicklung von artenrei chem Extensiv-Grünland und ökologischer Landwirtschaft ent sprechend den im Agrikulturpro gramm festgelegten und vom Rat b esch lossenen Rahmenbedin gungen gefördert. Pflege durch Nutzung kann sowohl durch Be weidung als auch durch Schnitt nutzung erfolgen. Hierzu werden Pachtverträge abgeschlossen, in denen die naturschutzfachliche Nutzungsform genau festgelegt ist. Gerade artenreiche Offen landlebensräume sind Mangel biotope und für eine Vielzahl von Insektenarten lebensnotwendig.

Daher benötigen und erhalten sie verstärkte Aufmerksamkeit.

Für gefährdete Pflanzen und Tiere werden in Hannover spe zielle Artenschutzmaßnahmen durchgeführt, teilweise auch i n Kooperation mit externen Partnerinnen und Partner. Für amphibisch lebende Arten wur de ein Stillgewässerprogramm entwickelt.

Verstetigung

Durch Monitoring und Verga be von Gutachten zu einzelnen Artengruppen findet eine Evalu ation von Maßnahmen und eine Erfassung der Bestandssituation statt. Zudem nimmt die Stadt an Wettbewerben, Forschungs projekten (hier ist die Nähe zur Universität hilfreich), Förder programmen und gemeinsamen Projekten mit Externen teil. Bei spiele waren und sind “Städte wagen Wildnis”, “Ökomodellre gion Hannover” und “Stadtgrün naturnah”.

Eine Besonderheit ist das “In sektenbündnis”. Hierzu haben sich über 20 Partnerinnen und Partner zusammengeschlossen, um den Schutz und die Förde rung von Insekten gemeinsam voranzubringen. Nach dem Auf takt mit dem Abschluss einer Deklaration wurden bereits erste Maßnahmen realisiert.

Umwelztbildung und Hör spaziergänge

Sehr wichtig ist zudem Umwelt bildung für alle Bevölkerungs gruppen anzubieten und in der Stadtgesellschaft den Schutz der Artenvielfalt zu verankern. Ne ben Öffentlichkeitsarbeit über er kl ärende Schilder an nicht mehr gemähten Rasenflächen und Lehrpfade – auch in mo dernen, digitalen Formaten, wie z. B. Hörspaziergängen – gibt es Ausstellungen, Vorträge, Füh rungen sowie Informationsma terial in Papierform und digital.

Veranstaltungen im Kinderwald, in der Waldstation und im Schul biologiezentrum richten sich an Kinder und Jugendliche.

Hannover wird sich auch zu künftig mit aller Kraft für die Erhaltung und Förderung der Biodiversität einsetzen. Es ist notwendig, dass alle - Politik, Kommunen, Flächenbesitzende, Firmen und Privatpersonen –dazu beitragen.

Zwischen Gamescom und Uraltprozessen

Junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister umgehen und überwinden Hindernisse

(BS/Malin Jacobson) “Mich nervt es, dass ich meinen Mitarbeitenden keinen Obstkorb hinstellen kann, weil ich sonst mit einem Bein im Knast stehe”, erzählte ein Teilnehmer der Jahrestagung des Netzwerks Junger Bürgermeister*innen. Und ein anderer antwortete: “Wir dürfen es auch nicht, machen es aber einfach trotz dem.” Es waren diese Gespräche auf Augenhöhe, über die kleinen und großen Probleme des Alltags, die das Netzwerktreffen der jungen Kommunalpolitikerinnen und -politiker ausmachte. “Wie macht ihr das denn?” oder “Wo steht ihr denn bei diesem Thema” waren oft gehörte Sätze auf der Veranstaltung unter dem Motto “Jung und Staatstragend”.

Neben der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Vereins Netzwerk Junge Bür germeisterinnen der Bundes republik Deutschland e.V. bot die Tagung den Anwesenden vor allem die Gelegenheit zum Aus tausch und Input zu verschie denen, die Kommunalpolitik tangierenden, Themen wie dem Bürokratieabbau, dem Fachkräf temangel, der Mobilitätswende oder der Digitalisierung.

Hoher Besuch

Ein besonderes Highlight der Veranstaltung war der Besuch ukrainischer Bürgermeisterin nen und Bürgermeister. In kur zen Präsentationen stellten sie ihre Heimatstädte sowie deren aktuelle Situation vor und stan den für Fragen und Austausch mit den deutschen Kolleginnen und Kollegen bereit.

Auch MdB Daniela Kluckert , parlamentarische Staatssekre tärin im Bundesministerium für Verkehr und Digitalisierung, sprach auf dem Netzwerktreffen über aktuelle kommunale Her ausforderungen. “Zukunftsfähig keit der Kommunen bedeutet, dass diese den Bürgerinnen und Bürgern einen zukunftsfähigen Lebensraum geben”, erklärte.

Die Handlungsoptionen diese Lebensräume zu gestalten, sei en so unterschiedlich wie die Kommunen selbst. Auch den Ausbau des Schienennetzes, welcher für das Erreichen der Klimaziele unumgänglich sei,

sprach die Staatssekretärin an.

“Das größte Problem bei der Deutschen Bahn ist aktuell die Baustellenplanung”, erörterte sie, “weswegen wir in Zukunft nicht einzelne Strecken, son dern ganze Korridore sanieren wollen.” Auf die Frage, warum laut aktuellem Haushaltsplan immer noch mehr Geld in die Straßennetze als die Schiene fließe, erläuterte sie, dass es nicht reiche nur mehr Geld in die Schiene zu geben, sondern man müsse die Deutsche Bahn refor mieren und besser aufstellen.

Ungewöhnliche Wege

Ein Umdenken und Reformieren des Systems, sei auch bei der Pro blematik des Fachkräftemangels nötig, waren sich alle anwesenden einig. Ulrich Silberbach, Präsident Deutscher Beamtenbund und Tarifunion DBB, berichtete, dass dem Öffentlichen Dienst aktu ell rund 360.000 Mitarbeitende fehlen. “Schuld sind der Wettbe werb mit freier Wirtschaft und der Generationenwechsel, aber auch der Wettbewerb unterein ander”, erklärte er. Die kleinen Kommunen könnten mit den Größeren nicht konkurrieren und auch die finanzstärkeren Länder und der Bund zögen Mit arbeiterinnen und Mitarbeiter ab. Heike Krutoff, Referentin im Programmbereich Personalma nagement Kommunale Gemein schaftsstelle für Verwaltungsma nagement (KGSt), ergänzte: “Die Abwanderungen sind nicht nur

von kleinen zu großen Kommu nen, auch umgekehrt und vor allem zu den freien Trägern, die sch neller und flexibler reagie ren können.” Silberbach forderte in diesem Zusammenhang von den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern des Netzwerks: “Sie müssen dorthin gehen, wo die Nerds sitzen, um Leute zu rekrutieren, beispielsweise auf der Gamescom”, erklärte der DBB-Präsident. Dem konnte sich auch Krutoff anschließen: “Bei Karrieretagen an Schulen ist der Öffentliche Dienst so gut wie nie vertreten! Wir müssen als Arbeitgeber bekannter und sichtbarer werden. Wir brau chen ungewöhnliche und neue Wege auf uns aufmerksam zu machen!”

Rechtliche Blockaden

Ein großes Problem für die Kom munalvertretenden, sei zudem das starre Tarifsystem, gaben die anwesenden Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zu bedenken.

“Wenn ich einen Mitarbeitenden hochstufe, rutscht derjenige in der Erfahrungsstufe erstmal runter und bekommt nach Ta rifvertrag erstmal weniger Geld!”

Und Ulrich Richter-Hopprich, Bürgermeister der Verbandsge meinde Montabaur in RheinlandPfalz, gab bedenken: “Unsere IT-Infrastruktur ist zwar agil, aber meine Mitarbeitenden sind es nicht – das muss sich ändern, beispielsweise durch Schulun gen.”

Behörden Spiegel / Oktober 2022
Seite 19
DR. MANUEL FELLER,
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Butsch leitet den Be reich Forsten, Landschafts räume und Naturschutz im Fachbereich Umwelt und Stadtgrün der Landeshaupt stadt Hannover. Foto: BS/privat Eine Treppe zum Desbrocksriedegra ben – das Fließgewässer ist der rechte Zufluss zur Leine im Norden Hanno vers – im Kinderwald in Hannover. Foto: BS/Nortix08, CC BY-SA 4.0, Wikimedia.org Grün und Blau – die Stadt der Zukunft

Wir alle kennen Anlagen zur Rückhaltung, Reinigung und Versickerung von Regen wasser. Man sieht sie in Bau gebieten, an Fernstraßen, aber auch auf privaten Grundstücken. Manchmal fügen sie sich ganz gut in ihr Umfeld ein. Meistens wirken sie dann leider doch wie Fremdkörper. Man sieht Rasen und Pflaster, manchmal auch Geländer, oft Zäune und Warn schilder. Immerhin sind die Flä chen in der Regel gut gepflegt.

Haben Sie ein Bild vor Augen? Ich komme darauf zurück.

Aus Entwässerung wird Bewirtschaftung

Bisher wurde Niederschlags wasser aus bautechnischen Gründen gefasst und umge hend abgeleitet. Nun gilt es als Ressource, die zurückgehalten und g enutzt werden soll. Der Abfluss von Niederschlagswasser soll auf das ortstypische Maß reduziert werden. Grundwas serneubildung und Verdunstung werden gefördert. Der Begriff “Entwässerung” wird in Fach kreisen bereits gemieden und durch “Bewirtschaftung” ersetzt. Auf kommunaler Ebene wird Regenwassermanagement in herkömmlichen unterirdischen Anlagen der Entwässerung und zunehmend auch in oberirdi schen Anlagen der grün-blauen Infrastruktur umgesetzt. Gewäs ser, Stadtgrün und Anlagen der Regenwasserbewirtschaftung werden gemeinsam betrachtet. Multifunktionale Nutzung als Zukunftsaufgabe

Sämtliche Bauweisen in Freian lagen kommen mit Regenwasser in Berührung. Sie alle können in irgendeiner Form derart gestaltet werden, dass sie Wasser aufneh men, nutzbar machen oder verzö gert ableiten. Freianlagen werden

Wie gehen Menschen mit Veränderungen um? Mei den sie bestimmte Plätze, weil Modernisierungsmaßnahmen notwendig sind? Nutzen sie ver mehrt kleine Straßen, weil die Transitstraßen dem modernen Verkehr nicht gewachsen sind?

Die Antwort: Wer weiß, wie Bürge rinnen und Bürger auf Ereignisse und Hindernisse im Stadtbild reagieren , kann entsprechend handeln.

Das eine ist die Vision einer Smart City, einer an den Be dürfnissen und dem Wohl der Menschen ausgerichteten Stadt. Das andere ist, wie Digitalisie rung den Weg dahin am besten ebnet – eine Herausforderung für Städte und Kommunen, die optimalerweise mit einem starken Partner wie Bechtle zu meistern ist. Denn erfolgreiche Projekte brauchen nicht nur eine solide technische und organisatorische Basis, sondern auch ein Netzwerk an Expertinnen und Experten.

Wo sollen Verantwortliche ansetzen?

Prozessdigitalisierung, Schnitt stellen, Standards, Echtzeitda ten, Infrastruktur, Schulungen, Trainings, rechtliche Rahmenbe dingungen, Fördermöglichkeiten, Finanzierung – auf dem Weg zur intelligenten Verwaltung einer lebenswerten Stadt gibt es viele Aspekte zu beachten. Doch wo sollen Verantwortliche ansetzen?

Welche Ziele sind zu priorisieren? Welche technologischen Lösun gen passen überhaupt?

Eine gute Beratung im Vor feld ist entscheidend, um ein gemeinsames Verständnis für den Begriff Smart City und die damit verbundenen Erwartungs haltungen zu schaffen! Dazu be raten wir bei Bechtle regelmä ßig Verantwortliche im Bereich kommunaler Verwaltung und Unternehmen ebenso wie auf Landkreis und Landesebene. Da bei verlassen wir uns sowohl auf

Wassersensible Planung

Regenwassermanagement, Stadtentwicklung und Stadtökologie gehören zusammen

(BS/Tom Kirsten) Die Themen Regenwassermanagement und wassersensible Planung sind spätestens seit den heißen, trockenen Sommern und den Starkregen der letzten Jahre in aller Munde. Auf diesem Feld wurde bereits viel erreicht. Es wurden Forschungsvorhaben initiiert, Regelwerks änderungen auf den Weg gebracht und konkrete Projekte durchgeführt. Was kann aus Sicht der Freiraumplanung getan werden, um wassersensible Planung weiter zu fördern und zu unterstützen?

dann oft multifunktional genutzt. Die verschiedenen Funktionen überlagern sich und können sich ergänzen. Dachbegrünung mit Regenrückhaltung, Sportplätze mit Regenwassernutzung, Plätze, die überflutet werden können und Rasenflächen mit Mul den sind Beispiele für dieses Planungsprinzip. Sie ergänzen sich, wenn sie kaskadenartig hintereinandergeschaltet werden.

In der Landschaftsarchitektur gibt es übrigens historische Vorbil der. Architektur und Natur sollten sich beispielsweise im “Bornimer Stil” gegenseitig durchdringen und ein harmonisches Ganzes bilden. Nicht umsonst trug die bekann te Landschaftsarchitektin Herta H am merbacher in Fachkreisen leicht despektierlich den Spitz namen “Mulden-Herta”. Viele zeitgemäße Freiraumentwürfe, aber auch die Gärten der letzten Chelsea Flower Show haben Kli mawandel, Ökologie und Insek tenfreundlichkeit zum Thema. Ein Trend, den es auch beim Umgang mit Regenwasser zu nutzen gilt. Multifunktionale Nutzung ist eine anspruchsvolle Zielsetzung. Um Freiflächen multifunktio nal nutzen zu können, müssen unterschiedliche Interessen in Einklang gebracht werden. Nur dann wird ihr volles Potenzial genutzt. Durch die Auswirkungen des Klimawandels und die breite öffentliche Diskussion wird die Umsetzung dieses neuen Pla nungsprinzips derzeit begünstigt.

Tom Kirsten ist ö. b. v. Sach verständiger für Garten- und Landschaftsbau, Sportplatz bau sowie Fachsprecher für Bautechnik und Normenwe sen beim Bund Deutscher Landschaftsarchitekt/-innen (bdla). Foto: BS/Frank Füssel

Die Verbindung von wassersen sibler Planung und Stadtökologie sollte, wo immer möglich, bei der Planung und in Aufgabenstellun gen von Planungswettbewerben zum Grundprinzip werden. Der öffentlichen Hand kommt hierbei eine Vorreiterrolle zu.

Rechtsnormen, Regelwerke und Gremienarbeit

Planung und Regelwerksarbeit in den Gremien unterliegen recht lichen Vorgaben. Der Regenwas serbewirtschaftung wird in recht licher Hinsicht bislang noch kein ausdrücklicher Vorrang vor der Ableitung eingeräumt. Auch in diesem Punkt hat eine Entwick lung eingesetzt. In Berlin bei spielsweise darf bei Neuplanungen seit Mai 2021 kein Regenwasser mehr in öffentliche Kanäle einge leitet werden. In vielen anderen örtlichen Satzungen gilt freilich mit dem Anschlusszwang noch das Gegenteil. In einer Reihe von Gremien in den Fachverbänden wie dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen (bdla),

d e r Forschungs

gesellschaft Land schaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) und der Deutschen Verei nigung für Was serwirtschaft, Ab wasser und Abfall e. V. (DWA) werden die verschiedenen Aspekte wasser sensibler Planung bereits intensiv diskutiert. Sie werden in Regel werke einfließen oder sind bereits festgeschrieben.

Der Stand der Technik wird nachhaltig vorangebracht. Die Erarbeitung von Regelwerken läuft ehrenamtlich. Unterstüt

MELDUNG

Hamburg wächst

(BS/mj)

Um ein nachhaltiges, flexibles und langfristig erfolg reiches Flächenmanagement betreib en zu können, sicherte sich der zur Hamburger Finanz behörde gehörende Landesbe trieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) frühzeitig ein Flächenpaket der Deutschen Bahn AG.

Das Paket umfasst sieben Grund stücke in den Bezirken Altona, Bergedorf, Harburg, HamburgMi tte und H amburg-Nord mit einer Gesamtgröße von 160.315 m². “Mit dem Kauf sichern wir

Smart City

zung von behördlicher Seite

bringt die Arbeit dieser Gremi en voran. Oft sollten Fachleute der öffentlichen Verwaltung dort stärker vertreten sein.

Die gemeinsame Arbeit an die sen neuen Aufgaben kann inno vative Bauweisen hervorbringen. Neu in der Freiraumplanung sind beispielsweise Baumrigolen, Re tentionsdächer, Tiefbeete und Regengärten. Beim Etablieren solcher Bauweisen setzen För derprogramme und Forschungs vorhaben der öffentlichen Hand wichtige Impulse.

Fachverbände, Verwaltungen und Hochschulen und bieten Ge legenheiten zu Vernetzung und Zusammenarbeit. Oft entstehen

aus Fachgesprächen gemein same Projekte, Forschungsvor haben und Veröffentlichungen. Q uerschni ttsaufgaben wie die zeitgemäße Regenwasserbewirt schaftung lassen sich zur mitei nander bewältigen. Blühwiesen statt Rasen Zurück zu unserem Beispiel. Haben Sie noch die Regenrück haltung vor Augen? Wie wäre es, wenn solche Anlagen in der Zukunft auch einen ökologischen Wert haben und als grüne, na turnahe Inseln in der Stadt, als Wassersp eich er oder als Aus gleichsfläche in der Landschaft dienen. Man könnte dort Feldhe cken pflanzen, Blühwiesen statt Rasen etablieren, einen Feucht bereich anlegen, eine Zisterne bauen und vielleicht sogar die Zäune weglassen. Das wäre eine Auf gabe für Betreiber, Natur schutz, Freiraumplanung und Wasserwirtschaft. Bestimmt gibt es eine Menge Einwände. Aber aussichtslos ist die Idee keines falls. Es wäre der richtige Weg, ganz sicher.

der Stadt zentrale Grundstücke für die nachhaltige Flächenent wicklung”, erklärte Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg.

Bei den Grundstücken handelt es sich laut Finanzbehörde über wiegend um unbebaute Flächen mit keiner bzw. kleingärtnerischer Nutzung.

Dressel: “Der Ankauf passt per fekt in unsere aktive Bodenpo litik und die Ankaufsstrategie des LIG, bei der wir den Umfang der städtischen Flächen pers pektivisch erweitern wollen, um

Auf dem Weg zu einer intelligenten Verwaltung (BS/Claudius Schaufler) Der konkrete Nutzen von Smart City liegt darin, relevante Informationen für eine beschleunigte und nachhaltige Stadt entwicklung zu gewinnen. Das heißt, Daten zu erheben und zu kombinieren, um in einem digitalen Stadtmodell Zusammenhänge darzustellen. So werden Gemeinden und Kommunen dabei unterstützt, bessere Entscheidungen beispielsweise bei Bauvorhaben und der Verkehrsplanung zu treffen. Der wichtigste Faktor dabei ist der Mensch, er steht im Mittelpunkt einer jeden intelligenten Stadt.

städtische E influssmöglichkei ten zu sichern.” So sollen im mobilienwirtschaftliche Speku lationen vermieden, Grün- und Erholungsflächen aufgewertet und die Leistungsfähigkeit von Verkehrsflächen ertüchtigt wer den. Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende und das Bezirksamt Hamburg-Nord pla nen demnach die Realisierung eines Radschnellweges zwischen Hamburg und Bad Bramstedt, bei dem die kreuzungsfreie und stei gungsarme Bahntrasse genutzt werden soll.

die Stärken von Deutschlands erfolgreichstem IT-Dienstleister als auch auf ein weitreichendes Partnernetzwerk – von E-GovStart-ups über IoT-Anbieter bis hin zu Wissenschaftsinstituten. Denn erst das effektive Zusam menspiel von öffentlicher Hand und Wirtschaft ermöglicht es, in novative Ziele wie das einer intelli genten und vernetzten Kommune in kurzer Zeit zu erreichen. Es ist wie bei Daten: Erst die Kom bination verschiedener Informa tionsquellen erschließt Verwal tungen das komplette Potenzial. Von diesem Potenzial maximal zu profitieren, das macht eine Smart City oder eine Smart Region aus: ein Lebensraum für Menschen, in dem Technologie eine nachhal tige und langfristig erfolgreiche Entwicklung ermöglicht – stets ausgerichtet an den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen.

So wird Smart City Realität: Erfahren Sie mehr über die Vor teile, die aus einer zukunftsorien tierten Partnerschaft entstehen und melden Sie sich gleich für das kostenfreie Webinar “Auf dem Weg zur intelligenten Stadt?” am Donnerstag, den 9. November 2022 von 10 bis 12 Uhr an:

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 20
Digitale Stadtmodelle können Kommunen dabei unterstützen, bessere Entscheidungen zu treffen. Foto: BS/Zaleman, stock.adobe.com Claudius Schaufler ist Senior Expert Smart City bei Bechtle. Foto: BS/Bechtle
Grün und Blau – die Stadt der Zukunft

B

ehörden Spiegel: Herr Rothmund, Sie haben Anfang des Jahres mit der Prüfung eines me dizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in E ichenzell begonnen. Wieso haben Sie dieses Projekt ins Leben gerufen?

Johannes Rothmund: Im Ja nuar wurde in Eichenzell der neue Haushalt verabschiedet. Bei diesem wurde ein größerer Betrag für die Ansiedlung von Ärzten und Ärztinnen in der Gemeinde vorgesehen. Hintergrund für die se Entscheidung war dabei die Tatsache, dass in Eichenzell, als ländlicher Gemeinde in der Nähe von Fulda mit knapp 11.000 Ein wohnenden, schon seit geraumer Zeit zu beobachten ist, dass sich weniger Mediziner und Medi zinerinnen dafür entscheiden, ihre Praxis in unserer Gemeinde anzusiedeln. Hinzu kommt, dass die noch in Eichenzell niederge lassenen Ärzte und Ärztinnen in einem Alter sind, dass damit gerechnet werden muss, dass sie in den nächsten Jahren ihre Praxen aufgeben werden. Dennoch war im Januar dieses Jahres unser Landkreis zulas sungsgesperrter Bereich, da sich die jungen Ärzte und Ärztinnen in den letzten 20 Jahren lieber in Fulda oder den unmittelbaren Randgebieten niedergelassen ha ben. Damit es in Eichenzell nicht zu einem Ärztemangel kommt, haben wir, obwohl es nicht un sere Aufgabe ist, beschlossen, als Gemeinde etwas für die Ansied lung neuer Ärzte und Ärztinnen zu tun.

Behörden Spiegel: Sie haben bereits angesprochen, dass Ihre Region Anfang des Jahres als überversorgt galt. Die Kassenärzt liche Vereinigung (KV) erhebt die Ärztezahlen auf Landkreisebene. Inwieweit führte diese Tatsache zur offiziellen Überversorgung Ihrer Gemeinde und welche Probleme ergeben sich aus diesem Umstand für Eichenzell?

Johannes Rothmund: Bei der Erhebung der Ärztezahlen ist un ser Landkreis tatsächlich in einen nördlichen und südlichen Bereich unterteilt. Eichenzell gehört zum südlichen Teil der Erhebung, zu dem auch die Stadt Fulda gehört. Dadurch entsteht bei den Zahlen der KV ein Bild, nach dem die Region ausreichend mit Ärzten und Ärztinnen versorgt ist. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass überdurchschnittlich viele davon in der Stadt niedergelassen sind. Gleichzeitig wird davon ausge gangen, dass jeder von ihnen im Quartal ca. 1.300 Patienten ver sorgt. Im Schnitt mag diese Zahl

MELDUNG

Berlin wächst

(BS/mj) Die aktuelle Bevölke rungsprognose für Berlin wurde von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in Zusammenarbeit mit dem Amt für Statistik BerlinBrandenburg und auf Grundlage von Erkenntnissen von Experten aus Wissenschaft und Praxis er arbeitet. Sie gibt Auskunft über die Entwicklung der verschiede nen Aspekte der Bevölkerung wie Alter und Geschlecht.

So wird das Durchschnittsalter der Berlinerinnen und Berliner bis zum Jahr 2040 voraussicht lich von 42,9 auf 43,2 Jahre an steigen. In den nächsten zwanzig

Mediziner braucht das Land

Johannes Rothmund über Ärztemangel in ländlichen Regionen.

stimmen, wenn sie nun aber das Pech haben, das ihre Ärzte und Ärztinnen, aus welchen Grün den auch immer, diesen Schnitt nicht erfüllen, dann verringert sich für sie das Angebot noch einmal erheblich. Das sind die beiden Hauptprobleme, die sich aus der Erhebung durch die KV für Eichenzell und andere Ge meinden ergeben.

An dieser Stelle ist die Politik gefragt. Sie sollte sich fragen, wie sinnvoll es ist, Mittel- oder Ober zentren mit ländlichen Gebieten in einen Erhebungsbereich zu packen, da man ja gelernt hat, dass die Ansiedlungen sehr viel eher in den Zentren stattfinden und nicht auf dem Land. Meiner Meinung nach wäre es sinnvoll, Stadt und Land getrennt vonei nander zu betrachten und einen Schwerpunkt darauf zu legen, dass auch in den ländlichen Re gionen genügend Zulassungen vorhanden sind. Denn nicht jeder hat die Möglichkeit, 20 bis 30 Kilometer nach Fulda für eine Behandlung zu fahren.

Behörden Spiegel: Wie soll das medizinische Versorgungszentrum junge Ärzte und Ärztinnen dazu motivieren, sich in Eichenzell nie derzulassen, anstatt nach Fulda z u gehen und was muss ihrer Meinung nach getan werden, um ländliche Regionen attraktiver zu machen?

Johannes Rothmund: Bei ei nem medizinischen Versorgungs zentrum geht es ja darum, eine Gruppe von Ärzten gemeinsam anzusiedeln. Eines der großen Probleme in diesem Zusammen hang ist die Bereitstellung von passenden Räumlichkeiten. Denn junge Ärzte und Ärztinnen wol len heute oft zusammenarbeiten, wofür nun einmal andere Räum lichkeiten erforderlich sind als bei Einzelpraxen. Solche Räumlich keiten waren in Eichenzell nicht vorhanden, weshalb die Gemeinde hier unterstützend angesetzt hat. Wir haben mit Investoren und Ärzten und Ärztinnen gesprochen, vermitteln zwischen diesen und unterstützen sie bei der Organi sation und den Verwaltungsauf gaben, die bei solchen Projekten anf al len. Dadurch erleichtern wir es, ein angenehmes und ge wünschtes Arbeitsumfeld auch

für junge Ärzte und Ärztinnen zu schaffen. Denn diese verfolgen heute ein “Work-Life-Balance” -orientiertes Modell, anders als das mein Vater als Landarzt getan hat. Wenn sie sich mit Kollegen und Kolleginnen zusammentun, können sie eine gute und effektive Versorgung ihrer Patienten und Patientinnen garantieren. Aber dafür müssen nun einmal die nötigen Voraussetzungen geschaf fen werden, damit eine solche

Ansiedlung möglich ist. Früher war es bei Ärzten und Ärztinnen häufiger so, dass sie im selben Haus gelebt haben, in dem auch ihre Praxis war, sie hatten mehr oder weniger 24 Stunden, sieben Tage in der Woche Dienst. Diese Arbeitszeiten sind heute nicht mehr gewünscht. Deshalb ist die Versorgung durch eine Einzelpra xis kein funktionstüchtiges Modell mehr und es werden immer mehr Gemeinschaftspraxen etabliert.

Behörden Spiegel: Sie haben vorhin von Investoren gespro chen, die helfen sollen, Räum lichkeiten zu schaffen. Gibt es vom Bund oder vom Land denn Fördermittel, um dieses Projekt zu unterstützen?

Johannes Rothmund: Nach aktuellen Plänen werden die Räume von den Privatinvestoren geschaffen. Vom Land (aus dem hessischen Sozialministerium)

gibt es dabei sehr gute Förder progamme. Von der KV gibt es de facto bislang nur Förderungen für offiziell unterversorgte Kom munen. Dazu zählen wir nicht. Die Kommune hilft dann bei der Ansiedlung von Ärzten und Ärz tinnen, wenn es noch notwendig ist. Das wird dann aber immer im Einzelfall entschieden. Die Alternative dazu wäre, ein me dizinisches Versorgungszentrum in kommunaler Trägerschaft zu errichten. Wir haben uns aber nach Beratung am Anfang des Jahres explizit dagegen entschie den, da wir die Meinung sind, das muss die Ultima Ratio sein.

Solange sich Ärzte und Ärztinnen finden, die sich in der Gemeinde ansiedeln wollen, sollen diese lieber unterstützt werden, wenn es sein muss, auch finanziell.

Praxishandbuch Inklusion

Jahren geht man des Weiteren von einem Bevölkerungswachs tum um fünf Prozent aus, das entspricht etwa 190.000 Per sonen. Davon entfallen laut der Prognose rund 50 Prozent die ses Anstiegs auf die ersten vier Prognosejahre bis 2025, für das laufende Jahr 2022 wird eine Zunahme der Einwohnerzahl um rund 65.000 Menschen erwartet.

Andreas Geisel, Berlins Bausena tor, fordert daher: "Wir müssen in die soziale Infrastruktur investie ren und dafür Sorge tragen, dass Ö PN V und Individualverkehr mit der Bevölkerungszunahme Schritt halten.”

Gemeinsam Inklusion gestalten

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 21Kommunalpolitik
(BS) “Heute sind die Anforderungen an das Berufs- und Privatleben für Ärzte andere als noch vor 20 bis 30 Jahren” erklärt Johannes Rothmund, Bürgermeister von Eichenzell, im Interview. Er berichtet von den Bemühungen der Gemeinde Eichenzell neue Ärzte und Ärztinnen lokal anzusiedeln. Die Fragen stellte Sven Rudolf. Vier Fragen – vier Antworten Inter view mit Johannes Rothmund, Bürgermeister der Gemeinde Eichenzell
Foto: BS/privat
Tipps aus der Praxis für die Praxis Mehr Infos unter www.kommune-inklusiv.de

Gestalten Sie die Zukunft unserer Stadtverwaltung!

Wir sind eine attraktive Großstadt in Nordrhein-Westfalen mit sehr guter Infrastruktur. Unsere Verwaltung versteht sich als innovativer, serviceorientierter und moderner Arbeitgeber, der abwechslungs reiche, spannende Projekte bietet.

Wie viele andere Kommunen stehen auch wir vor vielfältigen und anspruchsvollen Zukunftsaufgaben, die angepackt und gelöst wer den müssen.

Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine leistungs- und kommunikationsstarke Persönlichkeit als

Amtsleitung Personal und Organisation (w/m/d)

Die Vergütung für diese Stelle erfolgt nach A16 LBesO NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD.

Sie verstehen sich als innovativ und strategisch denkender Mensch. Als erfahrene Führungskraft verfügen Sie über ausgeprägte analytische und konzeptionelle Fähigkeiten in Kombination mit einem hohen Gestaltungswillen.

Im Gegenzug finden Sie bei uns Verantwortung und Raum zur Mit gestaltung, respektvolle und faire Arbeitsbedingungen sowie Fortund Weiterbildungen zur beruflichen und persönlichen Entwicklung vor.

Details zu dieser Position finden Sie in Kürze auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Felix Maria Pawlaczyk, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung.

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Gehen Sie kreativ voran für die naturnahe und lebenswerte Entwick lung unserer Stadt!

Die Lage im Grünen in unmittelbarer Nähe zu den Großstädten Essen, Düsseldorf und Wuppertal im Wirtschaftszentrum Rhein, Ruhr und Wupper zeichnet unsere selbstbewusste, im Kreis Mett mann gelegene Mittelstadt, mit rund 85.000 Einwohner*innen aus. Das Kompetenz-Zentrum Europas für Sicherheits- und Schließsyste me befindet sich in Velbert und der Region.

Die Modernisierung des Bürgerforums Niederberg Richtung Freizeitnutzung für die Bürger*innen steht sinnbildlich für die positive Innenstadtentwicklung der Stadt Velbert.

Für die kommenden Jahre sind weitere vielfältige Projekte der Stadt entwicklung vorgesehen, mit dem Ziel, Velbert weiterhin zu einer lebenswerten Stadt zu machen.

Machen Sie mit und unterstützen Sie uns mit Ihrer gestaltungsorientierten Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung Stadtentwicklung (w/m/d)

Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt je nach Qualifikation bis zur Besoldungsgruppe A 15 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Bringen Sie Ihre Ideen aktiv in die Entwicklung und Umsetzung neuer Projekte ein!

Der Ennepe-Ruhr-Kreis ist mit seinen rund 325.000 Einwohner*innen und neun kreisangehörigen Städten idyllisch im nordrhein-westfälischen Landesteil Westfalen gelegen. Landschaftliche Reize durch zahlreiche Flüsse, Seen und Wälder, die Nähe zu Ruhrgebiet und Sauerland sowie die guten Verkehrsanbindungen machen den Ennepe-RuhrKreis zu einem bevorzugten Wohnstandort und zum Ziel für viele Erholungssuchende.

Die Abteilung Umwelt und Abfall bietet ein fachlich breites Aufgabenspektrum. Dabei decken die vier zugehörigen Sachgebiete vielfältige Themen ab, die von der Landschaftsplanung über der Wasserwirtschaft und dem Bodenschutz bis hin zur Abfallwirtschaft reichen.

Im Zuge einer Altersnachfolge suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine strategisch denkende und kommunikative Führungspersönlichkeit als

Abteilungsleitung Umwelt und Abfall (w/m/d)

Die Besoldung dieser attraktiven Stelle erfolgt nach A 15 LBesG NRW bzw. EG 15 TVöD.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

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Gestalten Sie als Führungspersönlichkeit neue Arbeitswelten der Zukunft!

Misereor, das katholische Werk für Entwicklungszusammenarbeit, setzt sich unabhängig von Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht und Religion für Menschen ein, denen das Recht auf ein Leben in Würde, Freiheit sowie ausreichender und gesunder Versorgung verwehrt bleibt. Hand in Hand arbeiten wir mit unseren Projektpartnern in Afrika, Asien und Lateinamerika und unterstützen die Menschen, ihr Leben aus eigener Kraft mit Blick auf die Bewahrung der Schöpfung und die Herausforderungen des Klimawandels nachhaltig positiv zu verändern.

Wir suchen im Zuge einer Nachfolgeregelung eine authentische Führungspersönlichkeit, die als

Geschäftsführung Interne Prozesse (w/m/d)

unser Werk organisatorisch und zukunftsorientiert weiterentwickelt. In dieser spannenden Funktion verantworten Sie die Bereiche Personal, Finanzen, IT, Wissens- und Beteiligungsmanagement sowie der Organisationsentwicklung. Gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer und dem Geschäftsführer Internationale Zusammenarbeit bilden Sie den geschäftsführenden Vorstand des Bischöflichen Hilfswerks Misereor.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Birger Abromeit und Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Nutzen Sie den Gestaltungs- und Verantwortungsspiel raum in dieser heraus gehobenen Position sinnstiftend!

Die Barockstadt Ludwigsburg ist mit ihren rund 93.000 Einwoh ner*innen Teil der Metropolregion Stuttgart und zentraler Bestand teil einer der wirtschaftsstärksten Regionen Europas.

Unsere leistungsstarke Feuerwehr besteht aus einer hauptamtlichen Abteilung mit rund 50 Kräften und acht freiwilligen Abteilungen mit aktuell ca. 250 aktiven Mitgliedern, einer Alters- und Ehrenabtei lung und der Jugendfeuerwehr. Haupt- und ehrenamtliche Kräfte übernehmen seit vielen Jahren gemeinsam und verlässlich eine Reihe wichtiger Aufgaben für unsere Stadt – mit hoher Professiona lität und großem Engagement an 365 Tagen im Jahr.

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine motivierte und gestaltungsstarke Führungspersönlichkeit als

Fachbereichsleitung Feuerwehr und Bevölkerungsschutz (w/m/d)

Gestalten Sie als tatkräftige und innovative Führungspersönlichkeit unsere historisch geprägte Stadt!

Die Landeshauptstadt Erfurt ist mit ca. 214.000 Einwohner*innen eine attraktive und lebendige Stadt in der Mitte Deutschlands. Als größte Stadt Thüringens, stellt Erfurt mit seinen kurzen Wegen und seiner ausgezeichneten Infrastruktur eine vielversprechende Region für Arbeitnehmer*innen dar. Erfurt bietet neben wirtschaftlichem Wachstum und zukunftsorientierter Forschung auch eine hohe Lebensqualität und ist damit Teil der Impulsregion mit Jena, Weimar und dem Weimarer Land – und diese Impulsregion wächst. Neben bedeutenden kulturhistorischen Bauwerken im Kern der Altstadt, die jährlich zahlreiche Tourist*innen anzieht, verfügt Erfurt über moderne Stadtkonzepte und widmet sich den aktuellen Themen des Klimawandels, der Wohnraumgestaltung und der Mobilitätswende. Mit hohem baukulturellem Anspruch und Kreativität wurde Erfurt in den letzten Jahren modern und nach haltig weitergebaut.

Setzen Sie unsere städtebauliche Entwicklung erfolgreich fort und verstärken Sie uns als

Amtsleitung Stadtentwicklung und Stadtplanung (w/m/d)

Die Stelle ist nach A 16 BesO ThürBesG bzw. EG 15 TVöD bewertet.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Annika Lachmann, Birger Abromeit oder Waishna Kaleth zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 22 Personelles
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Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe A 15 LBesGBW bewertet. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Maren Kammerer, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung! Anz_FBL-Feuerwehr_Ludwigsburg_10-2022.indd 1 04.10.22 12:43
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Als Gesicht des Hauses der Innovation wirken Sie in entscheidender Position an der Zukunft unserer Region mit!

Wir sind eine interdisziplinär ausgerichtete und weltoffene Universität mit aktuell rund 18.000 Studierenden und einem Fächerspektrum von den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissen schaften bis hin zu Natur-, Ingenieur- und Lebenswissenschaften.

Mit über 2.000 Beschäftigten zählen wir zu den größten Arbeit gebern der Region und bieten ein einzigartiges Umfeld für Lehre, Forschung und Weiterbildung. Als eine kreative Organisationsform vereint das „Haus der Innovationen“ Zusammenarbeit, Austausch und Begegnung. Dabei stellt es einen Ort der gemeinschaftlichen Ideenentwicklung für Start-ups, etablierte Unternehmen und angewandte Forschung dar und arbeitet dabei eng mit anderen Institutionen, wie dem Verein Startpunkt57, zusammen. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine kommunikations starke und engagierte Persönlichkeit als

Geschäftsführung (w/m/d) für das „Haus der Innovation“

Diese attraktive Position wird je nach Qualifikation bis Entgeltgruppe 15 TVöD vergütet. Die Anstellung erfolgt zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2025. Es besteht eine ausdrückliche Perspektive auf Entfristung.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert?

Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Gianna Forcella, Maren Kammerer oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Ihre Persönlichkeit macht den Unterschied.

Sie sind auf der Suche nach einer abwechslungsreichen, fordernden und sinnhaften Tätigkeit? Dann sind Sie bei uns genau richtig!

Unterlagen kann man kopieren. Persönlichkeiten nicht. Dieser Grund satz treibt uns an – bei internen wie externen Stellenbesetzungen. Als die führende Personalberatung für den öffentlichen Sektor unterstüt zen wir unsere Kunden seit über 30 Jahren in allen Fragestellungen eines zukunftsorientierten Talentmanagements.

Unsere Aufträge sind hierbei so facettenreich wie der öffentliche Sektor selbst: Von der Suche einer*eines CDO (w/m/d) für eine Großstadt über die Auswahl der Geschäftsführung eines Kulturbe triebes bis hin zur Begleitung von Entwicklungsprogrammen für die Führungsnachwuchskräfte eines kommunalen Unternehmens. Verstärken Sie unser motiviertes und dynamisches Team mit Ihrer Erfahrung als

Personalberaterin * Personalberater (w/m/d)

Wir können uns unterschiedliche Modelle der vertraglichen Zusammenarbeit vorstellen. Für uns ist es selbstverständlich, dass Sie die Vorteile von Remote-Arbeit in Ihrer Tätigkeit in vollem Aus maß ausschöpfen können.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt steht Ihnen unter der Rufnummer 0228 265004 zfm-Geschäftsführer Edmund Mastiaux zur Verfügung. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Stellen Sie die Weichen für den Wirtschaftsstandort Moers als Drehscheibe des Niederrheins!

Die Stadt Moers mit ihren rund 104.000 Einwohner*innen ist die größte Stadt im Kreis Wesel. Durch die verkehrsgünstige Lage am unteren Niederrhein und am westlichen Rand des Ruhrgebiets bietet Moers eine reizvolle landschaftliche Umgebung verknüpft mit dem urbanen Flair des Ruhrgebiets.

Die MoersMarketing GmbH wurde 2007 gegründet und ist als 100%-ige Tochtergesellschaft der Stadt Moers erste Ansprechpart nerin für Bürger*innen sowie lokale Akteur*innen. Durch Veranstal tungskonzepte, Events, Marketingstrategien und Dienstleistungs koordination gestalten wir aktiv die Standortentwicklung Moers. Die Gesellschaft ist neben der Bürger- und Touristeninformation der Stadt Moers auch für hochkarätige Veranstaltungen wie den Moerser Weihnachtsmarkt, die Moerser Kirmes und das Sparkassen Summer Soul am See Festival verantwortlich.

Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine engagierte und innovative Führungspersönlichkeit als

Geschäftsführung (w/m/d) der MoersMarketing GmbH

Wir bieten ein unbefristetes Anstellungsverhältnis mit attraktiven vertraglichen Rahmenbedingungen.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Raza Hoxhaj, Felix Maria Pawlaczyk und Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

Weitere Informationen finden Sie unter www.zfm-bonn.de

Steuern Sie komplexe Projekte im Hochbau und der Stadt planung – nachhaltig, innovativ und zukunftsorientiert!

Als dynamische und wachsende Stadt in Baden-Württemberg bieten wir eine hohe Lebensqualität – auch durch eine einzigartige Verbindung zwischen Tradition und Moderne – sowohl dörflich, städtisch als auch international.

Die städtebauliche Weiterentwicklung ist für unsere Stadt von hoher Bedeutung. Neben verschiedenen Neubauprojekten im Bereich Hochbau steht die Flächenentwicklung für Wohnen und Gewerbe bevor.

Daher suchen wir im Zuge einer Nachfolgeregelung eine innova tionsaffine Führungskraft als

Baubürgermeisterin / Baubürgermeister (w/m/d)

Die Beschäftigung erfolgt als Beamtin / Beamter auf Zeit für die Dauer von acht Jahren (Wahlbeamtin / Wahlbeamter). Die Besol dung erfolgt nach Besoldungsgruppe B 2 LBesG BW. Änderungen der Geschäftsverteilung bleiben auch während der Wahlzeit vor behalten.

Sie haben die Fähigkeit „out of the box” zu denken und behal ten gleichzeitig den Blick für das Machbare? Wir bieten Ihnen ein offenes Umfeld, das es Ihnen ermöglicht, gemeinsam mit Ihrem Team Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Als Stadtverwal tung arbeiten wir kooperativ und vernetzt – mit dem Ziel, viel zu bewegen!

Details zu dieser Position finden Sie in Kürze auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228 265004 Felix Maria Pawlaczyk, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung.

Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Stellen Sie die Weichen für wichtige Bauprojekte in der Kreisstadt Unna!

Die Kreisstadt Unna ist mit ihren ca. 60.000 Einwohner*innen eine aktive und lebendige Stadt im östlichen Teil der Metropole Ruhr und eine Stadt mit Geschichte und Zukunft. Der historisch geprägte Stadtkern mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten und restaurierten Fachwerkhäusern verleiht dem Stadtbild einen ganz besonderen Charme.

Bei der Kreisstadt Unna zu arbeiten bedeutet eine zukunftsorientierte Planung mit der Tradition und Baukultur des Ortes zu verbinden. Darüber hinaus denken wir das Rathaus als Arbeitswelt der Zukunft stetig fort und legen dabei besonderen Wert auf moderne Arbeits weisen, Digitalisierung, Kommunikation und Service. Daher versteht sich der Bereich Bauordnung der Kreisstadt Unna als bürgernaher Ansprechpartner in baurechtlichen Angelegenheiten.

Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine kommunikations starke und fachlich versierte Führungspersönlichkeit als

Bereichsleitung Bauordnung (w/m/d)

Steuern Sie mit dem Ressourcen referat die zukünftige Entwick lung der Stadt Coburg – sozial, ökologisch und wirtschaftlich stark!

Die Stadt Coburg mit ihren gut 40.000 Einwohner*innen ist ein pulsierendes Oberzentrum für die Region Nordbayern und Südthüringen und zählt zu den finanzstärksten Kommunen und stärks ten Wirtschaftsstandorten in Bayern.

Im Zuge einer Neuorganisation führt die Stadtverwaltung ihre zentralen Ressourcen (Finanzen, Personal, Organisation, Verga bewesen, IT) in einem Referat als Dienstleister für die gesamte Verwaltung zusammen. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir daher als Teil der vierköpfigen Verwaltungsspitze eine engagierte und verantwortungsbewusste Persönlichkeit als Leitung des Referats für Finanzen, Personal und IT als Berufsmäßiges Stadtratsmitglied (w/m/d)

Es handelt sich um eine kommunale Wahlbeamtenstelle. Die Amts zeit beträgt sechs Jahre; Wiederwahl ist möglich. Die Bezüge richten sich nach der Besoldungsgruppe A 16 BayBesG (bzw. B 2 in der zweiten Amtszeit).

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Seite 23Behörden Spiegel / Oktober 2022 Personelles
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“In Deutschland haben wir uns sehr auf die Produkti vität von Rohstoffen kapriziert”, berichtete Felix Müller vom Um weltbundesamt im Rahmen einer Diskussionsrunde auf neuestadt. org. “Wir hatten aber einen blin den Fleck bezüglich der Materi alien, die bereits in den Städten vorhanden sind.” Mit der Preis steigerung und den Lieferengpäs sen importierter Rohstoffe sei die Frage, wie anthropogene Lager besser genutzt werden könnten, aktueller denn je, erläuterte Dina Padalkina, Gründerin und Vor sitzende des Vereins Circular City – Zirkuläre Stadt e.V. An der Realität scheitern Bereits heute könnten Bauher ren viele Materialien und Kosten einsparen, wenn sie mehr Re zyklate nutzten und damit die Kreisläufe schlössen, meinte Dr. Anna Braune, Leiterin der Abtei lung Forschung und Entwicklung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V., und forderte: “Ich will abfallfreie Baustellen sehen.”

Weil es an Kompetenzen fehle, stellte das Verstehen anthro pogener Lager, zu wissen, was vorhanden sei und wie Rohstoffe oder Einzelteile wiederverwendet

werden könnten, für viele jedoch eine große Herausforderung dar, konstatiert Padalkina. “Hier braucht es bei jedem Planungs schritt eines Bauvorhabens Un terstützung seitens der Regierung und der Kommunen vor Ort sowie der Wissenschaft”, forderte sie. Die Wiederverwendung ganzer

“Ich will abfallfreie Baustellen sehen”

Urban Mining funktioniert (fast) immer

von

Abhilfe schaffen könnte das Urban Mining, welches sich anthropogener, sprich menschengemachter Rohstofflager bedient.

Bauteile ergebe vor allem bei Tragwerkstrukturen Sinn, wel che auf lange Nutzungsdauern ausgelegt seien und wodurch sich graue Energie einsparen ließe, erläuterte die Wahlberline rin. Allerdings sei die Wiederver wendung von Tragwerken nach einem R ückbau aufgrund des Platzmangels in Innenstädten oft nicht praktikabel.

Schadstoffe verhindern Wiederverwendung

Aber nicht nur bereits beste hende Gebäude, auch aktuelle Bauprojekte seien nicht dafür gemacht, als Rohstoffmine ge nutzt zu werden, kritisierte Nora Sophie Griefahn, geschäftsfüh r ende Vorständin der Cradle to Cradle (von der Wiege zur Wiege) NGO. Daher müsse im Voraus darauf geachtet werden den Rückbau eines Gebäudes mit zu bedenken, um in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu kommen. “Wir produzieren heute bereits für die Zukunft”, erklärte auch Ralf Paul Bittner, Bürgermeister der Stadt Arns berg, weswegen es wichtig sei, in aktuellen Bauprojekten auf nachhaltige Rohstoffe zu setzen,

die Materialien so zu verbauen, dass sie zukünftig recyclebar seien und dies auch zu doku mentieren. Wie problematisch das Bauen mit Verbundstoffen und eine mangelnde Dokumen tation sein könnten, sehe man aktuell an Gebäuden aus den 60er- und 70er-Jahren, welche gerade am Ende ihres Lebenszy klus stünden. “Wenn wir die in den Gebäuden verbauten Materi alien überhaupt kennen”, so der Bürgermeister, “dann aus dem Schadstoff- oder Altlastenkatas

ter.” Man dürfe nicht nur darü ber sprechen, wie man Rezyklate oder Materialien wiederverwen den könne, so Griefahn, sondern müsse sich auch vermehrt mit den Schadstoffen auseinander setzen. In vielen Fällen ließen sich diese entsorgen und dürften dann eben nicht mehr in den Kreislauf eingebracht werden. An anderer Stelle sollte man da gegen verstärkt Umnutzungs szenarien in den Blick nehmen. “Es gibt einige Schadstoffe, die nicht problematisch sind, solan ge sie im Beton gebunden sind, die allerdings dann schädlich werden, wenn man versuchen würde, sie aus dem Beton her auszulösen beziehungsweise den Beton als Ganzes zu recyceln”, berichtete die “GreenBiz’ 30 Un der 30”-Preisträgerin.

Etablierte und wirtschaftlich lohnende Recyclingstrukturen gebe es vor allem bei den Me

tallen, antwortete Müller auf die Frage, bei welchen Rohstoffen die Wiederverwendung bereits heutzutage gut funktioniere. “Da diese wertgetrieben im Fokus stehen, bei jedweder Rückbau aktivität, werden sie in großen Umfang gewonnen. Das lässt sich auch technologisch durch Magnetabscheider sehr gut be werkstelligen.” Bei Legierungen werde es schon schwieriger, er läuterte er weiter, da man diese weniger gut von den sonstigen Baustoffen trennen könne, wo durch die Rohstoffqualität leide. Dennoch gebe es auch hierfür genug Abnehmer, sodass sich das Recycling wirtschaftlich lohne. Kunststoffe würden in erster Linie energetisch verwertet, da sie im Bau mit verschiedenen Additiven, wie beispielsweise Brandschutz mitteln, versetzt seien und es zu aufwendig wäre, erst auszuschlie ßen, welche dieser Zusätze im Kreislauf bleiben könnten und welche nicht, führte der diplo mierte Wirtschaftschemiker aus. Einfaches Bauen ist die Lösung

Diese kostspieligen Materialien –Metalle, Speicher und seltene Erden, alles um die Kostengruppe 400 – kämen vor allem in der Gebäudetechnik zum Einsatz, welche in erster Linie unserem Komfort diene und die nur sehr begrenzt durch lokale Rohstof fe hergestellt werde, erläuterte Braune Um zukünftig komplexe Recyclingprozesse zu vermeiden, sollte man sich daher auf ein einfacheres Bauen zurückbesin

nen, forderte Abteilungsleiterin Braune, und sich fragen, was und wie viel man wirklich brauche.

Visualisierung und Orientierung

“Es bedarf sehr viel Überzeu gungsarbeit, um die Umset zung von Recyclingmaßnahmen nachhaltig in der Bevölkerung zu verankern”, gab Padalkina zu bedenken. Nur wenn es bereits Modellprojekte gebe, die die ver schiedenen Maßnahmen visua lisierten und an denen man sich für weitere Recyclingvorhaben orientieren könne, gelänge es, eine breite Aufmerksamkeit zu generieren. In der Stadt Arns berg werde zu diesem Zweck die alte Tür des Ratssaals im neu en Rathaus wiederverwendet, was bei vielen Bürgerinnen und Bürgern Nachfragen anstoße, berichtete Bittner, und ihm die Gelegenheit gebe, die Aspekte Wiederverwendung und Recyc ling immer wieder thematisieren zu können.

Ein weiteres Beispiel biete die Berliner Senatsverwaltung, be richtete Müller, die Ende 2021 eine Verwaltungsvorschrift er lassen habe, welche sowohl die Wiederverwendung und das Re cycling von Baurestmassen als auch den Einsatz von Rezyklaten oder erneuerbaren Rohstoffen in öffentlichen Bauvorhaben vorschreibe. “Da sind die Wirt schaftlichkeitskriterien ganz klar an ökologische Wirtschaftlichkeit geknüpft, die ich auch moneta risieren kann.” Man schaue sich also vermehrt die gesellschaftli chen und volkswirtschaftlichen Kosten an und rechtfertige damit die aktuelle Vergabepraxis in der Hauptstadt, erläuterte er. Diese Praxis begrüßte auch Griefahn: “Gerade Kommunen können da ansetzen und sagen, wirtschaft lich ist nicht nur, was sich in diesem Jahr rechnet, sondern über den gesamten Nutzungs zeitraum.”

Entscheidung für Glasfaser made in Brandenburg

DNS:NET baut Glasfaser für den Landkreis Elbe-Elster (BS/Torsten Hoffgaard*) Der Landkreis Elbe-Elster hat sich für eine Kooperationsvereinbarung mit dem größ ten alternativen Breitbandversorger Brandenburgs, der DNS:NET Internet Service GmbH, entschieden. Der Kreistag stimmte am 26. September 2022 einstimmig für die Kooperationsvereinbarung, die der Landkreis Elbe-Elster stellvertretend für die Gemeinden, Ämter und Städte des Landkreises abschließt.

Zukunftsaufgabe: suffizientes Bauen

Lange Lebenszyklen bei Bodenbelägen (BS/Nora Lippelt*) Suffizienz ist derzeit in aller Munde und die konsequente Fortsetzung des Nachhaltig keitsgedankens. Angesichts der begrenzten natürlichen Ressourcen und des Klimawandels ist es zentral, Energie zu sparen, Materialien weiter- oder wiederzuverwenden, nachhaltige Rohstoffe einzusetzen sowie die Nutzungsphase von Gebäuden zu verlängern.

Um die Klimaziele zu erreichen, sollte sowohl beim Neubau als auch bei der Sanierung CO 2 neutralen Produkten der Vor zug gegeben werden. Langlebige Baumaterialien können einen wesentlichen Beitrag zur Res sourcenschonung und somit zum suffizienten Bauen leisten. Je seltener beispielsweise ein Bo denbelag ausgetauscht werden muss, desto besser für die Um welt und das kommunale Budget. Viele öffentliche Gebäude setzen daher auf nora-Kautschuk-Belä ge. Dies stehen aufgrund ihrer ext r emen Verschleißfestigkeit für außergewöhnlich lange Le benszyklen: Die Nutzungsdauer von norament-Böden beträgt bei üblicher Beanspruchung mehr als 40 Jahre, bei noraplan-Be lägen mehr als 30 Jahre. Diese Langlebigkeit, verbunden mit den geringen Reinigungsaufwendun gen, wirkt sich positiv auf die Lebenszykluskosten (LCC) sowie

auf die Lebenszykluskostenana lyse (LCA) aus, also die Ökobilanz von Gebäuden entsprechend der Bewertungssysteme DGNB, BNB oder LEED.

Am 4. Oktober wurde die Verein barung unterzeichnet. Landrat Christian Heinrich-Jaschinski er klärte: “Wir sind froh darüber, mit der DNS:NET ein Unterneh men gefunden zu haben, welches das gleiche Ziel wie der Landkreis verfolgt: den flächendeckenden Gigabitausbau in Elbe-Elster.”

Ariane Kölling, Breitbandbe auftragte für die Region, stellte fest, dass nach einem längeren, akribischen Auswahlprozess für den Landkreis die DNS:NET als überzeugendster Anbieter und Versorger mit der entsprechen den Expertise gewonnen wurde. “Wir sind zuversichtlich, dass nun im überwiegend eigenwirt schaftlichen Ausbau die Flächen deckung für über dreizehn Kom munen, Städte und Gemeinden in Elbe-Elster umgesetzt wird.”

Der Amtsleiter des Amtes für Strukturentwicklung und Kul tur des Landkreises Elbe-Elster, Rainer Pilz, bestätigte dies: “Wir haben zusammen mit der Kreis arbeitsgemeinschaft des Land kreises, die aus den Hauptverwal tungsbeamtinnen und -beamten der Kommunen besteht, insge samt drei Unternehmen mit ihren Ausbauzielen für den Landkreis angehört. Ob mit einem oder meh reren Unternehmen eine Koope rationsvereinbarung geschlossen wird und welches Unternehmen am ehesten mit den Zielen des Landkreises übereinstimmt, wurde gemeinsam abgewogen.” Und Stefan Holighaus, Mitglied der Geschäftsleitung, bekräftigte

die Entscheidung des Landkrei ses: “Es ist nur folgerichtig, dass sich der Landkreis Elbe-Elster für die sicherste und schnellste Infrastruktur entscheidet. Die ses Vorhaben kann mit entspre chender professioneller Planung, Manpower und regionaler Erfah rung für den gesamten Landkreis schnell und über Tausende von Ki lometern sicher umgesetzt werden. Wir unterstützen durch unseren eigenwirtschaftlichen Ausbau die Region und machen den Landkreis Elbe-Elster zum Gigabitlandkreis.”

Hardy Heine, Repräsentant der DNS:NET, stellte fest: “Eine Ko operationsvereinbarung für einen ganzen Landkreis wird immer häufiger angefragt. Der Landkreis Elbe-Elster ist nun der erste, der diese Vereinbarung unterzeich net und sichert so das dringend notwendige Tempo bei der Glas faserversorgung bis ins Haus.”

Über 100.000 Einwohner werden im Zuge des Ausbaus die Chance auf 2,5 Gbit/s haben. Ob in Bad

Liebenwerda, Falkenberg, Dober lug-Kirchhain, Elsterwerda, Herz berg und vielen anderen Städten, Gemeinden und Kommunen wird nun vorgelegt, was von Politik und Einwohnern gleichermaßen gefordert wird: Jeder Haushalt, der dies wünscht, kann einen schnellen Glasfaseranschluss be kommen und sichert sich somit den Anschluss an die Zukunft. Flickenteppiche wie in anderen Regionen werden so vermieden. Dafür werden weit über 1.500 Ki lometer Tiefbaugräben gezogen und über 3.000 Kilometer Rohre verlegt. Ab Oktober beginnt die Vorver marktung durch die DNS:NET. In der Vorvermarktung werden die Bürger der auszubauenden Ge meinden motiviert, einen Vertrag mit der DNS.NET abzuschließen. Wenn die 20-Prozent-Mindestquote eines Ausbaugebietes erreicht wird, wird geplant und gebaut.

*Torsten Hoffgaard ist Pressere ferent im Landkreis Elbe-Elster.

Behörden Spiegel / Oktober 2022
Seite 24 Kommunale Infrastruktur
(BS/Malin Jacobson) Ein Containerschiff bleibt im Suezkanal stecken, Bürgerkriege erschweren den Abbau seltener Erden – die Versorgung mit Rohstoffen beruht auf einem fragilen Transportnetz und internationalen Abhängigkeiten! Zudem kosten die Importe,
denen Deutschland in fast allen Wirtschaftsbereichen abhängig ist, viel Geld und die weiten Transportstrecken verursachen hohe Klimaschäden.
Weitere Informationen unter: www.nora.com *Nora Lippelt ist Direktorin der GCI Germany. building excellence goldbeck.de Halle B2 Stand 130/030 Design – Bau – Service Schulgebäude mitSystem Foto: BS/Elmar Witt
Urban Mining ist machbar und wirtschaftlich – darin waren sich die Vertreterin nen und Vertreter aus Kommunen, Verbänden und Wissenschaft einig. Screenshot:
BS/Jacobson
Die Verantwortlichen vom Landkreis Elbe-Elster und der DNS:NET GmbH bei der Unterzeichnung der Vereinbarung. Foto: BS/Landkreis Elbe-Elster

Frauenquote für Sparkassen

Schleswig-Holstein schreibt Gleichstellung fest (BS/jf) Im echten Norden müssen die Geschäftsführungsorgane und Verwaltungsräte öffentlich-rechtlicher Sparkassen künftig paritätisch besetzt werden. Das Land hat eine verbindliche Frauenquote eingeführt und das Kabinett auf Vorschlag von Finanzministerin Monika Heinhold einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen.

“Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung, also sollten sie auch zur Hälfte mitbestimmen dürfen.

Leider sind wir in puncto Gleichstellung immer noch nicht da, wo wir hinwollen”, begründet die Finanzministerin das Vorhaben.

Zumal sich immer wieder zeige, dass Freiwilligkeit nicht zum gewünschten Erfolg führe. Deshalb habe sich die Landesregierung entschieden, eine verbindliche Frauenquote einzuführen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in den Sparkassen-Verwaltungsräten Frauen und Männer zu gleichen Teilen berücksichtigt werden müssen. Die gleiche Regelung gilt auch für die Geschäftsführungs-

und Aufsichtsorgane von Schleswig-Holsteins Landesunternehmen und Landesbeteiligungen. Künftig darf das Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen nur noch eine Person betragen. Wobei es keine Vorgabe gibt, zu welcher Seite die Waage sich neigt.

Sollte das Geschäftsführungsorgan nur aus einer Person bestehen, sollen Frauen und Männer bei der Neubesetzung alternierend berücksichtigt werden. Für die Sparkassen ist dies eine neue Regelung. “Wirkliche Gleichstellung ist erst dann erreicht, wenn wir keine Quote mehr brauchen. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg”, erklärte Heinold abschließend.

Mehr Mittel gefordert

Flüchtlingskosten überfordern kommunale Ebene (BS/jf) Der Deutsche Landkreistag (DLT) warnt vor einer Überforderung der öffentlichen Haushalte durch den Sozialleistungsbezug von Geflüchteten aus der Ukraine. Und fordert zugleich mehr Unterstützung.

“Der Umstand, dass ukrainische Flüchtlinge direkt die höheren Leistungen nach dem SGB II erhalten, führt zu weiterer Zuwanderung und einer systematischen Überlastung unseres Systems. Die Unterbringungskapazitäten sind vielerorts gänzlich erschöpft und es kommen immer mehr Ukrainer aus anderen EU-Mitgliedsstaaten, die dort eigentlich bereits Schutz genießen”, beschreibt der DLTPräsident, Landrat Reinhard Sager die Situation. Hier sei der Bund gefordert, dringend gegenzusteuern.

Zudem sieht Sager wie auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (siehe Seite 17) Bund und Länder in der Pflicht, mehr Mittel bei der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen aus der Ukraine bereitzustellen. “Die Kommunen brauchen endlich verlässliche Aussagen zur Finanzierung der kommunalen Flüchtlingskosten”, so Sager. Im Zuge dessen sollen Bund und Länder sämtliche Wohnkosten für anerkannte Flüchtlinge rückwirkend zum 1. Januar 2022 übernehmen.

Wann sind Beteiligungen erlaubt?

Beteiligungen haben vielfach eine beachtliche, nicht nur finanzielle, Bedeutung für die Kommunen. Nach der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) darf sich eine Gemeinde wirtschaftlich betätigen, wenn: • der öffentliche Zweck die Betätigung rechtfertigt, • die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und • der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Der Einfluss der Kommune auf das Unternehmen wird vom eingebrachten Kapital und der Höhe der Stimmrechte bestimmt.

Die folgenden Ausführungen und Quervergleiche betreffen ausschließlich die Beteiligungen der hessischen kreisfreien Städte, an denen sie mindestens im maßgeblichen Umfang (größer gleich 20 Prozent) beteiligt waren. Datengrundlage sind die Beteiligungsberichte des Jahres 2018.

Verborgene Gehälter und allerhand Mandate

sichtsräten vertreten war. In Frankfurt am Main hingegen gab es sogar eine Person mit mehr als 15 Aufsichtsratsmandaten.

Neben den erforderlichen fachlichen Qualifikationen sollten die Aufsichtsratsmitglieder über ausreichend Zeit für die Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen.

Städte haben darauf hinzuwirken, dass die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans, eines Aufsichtsrats oder einer ähnlichen Einrichtung jährlich der Stadt die ihnen jeweils im Geschäftsjahr gewährten Bezüge mitteilen und der Veröffentlichung im kommunalen Beteiligungsbericht zustimmen (§ 123a Absatz 2 Satz 2 HGO).

So die Theorie – in der Praxis wird das heterogen umgesetzt. Lediglich im nordhessischen Kassel waren bei allen betrachteten Beteiligungen die Gesamtbezüge der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans angegeben. Die niedrigste prozentuale Quote wies mit unter 60 Prozent Frankfurt am Main aus. Das ist nicht sachgerecht. Bei maßgeblichen Beteiligungen ist nicht zuletzt aus Gründen der Transparenz und des

öffentlichen Interesses darauf hinzuwirken, die Angabe der Gesamtbezüge der Mitglieder des Geschäftsführungsorgans zu veröffentlichen.

Dem Aufsichtsrat kommt eine wichtige Kontroll- und Überwachungsfunktion zu. Für die Beteiligungssteuerung ist daher die Belastung der Aufsichtsräte relevant. Gerade in größeren Städten werden Fehler gemacht, indem Verantwortungsträger in Überlastungssituationen gebracht werden und damit nicht mehr in der Lage sind, ihre Tätigkeiten angemessen wahrzunehmen. Das ist mit Risiken für den Kommunalhaushalt verbunden (siehe Tabelle). Darmstadt und Offenbach am Main waren die einzigen Städte des Vergleichs, bei denen keine Person in mehr als zehn Auf-

Sind einzelne Personen gleichzeitig in mehreren Aufsichtsräten vertreten, besteht die Gefahr, den einzelnen Mandaten nicht mehr im notwendigen zeitlichen Umfang nachkommen zu können. Der Stadt kommt als Gesellschafter die Verantwortung zu, auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der städtischen Beteiligungen entsprechend hinzuwirken.

Die Anzahl der Aufsichtsratsmandate sollte bei hauptamtlichen Wahlbeamten vorschlagsweise auf maximal zehn reduziert werden. Auf diese Weise können diese Personen ihren Pflichten im notwendigen zeitlichen Umfang nachkommen. Für ehrenamtlich tätige Personen empfiehlt sich eine noch niedrigere Anzahl an Aufsichtsratsmandaten: maximal fünf.

Lesen Sie mehr zum Thema “Betätigungen, Aufsichtsratsmandate und Gesamtbezüge der Mitglieder des Geschäftsführerorgans” im Großstädtebericht, Hessischer Landtag, Drucksache 20/6483 vom 19. November 2021, S. 50 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof. hessen.de abrufbar. Siehe zu diesem Thema auch: Deutscher Public-Corporate-Governance-Musterkodex (D-PCGM), https://pcg-musterkodex.de

– ca.

der großen kreisangehörigen

Einwohnende – ist zum nächstmöglichen Zeitpunkt die

einer / eines Ersten Beigeordneten (m/w/d)

3 LBesG NRW

allgemeine Vertreterin / allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters zu besetzen.

Die Kolpingstadt Kerpen bietet mit ihrer verkehrsgeographisch günstigen Lage zu den Großstädten Köln, Bonn und Düsseldorf, ihrer guten Infrastruktur und ihren Qualitäten im Hinblick auf Wohn-, Freizeit- und Erholungsangebote ein attraktives Arbeitsumfeld. Nähere Informationen zu Kerpen erhalten Sie unter www.stadt-kerpen.de.

Bewerberinnen und Bewerber müssen gem. § 71 Abs. 3 GO NRW die für das Amt der bzw. des Beigeordneten erforderlichen fachlichen Voraussetzungen erfüllen und eine ausreichende Erfahrung für dieses Amt nachweisen. Da die Kolpingstadt Kerpen eine große kreisangehörige Stadt ist, müssen Bewerberinnen und Bewerber außerdem die Befähigung zum Richteramt oder zur Laufbahn des allgemeinen Verwaltungsdienstes im Land Nordrhein-Westfalen in der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, besitzen. Die Beigeordneten werden vom Stadtrat gewählt und auf acht Jahre als Beamte auf Zeit ernannt. Die Besoldung erfolgt nach der Besoldungsgruppe B 3 LBesG NRW. Daneben steht eine Dienstaufwandsentschädigung zu.

Weiterhin ist beabsichtigt den / die Stelleninhaber/in zum Kämmerer / zur Kämmerin zu bestellen. Zum geplanten Aufgabenbereich gehören insbesondere folgende Geschäftsbereiche: Rechtsangelegenheiten

• Finanzen

• Sicherheit und Ordnung

• Schulen, Sport und Kultur

• Jugend

Eine Änderung der Geschäfts- und Dezernatsverteilung bleibt ausdrücklich vorbehalten.

Die Bewerbungen von Frauen sind ausdrücklich erwünscht. Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt.

Interessierte Bewerberinnen und Bewerber werden gebeten, die Einverständniserklärung zur Personalakteneinsicht – unter Nennung der Anschriften der Personalakten führenden Stelle – zu erteilen.

Sollten Sie Interesse an der ausgeschriebenen Stelle haben und davon überzeugt sein, dass Sie den hohen Anforderungen gerecht werden, so richten Sie bitte Ihre schriftliche Bewerbung mit tabellarischem Lebenslauf, Zeugniskopien sowie lückenlosen Tätigkeitsnachweisen bis zum 14.11.2022 an den Bürgermeister der Kolpingstadt Kerpen Herrn Dieter Spürck - persönlichJahnplatz 1, 50171 Kerpen

Sollten Sie Fragen zu der ausgeschriebenen Stelle haben, so steht Ihnen der Bürgermeister, Herr Spürck, Rufnummer 02237 58353, zur Verfügung.

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 25Kommunaler Haushalt Manfred vom Sondern, Chief Digital Officer von Gelsenkirchen, macht seine Heimatstadt zur digitalen Vorzeigekommune. Dazu gehören modern ausgestattete Schulen und Klassenzimmer mit interaktiven Whiteboards. Ermöglicht durch: die NRW.BANK – Förderbank für Nordrhein-Westfalen.
„Wir
lernen jetzt für die
digitale
Zukunft. Und das soll Schule machen.“ Fördern, was NRW bewegt. Die ganze Geschichte unter: nrwbank.de/gelsenkirchen 05.07.22 Behörden Spiegel 141x200 + 20 Jahre.indd 1 14.06.22 08:28 In
Kolpingstadt Kerpen
68.000
Stelle
B
als
“Konzern Kommune” Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaf ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat Anzahl der Personen mit mindestens fünf Aufsichtsratsmandaten 5-10 Mandate 11-15 Mandate >15 Mandate Darmstadt 10 Personen Frankfurt am Main 20 Personen 3 Personen 1 Person Kassel 8 Personen 1 Person Offenbach am Main 7 Personen Wiesbaden 5 Personen 2 Personen Abbildung: Angabe Gesamtbezüge des Geschäftsführungsorgans im Jahr 2018 Quelle: BS/Eigene Erhebungen; Stand: April 2021

“Handyblitzer” in Rheinland-Pfalz

Technik kann Menschen aber nicht ersetzen (BS/mfe) Ablenkungsverstöße führen immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen, auch mit Toten. Dabei spielen Smartphones oftmals eine entscheidende Rolle. In Rheinland-Pfalz ist deshalb seit Kurzem ein soge nannter “Handyblitzer” im Einsatz. Genutzt wird auch Künstliche Intelligenz (KI).

Die Gerätschaft werde auf einer erhöhten Position über der Fahr bahn, etwa auf einer Brücke, aufgebaut. Anschließend erfolge eine Echtzeitüberwachung und -übertragung des Verkehrsge schehens. Ebenfalls finde eine Kennzeichendetektion statt, um u. a. Doppelerfassungen zu ver hindern. Das berichtet Marco Schäler, Geschäftsführer der Ver kehrskommission der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Die Techni k suche mithilfe einer Mustererkennung nach einem Mobiltelefon. Das aufgenommene Bild werde dann manuell durch Polizeibeamtinnen und -beamte überprüft. Dabei werde u. a. ge schaut, ob tatsächlich ein Handy verstoß vorliegt. Falsch-positive Aufnahmen werden unmittelbar an der Kontrollstelle gelöscht, Treffer hingegen gespeichert und an die zuständigen Bußgeldstel len weitergeleitet.

Derzeit erfolge der Betrieb der “Handyblitzer” noch mit Beru fung auf die polizeiliche Gene ralklausel. Das hält Schäler für unzureichend, wie er auf dem “Bundeskongress Kommunale Verkehrssicherheit” des Behör den Spiegel in Dortmund deutlich machte. Aus seiner Sicht brauche es hier eine spezialgesetzliche Regelung in den jeweiligen Po lizeigesetzen. Momentan könne die Technik, die weder dem Eichnoch dem Messrecht unterliege, da keine relevanten Messgrößen generiert werden, nur maximal zwei Fahrspuren in einer Rich tung auswerten. Zudem würden derzeit nur Mobiltelefone und Ta blets von der KI erkannt. Und es seien nur Frontaufnahmen mög lich. Dadurch fielen Fahrzeuge, die nur über hintere Kennzeichen verfügen (z. B. Motorräder) noch durch das Raster. Schäler zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass sich die Technik noch verbessern und weiterentwickeln werde. Sei ner Meinung nach ergänze sie die klassische Verkehrsüberwa chung sinnvoll.

Die polizeiliche Kontrolldich te sei aber oftmals noch nicht hoch genug, so Peter Schlanstein, Dozent an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwal tung Nordrhein-Westfalen. Zumal 99 Prozent der Verkehrsunfälle hierzulande aufgrund mensch licher Fehler zustande kämen, berichtete das Geschäftsführende Vorstandsmitglied der Verkehrs unfall-Opferhilfe Deutschland.

Dabei dominiere die Unfallur sache Geschwindigkeit.

Unfallaufnahme künftig objektivieren

Aus Schlansteins Sicht müsse die polizeiliche Unfallaufnahme in Zukunft stärker objektiviert werden. Denn die bisherige Praxis komme aufgrund des rasanten technischen Fortschritts an ih re Grenzen. Moderne Fahrzeu ge seien zunehmend rollende Computer. Außerdem gebe es bei Verkehrsunfällen immer we niger offenkundige Spuren. Diese Entwicklung erfordere bei den Polizeien allerdings eine hohe fachliche Kompetenz und größere Genauigkeit, insbesondere bei

Auch bessere Fahrzeugtechnik könne die Regeltreue und damit letztlich auch die Verkehrssicher heit erhöhen, zeigte sich Jonas Hurlin vom Deutschen Verkehrs sicherheitsrat (DVR) überzeugt. Aber auch er unterstrich die Be deutsamkeit der Kontrolldich te. Denn jedes (gefahrgeneigte) System brauche zwingend über wachte Regeln. Hier kann moderne Technik hel fen. Das zeigten u. a. Larissa Seck vom Unternehmen Jenoptik, Michael Diestelhorst von Vitronic sowie Michaela Grahl von der Initiative für sichere Straßen auf. Sinnvoll sei es zudem, das Parken in zweiter Reihe nicht als Kavaliersdelikt zu betrach ten, Parkhäuser besser auszu lasten, vermehrt Fußverkehrsund Fahrradabstellanlagen zu bauen sowie spezielle Ladezonen einzurichten. Das helfe Sicher heitsrisiken und Nutzungskon flikte im öffentlichen Straßenland zu minimieren, betonte Martina Hertel vom Deutschen Institut für Urbanistik.

Immer mehr Vollzugsaufgaben

Einsatztraining für Ordnungs- und Sonderordnungsbehörden (BS/Konstantinos Stamoulis*) In den vergangenen Jahren war nunmehr auch in Deutschland festzustellen, dass neben der Polizei vermehrt auch die Ordnungs- und Sonderordnungsbehörden im Rahmen ihrer origi nären Zuständigkeit Vollzugsaufgaben zu bewältigen haben, denen stets das Risiko der Zwangsanwendung innewohnt. In diesem Zusammenhang ist zur Aneignung und Aufrechterhaltung eines wirkungsvollen Eigen sicherungskonzeptes sowie einer taktisch lageangepassten und zielführenden Einsatzbewältigung geziel tes, kontinuierliches und anwenderorientiertes Einsatztraining unabdingbar.

Im Rahmen der Durchführung von Einsatztrainings betrachten wir den kommunalen Verwal tungsvollzug der Ordnungs- und Sonderordnungsbehörden als gänzlich eigen en Aufgabenbe reich, welcher zwar gewisse Par allelen zum polizeilichen Vollzug aufweist, im Wesentlichen aller dings eine gänzlich differenzierte Herangehensweise an die einzel nen Einsatzszenarien erfordert. Aufgrund der Besonderheiten in nerhalb des kommunalen Verwal tungsvollzugs haben wir daher für die Aus- und Fortbildung von Ordnungs- und Sonderordnungs behörden ein gänzlich eigenes Aus- und Fortbildungskonzept entwickelt, welches sich insbe sondere von den polizeilichen Aus- und Fortbildungskonzepten klar abgrenzt. Bei der Aus- und Fortbildung von Ordnungs- und Sonderordnungsbehörden ver folgen wir einen ganzheitlichen Ansatz.

Dieser ganzheitliche Ansatz be rücksichtigt die Verbindung und Automatisierung der Erarbeitung von Lösungsansätzen nach dem deeskalierenden Einsatzmodell, der rechtlichen Beurteilung des

Übungssachverhaltes und des Erlernens, Umsetzens und Au tomatisierens der Eingriffs- und Eigensicherungstechniken unter besonderer Beachtung des Ver hältnismäßigkeitsgrundsatzes.

D ur ch die zielführende Ein beziehung rechtstheoretischer Grundlagen in das Einsatztrai ning sollen die Bediensteten in die Lage versetzt werden, auch in, zunächst im Einsatztraining simulierten, Stress- und Angst situationen unter gebührender Beachtung der Eigensicherung von Rechtmäßigkeit getragene Maßnahmen treffen zu können.

Unsere Lehrgänge vermitteln komprimierte Kenntnisse in De eskalation, Eigensicherung, Ein satztaktik, aber notwendigerweise auch in Eingriffstechniken, im Umgang mit Hilfsmitteln der kör perlichen Gewalt, wie dem Reiz stoffsprühgerät oder den Handfes selsystemen sowie mit Waffen, wie

dem Einsatzstock kurz ausziehbar und dem Einsatzmehrzweckstock.

Darüber hinaus können wir durch regelmäßigen Austausch über aktuell auftretende Phänomene und Gefahrenlagen speziell an den Bedürfnissen und Anforderungen der jeweiligen Behörde ausgerich tete, individuelle Sicherheitslehr gänge ausarbeiten.

Für Informationen über unsere Schulungsangebote nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf. Wir be raten Sie gerne und stehen Ihnen für jegliche Fragen zur Verfügung.

*Konstantinos Stamoulis ist Ge schäftsführer der Tactical Consul ting International GmbH.

Tactical Consulting International GmbH

Graf-Adolf-Straße 18 40212 Düsseldorf

Telefon: (0211) 99 546 200

E-Mail: info@tac-consulting.com Website: www.tac-consulting.com

Kommunen in der Pflicht

Gefahrenabwehr obliegt vorrangig ihnen

(BS/mfe) Die Gefahrenabwehr liegt primär im Verantwortungsbereich der kommunalen Ordnungsbehörden. Die Landespolizeien seien nur subsidiär und in Eilfällen dafür zuständig. Oftmals würden die Städte und Gemeinden die Polizeien jedoch über Gebühr in Anspruch nehmen.

Das kritisierte Dr. Christos Kat zidis, Innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im nordrheinwestfälischen Landtag. Teilweise gebe es bei den politisch Verant wortlichen sogar eine Verweige rungshaltung, ihre gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen. Dies müsse sich in Zukunft jedoch drin gend ändern, so der Parlamentari er. Die Ordnungsbehörden sollten die Gefahrenabwehr rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr sicherstellen. Dafür hätten ihre Beschäftigten auch nahezu alle Befugnisse, die auch der Polizei zustünden, und auch Waffen – mit Ausnahme von Pistolen. Katzidis verlangte auf dem “Bundeskon gress Kommunale Ordnung” von den kommunalpolitisch Verant wortlichen, für diese Aufgabe ent sprechende haushaltspolitische Schwerpunkte zu setzen. Seines Erachtens sind die Mitarbeiten den der kommunalen Ordnungs dienste sogar berechtigt, den Ein satzmehrzweckstock nicht nur zur Eigensicherung im Rahmen der Notwehr zu nutzen, sondern auch aktiv zur Durchsetzung ord nungsbehördlicher Maßnahmen. Daran ändere auch ein Rechts streit seiner Meinung nach nichts, unterstrich Katzidis In anderen nordrhein-westfälischen Städten sind auch Bodycams im Einsatz.

In Duisburg werden Geräte von NetCo erprobt. Die ersten Ergeb nisse sind sehr positiv. Katzidis wünscht sich für Nordrhein-West falen landeseinheitliche Standards – u. a. hinsichtlich der Aus- und Fortbildung sowie der Ausrüstung – im Bereich der Kommunalen Ordnungsdienste (KODs). Hier sei auch eine stärkere interkom munale Kooperation sinnvoll. Diese wird im Ordnungsbehör den- und Verwaltungsbehörden bezirk Rödermark-Messel schon

Die Kräfte der kommunalen Ordnungsdienste sind vorrangig für die Gefahrenabwehr zuständig. Die Polizei ist hier nur subsidiär gefordert.

gelebt, wie die Erste Stadträtin und Ordnungsdezernentin des hessischen Rödermark, Andrea Schülner, berichtete.

Dortmund setzt auf anerkann ten Ausbildungsberuf

In Dortmund gebe es bereits einen eigenen Ausbildungslehrgang zur Fachkraft für Schutz und Sicher heit für die KOD-Mitarbeitenden, so die Fachbereichsleiterin des dortigen Ordnungsamtes, Beate Siekmann. Die Personalgewinnung gestalte sich – trotz der Zahlung einer Schicht- sowie einer außer tariflichen Zulage – oftmals als He rausforderung. Denn das beson dere Anforderungsprofil sowie der spezielle Qualitätsanspruch an die KOD-Kräfte erforderten eine fach spezifische Ausbildung und Qua lifizierung, ergänzte Simone Hüls mann, stellvertretende Leiterin des Dortmunder Personal- und Orga nisationsamtes. Hierfür bekam sie Zuspruch vom Leiter der Abteilung Stadtpolizei in Wiesbaden, Hans Peter Erkel, und vom Gießener Ordnungsamtsleiter Alexander Steiß. Die Idee eines eigenen Ver waltungsausbildungslehrganges für Außendienstbeschäftigte des KOD sei allerdings nicht weiterver folgt worden, so die Dortmunderin Siekmann. In Würzburg wiederum verfolge man einen kommunika

Foto: BS/stock.adobe.com, Ronald Rampsch

tiven und allparteilichen Ansatz, um das Nachtleben sicherer und konfliktfreier zu machen. Dazu werde mit Konfliktmanagern und mehreren Mediatoren gearbeitet, berichtete der Fachbereichsleiter für Allgemeine Bürgerdienste, Dr. Uwe Zimmermann. Wichtig sei hier eine Art “Vorfeldprophylaxe”, die noch vor der Prävention ansetze. Zimmermann räumte jedoch ein, dass ein harter Kern von Regel brechern auch damit nicht erreicht werde. Problematisch sei aber, dass Kommunen mit dem Unmut und den Beschwerden der Bürgerinnen und Bürgern umgehen müssten, obwohl sie nicht in den zugrunde liegenden Entscheidungsprozess involviert gewesen seien. Das habe sich ganz besonders deutlich bei der Bewältigung der Corona-Pan demie gezeigt, kritisierte Norbert Vechtel. Der Münsteraner Ord nungsamtsleiter plädiert deshalb für eine frühere Einbeziehung der kommunalen Ebene – zumal diese näher an den Bürgerinnen und Bürgern dran sei als das jeweilige Land. Aber auch an die einzel nen Ordnungsämter stellt Vechtel Forderungen. Ihre Krisenresilienz müsse unbedingt gestärkt werden. Das gelte sowohl in Hinblick auf die finanzielle als auch auf die personelle Dimension. Hier sei künftig noch einiges zu tun.

Schutz vor Fahrzeugattacken

Sicherheitsbarrieren zum Schutz öffentlicher Veranstaltungen (BS/André Görg*) Finden wieder regelmäßig Veranstaltungen statt, rückt auch das Thema Sicherheit wieder in den Vordergrund. Genehmigungsbehörden und Veranstaltende stehen hier in der Verantwortung. Ein wieder kehrendes und grundlegendes Problem bei der Durchführung von Veranstaltungen ist die effektive und unkom plizierte Sicherung öffentlicher Räume vor unerwünschtem Fahrzeugverkehr.

Und damit auch der Schutz jedes einzelnen Besuchenden. Die seit einigen Jahren weltweit zuneh menden Überfahrtaten, als (un) absichtliches Unfallgeschehen oder sogar als terroristischer An griff, haben eine Diskussion über die Sicherheit von öffentlichen Veranstaltungen ausgelöst. Die fahrzeuggestützten Angriffe in Deutschland wie u. a. in Berlin, Volkmarsen, Limburg, Müns ter, Hannover, Bottrop oder Trier sind eine Bilanz des Grauens und sorgten für eine hohe Me dienpräsenz sowie zunehmend lauter werdenden Rufen nach effektiven Zufahrtsschutzmaß nahmen. Fahrzeugsicherheits barrieren können eine sehr sinn volle Ergänzung sein um den Verantwortlichen hier die Arbeit zu erleichtern.

Normen im Zufahrtsschutz Normgerechte, geprüfte und zertifizierte Systeme sind Stand der Technik und damit auch im Zuge des Kommunalen Schaden sausgleichs gefordert. Als weltweit anerkannte Regel der Technik gilt u.a. das Regelwerk ISO IWA 14. Für mobile Fahrzeugsicherheits barrieren findet auf nationaler Ebene die Technische Richtli nie (TR) der Polizei Anwendung. Mit der Veröffentlichung der DIN 91414, Ende September 2022, gibt es nun auch einen einheitli che deutschen DIN-Standard, in dem die sorgfältige Planung und

der fach- und sachgerechte Ein satz von geprüften und zertifizier ten Zufahrtsschutzsystemen gere gelt wird. Zugelassene Systeme werden bei akkreditierten Prüfins tituten einem aufwendigen CrashTest-Verfahren unterzogen. In den Tests wird die Wirksamkeit gegen das Eindringen von Fahrzeugen geprüft und somit dokumentiert, ob der Schutz an belebten Plätzen und Gebäuden durch das Produkt gewährleistet werden kann. Viele Barrieren, die in den vergangenen Jahren beschafft und aufgestellt wurden, erfüllen allerdings nicht die Anforderungen entsprechend dem Stand der Technik. Einzeln platzierte Betonblöcke oder JerseyElemente bieten, das beweisen zahllose Anfahrversuche, keinen Schutz vor Terrorangriffen mit Fahrzeugen. Ganz im Gegenteil: Sie werden beim Aufprall zu Ge schossen, die eine ebenso große Gefahr darstellen, wie das Fahr zeug selbst.

Zufahrtsschutzkonzept als Grundlage

Der DIN-Standard beschreibt zu nächst die Anforderungen an ein Zufahrtsschutzkonzept bezüglich Qualifikation, Geheimhaltung und Sicherheit und geht auch auf die Vorbereitungen ein. Die weiteren Schwerpunktthemen liegen beim Aufbau eines Sicherungskonzepts (Risikobewertung, Schutzziel, Schwachstellenanalyse, empfoh lene Sicherungsmaßnahmen), der

Qualifikation sowie Stufung und Dokumentation von Sicherheits maßnahmen. Bei der Erarbei tung fanden bereits vorhandene Sicherheitsnormen/-standards so wie die Inhalte der Handreichung “Schutz vor Überfahrtaten – ein Leitfaden für Kommunalverant wortliche” der Polizeilichen Krimi nalprävention Berücksichtigung. Sind die gefährdeten Zufahrts punkte bestimmt und mögliche Angriffsszenarien ermittelt, ergibt sich aus Fahrzeuggröße und der örtlich möglichen maximalen Ge schwindigkeit die zu erwartende Angriffsenergie (gemessen in kJ), die eine Fahrzeugsperre abweh ren muss. Zudem entscheiden die Platzverhältnisse vor Ort darüber, ob und wie weit sich die Barriere während des Angriffs verschieben darf. Diese Kriterien – Fahrzeug größe (Gewicht beziehungsweise Tonnage), Geschwindigkeit und die sogenannte Eindringtiefe – sind zu gleich die wichtigsten Testgrößen, die für normgeprüfte Fahrzeugsi cherheitssperren immer anzuge ben sind. Damit lässt sich objektiv und zuverlässig bestimmen, ob eine bestimmte Fahrzeugsicher heitssperre für den benötigten Einsatz geeignet ist.

Welche Inhalte zur Vorbereitung eines Zufahrtsschutzkonzepts zu beachten sind erklären wir Ihnen gerne auf Anfrage.

*André Görg ist Projektmanager bei der Volkmann Strassen- und Verkehrstechnik GmbH.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 26 Kommunale Sicherheit
Verkehrsunfällen mit Personen schäden, verlangte Schlanstein Stellte “Handyblitzer” vor: Marco Schäler von der Verkehrskommission der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Foto: BS/Feldmann

Digitaler Staat

KNAPP

Lamarr-Institut startet

(BS/lma)

B

ehörden Spiegel: Herr Wimmer, das BMZ möchte den digitalen Wandel mitgestalten und sich dafür transformieren. Die Bundesentwicklungsministerin Svenja Schultze setzt sich für eine faire, nachhaltige und menschliche Digitalisierung ein. Was kann man sich darunter vorstellen?

Wimmer: Fast die Hälfte der Menschen weltweit haben immer noch keinen Zugang zum Internet. Wir möchten dabei helfen, diese digitale Kluft zu schließen. Auch das Thema “Rechte der Menschen im Internet” ist uns ein Anliegen. Wir müssen bei der Entwicklungszusammenarbeit Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und Datenethik in den Blick nehmen. Wir wollen ein freies Internet, das nicht für Unterdrückung und Zensur missbraucht wird. Des Weiteren müssen wir auch schauen, dass die Digitale Transformation nachhaltig gestaltet wird.

Die Digitalisierung verursacht mittlerweile mehr CO 2 als der Flugverkehr – von den enormen Ressourcenverbräuchen ganz zu schweigen.

Behörden Spiegel: Wie will das BMZ diesen Wandel anpacken?

Wimmer: Wir bearbeiten die Handlungsfelder Verwaltungsmodernisierung, Datenmanagement und digitalpolitische Fragestellungen künftig zusammen. Wer heute eine Vorlage für seinen Fachbereich schreiben will, muss den jeweiligen Stand der Technik verstanden haben und wie die digitale Transformation dort funktioniert – eAgriculture, Smart Energy, Industrie 4.0, eGovernment. Deswegen gibt es auch in unseren Fachabteilungen nicht das eine Digitalisierungsreferat – sondern wir wollen, dass digitale Ansätze überall systematisch als Querschnittsthema mitgedacht werden.

Nur so können wir die passenden

und effizientesten Lösungen auf die Herausforderungen bei uns und unseren Partnern anbieten.

Behörden Spiegel: Gibt es schon erste Ergebnisse dieser Transformationsprozesse?

Wimmer: Als unser Ministerium im April neu strukturiert wurde, hat Ministerin Svenja Schulze die Digitalisierung als besonders wichtiges Thema des Hauses definiert.

Das trägt die ersten Früchte: Wir haben nun einen CDO, einen CIO und einen Chief Data Scientist, die eng zusammenarbeiten. Wir haben ein neues Governance-Modell mit einem hochkarätig besetzten Board “Digitale Transformation” und einen operativen Steuerungskreis.

Zudem haben wir drei neue Referate im Haus geschaffen, die sich aus verschiedenen Perspektiven mit Digitalisierungsthemen auseinandersetzen. Eines setzt sich mit Verwaltungsdigitalisierung und interner Kommunikation auseinander, ein weiteres ist stärker auf die IKT-Branche ausgerichtet und das dritte ist unser neues Datenlabor. Wir möchten unsere Rolle beim Agenda-Setting für das Thema digitale Transformation der Entwicklungszusammenarbeit weiter ausbauen. Dafür werden wir uns stärker in den öffentlichen Diskurs einbringen und uns mehr mit Partnern wie dem GovTech Campus, DigitalService und SPRIN-D vernetzen.

Wimmer: Grundsätzlich ist unser Partnerspektrum der globale Süden. Vor allem mit Afrika treiben wir das Thema Digitalisierung schon seit vielen Jahren auch vor Ort intensiv voran. Die Präsenz hilft uns, das Thema nicht kolonialistisch anzugehen, sondern zu erfahren, was vor Ort wirklich nötig ist und daran gemeinsam mit unseren Partnern zu arbeiten. Um eine Digitalisierungs-Metapher zu benutzen: Wir sind nahe an der User-Experience-Schnittstelle und spiegeln die realen Verhältnisse im Land zurück in unsere entwicklungspolitische Arbeit. Denn die Softwarelösungen, die im Bereich Landwirtschaft oder Klima vonnöten sind, unterscheiden sich von Region zu Region.

Behörden Spiegel: Welche Regionen stehen neben Afrika noch im Fokus?

Wimmer: Im Moment natürlich die Ukraine. Wir sind in enger Absprache mit den Kolleg/-innen von dort und wollen auf Wunsch der Ukraine vor allem im Bereich GovTech enger zusammenarbeiten. Allerdings sehen wir uns weder in Afrika, noch in der Ukraine als Chef-Digitalisierer. Unser normativer Anspruch ist, im Kampf gegen Klimawandel, für Frieden

und Demokratie und mehr soziale Gerechtigkeit die dafür notwendige nachhaltige digitale Transformation zu unterstützen.

Behörden Spiegel: Wie kann das BMZ und seine Partner vor Ort unterstützen?

Wimmer: Zuerst suchen wir die Ansprechpartner auf der politischen Ebene und in der Wirtschaft in einem Partnerland. Typische Themen sind digitale Infrastruktur, Telekommunikation und digitale Lösungen. Es gibt eine Menge Möglichkeiten für Kooperationen, Geschäftsanbahnungen und Kreditvergaben, um das Wirtschaftswachstum vor Ort anzukurbeln. Eine weitere Möglichkeit, vor Ort tätig zu werden, ist den Menschen über

digitale Tools faire Arbeitsplätze zu verschaffen. Über die FairworkInitiative fördern wir Transparenz und faire Standards in der GigEconomy. Außerdem haben wir die Lernplattform atingi aufgesetzt, mit der wir seit Ende 2019 schon über zwei Millionen Menschen erreichen konnten. Wir bieten über 200 Kurse an, unterstützt in 40 Sprachen, von Arabisch bis Vietnamesisch. Dazu haben wir noch unsere Digitalzentren.

Behörden Spiegel: Gibt es für den Transformationsprozess des BMZ einen Zeitplan?

Wimmer: Das ist ein ongoing process. Wer ein definiertes Ende erwartet, den muss ich enttäuschen. Schon die technologische Entwicklung erfordert einen ständigen Nacharbeitsbedarf. Aus meiner Sicht ist die digitale Transformation aber ohnehin eher ein Kulturwandel- als ein Technologiethema und fordert Wandel in den Köpfen, Fortbildungen, Ausbau von Skills und Umstrukturierung der Organisation. Gelingende digitale Transformation erkennt man dort, wo agiles Projektmanagement, Hierarchieabbau, Fehlertoleranz, Prototyping sich Platz geschafft haben.

Im nordrhein-westfälischen Sankt Augustin arbeitet ab sofort eines von bundesweit fünf universitären Spitzenzentren für Künstliche Intelligenz (KI). Am Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz verknüpfe man neben der KI-Expertise der TU Dortmund und der Universität Bonn auch die der Fraunhofer-Institute für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS in Sankt Augustin sowie für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund, heißt es seitens des Landes NRW. Bund und Land fördern das Institut dauerhaft, bis 2028 werden 126 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Förderung ermögliche die Besetzung von bis zu elf neuen KI-Professuren an beiden Partneruniversitäten. Unter anderem werde der Transfer von Wissen, Expertise und vertrauenswürdigen Anwendungen zur Industrie im Vordergrund stehen.

Beitritt der Digitalagentur Sachsen (BS/bhi) Zum zehnten Jahrestag der Allianz für CyberSicherheit ist die in diesem Jahr gegründete Digitalagentur Sachsen (DiAS) der Allianz beigetreten. “Informationssicherheit ist eine notwendige Voraussetzung für Digitalisierung”, sagte BSIPräsident Arne Schönbohm zu diesem Anlass. “Ansonsten werden wir scheitern.” Er wies auf die schiere Menge an Malware hin sowie auf die erhöhte Bedrohungslage im Kontext des Ukraine-Krieges. “Deswegen ist es so wichtig, dass wir hier eng zusammenarbeiten”, so der BSI-Präsident weiter. Das sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) hat die DiAS erst in diesem Jahr gegründet. Sie solle ein Dienstleister für die Unternehmen sein und trete der Allianz aus diesem Grund bei, heißt es.

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.deBerlin und Bonn / Oktober 2022
Die digitale Transformation in den Diskurs bringen BMZ setzt nach Neustrukturierung voll auf digitale Entwicklungszusammenarbeit (BS) Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat es sich zum Ziel gesetzt, einen digitalen Transformationsprozess einzuleiten. Im Fokus ist dabei, wie man die Länder aus dem globalen Süden vor Ort unterstützen kann. Im Interview mit Paul Schubert, erklärt der Chief Digital Officer (CDO) des BMZ, Martin Wimmer, wie der Prozess gestaltet werden soll. Behörden Spiegel: Könnten Sie erklären, wie die Arbeit mit den Partnerländern explizit abläuft?
Anträge einreichen mittels Fernsignaturen via Online-Banking 2022 SMART COUNTRY CONVENTION 18. - 20. Oktober Messegelände Berlin Stand-Nr. 309 | Hub27 governikus.de Für das „Mehr“ an Nutzerfreundlichkeit “Wir sehen uns nicht als Chef-Digitalisierer.” Martin Wimmer ist Chief Digital Officer beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Foto: BS/Henrik Andree Für das BMZ ist der globale Süden der Hauptschwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit. Durch die Präsenz vor Ort können Bedürfnisse zielgerichtet realisiert werden. Foto: BS/GIZ, World Bank, Charlotte Kesl

B

ehörden Spiegel: Die Bundesregierung hat eine Digitalstrategie vorgelegt. Wie bewerten Sie diese, insbesondere auch mit Blick auf die Verwaltung?

Berg: Die Digitalstrategie markiert insgesamt einen wichtigen Meilenstein – die nötige digitale Zeitenwende läutet sie allerdings nicht ein. Positiv ist, dass die Strategie an den richtigen Stellen Schwerpunkte setzt und zum Beispiel Gigabit in die Fläche bringen und die Verbreitung sicherer digitaler Identitäten fördern will. Natürlich hätten wir uns mehr Ambitionen gewünscht und in vielen Bereichen fehlen klar defi nierte Ziele und Zeitpläne. Wichtig ist aber, dass die Digitalstrategie jetzt nicht zerredet wird. Und dass die Prioritätensetzung stimmt. Lieber wenige, aber da-

Eigene Kapazitäten aufbauen

Europa muss ein starker, digital souveräner Player werden

(BS) Der ITK-Branchenverband

für die ITK-Branche sprach der Behörden Spiegel mit Achim Berg, Präsident des Bitkom. Die Fragen stellte Guido Gehrt.

für wichtige Projekte mit Tempo umsetzen als alles auf einmal und dafür nur ein bisschen. Dazu gehört insbesondere auch die Schaffung sicherer digitaler Identitäten – sogenannter eIDs – und moderner Register. Sichere eIDs sind die Grundvoraussetzung, unsere durch und durch analog geprägte Verwaltung endlich ins digitale Zeitalter zu führen.

Behörden Spiegel: Der Bitkom hat jüngst den neuen Smart City Index veröffentlicht. Was sind die zentralen Erkenntnisse?

strategie, klare Strukturen, ein starkes lokales Netzwerk und das Engagement der Bevölkerung. Das gilt gerade angesichts der aktuellen Herausforderungen von Pandemiefolgen und Energiepreissteigerungen, zu deren Lösung digitale Technologien einen zentralen Beitrag leisten können. Unabhängig von der Größe und der Finanzkraft ist es entscheidend, dass Politik und Verwaltung anpacken. Es braucht den Willen und die Fähigkeit, in der gesamten Stadt Begeisterung für die Digitalisierung auszulösen.

Verlauf der Legislaturperiode bis zu 50 Milliarden Euro in den Netzausbau zu investieren – sofern die Rahmenbedingungen dies zulassen. Die hohen Stromkosten könnten aber einen erheblichen Teil dieser Mittel aufzehren. Es ist daher wichtig, dass die Betreiber von Netzen sowie von großen und kleinen Rechenzentren bei politischen Maßnahmen zur Entlastung von steigenden Energiepreisen umfassend berücksichtigt werden.

Achim Berg ist Präsident des Digitalverbands Bitkom, der rund 2.100 Mitgliedsunternehmen vertritt.

Foto: BS/Bitkom

Berg: Der Smart City Index zeigt den Fortschritt bei der Digitalisierung der deutschen Großstädte. Die gute Nachricht: Keine Stadt ist bei der Digitalisierung im Vergleich zum Vorjahr zurückgefallen, überall ist das Niveau gestiegen. Den ersten Platz belegt weiterhin Hamburg – die Hansestadt konnte ihren Titel zum vierten Mal in Folge verteidigen. Der Vorsprung ist mittlerweile aber so knapp wie nie, unmittelbar dahinter folgen München und Dresden. Erfolgsfaktoren für eine Smart City sind ein engagiertes Rathaus, eine Digital-

Behörden Spiegel: Was bedeutet die explodierenden Stromkosten für die energieintensiven Teile der Digitalwirtschaft?

Berg: Die explodierenden Stromkosten gefährden nicht nur Netzausbau und Rechenzentren, sie bremsen die Digitalisierung insgesamt – in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft. Insbesondere der Ausbau der Telekommunikationsnetze und die Ziele der Gigabitstrategie der Bundesregierung sind dadurch gefährdet. Die Netzbetreiber hatten in Aussicht gestellt, im

Lasst die Daten sprechen!

Daten als Informationsquelle und Ressource gewinnen seit Jahren kontinuierlich an Bedeutung – auch in Politik und Verwaltung. Datenräume werden geschaffen, Datenlabore aufgebaut und Chief Data Scientists eingestellt.

Den nächsten Digital-Gipfel stellt die Bundesregierung unter das Motto der Datenökonomie. Wie aber sieht datengetriebenes, evidenzbasiertes Handeln in der Verwaltungspraxis aus? Wie können wir uns Daten für Verwaltungsdigitalisierung zunutze machen?

Beim DigitalService ist eine Arbeit ohne Daten undenkbar. Sie sind die Basis für eines unserer wichtigsten Prinzipien: Nutzerzentrierung. Wir generieren und verbinden qualitative und quantitative Daten miteinander, um Erkenntnisse zu gewinnen, Prioritäten zu setzen und eine Zentrierung auf die Nutzerbedürfnisse nachhaltig zu fördern und zu stärken. Kurzum, Daten helfen uns dabei, eines unserer zentralen Ziele zu erreichen: Dass unsere Lösungen besser für alle funktionieren.

Doch wo kommen die Daten her? Zunächst arbeiten wir mit quantitativen Daten, also Studien, (internen) Statistiken und greifen auf Sekundärforschung zurück. Das reicht jedoch häufig nicht, um ganz konkrete Herausforderungen ausreichend granular zu verstehen. Insbesondere wenn es sich um eine eher kleine, klar definierte Zielgruppe mit ganz spezifischen Eigenschaften handelt – unser Steuerlotse für Rente und Pension ist so ein Beispiel.

Um zu verstehen, wie digitale Lösungen für unsere Zielgruppen aussehen müssen, brauchen wir zusätzlich noch eigene Datengrundlagen

und den fortlaufenden Dialog mit den späteren Nutzenden.

Das hilft, um einem häufigen, wenn auch sehr menschlichen Schwachpunkt vieler Ideen entgegenzuwirken: von sich selbst auszugehen.

Stattdessen helfen fundierte User-Research-Methoden dabei, von einer Vielzahl unterschiedlicher Nutzer/-innen zu lernen, Daten zu sammeln und darüber Lösungsansätze zu generieren. Zudem lassen sich diese Lösungen Schritt für Schritt entlang der gewonnenen Datenpunkte weiterentwickeln und optimieren.

Wir nutzen hierfür die unterschiedlichsten Methoden. Von Usability-Tests, in denen die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger Aufgaben erhalten, die sie beispielsweise an einem einfachen SoftwarePrototypen durchführen und dabei beobachtet werden, über Pop-up-Research, bei der auf der Straße in kurzer Zeit schnelles Feedback von möglichst vielen Personen eingesammelt wird, bis hin zu Interviews, um im direkten Gespräch mit Nutzenden Informationen zu sammeln.

Manchmal reicht selbst all das nicht aus. In unserem gemeinsamen Projekt mit dem Bundesministerium der Justiz und dem Bundesamt für Justiz zur Entwicklung eines

Die Smart Country Convention findet vom 18.–20. Oktober 2022 im hub27 auf dem Messegelände Berlin statt.

Foto: BS/DigitalService

neuen Rechtsinformationssystems, kurz NeuRIS, werden die Nutzenden in ihrem gewohnten Umfeld – an ihren Arbeitsplätzen am Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe –begleitet. Beim sogenannten “Shadowing” werden alle Prozessaspekte sichtbar – und nicht nur jene, an die sich Interviewpartnerinnen und -partner in Gesprächen erinnern und die sie für erwähnenswert halten. Ergänzend sammeln wir qualitative Daten zum Nutzungsverhalten über einen längeren Zeitraum mithilfe eigens entwickelter Tagebücher, in denen die Nutzenden ihre Beobachtungen, Erfahrungen sowie weitere Daten strukturiert festhalten.

Bei jedem Projekt schauen wir aufs Neue, welche Methoden sich eignen und wie wir diese miteinander kombinieren können, um die notwendigen Daten für unsere Arbeit zu erhalten. Sie bilden die Evaluations- und Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen, Iterationen während des Projekts und sind ausschlaggebend für den Erfolg der digitalen Lösungen, die wir entwickeln. Denn: Ohne Daten keine Nutzerzentrierung und ohne Nutzerzentrierung keine erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung!

Behörden Spiegel: Die ITKBranche leidet aktuell unter erheblichen Störungen der globalen Lieferketten. Wie muss sich die Digitalwirtschaft hierzulande aufstellen, um gegen derartige Entwicklungen resilienter zu werden?

Berg: Die aktuelle Lage zeigt einmal mehr, wie wichtig technologische und digitale Souveränität und verlässliche Lieferketten sind. Insbesondere die anhaltenden Lieferengpässe von Chips und die Abhängigkeit von außereuropäischen Produktionsstandorten sind ein Risiko für die europäische Wirtschaft. Der Mangel betrifft dabei nicht nur einzelne Indus-

triesektoren, sondern die gesamte digitale Wirtschaft. Besonders groß sind die internationalen Verflechtungen und Abhängigkeiten, wenn es um sehr leistungsfähige Spezialchips geht, die vor allem für Telekommunikation, CloudInfrastruktur und Künstliche Intelligenz benötigt werden. Die Corona-Pandemie, der UkraineKrieg und die damit gestörten Lieferketten sind nur ein Teil der Erklärung. Der Mangel hat im Wesentlichen auch strukturelle Ursachen. Es ist höchste Zeit, dass in der Europäischen Union eigene Kapazitäten zur Chip-Produktion aufgebaut werden. Europa muss ein starker, selbstbewusster, digital souveräner Player auf dem Weltmarkt werden und dafür sind Halbleiter aus und für Europa unabdingbar. Ebenso wichtig wie Produktionskapazitäten innerhalb der EU sind deshalb vorausschauende Planungen und rechtzeitige Bestellungen der europäischen Kunden.

Behörden Spiegel: Auf welche Highlights dürfen sich die Besucherinnen und Besucher auf der Smart Country Convention freuen?

Unentbehrlich

Berg: Die Smart Country Convention ist Deutschlands größte Kongressmesse zur Digitalisierung des öffentlichen Sektors.

Das Programm wird mit einer Keynote von Bundesinnenministerin und SCCON-Schirmherrin Nancy Faeser zum Digitalprogramm der Bundesregierung eröffnet. Darauf können sich die Besucherinnen und Besucher ebenso freuen wie auf die Auftritte von drei weiteren Kabinettsmitgliedern: Klara Geywitz, Cem Özdemir und Volker Wissing. Neben einem reichhaltigen Bühnenprogramm werden bei Weiterbildungen und Workshops konkrete und anwendungsbezogene Praxisinhalte zur Digitalisierung im öffentlichen Sektor vermittelt.

Wer möchte, kann im mobilen Bürgerbüro des Bundesinnenministeriums den eigenen Ausweis verlängern oder neu beantragen und erhält Infos zur künftigen Funktion “Smart-eID”. E-Roller und Cargobikes stehen ebenfalls für eine Testfahrt bereit. Auch werden die Ergebnisse des Smart City Index vorgestellt und die smartesten Städte Deutschlands ausgezeichnet.

beck-online bietet die Grundlage für effiziente und sichere Verwaltung (BS/Martin Wiedemann*) Der digitale Transformationsprozess der öffentlichen Verwaltung bei Bund, Ländern und Kommunen ist eine der zentralen Aufgaben auf Bundesebene, aber eben auch im Einklang mit Ländern und Kommunen. Diesen Prozess mit innovativen Lösungen zu unterstützen, ist auch die Motivation bei beck-online, der führenden juristischen Datenbank. Es erwartet Sie ein umfassendes Portfolio, das alle Rechtsgebiete für die öffentliche Hand umfasst.

Die Bandbreite der Themen, mit denen die öffentliche Hand zu tun hat, ist ja immens: Neben den Kernbereichen wie etwa Verwaltungsrecht, öffentliches Baurecht, Sicherheits- und Polizeirecht oder Ausländer- und Migrationsrecht sind in der täglichen Arbeit auch Aspekte aus vielen anderen Bereichen zu beachten, etwa aus dem Arbeits- und Sozialrecht, Zivilrecht, Energie- und Umweltrecht, Verkehrsrecht oder Datenschutzund IT-Recht. Zugleich haben die Corona-Krise und auch der Ukraine-Krieg deutlich gemacht, welche wichtige Rolle die digitale Vernetzung für eine krisenfeste und effiziente Verwaltung spielt. 36 Module für die öffentliche Hand beck-online präsentiert den Besuchern der SCCON22 auf dem digitalen Messestand das vielfältige Angebot von 36 Modulen aus allen großen Rechtsgebieten, die für die öffentliche Hand relevant sind. Damit bietet beck-online mit seinen juristischen Datenbankmodulen die perfekte Versorgung mit Fachinformationen für Behörden und Verwaltung von Städten und Gemeinden. Die in den verschiedenen Modulen digital aufbereiteten, renommierten Kommentare und Handbücher aus dem Verlag C.H.BECK, perfekt verlinkt mit den einschlägigen Gesetzen und der aktuellen Rechtsprechung und einer Fülle praktischer Arbeitshilfen, sind die beste Basis für die effiziente und rechtssichere Verwaltung. Wichtige Zeitschriften und FachNews sorgen für topaktuelle Informationen zu allen relevanten Rechtsentwicklungen.

Maßgeschneiderte Informationen

Bei vielen Rechtsgebieten können die Nutzerinnen und Nutzer mit den verschiedenen Ausbau-

stufen wählen, wie tief sie in die Materie einsteigen wollen: So bietet etwa das Modul “Verwaltungsrecht PLUS” bereits eine solide Basis für die tägliche Arbeit. Mit Verwaltungsrecht PREMIUM stehen dann noch mehr Inhalte für die vertiefte Recherche zur Verfügung. Und mit Verwaltungsrecht OPTIMUM lassen sich dann auch die komplexesten Probleme schnell und sicher lösen.

Als Antwort auf die komplexen, sich laufend wandelnden Anforderungen der modernen Verwaltung entwickelt das Team von beck-online ständig neue, maßgeschneiderte Module. Neu im Portfolio enthalten sind jetzt die Module Compliance PREMIUM, Urheber-, Presse- und Medienrecht PREMIUM und Wirtschaftsstrafrecht PLUS. Nicht zuletzt erhalten Nutzer bestimmter Module ohne weitere Kosten Online-Zeitschriften zu brandaktuellen Themen: EnK-Aktuell zur Energiekrise und UKuR mit wichtigen Informationen für die Verwaltung im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.

Individuelle Beratung und Schulung inklusive

Mit seinem deutschlandweiten Netz von Kundenberaterinnen und -beratern informiert der Verlag in allen Fragen rund um beck-online. Den/die jeweilige(n) persönliche(n) Ansprechpartner/-in finden Interessierte auf ch.beck.de/Bera tung. Interaktive Online-Schulungen vermitteln am eigenen PC die optimale Recherche-Technik für beck-online, zu finden unter: webinare.beck-online.de.

Über 20 Jahre Erfahrung

Seit 2001 im Netz, wird beckonline heute von Verwaltungen, Behörden, Justiz und Staatsanwaltschaften, aber auch von kleineren und größeren Rechts- und Steuerberatungskanzleien, Wirtschaftsprüfern, Unternehmen,

sowie Betriebsräten, Bibliotheken, Hochschulen und zahlreichen weiteren Institutionen und Berufsgruppen geschätzt und intensiv genutzt. Somit profitieren Nutzerinnen und Nutzer aus der öffentlichen Verwaltung von über 20 Jahren Praxiserfahrung.

Kostenloser Vier-Wochen-Test

Aus dem breiten Angebot an Modulen können bis zu drei Module für vier Wochen lang kostenlos getestet werden. In dieser Zeit können alle Inhalte uneingeschränkt genutzt werden. Die Nutzerinnen und Nutzer lernen in kürzester Zeit die Welt von beck-online kennen und können sich mit den vielfältigen praktischen Funktionen vertraut machen und effizient und rechtssicher recherchieren. Der aktuelle PDF-Katalog steht hier zum Download bereit:

Live vor Ort auf der SCCON Besuchen Sie uns an unserem Stand auf der Smart Country Convention (SCCON), Smart Country Convention, der führenden Kongressmesse rund um E-Government, Smart City & Smart Region. Fachkundige Ansprechpartner erläutern gerne die Funktionen und Inhalte von Deutschlands führender juristischer Datenbank.

*Martin Wiedemann ist Redakteur beim Verlag C.H.BECK.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 28 Smart Country Convention
Eine Kolumne von Christina Lang Über kurz oder Lang Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService.
Für ein digitales Deutschland –
Bitkom und die Messe Berlin sind Veranstalter der Smart
Country
Convention.
Über aktuelle Entwicklungen
im Bereich der Digitalisierung von Staat und Verwaltung sowie gegenwärtige Herausforderungen

D er Anruf aus Düsseldorf kam Ende 2017, passen derweise kurz vor Weihnachten.

Das damalige Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitali sierung und Energie (“MWIDE”) von Minister Andreas Pinkwart beabsichtigte, ab 2018 ein am bitioniertes Förderprogramm ins Leben zu rufen. In fünf Mo dellregionen – eine in jedem Regierungsbezirk – sollten inno vative Projekte in den Bereichen “E-Government” und “digitale Stadtentwicklung” entwickelt werden. Soest war hierbei die Rolle als Leitkommune für den Regierungsbezirk Arnsberg zu gedacht. Während mit Aachen, Gelsenkirchen, Paderborn und Wuppertal vier große Standorte mit entsprechenden Strukturen ausgewählt wurden, sollte die Modellregion Soest für Süd westfalen stehen: eine ländlich geprägte, aber industriestarke Region mit vielen erfolgreichen und auf dem Weltmarkt aktiven mittelständischen Unterneh men. Neben der Stadt Soest sollten weitere südwestfälische Kommunen beteiligt sein, näm lich Iserlohn, Lippstadt sowie der Kreis Soest.

Hohe Erwartungen

Die Nachricht aus Düsseldorf löste durchaus zwiespältige Gefühle bei den Beteiligten in Soest aus. Einerseits freuten

Unverhofft digital kommt nur einmal

Ein Erfahrungsbericht aus der digitalen Modellkommune Soest

(BS/Jörg Radandt) Als das Land Nordrhein-Westfalen

das Förderprogramm “Digitale Modellregionen in NRW” ins Leben rief, traf die Stadt Soest die Wahl als Modellkommune eher unvorbereitet. Die Lernkurve war dementsprechend sehr steil. Doch letztlich waren es die Impulse aus dem Modellprojekt, die dabei halfen, in Soest die Strukturen für den Weg hin zu einer Smart City aufzubauen.

wir uns über das Vertrauen und die Chance, beträchtliche Mittel für digitale Projekte aus geben zu dürfen. Andererseits gab es von Beginn an hohe Erwartungen von Ministerium und Öffentlichkeit und damit einen entsprechenden Umset zungsdruck. Soest ist mit knapp 50.000 Einwohnern und etwa 480 Beschäftigten in der Ver waltung die deutlich kleinste der Leitkommunen. Anfang 2018 wurde allein im Bereich E-Government systematisch ge arbeitet; für das Handlungsfeld Smart City bestanden allenfalls Vorüberlegungen. Gleichzeitig waren die Erwartungen aus Düsseldorf hoch: Bereits zum Jahresanfang 2018 sollten ers te Projektideen entwickelt und der Öffentlichkeit vorgestellt w erden. Dies ließ wenig Zeit, in Ruhe geeignete Strukturen aufzubauen.

Schon die interne Verortung des Projektes stellte eine Herausforderung dar. Den Verfas ser traf es wohl deshalb, weil

er als Fachbereichsleiter den Bereich E-Government verant wortet und damit dem Thema Digitalisierung noch am nächs ten stand. Folgerichtig bestand das Projektteam in der Stadtver waltung Soest zu Anfang auch zuallererst aus Mitarbeitenden aus dem Querschnittsbereich ohne Erfahrungen beispiels weise auf dem Gebiet der Stadt entwicklung.

Um die Zusammenarbeit der beteiligten Kommunen Iserlohn, Lippstadt und Kreis Soest zu koordinieren, wurden zwei Gre mien gebildet: einerseits der Steuerkreis mit den jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten sowie Vertretern der Bezirks regierung und der Südwestfa lenagentur sowie zum Zweiten ein Austauschgremium zur inhaltlichen Abstimmung zu Projektideen und -umsetzung. Handlungsfelder definiert

Zur weiteren Strukturierung des Prozesses und mangels ge meinsamer Strategie wurden

“Gemeinsam Digital: Berlin”

Digitalisierungs-Dashboard und “Eine-für-alle” bildet OZG-Umsetzung ab (BS/Dr. Ralf Kleindiek) Seit der Regierungsbildung haben wir viel unternommen, um die Verwaltungsmo dernisierung in Berlin zu verbessern: Mit der Strategie “Gemeinsam Digital: Berlin” wurden zunächst meine drei Themenbereiche – Smart City, Digitalstrategie und Verwaltungsmodernisierung – zusammengeführt. Damit hat das Land Berlin die Weichen für eine effiziente, standardisierte und transparente Digitalisierung gestellt.

Alle Projekte werden nun zentral gesteuert und dezentral um gesetzt, um das Ziel zu errei chen, die wichtigsten Verwal tungsangelegenheiten für die Berlinerinnen und Berliner zu digitalisieren. Berlin hat bereits vergleichsweise viele Dienstleis tungen digitalisiert, wir müssen allerdings bei der Priorisierung besser werden.

OZG-Problembewältigung

Ein wichtiger Baustein ist das Onlinezugangsgesetz (OZG). Mit dem OZG haben sich Bund und Länder im Jahr 2017 dazu ver pflichtet, ihre Verwaltungsleis tungen auch elektronisch an zubieten. Das ist ein Kraftakt, für dessen Umsetzung wir die ohnehin enge Zusammenar beit mit Bund und Ländern zu Digitalisierungsthemen noch mals intensiviert und verbes sert haben. Nach dem “Einefür-alle”-Prinzip arbeiten die Länder in sogenannten “CoThemenf eldführerschaften” zusammen. Zentral dabei ist, das Rad nicht neu zu erfinden, sondern Leistungen in den Län

Gegebenheiten in den Ländern

eine Nachnutzung der Leistung tatsächlich zulassen.

Gemeinsames Budget

Den Ländern hat die Investi tions- und Planungssicherheit gefehlt, da das “Einer-für-alle”Prinzip nicht kodifiziert ist. Erst eine verbindliche Nachnutzung ermöglicht den Ländern eine zuverlässige Kostenberechnung.

Eine Konzentration auf zentrale Leistungen und nach EUGesetzgebung vorgeschriebene Leistungen (Single-Digital-Gate way-Leistungen), deren Nich tumsetzung auch EU-Sankti onen nach sich ziehen kann, ist erforderlich.

Und für den Betrieb, die War tung und Weiterentwicklung von “Eine-für-alle”-Lösungen ist ein gemeinsames Budget von Bund und Ländern aufzubauen.

Für die Koordinierung, Priorisie rung und Pflege der einzelnen Proj ekte im ProMaP wurden in jedem Ressort Digitalisie rungsbeauftragte etabliert. Die Ressort-Digitalisierungsbeauf tragten sind auf der Staatsse kretärsebene angesiedelt und werden operativ durch Digita lisierungs-Stabsstellen unter stützt.

So nehmen die Fachab teilungen in den Häusern die Rolle des Projektauftraggebers ein und liefern regelmäßig den Umsetzungsstand ihrer Digitali sierungsvorhaben für die Pflege des Dashboards zu.

auf Ebene des Steuerkreises

zunächst Handlungsfelder de finiert, in denen Projekte ent wickelt werden sollten. Das EGovernment war dabei schon wegen des Auftrages durch das Land gesetzt. Hier war der wei tere Projektaufbau dann auch am einfachsten. Die Kommunen in Südwestfalen verfügen mit der Südwestfalen-IT (SIT) über einen zentralen IT-Dienstleister in der Form eines Zweckver bandes. Da lag es nahe, diesen m it ins Boot zu nehmen und gemeinsam über Projektideen rund um das Serviceportal, ein Produkt der SIT, nachzudenken.

Workshops durchgeführt

Für die Definition weiterer Handlungsfelder konnte jede der beteiligten Kommunen ihre Stärken in den Prozess einbrin gen. Im Ergebnis wurde ent schieden, Projekte in den fünf Bereichen Mobilität, Bildung, Gesundheit, attraktive Innen stadt und digitale Infrastruktur zu entwickeln. Dabei war klar, dass dies nur mit kompetenten Partnern in Stadt oder Region funktionieren konnte. Es galt also, solche potenziellen Part ner zu finden. Hierfür wurden mithilfe eines externen Dienst leisters Workshops zu jedem Handlungsfeld organisiert, in denen Expertinnen und Exper ten aus den Kommunen und dem Konzern Stadt mit Fach leuten aus Wissenschaft und sonstigen Institutionen zusam menkamen. Wichtige Ansprech partner waren zum Beispiel die

Fachhochschule Südwestfalen, die Standorte u. a. in Soest und Iserlohn betreibt, die Fach hochschule Hamm-Lippstadt oder das Fraunhofer-Institut IOSB aus dem ostwestfälischen Lemgo.

Viele Projekte umgesetzt

Ziel der Workshops war es je weils, neben Ideen auch konkre te Projektträger und -beteiligte zu finden und in die praktische Umsetzung zu kommen. Das Er gebnis kann sich sehen lassen: Die Modellregion hat etwa 50 konkrete Projektideen ent wickelt. 25 davon w urden letztlich bewilligt und wur den bzw. werden noch umgesetzt. Dazu gehören z. B. – neben den Projekten rund um das Service portal – die Einrichtung eines Stadtlabors, die Weiterentwick lung unseres 3D-Stadtmodells, die Erfassung von Klimadaten im Projekt “BürgerWOLKE” oder die Entwicklung eines innovati ven ÖPNV-Ticketsystems (“Big Bird Westfalen”).

Für die Stadt Soest war das Landesprojekt Anstoß für eine Vielzahl grundsätzlicher Ent wicklungen.

Zusätzlich Bundesförderung Ermuntert durch die Erfah rungen aus der “Digitalen Mo dellregion” hat sich Soest 2019

SORGEN DAFÜR, DASS DAS

mit vier weiteren Kommunen aus Südwestfalen für das “Mo del lprojekt Smart Cities” des Bundes beworben und den Zu schlag erhalten. 2021 wurden eine gemeinsame Rahmenstra tegie sowie lokale Smart-CityStrategien verabschiedet. Ei nige schon im Landesprojekt verfolgte Projektansätze wie die einer regionalen Datenplattform oder einer City-App werden hier umgesetzt.

Aus den internen Projekt strukturen ist eine auf Dauer angelegte Organisationsstruk tur geworden. Auf Ebene der Politik wurden nach der Kom munalwahl 2020 ein eigener Ausschuss “für Innovation und digitaler Wandel” und inner halb der Verwaltung eine neue

Abteilung mit gleichlautendem Namen inklusive einem zentra len Datenmanagement gebildet.

Das fachübergreifende Projekt team wurde als “Team Soest Digital” etabliert.

Der Verfasser schließlich koor diniert die digitalen Aktivitäten der Stadt nunmehr als “Chief Digital Officer” (CDO).

Die im Rahmen der “Digita len Modellregion” entstandenen Kontakte und Netzwerke werden sicherlich noch weit über die Laufzeit des Landesprojektes, das 2023 offiziell endet, tragen. Insgesamt sehen wir uns damit gut aufgestellt, um Soest zu einer Smart City zu machen.

LEBEN FUNKTIONIERT.

BEGLEITEN

LÖSUNGEN IN DIE DIGITALE ZUKUNFT.

dern so zu digitalisieren, dass andere Länder die fertigen di gitalen Verwaltungsleistungen nachnutzen können.

Um diesen “Eine-für-alle”Ansatz weiterzuentwickeln, habe ich einen Vorschlag zur Beseitigung einiger Anlauf schwierigkeiten gemacht, der zurzei t diskutiert wird: Wir brauchen einen “Eine-für-alleEignungscheck”, um sicher zu gehen, dass die individuellen

Dashboard für Berlin Berlin hat sich bei der Umset zung des OZG für ein Digitalisie rungs-Dashboard entschieden, um die Digitalisierungsvorha ben und die Projektfortschritte abzubilden. Jede Verwaltung soll mindestens drei Digitalisierungs vorhaben einbrin gen. Wa-rum wir das tun? Für uns ist das Dashboard ein wertvoller Zu gewinn, der die politische Steu erung deutlich verbessert Mit der “Projektma nagementplattform des Landes Berlin” (ProMaP) haben wir das Dashboard technisch realisiert.

Zum 30. September 2022 wur den 202 Digitalisierungsprojekte der Ressorts dokumentiert. Auf Basis des bundeseinheitlichen Leistungskatalogs findet sich jede Verwaltungsleistung mit einem Leistungsschlüssel und einer eindeutigen Zuständigkeit wieder, zusätzlich werden auch OZG-Parameter berücksichtigt.

Wohnsitzanmeldung im ers ten Quartal 2023 digital Aktuell wird in ProMaP ein standardisiertes Template für Projekte inklusive Meilensteinen und Arbeitspaketen umgesetzt. Dieses basiert auf einem neuen Projektmanagementhandbuch, das derzeit von allen Ressorts ge prüft wird. Die Verwendung des Digita lisieru ngs-Dashboards, das neue Projektmanagementhandbuch, ProMaP als zentrale Projektmanagementplattform des Landes Berlin sowie die Aus führungsvorschrift zur Prozessund Digitalisierungsverantwor tung sollen zeitnah vom Senat beschlossen werden.

Die Digitalisierung von Verwal tungsleistungen ist ein wichtiger Schritt hin zu unserem 14 TageZiel. Damit wollen wir die Bür gerämter entlasten, um das Ziel nachhaltig und dauerhaft bis spätestens Jahresende 2023 zu erreichen. Einer unserer “Top seller” soll im ersten Quartal 2023 zur Verfügung stehen: die elektronische Wohnsitzanmel dung. Es geht dabei um rund 500.000 An-, Ab- und Ummel dungen im Jahr. Bei den digita len Bürgerdienstleistungen sind wir auf einem guten Weg und werden uns noch mehr fokus sieren –im Sinne der Bürgerin nen und Bürger unserer Stadt, de r en Verwaltung manchmal mehr kann, als die Menschen ihr zutrauen.

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 29
2018
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Jörg Radandt ist Chief Digital Officer und Ge samtverantwortlicher des Projekts Digitale Modellregion der Stadt Soest. Außerdem leitet er den Fachbereich As sistenz und Service.
Foto:
BS/privat
Dr. Ralf Kleindiek, hier auf dem Kongress Digitaler Staat, ist seit Januar 2022 Chief Di gital Officer des Landes Berlin und Staatssekretär für Digi tales und Verwaltungsmo dernisierung. Er ist Keynote Speaker auf der diesjährigen Smart Country Convention (SCCON). Foto: BS/Trenkel Smart Country Convention

“E ine App aus Worms für Istanbul” schrieb die FAZ in ihrer Ausgabe vom 18. November 2021. Die Süddeutsche Zeitung ergänzte am 22. November 2021 in ihrer Digital-Kolumne “Von Worms nach Istanbul –eine mittelständische Firma aus der deutschen Provinz digitalisiert die türkische Metropole”. Beide Tageszeitungen bezogen sich auf eine Präsentation und Vorstellung von Istanbuls Oberbürgermeister, der mit Stolz verkündete, dass man mit “dieser Plattform und Super-App des deutschen Unternehmens, der KOBIL GmbH aus Worms, weltweit die erste Metropole ist, die eine große Vision live geschaltet hat”. Dadurch habe seine Stadt ein neues, modernes Gesicht bekommen. Mit der App “Istanbul Senin”, übersetzt “Istanbul gehört dir”, habe ein digitales Ecosystem geschaffen, mit der ca. 16 Millionen Bürger digital in Kontakt mit der Stadtverwaltung und allen städtischen Unternehmen treten können. Jeder könne die App von zu Hause aus benutzen und von dort jede Menge Dienste realisieren.

Alle Bürger Istanbuls könnten nun einfach und sicher auf alle kommunalen Dienstleistungen zugreifen. Von zu Hause aus könnten sich Dienste wie Führerschein, Kreditkarte, Gesundheitsakte, Ausweis, Adressänderungen, Krankenhaustermine, aber auch Wasser- und Stromrechnungen abwickeln lassen. Zugleich sind private Unternehmen vertreten – von Taxibestellungen, U-BahnTicket, Hotelreservierungen oder Friseurtermin, die digital

Istanbul Senin

Eine App aus Worms digitalisiert die türkische Metropole (BS/Jürgen Gocke*) Eine zentrale Multifunktionsplattform für alle Services, Aufgaben und Dienste, die zwischen Bürgern und der kommunalen Verwaltung anfallen, kann die

auch in

entscheidend voranbringen. Die digitale Zukunft der Städte und Stadtverwaltungen muss

“Unsere Super-App am Beispiel Istanbul wird nicht nur ein Vorreiter, sondern auch eine Inspiration und ein Beispiel für große deutsche Stadtverwaltungen sein, auch für weitere europäische und weltweite Metropolen und Megastädte”, so Koyun.

bietet dies mit seiner “Super-App”. In der Stadtverwaltung von

bestellt und bezahlt werden können.

Die weltweit erste Super-App

Die neue Super-App “Istanbul Senin” wurde im November 2021 im Kongresszentrum von Istanbul vorgestellt, an der Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu und der Gründer und Vorsitzende der KOBIL-Gruppe İsmet Koyun teilnahmen. İmamoğlu betonte in seiner Eröffnungsrede, es

müsse jeden Verantwortlichen anderer Großstädte inspirieren, es ihm nachzutun. “Jeder, der in dieser Metropole lebt, unabhängig von Alter, ethnischer Herkunft, Religion oder Lebensstil, hat das Recht, die Geschicke der Stadt mitzugestalten. Istanbul wird eine Stadt sein, in der Werte steigen. Diese traditionsreiche Stadt gehört allen.”

“Mit Stolz kann ich verkünden, dass wir mit “Istanbul Senin”,

aus

übersetzt “Istanbul gehört Dir”, weltweit die Ersten sind, die eine so große Vision live geschaltet haben. Mit “Istanbul gehört Dir” schaffen wir ein völlig neues Ecosystem und eine sichere digitale Plattform, auf der die höchste Benutzersicherheit garantiert ist, Benutzer ihre digitale Identität, eine digitale Geldbörse und digitale Verträge nutzen können”, freut sich İmamoğlu.

“Mit der jetzt angebotenen gemeinsamen Plattform von 16 Millionen Stimmen lassen sich Energie und Potenzial steigern”, so İmamoğlu, und ergänzt weiter: “Bei diesem Projekt haben wir bei der Installation, der Software und der technischen Infrastruktur mit einem der wichtigsten und renommiertesten Unternehmen der Welt, dem in Deutschland ansässigen IT-Unternehmen KOBIL, zusammengearbeitet. İsmet Koyun, mit jungen Jahren nach Deutschland ausgewandert, um dort zu studieren, ist heute als Gründer eines zukunftsweisenden Softwarekonzerns zu uns zurückgekehrt. Er ist weltweit tätig, hat viele internationale digitale Sicherheitsprodukte entwickelt und uns vom ersten Tag an bei der Verwirklichung dieser Vision tatkräftig unterstützt. Willkommen zu Hause, Herr Koyun, wir danken Ihnen herzlich.”

“Die beginnende Energieknappheit hat uns nach der Pandemie die Fragilität in den Lieferketten gezeigt, deshalb haben die regionale Produktion, regionaler Anbau und Konsum an Bedeutung gewonnen”, sagte der KOBIL- Gründer und betonte: “In der modernen Stadtverwal-

“Durch die Verteilung der Services und die steigende demokratische Teilnahme der Bevölkerung wird es zu maßgeblichen Zeit- und Kostenersparnissen für Bürger und Unternehmen kommen. Lösungen, die dies gewährleisten, werden auch in anderen Städten und Ländern zum Einsatz kommen. Wir sind voller Stolz darauf, Vorreiter und Erster weltweit mit einem

tung haben die Städte neben der Digitalisierung viele weitere Aufgaben und Pflichten, wie z. B. die Wirtschaft zu beleben oder soziale Verantwortung zu übernehmen.”

Die “Istanbul Metropolitan Municipality” (IMM) hat mit einem visionären Ansatz nicht nur ihre kommunalen Unternehmen mit den Einwohnern vereint, sondern gleichzeitig die KMU’s der Stadt mit einem neuen Ecosystem unterstützt, und die Beteiligungsphilosophie mit der KOBIL SHIFT Super-App ins Leben geführt. Das Ziel von “Istanbul gehört Dir” ist es, mit dem AppKonzept alle Unternehmen in Istanbul unter einem Dach zu vereinen – beispielhaft für deutsche Kommunen und städtische Unternehmen. “Heute werden Egosysteme durch Ecosysteme ersetzt und die Super-App ist die digitale Lösung der Zukunft”, hebt Koyun hervor. “Leider zeigen die Beispiele in der derzeitigen digitalen Welt, dass dieses Konzept von vielen nicht richtig erfüllt wird. Wir betrachten die Super-App mehr als eine “Umberella”-Applikation mit dutzenden von Anwendungen, optionalen Mini-Programmen.

Für uns ist die Super-App eine schlüsselfertige Lösung, die alles in einem anbietet, um die Bedürfnisse aller Verbraucher zu erfüllen. Es ist der “SuperWeg” für Kommunen, Behörden und Unternehmen, ihr eigenes Ecosystem aufzubauen und ihr Potenzial besser auszuschöp-

führte seine Erläuterungen zu diesem Thema wie folgt aus: “Wir haben eine innovative Technologie, welche Unternehmen ermöglicht, ihr eigenes Ecosystem aufzubauen, ihre Interaktionen zu erhöhen, ihre Kunden besser kennenzulernen, eine vertrauensvolle und sichere Datenhaltung sowie die Agilität und die Flexibilität für zukünftige Innovationen zu gewährleisten.” Zeit- und Kostenersparnisfür Bürger und Unternehmen

Die Super-App bietet städtischen Unternehmen die Möglichkeit, über eine einzige Anwendung verschiedene Dienste zu nutzen. Darüber hinaus bietet sie eine einfache Installation, ohne dass tiefgreifendes Fachwissen erforderlich ist. So können Partner in das bestehende Ecosystem sehr einfach integriert werden.

solchen Projekt zu sein und es gemeinsam geschafft zu haben.”

Die Super-App-Funktionen

Entwickelt mit der Technologie von KOBIL, bietet die Super-App Funktionen sowie Anwendungen, die alle stadtbezogenen Bedürfnisse der Istanbuler erfüllen und gleichzeitig die Fähigkeit und Möglichkeit hat, Istanbul zu einem Start-up-Zentrum zu verwandeln.

Sichere digitale Identität und Kommunikation: Hier können die Benutzer an allen Prozessen teilnehmen, in Notfallsituationen schnell auf Informationen zugreifen und reagieren, ihre eigene Messaging-Anwendung wie WhatsApp erstellen und in Echtzeit auf alle Informationen der Stadt zugreifen.

All diese Transaktionen werden auf der Grundlage der Vertraulichkeit personenbezogener Daten durchgeführt.

Sichere Zahlung: Es können digitale Geldbörsen, Offline- und Online-Zahlungen, QR-CodeZahlungen, Mikrozahlungen, das Sammeln von Bonus-Punkten aus Zahlungen an IMM und ihre kommunalen Unternehmen, sichere Spenden und One-ClickZahlungen verwendet werden.

Sicheres Geschäftsmodell: Mit der KOBIL Secure Super-App entsteht eine brandneue MarktplatzPlattform für viele Unternehmen in der Stadt. Jedes Unternehmen kann auf “Istanbul is yours” ein virtuelles (digitales) Geschäft (MCommerce oder Store) eröffnen und hat dadurch die Möglichkeit, mehr Menschen zu erreichen und seinen Umsatz zu steigern, indem es die Verbreitung durch IMM nutzt. Darüber hinaus werden sowohl Verkäufer als auch Verbraucher vor Produktfälschungen geschützt. Darüber hinaus können Startups Lösungen für diese Plattform entwickeln und über die Super-App viel mehr Menschen erreichen. So wird ihre Stadt zu einem Start-up- und Innovationszentrum.

Sicheres Sozialhilfenetz: Die Stadt sorgt dafür, dass die in den letzten Jahren steigende Anzahl der hilfsbedürftigen Menschen mit einem speziellen Programm ermittelt wird. Dadurch erlangen sichere Spenden über die digitale Bezahl-Karte oder über jegliche andere digitale Kreditkarte in der Super-App.

*Jürgen Gocke unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit der KOBIL GmbH.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 30 Smart Country Convention
digitale Transformation
deutschen Behörden
vorangetrieben werden. Das Unternehmen KOBIL
Worms
Istanbul ist sie bereits erfolgreich und im großen Stil im Einsatz. Die feierliche Inbetriebnahme der Super-App in Istanbul: Kobil-Gründer Ismet Koyun (links) und Ekrem Imamog˘lu, Oberbürgermeister von Istanbul, ermöglichen 16 Millionen Menschen den digitalen Zugang zu allen städtischen Unternehmen. Foto: KOBIL Die digitale Plattform KOBIL SHIFT ist vollständig agil, sie garantiert dem Benutzer höchste Sicherheit und bindet Partnerunternehmen. Grafik: BS/KOBIL • Advanced Attacks – Übersicht und Handlungsmöglichkeiten • Prävention von und Reaktion auf Cyberangriffe • Multifaktor-Authentifizierung und Zero Trust Policies • Confidential Computing • Vorgehensweise der Angreifer • Cybersecurity-Mesh-Architekturen • Bug Bounty für Unternehmen Aktuelle Angriffe wie Ransomware, Supply Chain oder DDoS und ihre erfolgreiche Gegenmaßnahmen Unsere Partner VORTRÄGE IT-Sicherheitstag 17. NOVEMBER 2022 GELSENKIRCHEN Die Konferenz für Sicherheitsverantwortliche, Security-Experten, Hacker und IT-Projektleiter Heise und if(is) präsentieren den Jetzt Frühbucherrabatt sichern: konferenzen.heise.de/it-sicherheitstag
1.000 FRAGEN AN DIE ZUKUNFT Nr. 120 Digitale Lösungen bestimmen die Agenda im Public Sector. Weil sich mit dem technologischen Wandel auch die Ansprüche ändern – von Bürgern, Mitarbeitern und ganzen Verwaltungsorganisationen. Die digitale Transformation ist dabei vorrangig eine Frage der Führung. Wir ermutigen den Public Sector zu einer Haltung, die aufrichtig und konsequent einer neuen Wertelogik folgt und legen die Richtung fest, in die unsere Kunden zukünftig gehen. Ob Strategiefindung, Zielformulierung, Prozessdesign, Einsatz von Informationssystemen oder IT-Infrastruktur: Bechtle begleitet die Digitalisierung des Public Sector mit Themen wie Multi Cloud, Future Work Place, Managed Services, Security oder Schul-IT. Als starker, smarter und innovativer Technologiepartner unterstützen wir Sie, die Zukunft der Verwaltung zu gestalten. Bechtle AG Telefon +49 228 6888-0 bonn@bechtle.com bechtle.com WAS MACHT UNS STARK FÜR DIE ZUKUNFT? ZUKUNFT? hub27 Stand 402

Innovationsfreundliche Datenstrategien

Daten werden als Grundlage für Innovationen in allen Gesellschaftsbereichen immer wichtiger. Datenstrategien sollten daher die breite Nutzung von Daten über Silogrenzen hinweg ins Auge fassen.

Dass Daten eine immer wichtigere Rolle spielen, zeigt sich beispielhaft auch beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Komfortable Anwendungen mit Echtzeitdaten gehören inzwischen dazu, um sich mit Bus, Bahn und anderen Verkehrsträgern zuverlässig durch Stadt und Region bewegen zu können. Solche komfortablen Anwendungen müssen nicht notwendig von den Verkehrsbetrieben selbst angeboten werden, wie ein Blick etwa nach London zeigt. Hier wurde schon vor über zehn Jahren mit dem Aufbau eines Open-Data-Ökosystems begonnen, aus dem schnell hunderte neue Apps hervorgingen.

Die aus der Not strikter Sparvorgaben hervorgegangene Strategie der Londoner Verkehrsbehörde hat nicht nur zu den erhofften Einsparungen in Millionenhöhe geführt, sondern auch ein lebhaftes Innovationsökosystem hervorgebracht.

Die Daten haben so Innovationen für Millionen von Fahrgästen ermöglicht und zugleich auf die Ziele der Verkehrsbehörde eingezahlt.

Das Teilen der Daten hatte also auch für die Behörde selbst positi-

Schon absehbar und für alle Beobachter wenig überraschend ist, dass natürlich keine vollständige Umsetzung der Verwaltungsdigitalisierung bis zum 31.12. dieses Jahres möglich sein wird. Zu aufwendig sind die notwendigen Abstimmungen. Länderübergreifende Arbeitsgruppen mit Verwaltungsexperten aus Kommunen und Landesverwaltungen sind noch dabei, die Feinheiten der Unterschiede in den Antragsformularen nicht nur in verschiedenen

ve Effekte. Das Beispiel ist nur eines von vielen, an denen sich die Innovationskraft und die Effizienzpotenziale der intensiven Nutzung von Daten zeigen. Datenstrategien, so argumentiert das jüngst erschienene White Paper “Die Logik der Daten nutzen”, sollten eine solch intensive Datennutzung ins Zentrum stellen. Anhand von sechs Thesen wird diese Argumentation entfaltet.

1. Menschen und Gesellschaften sind datengetrieben.

Die mitunter unbewusste Verarbeitung von Daten war schon immer eine Grundlage für Menschen und Gesellschaften. Der Einsatz moderner Technologien hat jedoch den Umgang mit Daten verändert.

So können sie beispielsweise umfassender erfasst und in riesigen Mengen analysiert werden. Allerdings führt diese Datafizierung auch oftmals dazu, dass Datenbestände in den Händen weniger liegen und für Dritte kaum zugänglich sind. Diese Ungleichgewichte sollten durch staatliche Datenstrategien abgeschwächt werden.

2. Erst durch Nutzung schaffen Daten Wert.

Innovationen und neue Möglichkeiten entstehen erst bei der Nutzung von Daten. Datenstrategien sollten daher weniger das Sammeln neuer, sondern die Nutzung bereits bestehender Datenbestände fördern. Ungenutzte Daten führen nicht nur zu Kosten für Erhebung und Speicherung, sondern auch zu Opportunitätskosten durch entgangene Innovationen.

3. Daten nutzen sich nicht ab. Aufgrund ihrer Eigenschaften eignen sich Daten ausgezeichnet für die intensive Nutzung. So kann durch konkurrierende Geschäftsmodelle, Innovationen und Algorithmen ein nachhaltiges, datengetriebenes Innovationssystem entstehen. Datenstrategien sollten daher eine möglichst breite Nutzung von Daten als Ziel verfolgen, um einen lebendigen Wettbewerb zwischen den besten Ideen zu ermöglichen.

4. Innovationen benötigen Zugang zu mehr Daten.

Datenstrategien sollten Asymmetrien beim Datenzugang reduzieren. Datenzugangs- und -teilungspflichten können Innovatoren Zugang zu Daten verschaffen und dadurch auch die Halter großer Datenbestände anspornen, ihre

Möglichkeiten noch besser auszuschöpfen.

5. Daten benötigen eine gemeinsame Sprache.

Datenstrategien sollten domänenübergreifende und interoperable Standards, Schnittstellen, Taxonomien und Ontologien fördern, damit auch sektorfremde Akteure Daten für Innovationen nutzen können.

6. Datengetrieben zu sein, verändert Organisationen.

Den Datenzugang funktional und hierarchisch zu konzentrieren, kann sinnvoll gewesen sein, als Haltung und Analyse von Daten noch teuer und aufwendig waren. Wenn Organisationen aber heute datengetrieben sein wollen, müssen sie bei der Verwertung von Daten schneller, offener und agiler werden. Datenstrategien sollten Förderinstrumente bereitstellen, damit Organisationen die Erfolgsfaktoren für die datengetriebene Transformation explorativ ergründen und umsetzen können.

Die vollständige Argumentation findet sich im neuen White Paper “Die Logik der Daten nutzen: Fortschrittliche Datenstrategien entwickeln” online unter: www.oefit.de/ publikationen.

OZG 2.0, E-Akte, Wissensmanagement

Die Treiberthemen wechseln, was bleibt, ist Prozessmanagement (BS/Martin Instinsky) Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu. Und geht es nach dem Wortlaut des Onlinezugangsgesetzes, stehen wir kurz vor dem Beginn einer neuen, wunderbar digitalen Ära. Als Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen werden wir alle relevanten Verwaltungsleistungen spätestens am 1. Januar 2023 online digital beantragen können. Alle relevanten Leistungen? Nun ja …

Ländern, sondern auch zwischen den Kommunen innerhalb eines einzigen Landes zu diskutieren.

Eine Reihe von Einer-für-alleLösungen (EfA) befi nden sich in der Entwicklung, nicht immer jedoch sind Betriebskonzepte, Finanzierungsfragen und Zuständigkeiten für die Weiterentwicklung geklärt.

Martin Instinsky ist Beratungsleiter bei der PICTURE GmbH und seit 15 Jahren Experte für Prozessmanagement und Verwaltungsdigitalisierung.

zukünftig zur weiteren Bearbeitung eingehen werden.

OZG mit starkem Fokus auf Antragstellung

Krisen

Und in den Kommunen, die ja für einen Großteil der Leistungen zuständig sind, ist die Frage offen, in welcher Form Antragsdaten dann

Das OZG hat von Anfang an den Fokus auf die Digitalisierung von Anträgen und Anfragen gelegt. Für Bürger und Unternehmen sollen der Zugang vereinfacht und die Antragsstellung beschleunigt werden. Die Logik dahinter ist: Ein digitaler Antrag kann auch digital bearbeitet werden und eine digitale Bearbeitung ist schneller und besser. Das Haar in der Suppe: Die digitale Antragsbearbeitung war bisher, anders als die digitale Antragstellung, vielerorts

Hemmschuh oder Katalysator

aus Zeit- und Geldgründen nicht im Fokus der aus Bundes- und Landesmitteln finanzierten OZGProjekte. Auch wenn die Artefakte des Föderalen Informationsmanagements (FIM) die Entwicklung von FIM-Stammprozessen und OZG-Referenzprozessen gefordert und befördert haben, sind Erstere zu sehr auf die abstrakte Umsetzung des Verwaltungsrechtes und Letztere fast ausschließlich auf die Kundenseite fokussiert. Wie in den Verwaltungen digital gearbeitet werden soll und kann, bleibt bisher zu oft unbeachtet. Dabei ist der vollständig digitale und medienbruchfreie Prozess von der Antragsstellung bis hin zur Bescheiderstellung ja das eigentliche Ziel der Verwaltungsdigitalisierung. Während in Fachartikeln und auf Branchenmessen schon Verwaltung 4.0 oder 5.0 ausgerufen wird, steht die Einführung von elektronischen Akten und Vorgangsbearbeitungssystemen sowohl auf Ebene von Kommunen als auch in vielen Ministerien noch ganz am Anfang. Eine digitale Antragstellung, die aufgrund mangelnder Fachverfahrensanbindung oder fehlender Möglichkeit, die erhaltenen Informationen einfach zu verarbeiten und revisionssicher abzulegen, nicht nahtlos digital weiterverarbeitet werden kann, führt unter Umständen zu längeren Bearbeitungszeiten als bei der Papierversion. Tradierte und jahrelang gelebte Abläufe führen, wenn man sie mit Gewalt und ohne aufgabenkritische Betrachtung zwangsdigitalisiert, zu kostspieligen und personalintensiven Strukturen.

Die digitale Antragstellung und die digitale Bescheiderstellung sind notwendige Bedingungen

einer erfolgreichen Verwaltungsdigitalisierung. Um die deutsche Verwaltung jedoch erfolgreich zu digitalisieren, müssen die Leistungserstellungsprozesse analysiert, optimiert und durchgängig digital ausgestaltet werden. Pro-

ben sich Rückschlüsse auf notwendige Optimierungen. Durch die konstant voranschreitende demografische Entwicklung wird es in den kommenden Jahrzehnten an Fachkräften mangeln, was durch optimierte Prozesse abgemildert werden kann. Mit Fachkräften, die in den Ruhestand wechseln, fließt auch Fachwissen aus den Verwaltungen ab. Für die Wissenssicherung der innerbetrieblichen Abläufe ist für Verwaltungen Prozessmanagement unersetzbar.

zessmanagement ist das Basistool der Digitalisierung im 21. Jahrhundert. Dabei wäre es fahrlässig, die Prozesse nur einmalig im Rahmen eines OZG-Projektes in den Blick zu nehmen. Prozessmanagement und -modellierung sind kein Projekt – im Gegenteil: Die Optimierung im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) ist aus der Welt der Digitalisierung nicht mehr wegzudenken. So werden Qualitätsmanagementsysteme durch das Prozessmanagement wirksam unterstützt und erlauben einen Überblick über wirtschaftliche Effekte: Aus der Fallzahl, dem Bearbeitungsaufwand und der Ressourcenzuweisung erge-

Die Entwicklung digitaler Anträge und die Etablierung von Portalen, Bürgerkonten sowie die Vereinfachung von Formerfordernissen sind wichtige Voraussetzungen für die Digitalisierung der Verwaltungsarbeit. Die eigentliche Herausforderung ist aber unabhängig vom Treiber eine Daueraufgabe: Verwaltungen müssen ihre Prozesse und Strukturen laufend weiterentwickeln und kritisch hinterfragen. Onlinezugangsgesetz, OZG 2.0 und andere Treiberthemen sind wichtige Anlässe, Prozesse zu überdenken. Der grundlegende Bedarf an systematischem Prozessmanagement bleibt darüber hinaus bestehen.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 32 Oktober 2022 KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)
Menschen und Gesellschaften sind datengetrieben. Illustration: BS/ÖFIT
Smart Country Convention Ausführliche Informationen zum Programm und Anmeldung unter: www.e-nrw.info Eine Veranstaltung des Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke, Beauftragter des Landes NordrheinWestfalen für Informationstechnik (CIO) Lena Sargalski, Chief Digital Officer, Stadt Bad Salzuflen
für die Digitalisierung in NRW? 3. November 2022, Stadthalle Neuss Referenten und Referentinnen u. a.: Foto: © MWIDE NRW/ M. Hermenau Foto: © Stadt Bad Salzuflen Foto: © Landkreistag NRW Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer, Landkreistag Nordrhein-Westfalen
Foto: BS/PICTURE
Bei der Verwaltungsdigitalisierung sollen Prozesse zu Ende gedacht werden. Grafik: BS/PICTURE

Inventarisierung

Einfach, schnell und übersichtlich (BS/Stephan Göttlicher) Hard- und Software, Lizenzen sowie Verbrauchsmaterialien – bei der Verwaltung des IT-Inventars setzen viele Kommunen nach wie vor auf Papier- oder Excel-Listen. Mit steigender Anzahl der Assets schwindet allerdings die Übersicht. Eine effiziente und rechtssichere Alternative ist eine IT-Inventarisierungssoftware wie das PASS System Inventory.

Von der Schule, die ihr Inventar verwalten möchte, bis zur Stadt- und Gemeindeverwaltung, welche den Überblick über die IT-Landschaft ihrer Abteilungen und nachgelagerten Stellen (z. B. Eigenbetriebe, Beteiligungen) behalten muss: Der im Zuge der Digitalisierung steigende Umfang der zu verwaltenden Smartphones, Tablets und Computer sowie der dazugehörigen Software lässt Excel-Tabellen schnell unübersichtlich und fehlerhaft werden. Dabei ist für eine solide Inventarverwaltung eine detaillierte Übersicht unumgänglich.

Alles anforderungsgerecht in einem System

Eine Lösung, welche die Anforderungen der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt, ist das PASS System Inventory. Mit diesem gehören manuelle

sind damit jederzeit transparent: zum Beispiel, ob Lizenzen ablaufen, verlängert oder neu abgeschlossen werden müssen oder welche Mitarbeitenden zeitnah neue Geräte erhalten. Der Lebenszyklus von Hard- und Software ist anhand einer integrierten Historisierung lückenlos nachvollziehbar. Darüber hinaus ist es möglich, Codes und PINs zu verwalten und auch Verträge lassen sich im System hinterlegen – damit liegen alle Informationen an einem zentralen Ort.

Komplexe Strukturen abbilden

sierungslösung entfaltet sich beim Reporting: Mit dem PASS System Inventory lassen sich z. B. Standardreports definieren sowie individuelle Abfragen und Auswertungen erstellen. Diese können u. a. die Hardware an einem Standort oder einer Abteilung, Bestellsummen sowie die Hardwareverteilung abbilden. Unterstützung der Inventur auch per App möglich

Blockchain im kommunalen Ticketing

Aufwände der Vergangenheit an und eine zentrale Datenhaltung löst unübersichtliche Excel-Listen an verschiedenen Ablageorten ab. Das Ergebnis ist eine übersichtliche und kostensparende Verwaltung von Hard- und Software, Verbrauchsmaterial, Bestellungen, Lizenzen sowie Verträgen.

Echtzeit-Überblick über alle Assets

Zudem ist ein referats- bzw. abteilungsübergreifender Echtzeit-Überblick über alle Assets gewährleistet. Wichtige Fristen, Änderungen und To-Dos

Der Parktechnologie-Anbieter EasyPark erfasst in zahlreichen europäischen Städten die Straßen inklusive des Inventars anliegender Parkplätze. So können zentimetergenaue Angaben zur Lage der Parkplätze gemacht werden. Zusammen mit detaillierten Informationen über Parkregeln und -beschränkungen, Ein- und Zufahrten, Ladezonen und Bushaltestellen bilden diese Daten einen neuen, umfänglichen Wissensschatz, der Stadtplanung und Parkraumbewirtschaftung auf die nächste Stufe hebt. Parkdaten als Schlüssel zum Parkraummanagement

Es wird aber nicht nur der Parkraum kartiert, sondern mittels mobiler Scan-Technologie in vielen Städten bereits kontinuierlich die Auslastung erhoben. Über proprietäre, LIDAR-basierte Scanner, die an Fahrzeugen bereits existierender Flotten wie Taxis oder Lieferdiensten angebracht sind, werden rund um die Uhr

Als Behörde Hunderte von Laptops und Tablets an z. B. mehreren Schulen verwalten – oder vielleicht auch noch Möbel? Mit einer Software wie dem PASS System Inventory ist das einfach realisierbar: Die digitale Inventarverwaltung ist für einen Mehrmandanten-Betrieb mit verschiedenen Standorten und Verwaltungsebenen ausgelegt. Damit ist sie auch für die Abbildung komplexer kommunaler Strukturen geeignet. Das gewährleistet einen einheitlichen Informationsfluss, standardisierte Prozesse und stark reduzierte Aufwände. Im PASS System Inventory lassen sich unkompliziert neue Arbeitsplätze anlegen und auch Arbeitsmittelanforderungen werden abgebildet. Zudem sind On- und Offboarding-Checklisten verfügbar. Somit ist jederzeit die volle technische Kontrolle über alle Arbeitsplätze – vor Ort sowie im Homeoffice – gegeben.

Reporting zeigt weiteren Vorteil

Ein weiterer Vorteil einer softwaregestützten Inventari-

Die Lösung von PASS stellt optional auch eine App zur Unterstützung der Inventur bereit. Diese ermöglicht ein schnelles und bequemes Scannen von QR- oder Barcodes mit einem handelsüblichen Smartphone. Das macht teure Scangeräte überflüssig und vereinfacht die Inventarverwaltung über mehrere Standorte hinweg. Sicherheit der Daten hat Priorität

Das System Inventory wird als Lizenz- und als Cloudlösung angeboten. PASS erfüllt dabei nicht nur die Datensicherheitsanforderungen als Betreiber Kritischer Infrastruktur, sondern hilft Organisationen aus dem öffentlichen Sektor, diese Herausforderungen unter Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zu meistern.

ISO 27001 zertifiziert

Bereits seit vielen Jahren werden u. a. Lösungen für Bundesund Landesministerien betrieben. Die PASS-Cloud besteht aus einem Verbund von drei eigenen, in Deutschland ansässigen Rechenzentren, die nach ISO 27001 zertifiziert sind und jährlich neu auditiert werden.

Papier- und Excel-Listen verbannen

Höchste Zeit, die Papier- und Excel-Listen aus der Inventarisierung zu verbannen und von Rechtssicherheit sowie einer Einsparung von Zeit und damit auch Kosten zu profitieren.

Von der Europäischen Kulturhauptstadt Rijeka auf die Schwäbische Alb (BS/Britta Latendorf*) Bei Blockchain denken viele Menschen als erstes an Kryptowährungen. Damit verbundene Spekulationen

Der Kernaspekt, Dezentralität verbunden mit Fälschungssicherheit, überzeugte 2015 den IT-Experten Stefan Aubele (Geschäftsführer IT-Kompass GmbH) und den Entwickler Michael Hasler (Geschäftsführer JUICE d.o.o.), eine dezentrale Ticketing-Lösung auf Basis von Blockchain zu entwickeln. Erster großer Use Case war das Ticketing für die Europäische Kulturhauptstadt Rijeka 2020, für das eine eigene App entwickelt wurde. Darüber konnten alle Tickets, von Eintrittskarten bis Fahrkarten für den Bus-Shuttle, gebucht werden. Auch wenn durch den Coronabedingten Lockdown die App in Rijeka nicht vollumfassend eingesetzt werden konnte, war den beiden Entwicklern schnell klar, welche Funktionen ein modernes Ticketing bieten muss. Indem Besucher von zu Hause und unterwegs buchen, erkennen sie sofort, welche Veranstaltungen oder Zeitslots verfügbar sind. Damit kann ein Ticketingsystem einen Beitrag zur Besucherlenkung leisten. Mobil gebuchte Tickets und eine digitale Validierung verhindern Besucherstaus und reduzieren den Personalbedarf an den Eingängen. Neben diesen grundlegenden Funktionen rückte bei der weiteren Entwicklung der Plattform-Gedanke in den Vordergrund. Viele Städte und Regionen setzen noch auf “Insel-Lösungen”, isolierte City-Apps, die oftmals nur die einheimische Bevölkerung ansprechen, nicht aber Touristen, die sich über Stadt- und Regionsgrenzen hinaus bewegen.

VisitorApp Regio-Plattform

In Deutschland launchte Aubele 2021 die VisitorApp Regio-Plattform. Jeder Akteur einer Region – vom Einzelhändler über Stadtbücherei, Schwimmbad, Stadthalle, Verein und kommunalem Eventveranstalter – erhält einen eigenen Online-Shop innerhalb der Plattform. Über das Backend können Tickets, Gutscheine und Coupons sowie Terminbuchungen (Click & Meet) erstellt und

unberechtigt zweifelhaftes

ohne Aufwand und Vorkenntnisse verkauft werden. Einheimische wie Touristen profitieren von der Nutzerfreundlichkeit der App. Auf der Schwäbischen Alb ist die VisitorApp bereits im Einsatz und bildet unterschiedliche Geschäftsmodelle erfolgreich ab: Kulturnacht in Göppingen, Eintrittskarten beim Fußballverein 1. Göppinger SV, Sommerkino und Schwimmbäder in Donzdorf.

Das sichere Fundament der VisitorApp-Plattform ist die Blockchain-Technologie, die neben einer modernen Vertriebslösung auch innovative Marketingund Kooperationsmöglichkeiten bietet. Mit der App erhält jeder Endkunde eine digitale Wallet, in der alle gebuchten Tickets abgespeichert werden. Personenbezogene Daten der Kunden gelangen nicht auf die Blockchain. Anhand der gebuchten Tickets können aber Interessen erkannt und diesen entsprechend Coupons und Angebote zugespielt werden. Für Kommunen und Anbieter ergeben sich daraus neuartige Möglichkeiten der Besucheransprache

sich allerdings umfas-

und -lenkung. Zudem lassen sich Kooperationen verschiedener Akteure einer Kommune in die “digitale Welt” übertragen. Ein weiteres spannendes Entwicklungsfeld mit Blockchain sind Fan Tokens, die derzeit im Profifußball (u. a. FC Barcelona und Paris Saint-Germain) für Aufmerksamkeit sorgen. Tokens sind auch für Städte hoch spannend, so gibt es in den US-Metropolen New York City und Miami seit 2021 City Coins. IT-Kompass und JUICE haben als Pilotprojekt für den Fußballclub HNK Orijent in Rijeka einen Fan Token eingesetzt und sehen den Bedarf zukünftig auch für Kommunen und kommunale Projekte in Deutschland. Hierbei sehen Aubele und Hasler durch Tokens die Möglichkeit zur Förderung bürgerlichen Engagements in Form von Crowdfunding. So können Projekte finanziert werden, für die keine kommunalen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen.

*Britta Latendorf ist für die VisitorApp by IT-Kompass GmbH tätig.

Der Parkplatz im Wandel

Smarte Technologie macht Parkinventar und Parkverhalten transparent (BS/Nico Schlegel) Straßen sind

machen sollen. Das gilt auch für den ruhenden Verkehr – sprich parkende Autos. Oftmals wissen Kommunen allerdings nicht, wie viele Parkplätze es überhaupt wo in ihrer Stadt gibt und wie diese ausgelastet sind. Damit verpassen sie die Chance, Parkdaten zur Grundlage für fundierte verkehrspolitische Entscheidungen zu machen.

Informationen zur Parksituation für jeden Wochentag und jede Tageszeit gesammelt. Da diese Flottenfahrzeuge den gesamten städtischen Raum befahren, kann die Parkdynamik nicht nur im Stadtzentrum, sondern oftmals auch über die Bewirtschaftungszonen hinaus erfasst werden. Diese Methode eignet sich also vor allem für Städte, die Belegungsdaten flächendeckend erheben wollen, wofür sensorbasierte Lösungen zu kostenintensiv sind. Beispielsweise sammelte EasyPark mithilfe zahlreicher Partner auf diese Weise bereits über zehn Millionen Datenkilometer und über acht Millionen Datenstunden in fünf Ländern. Zukünftig sollen diese ScanDatensätze mit Echtzeitdaten aus stationärer Sensorik sowie eigenen Transaktionsdaten angereichert werden. So ermög-

licht der skalierbare, wahrscheinlichkeitsbasierte Scancar-Ansatz zusammen mit exakten RealTime-Daten noch genauere Aussagen zur Parkplatzverfügbarkeit.

Auch die Einbindung von Belegungsdaten aus Parkhäusern ist bereits möglich und bietet das Potenzial, Parkraum ganzheitlich zu analysieren und zu steuern.

Alle Daten können in einem Dashboard visualisiert und Städten zur Verfügung gestellt werden, auch wenn dort noch nicht mit der EasyPark-App fürs

Parken bezahlt werden kann. Informationen zum Parkverhalten der Autofahrer/-innen werden so zugänglich und geben einen Überblick über wichtige Indikatoren wie zum Beispiel die Auslastung von Parkbereichen, die Veränderung des Parkverhaltens in bestimmten Zeiträumen, die Kontrollfrequenz der Ordnungskräfte oder die Einnahmen pro Parkzone. In das Dashboard können auch die Transaktionsdaten von digitalisierten Parkscheinautomaten sowie anderer ParkserviceAnbieter einfließen, um so alle Informationen über das lokale Park-Ökosystem zu bündeln und zu erschließen. Ziel von EasyPark ist es, das Parkinventar (das Angebot) und den vorhandenen Parkdruck (die Nachfrage) in die von der Stadt angestrebte Balance zu bringen –also bei hohem Aufkommen von Parksuchverkehr beispielsweise entweder das Parkangebot zu erweitern oder das knappe Angebot zu verteuern und alternative Mobilitätsoptionen zu schaffen. Parkdaten können unter dem Begriff “Parking Data as a Service” (PDaaS) so die Grundlage für wichtige verkehrspolitische Entscheidungen bilden: von der Preisgestaltung über die Planung und Durchsetzung neuer Parkplätze oder deren Reduzierung bis hin zur Überarbeitung des gesamten urbanen Mobilitätskonzeptes.

Behörden Spiegel / Oktober 2022
Dreh- und Angelpunkt aller Verkehrskonzepte, die die Mobilität besser und nachhaltiger
Smart Country Convention Parkdaten – wie hier der französischen Stadt Reims – können Grundlage für wichtige verkehrspolitische Entscheidungen sein.
Grafik:
BS/EasyPark Seite 33
verleihen dem Thema ein
Image. Wer
sender mit der Entstehung und der Vision von Blockchain befasst, erkennt das außerordentliche Potenzial für viele verschiedene Wirtschaftsbereiche. TreffenSieunsaufderSCCON hub27/Stand709 hello@visitorapp.io JetztDemo-Terminvereinbaren: Stephan Göttlicher ist Business Development Manager Public Sector bei der PASS Consulting Group. Foto: BS/PASS Consulting Nico Schlegel ist Geschäftsführer EasyPark GmbH. In Deutschland ist der Parktechnologie-Anbieter in rund 450 Städten aktiv. Fotos: BS/EasyPark

Wie wäre es, wenn Bürger und Kunden statt Personal ausweis, Führerschein, Impfpass und diverser Nutzerkonten bei Online-Services nur ihr Smart phone benötigen würden, um bei der Zulassungsstelle ein Auto anzumelden oder einen Hotelauf enthalt im Ausland zu buchen?

Die Mehrzahl der Deutschen würde dies begrüßen, so eine Studie, die das Beratungshaus Techconsult im Frühjahr 2022 im Auftrag des eco – Verband der Internetwirtschaft erstellte.

So wünschen sich laut der Unter suchung 60 Prozent der Befragten, dass sie Behördengänge digital erle digen können, etwa wenn sie einen neuen Ausweis beantragen oder den Wohnsitz gewechselt haben.

Auch im privaten Bereich hätte eine solche Lösung Vorteile, etwa beim Bezahlen von Online-Einkäufen,

MELDUNG

Neue USt-Pflicht –

Neuer Anlauf für ID-Wallet

Wie das Smartphone zum digitalen Ausweis wird

dem Buchen von Parkplätzen und Flügen sowie im Gesundheitsbe reich, siehe Impfnachweise wie z. B. mit der CovPass-App oder das digitale Rezept.

Digitale Brieftasche statt analoger Karten und Dokumente

Mit eIDAS 2.0 (electronic Identi fication, Authentication und Trust Services) will die Europäische Uni on eine solche Lösung bereitstel len. Die Mitgliedsstaaten sollen dazu verpflichtet werden, ihren Bürgern eine digitale Brieftasche

(EU Identity Wallet) anzubieten.

In ihr können die Nutzer/-innen digitale Dokumente und Identi tätsnachweise ablegen, die von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen ausgegeben be ziehungsweise bestätigt werden.

Daten wie das Geburtsdatum und der Familienstand werden von staatlichen Institutionen be stätigt, etwa einer Kommune. Neben dieser Basisidentität, die kostenlos bereitgestellt werden sol l, kann die ID-Wallet auch Informationen über Rollen und Eigenschaften einer Person bein halten, die von Dritten validiert werden.

Tax-CMS unterstützt bei Mehraufwand (BS/Thomas Hönicke*) Ab dem 1. Januar 2023 kommt auf viele Kommunen durch die neue Um satzsteuerpflicht (§ 2b Abs. 1 UStG) ein erheblicher Mehraufwand z. B. zur Erstellung der USt-Voranmel dung zu. Neben der Anpassung der Buchhaltungssysteme müs sen auch die Berichtspflichten und Abgabefristen berücksichtigt werden. In diesem Zusammen hang kann ein IT-gestütztes Tax Compliance Management System (Tax-CMS) sehr hilfreich sein und die Mitarbeiter bei der Ausführung und Dokumentation der neuen Prozesse unterstützen. Neben der fachbereichsübergreifenden Fris tenverwaltung, die auch im Fall

von Urlaub oder Krankheit eine strukturierte Bearbeitung sicher stellt, werden implizit auch die einzelnen Bearbeitungsschritte protokolliert. Damit kann bei Be darf nachgewiesen werden, dass ein Fehler nicht auf organisatori schem Versagen beruht. Idealerweise sollte die Erarbeitung der fachlichen Inhalte (z. B. Risi ko-/Kontrollmatrix) bereits durch ein IT-Tool zur Automatisierung der Prozesse flankiert werden.

Weitere Informationen unter: www.universalunits.com

*Thomas Hönicke ist Geschäfts führer der Universal Units GmbH.

Das ist beispielsweise beim Führerschein sowie Nach weisen über Versicherungen und Ausbildungsgänge der Fall. Diese Nachweise geben externe Institutionen wie Hochschulen, Versicherungen und Banken. Für diesen Service können die Anbieter ein Entgelt verlangen. Nutzer hat die Kontrolle über seine Identitäten und Rollen Ein weiterer Bestandteil der EU Identity Wallet ist eine elektroni sche ID-Funktion. Damit identifi zieren sich Bürger beispielsweise, wenn sie auf Services von öffentli chen Einrichtungen zugreifen, etwa bei der Anmeldung beim Einwoh nermeldeamt. Hinzu kommt eine qualifizierte elektronische Signa tur. Mittels einer Signaturkarte ermöglicht sie es dem Nutzer, kon taktlos auf einem entsprechenden Kartenlesegerät zu unterschreiben. All diese Funktionen werden nun als “smarte ID” gebündelt und als eID App für Smartphones und Ta blets bereitgestellt, sodass Signa turkarten auch überflüssig wer

den. Behörden sind gemäß eIDAS 2.0 verpflichtet, die eID und die Nachweise zu akzeptieren, die in einer ID-Wallet abgelegt sind. Dies soll auch für die Anbieter großer Online-Plattformen gelten. Ein zentra les Element des An satzes ist, dass die Nutzenden die Kontrolle über die eID haben und selbst entscheiden, mit wem sie Nachweise ihrer Iden tität und Informationen teilen, die in der ID-Wallet gespeichert sind.

Einsatzszenarien in Deutschland

In Deutschland sind derzeit meh rere Einsatzfelder für eIDAS 2.0 und ID-Wallets vorgesehen. Eines ist die elektronische Identifizie rung mit der eID, wenn ein Bürger Zugang zu E-Government-Diens ten benötigt, also beispielsweise einen neuen Reisepass beantragen will. Die eID soll außerdem zum Zuge kommen, wenn ein Nutzer ein Bankkonto eröffnen möchte oder eine Mobilfunkkarte bei ei nem Serviceprovider registriert. Solche aufwendigen Prozesse las sen sich mithilfe der eID für alle Beteiligten einfacher gestalten. Auch der digitale Führerschein, dessen Einführung Ende 2021 scheiterte, soll mit eIDAS 2.0 Wirklichkeit werden. Mit der di gitalen Version der Fahrerlaubnis können Nutzer auch bei einer Au tovermietung nachweisen, dass sie ein Fahrzeug führen dürfen. Die qualifizierte digitale Signatur wiederum lässt sich einsetzen,

wenn Verträge unterzeichnet werden müssen, seien es Kauf verträge oder Finanzierungen.

Im Gegensatz zu vielen ande ren EU-Mitgliedsstaaten bleibt in Deutschland jedoch das elektro nische Rezept (E-Rezept) vorerst außen vor. Zumindest in der ers ten Phase von eIDAS 2.0 bleibt es beim herkömmlichen Verfahren: Nutzer müssen sich bei ihrer Krankenkasse mithilfe des Ver fahrens identifizieren, das diese einsetzt. Oft kommt dabei eine Mischung aus onlinebasierten und papiergestützten Ansätzen zum Einsatz, inklusive des Zu sendens einer PIN per Briefpost.

Sicherheit spielt zentrale Rolle Es liegt auf der Hand, dass ein Konzept wie eine ID-Wallet ein hohes Maß an Sicherheit vor aussetzt. Laut der Studie von eco und Techconsult wollen 77 Prozent der Deutschen eine universelle Identität nur dann nutzen, wenn ein Missbrauch ausgeschlossen ist. Diese Vorga be stellt für viele Unternehmen und Bildungseinrichtungen ei ne Herausforderung dar. Denn digitale Nachweise auf sichere Weise auszustellen, erfordert ein

Die Bedeutung von Parkplät zen in der Stadt wurde lange Zeit unterschätzt. Meist stellten sich beim Thema Parken folgende Fragen: Welches Fahrzeugauf kommen gibt es an einem Ort, wie viele Parkplätze können ma ximal geschaffen werden, was kann mit der Bewirtschaftung eingenommen werden? Dass Parkraum eine Steuergröße ist, die auf Verkehrsaufkommen rückwirkt, wurde erst aufgrund der heute verfügbaren Daten er kannt, die tiefgreifende Analysen und Optimierungen ermöglichen. Grundlage der neuen Datenfülle ist die fortschreitende Digitalisie rung in der Parkraumbewirtschaf tung: Das bereits weit verbreitete Handyparken, also das Abrechnen der Parkgebühren über eine App, bietet die EasyPark Group bereits in über 450 Städten Deutsch lands und 3.200 Städten weltweit an. In 20 Ländern Europas kann sogar grenzübergreifend mit der selben App geparkt werden. Die Bezahlung ist mit einer großen Bandbreite an Zahlungsmitteln wie PayPal, Apple Pay, giropay, Kreditkarte und Lastschrift mög lich. Und auch Carsharing-Kun den nutzen, ohne es zu wissen, oft den EasyPark-Parkservice, denn: EasyPark wickelt die Park vorgänge für die Mehrzahl der Carsharing-Dienste in Deutsch land ab – darunter ShareNow, WeShare, Miles, SIXTshare und GreenMobility.

Parkdaten als Grundlage für die Parkraumplanung

Die Makrodaten aus den Park vorgängen, aber auch die Er fassung weiterer Daten durch Scan-Technologie, ermöglichen EasyPark tiefe Einblicke in die Park- und Verkehrsinfrastruktur einer Stadt. Eine Visualisierung

Know-how, das in nicht staat lichen Organisationen oft nur unzureichend vorhanden ist. Deshalb ist es eine Überlegung wert, auf auditierte Trust Services von Dienstleistern wie Swisscom Trust Services zurückzugreifen. Sie stellen nicht nur die ge wünschten Identitätseigenschaf ten bereit, sondern unterstützen Nutzer auch beim Auslesen und Nachweisen dieser Informationen.

Um diese Funktion zu überneh men, muss jedoch die Wirtschaft lichkeit solcher Projekte gegeben sein. Für kommerzielle Anbieter von ID-Wallets und Trust Servi ces ist es beispielsweise wichtig, nicht in einen unfairen Wettbe werb mit staatlichen Stellen tre ten zu müssen. Außerdem sollte gewährleistet sein, dass private Anbieter von Wallets und Trust Services in allen EU-Ländern aktiv sein dürfen. Hinzu kommt, dass auch Unternehmen mit Hauptsitz in Nicht-EU-Staaten ID-Wallets unterstützen, etwa Amazon, Facebook, eBay, Google und weitere Online-Plattformen.

Wann eIDAS 2.0 verfügbar ist Bis Bürger ihre ID-Wallet auf Grundlage von eIDAS 2.0 nutzen können, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Denn im ers ten Schritt legt die EU-Kommis sion im Herbst 2022 eine Toolbox für ein eIDAS-2.0-Framework vor. Dieses Framework stellt die technischen Details und Stan dards für die ID-Wallets fest. Anschließend haben die Mit gliedsstaaten ein Jahr Zeit, um elektronische Brieftaschen auf Basis dieser Vorgaben zu ent wickeln oder vorhandene IDWallets anzupassen. Dies wird voraussichtlich im Herbst 2023 abgeschlossen sein, vorausge setzt, es treten keine technischen oder organisatorischen Proble me auf. Daher werden Bürger wohl frühestens im Winterurlaub 2023 oder im Jahr darauf ihre ID-Wallet verwenden können.

Die Mobilitätswende fängt beim Parken an

Digitale Parkservices sind wichtiger Baustein von Smart Cities (BS) Parkraumbewirtschaftung wird immer stärker als ein zentrales Steuerungselement zur Schaffung lebenswerterer Städte erkannt. EasyPark unterstützt Städte dabei, eine digitale Parkinfrastruktur zu entwickeln, die den Entwicklungen von morgen vorgreift – wenn eine multimodale Mobilität Realität ist, Innenstädte neu erschlossen werden und Autos mehrheitlich elektrifiziert und noch stärker vernetzt sind.

Das Sharing-Fahrzeug startet den Parkvorgang eigenständig, wenn es in einem Bereich mit Parkgebühren parkt, und stoppt diesen auch automatisch, sobald das Auto den Parkplatz verlässt. Für die nächste Stufe der auto mobilen Entwicklung – autonom fahrende und induktiv ladende Fahrzeuge – hat EasyPark mit seinen In-Car- sowie EVC-Lade services bereits die Grundlagen geschaffen.

Autorisierung in der EasyParkApp den Autofahrerinnen und Autofahrern immer automatisch.

dieser anonymisierten Parkda ten kann EasyPark Städten und Gemeinden in Form eines Dash boards zur Verfügung stellen. Informationen zum Parkverhalten der Nutzerinnen und Nutzer so wie zu wichtigen Indikatoren – wie zum Beispiel der Auslastung von Parkbereichen, der Veränderung des Parkverhaltens in bestimmten Zeiträumen oder den Einnahmen pro Parkzone – machen “Parking Data as a Service” zur Grundlage für fundierte verkehrspolitische Entscheidungen: angefangen bei der Preisgestaltung bis hin zur Planung und Umsetzung neuer Parkzonen oder Beschränkungen. Parken wird in wenigen Jahren zumindest in Städten gleichbe

deutend mit Laden sein. Be sonders Autofahrerinnen und Autofahrer ohne eigene Abstellund Lademöglichkeit werden die Parkzeiten auf öffentlichen Stellplätzen auch immer mit einem Ladezyklus verbinden wollen. Deshalb ist es sinnvoll, Park- und Ladevorgang in einer digitalen Lösung zu bündeln. EasyPark bietet dies bereits in vielen Ländern Europas an und arbeitet auch in Deutschland an einer entsprechenden Lösung. Fortschritte in der Konnekti vität ihrer Onboard-Systeme machen Fahrzeuge außerdem bereits heute zu aktiven Akteuren beim Thema Parken. Über eine Integration in die Konnektivitäts

lösungen Android Auto, Android Automotive und Apple CarPlay ermöglicht EasyPark das Starten von Parkvorgängen direkt vom Fahrersitz aus.

Im Falle der Android-Automo tive App bei Polestar, Volvo und Renault wird sogar, sobald der/ d ie Fah rer/-in zurückkommt und den Motor startet, die Trans aktion automatisch beendet und die Parkgebühren werden ent richtet (Automatic Stop). Der nächste Schritt – eine komplett eigenständige Abwicklung der Parkgebühren des Autos – ist für den privaten Pkw ebenfalls schon umsetzbar. EasyPark nutzt die Technologie bereits erfolgreich beim Carsharing:

Neue Lösungen für das Parken in Städten Parkplätze sind in Zukunft nicht mehr nur reine Abstell flächen, sondern technisch integrierter Teil der Smart Ci ty – und müssen schon heu te entsprechend geplant und angelegt werden. Das gilt vor allem auch für Parkhäuser. Klar ist, dass die Bedeutung von Parkhäusern besonders in zentrumsnahen Stadtgebieten zunehmen wird. In Zukunft wird für private Fahrzeuge weniger Raum am Straßenrand reserviert sein. EasyPark ist auch hier ein Innovator der Branche: Vor allem Garagen in Nordeuropa kommen heutzutage oft bereits ohne Schranken und Tickets aus. Fahrzeuge werden über die Kennzeichenerkennung identifi ziert und die Parkgebühren bei Ausfahrt automatisch über die EasyPark-App abgeführt. Sofern noch Schranken existieren, wie in Deutschland meist der Fall, öffnen diese nach einmaliger

Der Parksuchverkehr macht in manchen Städten bis zu 30 Prozent des Gesamtverkehrs aufkommens aus. Wer also schneller einen Parkplatz fin det, produziert weniger Emis sionen. EasyPark kann auch dabei unterstützen, die Auto fahrerinnen und Autofahrer in die Parkhäuser oder freien Parkflächen zu navigieren. Mit der “FIND”-Funktion, die in die EasyPark-App integriert ist und bereits in vielen deutschen Städ ten zur Verfügung steht, können sie nach Straßen suchen, in de nen die Chancen besonders gut stehen, einen freien Parkplatz zu finden, und so ihre Parksuch zeit reduzieren. So kann auch freier Parkraum in Parkhäusern sichtbar gemacht und dessen Auslastung gesteigert werden. Das ist besonders wichtig, denn: Parkgaragen in Innenstädten, insbesondere an der Peripherie der Innenstädte, werden zuneh mend an Bedeutung gewinnen. Bis 2040 werden 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben und auch die Zahl der Autos wird weiter steigen – mit mehr Elek troautos und selbstfahrenden Fahrzeugen. Gleichzeitig wird die Mobilität in den Städten stärker reguliert und begrenzt werden, einschließlich der Anzahl von Parkplätzen sowie ihrer Nutzung. Dienstleistungen und Lösungen, welche die Parkraumbewirtschaf tung verbessern und das Auffin den freier Parkplätze erleichtern, werden daher immer wichtiger. EasyPark versteht sich als inte graler Teil der Mobilitätswende und leistet dazu einen wichtigen Beitrag mit dem Ziel, Städte le benswerter zu machen.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 34
(BS/Mario Voge) Mit eIDAS
2.0
startet
die
Europäische
Union
einen neuen Versuch, ihren Bürgerinnen und Bürgern eine digitale “Brieftasche” zur Verfügung zu stellen.Welche Vorteile bietet eine solche ID-Wallet den Nutzern und in welchen Bereichen lässt sie sich sinnvoll einsetzen?
Smart Country Convention
Mario Voge ist Lead Strategic Growth Manager bei Swiss com Trust Services.
Foto: BS/Swisscom
Die Digitalisierung der Parkraumbewirtschaftung bietet enormes Potenzial für die Mobilitätswende in den Städten. Grafik: EasyPark

Plötzlich im Fokus

Die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

(BS/Nicole Cienskowski/Christian Koch*) Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland. In der öffentlichen Wahrnehmung spielte er trotz zahlreicher und wichtiger Aufgaben bisher eine untergeordnete Rolle. Die COVID-19-Pandemie hat dies schlagartig geändert und den ÖGD in das Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückt. Somit wurde auch der Digitalisierung Vorschub geleistet.

Zu den Aufgaben des ÖGD gehören insbesondere Gesundheitsschutz, Beratung und Information zu gesundheitlichen Themen, amtsärztliche Begutachtungen, Prävention bzw. Gesundheitsförderung für Personen mit besonderen Unterstützungsbedarfen sowie Gesundheitsplanung und Berichterstattung. Was zunächst etwas abstrakt klingt, wird an der folgenden Auswahl aus dem Spektrum des ÖGD konkreter: Kontrolle der Trinkwasserhygiene und Hygienekontrollen in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Schuleingangsuntersuchungen und schulzahnärztliche Untersuchungen, HIV- und Suchtberatung und vor allem Infektionsschutz. Die COVID19-Pandemie hat die Scheinwerfer auf den bis dahin kaum wahrgenommenen Gesundheitsdienst gerichtet und auch lange bestehende Defi zite, etwa bei der Personalausstattung und im Bereich der Digitalisierung, sichtbar gemacht. Aus diesem Grund haben die Bundesregierung und die Landesregierungen im September 2020 einen Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst geschlossen. Dieser stellt u. a. für die Modernisierung und Stärkung der Digitalisierung des ÖGD Fördermittel in Höhe von insgesamt 800 Mio. Euro über vier Jahre zur Verfügung. Die Zuteilung der Mittel auf die Länder erfolgt über den Königsteiner Schlüssel.

Bis Anfang August konnten für die ersten zwei Jahre För-

deranträge gestellt werden: entweder für Modellprojekte oder für länderkoordinierte

Maßnahmen. Modellprojekte zielen darauf ab, den digitalen Reifegrad der antragstellenden Gesundheitsämter zu erhöhen. Länderkoordinierte Maßnahmen sollen die Digitalisierung der Gesundheitsämter in einem Bundesland oder in mehreren Bundesländern nach dem EinLand-für-alle-(ELFA-)Prinzip vorantreiben. Die IT-Dienstleister des Bundes, der Länder oder der Kommunen und die IT-Lösungsanbieter selbst sind nicht antragsberechtigt, spielen aber eine wichtige Rolle bei der Realisierung der Maßnahmen.

Hohe Komplexität

Vor allem die geplanten Maßnahmen auf der Länderebene zeichnen sich durch einen hohen Grad an Komplexität und an geforderter Interdisziplinarität aus. So sind beispielsweise Kommunikations- und Datenplattformen geplant, die die Kommunikation und den Datenfluss u. a. zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Laboren und dem Gesundheitsamt sowie den Landes- und Bundesbehörden vereinfachen und beschleunigen sollen. Ein weiteres Beispiel sind Bürger-Apps für eine bessere Kommunikation zwischen den Bürgern und dem Gesundheitsamt. Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung der geplanten Maßnahmen ist es, verschiedene Akteure mit unterschiedlichen Kompetenzen

gemeinsam auf ein definiertes Ziel, nämlich die Digitalisierung und Modernisierung des ÖGD, zu fokussieren.

Den Pakt konkretisiert

In der zu Ende gehenden Vorbereitungsphase war Capgemini sowohl auf der Bundes- als auch auf Landesebene beteiligt, den Pakt für den ÖGD zu konkretisieren und die Digitalisierung voranzutreiben. Capgemini engagiert sich in den folgenden Phasen auch bei Projektbegleitung und -umsetzung. Unsere Vision ist ein digitales ÖGDÖkosystem, in dem die Akteure auf kommunaler, Landes- und Bundesebene vernetzt sind und Datenströme ohne Medienbrüche oder sonstige Hindernisse fließen. Darüber hinaus gilt es, Mehrwerte aus ohnehin im ÖGD vorhandenen Daten zu schaffen, um die Berichterstattung zu vereinfachen und Handlungsfähigkeit im Sinne von zielgerichteten Entscheidungen zu unterstützen. Es ist davon auszugehen, dass damit u. a. das Infektionsgeschehen schneller und präziser beurteilt werden kann. In der Konsequenz lassen sich so Entscheidungen besser treffen bzw. erklären und der ÖGD kann letztlich seine Steuerungsaufgabe leichter wahrnehmen.

*Nicole Cienskowski, Account Manager Public Health, und Christian Koch, Lead Consulting Public Health, sind beide bei Capgemini tätig.

Die Deutsche Verwaltungscloud

DVZ M-V GmbH informiert über aktuellen Entwicklungsstand zur Umsetzung (BS/Bettina Deuil*) Auf dem Kongress Nordl@nderDigital wurde deutlich: Besonders die Cloud-Nutzung bietet ein großes Potenzial für die Digitalisierung und damit auch für eine schnelle, flexible Skalierung von staatlichen Dienstleistungen. Trotzdem ist es, mit Blick auf die Wahrung der staatlichen (Daten-)Souveränität in Europa, bedeutend, sich nicht in Abhängigkeiten von außereuropäischen Unternehmen zu begeben. Denn für eine effiziente wie umsichtige Nutzung der Cloud im öffentlichen Sektor sind die richtigen Rahmenbedingungen und Voraussetzungen, sowohl juristisch als auch technisch, von größter Bedeutung.

Deshalb ist es das Ziel der “Deutschen Verwaltungscloud”, digitale Souveränität – also die Unabhängigkeit von einzelnen Herstellern – durchzusetzen. Im Rahmen der Umsetzung hat der IT-Planungsrat die “Deutsche Verwaltungscloud-Strategie” (DVS) inklusive Rahmenwerk der Zielarchitektur beschlossen.

Diese wird in einem Verbund von Cloud-Anbietern realisiert, in dem offene Standards und Schnittstellen sowie Open-Source-Software verwendet werden.

Den aktuellen Entwicklungsstand dazu stellten Hubert Ludwig, Geschäftsführer der DVZ M-V GmbH, sowie Falk Friese, DVZ-Leiter der Stabsstelle Enterprise Architekturmanagement, auf dem Kongress Nordl@nderDigital vor. Denn der zentrale IT-Dienstleister von Mecklenburg-Vorpommern unterstützt mit seinem Know-how aktiv die Umsetzung der strategischen Zielsetzung im Rahmen der Arbeitsgruppe “Cloud-Computing und Digitale Souveränität” (AG Cloud).

DVZ begleitet souveräne Verwaltungsdigitalisierung

“Die digitale Souveränität ist ein Mannschaftssport und die AG Cloud des IT-Planungsrats übernimmt dabei die Koordination. Mehrwerte erwachsen den Landesverwaltungen durch den Zugriff auf neue Produkte und Technologien, die bereits einsatzerprobt sind. Der Entwicklungsverbund ermöglicht es

Hubert Ludwig, Geschäftsführer der DVZ M-V GmbH, berichtete auf dem Kongress Nordl@nderDigital über den aktuellen Stand der Umsetzung der Deutschen Verwaltungscloud. Foto: BS/DVZ

außerdem, dass selbst ein kleines Bundesland wie MecklenburgVorpommern eigene Aspekte einbringen und berücksichtigen kann”, erklärte Ludwig den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses Nordl@nderDigital.

Vordenker und Supporter

Der zentrale IT-Dienstleister des Landes Mecklenburg-Vorpommern versteht sich dabei im Sinne seiner Kundinnen und Kunden als zuverlässiger Begleiter und Unterstützer: “Wir sind nicht nur Vordenker im

Verbund, sondern auch professionelle Supporter. Dank der engen, übergreifenden Zusammenarbeit aller Beteiligten in der AG Cloud ist es möglich, Wissenszuwachs aus der Netzwerkarbeit zu teilen und mit Expertise aus verschiedensten Bereichen zu unterstützen”, erläutert Ludwig die Vorteile der partnerschaftlichen Zusammenarbeit in der AG Cloud.

Der grundlegende informationstechnische Wandel deutscher Verwaltungen nimmt immer konkretere Formen an. Bereits Anfang des nächsten Jahres wird die Deutsche Verwaltungscloud – wenn auch noch in sehr kleinem Rahmen – erste Services anbieten.

*Bettina Deuil ist bei der DVZ M-V GmbH im Bereich Marketing tätig.

Mehr zu

NORDL@NDERDIGITAL

Ein Nachbericht zum diesjährigen Kongress “Nordl@nderDigital”, den der Behörden Spiegel Anfang September in Rostock veranstaltete, findet sich auf Seite 36 dieser Ausgabe

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Smart Country Convention Seite 35
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Nordl@nder Digital 2022

Schon in seiner Eröffnungsrede legte Christian Pegel, Meck lenburg-Vorpommerns Minister für Inneres, Bau und Digitalisie rung, einen Schwerpunkt auf diese Transformation im Kopf. Es müsse erstens erlaubt sein, Fehler zu machen, und zweitens sollten Projekte schon bei einem Umsetzungsstand von beispiels weise 80 Prozent live gehen. Die ses Vorgehen ergebe viel mehr Si nn, als bis zu einem Stand von 100 Prozent zu warten und dafür jahrelange Wartezeiten in Kauf zu nehmen. An dieser Stelle seien auch die Führungskräfte in der Verwaltung gefragt. “Diese müssen zu einem Projekt stehen und dann auch Verantwortung übernehmen, wenn etwas nicht funktioniert”, fordert Pegel. Ähnliches betont auch Sven Thomsen, Chief Information Of ficer (CIO) des Landes Schles wig-Holstein. Die Rolle der Vor gesetzten sei es, “Lösungen zu ermöglichen und diese nicht nur zu bewerten oder entgegenzu nehmen, wenn sie abgeschlossen sind”. Es sei wichtig, projektori entiert mit einem Team an Lö sungen so lange zu arbeiten, bis diese auch geliefert würden. Dazu gehöre es, Ressourcen und Geld an Land zu ziehen.

Fehler müssen akzeptiert werden

Laut Thomsen ist es aber auch wichtig, in der Politik das Be wusstsein dafür zu schaffen, dass

Fehlerkultur und Vertrauen entscheidend

Auch interdisziplinäres Arbeiten fördern

(BS/Matthias Lorenz) Bloß keine Fehler machen – diese Haltung herrscht in vielen deutschen Behörden noch immer vor. Dies ist in vielerlei Hinsicht auch eine sinnvolle Einstellung. Schließlich verursachen Fehler immer Kosten und diese müssen aus Steuermitteln gedeckt werden, die sonst an anderer Stelle verwendet werden könnten. Doch die Einstellung, um alles in der Welt fehlerfrei zu agieren, kann auch hinderlich sein. Ohne den Mut, auch ein Scheitern in Kauf zu nehmen, gibt es schließlich selten Innovationen. Genau diese braucht die Verwaltung allerdings gerade bei der Digita lisierung. Der fällige Kulturwandel war deswegen eines der bestimmenden Themen beim Nordl@nder-Kongress des Behörden Spiegel in Rostock.

man auch mit nicht perfekten Produkten live gehen dürfe.

“Wenn wir nicht mit 80 Prozent starten, wird es schwierig.” Die ses Bewusstsein zu schaffen, sei die Aufgabe einer “dienen den Führung”, wie Thomsen sie nennt. Minister Pegel ergänzt, auch die Medien und die Ge sellschaft müssten akzeptieren,

wenn Fehler gemacht würden.

Wie wichtig es ist, das Bewusst sein für Digitalisierungs-Bedürf nisse in der Politik zu schärfen, st el lte auch Eva-Maria Kröger in einer Wortmeldung heraus.

Die Digital-Politikerin der Linken sitzt seit 2016 im Schweriner Landtag und engagiert sich seit 2009 außerdem in der Rosto

Denkmodell Netzwerkkommune

Digitale Daseinsvorsorge im Fokus (BS/Matthias Lorenz) Im föderalen System spielen die Kommunen eine besondere Rolle. Sie sind meist der di rekte Kontaktpunkt zwischen dem Bürger und dem Staat. Darüber hinaus spielen sie auch eine wichtige Rolle für das Leben der Bürgerinnen und Bürger. Das Stichwort lautet Daseinsvorsorge. Doch wie verändert sich die Rolle der Kommunen durch die Digitalisierung und wie sollte eine “digitale” Daseinsvorsorge aussehen?

Für Prof. Dr. Moreen Heine, Professorin für E-Government und Open Data Ecosystems an der Universität zu Lübeck, kann digitale Daseinsvorsorge aus drei Komponenten bestehen. “Zunächst geht es um den Zu gang: Wo finde ich was, welche Leistungen kann ich digital in Anspruch nehmen”, erklärt die Wissenschaftlerin. Als zweites müsse man die Transformati on, also die Reorganisation von Leistungen durch Digitalisierung nennen. Drittens müsse die Kom mune durch die Digitalisierung auch völlig neue Bedürfnisse er füllen. “Beispielsweise braucht jeder einen Zugang zur digitalen Infrastruktur. Dies ist ein völ lig neues Element, welches die Daseinsvorsorge leisten muss.”

Die zentrale Frage, die gestellt werden müsse, ist laut Anika Krellmann, Referentin im Pro grammbereich Organisationsund Informationsmanagement bei der Kommunalen Gemein schaftsstelle für Verwaltungs management (KGSt): “Was ist der kommunale Auftrag im digitalen Zeitalter?” Grundsätzlich könne die Digitalisierung bei der Lösung vieler kommunaler Herausforde rungen helfen. Man müsse jedoch immer darüber nachdenken, was eine Gemeinschaft heutzutage brauche, um ein gutes Leben zu führen. Politik und Verwal tung müssten sich aktiv fragen, welche Aufgabe sie übernehmen müssten, um das Gemeinwohl zu stärken.

In dieser Hinsicht sei vor rund fünf Jahren noch viel an Breit

band gedacht worden, so Krell mann weiter. Inzwischen seien einige Themen hinzugekommen. Es gehe unter anderem darum, die digitalen Kompetenzen sowie die digitale Teilhabe der Bürger zu stärken. “Da übernehmen die Kommunen eine sehr wichtige Aufgabe.” Krellmann betont auch, dass sich das Selbstbild der Kom mune geändert habe. Heutzutage müssten sie als “Netzwerkkom munen” denken. Schließlich sei eine Kommune mehr als die rei ne Verwaltung. “Im Bereich der Daseinsvorsorge wurden Dinge schon immer nicht allein von der Verwaltung, sondern gemeinsam mit Partnern, auch aus der Zivil gesellschaft, geleistet”, erläutert Krellmann. Kommunen müssten sich also immer fragen, welche Kompetenzen man selbst habe und welche Dinge gemeinsam mit Partnern angegangen werden müssten. Für viele Kommunen sei es allerdings eine Heraus forderung, so zu denken, weil daraus manchmal ein Steue rungsverlust entstehe. Auch plä diert Krellmann für mehr inter kommunale Zusammenarbeit,

gerade zwischen kleinen Gemeinden: Eine Gemeinde könne sich auf eine Aufgabe konzentrieren, eine andere auf ein weiteres Thema. Kreisen käme in diesem Fall eine besondere Orchestrierungsaufgabe zu. Wie wichtig kommunale Zusam menarbeit ist, wird auch immer wieder von der politischen Seite betont. So sagt Lars Prahler, Bür germeister der Stadt Grevesmüh len: “Es gibt keinen anderen Weg als die interkommunale Zusam menarbeit.” Auch der Schweriner Oberbürgermeister Dr. Rico Ba denschier hebt die Relevanz von Kooperation hervor. Die Stadt Schwerin habe zusammen mit der Stadt Ludwigslust und dem Landkreis Ludwigslust-Parchim ein gemeinsames Kommunal unternehmen gegründet. “Hier entwickeln wir Verwaltungs leistungen zusammen. Das er zeugt Synergien unter anderem in den Bereichen Schule und digitale Bauakte”, berichtet der SPD-Politiker. Ebenfalls entstün den durch die Konsolidierung Synergieeffekte im Bereich der Fachkräftegewinnung.

cker Bürgerschaft. Gerade in der Kommunalpolitik arbeiteten die meisten Vertreterinnen und Ver treter ehrenamtlich. “Gleichzeitig wird erwartet, dass wir immer zu allen Themen sprechfähig sind”, beschreibt Kröger die Situation. Deswegen sei es schlicht und einfach nicht möglich, als Po litikerin oder Politiker von sich aus auf die Experten zuzugehen. Man sei darauf angewiesen, dass diese sich mit ihrer Expertise an die Entscheidungsträger wende ten, um auf Schwierigkeiten und Probleme hinzuweisen, welche die Politik dann lösen könnte. Ina-Maria Ulbrich, Staatsse kretärin im Ministerium für In neres, Bau und Digitalisierung des Landes Mecklenburg-Vor pommern und Schirmherrin des Kongresses, hebt als wichtigen Punkt für das Gelingen der Ver waltungsdigitalisierung das Ver trauen hervor. Dabei betrachtet sie diesen Aspekt aus mehreren Blickwinkeln. Erstens müssten die Führungskräfte Vertrauen in die Mitarbeitenden haben. Doch auch andersherum müssten die Mitarbeitenden den Führungs kräften dahingehend vertrauen können, dass diese akzeptierten,

wenn etwas nicht so gelaufen sei wie ursprünglich geplant. Doch auch im Verhältnis zwischen dem Staat und den Bürgern brauche es mehr wechselseitiges Vertrau en, erklärt Ulbrich. Momentan vertrauten die Bürgerinnen und Bürger dem Staat beispielsweise beim Thema Datenschutz nicht. Auf der anderen Seite habe der Staat beim Erbringen von Leis tungen auch ein Vertrauensdefizit gegenüber den Bürgern. Diese müssten heutzutage meist extrem viele Anträge stellen und Nach weise erbringen, um eine Leistung zu erhalten. Würde der Staat den Bürgern an dieser Stelle mehr ver trauen, könnten manche Anträge wegfallen. “Die Vertrauenskultur ist also ein ganz wesentlicher Punkt”, bilanziert Ulbrich.

Interdisziplinäres Team gefragt

Des Weiteren wird vielfach be tont, wie wichtig eine projekt orientierte Arbeit innerhalb der Verwaltung ist. “Wir müssen zu nächst den Blick auf das Produkt lenken und uns überlegen, was wir eigentlich haben wollen”, er läutert CIO Thomsen. Wenn das gelinge, könne man alle nötigen

Mitarbeitenden identifizieren und an einen Tisch bringen. Dafür müsse die Verwaltung interdis ziplinäres Arbeiten fördern und bel ohnen. Es brauche ein in terdisziplinäres Team, welches ein Projekt vollständig bearbeite. Dem stimmt Staatssekretärin Ulbrich zu. Ressortübergreifende Arbeit sei in der Landesverwal tung Mecklenburg-Vorpommern rechtlich sogar möglich. In der Realität müssten jedoch zu nächst Anträge gestellt werden, bevor Mitarbeitende formal zuge wiesen würden. Ein langwieriger Prozess. “Es liegt also nicht an den Regeln, sondern am Mind set”, so Ulbrich.

Ähnliches beobachtet auch der IT-Bevollmächtigte der nieder sächsischen Landesregierung, Dr. Horst Baier. “In der Landes verwaltung erlebt man eher eine organisierte Nicht-Zusammenar beit.” Die Ressorts würden im mer zunächst schauen, wo sie Kompetenzen verlieren könnten. Als Beispiel nennt Baier die ITZentralisierung. Hier erinnere ihn das Agieren der Ressorts an Häuserkampf. Dahingegen sei die Kultur der Zusammenarbeit in den Kommunen meist ausge prägter. “Dort hat man kürzere Wege, ist flexibler”, sagt Baier. Allerdings erlebe er auch in der Landesverwaltung an einigen Stellen ein Umdenken. Bei spielsweise empfänden manche Landesbehörden das Thema Cyber-Sicherheit inzwischen als so kompliziert, dass sie es lieber an eine andere Stelle abgeben würden. Für Baier ist dies eine gute Entwicklung.

OZG-Finanzierungsdebatte entbrannt

Unklarheiten deutlich erkennbar

(BS/Matthias Lorenz) Wenn sich Expertinnen und Experten momentan über die Umsetzung des Onlinezu gangsgesetzes (OZG) austauschen, werden sie sich in vielen Punkten schnell einig: Ja, die Frist Ende 2022 ist nicht mehr zu halten. Ja, man hätte von vornherein die Ende-zu-Ende-Digitalisierung mitdenken müssen. Doch was folgt aus diesen Erkenntnissen? Hierüber herrscht noch Diskussionsbedarf.

Neben der Debatte um ein mög liches OZG 2.0 ist hierfür die Finanzierung ein gutes Beispiel. Aus dem Corona-Konjunktur programm hatte der Bund drei Milliarden Euro für die OZG-Um setzung bereitgestellt. Über eine mögliche Anschlussfinanzierung wird zwischen Bund, Ländern und Kommunen gestritten. Eine langfristige Lösung scheint noch in weiter Ferne zu liegen. Dr. Moritz Karg, Referatsleiter Grundsatzangelegenheiten Di gitalisierung und E-Government in der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein, hält schon die Art der Zurverfügungstellung der Konjunkturmittel für den “größten Fehler des Bundes”. Die Mittel seien lediglich mit der un konkreten Anweisung, jetzt doch bi t te loszulegen, bereitgestellt worden. “Deswegen hat man sich irgendwelche Projekte vorgenom men, ohne die dahinterliegenden Prozesse zu verstehen.”

Der zweite Fehler des Bundes sei es nun, die Finanzierung En de 2022 auslaufen zu lassen. Vielmehr müsse der Bund nun durchhalten und dafür sorgen, dass bisher getätigte Investitio nen auch ihre Wirkung entfal ten könnten, fordert Karg auf dem Nordl@nder-Kongress. In der aktuellen Situation würden Unternehmen, mit denen die Ver waltung zusammenarbeitet, nur noch laufende Projekte beenden, aber die Zusammenarbeit 2023

nicht fortsetzen wollen. Dies sei verständlich. “Es braucht Zeit für die Prozessdigitalisierung”, so Karg. Jahrzehntelang gewach sene Prozesse könnten nicht zu friedenstellend in zwei Jahren digitalisiert werden.

Lui se Kr anich, Referatsleite rin Digitalisierungsprogramme Bund und Föderal im Bundes ministerium des Innern und für Heimat, weist hingegen darauf hin, man sei nicht unzuverlässig gewesen. “Es war von vornherein klar, dass die Finanzmittel Ende 2022 auslaufen.” Sie gibt jedoch zu, man hätte von Anfang an da rauf achten müssen, was bis zu bestimmten Terminen zu schaffen sei. Kranich regt an, sich nicht so sehr auf die Frage der Finanzie rung zu fokussieren, schließlich könne man die Argumentation umdrehen: “Wenn eine Behörde einen guten Prozess aufsetzt und

sauber digitalisiert, spart sie viel Geld.” Dadurch stelle sich die Fi nanzierungsfrage gar nicht mehr so sehr.

In diesem Zusammenhang ent gegnet Zehra Öztürk, die im Amt für IT und Digitalisierung der Senatskanzlei Hamburg die Pro jektleitung MODUL-F und die stellvertretende Referatsleitung Steuerung Fachverfahren und Neue Technologien innehat: “Am Anfang fehlt das Geld! Deswegen brauchen wir eine Anschubfi nanzierung.” Führungskräfte der Verwaltung müssten bei spielsweise auch den Mut haben, Steuergelder auszugeben, um Dinge auszuprobieren. Ins gesamt habe man nicht die Un terstützung, die es bräuchte. Mo mentan warte man wieder viel auf Vorgaben vom Bund, anstatt den Flow, den das OZG schon einmal ausgelöst habe, mitzunehmen.

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Mecklenburg-Vorpommerns Digitalminister Christian Pegel fordert eine verän derte Fehlerkultur in der Verwaltung. Foto: BS/Eva-Charlotte Proll Die Daseinsvorsorge umfasst längst nicht mehr nur den analogen Raum. Foto: BS/heleiqiang, pixabay.com Die Daseinsvorsorge umfasst längst nicht mehr nur den analogen Raum. Foto: BS/heleiqiang, pixabay.com

PITS

Vor allem in Krisenzeiten, in der sowohl innen- als auch außenpolitisch die Lage ange spannt ist, gelte es, rechtlich auf sicheren Füßen zu stehen, so Vetter. Dafür sollten die “ver fassungsrechtlichen Trennlinien zwischen der Inneren und Äuße ren Sicherheit streng beachtet werden.” Während die Festlegung der Zuständigkeiten im CyberRaum nicht immer eindeutig ist, haben sich die Angriffsmecha nismen von böswilligen CyberAkteurinnen und -Akteuren nicht verändert. Die klassischen Vek toren bleiben Spionage, Über lastung und Desinformation. Anders sieht es bei der Attribu tion der Angriffe aus. Dort habe sich in den letzten 12 Monaten “viel getan”, so Vetter. Diese Ent wicklung sei wichtig, pflichtet auch Wilfried Karl, Präsident der Zentralen Stelle für Informations technik im Sicherheitsbereich (ZITiS), bei. “Attribution ist eine Kernfähigkeit, die jede CyberInstitution besitzen sollte.” Er forderte, dass wichtige Themen wie Attribuierungen auch nati onal bearbeitet werden sollten, insbesondere in Zusammenarbeit mit der Industrie. Dabei könnten auch internationale Standards gesetzt werden, so Karl.

Zusammenarbeit aus Geheimdienstgründen schwierig

Stefan Vollmer, Leiter der Divisi on Cyber & Informationsraum bei ESG, weist allerdings auf Prob leme hin, die in der Zusammen arbeit – vor allem im Bereich sensibler Daten – entstehen kön nen. Er sieht in mancher Hin sicht eine Art Bittstellersituation

Er ist gekommen, um zu wer ben. Um die Cyber-Sicher heitsbehörden der Länder, um die Informationssicherheitsbeauf tragten (ISB) der Kommunen, die Polizeikräfte, die Militärs sowie die Leute aus den Innenministe rien zu gewinnen, die sich auf der Public IT-Security versammelt haben. Sie alle hängen irgendwie mit drin in der deutschen CyberSicherheitsarchitektur.

Der CIO der Bundesregierung und Staatssekretär des Bundes ministeriums des Innern und für Heimat (BMI), Dr. Markus Richter, gibt sich gelassen. “Wenn wir über Grundgesetzänderungen sprechen, zum Beispiel mit Blick richtung auf das BSI oder auch mit der Blickrichtung, dass der Bund komplementär – also er gänzend – eine Zuständigkeit im Bereich der Gefahren-Abwehr im Cyber-Raum braucht, dann heißt das nicht, dass alle Behörden die Griffel fallen lassen”, erklärt er. Im Gegenteil, es komme nur hinzu, dass man in bestimmten Szenarien zusammenarbeiten könne.

Deckmantel des Notstands

“Wir sind zu oft unter dem Deck mantel des Notstands unterwegs”, kritisiert der Staatssekretär. Das BSI, das Kernstück der CyberSicherheitsarchitektur, biete den Ländern Informationsaustausch und Cyber Emergency Response Teams (CERT) an. Nur dürfe es das bislang ausschließlich im Rahmen der Amtshilfe oder von Kooperationsvereinbarungen.

Der Vizepräsident des BSI stimmt zu und ergänzt: “Koopera tionsvereinbarungen sind gewag te Instrumente.” Laut BSI-Vize Dr. Gerhard Schabhüser bewegen diese Vereinbarungen sich am Rande des juristisch Möglichen. “Der Bund darf eigentlich nur

aus Sicht der Industrie. Häufig werde die Zusammenarbeit mit den Bundesbehörden aus Ge heimschutzgründen erschwert.

Die Angriffsvektoren betreffend stimmte er Karl zwar zu, dass die Methoden ähnlich seien, die Wirkung würde aber von Opfer zu Opfer variieren. Dietmar Hilke, Leader Strategy Security Ger many Cisco, entgegnete, dass Cyber-K riminelle den noch die gleichen Systeme nutzen würden: “Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um staatsnahe Organisatio nen handelt oder Einzelakteure.”

Eines sei aber sicher: Man müsse aus dem Kriegsmodus heraus, denn dieser sei nicht zukunfts fähig, konstatierte Hilke.

Quantitative Bedrohungslage unverändert

Der Kriegsmodus hat vor allem die Sinne der Akteurinnen und Akteure in der Cyber-Sicherheit geschärft. Dennoch habe sich die quantitative Bedrohungslage in Deutschland nicht groß verän dert, meint Dr. Gerhard Schab hüser, Vizepräsident des BSI.

“Von der Erkenntnis her, was alles im Cyber-Raum gemacht werden kann, sind wir natürlich in einer völlig neuen Situation”, so der BSI-Vize. Um sich den Gegebenheiten anzupassen,

Trennschärfe im Zeitenwandel

Andere Zeiten, anderes Bewusstsein

sei ein Strukturwandel nötig. Einerseits bei der Ausbildung von IT-Sicherheitsfachkräften, andererseits bei der Fokussie rung der zu lernenden Fächer an den Bildungseinrichtungen in der Bundesrepublik: “An den Universitäten Deutschlands gibt es die Module “Sicheres Program mieren”, aber nicht das Modul “Wie baue ich eine sichere Soft

ware”, so Schabhüser. Ferner forderte der Mathematiker die grundsätzliche Einbindung des Faches Informationssicherheit in den Studiengang der Informatik. Cyber Crime als Geschäftsmodell boomt Wenngleich die Gefahrenlage aus Sicht des BSI im CyberRaum hoch ist, sich aber nicht

substanziell verändert hat, be obachtet das BKA eine Trend wende bei der politischen Posi tionierung von Cyber-Akteuren. Ausgangspunkt sei auch hier der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Carsten Meywirth, Leiter der Abteilung Cybercrime beim Bundeskriminalamt, erklärt, dass einzelne Hacker-Gruppie rungen sich einer Kriegspartei

Einer muss sagen: “Jetzt alle raus!”

Zwei Grundgesetzänderungen zum Preis von einer (BS/Benjamin Hilbricht) “Alle behalten ihre Zuständigkeiten, aber wir arbeiten besser zusammen, wenn wir die Zentralstelle der Cyber-Sicherheit werden.” Das verspricht das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) den Cyber-Sicherheitsbehörden der Länder. Diese schwan ken zwischen der offenkundigen Notwendigkeit der Neuaufstellung und Befürchtungen, dass ihre Hoheit in der Sicherheit langsam untergraben werden könnte.

das für die Länder übernehmen, was im Grundgesetz explizit erlaubt ist. Wir dürfen für die Wirtschaft viel mehr machen als für die Länder.” Für umfassende Cyber-Sicherheit müssten aber Bund, Länder und Kommunen Hand in Hand arbeiten.

Abseitsfalle

Die Länder wollen ja kooperieren. Da ist zum Beispiel die Föderale ITKooperation (FITKO), eine Initiative der Bundesländer. Auch sie mischt bei der Cyber-Sicherheit mit. Ihr Leiter für Föderales IT-Architektur management, Jörg Kremer, nimmt eine Fußballweisheit als Sinnbild

für das, was die IT-Sicherheit braucht. “Wenn es darum geht, die Abseitsfalle aufzustellen”, sagt Kremer, “muss einer auf dem Feld sagen: jetzt alle raus. Ob es das BSI ist oder jemand anders – einer muss das sagen.”

Kompetenzverschiebung

Ein Cyber-Sicherheitskapitän auf dem Feld. Kooperativ und komplementär arbeiten. Klingt gut. Aber in den Ländern schwan ken sie. Die Zusammenarbeit mit dem BSI sei gut. Aber da ist auch die Sorge, dass hier eine massive Kompetenzverschiebung im Gange ist.

“Auf der operativen Ebene bin ich bereit zu sagen, ich glaube Ihnen aufs Wort, dass es hier nicht um eine Kompetenzver schiebung geht”, sagt Martin Wie gand, stellvertretender Leiter des Hessen CyberCompetenceCen ter (Hessen3C) in Richtung des BSI-Vizepräsidenten Schabhüser Doch die Polizeiführung, die er bei seiner Arbeit im hessischen Ministerium des Innern und für Sport (HMDIS) kennengelernt habe, “sieht gerade etwas ganz anderes: eine Ausweitung der Kompetenzen des Bundeskri minalamts”. In der Diskussion über eine Grundgesetzänderung

für die Cyber-Sicherheit werde zweierlei vermischt.

Zwei zum Preis von einer In Richters Worten steckte schon das, was Wiegand wie der Wolf im Schafspelz vorkommen muss.

Der CIO der Bundesregierung sprach von Grundgesetzände rungen mit zwei Blickrichtungen: Zentralstellenfunktion und Ge fahrenabwehr. Die Frage ist, ob beides zusammengehört oder ob der Bund versucht, zwei Grund gesetzänderungen zum Preis von einer zu bekommen.

Aus Sicht des BSI betrifft nur die erste Gesetzesinitiative das

“angeschlossen” hätten, auch um damit geopolitisch Einfluss zu nehmen. Meywirth konnte al lerdings nicht valide feststellen, dass sich seit Kriegsbeginn im Februar der Anteil von Cyber Crime-Taten messbar erhöht hätte: “2021 war das Jahr der Cyber-Kriminalität.” Generell habe sich bereits seit 2015 die Situation drastisch verändert. Cyber-Kriminelle würden sich immer professioneller organi sieren. Es sei eine “arbeitsteilige Industrie” entstanden. Das BKA versuche, gegen die Entwicklung vorzugehen und würde sich welt weit mehr und mehr vernetzen. Die ersten Resultate seien bereits vorzeigbar, meint Meywirth. Als Beispiel nannte der Polizist die Aufdeckung des Darknet-Markt platzes “Hydra Market”. Dabei wurden die Server des größten digitalen Marktplatzes aufge deckt und 543 Bitcoins, welche damals etwa 23 Millionen Euro wert waren, beschlagnahmt und dem Land Hessen übergeben. Die Zerschlagung gelang durch die Kooperation insbesondere mit US-amerikanischen Ermitt lungsbehörden. Wenngleich die Identitäten der Betreibenden der Plattform bis heute nicht geklärt sind, vermuten Expertinnen und Experten eine Beteiligung rus sischsprachiger Akteure: Auch die Plattform sei in russischer Sprache geführt worden, heißt es vom BKA.

Da ist sie wieder, die schwierige Auseinanderhaltung von Inne rer und Äußerer Sicherheit. Die Kompetenzverteilung wird eine langfristige Aufgabe bleiben in Zeiten der Zeitenwende.

Amt selbst. “Die zweite Initiati ve – Rechtsetzungsbefugnis und G e fahrenabwehrbefugnisse für den Bund – zielt eher auf die Si cherheitsbehörden der Länder. Das hat mit dem BSI erst einmal nichts zu tun”, erklärt Schabhüser. Er verstehe die Sorge, aber: “Zwei Pakete, zwei unterschiedliche Ziel setzungen.”

In der laufenden Diskussion werden diese beiden Vorhaben – Informationszentralstelle und Gefahrenabwehr – vermischt. Es sieht in den Augen mancher so aus, als würde das BMI versu chen, zwei verschiedene Vorha ben mit einer einzigen Kraftan strengung durchzusetzen. Das liegt auch daran, dass zur CyberSicherheit im Verständnis des BMI nicht nur die Detektion von Bedrohungen und die Vorbeu gung gehören, sondern eben auch Mittel der aktiven Cyber-Abwehr. Diese sind aber als Eingriffe bei den Sicherheitsbehörden mit ent sprechenden Befugnissen, also bei Polizei und Nachrichtendiens ten angesiedelt.

Eckpunktepapier angekündigt

Bundesmi

Staatssekretär

Innern

(BMI), Dr. Markus Richter,

Public IT-Security.

Da ist etwas in Bewegung. Rich ter, der Staatssekretär, der den Umbau der Cyber-Sicherheits architektur schon seit der Cy bersicherheitsstrategie aus dem letzten Jahr begleitet, kündigt ein Eckpunktepapier an. Vor Jahres ende würden darin die genaue Ausgestaltung der Zentralstel lenfunktion des BSI und damit die Grundgesetzänderungen prä zisiert. Bis dahin fordert er die Zuhörenden auf, Vorschläge zu machen. Das Publikum klatscht. Hinter geschlossenen Türen dis kutieren sie viel miteinander, die Menschen vom Land und vom Bund. Aber bis das Eckpunk tepapier da ist, schwanken sie weiter zwischen Not und Sorge.

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 37
(BS/Paul Schubert) Die Gemengelage im Cyber-Raum durch den Angriffskrieg Russlands hat sich seit diesem Jahr grundlegend verändert. Be sonders schwierig gestalte sich die Trennschärfe zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit und der Frage, inwiefern man sich aktuell in Friedens-, Krisen- oder Kriegszeiten befinde, erklärte Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik beim Bundesminis terium der Verteidigung (BMVg), auf der Public IT-Security Conference 2022. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sieht nichtsdestotrotz “keine Veränderung der quantitativen Bedrohungslage”. Die Diskutanten forderten, die Attributionsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland im Cyber-Raum nachhaltig zu stärken. Foto: BS/Trenkel
“Wir sind zu oft unter dem Deckman tel des Notstands unterwegs”, er klärte der CIO der Bundesregierung und
im
nisterium des
und für Heimat
auf der
Foto: BS/Trenkel
BSI-Vize
Dr. Gerhard Schabhüser (1. v. l.) diskutiert mit Dr.
Barbara
Held (2. v. l.),
Martin Wiegand (3. v. l.), Jörg Kremer
(2. v. r.) und Dr. Claudia Warken (1. v. r.) über die
kommende Zentralstellenfunktion des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Foto: BS/Trenkel
PITS

Doch

dafür brauchte es offen sichtlich erst das Gefühl, die Gefahr vor der eigenen Haustür zu haben. Wie Andreas Ebels, Be auftragter für Datenschutz und IT-Sicherheit beim Zweckverband Kommunales Rechenzentrum Niederrhein (KRZN), berichtet, sei er nach dem Angriff auf AnhaltBitterfeld oft auf eine Einstellung gestoßen, die von dem Gedanken getrieben wurde, Anhalt-Bitter feld sei schließlich weit weg. “Als es dann wenige Monate später Witten im Ruhrgebiet traf, sind bei uns die ersten aufgewacht.” Dies ist angesichts der weiter steigenden Bedrohung höchste Zeit: Nicht nur agieren CyberKriminelle inzwischen höchst professionell und effektiv, auch staatliche Mächte versuchen im mer wieder, die demokratische Gesellschaft mittels Cyber-Atta cken zu destabilisieren.

Schwerwiegende Auswirkungen

Wird eine Kommune, egal aus welcher Motivation heraus, er folgreich angegriffen, können die destabilisierende Wirkung und der damit einhergehende Vertrauensverlust in den Staat enorm sein. Laut Uda Bastians, Beigeordnete und Leiterin des Dezernats Recht und Verwal tung beim Deutschen Städtetag, sind Arbeitsfähigkeit und Ange bote dann massiv eingeschränkt. Bürgerinnen und Bürger könn ten Dienstleistungen nur noch äußerst eingeschränkt nutzen – wenn überhaupt. “Schon jetzt werden staatliche digitale Ange bote teilweise nicht genutzt, weil das Vertrauen in die Sicherheit der digitalen Dienste fehlt.” Hinzu

“T here is no glory in preventi on”, zitierte Stefan Becker, Referatsleiter Cyber-Sicherheit für die Wirtschaft im Bundesamt für Sicherheit in der Informati onstechnik (BSI), auf dem Pub lic-IT-Security-Kongress (PITS) 2022. Dabei sei die Prävention so wichtig und viele würden gar nicht erkennen, wie viel Geld sie damit sparen könnten, er gänzte der IT-Sicherheitsexperte.

Gerade die Schulung von Mit arbeitenden könne Unterneh men und Verwaltung auf lange Sicht viele Sorgen und Kosten ersparen. K onkret ging es in seinen Ausführungen um die Sensibilisierung für Social En gineering – die systematische zwischenmenschliche Beeinflus sung zum Zweck, Informationen zu erhalten Dr. Peter Mayer , Mitarbeiter der Forschungs gruppe: “Security • Usability • Society” des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), ergänzte in diesem Zusammenhang, dass gerade soziale Interaktionen wie einander helfen von Kriminellen ausgenutzt würden. “Daher sind viele IT-Sicherheitsschulungen nicht zielführend, da sie nur die Sicherheit der Software ansprechen und nicht auf das dahinterliegende soziale System eingehen.”

Gamification und Simplification

Dabei sei auch wichtig, wie die Mitarbeitenden für das Thema IT-Sicherheit sensibilisiert wür den, ergänzte Becker. “In dem Moment, in dem man mit dem Oberlehrerfinger kommt”, er läuterte er, “bleiben nicht mehr viel Wissen oder Kompetenzen hängen.” Stattdessen begrüßte er den Ansatz der Gamification, mit dem die Mitarbeitenden be reits nach dreißig Minuten die Mechanismen von Social Engi neering erkennen und auf eigene Situationen übertragen könnten.

Laut Mayer sollte man sich zu dem überlegen, welches Niveau an Expertise man gegenüber Mitarbeitenden kommunizieren wolle, die nicht in der Informa tionstechnik bewandert seien.

Enormer Vertrauensverlust droht

Kommunen im Fadenkreuz von Cyber-Kriminellen

(BS/Matthias Lorenz) Der Tag, an dem der Landkreis Anhalt-Bitterfeld zum Symbol für die Gefahr von Cyber-Angriffen für deutsche Kommunen wurde, ist nun schon weit über ein Jahr her. Trotzdem ist nach der Ransomware-Attacke in der Landkreisverwaltung noch immer “überall Sand im Getriebe”, berichtet Sabine Griebsch, CDO des Landkreises, auf der PITS. Seitdem in Anhalt-Bitterfeld der erste Cyber-Katastrophenfall Deutsch lands ausgerufen wurde, fielen noch mehr Kommunen Angriffen zum Opfer. Die reale Bedrohung sorgt für ein gesteigertes Gefahrenbewusstsein bei den Verantwortlichen.

Hußmann. An dieser Stelle sei man auf externe Partner ange wiesen. Momentan habe man solche Tools noch nicht, wisse allerdings, dass man sie brau che. Hierfür sei jedoch auch die Einsicht der Verwaltungsleitung erforderlich.

kommen andere Auswirkungen wie hohe Schadenssummen oder die Veröffentlichung sensibler Daten.

Aus diesem Grund hält es Hen ning Voß, der im nordrhein-west fälischen Innenministerium zu den Themen Wirtschaftsschutz und Geheimschutz in der Wirt schaft arbeitet, für falsch, wenn schlecht geschützte Kommunen als überschaubares Problem dar gestellt würden. “Die Kommune ist eine tragende Säule der Gesell

schaft”, so Voß Er fordert deswe gen, trotz des Prinzips der kom munalen Selbstverwaltung über eine Grundschutz-Regulierung für Kommunen nachzudenken. “Der Staat sollte sich selbst als Kritische Infrastruktur (KRITIS) einstufen und sich Spielregeln vorschreiben.” Bis jetzt habe man sich den finanziellen Mehrauf wand, der mit solchen Regeln ein herginge, nicht zumuten wollen. Dieser Forderung schließt sich Holger Berens, der Vorstands

vorsitzende des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infra struktur (BSKI), an. “Aus unserer Sicht sind Kommunen KRITIS, weil sie immer die First Line of Defense darstellen.” Schließlich sei en sie meist an vorderster Front mit der Bewältigung von Krisen konfrontiert – seien es Na turkatastrophen, die Pandemie, die Aufnahme von Geflüchteten oder eben Cyber-Angriffe. Unabhängig von einem gesetzli chen Zwang stehen Kommunen jedoch schon heute vor einer Rei he praktischer Herausforderun gen, wenn es um die Umsetzung von IT-Sicherheitsmaßnahmen geht. Der Markt für IT-SecurityFachkräfte ist leergefegt. Darüber hinaus haben gerade kleinere Kommunen oft einfach nicht ge nug Angestellte, um das Thema adäquat bearbeiten zu können. “Wir sind ein kleiner Flächen landkreis, in dem es Kommu nen mit 1.500 Einwohnern und einer Verwaltung mit 20 Mitar beitenden gibt. Dort ist meist niemand hauptamtlich für die IT verantwortlich”, beschreibt der IT-Sicherheitsbeauftragte des Landkreises Marburg-Bieden kopf, Olaf Kirsch, die Situation. Als Landkreis sei man personell besser aufgestellt, trotzdem sei

es neben dem Alltagsgeschäft schwierig, beispielsweise ein voll ständiges Monitoring zu machen. Genau dieses ist aber inzwischen essenziell. “Abwehrmechanismen müssen grundsätzlich auf dem aktuellsten Stand gehalten wer den, weil auch die Angreifer sich weiterentwickeln”, erklärt Henning Voß. Der IT-Sicherheitsbeauf tragte der niedersächsischen Lan deshauptstadt Hannover, Heiko Hußmann, ergänzt: “Heutzutage hat man vielleicht noch ein bis zwei Stunden Reaktionszeit, bevor eine bekannt gewordene Lücke genutzt wird, weil auch Angreifer inzwischen viel Automatisierung und KI einsetzen.” Deswegen habe man mit bestimmten Mitarbeiten den Sondervereinbarungen für den Krisenfall getroffen, damit Überstunden geleistet und auch am Wochenende gearbeitet wer den könne.

Externe Partner benötigt Um darauf zu reagieren, ha ben IT-Sicherheitsfirmen Tech niken wie Security Information and Event Management (SIEM) oder Extended Detection and Response (XDR) entwickelt. “Sol che Dinge können wir selbst mit mehreren 100 Mitarbeitenden in der IT nicht leisten”, konstatiert

Verschiedene Ebenen der IT-Sicherheit

Nur weil es Compliance gibt, wird nicht sicher gehandelt! (BS/Malin Jacobson) Wie die ärztliche Vorsorge kann ein regelmäßiger Check-up der eigenen Sicherheitsinfrastruktur ganze Existenzen retten. Wie beim Arzt sollte man sich nicht schämen, Probleme anzusprechen – nur dann kann geholfen werden. Und wie beim Arzt bedarf es einer Nachsorge, sprich einer regelmäßigen Schulung aller Mitarbeitenden und Updates aller Technologien.

und progressiv mit dem Thema umzugehen, ist fahrlässig!”

Unternehmenskultur ist ausschlaggebend Neben der Prävention brauche es aber auch einen besseren Umgang mit Gefahrensituati onen durch Cyber-Angriffe im Allgemeinen, waren sich die Teil nehmenden der Expertenrunde

“Der Mensch als Sicherheitslü cke – Social Engineering” auf der PITS einig. “Es braucht überall Pl akate mit Notfallnummern – ähnlich den Hinweisen zum Verhalten im Brandfall – wo man anrufen kann und nicht abge mahnt wird, wenn man doch mal auf die Malware geklickt hat”, forderte Becker und ergänzte: “Moderne, fortschrittliche Feh lerkulturen sind da erforderlich.” Des Weiteren müssten die Mit arbeitenden sich Zeit nehmen können, um die Maileingänge zu hinterfragen und gegebenenfalls Rücksprache mit Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten zu halten, meinte der Mitarbeiter der Forschungsgruppe Security • Usability • Society. “Denn dann zeigen sich die Mitarbeitenden untereinander gut gemachte und diverse Schadmails und schulen sich so gegenseitig.”

Der Mensch wird häufig als schwächstes Glied in der IT-Sicherheit bezeichnet.

keiten, dieses Risiko abzuschwächen?

E s sei fü r Verwaltungs- oder Unternehmensmitarbeitende nicht relevant, ob sie von einem Trojaner oder Virus angegriffen würden. Es als “Schadsoftware” zu bezeichnen, reiche vollkom men aus.

Man müsse generell mehr an den Endnutzer denken, betonte der KIT-Mitarbeiter und stellte fest: “Die Technik ist nicht mit

dem Fokus auf den Menschen gebaut, der sie benutzen soll, sondern für die Sicherheitslü cke.” Ein Beispiel seien komplexe Passwörter, die sich kein Mensch merken könne, weswegen viele eben doch auf Namen und Ge burtsdaten zurückgriffen – wel che sich sehr leicht im Gespräch erfragen ließen. “So entstehen unsichere Praktiken, weil sie

nicht auf die Mitarbeitenden und deren Workflows abgestimmt sind”, erklärte Mayer . Gerade Crudentials, also Passwörter, in Erfahrung zu bringen, sei nach wie vor eine sehr gängige Me thode von Kriminellen, um sich virtuell Zutritt zu Unternehmen zu verschaffen, betonte auch der BSI-Mitarbeitende. “Das heut zutage nicht mehr zu beachten

Über die Relevanz von Vorsor ge und geschulter Reaktion bei Cyber-Angriffen waren sich auch die Teilnehmenden der Exper tenrunde “Notfallteams im Ein satz – CERT hilft CERT” einig. Michael Dwucet Referatsleiter CERT-Bund, Vorfallsbearbeitung und Verbindungsstelle Nationa les Cyber-Abwehrzentrum des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), stellte in diesem Zusammen hang fest: “Wir können nicht bei jeder Bundesverwaltung die

Vertreter eines solchen externen Partners, welcher vollständige Monitoring-Lösungen auch für staatliche Stellen anbietet, ist Danial Kamran. Er arbeitet bei der Firma Sophos als Managed Threat Response Specialist. Gerade im öffentlichen Sektor beobachtet der IT-Sicherheitsspezialist immer wieder Verhaltensweisen, die da von zeugen, dass das Bewusstsein für die Gefahr von Cyber-Angriffen und das richtige Verhalten bei ei ner Attacke noch nicht flächende ckend verankert sind. “Es ist Fakt, dass viele Stellen freitags um 16 Uhr dichtmachen, selbst wenn es einen Sicherheitsvorfall gibt.” Dann würden entgegen der Emp fehlungen Systeme ausgeschaltet, anstatt nur das Netzwerk herun terzufahren. Systeme müssten zwingend angeschaltet bleiben, um wichtige Daten analysieren zu können. Wenn die Reaktion schließlich nach dem Wochenen de erfolge, sei es zu spät.

Die Frage, ob man auch im Landkreis Anhalt-Bitterfeld vor dem Angriff zu nachlässig agiert habe, verneint Sabine Griebsch Vielmehr seien viele Faktoren zusammengekommen. So sei die IT-Infrastruktur gezwungen gewesen, Zugeständnisse an die Organisation und die Abläufe zu machen. Griebsch verspricht: “Das passiert heute nicht mehr. Hier hilft der Angriff in der Argu mentation

komplette Incident Response übernehmen.” Auch im Ernstfall müssten die Zuständigen vor Ort selbstständig handeln und gegebenenfalls, beispielsweise bei Angriffen auf Netzwerkgeräte wie Router, selbst ungewöhnli che Wege finden, wieder Zugang zum System zu bekommen. “Wir haben vor allem die Rolle der Unterstützung”, betonte er. Und Volker Presse, Chief Information Security Officer beim Auswärti gen Amt, erklärte: “Bei spezifi schen Angriffen mit spezifischen Geräten oder Systemen, kann man nicht die gesamte Expertise vorhalten, weil der Angriff immer etwas anderes ist.”

Um dennoch flexible Hilfestel lung bieten zu können, habe das BSI einzelne Unternehmen wei tergebildet und zertifiziert, die im Ernstfall angefragt werden könn ten, erzählte Dwucet. Er gab aber auch zu bedenken, dass es im Fall eines Angriffs schon zu spät sein könnte, Kontakt zu Sicher heitsdienstleistern aufzunehmen, da diese oft schon ausgelastet seien – es sei daher wichtig, vor zusorgen und sich frühzeitig um Kontakt zu bemühen. “Nicht alle Sicherheitsabteilungen passen in CERT-Verbünde, aber ab ei ner gewissen Größe sollte man sich mit anderen Unternehmen und regional vernetzen.” Und abschließend erklärte der BSIReferatsleiter: “Für den Einstieg empfehle SIM3, da gibt es über sichtliche und eindrückliche rotgelb-grüne Grafiken.” Sandra Balz, Leitung des Be reichs Mittelstand bei Deutsch land sicher im Netz, gab im Rah men der Expertenrunde zu Social Engineering zu bedenken, dass es nicht reiche, wenn die Füh rungsebenen in Verwaltungen und Unternehmen sich lediglich auf Guidelines verließen und das Thema IT-Sicherheit vollkommen in die Hände der Mitarbeitenden gäben. Oder in Mayers Worten: “Mehr Menschen müssen den Unterschied zwischen Security durch Compliance und Security durch Kultur verstehen – nur weil es Compliance gibt, wird nicht sicher gehandelt!”

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 38 PITS
sehr weiter.”
Der Landkreis Anhalt-Bitterfeld habe immer noch mit den Folgen des Cyber-Angriffs aus dem Sommer 2021 zu kämpfen, so CDO Sabine Griebsch. Foto: BS/Trenkel
Aber stimmt das und gäbe es Möglich
Foto: BS/geralt, pixabay.com

Seit der Industrialisierung ha ben Maschinen systematisch Arbeitsaufgaben übernommen.

Über die maschinelle Webma schine, elektronisch gesteuerte Produktionsstraßen bis hin zur Digitalisierung lässt sich dieser Prozess bis in die Gegenwart nachzeichnen. “Der nächste Transformationsschritt in die ser Dynamik ist die sogenannte “Cyberisierung”, also die unmit telbare Kommunikation zwischen Mensch und Maschine”, prognos tiziert Prof. Dr. Jivka Ovtcharova, Institutsleiterin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Weil die Globalisierung nicht zu kunftsfähig sei, müsse man die globale Wirtschaft in intelligen te regionale Wirtschaften trans formieren. Eine entscheidende Rolle in diesem Prozess komme KI zu. Ein Themenfeld, über das jedoch viele falsche Vorstellun gen kursieren. Diese reichen von Dystopien bis hin zu Heilsvorstel lungen. Solche eindimensionalen Schwarz-Weiß-Bilder lässt Ovtcharova jedoch nicht gelten. KI sei ein von Menschen gemachtes Tool, das es korrekt einzusetzen gelte. Denn digitale Bildung be deute Befähigung: “Es gilt sich zu fragen, was kann ich als Mensch zur KI beitragen, damit sie mich unterstützt?” Statt schlicht Pro zesse durch die KI bearbeiten zu lassen, liege das große Potenzial der Technik darin, völlig neue Einsatzfelder aufzutun. Um dies zu verdeutlichen, bedient sich die Professorin einer Analogie. Wäh rend bei der Digitalisierung des technischen Zeichnens zunächst dem Tuschestift lediglich ein di gitales Pendant entgegengestellt wurde, schöpfte erst ein völlig neuer Ansatz, eine unmittelbare, dreidimensionale Konstruktions plattform, das Potenzial digitalen technischen Zeichnens voll aus. Auch beim Einsatz des Werk zeugs KI müssten solche neuen Wege eingeschlagen werden. Eine voraussetzungsvolle Erkennt nis, denn um KI in die Prozesse

Darauf wies Dr. Simon Vogt, Abteilungsleiter bei der “Agentur für Innovation in der Cybersicherheit” hin. Erhebliche Schwierigkeiten sieht auch der Präsident des Cyber-Sicherheits rates Deutschland, Hans-Wilhelm Dünn. Ex-CIO Alkassar forderte dort zudem eine stärkere Zentra lisierung der Gefahrenabwehr im Cyber-Raum auf Bundesebene.

Auch brauche es neue Ansätze im Beschaffungs- und Vergabe bereich.

F ü r Letzteres erhielt er Zu spruch von Dr. Claudia Warken. Die Vizepräsidentin der “Cy bersicherheitsagentur BadenWürttemberg” (CSBW) verlang te zudem, die Vernetzung aller Akteure im Kampf gegen Cyber Crime zu verbessern. Dies gel te auch in den Beziehungen zu Unternehmen und Hochschulen. Hier sei der Austausch sehr wich tig. “Vertrauen ist der Türöffner”, so Warken, die Cyber-Sicherheit als kontinuierlichen Prozess be trachtet.

Christine Schönig, Regional Di rector Security Engineering CER bei Check Point Software Tech nologies, warnte vor dem großen Dunkelfeld im Bereich der Cyber Security. Hier würden die Gefah ren noch zu oft unterschätzt. Und das, obwohl die Angreifenden in zwischen äußerst globalisiert und professionell agierten. Hier gebe es bereits unternehmensähnliche Strukturen. Auch würden im digitalen Raum schon Stellver treterkriege geführt. Diese seien nicht mehr finanziell, sondern politisch-ideologisch motiviert. Oberst Tim Zahn, Kommandeur des Zentrums für Cyber-Sicher heit der Bundeswehr, sieht die Truppe derweil mit Blick auf die Absicherung gegen Attacken aus dem Digitalen gut aufgestellt. Selbstverständlich könne man

Computerhirne für Behörden

Ist KI in der Verwaltung eine Chance oder Herausforderung?

(BS/Jonas Brandstetter) Mit Künstlicher Intelligenz (KI) in der öffentlichen Verwaltung sind viele Hoffnungen, aber auch Ängste verbunden. Ein nüchterner Blick auf den Themenkomplex offenbart jedoch: Anwendungsfelder für KI in der öffentlichen Verwaltung sind noch nicht klar umrissen. Zunächst müssen Handlungsparadigmen definiert und Sicherheitsaspekte abgewogen werden.

Entwicklung potenzieller Tools angewiesen”, konstatiert Schmidt im Hinblick auf diesen Mangel. Der Zeitplan des BSI sieht des halb die Entwicklung entspre chender Tools in den nächsten fünf Jahren vor. Durch Koope rationen im Anwendungsbereich sollen Methoden zur Qualitäts prüfung für die verschiedenen Kriterien erprobt werden. Die auf diese Weise gesammelten Er fahrungen gelte es zu generellen Lösungen zu verallgemeinern. Es wäre allerdings verkürzt, davon auszugehen, dass eine allgemeine Zertifizierung mit universeller Einsetzbarkeit einhergehe. Ne ben der operativen Prüfung der Angemessenhei t einer spezifi schen KI-Lösung, müsse auch die Sicherheitsstufe des Systems im Anwendungsfall bedacht wer den. Vollständige Sicherheit und Fehlerlosigkeit seien illusorisch.

der Digitalisierung aufholen. Um KI gewinnbringend einzu setzen, müsse man sich zu nächst über die Prozesse selbst und die vorhandenen Ressour cen Gedanken machen. Durch KI ließen sich Probleme nicht überbrücken. Remy stellt sich deshalb die Frage, wann KI in der öffentlichen Verwaltung überhaupt sinnvoll genutzt wer den kann. “KI ist immer dann u msetzbar, wen n man sie in Prozesse einbetten kann, wenn sie Entscheidungen vorbereiten und unterstützen kann. Da ten durchforschen und Kunden akquirieren ist hingegen kein Anwendungsfall für Behörden.” Ein weiterer denkbarer Nut

zungsbereich – die Evaluierung von Prozessen – gehöre bereits zur gängigen Praxis in der öf fentlichen Verwaltung. Ob KI in di esem Prozess einen Beitrag leisten könne, sei abhängig von der Akzeptanz in der Bevölke rung. Zusätzlich gehen mit der Einführung KI-gestützterProzesse auch weitreichende operative Veränderung einher. Um einen Prozess für den Ein satz von KI urbar zu machen, bedarf es eines gewissen Bear beitungsvolumens. “Für fünf Ant r äge im Jahr lohnt sich KI nicht”, macht der Experte deutlich. Zudem müssten Pro zesse zentralisiert werden. Hät ten Bearbeitungsparadigmen früher noch im Ermessen der jeweiligen Sachbearbeitenden gelegen, müssten für die KI zen trale Handlungsanweisungen be r eitstehen. Remy plädiert deshalb dafür, Souveränität zu wahren und KI als Werkzeug zu sehen und nüchtern, mit klarem Blick, Chancen und Risiken zu beurteilen.

einzubinden oder diese sogar zu transformieren, muss zuerst eine genaue Beschreibung besagter Prozesse vorliegen.

Sicherheitsfragen noch ungeklärt

Welche KI-Systeme in welchem Kontext das richtige und sichere Werkzeug sind, damit befasst sich unter anderem das Bun desministerium für Sicherheit der Informationstechnik (BSI).

Insbesondere das Referat für Künstliche Intelligenz unter der Leitung Dr. Arthur Schmidts ist mit dieser Aufgabe betraut. Ei nes der zentralen Anliegen des Referats ist die Entwicklung von Kriterien zur Bewertung der Si cherheit von KI-Cloud-Systemen.

Mi t dem Artificial Intelligence Cloud Service Compliance Cri teria Catalogue (AIC4) hat das BSI einen ersten Operationali sierungsansatz entworfen. Nach den Kri t erien Sicherheit und Robustheit, Performance und Funktionalität, Zuverlässigkeit, Datenqualität, Datenmanage ment, Erklärbarkeit sowie Bias unterscheidet der AIC4 sichere von unsicheren KI-Cloud-Syste men. Offen bleibt allerdings die Frage, wie man die verschiedenen Kriterien überprüft. Während für das Kriterium Sicherheit bereits ein Tool zur Verfügung steht, existieren für Themenfelder wie Verlässlichkeit noch keine hin reichenden Messkriterien. “Wir sind auf die Wissenschaft bei der

Auch sei Nachvollziehbar- und Begründbarkeit in bestimmten Aufgabenfeldern der öffentli chen Verwaltung unabdinglich. Besonders in solchen, in denen Ermessen ein Faktor im Ent scheidungsprozess sei. Mit dem Bewusstsein um die Kontextab hängigkeit des KI-Einsatzes müs se man sich auch die Frage nach der Verantwortlichkeit stellen. Auch eine gewisse gesellschaftli che Akzeptanz für Risiken müsse der Einführung von KI-Systemen in der öffentlichen Verwaltung vorausgehen.

Kein Allheilmittel

Dr. Jan Remy ist CISO des Frei staates Bayern. Er möchte mit der Vorstellung aufräumen, KI könne verschlafene Prozesse in

Hohe Anfälligkeit

Cyber Security als ungelöstes Problem

(BS/Marco Feldmann) Das Problem der Cyber-Sicherheit sei hierzulande immer noch nicht gelöst. Aus diesem Grunde gebe es auch weiterhin keine resiliente Cyber-Sicherheitsinfrastruktur in Deutschland. Darauf machte der ehemalige Chief Information Officer (CIO) des Saarlandes, Ammar Alkassar, aufmerksam. Ein weiteres Problem sei die Anfälligkeit Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) für Angriffe aus dem digitalen Raum.

hier noch besser werden. Dafür setzt er auch große Hoffnungen in die Arbeit der “Agentur für In novation in der Cybersicherheit”.

Es bleibt viel zu tun Nicht nur im Cyber-Sicher heitsbereich gibt es noch viel zu tun. Auch beim Datenschutz existieren zahlreiche Herausfor derungen. Dazu gehört u. a. die Abwägung zwischen einer gro ßen Datenlage einerseits und der Wahrung und Erfüllung von Grundrechten andererseits. Hier müsse die Interessensabwägung in Zukunft anders erfolgen als

bislang, fordert Prof. Dr. Dirk Heckmann, Inhaber des Lehr stuhls für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der Tech nischen Universität München.

Aus seiner Sicht sollten daten schutzrechtliche Bedenken ge gebenenfalls zurückstehen, um andere Grundrechte (z. B. jenes auf Bildung oder auf körperliche Unversehrtheit) durchzusetzen.

Dafür seien z. B. eine smarte Datennutzung sowie ein gutes Datenmanagement notwendig, so der Hochschullehrer. Denn Datennutzung sei wichtig und Datenschutz nicht schuld an

der fehlenden Digitalisierung in Deutschland.

Auch der Datenschutz sei kein Verhinderer der Digitalisierung, sondern zwingende Vorausset zung für sie, unterstrich die nie dersächsische Datenschutzbeauf tragte Barbara Thiel. Vielmehr sei der Datenschutz erforderlich, um Vertrauen gegenüber politischen Entscheidungen innerhalb der Bevölkerung aufzubauen. Aus Thiels Sicht dürfte grundrechts relevante Abwägungen von der Politik nicht auf die Datenschutz aufsichtsbehörden, die zu oft stigmatisiert würden, abgewälzt

werden. Hier dürften sich Politi kerinnen und Politiker nicht aus der Verantwortung stehlen. Thiel kritisierte, dass die Abwä gung zwischen den Schutzgütern Freiheit und Sicherheit zu oft in Richtung Sicherheit erfolge. Dies erschwere die Arbeit der Daten schutzaufsichtsbehörden massiv. Denn hier hätten ihre Amtskol leginnen und -kollegen und sie deutlich weniger Befugnisse als in den übrigen Kontrollbereichen. Lob erhielt die Datenschutzbeauftrag te Niedersachsens vom CEO des Unternehmens Comcrypto, Georg Nestmann. Die Datenschutzauf

sichtsbehörden seien – wenn sie ein aktives Amtsverständnis hätten – durchaus Antreiber der Digita lisierung im Öffentlichen Dienst. Denn hier fehle in zahlreichen Be hörden noch das entsprechende Bewusstsein für die Vorteile der Digitalisierung. Aus Nestmanns Sicht ist ein gewisser Mut zu Prag matismus erforderlich – sowohl bei den Aufsichtsbehörden als auch bei den Anwenderinnen und An wendern. Außerdem müssten Lö sungen maximal nutzerfreundlich und leicht bedienbar sein, war er sich mit Stefan Klein, CEO von Seppmail Deutschland, und dem Country Manager von Tixeo, Va lentin Boussin, einig. Sensibilität für Fragen der IT-Sicherheit sowie die Verschlüsselung von E-Mails entstünden oft erst nach einem Schadensfall, schloss der Chief Operation Officer von FTAPI, Ari Albertini

Seite 39Behörden Spiegel / Oktober 2022 PITS
Für Prof. Dr. Jivka Ovtcharova, Institutsleiterin am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), ist KI ein hochkomplexes Werkzeug, das es richtig einzu setzen gilt. Foto: BS/Karlsruher Institut für Technologie Dr. Claudia Warken, Vizepräsidentin der CSBW, verlangte auf der PITS eine verstärkte Einbindung von Hochschulen und Unternehmen in den Kampf gegen Cyber Crime. Foto: BS/Trenkel Die Panelteilnehmer diskutierten zusammen mit den Zuschauenden das Balanceverhältnis zwischen Datenschutz und IT-Sicherheit. Foto: BS/Trenkel Dr. Jan Remy und Dr. Arthur Schmidt diskutieren im Rahmen der Public-ITSecurity-Konferenz, wie KI in Behörden gewinnbringend eingesetzt werden können. Fotos: BS/Trenkel

Die Gefahr von Angriffen auf die deutsche Verwaltung oder Kritische Infrastruktur aus dem Cyber-Raum hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Attacken auf die digitale Verwaltungsinfrastruktur, wie zum Beispiel in Falle Anhalt-Bitterfeld, haben gezeigt, dass Sicherheitslücken in der deutschen CyberAbwehr leicht ausgenutzt werden konnten. Als Konsequenz daraus ergab sich, dass die digitale Infrastruktur des Landkreises fast komplett lahmgelegt wurde und Verwaltungsprozesse immer noch gestört sind.

Fehler wurden begangen Auch wenn die Angriffe meist überraschend kommen, so sind sie dennoch nicht unabwehrbar.

Dr. Dirk Häger, Abteilungsleiter Operative Cyber-Sicherheit des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), räumt während einer Expertenrunde zum Thema “Cyber-De-

Gemeinsam stark sein

kann sich Deutschland gegen Attacken aus dem Cyber-Raum schützen?

fence” auf der PITS Fehler ein. “Wir haben die Gefahr, welche von Ransomware-Angriffen ausgeht, unterschätzt, beziehungsweise übersehen”, so Häger. Aus diesen Gründen sei erst sehr spät reagiert worden. Es sei nun aber an der Zeit für die Behörden, mehr miteinander zu kooperieren und sich besser untereinander zu vernetzten, damit es nicht noch mehr Opfer gebe, so Häger weiter. “Wenn die Bösen sich untereinander austauschen, dann müssen die Guten dasselbe tun. Ziel muss es sein, dass Cyber-Kriminalität sich einfach finanziell nicht mehr lohnt!” Es

müsse jedoch schnell gehandelt werden, sagt Häger, da sonst die Gefahr eines Vertrauensverlusts der Bürgerinnen und Bürger in die deutschen Behörden steige.

Die Hacker von heute

Eine Frage, die sich in diesem Kontext natürlich stellt, ist, wer diejenigen sind, die sich in die digitale Infrastruktur einer Behörde oder eines Wirtschaftsunternehmens hacken. “Der typische Hacker von heute ist männlich und etwa 30 Jahre alt”, erklärt Max Tarantik, welcher im Business Development der Firma Enginsight tätig ist.

Interessant sei jedoch, dass im Gegensatz zu anderen Kriminellen, Hacker meist aus guten sozialen Verhältnissen stammen würden. Tarantik sieht das Problem darin, dass junge Menschen nicht frühzeitig für die Problematik sensibilisiert werden. Schon in der Schule müsse Cyber-Sicherheit gelehrt werden, so Tarantik weiter.

Kriminell oder kriegerisch?

Was passiert nun, wenn es sich bei dem Angreifer um einen staatlichen Akteur handelt? Auch für staatliche Hacker sei die deutsche Verwaltungsinfrastruktur sehr attraktiv. “Vor allem das Auswärtige Amt ist ein sehr attraktives Ziel für Hacker”, erklärt Dr. Regina Grienberger, Beauftragte für Cyberaußenund Cybersicherheitspolitik des Auswärtigen Amtes. Hier

sei es natürlich wichtig schnell zu erkennen, ob es sich bei dem Angreifer um eine Privatperson mit kriminellem Hintergrund oder um einen staatlich unterstützten Akteur handle, sagte Dr. Grienberger. Ein Hinweis auf einen staatlichen Akteur könne die Größe und das Ausmaß des Angriffs sein. “Ab einer gewissen Größenordnung kann es sich nur um einen staatlichen Akteur handeln, da die benötigte Finanzierung und Infrastruktur sich für einen Kriminellen einfach nicht mehr lohnt”, so Matthias Mielimonka, Chef-Koordinator des Nationalen Cyber-Abwehrzentrums. Mielimonka sieht vor allem durch Spionage- und Sabotageakte eine große Gefahr für die Wirtschafts- und Verwaltungsinfrastruktur in Deutschland. Er wünsche sich, dass Cyber-Sicherheit nicht national,

sondern auch international gedacht werde. “Das Motto der Cyber-Sicherheit lautet Kooperation, Kooperation, Kooperation”, betonte Mielimonka. Oberst i.G. Lars Ebinger, Gruppenleiter CIT I 1 im Bundesministerium der Verteidigung, sieht jedoch noch ein weiteres Problem: Momentan sei nicht fest defi niert, wann es sich um einen kriminellen Akt und wann es sich um einen kriegerischen Angriff handle. “Auch im Cyber-Raum müssen feste Grenzen definiert werden”, so Ebinger.

Blick in die Zukunft

In einem Punkt sind die Experten sich jedoch einig: Um Deutschland effektiv vor Angriffen aus dem Cyber-Raum zu schützen, braucht es eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. “Wir brauchen die richtigen Werkzeuge, um Angriffe rechtzeitig zu erkennen. Das bedeutet vor allem eine bessere Ausbildung von Fachkräften”, so Aris Koios, Technology Strategist der Firma Crowdstrike. Koios betonte, nur gemeinsam könne ein effektiver Schutz gewährleistet werden.

Wir müssen es habitualisieren

Wie die digitale Selbstverteidigung gestärkt werden kann (BS/jf) Phishing-Angriffe zählen zu den größten Übeln der IT-Sicherheit. Denn nach wie vor erfolgen neun von zehn Cyberangriffen über die Beschäftigten. Doch wie kann das Sicherheitsbewusstsein und das Wissen um diese Angriffe vermehrt und verstetigt werden?

“Tagtäglich werden 3,4 Milliarden Phishing-Mails versendet”, berichtet Amin Motalebi, Awareness Spezialist bei SoSafe. Zwar kämen nur 18 Prozent letztlich beim Adressaten an, doch sind dies immer noch rund 600 Millionen Mails, die sämtliche Spamfilter überwinden würden. Jede Zweite werde geöffnet. “Das sind 300 Millionen potenzielle Infizierungen”, rechnet Motalebi vor. Die durchschnittliche Klickrate beim Öffnen der Anhänge liege bei über 28 Prozent [rund 84 Millionen Infizierungen; Anmerkung der Redaktion] . In 74 Prozent dieser Fälle würden die Beschäftigten auf falsche Login-Seiten weitergeleitet werden, auf denen persönliche Daten, Benutzernamen und Passwörter abgegriffen werden.

Technik hat uns evolutionär überholt

“Warum ist das so einfach?”, fragt der Awarness-Spezialist und gibt selbst die Antwort: “Weil wir Menschen sind.” Wir seien neugierige, soziale und hilfsbereite Wesen und das sei gut. Das Problem liege darin, dass die Technik uns evolutionär überholt und abgehängt habe. Doch auf die menschliche Neu-

gierde sei weiterhin Verlass. Deshalb würden Phishing-Mails immer wieder erfolgreich sein.

Und: Die Nutzer dieser Attacken würden immer professioneller.

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde eine Phishing-Mail über einen Account der World Health Organisation (WHO) versendet.

Die Klickrate habe bei über 75 Prozent gelegen.

Und die Angriffe seien sehr leicht. “Einer unserer IT-Techniker hat eine Phishing-Mail innerhalb von drei Minuten erstellt”, berichtet Motalebi. Die Klickrate lag bei 50 Prozent. “Bei den üblichen Lösegeldforderungen ist das ein sehr, sehr guter Stundenlohn.”

Es muss zur Gewohnheit werden

Das Problem ist erkannt. Laut einer Umfrage haben 57 Prozent der befragten Organisationen aus Wirtschaft und Verwaltung ihre Awareness-Maßnahmen erhöht. Weitere 40 Prozent würden den bisherigen Status quo halten. Zu den Maßnahmen zählen klassische Kommunikationsprogramme wie Plakate und Rundschreiben, öffentliche Formate und Webinare. “Aber die tägliche Umsetzung von

Wissen in Handeln bleibt ein Problem”, so der Experte von SoSafe. Motalebi rät deshalb zum täglichen Training. Awareness müsse zur Gewohnheit werden. Das könne jeder üben. Zum Beispiel indem bei jeder Email die Absenderadresse genau gelesen werde.

Backups allein reichen bei Tier-1-Applikationen nicht aus

Die allgegenwärtige Gefahr von Cyber-Attacken fordert Unternehmen heraus, die Widerstandsfähig keit ihrer IT massiv zu erhöhen. Während viele Backup-Produkte bei eher unkritischen Applikationen einen zufriedenstellenden Schutz bieten können, scheitern sie bei kritischen Tier-1 Applikationen. Zum einen sind mit periodischen Backups Datenverluste von mehreren Stunden bis Tagen im Rahmen der Backup-Intervalle

kann

Silo-Perspektive

konsistente

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 40 PITS
Wie
(BS/Tim Rotthaus) Was passiert eigentlich, wenn Deutschland aus dem Cyber-Raum angegriffen wird? Handelt es sich um einen kriminellen oder kriegerischen Angriff und wie lassen sich diese Angriffe effektiv abwehren? Auf der diesjährigen Public-IT-Security (PITS) Konferenz des
Behörden
Spiegel wurden neben diesen Fragen auch weitere Möglichkeiten der deutschen
Cyber-Abwehr
in
Expertenrunden diskutiert.
“Kooperation, Kooperation,
Kooperation!“.
In der Expertenrunde “Cyber
Defence und ihre Möglichkeiten gegen At-
tacken von Außen” sind sich die Experten einig, dass Deutschland nur durch
bessere Zusammenarbeit effektiv geschützt werde kann. V.l.n.r. Max Tarantik, Aris Koios, Matthias Mielimonka, Dr. Regiene Grienberger, Katharina Sook Hee Koch, Dr. Dirk Häger, Oberst i.G. Lars Ebinger Foto: BS/Boris Trenkel
vorprogrammiert, zum anderen haben traditionelle Backups eine
auf die einzelnen Workloads, anstatt einem Blick auf die gesamte Applikation. So
die
Wiederherstellung aller kritischen Anwendungen oftmals Tage oder Wochen andauern. Für kritische IT-Services, bei denen Datenverlust und Downtime einen großen Schaden anrichten können, ist es somit unausweichlich, traditionelle Backup-Strategien um Continuous Data Protection (CDP) und eine Wiederherstellungsansatz mit Applikationsbezug zu ergänzen. www.zerto.com 24/7 Sicherheit als Komplett-Service Der flexible MDR-Service von Sophos 24/7 Managed Detection and Response: Proaktives Erkennen und sofortige Bekämpfung von Bedrohungen durch ein Expertenteam, als Fully-Managed-Service. Sophos Managed Detection & Response Mehr erfahren unter: sophos.de/mdr Forescout Continuum Platform Die Cybersicherheitsplattform, die alle IT-, IoT-, IoMT- und OT-Ressourcen erkennt, bewertet und verwaltet, vom Campus über das Rechenzentrum und Edge bis zur Cloud. www.forescout.com Forescout Unternehmensübersicht Stefan Grawe Public Sector Account Director Stefan.Grawe@Forescout.com
“Bei den üblichen Lösegeldforderungen ist das ein sehr, sehr guter Stundenlohn”, sagt Amin Motalebi über die Gründe, warum PhishingAngriffe nach wie vor erfolgen. Foto: BS/Trenkel

“Cyber-Sicherheit ist und

bleibt die Achillesferse un serer Informationsgesellschaft” stellt Manuel Höferlin fest und da widerspricht keiner dem Bun destagsabgeordneten der FDP.

Dass eine leicht angreifbare IT ein Unternehmen oder eine Be hörde über Monate lahmlegen kann, wissen mittlerweile alle. Dennoch hat der Verein Deutsch land sicher im Netz e.V. (DsiN) in einer repräsentativen Umfrage herausgefunden, dass Wissen und Handeln in diesem Bereich weit auseinandergehen.

Prävention Fehlanzeige

In der Praxis haben vor allem die kleinen und mittleren Unter nehmen (KMU) Schwierigkeiten mi t der Implementierung von Cyber-Sicherheitsmaßnahmen. Manuel Bach ist Referatsleiter für Cyber-Sicherheit für kleine und mittlere Unternehmen beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Als es im letzten Jahr Schwachstellen bei Microsoft Exchange-Servern gab, schrieb sein Referat alle Betroffenen an. “ Trotz Anschrei bens mit Bundesadler dauerte e s sehr lange, bis die Lücken gepatcht waren”, berichtet Bach. Rund 20.000 Unternehmen hät ten damals seit einem Jahr keine Updates mehr eingespielt.

So brauch‘ ich Gesetz

Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gesetz. Was die Un ternehmen (und auch Verwaltun gen) nicht freiwillig umsetzen, macht ihnen der EU-Gesetzgeber jetzt zur Pflicht. So erweitert

NIS2 den Kreis derjenigen Un ternehmen und Behörden, die als Kritische Infrastruktur (KRITIS) gelten und deshalb besondere Cyber-Sicherheitsauflagen er füllen müssen. Zur klassischen KRITIS kommen der Telekommu nikationssektor, Betreiber von Social Media sowie die Siedlungs-

Und bist du nicht willig, so brauch‘ ich Gesetz

Zwei Gesetzesvorhaben der EU für mehr Cyber-Resilienz

(BS/Benjamin Hilbricht) Zwei regulatorische Maßnahmen der Europäischen Union (EU) sollen mehr Cyber-Sicherheit und -Resilienz in die Fläche bringen. Mit der Neuauflage der Netzwerk- und Informationssicherheitsdirektive (NIS2) und dem Cyber Resilience Act (CRA) will die Kommission rechtliche Fakten schaffen.

tet Bürokratieexzesse

Damit kommt die EU dem deutschen Gesetzgeber zuvor.

fordert,

abfallentsorgung hinzu. Auch werden Meldepflichten ver schärft. Laut Entwurf sollen Unternehmen, die sich nicht an die Auflagen halten, entweder bis zu zehn Millionen Euro zah len oder bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Je nachdem, welche Summe höher liegt.

Dagegen richtet sich der CRA an IT-Hersteller. Er schreibt vor, dass Internet- und vernetzungs fähige Hard- und Softwarepro dukte neue, strenge Auflagen erfüllen. Security by design wird zur Pflicht. Solange die Produkte halten, müssen die Hersteller ein Schwachstellenmanagement führen und schnell Patches zur Verfügung stellen, wenn Sicher heitslücken bekannt werden.

Unter Androhung empfindlicher Strafen: Mit bis zu 15 Millionen Euro Bußgeld oder 2,5 Prozent des Jahresumsatzes will die Eu ropäische Kommission Verstöße ahnden. Am Ende soll der höhere Betrag gezahlt werden. Dabei will die EU alle Teile der Lieferkette in die Pflicht nehmen.

“Man muss sich eigentlich fra gen, warum es das erst jetzt gibt”, kommentiert Johann Saat hoff (SPD). Der Bundestagsabge ordnete und Parlamentarische S taatssek retär im Bundesmi nisterium des Innern und für Heimat (BMI) begrüßt insbe sondere, dass nun auch für Teile d er öffentlichen Verwal tung Mindestanforderungen an Cyber-Sicherheitsmaßnahmen gelten sollen. Des Weiteren sei die gesetzliche Verpflichtung zu

die

Behörden

der Deutschen

e.V.

vor die Wand zu fahren”, sagt der Innenpolitische Sprecher der Liberalen. Wer elementare Cyber-Sicherheitsmaßnahmen wie sichere Passwörter, abge schlossene Server-Räume und Backups nicht umsetze, müsse die wirtschaftlichen Folgen eines Angriffs tragen.

Aber er hat noch andere Be denken. “Ich habe schon immer kritisiert, dass diese Gesetze ha uptsächlich Meldepflichten für betroffene KRITIS-Unterneh men beinhalten”, erklärt Höferlin weiter. “Es muss noch einen Rückkanal zur Information ge ben”, fordert er. Auch die CyberSicherheitsbehörden sollten die Unternehmen umfassend über Bedrohungen informieren. Damit greift er eine wichtige Forderung der Industrie auf.

BDI fordert mehr Informationen

NIS2 folge. Die Richtlinie sieht zw ei bis drei Meldungen pro Vorfall vor. Darunter fällt eine Initialmeldung binnen eines Ta ges nach dem Vorfall und eine ausführliche Meldung im Laufe eines Monats. Die Verwaltung müsse hier “niedrigschwellige Meldemöglichkeiten schaffen”, fordert Klein.

NIS2 statt UBI2

Kay Tidten hat für das Bun desministerium des Innern und f ür Heimat (BMI) an der NIS2-Richtlinie mitverhandelt. Laut Tidten folgt die Wirtschaft EU-Gesetzgebungsprozessen nicht so aufmerksam wie der innerdeutschen Gesetzgebung. Deshalb habe sich die Industrie auch in der ersten Phase der Verhandlungen nicht so sehr in die Richtlinie eingebracht. Aber jetzt könne sie ihre Vorschläge machen.

Der Versuch, den Kreis der Unternehmen zu erweitern, die besondere Cyber-Sicherheitsauf lagen erfüllen müssen, ist nicht neu. Im IT-Sicherheitsgesetz 2.0 führte der Gesetzgeber die Kate gorie der “Unternehmen im be sonderen öffentlichen Interesse” (UBI) ein. “Mit NIS2 werden wir eine Vielzahl der Unternehmen erreichen, die wir mit UBI2 er reichen wollten”, schätzt Tid ten. UBI2 sind Unternehmen, die eine besondere Rolle in der Wertschöpf ungskette spielen. Wer genau darunter fällt, sollte ebenfalls in diesem Jahr definiert werden.

Mit der NIS2-Direktive

Cyber Resilience Act

nimmt die EU die Kritische

Security by design, wie die CRA sie vorsieht, ein Fortschritt. Dagegen steht Höferlin dem Projekt NIS2 mit einer gewissen

Distanz gegenüber. “Vielleicht ist das fatalistisch, aber jede Unter nehmerin und jeder Unternehmer hat das Recht, sein Unternehmen

“Wir glauben, dass man noch mehr Fachinformationen zur Verfügung stellen könnte”, kri tisiert Oliver Klein vom BDI. Er fordert noch umfangreichere Lagebildinformationen für die Wirtschaft. Obwohl Unterneh men in der Pflicht stünden, Si cherheitsmaßnahmen umzu setzen und Vorfälle zu melden, müssten die Behörden nicht unbedingt in dem Umfang mit arbeiten, in dem sie Hilfe leisten könnten.

Auch in der Gesetzgebung wünscht sich Klein, dass die Wirtschaft mehr eingebunden würde. Klein beklagt den bü rokratischen Aufwand, der aus

Doch NIS2 kommt dem nun mit konkreten Vorschlägen zu vor. “Deswegen werden wir uns auf die Durchsetzung von NIS2 konzentrieren”, kündigt Tidten an. Sollte die Richtlinie noch vor Jahresende verabschiedet wer den – womit alle rechnen – muss sie bis Mitte des Jahres 2024 in deutsches Recht überführt und umgesetzt werden.

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 41
Der Bundesverband
Industrie
(BDI) befürch
und
dass
Behörden ihrerseits Unternehmen mehr über aktuelle Cyber-Gefahren informieren. IT-Sicherheit
und dem
(CRA)
Infrastruktur (KRITIS) in den Blick. Der Telekommunikationssektor zählt laut NIS2 nun zur KRITIS und muss besondere Cyber-Sicherheitsauflagen erfüllen. Foto: BS/salita 2010, stock.adobe.com www.secusmart.com
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Sicherheitshinweise bitte an security.txt

Textdatei ermöglicht Kontaktaufnahme für IT-Sicherheitsforscher (BS/Oliver Wege) Security.txt ist der Überbegriff für ein 2017 ins Leben gerufenes Projekt und einen mittlerwei le mit dem “RFC 9116” definierten Internetstandard, der die Weitergabe sicherheitsrelevanter Informationen betreffend einer Website an dessen Betreiber vereinfachen soll. Dies erfolgt über die Standardisierung der Angabe von relevanten Kontaktinformationen. Damit soll es konkret Sicherheitsforschern ermöglicht werden, Sicherheitslücken schnell und einfach zu melden.

Der Standard schreibt eine Text datei namens “security.txt” an der bekannten Stelle vor, ähn lich der Datei “robots.txt” (ein De-facto-Internetstandard, der von Websites verwendet wird, um mit Webcrawlern und ande ren Webrobotern zu kommunizie ren, die hier aber dafür gedacht ist, von Internetnutzern gelesen zu werden, die den Besitzer einer Website wegen Sicherheitsfragen kontaktieren möchten. Dadurch soll die Kontaktaufnahme mit dem Websitebetreiber im Fall ermittelter sicherheitsrelevanter Probleme vereinfacht werden.

Die security.txt-Datei soll dabei mehrere schon aus der Vergan genheit bekannte Probleme lösen, auf die IT-Sicherheitsforscher und andere ehrliche Finder von Schwachstellen regelmäßig tref fen. Die K ontaktaufnahme zu einem Zuständigen gestaltet sich regelmäßig als sehr schwierig und zeitaufwendig und ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Auch veröffentlichen nur wenige Unter nehmen eigene “Spielregeln” für die Suche nach Schwachstellen und die Art der Kommunikation ist von Unternehmen zu Unter nehmen unterschiedlich. Die se curity.txt-Datei löst diese Proble me, indem eine klare Aussage zu einem Ansprechpartner für eine Sicherheitslücke gemacht wird. Auch wird eine genaue Definition, wie mit dem Ansprechpartner zu kommunizieren ist, gegeben. Zudem kann hier ein passen der Public-Key für verschlüsselte Kommunikation mit hinterlegt werden beziehungsweise ein Hin weis darauf, wo man ihn finden kann.

Fakten und Anlaufstelle schaffen

Durch die Definition einer stan dardisierten bekannten Stelle, an der die Textdatei zu hinterle

gen ist, schafft man klare Fakten und erleichtert den ehrlichen Findern von Schwachstellen die Suche nach einer Anlauf stelle. Gleichzeitig zeigt dieses V orgehen au ch, dass das/die hinter der Webseite stehende Unternehmen/ Behörde sich mit dem Thema IT-Sicherheit aktuell beschäftigt.

Entsprechend RFC-Standard sollen security.txt-Dateien im Verzeichnis /.well-known/ (d. h. /.well-known/security.txt) oder im Stammverzeichnis (d. h. /security.txt) eines Webser vers hinterlegt werden. Auf die Datei muss per HTTPS als Text datei von allen Internetnutzern zugegriffen werden können.

Rein praktisch sollte vielleicht das Stammverzeichnis favorisiert werden, da auch dort der ge wöhnliche Speicherort der oben erwäh nten “robots.txt”-Datei liegt. Zwar ist “robots.txt” bzw. das dahinterliegende “Robots Exclusion Standard Protokoll” (REP) von 1994 kein RFC-Stan dard. In der Praxis können sich die Betreiber einer Webseite aber darauf verlassen, dass korrekt aufgebaute robots.txt-Dateien, die sich im Stammverzeichnis befinden, auch entsprechend korrekt durch die Suchmaschi nen behandelt werden. N ebe n dem standardisierten Platz der Textdatei werden auch Schlüsselwörter zum Befüllen der Textdatei (sogenannte “Di rektiven”) vorgegeben. Dabei s i nd die Direktiven “Contact” (Mailadresse und/oder Link zum Webformular) und “Ex pires” (Verfallsdatum der Daten in securi ty.txt) verpflichtende minimale Angaben in einer jeglichen security.txt-Datei. Zusätzlich können noch die Direktiven “Encryption” (PGPPublic-Key oder Zertifikate für S/ MIME-verschlüsselte Mails), “Ac

knowledgements” (Link für eine Webseite mit Danksagungen an Sicherheitsforscher), “PreferredLanguages” (bevorzugte Spra chen), “Canonical” (kanonische URL), “Policy” (ggf. Link auf eine vorhandene Policy) und “Hiring” (anheuern, also Link zu eigenem Jobportal) hinzugefügt werden.

Es wird zudem empfohlen, die “security.txt”-Datei mit einer PGP-Klartext-Signatur digital zu signieren. Wenn eine solche digitale Signatur verwendet wird, sollte außerdem das DirektivenFeld “Canonical” befüllt werden, damit die digitale Signatur den Speicherort der Datei authenti fizieren kann.

Große Digital-Player ziehen mit Security.txt-Dateien wurden beispielsweise von großen In ternetkonzernen wie von Google (https://www.google.com/.wellknown/security.txt), GitHub (ht tps://github.com/.well-known/ security.txt) , LinkedIn (https:// www.linkedin.com/.well-known/ security.txt) und Facebook (htt ps://www.facebook.com/.wellknown/security.txt) realisiert. In Deutschland war diese Funk tionalität zuerst in Webservern der Bundeswehr (https://www. bundeswehr.de/security.txt) und der Deutschen Bahn (https:// www.deutschebahn.com/.wellknown/security.txt) enthalten. Auch das BSI hat inzwischen reagiert und nachgezogen (ht tps://www.bsi.bund.de/.wellknown/security.txt), allerdings nicht hundertprozentig standard konform, da die verpflichtende “Expires”-Angabe fehlt.

Für das Thema “security.txt” existiert weiterhin auch ein, al lerdings etwas veraltetes, Git hub-Projekt (https://github.com/ securitytxt/security-txt).

Berliner Unternehmen erhalten Cyber-hotline

Hotline bietet anonyme und rasche Hilfe durch digitale Ersthelferinnen und Ersthelfer (BS/sp) Nach einer Pilotphase geht die DAB Digitalagentur GmbH mit der “Cyberhotline” nun in den Regelbe trieb über. Bei Angriffen auf die IT-Infrastruktur oder -Systeme erhalten Berliner Unternehmen fortan unter der Nummer 030/166 360 580 digitale Erste Hilfe.

Die Täter sind nicht dumm

Gemeinsam gegen Cyber Crime

(BS/Ann Kathrin Herweg) Cyber-Krimineller zu werden, ist nicht schwer. “Alles, was Sie brauchen, ist eine Idee”, erklärt Jana Ringwald. “Sie finden alles im Netz, was Sie suchen.” Auch Leute, die die Arbeit übernäh men. Und das nicht nur im Darknet, auch im Clearnet werde relativ offen kommuniziert, so die Oberstaatsan wältin auf der CYBERWOMEN 2022 – dem Event für Frauen in der IT-Sicherheit. Die Täter zu identifizieren, ist dennoch nicht leicht, erklärt sie den rund 200 hauptsächlich weiblichen Teilnehmenden.

Die Entwicklungen im Bereich Cyber Crime stellen Staatsan wälte immer wieder vor große H erausf orderungen. Wer als Staatsanwalt keine Ahnung da von habe, sei abgehängt, ist sie überzeugt. Ringwald , die sich selbst gerne als Cyber-Staats anwältin bezeichnet, empfindet es gleichzeitig als eine nicht ganz einfache Aufgabe, aber auch als ein Privileg, sich in diesem tech nischen Neuland zu bewegen. W as uns vorgestellt wird, ist immer neu.” Eine ihrer wich tigsten Aufgaben sei es daher, zuzuhören. Außerdem brauche es auch jede Menge Mut zur Lücke. Entscheidend dabei: nicht auf eine Beschlussvorlage zu warten, sondern immer die Nase in Daten zu stecken und mitzudiskutieren.

Unerkannt

Eine besondere Herausforde rung stellt die Ermittlung bei Ad vanced Persistent Threats (APT) dar. Im Gegensatz zu kurzfristig angelegten und häufig finanzi ell motivierten Hackerangriffen sind APT-Angriffe – wie der Name schon sagt – zielgerichtet und langanhaltend. Hinter den APTAngriffen, erklärt Sophia Nikitidis steckten meist Cyber-Söldner, Angehörige einer Regierungsor ganisation oder eine im Auftrag eines Unternehmens handelnde Gruppe. Das Ziel: politisch moti vierte Spionage oder auch Sabo tage. “Das kann sich über Jahre hinweg ziehen und undetektiert bleiben”, weiß die Beauftragte für IT-Sicherheit einer Bundesbehör de. Wenn solche Angriffe dann doch entdeckt würden, kämen bei den Betroffenen Fragen auf

“Bildet das System, in dem wir arbeiten, noch die Welt ab, in der wir leben“? –Für Cyber-Staatsanwältin Jana Ringwald ist die Arbeit im noch verhältnismäßig jungen Bereich Cyber Crime gleichzeitig Privileg und Herausforderung.

wie “Wer war da drei Jahre in unserem System und wir haben es nicht gemerkt“?

Während die Frage nach dem “wer” nur schwer zu beantworten ist, hat Nikitidis auf die Frage danach, warum APT oft lange unbemerkt bleiben, eine Antwort: “Weil auch die Angreifer darüber nachdenken, wie sie nicht auffal len.” Der Angreifer suche sich ein Ziel und stimme den Angriff dar auf ab. Er kundschafte sein Opfer aus, erklärt Nikitidis, erst danach werde Schadcode ausgebracht und schließlich ausgeführt. Hin zu komme, dass Täter bewusst falsche Fährten legten. Beispiels weise indem andere Sprachen in den Code eingebaut werden oder bei der Zeitzone getäuscht werde – schließlich sei unter Ermittlern bekannt, dass Hacker meist zu bestimmten Zeiten arbeiteten.

“Wir sind selbstverständlich nicht der große Antagonist”, räumt Ringwald mit einem gängigen Bild auf. Das sei die Cyber Se curity. Sicherheit vor Angriffen könne nur durch guten Schutz erreicht werden. Doch Polizei und Justiz könnten bei der Auf klärung von Angriffen helfen. Die Oberstaatsanwältin bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) möchte Betroffenen die Angst nehmen, Angriffe zu melden. Sie ermu tigt dazu, im Ernstfall proaktiv aufeinander zuzugehen und als Betroffener mit Polizei und Justiz zusammenzuarbeiten. Nur diese hätten die Möglichkeit, “hinterm Gartenzaun” zu ermitteln. Sie könnten IT-Infrastruktur runter nehmen, Täter inhaftieren und Daten erheben, “wo Freiwilligkeit und Käuflichkeit aufhören”.

Materna kauft RADAR Cyber Security

Auf dem Weg zum führenden Cyber Security-Anbieter im DACH-Raum (BS) Die Materna-Gruppe verstärkt sich im Bereich Cyber Security und hat das Unternehmen RADAR Cyber Security übernommen. Mit dem Kauf des in Wien ansässigen Spezialisten komplettiert Materna das Lö sungsportfolio im Bereich Cyber Security und erweitert nachhaltig seine Kapazitäten und Lieferfähigkeit.

G emei nsam mit RADAR will Materna zu einem der führen den Cyber Security-Anbieter im DACH-Raum werden. RADAR bietet auf Basis einer Cyber Security-Plattform den Aufbau eines Security Operations Cen ters (SOC) für Unternehmen und Managed Security Service Provider (MSSP) an und erbringt selbst seit mehr als zehn Jahren sehr erfolgreich ein SOC as a Service “Made in Europe”. Damit agiert RADAR als Ende-zu-EndeAnbieter sowohl für die Ausstat tung von SOCs als auch für die Erbringung von SOC-Services. Materna wird die SOC-Plattform von RADAR weiterentwickeln und damit das eigene Cyber Security-Portfolio komplettie ren. RADAR beschäftigt rund 110 Mitarbeitende und wurde 2011 gegründet.

Auch komplexe IT-Sicherheits vorfälle sollen durch die neue N ot fallhotline gelöst werden. Hierbei wird die Digitalagentur vom IT-Sicherheitsnetzwerk it's. BB unterstützt. Die Hotline bietet unter anderem anonyme und rasche Hilfe durch ausgebildete Ersthelferinnen und Ersthelfer sowie die Vermittlung von Un ternehmen, die bei der Lösung von IT-Sicherheitsvorfällen helfen können. Die Digitalagentur Berlin bietet neben der Cyberhotline auch IT-Checklisten und regel mäßige Webinare zum Thema

IT-Sicherheit an. Die Senatsver waltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe unterstützt die Digitalagentur Berlin mit einer jährlichen Zuwendung von etwa 3,4 Millionen Euro.

Den offiziellen Startschuss gab Anfang September der Staats sekretär für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Tino Schopf beim DAB Digitalforum 2022. Um auf das neue Angebot aufmerksam zu machen, werden in den kommen den Monaten umfangreiche Mar keting- und Kommunikations kampagnen in Berlin gestartet.

Stephan Schwarz, Wirtschaftsse nator der Stadt Berlin, hob die Relevanz der Hotline im Bereich Cyber Crime besonders hervor: “Mit der zentralen Cyberhotline bekommt Berlin einen weiteren wichtigen Baustein zur Bekämp fung von Cyber-Kriminalität. Wir reagieren damit auf die Bedarfe der Berliner Unternehmen und unterstützen sie ganz gezielt bei der Stärkung ihrer IT-Sicherheit.“

Die Cyberhotline der Digi talagentur Berlin ist von Montag bis Freitag von 09:00 – 17:00 Uhr zu erreichen.

Mit Dr. Christian Polster bleibt einer der Gründer von RADAR an Bord und übernimmt ge meinsam mit Eugenio Carlon die Geschäftsführung des Unter nehmens. Eugenio Carlon leitet bislang bei Materna den Bereich Cyber Security. Christian Polster verantwortete bisher als Chief Portfolio Officer die Weiterent wicklung des Portfolios. Auch Gründer Sebastian Michels bleibt im Unternehmen in verantwort licher Position.

“Mit dem Zukauf stärken wir unsere Lieferfähigkeit in einem langfristigen Wachstumsmarkt, komplettieren unser Portfolio

und werden zum End-to-EndAnbieter für Cyber Security Ser vices und Beratung. Gleichzeitig erweitern wir für diese Angebote unseren Auftritt im DACH-Raum. RADAR passt zudem sehr gut in unsere Strategie, Beratung und Services zunehmend auch mit eigenen Software-Assets anzubie ten, mit denen wir uns differen zieren. Ebenso ist es unser Ziel, den Umsatzanteil der Managed Security Services deutlich zu stei gern”, erläutert Martin Wibbe CEO der Materna-Gruppe.

Steigende CyberBedrohungslage

Weltweit nehmen Cyber-Bedro hungen zu und Cyber-Angriffe werden immer komplexer. Ent sprechend hoch sind der Bedarf und die Nachfrage nach Cyber Security-Lösungen und dem Aus bau einer starken Cyber Resili ence auf Behördenseite. Darüber hinaus steigt auch der Bedarf für Cyber Security-Experten weiter stark an. Diese Situation erfordert branchenübergreifend den Einsatz eines SOC, einer Cyber-Sicherheitsleitstelle für die schnelle Erkennung, Analyse und Bearbeitung von Sicherheitsvor fällen. RADAR begleitet namhafte Kunden in der produzierenden Industrie, in KRITIS-Unterneh men wie dem Finanz- und Ener giesektor, im Handel und dem öffentlichen Sektor mit seinen schlüsselfertigen Lösungen für Cyber Security. Ergänzend kön

nen Managed Security Service Provider oder Großkunden, die ein eigenes Cyber Defence Center aufbauen wollen, die SOC-Lö sung auf Lizenzbasis einkaufen. Verschiedene Regularien fordern ausdrücklich die Ein richtung eines SOC bzw. die Nutzung von SOC-Services. Da runter sind das IT-Sicherheits gesetz und die Mindeststan dards an Protokollierung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Zwischen Service-Management und SOC

Ein wichtiger Hebel für das Erkennen von Cyber-Angriffen ist die Integration eines SOC bzw. die daraus erkannten Vor fälle (Incidents) in das ServiceManagement. “Die Kombination des Lösungsangebots aus Cyber Security und Service-Manage ment ist ein Alleinstellungs merkmal der Firmen RADAR und Materna. Materna gehört seit Jahrzehnten zu den füh renden Anbietern von Beratung, Lösungen und Technologien für das Service-Management”, sagt Uwe Scariot, verantwortlich im Vorstand für Enterprise Service Management und das markt übergreifende Angebot von Ma terna (Cross Market Services). Die organisationsübergreifende Bearbeitung von Incidents wird vor allem im Security-Bereich immer wichtiger und auch von den Regulativen gefordert.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 42 IT-Sicherheit
Auf der Homepage der Digitalagentur werden die Leistungen der Cyberhotline vorgestellt. Screenshot: BS/Schubert
Foto: BS/INFODAS

Sicherheit & Verteidigung

Vom Bären zum Bärchen?

Das aktuelle Kampfpotenzial der russischen Streitkräfte (BS/Dorothee Frank) Russland hat die Welt überrascht. Einmal mit dem doch unerwarteten Angriff auf die Ukraine, zum Zweiten mit den seitdem zu beobachtenden Niederlagen. Schließlich ist Russland eine Weltmacht, ein gleichwertiger Gegner der NATO. Es ist jenes Land, dem alle Welt Fähigkeiten zur vernetzten Operationsführung, schnellen Verlegefähigkeit und hybridem Krieg – inklusive Cyber-Attacken und Drohnenschwärmen – unterstellte. Zu sehen war davon bisher nicht viel, zumindest nicht auf russischer Seite.

Das scheinbare Versagen des russischen Militärs, die Gründe für dessen Scheitern sowie die Frage, wie viel Hoffnung sich daraus auf einen ukrainischen Sieg ableiten lässt, ist in den verschiedenen Phasen des Krieges zu erkennen.

Am Anfang stand eine vollständige Fehleinschätzung bezogen auf den Widerstandswillen der ukrainischen Bürger. Nur ein sehr geringer Prozentsatz der ukrainischen Menschen fühlte sich russisch, die Angreifer wurden nicht mit Fahnenschwenken begrüßt. Nirgendwo. Stattdessen erwarteten sie amerikanische Stinger, schwedische Panzerfäuste und deutsche Minen.

Gleichzeitig hatten sich die ukrainischen Streitkräfte nach der Annexion der Krim 2014 restrukturiert und modernisiert, was vor allem der Unterstützung durch die USA zu verdanken war. Die Vereinigten Staaten gaben finanzielle Mittel, Waffensysteme und bildeten ukrainische Soldatinnen und Soldaten aus.

Die zweite russische Fehleinschätzung bezog sich auf die eigenen Fähigkeiten. Eine Logistik jenseits von Eisenbahnschienen ließ sich augenscheinlich nicht realisieren. Es war zwar bekannt, dass Russland seinen Nachschub hauptsächlich auf der Schiene transportiert – weshalb es auch ukrainische Bahnhöfe und das Schienennetz angriff. Dennoch herrschte die Ansicht, dass Russland durchaus in der Lage wäre, im Ernstfall Versorgungsketten auf der Straße zu realisieren.

Doch die als schneller, chirurgischer Schnitt gedachte Eroberung der urbanen Zentren kam aufgrund der eigenen mangelnden logistischen Fähigkeiten sowie des erfolgreichen Widerstands der ukrainischen Kräfte zum Erliegen. Diese erste Operation war für Russland ein Fehlschlag.

Die

Der erste Abschnitt des Krieges, vom Angriff bis Mitte April, zeigte zudem deutliche Unterschiede in der Führungskultur. Die Kombination aus “Führen von vorne” und “Befehlstaktik” sorgte für hohe Verluste bei der russischen Generalität sowie für ein unflexibles Vorgehen. Immer wieder wurde auf Befehle gewartet. Die ukrainische “Auftragstaktik” erwies sich hingegen als flexibler, die Befehlshaber vor Ort konnten die Initiative suchen und sich ergebende Möglichkeiten schnell nutzen.

Anpassung an das moderne Gefecht

Hinzu kommt, dass die ukrainischen Streitkräfte dank westlicher Ausrüstung und Ausbildung zum Gefecht der verbundenen Waffen befähigt sind. Ihr stehen zudem Erkenntnisse und Lagedaten aus den NATO-Staaten zur Verfügung. Und sie ist der moralische Sieger, was zur Unterstützung vorher nicht bedachter

Art führt. So ist der überwiegende Teil jener Institutionen und Unternehmen, welche während des Krieges Cyber-Attacken ausgesetzt waren, russisch.

Ein weiterer Pluspunkt der nicht so starren Struktur der ukrainischen Streitkräfte ist ihre Innovationsfähigkeit. So konnte beispielsweise schnell die eigenentwickelte Plattform für Joint Fire Support “GIS Arta” eingeführt werden. Entwickelt wurde es vom Ukrainer Yaroslav Sherstyuk, der bereits das automatisierte Artilleriefeuerleitsystem Artos “erfand”, das die ukrainischen Streitkräfte ab 2016 einführten. Mit diesen Systemen soll sich der OODALoop – beobachten (observe), orientieren (orient), entscheiden (decide) und handeln (act) – auf 30 Sekunden reduzieren lassen.

Der Gegner

Trotz dieser Vorteile aufseiten der ukrainischen Verteidiger ist Russland nicht zu unterschätzen.

Es bleibt eine Großmacht mit entsprechenden Ressourcen und intelligenten, erfahrenen militärischen Führern. Diese haben ihre Taktik bisher an alle neuen Gegebenheiten angepasst.

Zum Gegner der Ukraine sagte der Vorsitzende des Generalstabs der US-Streitkräfte, General Mark A. Milley: “Die russischen Kommunikations- und Nachschubkanäle sind stark beeinträchtigt. Das wirkt sich unmittelbar auf die Fähigkeit Russlands aus, Kampfkraft zu entwickeln und zu erhalten. Das Command and Control in den Hauptquartieren ist gestört und die russische Führung hat große Schwierigkeiten, ihre Streitkräfte wieder aufzustocken und die Verluste zu ersetzen.” Dennoch sei es zu früh, um von einer Niederlage zu sprechen. General Milley betonte: “Der Krieg ist noch nicht vorbei. Russland ist ein großes Land. Sie haben sehr ernste Ambitionen in Bezug auf die Ukraine. Es wird also notwendig sein, die Ukraine zu unterstützen, damit sie ihren Kampf ums Überleben fortsetzen kann.”

Diese Einschätzung seines amerikanischen Counterparts teilt auch der oberste deutsche Soldat. “Russland hat zwar aufgrund der erfolgreichen ukrainischen Gegenangriffe vorerst die Initiative verloren, hält aber nach unseren Erkenntnissen an seinen Zielen auf strategischer Ebene in der Ukraine fest”, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, bei der Bundeswehrtagung 2022 Mitte September.

General Zorn betonte, wie wichtig es sei, die Weltpolitik nicht mit der europäischen Brille, sondern global zu betrachten. “Die strategische Großübung Wostock 2022 ist mit circa 50.000 Soldaten zwar deutlich kleiner ausgefallen als in der Vergangenheit, soll aber das anhaltende russische Engagement im pazifischen Raum

weiter verdeutlichen”, sagte der Generalinspekteur. Wostock 2022 fand Anfang September in Ostsibirien, im japanischen Meer und an weiteren Orten in Asien statt. Bemerkenswert war –neben dem dorthin trotz UkraineKriegs entsendeten Kontingents der russischen Streitkräfte – die Teilnahme der beiden Großmächte China und Indien.

Mit China und Indien

Mit dieser Großübung habe Russland vor allem demonstrieren wollen, dass es international nicht isoliert sei und militärisch, wirtschaftlich und politisch handlungsfähig bleibe.

“In diesem Sinne ist auch die Teilnahme Russlands am Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit [das Mitte September stattfand; Anm. d. Red.] zu sehen. Russland wirbt stark für eine multipolare Weltordnung nach seiner Lesart und versucht, Alternativen zu aktuellen Ordnungssystemen zu schaffen. Wir dürfen nicht den Fehler wiederholen, das russische Gesamtpotenzial zu unterschätzen”, sagte General Zorn. “Russland hat hinreichend Material- und vor allem Munitionsvorräte und der politische Wille, die Entschlossenheit und die imperialistischen Ideen Putins sind vorhanden. Auch hohe Verluste unter den eigenen Soldaten werden hingenommen. Der Rückhalt in der Bevölkerung zu diesem Krieg ist noch vorhanden. Konventionelle und nukleare Abschreckung – beides ist immer gleichzeitig zu sehen – gegenüber der NATO steht. Wir sehen zusätzlich den Einsatz russischer Streitkräfte in Syrien, in Mali und wir sehen hybride Einflussnahmen in allen Weltregionen, wie z. B. Balkan, Kaukasus, Moldau, Transnistrien, um das zu zeigen. Das alles unterstreicht die strategische Reichweite Russlands.”

KNAPP

Verstärkung gefordert

(BS/mfe)

Die Bundespolizei See muss dringend verstärkt werden. Sie brauche mindestens vier weitere Schiffe der sogenannten 86’er-Klasse. Anderenfalls könne sie den Schutz Kritischer Infrastruktur (KRITIS) auf hoher See nicht effektiv betreiben. Nur wenn es diese Neuanschaffungen gebe, könnten die drei Seeinspektionen der Bundespolizei in Cuxhaven, Neustadt in Holstein und Warnemünde rund um die Uhr einsatzbereit sein, heißt es von der DPolG Bundespolizeigewerkschaft. Ihr Bundesvorsitzender Heiko Teggatz fordert deshalb, den Haushalt der Bundespolizei für die kommenden Haushaltsjahre um einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag aufzustocken, damit entsprechende Beschaffungen maritimer Technik und die Rekrutierung von Personal für die technischen und nautischen Aufgaben auf See realisiert werden können. Derzeit gebe es noch massive personelle und technische Mängel und Defizite.

Der erste Geburtstag von nora

(BS/bk) Nach einem Jahr zieht das Innenministerium Nordrhein-Westfalen für die bundesweite Notruf-App nora Bilanz. Seit dem Start der App im September 2021 wurden über diesen alternativen Notrufkanal über 10.000 Notrufe abgesetzt. Zudem hat es bundesweit fast 275.000 Registrierungen gegeben. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) zeigt sich begeistert: “Mehr als eine Viertelmillion Downloads zeigen, dass wir da einen Nerv getroffen haben.” Die Gesamtkosten für den Notrufkanal, an denen sich alle Länder beteiligen, liegen bei 9,4 Millionen Euro und damit im geplanten Rahmen. Das Innenministerium in Düsseldorf hat nora für alle 16 Bundesländer entwickelt und für alle Belange rund um die Notruf-App eine Geschäfts- und Koordinierungsstelle eingerichtet.

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.deBerlin und Bonn / Oktober 2022
Fähigkeiten der russischen und ukrainischen Kräfte sind auch im Zusammenhang mit der Länge der Frontlinie zu sehen. Diese ist deutlich länger als jene der Alliierten, die zum D-Day am 6. Juni 1944 in der Normandie landeten. Dabei brauchten die USA, Großbritannien, Kanada und Frankreich im Anschluss noch bis zum 8. Mai 1945 für die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Grafik: BS/Ministry of Defense of Ukraine Digitaler Katastrophenschutzkongress 2022 Der Weg zur resilienten Gesellschaft 14.und 15. November 2022 www.katastrophenschutzkongress.de

B ehörden Spiegel: Herr Krumlovsky, Sie sind neuer sächsischer Landesvorsitzen der der Gewerkschaft der Po lizei (GdP). Was steht auf Ihrer Agenda?

Jan Krumlovsky: W ir ha ben einiges auf der Agenda zu st ehen. Kurzfristig haben wir über den Doppelhaushalt der sächsischen Polizei zu beraten.

Denn hier ist leider vieles – auch aufgrund der Corona-Pande mie – dem Rotstift zum Opfer gefallen. Der Stellenaufbau in unserer Landespolizei wird des halb leider nicht in dem Maße ausfallen, wie es die Fachkom mission zur sächsischen Polizei empfohlen hat. Zudem sollen deutlich weniger Anwärterinnen und Anwärter eingestellt als ursprünglich vorgesehen.

Behörden Spiegel: Hier muss kurzfristig gehandelt werden. Um was geht es Ihnen lang fristig?

Krumlovsky: Langfristig geht es uns darum, den dringend erforderlichen Stellenaufbau bei der sächsischen Polizei regie rungsmäßig zu verankern. Trotz der Corona-Pandemie, aber ge rade in Krisenzeiten, darf an der Sicherheit in Sachsen nicht

Nicht an der Sicherheit sparen

neuer GdP-Chef präsentiert seine

dene Berechnungsmodelle. Laut aktuellem Stellenplan umfasst die Landespolizei momentan nur 14.077 Beschäftigte. Hier ist also noch Luft nach oben. In den aktuellen Haushaltsberatungen wird nun zumindest über ein kleines Plus diskutiert.

Behörden Spiegel: Den Ange hörigen der Bereitschaftspolizei und der Einsatzzüge wird neuer dings eine “Verbindlichkeitszu lage” als Anerkennung für ihre ständig wechselnden Dienste gezahlt. Braucht es noch weite re Veränderungen im Zulagen wesen?

im Vergleich zur Bundespolizei gemacht werden. Über die Höhe sowie den Adressatenkreis der “Verbindlichkeitszulage” bei uns ins Sachsen sollte aus meiner Sicht nochmals gesprochen wer den. Auch braucht es noch eine Nachschärfungen bei Zulagen, z.B. für Ermittlungstätigkeiten in anderen Bereichen, etwa bei der Kriminalpolizei.

Behörden Spiegel: Braucht es Reformen in der Ausrüstung und Ausstattung der Landespolizei?

gespart werden. Auch brauchen wir künftig eine digitalere Po lizei mit der Möglichkeit von elektronischen Akten, auch im Austausch mit der Justiz. Das werden wir als GdP eng beglei ten. Als künftiges Ziel sehe ich eine papierlose Behörde.

Behörden Spiegel: Wie viele Polizistinnen und Polizisten mehr pro Jahr bräuchte der Freistaat Sachsen aus Ihrer Sicht?

Krumlovsky: Die bereits er wähnte Fachkommission hat berechnet, dass die sächsische

Das wird mit Sicherheit noch spannend

BDBOS setzt auf Innovationspartnerschaft (BS/bah) Schon lange sind sich die Verantwortlichen in Bund und Ländern einig darüber, dass alle deutschen BOS mit modernen Breitband-Diensten ausgestattet werden müssen. Mit GAN 2.0 gibt es dazu bereits seit 2020 ein abgestimmtes Anforderungsdokument. Im Februar 2022 entschied sich die Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) dann für ein flexibles Ver fahren, das zumindest in Deutschland bisher sehr selten genutzt wurde.

Das jetzt gewählte Vergabeinst rument der Innovationspartner schaft wurde 2014 auf der euro päischen Ebene geschaffen, um komplexe Vorhaben aufzusetzen, für die Lösungen auf dem Markt noch nicht erhältlich bzw. die unter den gegebenen Rahmen bedingungen nicht ausplanbar sind. Man wollte damit für die Ausschreibenden die Möglich keit eröffnen, sich gemeinsam mit potenziellen Auftragnehmern in einen Entwicklungsprozess zu begeben, dessen konkretes Ergebnis bei Beginn der Aus schreibung noch nicht feststand. Die Autoren der Innovationspart nerschaft hatten dabei wohl eher große Bauvorhaben und techni sche Entwicklungen im Sinne. Mit Unterstützung des Beschaf fungsamts des BMI (BeschA) ha ben die Verantwortlichen von BDBOS als Vergabestelle und Bund-Länder Vergabegremium die vorgegebenen Anforderun gen der Phasen null und eins zum Aufbau des digitalen BOSNetzes mit dem Rahmen einer Innovationspartnerschaft kom patibel gestaltet. Gegenstand der da be i geforderten innovativen “Entwicklung” sind rechtliche, organisatorische und prozessu ale Festlegungen für den Auf bau und Betrieb des künftigen BOS-Breitbandnetzes. Die von der BDBOS zusammen mit den “Innovationspartnern” verhandelt und im Erfolgsfall in Verträge und Preistabellen gegossen werden. Vergeben werden sollen in der Phase null bis zu drei Rahmen verträge mit Mobilfunknetzbe treibern (MNOs) für “breitbandige Sprach- und Datenkommunika tion mit Roaming, Bevorrechti gung und Priorisierung”. Aus diesen Verträgen sollen alle BOS künftig ihre SIM-Karten für das einheitliche, deutschlandweite BOS-Netz beziehen. Damit will man die derzeit bestehenden BOS-Einzelverträge in Bund und Ländern mit individuellen MNOs nach und nach ablösen.

In der anschließenden Phase eins soll “ein selbst betriebenes eigenbeherrschtes breitbandi ges Kernnetz im Rahmen einer

gemeinsamen Entwicklungs phase mit den Innovations partnern entwickelt/ermöglicht werden”. Damit läge das Teil nehmermanagement des BOSBreitbandnetzes ausschließlich in den Händen von BDBOS bzw. einer künftigen Betriebsorgani sation. Genaueres muss auch hier noch geregelt werden. Die Zugangsnetze dagegen wären weiter in der Verantwortung der Partner-MNOs. Auch wenn für die Breitbandkommunikation der Phasen null und eins noch kein “einsatzkritisches” Kommu nikationsniveau vorgesehen ist, wird man sich da noch Gedanken über mögliche Maßnahmen zur Härtung der kommerziellen Netze machen müssen.

Vergabeverfahren liegt im Zeitplan Technologisch, so ist aus den Vergabekreisen zu hören, werden in den Vergabeunterlagen keine expliziten Festlegungen getrof fen, aber die Präferenz liegt bei der Nutzung von Komponenten unterschiedlicher Hersteller, um ein Lock-In zu vermeiden.

Dem Verhandlungsverfahren vorgeschaltet war in diesem Sommer ein Teilnehmerwett bewerb, aus dem erwartungs gemäß Telekom, Vodafone und

Foto: BS/PublicDomainPictures/pixabay.com

Telefonica als aussichtsreiche Kandidaten hervorgingen. Die Vergabeunterlagen sind danach termingerecht am 19. August an die Bieter gegangen. Selbst wenn sich jetzt die Angebotsab gaben durch Fristverlängerung geringfügig verzögern, ist damit zu rechnen, dass Bewertungen und Verhandlungen dazu führen, dass noch vor Jahresende die Aufforderung zu einem “finalen” Angebot an die MNOs heraus geht. Es wird damit gerecht, dass dann noch im ersten Quartal mit allen drei Betreibern Verträge zu “Innovationspartnerschaften” geschlossen werden. Die abzu schließenden Verträge haben eine Laufzeit von sechs Jahren mit der Option, zweimal um jeweils zwei Jahre zu verlängern.

Viele offene Fragen

Erst dann geht die eigentliche “Entwicklung” von Phase null und eins eines einheitlichen BDBOS-Breitbandnetzes los.

Wie es danach mit den bereits beplanten Phasen zwei und drei weitergehen soll, ist derzeit noch völlig offen. Diese Planungen ge hen nämlich von der Zuteilung ei nes brauchbaren Frequenz spektrums für Breitbanddienste an die BOS aus. Diese ist aber derzeit mehr als ungewiss.

Polizei rund 16.000 Beschäftigte umfassen sollte. Basis hierfür ist eine Mikrobetrachtung, der wir uns als GdP anschließen. Allerdings gibt es hier verschie

Krumlovsky: Für gleiche Arbeit sollte es die gleiche Bezahlung geben. In den Zulagen, etwa für Dienste zu ungünstigen Zeiten, und deren Höhe sollten keine Un terschiede zwischen den Ländern untereinander und auch nicht

Krumlovsky: Wir als GdP Sach sen sind ein Verfechter der Bo dycam. Die wird nun auch im Freistaat eingeführt, auch wenn noch über rechtliche Fragestel lungen sowie die genaue Anzahl der zu beschaffenden Geräte zu sprechen sein wird. Es gab auch schon deutliche Verbesserungen in den Bereichen Schutzwes ten und Helme. Hier braucht es aber noch mehr, zumal sich die Gefährdungsszenarien ständig verändern. Wir brauchen aber dringend Investitionen in bessere Kameras für die Polizistinnen und Polizisten sowie in Auswerte technik, insbesondere im Bereich der Massendaten.

Klemmbrett war gestern

Zoll will Datenaustausch mit anderen Behörden

(BS/bhi) Zöllnerinnen und Zöllner wünschen sich rechtliche Regelungen, die ihnen erlauben Daten anderer Behör den zu nutzen. Politisch erhalten sie dafür Rückendeckung. So fordert Sebastian Brehm (CSU) eine Zentralisierung von Daten für die Sicherheitsbehörden. Auch Beate Müller-Gemecke (Bündnis 90/Die Grünen) will mehr Datenaus tausch. Dennoch betont sie, dass die Datenabfrage für die Strafverfolgung rechtstaatlichen Kriterien folgen müsse.

Die Finanzkontrolle Schwarzar beit (FKS) benötige ein umfassen des Risikomanagement, berichtet Dr. Holle Jakob beim Digitalen Zolltag, einer Online-Veranstal tung des Behörden Spiegel. Sie ist Leiterin der Unterabteilung “Strategische Steuerung der Zoll verwaltung; FKS; Geldwäschebe kämpfung Zoll” im Bundesmi nisterium der Finanzen (BMF). Sie arbeitet federführend an der Weiterentwicklung der Zollarbeit. “Mithilfe einer operativen Informa tions- und Datenanalyse soll die risikoorientierte Aufgabenwahr nehmung der FKS unterstützt und eine effektivere Bekämpfung von Schwarzarbeit gefördert wer den”, sagt Jakob. Sowohl fallbe zogene als auch übergeordnete Risiken solle der Zoll erkennen und analysieren können.

Rechtsgrundlage gefordert

“Für ein umfassendes Risiko management müssen natürlich die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden”, stellt Dr. Tino Igelmann klar. Der Direktionsprä sident der Generalzolldirektion erläutert, dass die Grundlage des Risikomanagement eine “vernetz te und frühzeitige” Identifikation und Bewertung von Risiken sei. Rechtlich dürfte die Vernetzung schwierig werden.

Dem Informationsaustausch zwischen dem Zoll, der FKS und anderen Behörden sind rechtli che Grenzen gesetzt. “Hier fehlen Aufgaben und Befugnisse zur

Lagebilderstellung”, sagt Markus Tönsgerlemann. So berichtet er als Leiter des Hauptzollamtes Frankfurt am Main, dass unter Anderem das Sozialgeheimnis die Zusammenarbeit mit anderen Be hörden behindere. Diese Daten schutzregelungen im Sozialrecht verbieten Sozialleistungsträgern die unbefugte Übermittlung von Daten über Leistungsempfänger. Dadurch werden die Ermittlungen im Bereich Sozialleistungsbetrug schwieriger. “Hier wäre ein etwas pragmatischeres Herangehen sinnvoll”, fordert Tönsgerlemann.

In dieselbe Kerbe schlägt Ge werkschafter Thomas Liebel. Der stellvertretende Bundesvorsit zende der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) erklärt unumwunden: “Wir brauchen mehr Schnittstellen im elektro nischen Datenaustausch mit dem Finanzamt, der Steuerverwaltung und Rentenversicherungsträgern. Außerdem brauchen wir mehr Zu griffsmöglichkeiten als das sogar für die Finanzkontrolle Schwarz arbeit gilt.”

In der Politik kennen sie die Pro blematik. Gemeinsame Kontrollen vor Ort gebe es viel, daran scheitere die interbehördliche Zusammen arbeit nicht, sagt Carlos Kasper.

“Wenn die Generalzolldirektion in ein Lokal geht, ist es oft sinnvoll, wenn man die Polizei, das Gesund heitsamt und andere mitnimmt”, meint der ehemalige Zollbeamte der FKS, der jetzt für die SPD im Bundestag sitzt. Seiner Erfahrung

nach gingen die anderen Behörden immer gerne mit. Informations austausch ist dagegen schwieri ger. “Alle Informationen müssen vorliegen”, fordert deswegen der C SU-Bundestagsabgeordnete Sebastian Brehm. “Das bedeutet zentrale Datenspeicherung.” Er er klärt: “Meistens sind Unternehmen in mehreren Bereichen auffällig. Ob Gewerbeamt, Steuer- oder Schwarzarbeitsbehörden: Man muss den Behörden die Möglich keit geben einzugreifen und die Daten zentralisieren.”

Polizei 2020

Eingriffsmöglichkeit ja, aber die Eingriffe und die Datennutzung müssten rechtsstaatlichen Prin zipien folgen, betont Beate Mül ler-Gemecke. “Wenn der Rechts staat dabei nicht unter die Räder kommt, dann ist es in Ordnung, wenn eine Datendurchlässigkeit zwischen Behörden entstehen würde”, sagt die Bundestagsab geordnete der Grünen. Sie fordert dem folgend auch, dass der Zoll und die FKS dem Programm Polizei 2020 zugeschlagen wird. Dieses Programm soll die IT-Architektur der deutschen Polizeien und des Zollkriminalamts harmonisieren. Dahinter steht auch die Idee, dass die Sicherheitsorgane dann besser Informationen tauschen können. “Aber es muss immer Verdachtsfälle geben”, unter streicht die Grünenpolitikerin das Prinzip, dass Datenabfragen einen Anlass haben müssen.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 44 Innere Sicherheit
Sachsens
Agenda
(BS) Jan Krumlovsky ist erst kürzlich zum neuen Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Freistaat Sachsen gewählt worden. Im Interview mit dem Behörden Spiegel spricht er über die wichtigsten Punkte seiner Amtszeit. Die Fragen stellte Marco Feldmann.
“Für gleiche Arbeit sollte es die gleiche Bezahlung geben.”
Jan Krumlovsky ist neuer Vorsitzender des sächsischen Landesbezirks der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Foto: BS/GdP Sachsen, Nicole Trommler Diskutieren beim Digitalen Zolltag, was die Politik für den Zoll machen muss: Moderator Uwe Proll und die Bundestags abgeordneten Sebastian Brehm (CSU), Carlos Kasper (SPD) und Beate Müller-Gemecke (Bündnis 90/Die Grünen). Screenshot: BS/Hilbricht In der Phase null des Aufbaus des digitalen BOS-Netzes sollen bis zu drei Ver träge mit Mobilfunknetzbetreibern geschlossen werden. Aus diesen Verträgen sollen BOS in Zukunft ihre SIM-Karten beziehen.

seien bei der Aufsicht

Diese

z. B. über Gütehändler wie Juweliere oder Mineralölhändler teilweise sogar innerhalb eines Bundeslandes unterschiedlich, kritisiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Jens Zimmermann.

Das Mitglied im Finanzausschuss hält die entsprechenden Kontrollprozesse durch den Föderalismus für oftmals zu behäbig. Der Berichterstatter seiner Fraktion für die Geldwäscheprävention bemängelt: “Der Föderalismus nimmt uns die Flexibilität und Dynamik.” Aus seiner Sicht brauche es deshalb eine stärkere Zentralisierung von Zuständigkeiten für die Geldwäscheaufsicht im Nicht-Finanzbereich auf der Bundesebene. Des Weiteren müsse man zu mehr Vereinheitlichung und Verzahnung der verantwortlichen Behörden kommen.

Darüber hinaus plädierte der Parlamentarier für die Einführung einer Bargeldobergrenze hierzulande - auch wenn diese sehr umstritten sei - , die Fortsetzung des risikobasierten Ansatzes bei der Geldwäschebekämpfung sowie eine bessere Rückmeldung der “Financial Intelligence Unit” (FIU) über Geldwäscheverdachtsmeldungen an die Verpflichteten. Und noch etwas ist Zimmermann ein Dorn im Auge. Die Politik lade derzeit noch zu viel Verantwortung bei den Verpflichteten ab. “Ihnen muss das Leben einfacher gemacht werden”, meint der SPD-Politiker, der ein enormes Geldwäscherisiko im Immobiliensektor ausmacht. Tommas Kaplan, Chief Compliance Officer und Geldwäschebeauftragter bei VON POLL IMMOBILIEN, findet diese Pauschalisierung im Sinne der Geldwäscheprävention nicht zielführend. Denn Geldwäsche im Immobiliensektor werde erst durch die zahlreichen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für in- und ausländische Gesellschaften zur Verschleierung

Aufsicht sehr zersplittert

Geldwäschebekämpfung im Nicht-Finanzsektor ist reformbedürftig

(BS/Marco Feldmann) Geldwäsche verursacht in Deutschland jährlich riesige monetäre Schäden. Außerdem unterminiert sie den Rechtsstaat.

Folglich bräuchte es eigentlich eine effektive Aufsicht und Verfolgung. Im Nicht-Finanzsektor ist diese aber oftmals nicht gegeben. Das liegt u. a. auch an sehr zersplitterten Zuständigkeiten.

Maren Adam, Senior Manager Compliance bei Kerberos Compliance-Managementsysteme. Außerdem bemängelt sie, dass eine eventuelle Unkooperation von Kunden zu Lasten rechtmäßiger Verpflichteter gehe. Denn leider sei in diesem Bereich keine flächendeckende Gesetzeskonformität vorhanden. Problematisch sei darüber hinaus, dass Videoidentifizierungen von Kunden im Nicht-Finanzbereich bislang nicht zulässig seien. “Das ist nicht mehr zeitgemäß, zumal das Bundesfi nanzministerium per Gesetz zu einer Änderung ermächtigt wäre”, meint Adam.

Des Weiteren bringe die sogenannte “Stillhaltefrist”, wonach eine gemeldete Transaktion erst nach Zustimmung der FIU bzw. der Staatsanwaltschaft oder nach Verstreichen des dritten Werktages nach dem Abgangstag der Geldwäscheverdachtsmeldung durchgeführt werden dürfe, die Verpflichteten in Erklärungsnot.

Mehrere Baustellen

der Vermögensherkunft und des wirtschaftlich Berechtigten begünstigt. Jedoch stimmt Kaplan dem Bundestagsabgeordneten in dem Punkt zu, dass die zu beachtenden Pflichten nach dem Geldwäschegesetz vereinfacht werden müssen, um eine bessere Praktikabilität für die Verpflichteten zu erzielen.

Über 300 zuständige Behörden

Auch Jörg Lehnert, Leiter der Geldwäscheaufsicht im Land Berlin, betrachtet den Föderalismus im Kampf gegen Geldwäsche sehr kritisch. So gebe es in der Bundesrepublik rund 330 Behörden, die unterschiedlichste Zuständigkeiten im Bereich der Geldwäscheaufsicht hätten. In

diesem Dschungel sei es für die Verpflichteten nicht immer einfach, die tatsächlich verantwortliche Stelle ausfindig zu machen. Zudem bemängelt Lehnert die Kontrolldichte bei der Geldwäscheaufsicht. Momentan werde jeder Verpflichtete rechnerisch nur alle 200 Jahre kontrolliert.

Hier brauche es dringend Verbesserungen. Aus seiner Sicht sollte die Kontrolldichte so hoch sein wie bei Betriebsprüfungen durch die Finanzämter. Außerdem wünscht er sich hierzulande eine Finanzpolizei nach dem Vorbild der italienischen Guardia di Finanza.

BaFin sollte übernehmen

Und er hat noch eine Forderung. Momentan würden Fin-

anzunternehmen betreffend die Geldwäscheaufsicht immer noch von den Länderbehörden kontrolliert. Hier fehle es allerdings oftmals an entsprechender Expertise und an genügend Personal. Aus diesem Grund plädiert er dafür, diese Aufgabe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu übertragen. Allerdings lehne das Bundesfinanzministerium dies bislang noch ab. Zur Begründung heißt es von dort, dass die Ausgestaltung der geldwäscherechtlichen Aufsichtsregelungen sich an der effektiven Überwachung der verpflichteten Unternehmen auszurichten habe. Das Ministerium teilt die Einschätzung, wonach die umfassende Übertragung der Aufsicht über

die Finanzunternehmen auf die BaFin per se eine Verbesserung in der Aufsichtswahrnehmung bewirken würde, nicht. Gleichwohl sehe der Koalitionsvertrag die Übertragung der Aufsicht über besonders finanzmarktnahe Verpflichtete auf die BaFin vor. Insgesamt solle die Prüfung, welcher Handlungsbedarf bei der Aufsicht über bestimmte Verpflichtete besteht, auch Gegenstand der bevorstehenden Aktualisierung der Nationalen Risikoanalyse sein.

Keine flächendeckende Gesetzeskonformität

Die Vielzahl an Aufsichtsbehörden im Nicht-Finanzsektor und die damit einhergehende Fragmentierung kritisiert auch

Adam macht zahlreiche weitere Probleme der Geldwäscheaufsicht im Nicht-Finanzsektor aus. Dazu zählen ein oft mangelndes Bewusstsein über den eigenen Verpflichtetenstatus, mangelnde Fachkenntnisse, um Verdachtsmomente zu erkennen, ein nicht vorhandenes Risikobewusstsein sowie eine Überforderung mit der Erfüllung der obliegenden Sorgfaltspflichten. Grundsätzlich schwierig sei außerdem die Tatsache, dass das Geldwäschegesetz für den NichtFinanzbereich nicht passgenau sei. Denn, so Adam: Die Rechtsgrundlage sei ursprünglich für den Banken- und Finanzbereich ausgestaltet worden und dann später auf die Branchen des Nicht-Finanzsektors ausgeweitet worden. Hier brauche es dringend Anpassungen.

B

ehörden Spiegel: Herr Hansen, zuletzt gab es massive Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen der deutschen Flughäfen. Wie kann hier Abhilfe geschaffen werden?

Udo Hansen: Wir müssen festhalten, dass über 80 Prozent der Verkehre an den deutschen Verkehrsflughäfen ohne Wartezeiten an den Kontrollstellen durchgeführt werden konnten. Aber fest steht auch, dass es in Spitzenzeiten zu erheblichen Problemen kam. Das gilt auch für die Luftsicherheits- und Passagierkontrollen. Aber eines ist mir wichtig zu betonen: Das ist kein dauerhaftes Problem. Das System funktioniert dennoch grundsätzlich.

Behörden Spiegel: Was halten Sie von der Übernahme der Verantwortung für die Organisation, Finanzierung, Steuerung und Durchführung der Luftsicherheitskontrollen wie es nun am Frankfurter Flughafen ab Anfang kommenden Jahres der Fall sein wird?

Hansen: Der BDLS bewertet den neuen Ansatz am Flughafen Frankfurt am Main positiv und verfolgt ihn mit großem Interesse. Die Flughafenbetreiber kennen die Prozesse an ihrem Airport am besten. Sie verfügen über entsprechende Informationen, etwa zum Passagieraufkommen, etwaigen Flugplanänderungen, Gate-Wechsel etc. nahezu in Echtzeit. In anderen Staaten, z. B. in England, Frankreich, der Schweiz oder Österreich, hat sich dieses Modell, dessen Ausweitung wir uns hierzulande gut vorstellen können, schon länger bewährt. In Deutschland sind hier noch zu viele Akteure eingebunden, u. a. neben den Flughafenbetreibern die Bundespolizei und die privaten Sicherheitsdienstleister.

Massive Probleme in Spitzenzeiten

BDLS-Präsident: System funktioniert aber grundsätzlich

(BS) Sein Verband vertritt die Interessen vieler privater Sicherheitsdienstleister an den deutschen Verkehrsflughäfen. Im Interview mit dem Behörden Spiegel äußert sich Udo Hansen, Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) u. a. zu Wartzeiten an den Fluggastkontrollen. Das Gespräch führte Behörden Spiegel-Redakteur Marco Feldmann.

Bundespolizeigewerkschaft nach halbstaatlichen Gesellschaften?

Hansen: Auch hier bin ich sehr skeptisch und vermisse eine gründliche Problemanalyse sowie die Darlegung, welche der oben aufgeführten Probleme prozessual entschärft oder beseitigt werden könnten. Zudem muss ich mit einem weitverbreiteten Irrtum aufräumen. Am Flughafen München führt derzeit eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die momentan zu 100

Prozent im Besitz des Freistaates ist, die Passagierkontrollen durch. Der staatliche Anteil lag früher aber auch schon einmal bei nur 49 Prozent. Außerdem unterliegt diese Gesellschaft den entsprechenden zivilrechtlichen Bestimmungen und muss auch Gewinne erwirtschaften. Sie als halbstaatlich zu bezeichnen –dieser Begriff stammt übrigens aus dem Recht der ehemaligen DDR – ist folglich falsch.

Behörden Spiegel: Was ist Ihnen wichtiger?

Hansen: Mir ist viel wichtiger, dass die Gewährleistung der Sicherheit an Flughäfen ganzheitlich betrachtet werden. Die Passagierkontrollen nach Paragraf fünf des Luftsicherheitsgesetzes sind nur ein Teil der Problemstellung.

Behörden Spiegel: Wäre eine vollständige Re-Übernahme der Verantwortung für die Luftsicherheitskontrollen durch die Bundespolizei mit eigenen Tarifbeschäftigten aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Hansen: Nein, das wäre aus meiner Sicht unsinnig. Dieser Aufgabe muss der Staat nicht mehr selbst nachkommen. Hier hat sich das Modell der Beleihung Privater bewährt. Außerdem würden die Mitarbeitenden der privaten Sicherheitsdienstleister bei einem Wechsel in den Öffentlichen Dienst oftmals monetäre Einschnitte hinnehmen müssen. Sie würden weniger Geld verdienen. Ein solcher Wechsel wäre folglich für die Beschäftigten auch nicht attraktiv.

Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Vorschlag der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nach einer Anstalt des öffentlichen Rechts im Bereich der Luftsicherheitskontrollen?

Hansen: Von diesem Vorschlag halte ich nichts. Er ist aus unserer Sicht auch nicht sinnvoll. So ist etwa fraglich, warum nur für die Kontrolle des Luftverkehrs, und nicht z. B. auch für den Seeverkehr, eine Anstalt des öffentlichen Rechtes gegründet werden sollte. Ich vermisse zudem, wie die Schnittstellenproblematik am Flughafen durch ein derartiges Konstrukt minimiert werden könnten.

Behörden Spiegel: Und wie bewerten Sie die Forderung der DPolG

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 45
Innere Sicherheit
Der Berichterstatter für Geldwäscheprävention der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Jens Zimmermann, fordert eine Zuständigkeitszentralisierung beim Bund für die Geldwäscheaufsicht im Nicht-Finanzsektor. Sieht zahlreiche Probleme bei der Geldwäscheaufsicht im Nicht-Finanzbereich: Maren Adam, Senior Manager Compliance bei Kerberos Compliance-Managementsysteme.
Fotos:
BS/Feldmann
“Ein solcher Wechsel wäre folglich für die Beschäftigten auch nicht attraktiv.”
Udo Hansen ist Präsident des Bundesverbandes der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS). Er schaut auf eine lange Karriere beim Bundesgrenzschutz bzw. bei der Bundespolizei zurück. Foto: BS/BDLS Eine Veranstaltung des und der POLIZEITAGE 2022 DIE DIGITALE POLIZEI: AKTUELLE PROJEKTE UND LÖSUNGEN 3. NOVEMBER 2022 www.polizeitage.de

Kriminalitätsfaktor Corona

(BS/jb) Die Corona-Pandemie stellte eine beispiellose Herausforderung für die Gesellschaft und den Öf fentlichen Dienst dar. Um sie zu bewältigen, reagier te man folgerichtig mit der Mobilisierung nie gekannter Summen. Es überrascht daher wenig, dass auch Kriminelle sich der neuen Situation anpassten und die schnellen, unbürokratischen Hilfsmaßnahmen für ihre Zwecke ausnutzten. Zunächst bedienten sich die Kriminellen an den Subventionsmaßnahmen für Unternehmen. Mit der Einführung umfassender Schnelltests (3. März 2021) kam auch hier kriminelle Energie zum Vorschein. Nach mehr als zwei Jahren Pandemie kann nun eine erste Bilanz gezogen werden. Monetäre Schäden lassen sich auflisten. Aber auch Einbli cke in das sich wandelnde Wesen der Kriminalität in einer zunehmend digitalen Welt werden of fenbar.

Wirtschaft

Cyber-Kriminalität Gesundheitswesen

Behörden Spiegel / Oktober 2022Zahlen & DatenSeite 46 Festgestellte Fälle von Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen 202120202019 3.412 3.840 11 .382 Schadenssumme durch Subventionsbetrug (in Mio. Euro) 202120202019 21 94 117 Quelle: BS/BKA Quelle: BS/BKA Absolute Fallzahlen von Subventionsbetrug 202120202019 31 8 7.585 7.260 Quelle: BS/BKA 202120202019 Anteil des Subventionsbetrugs an der Gesamtschadenssumme durch Wirtschaftskriminalität 2.441 Mio. Euro Gesamtschadenssumme 2.973 Mio. Euro Gesamtschadenssumme 3.011 Mio. Euro Gesamtschadenssumme 0,7 % 3,1 % 4,8 % Quelle: BS/BKA Sperrung maliziöser Websites 202120202019 36.000 52.000 74.000 Aktive Ransomware Leak-Seiten Ø 2. Quartal 2021 Ø 1. Quartal 2021 Ø 4. Quartal 2020 Ø 3. Quartal 2020 Ø 2. Quartal 2020 Ø 1. Quartal 2020 Quelle: BS/BSI, Agence nationale de la sécurité des systèmes d’information (ANSSI) Quelle: BS/BSI 4 10 15 16 25 30
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Katastrophenschutz

Die vier Plagen des Katastrophenschutzes

Konsequenzen aus Untersuchungsberichten gefordert (BS/tkl) Naturkatastrophen sind nicht (immer) vorhersehbar und kaum vermeidbar. Umso wichtiger ist die best mögliche Vorbereitung. Das gilt für Katastrophenschutzorgane, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilbevölkerung gleichermaßen. Wer ist für was zuständig? Wer hat Entscheidungsbefugnisse? Wer unterstützt? Je mehr Fragen schon vor dem Ernstfall beantwortet werden können, umso handlungsfähiger bleibt man in der Krise. Über ein Jahr nach dem Jahrhunderthochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist es deshalb höchste Zeit, aus den gesammelten Erfahrungen praktische Schlüsse zu ziehen.

Albrecht Broemme hatte in seinen Positionen als Landesbranddi rektor in Berlin und später als Präsident des Technischen Hilfs werks (THW) genügend Gelegen heit, um Erfahrungen mit einer ganzen Bandbreite an Einsätzen zu sammeln. So ist es nicht ver wunderlich, dass nach der Flut im Juli 2021 die Länder NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz und auch Bayern an ihn herantraten, um die Hintergründe und Struk turen der Hilfseinsätze vor Ort sowie der Katastrophenlage an sich zu untersuchen. Die Berichte sind inzwischen fertiggestellt und liegen den jeweiligen Ministeri en vor. Mit der ihnen zugrunde liegenden Aussage jedoch tritt Broemme jetzt, wie er selbst sagt, “fast schon aggressiv” nach au ßen. Denn bei seinen Recherchen zu früheren Katastrophen seien ihm vier Plagen" aufgefallen, an denen die richtige Vorbereitung kranke.

Erkenntnisignoranz

Auf der Fachtagung “Wenn das Wasser kommt”, die der Bund Deutscher Kriminalbeamter zu sammen mit der Thomas Morus Akademie in Bensberg durchführt, beklagte Broemme, dass aus den Lessons Learned, die nach einer Krise in vielen Runden identifi ziert würden, viel zu selten auch praktische Konsequenzen folgten. So sei beispielsweise bereits beim Hochwasser im Rottal-Inn-Kreis 2016 aufgefallen, dass besonders viele Tote in Kellern und Tiefga ragen gefunden worden seien, so Broemme. Ein Bild, dass sich auch fünf Jahre später im Ahrtal wiederholte. Getötet wurden die Menschen durch Stromschläge oder vom zu schnell ansteigen

den Wasser. Eine Erkenntnis, die eigentlich schon viel früher in eine große Warnkampagne hätte münden müssen: Wenn das Was ser kommt, bleibt über der Erde!

Aber auch in anderen Bereichen, seien die Erkenntnisse aus ei ner Katastrophe schnell verges sen. Notwendige Änderungen in der Stadtplanung, zusätzliche Schutzmaßnahmen und weitere große Projekte verliefen zu oft im Sande. Auch weil gegen En de der Planung die Schrecken der Katastrophe schon wieder fast vergessen seien. “Nach sechs Monaten ist die Hälfte weg, nach einem Jahr alles”, so Broemme Verantwortungsdiffusion

Ein weiteres großes Problem sei, dass für bisher vergleichsweise seltene Einsätze wie großflächi ge Extremwetterereignisse nicht konkret definiert sei, wie die Zuständigkeiten im Ernstfall zu regeln seien. Broemme sieht die Lösung hier vor allem auf lokaler Ebene, indem beispielsweise ein durchhaltungsfähiger Krisenstab und eventuelle Vertretungen in den Kommunen vordefiniert wür den. Zur Unterstützung wünscht er sich außerdem Landesämter

für Katastrophenschutz, wie sie in mehreren Bundesländern ak tuell in Planung sind. Bei die sen Strukturen seien unbedingt auch die freiwilligen Helfer zu berücksichtigen, die in der Ver gangenheit nur schleppend in die Hilfseinsätze hätten eingebunden werden können.

Konstatierte Unfairness

Zuletzt kritisierte Broemme eine Tendenz der Berichterstattung, sich einzelne Sündenböcke zu suchen und für die Katastrophe verantwortlich zu machen. “Für ein Hochwasser ist kein einzelner Mensch verantwortlich”, so Bro emme. Auch wenn Fehlentschei dungen getroffen würden, sei es für die produktive Aufarbeitung nicht hilfreich, den Einzelnen öf fentlich an den Pranger zu stellen. Um auf zukünftige Ereignisse bestmöglich vorbereitet zu sein, müsse der Katastrophenschutz dringend diese vier Plagen über winden. Denn “die nächste Krise kommt bestimmt. Und dann darf sich nicht wieder jemand hinstel len und sagen, ‚Das haben wir ja alles vorher nicht gewusst‘“, mahnte der ehemalige THW-Prä sident zum Abschluss.

RIKS — Digitalisierung in der Notfallrettung

Berliner Feuerwehr setzt auf elektronische Unterstützung (BS/Dr. Tom Malysch*) Mit dem mobilen "Rettungsdienst Informations- und Kommunikationssystem" (RIKS) wurde die Dokumentation der Berliner Notfallrettung vereinheitlicht und medienbruchfrei digitalisiert. Zu sätzlich wurde hiermit die Grundlage für ein zentrales rettungsdienstliches Datennetzwerk geschaffen. Die Umsetzung des Projekts RIKS begann im April 2019.

Seitdem wurde — nach erstem Testbetrieb — das System zu nächst in der Berliner Feuer wehr und schließlich über die Rettungsmittel der Hilfsorgani sationen und der Bundewehr ausgerollt. Abschließend muss aktuell noch die Einbindung der Luftrettung erfolgen. Eine Be sonderheit des Projekts besteht demnach darin, dass alle bei der Berliner Notfallrettung eingebun denen Kräfte, unabhängig von deren Organisation, mit dem glei chen digitalen System arbeiten. Dies vereinfacht zum einen die Beschaffung, Wartung und An wenderbetreuung. Zum anderen können die Inhalte des Systems zentral gesteuert und ausgewertet werden. Das ist insbesondere für das medizinischen Qualitätsma nagement von Bedeutung, um die Patientenversorgung qualitativ zu sichern und zu verbessern. Die ser Auftrag wird für die gesamte Berliner Notfallrettung durch die Ärztliche Leitung Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr (ÄLRD) wahrgenommen.

RIKS vereinfacht wesentliche As pekte der Dokumentation für die Einsatzkräfte der Notfallrettung, beispielsweise durch Übernahme von Einsatzdaten aus der Leitstel le, Einlesen einer Gesundheitskar te oder Nutzung von vorgefertigten Textbausteinen. RIKS bietet aber auch eine zentrale Plattform zur Einbindung weiterer digitalisierter

Inhalte. So können nun Parameter von Beatmungsgeräten oder Moni toreinheiten zur Überwachung von EKG, Pulsoxymetrie, Blutdruck etc. automatisiert erfasst und do kumentiert werden, die bisher nur händisch und meist unvollständig aufgezeigt werden konnten.

Einheitliche Dokumentations qualität

Dies führt unter zusätzlicher Ver ankerung von Pflicht- und Struk turvorgaben zu einer einheitlichen Dokumentationsqualität, welche neben der rechtlichen Absicherung der Einsatzkräfte eine enorme Be deutung für die vollumfassende Informationsweitergabe und somit Patientenversorgung in den Klin ken hat. Weiterhin werden aber auch die regelhafte Auswertung zur Verbesserung von Aus- und Fortbildungen, Material und Tech nik sowie Standardisierten Hand

lungsanweisungen (SOP) dadurch ermöglicht. Diese Vorteile des Sys tems überzeugten auch die Jury des Berliner Verwaltungspreises, so dass die Berliner Feuerwehr dafür im Jahr 2021 den ersten Platz in der Kategorie “Prozessund Qualitätsmanagement sowie ressortübergreifende Zusammen arbeit” belegte. Dennoch wird auch weiterhin an einer stän digen Verbesserung von RIKS gearbeitet. So befinden sich bei spielsweise die Einbindung des elektronischen Bettennachweises der Krankenhäuser (IVENA), die zunehmende Vernetzung mit dem Berliner Telenotarztdienst und ein regulärer Datenaustausch mit den Kliniken aktuell in der Entwicklung.

Dr. med. Tom Malysch ist Arzt in der Abteilung "Einsatzvorberei tung Rettungsdienst" der Berliner Feuerwehr.

Weitere E-Fahrzeuge geplant

Positive Bilanz beim eLHF gezogen

(BS/mfe) Die Berliner Feuerwehr hat ein elektrisches Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug (eLHF) erprobt. Nun wurde offiziell Bilanz gezogen. Und die fällt sehr gut aus.

Der Ständige Vertreter des Lan desbranddirektor, Karsten Gö wecke , unterstrich: “Wir sind mehr als positiv überrascht, was die Leistungsfähigkeit des Fahrzeuges betrifft. Alle Mühen und Anstrengungen, die in dieses Projekt geflossen sind, haben sich ausgezahlt. Ich bin stolz darauf, dass wir im Fuhrpark der Berliner Feuerwehr über das modernste Löschfahrzeu ge der Welt verfügen.” Mit dem eLHF habe man einen großen Teil für eine nachhaltige Zukunft beigetragen und die MenschMaschine-Schnittstelle derart verbessert, dass zukünftig den diversen Gruppen in der Vielfalt der Feuerwehrangehörigen die Arbeit deutlich erleichtert werde. Göwecke bezeichnete das eLHF als “vollen Erfolg”, der in enger Zusammenarbeit mit mehreren unterschiedlichen Akteuren ge lungen sei.

90 Prozent elektrisch

U. a. sei die Beschaffung des Vorserienfahrzeugs im Rahmen einer Innovationspartnerschaft erfolgt. Aufgrund vielfältiger Förderungen aus verschiedenen Töpfen musste die Berliner Feu erwehr laut Göwecke zudem nur zehn Prozent der Kosten für das Fahrzeug selbst tragen. Dieses habe im Erprobungszeitraum etwa 1.600 Einsätze und eine Laufleistung von rund 14.000 Kilometern absolviert. In 90,7 Prozent der Einsätze sei rein elektrisch gefahren worden. Bei zehn Einsätzen sei der sogenannte “Range Extender” genutzt worden. Dabei handelt es sich um einen integrierten Euro 6-Dieselmotor, der zum Nachladen des Akkus für den elektrischen Betrieb genutzt wird. Auf ihn wurde zurückgegrif fen, sobald der Ladezustand des Akkus 20 Prozent unterschritt. Probleme oder gar einen Ausfall

des eLHF, das sich auch als ka tastrophenschutzfest erwiesen hat, an einer Einsatzstelle gab es nie. Im Erprobungszeitraum wurden mit dem Projektfahrzeug im Einsatzdienst 10,3 Tonnen CO2-Äquivalent im Vergleich zu einem konventionell angetriebe nen Löschfahrzeug eingespart. Elektrifizierung soll ausge baut werden

Das Fahrzeug, das Göwecke als “Meilenstein” betrachtet, geht nun in den Regelbetrieb über. Vier wei tere eLHF sind bereits bestellt. Der Ständige Vertreter des Landes branddirektors kündigte zudem an, die Elektrifizierung weiterer Fahrzeuge bei der Berliner Feuer wehr erproben zu wollen. Denkbar sei dies u. a. bei Kommandowagen und bestimmten Gerätewagen (insbesondere Hygiene), aber auch bei Drehleitern und möglicher weise auch bei Rettungswagen.

Bei Letzteren laufe die Prüfung jedoch noch. Ihm zufolge will die Berufsfeuerwehr Basel komplett auf elektrisch betriebene Löschund Hilfeleistungsfahrzeuge um stellen.

Dr. Silke Karcher, Berliner Staats sekretärin für Umwelt und Klima schutz, erklärte zu dem Projekt: “Wir wollen und müssen Berlins

Wer soll zahlen?

Fahrzeugflotten dekarbonisieren, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen – und das gilt nicht nur für kleine Pkws, sondern eben so für schwere Nutzfahrzeuge.” Für die Feuerwehr spielten dabei höchste technische Zuverlässig keit und gesicherte Einsatzbereit schaft im strapaziösen Dauerbe trieb eine entscheidende Rolle. “Umso besser ist das Ergebnis dieses Pilotprojekts”, so Karcher Sie betonte zudem: “Die systema tische Ausrüstung der Feuerwehr mit elektrischen Löschfahrzeugen ist ab sofort planbar.”

Teilweise noch Verbesserungsbedarf

Auch Jens Klink, Projektverant wortlicher vom Bereich “Zentraler Service Fahrzeug und Logistik” der Berliner Feuerwehr, zog ein grundsätzlich positives Fazit des Projektes mit einem Gesamtvo lumen von 1,8 Millionen Euro. Allerdings sah er in manchen Bereichen noch Optimierungs potenzial. Dazu gehörten die Ladeinfrastruktur und ihre Ver lässlichkeit, die Gesamtmasse des Fahrzeuges, die wider Erwarten leicht über 16 Tonnen gelegen habe, sowie das Kamerasystem, das die konventionellen Spiegel ersetze.

Bundesrat: Stärkungspaket Bevölkerungsschutz gefordert (BS/bk) Der Bundesrat fordert von der Bundesregierung mehr Engagement im Bereich des Bevölkerungsschut zes. Mit einem Stärkungspaket soll der Bund dem Bevölkerungsschutz in den nächsten zehn Jahren rund zehn Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Dazu hat der Bundesrat eine Entschließung an die Bundesregierung weitergeleitet.

Der Entschließungsantrag geht auf die Initiativen der Län der Sachsen-Anhal t, BadenWürttemberg, Bayern, Hessen, Sachsen und Schleswig-Holstein zurück. Der Antrag nimmt den Beschluss der Innenminister konferenz (IMK) vom Juni 2022 inhaltlich auf. Auf dieser IMK wurde beschlossen, dass neben dem fin anziellen Engagement der Länder der Bund Gelder für die Stärkung des Bevölkerungs schutzes bereitstellen soll, damit notwendige Strukturen geschaf fen und wiederaufgebaut werden können, um der Bevölkerung bei länderübergreifenden Lagen einen adäquaten Schutz bieten zu können.

“Kürzungen sind ein schlech tes Zeichen”

Eine nachhaltige Stärkung sei im Hinblick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, den Klimawandel und hybride Bedrohungen geboten. “Wir ha ben es nicht mit nur einer Krise zu tun. Corona, Klimawandel, Krieg — Die 20er-Jahre unseres Jahrhunderts sind ein Krisen jahrzehnt”, erklärt dazu Thomas Strobl (CDU), Innenminister des Landes Baden-Württemberg. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe den Bruch der Friedens ordnung am 24. Februar rich tigerweise als eine Zeitenwende bezeichnet. “Worte reichen nicht

aus. Der Feststellung einer Zei tenwende müssen Taten folgen”, f or dert der Innenminister. Es habe Einigkeit bestanden, dass der Zivilschutz gestärkt werden müsse, so Strobl weiter. Er kriti siert in diesem Zusammenhang die diskutierten Kürzungen im Katastrophenschutz im Bundes haushalt. Es dürfe nicht an der Sicherheitsarchitektur des Landes gespart werden. Die Länder, die originär für den Katastrophen schutz zuständig seien, brächten die notwendigen Finanzmittel da für auf, so Strobl

Doch während die Länder ih re Ausgaben in diesem Bereich erhöhten, sende der Bund mit den geplanten Kürzungen ein schlechtes Zeichen. Beim Bun desamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und dem Technischen Hilfswerk (THW) beliefen sich die Ausgabenkür zungen auf bis zu 40 Prozent. Das Sirenenförderprogramm des Bundes sei dreifach überzeichnet, bemängelt Strobl

Auf dem Weg des kooperati ven Föderalismus

Man brauche ein krisenfesteres Deutschland, sagt Mahmut Öz demir (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundes ministerin des Innern und für Heimat. Das Ziel der Resilienz steigerung werde von Bund und Ländern gemeinsam verfolgt. Man

traue sich erstmals auf den Weg des kooperativen Föderalismus. “Zu den Maßnahmen und Hand lungserfordernissen gehören ein gemeinsames Ressourcenma nagem ent für den Schutz der Bevölkerung, eine strukturelle Verbesserung des gemeinsamen Krisenmanagements, eine Prä ventionskampagne von Bund und Ländern zur Stärkung des Gefahrenbewusstseins und zur Selbsthilfefähigkeit der Bevölke rung und die Weiterentwicklung des Sirenennetzes”, skizziert Öz demir die Aufgaben. Ein erster Schritt in diese Richtung sei die Einrichtung des Gemeinsamen Ko mpetenzzentrums Bevölke rungsschutz (GeKoB) gewesen. Zudem verwies er in diesem Zusam menhang auf den ver kündeten Neustart des Bevöl kerungsschutzes, den Bundes innenministerin Nancy Faeser (SPD) im Juli verkündet hatte. Özdemir sieht aber auch die Länder in der Pflicht, mehr in ihr originäres Aufgabenfeld zu investieren. “Es reicht nicht allei ne aus, den Bund aufzufordern, erhebliche Investitionssummen zur Verfügung zu stellen”, so der Staatssekretär. Er wirbt dafür, dass sich Bund und Länder aber nicht in Zuständigkeitsdebatten verlieren sollten. Man müsse der Verantwortung gesamtstaatlich und gesamtgesellschaftlich ge recht werden.

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 47
Das mobile "Rettungsdienst Informations- und Kommunikationssystem" (RIKS) hat die Dokumentation der Notfallrettung in der Bundeshauptstadt vereinheit licht und medienbruchfrei digitalisiert. Foto: BS/Berliner Feuerwehr Das elektrisch betriebene Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug der Berliner Feuer wehr ist gut angekommen. Es geht nun in den Regelbetrieb. Foto: BS/Klawon Zur Fachtagung in Bensberg war Albrecht Broemme aus Berlin zugeschaltet. Foto: BS/Klement

Verteidigung

Russlands hybrider Krieg

Das Ziel: die Spaltung der demokratischen Staaten (BS/df) “Ich bin fest davon überzeugt, dass der Krieg positiv für die Ukraine ausgeht”, sagte General a.D. Jörg Vollmer bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Strategic Adviser des Behörden Spiegel. General a.D. Vollmer war bis zum 3. Juni 2022 Befehlshaber des Allied Joint Forces Command der NATO in Brunssum und davor fünf Jahre lang Inspekteur des Deutschen Heeres. Was direkt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine noch undenkbar schien, rückt also mittlerweile in den Bereich des Möglichen.

Sollte die Ukraine gewinnen, ist dies besonders fünf Punkten zu verdanken: Dem ukrainischen Widerstandswillen; den ausländischen Hilfen; der Neuausrichtung der ukrainischen Streitkräfte nach der Krim-Annexion 2014; russische Selbstüberschätzung sowie den logistischen Schwierigkeiten der russischen Armee.

Den ukrainischen Widerstand kann Russland ebenso wenig brechen wie die Neuausrichtung von deren Streitkräften rückgängig machen oder den Krieg aus dem urbanen Umfeld in die Fläche tragen. Bleibt als einzige “Stellschraube” der Zusammenhalt der demokratischen Welt in der Unterstützung der Ukraine.

Guter Zeitpunkt für Sabotage

Zeitlich passend, um der internationalen Aufregung wegen der Scheinreferenden in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine etwas entgegenzusetzen, fanden Sabotageakte gegen die beiden Russland und Deutschland verbindenden Gaspipelines statt. Hierbei ist zu bedenken, dass Russland mit seiner Politik seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bewies, dass es nach dem Wegfall der Bedrohung durch Deutschland nur noch die USA als gleichwertigen Staat ansieht. Dementsprechend ist es das große Ziel, die USA aus Europa herauszudrängen, sie von ihren europäischen Partnern zu entfremden.

Durch die Gasleitungen floss zum Zeitpunkt von deren Sa-

botage bereits kein Gas mehr Richtung Deutschland. Nicht etwa, weil Deutschland keines mehr kaufen wollte, sondern weil Russland keines mehr lieferte.

Keine finanziellen Verluste zu befürchten

Die Pipelines waren dementsprechend für Russland aktuell ohne finanziellen Wert – auf Beschluss des russischen Präsidenten. Sie besaßen allerdings noch einen ideellen Wert, weil es im ersten Moment unlogisch erscheinen mag, dass Russland seine eigene Geldquelle endgültig vernichtet. Dabei wird allerdings übersehen, dass es mehrere Gaspipelines von Russland aus in die EU (und auch nach Deutschland) gibt. Nordstream 1 war nur eine unter vielen, mit dem einzigen Zweck, eine Direktverbindung zwischen Deutschland und Russland zu legen. Die anderen Pipelines, wie Yamal oder Soyuz könnten weiterhin Gas liefern.

Der finanzielle Verlust hält sich also für Russland in Grenzen. Der ideelle Gewinn ist hingegen kaum zu beziffern. Sogar der Vorsitzende der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, Radosław Sikorski (CDU), twitterte direkt nach der Sabotage: “Thank you USA”, kombiniert mit einem Foto des Gaslecks. Mittlerweile ist der Tweet zwar gelöscht, aber die entsprechende Einschätzung eines hochrangigen und eigentlich für die Beziehungen zu den USA mitverantwortlichen europä-

ischen Parlamentariers dürfte in den Vereinigten Staaten bemerkt worden sein.

Ebenso dürfte der latente Antiamerikanismus bemerkt worden sein, der in größeren Teilen der europäischen Politik in Brüssel verbreitet ist. Es fing an mit Einschränkungen bei den Handelsabkommen, ging weiter über Datenschutzverordnungen, die sich gezielt gegen die USA richteten und mündete in Forderungen nach USA-freien Produkten.

Weitere Unterwassersabotage

Dabei waren die Sabotage von Nordstream 1 und 2 nicht die ersten Russland zuzuordnenden Unterwasseraktionen. So sind Norwegen seit dem Beginn des Ukraine-Krieges rund 40 Tonnen Unterwasserkabel verloren gegangen, direkt vor der eigenen Küste.

Russland verfügt also weiterhin über genügend Fähigkeiten, vor allem auch schwer zu bekämpfende Spezialfähigkeiten, um für die NATO eine Bedrohung darzustellen. Hinzu kommt politisches Kalkül und Geschick, um der Welt eine Alternative zum angeblichen amerikanischen Imperialismus anzubieten. Wie diese Alternative aussehen würde, war während der Scheinreferenden in den besetzten ukrainischen Gebieten zu sehen. Wahlergebnisse mit einer Zustimmung von 87 bis 93 Prozent ließen sich schließlich noch nicht einmal zur Frage erreichen, ob eine Impfung einen Menschen vor einer Krankheit schützt.

Stärkung der Einsatzbereitschaft

Aufstellung des Territorialen Führungskommandos

(BS/df) Am 26. September fand in Berlin der Aufstellungsappell für das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) statt. Bereits in den Planungen ihrer Vorgängerin als Verteidigungsministerin war die Überführung der Aufgaben des Territorialen Befehlshabers von dem Inspekteur Streitkräftebasis in ein eigenes Kommando unter Leitung von Generalleutnant Carsten Breuer, der seit Januar 2018 Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr in Berlin ist, vorgesehen. Diese Planungen brachte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nun zur Umsetzung.

“Die Weiterentwicklung des Kommandos Territoriale Aufgaben zum Territorialen Führungskommando verbessert durch die Bündelung von Kompetenzen und Führungsverantwortung die Rahmenbedingungen für die Erfüllung komplexer Aufträge im gesamten Intensitätsspektrum: von Amtshilfe im Frieden über hybride Bedrohungslagen bis hin zum Spannungs- und Verteidigungsfall”, sagte Lambrecht beim Aufstellungsappell. “Mit der heutigen Indienststellung machen wir in der Zeitenwende einen sehr wichtigen Schritt. Wir stärken die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr. Das neue Führungskommando wird uns helfen, Entscheidungen zukünftig noch besser, noch schneller, noch abgestimmter zu treffen.”

Direkt unter dem Ministerium verortet

Das TerrFüKdoBw ist direkt dem Verteidigungsministerium unterstellt. Es löst das bisherige Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr (KdoTABw) ab. Hinzu sollen weitere Aufgaben aus dem bisherigen Bereich der Streitkräftebasis kommen.

“Das neue TerrFüKdoBw trägt dann die Gesamtverantwortung für die operative Führung der nationalen Ressourcen aller Teilstreitkräfte sowie der militärischen Organisationsbereiche (Heer, Luftwaffe, Marine, Zentraler Sanitätsdienst, Streit-

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, und der erste Kommandeur des TerrFüKdoBw, Generalleutnant Carsten Breuer, entrollen beim Aufstellungsappell die Truppenfahne des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr. Foto: BS/Bundeswehr, Tom Twardy

kräftebasis, Cyber- und Informationsraum) im Rahmen des Heimatschutzes, einschließlich der Amts- und Katastrophenhilfe, hybrider Bedrohungslagen sowie in Belangen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit. Zudem nimmt es die Koordination des Aufmarsches von Kräften in Deutschland im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung wahr, dazu zählt auch, in enger Abstimmung mit den NATO-Kommandos, die Unterstützung von Partnernationen während ihrer Verlegung durch Deutschland (Host Nation Support)”, beschreibt die Bundeswehr die Aufgaben. “Neben der Territorialen Reserve im Heimatschutzauftrag sind dem künftigen

TerrFüKdoBw die insgesamt 16 Landeskommandos der Bundesländer, die deutschen Anteile des Multinationalen Kommandos Operative Führung und des Joint Support Enabling Command, das Multinational CIMIC Command, die Truppenübungsplatzkommandanturen sowie das Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung unterstellt. Das Kommando mit Dienstsitz in Berlin umfasst rund 550 militärische sowie 250 zivile Dienstposten und ist wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) unmittelbar dem Bundesministerium der Verteidigung unterstellt. Erster Befehlshaber wird Generalleutnant Carsten Breuer.”

Berlin

Europe and NATO – Directions for Action

•Erste große Sicherheitskonferenz in Präsenz nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine

•Partnerland 2022: Norwegen

•Ausgehend von den sicherheits- und verteidigungspolitischen Handlungslinien der EU, NATO und OSZE, wird die Entwicklung europäischer und transatlantischer militärischer Fähigkeiten analysiert.

Gahr Støre, Ministerpräsident von Norwegen

Siemtje Möller, Parlamentarische Staatssekretärin

der Bundesministerin der Verteidigung, Deutschland

Lambrecht,

Verteidigung,

Forum für Abgeordnete, Politiker und Angehörige der Streitkräfte, der Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Industrie

und internationale Aussteller

Deutschlands führender unabhängiger Zeitung für den Öffentlichen Dienst

Jens Stoltenberg, Generalsekretär

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 48
Weitere Informationen: www.euro-defence.eu
•Internationales
•Nationale
•Veranstaltet vom –
Jonas
Christine
Bundesministerin der
Deutschland
der NATO
Bjørn Arild Gram, Verteidigungsminister von Norwegen
bei
Dr. Tobias Lindner, Staatsminister im Auswärtigem Amt, Deutschland
Nana
Brink, Stellvertretende Vorsitzende von WIIS.de
Admiral Joachim Rühle, Chief of
Staff, SHAPE Top-Referenten/-Referentinnen, u.a. Melden Sie sich zu Europas führenderVeranstaltung für Sicherheit und Verteidigungauf www.euro-defence.eu an.
Security Conference 2022 30. November – 1. Dezember 2022, Vienna House Andel’s Berlin

MELDUNGEN

Stabilisierung der Energiepreise

(BS/df) Mit dem Einbruch der russischen Gasversorgung für Europa ist Norwegen einer der wichtigsten Produzenten für die EU geworden. Norwegen selber setzte frühzeitig auf Erneuerba re Energien, die zu den großen Wachstumsbranchen des Landes gehören. So gewinnt das Land, das aktuell der größte Gasex porteur für die angeschlagenen europäischen Länder ist, selber über 98 Prozent seines Strommi xes aus Erneuerbaren Energien.

Anfang Oktober gaben nun der norwegische Premierminister Jo nas Støre und EU-Präsidentin Ursula von der Leyen eine ge meinsame Erklärung zur Stabi lisierung der europäischen Ener gieversorgung ab. “Das abnorm hohe Niveau der Energiepreise ist jedoch weder politisch noch wirtschaftlich tragbar und stellt eine Herausforderung für unse ren Kontinent dar”, heißt es in der Erklärung. “Wir sind zutiefst besorgt über die Auswirkungen dieser Preise und sind uns einig, dass die Preise deutlich gesenkt werden müssen. Als besonders enge Partner, die grundlegen

de Werte, Klimaziele und einen gemeinsamen Rechtsrahmen teilen, haben Norwegen und die Europäische Kommission daher im Rahmen der von uns einge richteten Task Force intensive Gespräche aufgenommen, um praktikable Wege zur Stabili sierung der Energiemärkte zu erkunden. Kommerzielle Akteure können in ihren vertraglichen/ geschäftlichen Beziehungen ei ne solide Grundlage für Preis senkungen schaffen.” Die EU habe gemeinsam mit Norwegen Maßnahmen ergriffen, um den Energieverbrauch zu senken und die Produktion der fossilen Energieträger zu erhöhen. Im Statement heißt es: “ Was weitere Maßnahmen betrifft, so kommen wir überein, im Rahmen unse rer jeweiligen Zuständigkeiten gemeinsam Instrumente zu ent wickeln, um die Energiemärkte zu stabilisieren und die Auswir kungen von Marktmanipulatio nen und Preisschwankungen zu begrenzen, damit die übermäßig hohen Preise kurz- und länger fristig deutlich gesenkt werden können.”

Energieversorgung nach der NordstreamSabotage

(BS/df) Die Auswirkungen der vier Lecks an den Gaspipelines Nordstream 1 und 2 auf die deut sche Energiesicherheit werden, zum Beispiel durch die USA, als gering eingestuft. “Wie Sie wissen, wurden die energiepo litischen Auswirkungen dieser offensichtlichen Sabotage durch die Tatsache gemildert, dass zu dieser Zeit weder Nordstream 2 noch Nordstream 1 Gas nach Europa pumpte. Dies schwächt natürlich die Auswirkungen auf die allgemeine Energiesicherheit und die Resilienz Europas im Energiebereich”, sagte der Spre cher des US-Außenministeriums, Ned Price

Gleichzeitig zählte Price auf, was die USA und weitere Länder be reits gemeinsam leisteten, um Europa in Bezug auf die Ener gieversorgung zu unterstützen. Schließlich habe Russland seit Beginn seines Angriffs auf die Ukraine die Gasversorgung als Waffe eingesetzt, um andere Staaten zu erpressen und deren Wirtschaft und Bürger zu treffen.

Somit seien die Bemühungen zur Energieversorgung Europas bereits mit dem 24. Februar, dem Angriff Russlands auf die Ukrai ne, angelaufen.

“Wir haben mit unseren europä ischen Partnern und Verbünde ten daran gearbeitet, die LNGLieferungen zu erhöhen, oft in Zusammenarbeit mit Partnern auf der anderen Seite der Welt. Länder wie Japan waren in der Lage, uns bei der Erhöhung der LNG-Lieferungen nach Euro pa zu helfen”, beschrieb Price “Verschiedene Staaten haben ihre eigenen strategischen Erd ölreserven angezapft. Das haben auch wir in den letzten Monaten in einem noch nie dagewesenen Ausmaß getan. Die US-Ölpro duktion ist um mehr als 500.000

Barrel pro Tag gestiegen. Unsere LNG-Exporte, oft nach Europa, sind seit letztem Jahr um mehr als 20 Prozent gestiegen. Wir sind in diesem Jahr der größ te LNG-Lieferant sowohl für die EU als auch für Großbritannien geworden. Und wir werden in diesem Jahr der größte globale LNG-Exporteur werden.”

Dieser Verbrauch der eigentlich strategischen Reserven der USA zur Versorgung Europas sei aller dings keine langfristige Lösung.

“Dies ist keine Herausforderung, die uns nur in den kommenden Wochen oder in diesem Winter beschäftigen wird, sondern et was, dem wir uns Jahr für Jahr stellen müssen”, betonte Price Schließlich habe Russland bewie sen, dass es seine Energiereser ven als Waffe und zur Erpressung anderer Staaten nutze.

Aber auch i n diesem B ereich ergebe sich durch die Lecks in den Gasleitungen, die zu die sem Zeitpunkt bereits kein Gas mehr transportierten, keine neue Situation. Bereits Anfang des Jahres hätten der US-Präsident Joe Biden und die EU-Präsiden tin U rsula von der Leyen eine Taskforce eingerichtet, die sich mit Fragen der Energiesicher heit beschäftige. “Und wie Sie wissen, arbeiten wir unter ver schiedenen Schirmherrschaften und Mechanismen mit Partnern nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt zusammen, um die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern – Russ land hat sich schließlich als völlig unzuverlässiger Energielieferant erwiesen. Und wir arbeiten auch zusammen, um unsere Abhän gigkeit von fossilen Brennstof fen insgesamt zu verringern. Die Beschleunigung des Übergangs zu Erneuerbaren Energien wird ebenfalls Teil der Antwort sein.”

Bundeswehrtagung 2022

(BS/jb) Im Rahmen der “Bun deswehrtagung 2022” erörterte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht die Zukunft der deut schen Streitkräfte. Aufgrund der aktuellen Sicherheitslage beton te die Ministerin: “Deutschland muss über seine Verantwortung in der Welt, über seine militä rische Stärke neu und kritisch nachdenken. Die Bundeswehr muss kurzfristig einsatzbereit sein.” Um diesem Anspruch gerecht zu werden, bedürfe es Investitionen, Strukturwandel und Mentalitätswechsel. Doch vor allem die Beschaffung macht

die Ministerin als entscheidende Stellschraube aus. Nebst dem Erwerb von Großgerät müsse zusätzlich in die persönliche Aus stattung der Soldatinnen und Soldaten investiert werden. Um die vorhandenen Gelder bedarfs gerecht und schnell zu verteilen, müssten Strukturen überdacht und bürokratische Hürden abge baut werden, betonte Lambrecht. Es müsse aber auch die Perso nalsituation überdacht werden.

Es gelte, Personal zu halten, Bewerberinnen und Bewerber besser anzusprechen und die Abbrecherquoten zu senken.

Verteidigung

Maßgebliche Stütze der Verteidigung

Eine starke Rolle der Reserve in der Landes- und Bündnisverteidigung

(BS/Prof. Dr. Patrick Sensburg) Die Bundeswehr der Zukunft wird sich insbesondere in der Landes- und Bündnisverteidigung maßgeblich auf die Reserve stützen. Reservistinnen und Reservisten unterstützen die Bundeswehr schon jetzt im gesamten Aufgabenspektrum bis in die Auslands einsätze.

Die große Hauptaufgabe der Reserve wird in Zukunft aber in der Landes- und Bündnis verteidigung liegen. Dies um fasst den Heimatschutz sowie z. B. die Unterstützung alliierter oder befreundeter Streitkräfte in Deutschland. Darüber hinaus werden auch in Zukunft weitere Aufgaben wahrgenommen. Dies reicht von einer Beorderung in eine aktive Einheit auf sogenann te gespiegelte Dienstposten bis hin zur Aufgabe der Reserve als Mittler der Bundeswehr in unsere Gesellschaft z. B. durch eine Viel zahl von sicherheitspolitischen Veranstaltungen. Ohne Reserve geht es nicht!

Grundbeorderung als Fundament

Eine einsatzbereite Bundeswehr benötigt eine einsatzbereite Re serve. Damit das so ist, verfolgt die Bundeswehr das Ziel, Re servistinnen und Reservisten möglichst nachhaltig an sich zu binden. Das geschieht durch eine Beorderung. Damit ist die Ein planung z. B. einer Reservistin in die Truppen- oder Territoriale Reserve gemeint. In ihren Beor derungstruppenteilen werden Reservistinnen und Reservisten auf diesem Dienstposten Reser vistendienst leisten.

Mit d er n euen Strategie der Reserve, die im Oktober 2019 veröffentlicht wurde, betritt die Bundeswehr auch neues Terrain, um den Bedarf an qualifiziertem und ausgebildetem Personal im Bereich der Reserve zu decken. Ziel ist es, die Aufwuchsfähigkeit der Streitkräfte im Spannungsoder Verteidigungsfall schnell und bedarfsgerecht sicherzu stellen. Dazu wurde die Grund beorderung eingeführt. Damit ist die grundsätzliche Einplanung aller wehrdienstfähigen, aus dem aktiven Dienst ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten in die Reserve gemeint. Das heißt, Sol datinnen und Soldaten auf Zeit, Berufssoldaten und Freiwillig Wehrdienstleistende sollen nach dem Ende ihres aktiven Dienstes über einen Zeitraum von sechs Jahren auf einem Dienstposten beordert sein. Dies ist aus vieler lei Gründen für die ausscheiden den Soldatinnen und Soldaten sowie auch für die Bundeswehr von Bedeutung.

Mit der Grundbeorderung schafft die Bundeswehr die Vo raussetzungen dafür, die Anzahl der Soldatinnen und Soldaten aus der Reserve im Ernstfall schnellstmöglich aufstocken zu können. Denn bei den kürzlich ausgeschiedenen Soldatinnen und Soldaten sind entscheidende Kenntnisse und Fähigkeiten im Wesentlichen noch vorhanden. Sie könnten im Krisenfall also schnell und unkompliziert an be nötigter Stelle eingesetzt werden, wenn diese danach weiter re gelmäßig “üben”. Grundsätzlich hält die Bundeswehr dabei am Prinzip der Freiwilligkeit fest. Das bedeutet, eine Reservistin oder ein Reservist muss einem Reser vistendienst freiwillig zustimmen und benötigt gegebenenfalls das Einverständnis des Arbeitgebers, um freigestellt werden zu können. Ausbildung von “Ungedienten”

Mit der Ausbildung von Unge dienten möchte die Bundeswehr interessierte Freiwillige für den Dienst in Uniform gewinnen und zu Soldaten der Reserve ausbil den. Der Begriff “Ungediente” bezeichnet Menschen, die bisher nicht in der Bundeswehr gedient haben. Dieser Personenkreis wird

Die Ausstattung und Ausrüstung der Reservistinnen und Reservisten muss dem für sie vorgesehenen Dienstposten ent sprechend vorhanden sein, damit die Streitkräfte tatsächlich auswuchsfähig sind. Foto: BS/Bundeswehr, Maximilian Schulz

Oberst d. R Prof. Dr. Patrick Sensburg ist seit 2019 Prä sident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw). Der Verband vertritt seine über 115.000 Mitglieder in allen mi litärischen Angelegenheiten. Foto: BS/VdRBw

seit der Aussetzung der Wehr pflicht jedes Jahr größer. Daher bi e ten die Landeskommandos Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, NordrheinWestfalen, Hessen, Nieder sachsen und Thüringen eine modularisierte Ausbildung zum Mannschaftssoldaten außerhalb eines Wehrdienstverhältnisses an, die die Grundlage für eine Beorderung in die Regionalen Si cherungs- und Unterstützungs kompanien darstellt.

D i ese Projekte der Landes kommandos erfolgen in Zusam menarbeit mit den jeweiligen Landesgruppen des Reservis tenverbandes. Das Ziel ist die gru ndlegende Ausbildung, die einen Abholpunkt für die wei terführende Qualifikation und für die Beorderung in die Truppe darstellt. Allein diese Kompo nenten zeigen, wie wesentlich die neue Struktur der Reserve f ür die Sicherheitsarchitektur Deutschlands sein wird und wie wichtig daher eine gut ausgebil dete Reserve ist.

Möglichkeit zur deutschen Teilmobilmachung?

Ein Szenario der Teilmobilma chung zum Zwecke eines An griffskriegs, wie aktuell in der Rus s ischen Föderation, ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich. Die Wehrpflicht ist gegenwärtig ausgesetzt. Män ner sind also aktuell nicht mehr verpflichtet, in der Bundeswehr zu dienen. Frauen waren es nie. Die Formulierung “ausgesetzt” lässt allerdings erahnen, dass sie nicht für immer verschwunden ist, sondern zurückkehren kann. Denn schon heute ist geltendes Recht, dass sie “im Spannungsoder Verteidigungsfall” wieder in Kraft tritt.

Wann diese Fälle eintreten, re gelt das Grundgesetz. Ein Ver teidigungsfall liegt vor, wenn Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Art. 115a GG). Sobald er festgestellt wird, erhält die Bundeskanzler die Befehls- und Kommandoge walt über die Streitkräfte. Ein Spannungsfall kann bereits vom Bundestag festgestellt werden,

wenn die Lage we niger stark eska liert ist. Liegt also einer dieser beiden Fälle vor, tritt die Wehrpflicht wie der in Kraft. Sie gilt in solchen Situationen sogar bis zum Höchstal ter von 60 Jahren.

In einem solchen Fall wird es aber eine intensive Ausbildung, das Auffrischen von Kenntnissen und das Eingliedern in die Einheiten geben. Ein menschenverachten des Vorgehen wie in Russland ist bei uns nicht denkbar.

Von den genannten Fällen ist der NATO-Bündnisfall zu unter scheiden. Er tritt ein, wenn ein NATO-Mitglied angegriffen wird. Das hat aber nicht automatisch einen Spannungs- oder gar Ver teidigungsfall zur Folge, da nicht die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar bedroht ist. Entspre chend aktiviert eine solche Lage auch nicht die Wehrpflicht und damit die Reserve.

Aufwuchsfähigkeit der Streitkräfte

Eine starke Bundeswehr be darf einer ebenso starken und leistungsfähigen Reserve, die die Aufwuchs- und Durchhaltefä higkeit der Streitkräfte – also die Resilienz – gewährleistet. Noch mals: Ohne Reserve geht es nicht!

Dies bedarf aber auch einer soli den Ausstattung und Ausrüstung der Reservistinnen und Reser visten. Es kann nicht sein, dass R eservisten in Heimatschutz kompanien mit ihren privaten Autos eine Kfz-Kontrolle an einem Checkpoint üben müssen und Waffen nur in einem Pool für einige Reservisten vorhanden sind. Der Reservistenverband fordert daher, nicht weniger als ein Prozent des Sondervermögens für die Reserve auszugeben. Das entspräche einer Investitions summe von einer Milliarde Euro zusätzlich für die Reserve. Jede Reservistin und jeder Reservist sollte entsprechend dem vorge sehenen Dienstposten mit dem Material und der notwendigen Ausrüstung ausgestattet sein. Wofür diese Summe verwendet werden soll, darüber gibt es im Reservistenverband klare Vor stellungen:

1 Angesichts der angespannten Personallage der Bundeswehr und der Anzahl an Reservis ten in Reservistendienstleis tungen ist eine Erhöhung der Stellen für Reservisten auf jährlich mindestens 10.000 zwingend notwendig.

2. Die Möglichkeiten der Aus

bildung innerhalb von Reser vistendienstleistungen in der T ru ppe müssen durch ein ganzjähriges Veranstaltungs angebot ergänzt werden, um Reservisten zu qualifizieren und zu fördern. Der Dienst in der Reserve darf nämlich nicht nach den sechs Jah ren Grundbeorderung en den, sondern muss danach weitergeführt werden, um die dann hohe Expertise der Re servistinnen und Reservisten auch weiter zu nutzen. Der Reservistenverband hat hier ein umfassendes Angebot. Wir weisen auch kontinu ierlich darauf hin, dass im Rahmen der Fortentwicklung der Strategie der Reserve an die Zeit nach diesen ersten sechs Jahren gedacht wer den muss.

3. Der aktuelle Konflikt in der Ukraine zeigt einmal mehr, dass die Fähigkeit zur CyberKriegsführung auch kriegs entscheidend sein wird. Hier gilt es, die enormen und bis her bereits in der Reserve erfassten Kompetenzen und Potenziale an der Schnitt stelle zwischen ziviler und militärischer Expertise ge zielt zu bündeln und weiter professionell auszubau en. Auch hier hat der Reservis tenverband klare Angebote gemacht.

4 Auch im Bereich Sanitäts dienst gilt es, die enormen und bisher in der Reserve erfassten Kompetenzen und Potenziale an der Schnitt stelle zwischen ziviler und militärischer Expertise ge zielt zu bündeln und für den Heimatschutz und die vielen anderen Aufgaben kontinu ierlich aufrechtzuerhalten. Außerhalb von Reservisten dienstleistungen bietet der Reservistenverband hier ei ne Fachplattform für diese militärischen Experten der Reserve.

Der Reservistenverband ver steht sich als starker Partner der Bundeswehr und als Inter essenverband für seine Mitglieder, aber auch grundsätzlich für alle Reservistinnen und Reservisten. Über das Jahr bieten wir eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ausbildungen für alle Re servistinnen und Reservisten an unabhängig davon, ob sie be ordert sind oder nicht. Dadurch e r reichen wir nicht nur weite Teile der Gesellschaft, die unsere Bundeswehr sonst nicht mehr erreichen würde, wir erreichen damit auch zivile Fachleute, die sich als Reservistinnen und Re servisten einbringen möchten.

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 49

Praktische Digitalisierung

Personalmanagement von morgen – effizienter mit innoativen Tools

In Verwaltung und Behörden sind sie verbreitet, wer bei der Bundeswehr war, kennt sie ebenfalls: die guten alten Laufzettel. Besonders für Prozesse des Personalmanagements werden sie gebraucht. Ob Onboarding oder Einkleiden: Viele dieser Vorgänge sind heute noch analog – und damit zeitaufwendig und mit hohen Kosten verbunden. Zum Glück gibt es vielversprechende Ansätze, Digitalisierungspotenziale für Personalmanagementprozesse von morgen zu heben.

Wenn Rekruten und Rekrutinnen ihren Dienst in der Kaserne antreten, brauchen sie zuallererst die richtige Dienstkleidung. Vom Unterhemd über den Feldanzug bis hin zur Kälteschutzjacke: Der Gang zur Kleiderkammer gehört immer zu den Aufgaben der ersten Tage. Dort wird dann das Maßband angelegt, Bund- und Kragenweite gemessen, alles in einen Laufzettel eingetragen und dann geht die “Jagd” nach der passenden Uniform in den 24 Service-Standorten mit Bekleidungspool los.

App statt laufen

Am Ende hat zwar noch jeder Soldat und jede Soldatin die passende Uniform bekommen, doch der analoge Prozess hat vor allem zwei Schwächen: Er ist zeitaufwendig und ressourcenintensiv.

Bei jährlich rund 16.500 Rek-

ruten und Rekrutinnen werden 560.000 Stunden reine Dienstzeit für den Einkleidungsprozess aufgewendet und mehr als 500.000 Kilometer Wegstrecke zurückgelegt! Digitalisiert wäre das Einkleiden deutlich effizienter zu erledigen. So entstand die Idee einer App, die die BWI als Innovationstreiber für die Bundeswehr gemeinsam mit dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe entwickelt und erprobt hat: BundesWEAR.

Die App beschleunigt mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) den Vorgang von mehreren Tagen auf wenige Minuten pro Person und macht den Besuch in der Kleiderkammer überflüssig. Der Sprachassistent der Applikation weist die Anwendenden zunächst an, wie sie ihr Smartphone positionieren und sich davor aufstellen und bewegen müssen. Die App

ist Chief Executive

Officer (CEO) und Vorsitzender der Geschäftsführung der BWI GmbH, des IT-Systemhauses der Bundeswehr.

Foto: BS/BWI

ermittelt die exakten Maße der Person und schlägt die passende Größe der zugeordneten Kleidungsstücke vor. Die Kleidung kann direkt am Smartphone bestellt und wahlweise nach Hause oder in die Kaserne geliefert werden. Passt etwas nicht, erfolgt auch die Retoure über die App. So kann die KI lernen und sich bei der Passgenauigkeit stetig verbessern.

Das initiale Innovations-Experiment wurde von innoX, einer Innovationseinheit der BWI, erfolgreich abgeschlossen. Das Ergebnis kommt nicht nur bei den Rekruten und Rekrutinnen gut an: BundesWEAR wurde im September als bestes Digitalisierungsprojekt in Bund, Ländern und Kommunen beim 21. eGovernment-Wettbewerb ausgezeichnet. Es spricht also viel dafür, diese App bald einzusetzen. Als Lösungsansatz für andere Organisationen mit Dienstkleidung ist sie aber in jedem Fall auch jetzt schon interessant.

Und noch ein “Klassiker”: der Onboarding-Prozess per Laufzettel. Das haben wahrscheinlich alle schon mindestens einmal erlebt: Mit Beginn an einer neuen Arbeitsstelle oder bei einer Versetzung in einen anderen Arbeitsbereich sind häufig verschiedene Stationen anzulaufen, um sich mit der Organisation oder dem neuen Aufgabenbereich vertraut zu machen. Auch Soldatinnen und Soldaten, die in eine neue

Dienststelle versetzt werden, müssen verschiedene Stationen absolvieren, an denen sie zum Beispiel wichtige Informationen erhalten oder Unterlagen vorlegen müssen. Und das passiert bislang mit einem Laufzettel in Papierform. Der jetzige analoge Prozess ist in der Truppe zwar etabliert, aber starr. Schließlich gibt es, unabhängig vom Dienstgrad und der Person, nur ein Onboarding-Dokument. Damit werden Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Stationen nicht oder nur wenig berücksichtigt und für die Personalabteilungen oder Vorgesetzten ist unklar, wie weit das Onboarding bereits fortgeschritten ist.

Webanwendung für den Dienstantritt

Bundeswehr und BWI haben für den gesamten Prozess eine digitale Lösung entwickelt: Mit dem “Onboarding Assistent Bw” kann das Onboarding von der Personalabteilung individuell per Webanwendung geplant und digital nachgehalten werden. Die Soldatinnen und Soldaten installieren vor Dienstantritt eine App auf ihrem privaten Smartphone und scannen einen personalisierten QR-Code ein. Die App gibt nun vor, welche Stationen in welcher Reihenfolge absolviert werden sollen.

Der Onboarding-Fortschritt wird dabei über die Webanwendung direkt getrackt und unter Berücksichtigung der vorgegebenen Schutzstufen an die Personalabteilung weitergegeben – transparent, effizient und personalisiert. Die digitale Lösung, die von der BWI-Innovationseinheit “Schmiede” zunächst als Minimal Viable Product entwickelt wurde, beschleunigt und vereinfacht den Onboarding-Prozess für die Mitarbeitenden und für die Verantwortlichen im Personalmanagement. Und der Laufzettel auf Papier könnte damit bald Geschichte sein.

Zentrum Digitalisierung aufgestellt

Meilenstein im Projekt CIR 2.0

(BS/ml) Der militärische Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr ist seiner Neustrukturierung unter dem Stichwort “CIR 2.0” einen bedeutenden Schritt näher gekommen. Ab sofort gibt es das Zentrum Digitalisierung und Fähigkeitsentwicklung CIR (ZDigBw) unter dem Kommando von Oberst i.G. Michael Volkmer. Dieses soll nach Vorstellung der Verantwortlichen der “Treiber der Digitalisierung der Bundeswehr” werden.

Die Neuaufstellung fand unter den Augen der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), und des ehemaligen BMVg-Staatssekretärs Dr. Peter Tauber im Rahmen eines feierlichen Appells auf dem Münchner Platz der Bonner Hardthöhe statt.

Zuvor löste der Inspekteur CIR, Vizeadmiral Dr. Thomas Daum, das Zentrum Softwarekompetenz der Bundeswehr auf. Er hob in diesem Zusammenhang hervor, dass eine solche Auflösung zwar immer etwas Wehmütiges an sich habe. In diesem Fall sei die Auflösung aber nur ein Aufbruch hin zu größeren Aufgaben. “Mit der Aufstellung des ZDigBw erreichen wir im Projekt CIR 2.0 einen weiteren und entscheidenden Meilenstein”, erklärte Vizeadmiral Daum. Er betonte darüber hinaus, die Aufstellung des Zentrums sei in einem “extrem hohen Tempo” vorangetrieben worden. Der Kommandeur des Kommandos Informationstechnik der Bundeswehr, Generalmajor Dr. Michael Färber, ergänzte, die Leistungen und Expertisen der Mitarbeitenden des Zentrums Softwarekompetenz würden nun der größeren Einheit zugute kommen. Laut dem Leiter

des Aufbaustabes ZDigBw, Brigadegeneral Armin Fleischmann, geht ein Großteil des Personals den nächsten Schritt mit. Konkret sollen im ZDigBw künftig viele Aufgaben gebündelt werden. Man will so der zentrale Kompetenzträger für alle Digitalisierungsthemen der Bundeswehr werden. Das Stichwort lautet Zentralisierung. Nach Ankündigung Fleischmanns werden das ZDigBw und der IT-Dienstleister der Bundeswehr, die BWI GmbH, ab 2024 in einer strategischen Partnerschaft zusammenarbeiten.

Zu den Aufgaben des Zentrums, welches neben Bonn an den Standorten Euskirchen, Flamersheim, Munster, Berlin, Dresden, München und Amersfoort vertreten sein wird, zählt unter anderem, die Dimension CIR weiter zu konzeptionieren. Daneben soll das Zentrum für digitale Innovationen durch iterative Entwicklung entlang operativer Forderungen sorgen. Auch das Testen von Prototypen sowie Integrationsaufgaben sollen von der neuen Einheit übernommen werden.

Das ZDigBw wird direkt dem Kommando CIR unterstellt sein.

Dies ist Teil der Logik des Plans CIR 2.0, durch den unter anderem Hierarchien flacher werden

und Führungsebenen wegfallen sollen. Dies betrifft vor allem die Zwei-Sterne-Führungsebenen.

So sollen die beiden Kommandos Strategische Aufklärung sowie Informationstechnik der Bundeswehr aufgelöst werden.

“Wir wollen uns verschlanken und Führungsebenen einspa-

ren”, erläutert Vizeadmiral Daum. Die Einsparungen könne man dann in die Fachlichkeit “reinvestieren”. Das Projekt CIR 2.0 entstand aus Lehren einer Strukturanalyse des CIR in den Jahren 2019 und 2020, in deren Rahmen Änderungsbedarfe deutlich wurden.

MELDUNGEN

Digitalisierung der ukrainischen Gefechtsstände

(BS/df)

Die ukrainischen Streitkräfte gewährten seltenen Einblick in ihre Kommandoposten. Paula Bronstein wurde gestattet, Fotos in den Führungszentralen der Ukraine zu machen. Zu sehen ist ein Digitalisierungsgrad, von dem das deutsche Heer nur träumen kann. Während in Deutschland weiterhin vieles am Gesichtspunkt der Sicherheit und Redundanz scheitert, beweisen die ukrainischen Soldaten, dass Digitalisierung auch in einem aktiven Kampf gegen einen überlegenen Gegner nicht nur eine deutliche Kampfwertsteigerung bringt, sondern sich tatsächlich umsetzen und nutzen lässt. So wurde ein lokales Netzwerk (LAN) mit einfachen (handelsüblichen) Mitteln realisiert. Statt Punkte auf Karten zu kleben oder künstlerisch wertvolle Sandkästen zu bauen, sind alle Informationen auf Monitoren in Echtzeit zu sehen. Die Einblicke lassen sogar vermuten, dass Informationen über den aktuellen Status aller

unterstellten Einheiten in Echtzeit in diesem Kommandoposten vorhanden sind. Drohnen liefern die Bilder, Smartphones die Kommunikation.

Jeder IT-Sicherheitsexperte wird nun – zu Recht – sagen, dass diese Anordnung nicht sicher ist. Sie ist leicht zu lokalisieren, zu stören und abzuhören. Zumindest, wenn sie in einem Zelt aufgebaut wäre. Nur was ist, wenn sie sich in einem Keller oder einem Bunker befindet? Müssen alle Systeme wirklich so ausgelegt sein, dass sie immer und unter allen Umständen ein gleiches Maß an Sicherheit erfüllen?

Die ukrainischen Streitkräfte sagen: nein. Wirkung und Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld sind wichtiger als Sicherheitsbedenken. Und sie haben damit Erfolg, obwohl sie gegen einen technisch versierten und militärisch überlegenen Gegner antreten. Ohne Digitalisierung hätten sie schließlich noch weniger Chancen auf einen Sieg.

Ringtausch Ukraine – Griechenland –Deutschland

(BS/df) Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und ihr griechischer Counterpart Nikolaos Panagiotopoulos haben einen Ringtausch zur Unterstützung der Ukraine vereinbart. Griechenland wird hierbei 40 Schützenpanzer BMP-1 an die Ukraine liefern, während die dadurch entstehende Lücke im griechischen Heer durch 40 Schützenpanzer Marder aus deutschen Industriebeständen geschlossen wird.

“Mit den 40 Schützenpanzern BMP-1 erhalten die ukrainischen Streitkräfte ein kampferprobtes und ihnen bestens bekanntes

Waffensystem. Deutschland wird dafür seinem griechischen Alliierten 40 Schützenpanzer Marder aus Industriebeständen übergeben, inklusive dazugehöriger Ersatzteile, Munition und Ausbildung. Die Umsetzung wird sofort beginnen. Dazu wird eine zwischenstaatliche Vereinbarung geschlossen”, berichtet das BMVg. “Damit wird der eingeschlagene Weg zur effektiven Unterstützung der Ukraine und die Unterstützung der deutschen Partner für dadurch entstandene Lücken in der Verteidigungsfähigkeit weiter konsequent fortgeführt.”

Digitalisierung: vom Problem zur Lösung (BS/df) Mitte September fand das Herbst-Symposium des Förderkreises Deutsches Heer (FKH) bei Rheinmetall Electronic Solutions statt. Zwei Tage lang erörterten hierbei Entwickler, Politiker, Soldaten und Vertreter der Industrie die Digitalisierung der Landstreitkräfte.

Zu Beginn des Symposiums hatte dabei der Vertreter des BAAINBw die undankbare Aufgabe, die Rahmenbedingungen des deutschen Rüstungswesens zu verdeutlichen. “Eine Rüstungssekunde ist die Aufstellung des Bedarfs, die Umsetzung im Ressourcenplan und die Umsetzung im Haushalt. Und erst danach, wenn ich die Finanzierungszusage habe, kann ich an die Industrie herantreten”, beschrieb Brigadegeneral Jürgen Schmidt, Leiter der Abteilung Kampf im BAAINBw. “Eine solche Rüstungssekunde dauert drei Jahre.” Dieser Prozess ließe sich nach aktueller Rechts- und Personallage kaum beschleunigen.

Um aus dieser Problemstellung herauszukommen, wurde “D-LBO Basic” aufgesetzt, wie der Chief Digital Officer Heer, Brigadegeneral Frank Pieper, während des Symposiums ausführte. Die übliche Rüstungssekunde werde

dadurch umgangen, dass mit Systemen gearbeitet werden, die sich über bereits bestehende Verträge abrufen ließ. Es muss also nichts den aufwendigen Beschaffungsprozess durchlaufen, sondern es gilt, “nur” vorhandene bzw. unter Vertrag genommene Systeme abzurufen und einzubauen. Wie sich so etwas erfolgreich umsetzen lässt, hatten die Digitalisierungsspezialisten in Bad Bergkamen erprobt, wo sie mit hauseigenen Technikern und Technologien eine Befähigung zur Digitalisierung realisieren konnten.

Brigadegeneral Schmidt warf allerdings ein, dass hierfür eine Adapterplatte in die Fahrzeuge eingerüstet werden müsse. Dies dauere mit Erprobung usw. dann auch wieder seine Zeit. “Diese Adapteranlage führt alle analogen Elemente ins digitale”, beschrieb Brigadegeneral Schmidt. Und sagte, bezogen auf das oft angebrachte Beispiel des Teslas, der nur noch mit Softwareupdates modernisiert wird: “Der Tesla ist von Anfang an digital gewesen. Wir stehen hingegen vor der Herausforderung der Anpassung. Diesem Druck der digitalen Welt mit unseren analogen Plattformen zu begegnen, das ist schon eine Herausforderung.”

500. Kleeblattverlegung aus der Ukraine (BS/bk) Im Zuge der medizinischen Evakuierungsmission (MEDEVAC) fand die 500. Verlegung von Patientinnen und Patienten aus der Ukraine nach Deutschland statt. Seit einem halben Jahr macht Deutschland im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der EU (EU Civil Protection Mechanism, kurz UCPM) diese Flüge. Durchgeführt wird die MEDEVAC dabei in Zusammenarbeit mit dem UCPM-Partner Norwegen. Seit Beginn der Zusammen-

arbeit konnten die beiden Staaten einiges an Erfahrung im Bereich der MEDEVAC sammeln. Sobald die Patienten in Deutschland ankommen, kommt das während der Corona-Krise entwickelte und erprobte Kleeblattprinzip zur Verteilung der Kranken und Verletzten zum Einsatz, welches die Verwundeten und Verletzten je nach Verletzungsmuster oder Krankheitsbild auf verschiedene Krankenhäuser und Kliniken verteilt.

Behörden Spiegel / Oktober 2022Seite 50
Wehrtechnik
Brigadegeneral Armin Fleischmann, Oberst i.G. Michael Volkmer sowie Vizeadmiral Dr. Thomas Daum (v.l.n.r.) mit der Flagge des ZDigBw Foto: BS/Matthias Lorenz
von Martin Kaloudis
Martin Kaloudis
Der Weg zur ersten passenden Ausrüstung ist oft lang und mit vielen Papierformularen versehen. Foto: BS/Bundeswehr, Sebastian Wilke

MELDUNGEN

Erfolgreiche Testschüsse des britischen Mörser-Boxers

(BS/df) In Salisbury Plain, UK, wurde bei einer Demonstration zum ersten Mal ein Mörser von einem Boxer abgefeuert. Das bei diesem Test präsentierte System bestand aus dem Boxer, einem Mörser-Missionsmodul, einer vollautomatischen Zielvorrich tung sowie dem von Rheinmetall Norwegen entwickelten “Mortar Weapon System” (MWS).

Es wurden mehrere 120mmMörsergranaten abgefeuert, das halbautomatische System soll aber laut dem Hersteller Rheinmetall BAE Systems Land (RBSL) problemlos auch klei nere Kaliber bedienen können: “Obwohl bei dieser Gelegenheit keine 81mm-Mörsergranaten ab gefeuert wurden, ist das System multikompatibel. Das heißt, es k ön nen je nach Einsatzanfor

derung Waffen beider Kaliber eingesetzt werden.” Der Boxer bietet dabei eine automatische Zielerfassung und eine hohe Feu errate (16 bis 18 Schuss pro Mi nute) mit 270-Grad-Abdeckung. Das System kann hochexplosive, Rauch- und Beleuchtungsmu nition verschießen. Durch das kompakte Systemdesign bietet diese Version mehr Stauraum für Munition im Fahrzeug. Das MWS ermöglicht es zudem, das Mörsersystem abzubauen und vom Fahrzeug aus zu feuern, falls die Einsatzsituation dies erfordert oder falls bei einem Systemausfall auf eine BackupFunktionalität zurückgegriffen werden muss: Auf diese Weise kann den Soldaten durchgehend eine sichere Feuerunterstützung geboten werden.

Brimstone auf Boxer und Coyote

(BS/df) Eine weitere neue BoxerVariante stellten MBDA Systems und RBSL auf der DVD 2022 vor: Der Boxer “Overwatch” ist mit einem Werfer für acht BrimstonePanzerabwehrlenkflugkörper von MBDA ausgestattet. Das Kon zept entstand als Antwort auf de n B edarf der britischen Ar mee für Mounted Close Combat Overwatch (MCCO) im Rahmen des "Battle Group Organic AntiArmour"(BGOAA)-Programms.

Dieser Brimstone-Boxer soll schnell einsatzbereit sein und die präzise Panzerabwehr auf große Entfernungen leisten. Ursprünglich war der Brimstone als Luft-Boden-Panzerabwehrlenkflugkörper entwickelt worden und wird auch so durch die bri tische Royal Air Force auf deren Tornados und Eurofightern ein gesetzt. Erstmals in der BodenBoden-Rolle wurde der Brimstone wahrscheinlich durch die ukra inischen Streitkräfte eingesetzt.

Im April 2022 lieferte Großbri tannien die Lenkflugkörper an die Ukraine und im Mai 2022 veröffentlichte das ukrainische Verteidigungsministerium ein Video, in dem zu sehen sein soll,

wie bodengestützte Brimstones zwei russische Panzer zerstören.

Die Boden-Boden-Brimstone ermöglichen es also den schwe ren Kampftruppen, gegnerische Verbände und Einzelziele abzu wehren. Im Mittelpunkt des nun vorgestellten Brimstone-Boxers st ehen di e rasche Bereitstel lung einer ersten Fähigkeit mit ak tu eller Ausrüstung und die anschließende Entwicklung mit einer breiteren Integration auf dem Gefechtsfeld.

Einen weiteren neuen Brimstone-Träger konnten die Besu cher der DVD ebenfalls sehen: den Coyote (Herstellername HMT 600). Dieses Konzept wurde ge meinsam von MBDA und Supacat entwickelt, um leichten Truppen eine ähnliche und ergänzende Fähigkeit zu bieten, mit der sich schnell und in großem Umfang Präzisionswirkungen gegen Pan zer erzielen lassen. Diese Fähig keit kann laut Hersteller mit der im Einsatz befindlichen Ausrüs tung wie dem Forsberg Fused Target Locator (FTL) und dem “Mantis Battlefield Management System” integriert und im Laufe der Zeit weiterentwickelt werden.

Luxemburg beschafft Eagle V (BS/df) Wie der stellvertretende Premierminister und Verteidi gungsminister von Luxemburg, François Bausch, bekannt gab, wird Luxemburg 80 gepanzerte Führungs-, Verbindungs- und Aufklärungsfahrzeuge (CLRV) für die luxemburgische Armee vom Unternehmen General Dy namics European Land Systems (GDELS) beschaffen. Die CLRV, die auf dem Eagle V basieren, werden die derzeitigen veralte ten “Hummer” und “PRV” (Pro tected Reconnaissance Vehicle) der luxemburgischen Streitkräfte ersetzen. Die Beschaffung wur de mit der Unterstützung von spezialisierten Teams der NATO Support and Procurement Agency (NSPA) durchgeführt

Bausch betonte: “Die Entschei dung beruht auf drei Aspekten: Erstens, und das ist meiner Mei nung nach der wichtigste, dass unsere Soldaten im Einsatz am besten geschützt sind; zweitens auf der Modernisierung unserer Ausrüstung und drittens der Ge währleistung der Interoperabilität i nnerhal b der Armee und mit unseren Verbündeten.”

Das ausgewählte Fahrzeugsys tem besteht aus den drei Kompo nenten: der Eagle V von GDELS, die fernbedinebare Waffenanlage DeFNder Medium von FN Herstal sowie das Kommunikationssys tem Scorpion von Thales, das mit den Streitkräften von Belgien und Frankreich interoperabel ist.

Frankreich übernimmt erste H160

(BS/df) Die französische Marine hat die erste von sechs H160 übernommen, die für Such- und Rettungseinsätze (Search and Rescue – SAR) vorgesehen sind.

Das Flugzeug ist Teil der Inte rimsflotte, die im Rahmen der Partnerschaft zwischen Airbus Helicopters, Babcock und Safran Helicopter Engines geliefert wird.

“Die Auslieferung der ersten H160 an einen Militärkunden ist ein wichtiger Meilenstein für das H160-Programm”, sagte Bruno Even, CEO von Airbus Helicop ters. “Dies ist die erste Version der H160 für den öffentlichen Be reich weltweit. Außerdem erfolgt die Auslieferung kurz nach der Indienststellung von zwei H160 in diesem Sommer in Brasilien für die Privat- und Geschäftsluftfahrt

und in Japan für Nachrichten gewinnungsmissionen.”

Im Jahr 2020 unterzeichnete die französische Rüstungsgene raldirektion (DGA) einen Vertrag mit Airbus Helicopters, Babcock und Safran über die Lieferung von vier H160 in einer Such- und Rettungskonfiguration (SAR).

Für das Jahr 2021 bestätigte die DGA eine Option für zwei weitere H160. Die erste H160 für die französische Marine wurde im Mai 2022 von Airbus Helicopters an Babcock ausgeliefert. Seitdem wurde sie von Babcock in eine leichte militärische Konfiguration umgebaut. Die modulare Kabine wurde auch für SAR-Einsätze angepasst und ein elektroopti sches System Euroflir 410 von Safran integriert.

Keine Revolution bei der Artillerie

Ukraine erhält bessere Ausrüstung als die Bundeswehr

(BS/Dorothee Frank) Im Juli 2012 erschien im Behörden Spiegel mit dem Artikel “Revolution bei der Artillerie – deutsch-italienische Konkurrenz für Excalibur” eine erste Beschreibung der Präzisionsmunition Vulcano. Diese sollte nicht nur präziser, sondern auch weitreichender sein als bisherige Artilleriemunition. Heer und BAAINBw zeigten sich von den erfolgreichen ersten Tests, die damals in Südafrika stattfanden, begeistert.

Die Bundeswehr könnte zeitnah einen enormen Fähigkeitsauf wuchs erreichen, so die dama ligen Aussagen von offiziellen Vertretern. Heute, zehn Jahre später, wurde Vulcano noch im mer nicht in die Bundeswehr eingeführt. Dafür will Deutsch land 255 Schuss Vulcano-Ar tilleriemunition an die Ukraine liefern, aus Industriebeständen.

Beispielhafte Rüstungsbeschaffung

Deutschland will Vulcano in zwei Varianten beschaffen: Die Marineversion verwendet Kali ber 127mm, jene für das Heer 155mm. Im “5. Bericht des Bun desministeriums der Verteidigung zu Rüstungsangelegenheiten” vom April 2017 ist an Vorhaben für den Dezember desselben Jah res zu lesen “Großkaliber 155mm, gelenkte Munition VULCANO, Qualifizierungsprozess: Erpro bungsschießen in Südafrika (Al kantpan Test Range)”.

Im September 2019 kam schließ lich die Mitteilung aus der Indus trie: “Im Auftrag der deutschen und italienischen Regierung ha ben die Unternehmen Leonardo und Diehl Defence die präzisi onsgelenkte Munitionsfamilie Vul cano 127mm und 155mm entwickelt und das zwischen Deutschland und Italien verein barte Qualifikationsprogramm für die 127mm erfolgreich durchge führt. Für die Vulcano 155mm st ehe n die Qualifikationstests gemäß dem vereinbarten Pro gramm kurz vor dem Abschluss.” Mindestens seit 2017 in der Qualifizierung und dennoch bis her nicht eingeführt. Ein Beispiel dafür, wie sich R üstu ngspro zesse hinziehen können, sogar bei etwas vergleichsweise Ein fachem wie Artilleriemunition.

S o sagte ein e Sprecherin des Verteidigungsministeriums dem Behörden Spiegel noch vor kur zer Zeit: “Vulcano 155mm ist in der Qualifikationsphase und noch nicht in die Bundeswehr eingeführt.”

Hintergrund für die bisherige Nichteinführung ist der notwen dige Umbau der für das Verschie ßen vorgesehenen Panzerhau bitze 2000 (PzH2000). So wurde im Januar 2021 dem Behörden Spiegel durch eine Sprecherin des BAAINBw mitgeteilt: “Deutsch land beabsichtigt, die Lenkmu nition Vulcano in die Bundes wehr einzuführen und durch die PzH2000 verschießen zu können.

Dies macht Umbaumaßnahmen notwendig, da die Munition län

ger als die bisher verwendete Standardmunition ist. Diese Er weiterung auf 1.000mm lange Munition ist auch für die Nieder lande interessant, da zukünfti ge reichweitengesteigerte und gelenkte Munition in der Regel eine Erhöhung der Gesamtlänge des Geschosses erfordert.” Nun lautete die aktuelle Ant wort aus dem Verteidigungs ministerium: “Der Umbau der Panzerhaubitze (Hardware) für den Verschuss von Munition bis 1.000mm Gesamtlänge ist unter Vertrag.” Die Sprecherin des BMVg führte weiter aus: “Grundsätzlich könnten bereits heute alle Panzerhaubitzen im Verfügungsbestand die Munition verschießen.”

Die Betonung sollte auf dem Wort “könnten” liegen. Die deut schen Panzerhaubitzen 2000 “könnten” Vulcanos verschie ßen, wenn die Munition denn beschafft und vor Ort wäre. Ist sie aber nicht. Stattdessen geht die aktuelle Produktion in die Ukraine, die dann wiederum diese mit den Panzerhaubitzen nicht nur verschießen können, sondern auch werden. Der in Deutschland unter Vertrag stehende Umbau ist schließlich nur notwendig, um eine bestimmte Ladefunktion zu nutzen. Dennoch war dies bisher in Deutschland offiziell der Showstopper. Seit fast zehn Jahren.

Vom Können und Wollen

Nun ist dies ein Beispiel für viele, wie systematisch Einfüh rungen in der Bundeswehr ver schleppt wurden. Die Industrie hat vor zehn Jahren ein fertiges Produkt präsentiert, die Quali fikationsmaßnahmen wurden immer wieder hinausgezögert, notwendige Erweiterungen am System nicht durchgeführt – und am Ende sagen die Beschaffer: “Ja, aber es existiert doch noch gar kein eingeführtes Produkt, das muss ja noch zu Ende entwi ckelt werden. Ich will nur fertige Produkte kaufen.”

So bequem es jetzt wäre, die Schuld – wie üblich – dem BAAIN Bw zuzuschieben, es träfe den Falschen. Nicht übergründliche Prüfer, sondern Geldnot diktierte die ständigen Verschiebungen. Schließlich ist die Artillerie, so präzise sie auch sein mag, nicht das beste Mittel für die Kleinst kontingenteinsätze, die zudem nach Möglichkeit gar nichts be kämpfen oder zerstören sollten.

Selbst die deutschen Kampf panzer waren kaum in den Ein satzgebieten zu sehen, Artillerie

noch viel weniger. Der klassische Landkampf schien schließlich passé und wenn das Geld nur noch für eine Rumpfarmee reicht, dann lassen sich einige Projekte einfach nicht realisieren. Diese Streichungen trafen vor allem Bevorratung und Munition – für die Einführung neuer Munition existierte noch weniger Geld.

Es traf IDAS, es traf den LFK NG, PAC-3 MSE und eben auch Vulcano.

Die ukrainischen Streitkräfte als modernste Armee

Für die Ukraine zählt die Wirk samkeit. Und da ist die Vulcano in der Lage, erstens punktge nau zu treffen und zweitens ei ne Strecke von bis zu 80 km zu überbrücken. Zu den aktuellen Fähigkeiten der deutschen Pan zerhaubitzen schreibt die Bun deswehr: “Mit der eingeführten Standardmunition erreicht die Haubitze Schussentfernungen von 30 Kilometern, mit reich weitengesteigerter Munition sind sogar 40 Kilometer möglich.” In Zukunft kann das ukrainische Heer also fast doppelt so weit und wesentlich präziser schießen als das deutsche Pendant, inklusive Missionsabbruchfähigkeit.

Für die deutschen Soldatinnen und Soldaten wird sich diese Situation zudem absehbar nicht ändern, da die halbwegs “über zähligen” PzH 2000 aktuell alle an die Ukraine gehen. Es ist also überhaupt keine Schwungmasse mehr übrig, die umgebaut wer den könnte, um den deutschen Anforderungen an die Vulcano gerecht zu werden.

Dementsprechend werden die ukrainischen Streitkräfte ab sehbar zwar weniger Systeme besi tzen als die Bundeswehr, diese verfügen aber über eine stärkere Kampfkraft.

Fähigkeiten der Vulcano

Zu den Fähigkeiten sei hier der im Juli 2012 erschienene Artikel zitiert, da sich seitdem technologisch nichts veränderte: Grundlage der hervorragenden Zielgenauigkeit von Vulcano ist die Option, zwischen GPS- und Laserzielerfassung auswählen zu können. Excalibur fliegt hin gegen rein mit GPS-Ortung. Der Vorteil der satellitengestützten GPS-Navigation liegt in der Wet terunabhängigkeit. Wolken oder keine direkte Sicht auf das Ziel stellen dabei kein Problem dar.

Der Nachteil liegt darin begrün det, dass mit reiner GPS-Naviga tion immer nur eine vorgegebene

Koordinate angeflogen wird – also nicht zwangsläufig das anvisierte Ziel. Die Zielortungsfehler kön nen nicht kompensiert werden, es wird also im Prinzip mit ho her Präzision am Ziel vorbeige schossen. Deshalb setzen die USA Excalibur vorrangig auch nur gegen weiche Punktziele ein, die laut Artilleriedefinition eine Ausdehnung von 30 x 30 Metern besitzen. Sogenannte chirurgi sche Schläge oder die Nutzung gegen fahrende Ziele sind nicht vorgesehen und auch nicht re alisierbar.

Vulcano erreicht die höhere Prä zision mit der Laserzielerfassung. Hierfür markiert (beleuchtet) ein Joint Fire Support Team (JFST) das Ziel, sei es nun stationär oder beweglich. Die Vulcano trifft dann die Zielmarkierung mit höchs tens einem Meter Abweichung, wobei die Geschwindigkeit von bewegten Objekten keine Rolle spielt. Der Vorteil der Laserzielerfassung ist die große Präzision, die Erfüllung der Vorgabe von “Keep Eyes On Target” und die Missionsabbruchfähigkeit. Der Nachteil liegt darin, dass das JFST in der Zielendanflugphase einen durchgehenden Sichtkon takt zum Ziel haben muss. Ein Fahrzeug, das sich durch einen Wald bewegt, ist also für diese Art der Zielerfassung nicht geeignet.

Andere Systeme hatten zudem immer Probleme mit Wolken, da sie die Laserzielerfassung durch die Munition unterbrechen konn ten. Ein Manko, das die Vulcano – als bisher einzige Artilleriemu nition – ebenfalls nicht mehr be sitzt. Selbst tiefhängende Wolken kann die Vulcano unterfliegen.

Der Beweis hierfür wurde be reits in realen Schießversuchen erbracht.

Der Zielendanflugmodus wird bei Vulcano je nach Zielart (Ein zelziele, Punktziele) durch die Einsatztruppe vorgeben. Hierbei kann unterschieden werden zwi schen SAL-Modus (Laser) und GPA-Modus (GPS).

Ein weiterer Pluspunkt für Vul cano ist die Reichweite. Diese liegt bei rund 80 Kilometern (Land) bzw. 100 Kilometern (See) und damit fast doppelt so hoch wie die von Excalibur. Selbst die rein lasergelenkten russischen Artille riegeschosse kommen im Schnitt auf höchstens 30 Kilometer.

Der Artikel aus dem Juli 2012 schloss mit den Worten: “Die Qualifikationsmaßnahmen lau fen in diesem Jahr an, sodass 2014 das System der Truppe zugeführt werden kann.”

Behörden Spiegel / Oktober 2022 Seite 51
Wehrtechnik
Seit 2012 warten die deutschen Panzerhaubitzen 2000 nun schon auf die Revolution bei der Artillerie – doch wird diese in absehbarer Zeit nicht kommen. Foto: BS/Bundeswehr, Andy Meier

“Ursprünglich wollte ich Har

fenbauer werden”, sagt Dr. Gisbert Hemprich, als er von seinem universitären Werdegang berichtet. Als Zivildienstleisten der habe er die Holzwerkstatt in einem Jugendhaus geleitet und in seiner Freizeit baute er dort seine erste keltische Harfe. Nach dem Zivildienst unternahm er eine Rundreise durch Irland, um eine Lehrstelle als Harfenbauer zu fin den. Enttäuscht muss er jedoch feststellen, dass es dieses Aus bildungskonzept dort gar nicht gibt. Man riet ihm: “Kauf dir Holz und fang einfach an damit, so haben es alle bei uns gemacht.” Daher entschied er sich dann doch, einen akademischen Weg einzuschlagen.

Der 62-Jährige (GEW-Mitglied, Mitglied in Naturschutzorgani sationen und bei der lokalen Agenda 21, Vater dreier Kinder) ist seit 2007 in der A bteilung für Keltologie als Wissenschaft licher Angestellter tätig. Zu sei nen Aufgaben gehören in erster Linie das Unterrichten (eine Lei denschaft von ihm) und Verwal tungsaufgaben, hinzu kommt noch ehrenamtlich das zeitauf wendige Verfassen von Gutach ten. Zusammen mit seiner Frau Dr. Irene Balles fungiert er de facto als Leitung der Abteilung, da die Keltologieprofessur seit 2011 nicht nachbesetzt wurde. In seiner Forschung beschäftigt sich Hemprich in erster Linie mit der keltischen Sprache Irlands, dem Gälischen, und mit mittel alterlichen irischen Texten, kurz gesagt mit irischer Mediävistik. Ursprünglich wollte er allerdings gar nichts mit dem Mittelalter und den dazugehörigen Texten zu tun haben.

Ins Thema gerutscht

Hemprich studierte Volkskunde im Hauptfach und Keltologie im Nebenfach. Einen keltologischen Schwerpunkt wies schon sei ne Abschlussarbeit auf, in der er sich mit der Etablierung der Volkskunde in Irland und mit dem ersten irischen Präsiden ten Dubhghlas de hÍde (Douglas Hyde) und dessen Bemühungen um die Wiederbelebung der mo dernen irischen Sprache beschäf tigte. Dass Hemprich überhaupt Keltologie studieren konnte, lag u. a. am Anglistikprofessor Dr. Herbert Pilch, der in Freiburg von 1961 bis 1991 Unterricht auch im Fach Keltologie anbot.

“Aufgrund seines Ranges und

Mehr als Feenglaube und Dudelsackmusik

Namens erlaubte ihm die Uni versität Freiburg, die Keltologie quasi als “Hobby” in Freiburg zu etablieren. Kleine Fächer wie die Keltologie führten früher oft nur eine Nischenexistenz”, erklärt Hemprich.

Neben Prof. Pilch gab es in Frei burg noch Prof. Hildegard Trist ram, die mittelalterliche irische Literatur untersuchte. Sie war Teil eines Sonderforschungs bereiches und bot Hemprich 1990 an, in ihrem Projekt mit zuarbeiten. Entgegen seiner bisherigen Beschäftigung mit der modernen irischen Sprache solle er jetzt die älteste irische Dichtung aufarbeiten. Man rechnete damals mit einem Cor pus von etwa 30 Texten. Dass dies ein e Feh lschätzung war, sollte sich bald zeigen. Denn das sogenannte Prosimetrum, d. h. Prosa, in die zahlreiche Gedichte eingebunden sind, ist die wichtigste Textform des iri schen Mittelalters. Das Ergebnis des Projekts war daher sehr viel umfangreicher als erwartet: Es kamen mehr als 3.000 statt nur 30 Einträge zusammen. Das Katalogprojekt beschäftigt Hemprich noch heute, es wird sukzessive erweitert. Ob es nun an dieser Mammut-Aufgabe lag oder an den mangelnden Mög lichkeiten: Ein ganz anderes Interesse von Hemprich musste in seiner wissenschaftlichen Karriere auf den zweiten Platz verwiesen werden.

Leidenschaft fürs Bretonische Gerade das Bretonische, also die keltische Sprache der Bre tagne, die er schon als Gym nasiast kennengelernt hatte, sowie die bretonische Kultur insgesamt, haben es Hemprich angetan. Insbesondere “Kan ha diskan”, die Kombination aus Tanz und bretonischem Acapella-Gesang, führte dazu, dass sich viele junge Leute für die Sprache interessierten. In jungen Jahren reiste Hemprich durch das Gebiet der Bretagne und musste erleben, dass es schwer war, mit Bretonen auf

Abteilung für Keltologie des IAAK Bonn

Was genau ist Keltologie? His torisch gesehen ist das Fach als ein Zweig der Indogermanistik (Forschung der Sprachverwandt schaft und -entwicklung der indoeuropäischen Sprachen) entstanden und wurde irgend wann zu einem eigenständigen Fach. Die Keltologie beschäftigt sich mit der Erforschung und Aufarbeitung der Sprache und Kulturgeschichte der Kelten. Doch wer waren oder sind die Kelten überhaupt? Bei den Iren, Schotten und Walisern sind die keltischen Wurzeln in ihrer Sprache und Teilen ihrer Kultur unübersehbar. Darüber hinaus weist auch die Bretagne Elemente keltische Kultur und Sprache auf, weit weniger aber in vielen anderen Teilen Europas. Der Großteil der Forschung in der Keltologie kon zentriert sich auf die namentlich genannten also überall dort, wo zahlreiche Schriftzeugnisse durch klerikale Schreiber seit dem Mittelalter vorhanden sind. Diese Texte stellen nicht nur die Grundlage für die Forschung bereit, sie sind teilweise auch aus heutiger Sicht unterhalt sam und dadurch attraktiv. Aufgrund des starken christlichen

Einflusses auf zuvor mündlich überlieferte Geschichten und Mythen bieten sie jedoch nur ein verzerrtes Bild, welches es zu entschlüsseln gilt. Es gibt aber auch viele andere Textformen wie z. B. archaisch anmutende Rechtstexte zu un tersuchen. Rudolf Thurneysen (*1857–†1940), einem Schwei zer Sprachwissenschaftler und einer Koryphäe der Keltologie, wurde für seine Forschungen sogar ein Ehrendoktor in Jura verliehen.

Rudolf Thurneysen war es auch, der die Keltologie in Bonn An fang der 1910er-Jahre innerhalb der Indogermanistik etablierte. Seitdem blieb das Fach trotz mehrfacher Umstrukturierungen bestehen, die Indogermanistik hingegen wurde abgeschafft. Seit 2005 ist Keltologie eine Ab teilung innerhalb des Instituts für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie. Nach Vereinheitli chung der Abschlusssysteme durch die Bologna-Prozesse ist die Keltologie in Bonn nur noch im Bachelor als Nebenfach studierbar. Es werden die Spra chen Irisch und Walisisch sowie ein allgemeiner Grundlagenkurs angeboten.

Bretonisch zu kommunizieren.

Warum die Menschen der Bre tagne so verschlossen gegen über ihrer eigenen Sprache sind, lässt sich in Teilen mit dem Tourismus der Region begrün den. Was heute als zusätzliches Al l einstellungsmerkmal und Tourismusmagnet genutzt wird, nämlich die Zweisprachigkeit, galt dem französischen Staat früher als zu überwindende Rückständigkeit.

Auch in der Forschung ist das Bretonische zum Bedauern von Hemprich oft nur zweitrangig. Bei seinem Beschäftigungsbe ginn in Bonn plante der studierte Volkskundler, das Bretonische in Zukunft wieder stärker im Fach Keltologie zu verankern. Das ist nicht gelungen und heu te bezeichnet er seine damalige Hoffnung als naiv. Er konnte nicht ahnen, wie ungünstig sich die Situation der Abteilung für Keltologie in Bonn noch verän dern würde.

Verwaiste Professur

In den Jahren seit 2011 ist die Keltologie auf einem besonde ren Weg unterwegs. Nach dem Fortgang des vorherigen Profes sors, Dr. Stefan Zimmer, blieb die Professur unbesetzt, obwohl es halbherzige Versuche der Wie derbesetzung mit hochqualifizier ten Bewerbern gegeben hat. Die verwaiste Professur zeitigte für Hemprich und seine Kolleginnen und Kollegen negative Folgen.

Im übergeordneten Institut für Anglistik, Amerikanistik und

Keltologie (IAAK) sah man of fenbar eine günstige Gelegenheit, weitreichende Sparmaßnahmen im geschwächten Teilbereich durchzusetzen. So wurden Mit tel der Keltologie reduziert und Planstellen abgezogen. Von 2011 bis Oktober 2022 bestand die Keltologie nur noch aus zwei festen Mittelbaustellen, zwei ex ternen Lehrbeauftragten sowie einer studentischen Hilfskraft – und natürlich der unbesetzten Professur.

Mit der gesunkenen Zahl an Kollegen musste die Mehrarbeit von den Verbleibenden aufge fangen werden. Das führt dazu, dass Hemprich weniger Zeit für die Forschung bleibt als zuvor. Im A llgemeinen beschreibt er den Prozess, der sich seit 2011 rund um die Keltologie in Bonn abspielte, als sehr frustrierend. “Versuche, die Keltologie wieder aufzubauen, scheiterten damals am übergeordneten Institut. Es drängte sich der Eindruck auf, dass man dort der Meinung war, es brauche keine deutsche Kel tologie”, berichtet Hemprich. Die Idee, das Fach zu einem voll wertigen Master- und Promo tionsstudiengang auszubauen, wurde verworfen. Es wurde im Gegenteil zu einem Nebenfach degradiert.

“Durch die Reduktion auf ein Nebenfach wird der Keltologie die Möglichkeit genommen, den notwendigen akademischen Nachwuchs heranzuziehen”, erläutert Hemprich. Denn ohne Doktoranden könne es auch kei

ne zukünftigen Keltologie-Pro fessoren geben, die in Deutsch land ausgebildet wurden. Zwar könnten Keltologie-Professuren auc h mit Personen aus zum Beispiel Irland oder Wales be setzt werden, allerdings stün den diese laut Hemprich in einer anderen Fachtradition als deut sche Wissenschaftler. “Sie sind meistens zu quellengläubig, da mittelalterliche Überlieferu ng Teil ihrer Kulturgeschichte ist, und zu häufig auch als Teil ihrer nationalen Identität gilt. Dann mangelt es an der Distanz zum Material, die man aber haben muss, um seinen Untersuchungsgegenstand neu tral betrachten zu können.” Es sei sogar so, dass früher viele später große insulare Keltolo gen eine Zeit lang in Deutsch land und insbesondere Bonn forschten und lehrten, wo sie sich automatisch eine distan ziertere Herangehensweise an ihre Überlieferung aneigneten, erklärt Hemprich. “Auch aus diesem Grund ist eine deutsche Keltologie unverzichtbar.”

“Der Unwille von damals, die Keltologie-Professur schnell und adäquat wieder zu besetzen, führte bei mir zu Verbitterung”, fasst Hemprich seine Stellung zu den Ereignissen der letzten Jahre zusammen. Dabei ging auch die Motivation verloren, sich weiterhin in irgendwelchen Gremien der Uni ehrenamtlich einzubringen. Sich vehement für sein Fach und die Studierenden eingesetzt zu haben, habe sich hingegen immer gelohnt. Für die Wissenschaftslandschaft in Deutschland sowieso, aber nicht zuletzt wären auch die Stellen von Hemprich und Bal les bedroht gewesen, wäre das Fach Keltologie in Bonn ganz abgeschafft worden.

Kursänderung in Sicht

Vor diesem Hintergrund sei es umso erfreulicher, dass im letz ten Jahr die Bemühungen um die Wiederbesetzung und die Suche nach passenden Kandi datinnen und Kandidaten wie der aufgenommen wurden. “Mit einer Neubesetzung ab Oktober 2022 durch Dr. Elena Parina, die in Moskau über Mittelkymrisch promoviert und seit 2012 an der Uni Marburg ist, beginnt eine

neue Ära der Keltologie in Bonn. Erstmals wird mit ihrer Ankunft dann der Fokus des Faches ne ben dem Irischen auch auf das Kymrische/Walisische gelegt werden”, berichtet Hemprich. Zudem sind neue Projektstel len und neue Hilfskraftstellen zu erwarten. Damit wird Bonn vielseitiger in der Forschung auf gestellt sein, womit ein Allein stellungsmerkmal der Bonner Keltologie gegeben wäre.

Von wegen inaktuell

Gerechtere Arbeitsverteilung und die zu erwartende Teamar beit bedeuten, dass auch wieder mehr Zeit für die Forschung zur Verfügung steht. Und da beschäftigt sich Hemprich nicht nur mit den mittelalterlichen Prosimetra, sondern auch mit brandaktuellen Themen wie etwa dem Vergleich genozi daler Gewalt gegen die Iren, ausgeführt von den englischen Usurpatoren im 17.–18. Jahr hundert, mit genozidalen Hand lungen im aktuellen Krieg Russ lands gegen die Ukraine. Was Irland mit der Ukraine zu tun hat, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Geografisch könnten die beiden Orte inner halb von Europa kaum weiter auseinander liegen. “In beiden Fällen ist das Ziel die Aberken nung der eigenständigen Kultur und Sprache einer Bevölkerung, um diese unterdrücken, ver drängen oder eliminieren zu können. Genozidale Ideen wer den immer von legitimierender Literatur und entsprechenden politischen Reden begleitet”, er läutert Hemprich. “Im Falle von Irland ist von irischen Gelehrten versucht worden, mit Werken wie dem mittelalterlichen “Lebor Gabála” (Buch der Besiedelun gen) dieser englischen, abwer tenden Literatur entgegenzu wirken”, führt er weiter aus.

In einem solchen Prozess, so Hemprich, bedurfte es der Hilfe von außen, von wohlwollenden ausländischen Kräften, um die irische Eigenständigkeit und Kultur zu erhalten. In Irland sei das erst nach einer langen und schmerzhaften Periode gelun gen. Die Spannungen in Nordir land zeigt aber, dass noch nicht alle Wunden verheilt seien. und die Engländer hätten sich nie für das von ihnen angerichtet Unheil an den Iren entschuldigt.

Deutsch-irische Beziehungen

Ein Beispiel für solche auslän dische Hilfe findet sich z. B. im 19. und beginnenden 20. Jahr hundert. Nach gescheiterten Bemühungen, das Irische in der höheren Schulbildung zu etablieren, gründeten deutsche, französische und irische Gelehr te Anfang des 20. Jahrhunderts die School of Irish Learning. Das trug dazu bei, dass Irisch später sogar ein universitäres Fach werden konnte, was bei der Identitätsbildung der irischen Nation weiterhalf. Umgekehrt unterstützt die irische Regie rung heute das Fach Keltologie, wenn dort irische Sprachkurse angeboten werden. Beim “Studi enhaus für keltische Sprachen und Kulturen” (SKSK) in Königs winter, einer Außenstelle der Universität, besteht seit Jahren eine Kooperation zwischen bei den Ländern. Hemprich ist dort seit vielen Jahren Vorsitzender. Das SKSK bekommt Fördermit tel der irischen Regierung und diese Förderung hilft, irisches Kulturgut bekannt zu machen und die irische Sprache zu för dern. Durch die Beihilfe können z. B. Sprachkurse sehr kosten günstig angeboten werden.

Auf jeden Fall steuert Gisbert Hemprich mitsamt der Keltologie in Bonn interessanten Zeiten entgegen und hofft, nach dem langjährigen Abbau des Faches nun auch noch eine Aufbaupha se und das Wiedererblühen des Faches mitzuerleben.

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Gisbert Hemprich ist Dozent für Keltologie an der Uni Bonn (BS/Sven Rudolf) “Keltologie, was versteht man darunter?” Eine Frage, die viele Keltologiestudierenden gestellt bekommen. Als Dozent in der Abteilung für Keltologie an der Universität Bonn weiß Gisbert Hemprich um die Herausforderungen, Freuden und Leiden, die ein kleines Studienfach mit sich bringt. Das Book of Ballymote ist ein wichtiges iri sches Schriftstück aus dem späten 14. Jahr hundert. In ihm ist unter anderem auch das Lebor Gabála enthalten, welches von den sechs Besiedlungen Irlands berichtet.
Foto: BS/ Wiki
Commons Hemprich setzt sich in seiner Funktion sehr für das Fach Kel tologie und seine Studierenden ein. Foto: BS/privat Das SKSK baute vor einigen Jahren ein Currach, ein traditionelles irisches Boot, das mit Leder und Leinwand bespannt ist. Foto: BS/SKSK

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