Behörden Spiegel Juli 2022

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VII / 38. Jg / 27. Woche

Berlin und Bonn / Juli 2022

www.behoerdenspiegel.de

Schlankes Modell, breiter Service

Zwischen EncroChat und DFL

Im Sinne der Verhältnismäßigkeit

Michael Boddenberg zur Grundsteuer in Hessen ......................... Seite 7

Bremens Innenminister Mäurer zur Auseinandersetzung mit der Deutschen Fußball Liga �� Seite 38

Laura Stieg: Wenn es die Bauaufsicht ins Fernsehen schafft ������������������������������ Seite 48

Jeder Übergriff ist einer zu viel

Hilfeleistungsgesetz soll reformiert werden (BS/mfe) Der Bremer Senat hat über das Gesetz zur Änderung des Hilfeleistungsgesetzes beraten. Eine wesentliche Änderung betrifft die Feuerwehr. Bislang gab es in Bremen brandschutztechnische Begehungen von Gebäuden mit erhöhtem Brand­risiko (sog. Brandverhütungsschauen) lediglich anlassbezogen. Den beiden Stadtgemeinden wird mit der neuen Regelung die Möglichkeit eingeräumt, die Details zur Durchführung von Brandverhütungsschauen in einem Ortsgesetz festzulegen und für die Umsetzung refinanziertes Personal vorzusehen. Im Rettungsdienst ändert sich das Einsatzspektrum stetig. Die Einsatzzahlen steigen kontinuierlich. Außerdem wirken sich der demografische Wandel und der Fachkräftemangel aus. Für ein flexibles und kurzfristiges Reagieren auf diese Herausforderungen soll eine Experimentierklausel ins Gesetz aufgenommen werden.

Flächenziele für Windräder

(BS/mj) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) planen Flächenziele für Windräder von 1,4 Prozent der Bundesfläche bis 2026 und zwei Prozent bis 2032. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, begrüßte die Entscheidung und erklärte, dass dafür auch die Ausbaugeschwindigkeit erhöht werden müsse. Verfahren müssten schneller und bürokratische Hürden abgebaut werden, ohne den Artenschutz und Landschaftsschutz gegeneinander auszuspielen: “Die Länder müssen liefern und überregional verbindlich diese Flächen für jedes Land ausweisen. Gleichzeitig muss klar festgelegt werden, für welche Gebiete Windanlagen tabu sind, weil dort bedrohte Vögel brüten”, so Dedy. Adressfeld

G 1805

Studie offenbart Dunkelfeld bei Gewalt gegen Beschäftigte / Alle sind gefordert (BS/Jörn Fieseler) Jeder vierte Beschäftigte im Öffentlichen Dienst ist das Opfer von Beleidung, Bedrohung, (versuchter) Körperverletzung, (versuchter) Tötung oder von sexuellen Übergriffen geworden – kurzum von Gewalt. So das Ergebnis einer neuen Studie. Besonders dramatisch: die Größe des Dunkelfeldes. 70 Prozent aller Vorfälle werden nicht gemeldet. Die Gründe sind vielfältig, werfen jedoch kein gutes Licht auf die öffentlichen Arbeitgeber. Es ist Zeit, zu handeln. Über die Arbeit und die Arbeitsstätte hinaus. “Wir müssen mehr tun, um die Menschen zu schützen, die unser Land jeden Tag am Laufen halten – ob auf dem Amt oder als Retter in der Not”, betont die Chefin des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI), Nancy Faeser (SPD), anlässlich der Vorstellung der Studie “Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst”. Das sei nicht nur ein Gebot der Fürsorgepflicht des Dienstherrn oder Arbeitgebers, sondern auch eine Frage des Schutzes der Demokratie vor Verrohung, Hass und Gewalt. Die im Auftrag des BMI zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dem DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) erstellte Studie “offenbart enorme Lücken”, sagt Yasmin Fahimi, Vorsitzende des DGB. Zwar haben rund 25 Prozent der Beschäftigten schon Gewalt gegen sich erlebt, doch nur drei von zehn Fällen werden gemeldet. “Wichtig ist, jeden Übergriff ernst zu nehmen, zu melden und zur Anzeige zu bringen. Hier darf es keine falsche Scham und keine Hürden geben”, fordert deshalb Bundesinnenministerin Faeser. Allerdings glauben 56 Prozent der Befragten, eine Meldung würde nichts bringen. 55 Prozent sehen die Übergriffe als nicht meldungswürdig an. Für ein Drittel ist der bürokratische Aufwand zu hoch. Schockierend sind jedoch drei

Beleidigungen, Bedrohungen oder Körperverletzungen: Die Zahl derer, die im Öffentlichen Dienst Opfer von Gewalt geworden sind, ist erschreckend hoch. Noch schlimmer: Die meisten Fälle werden nicht gemeldet. Foto: BS/unitypix, stock.adobe.com

andere Aspekte: Erstens kritisieren 17 Prozent, von der Behörde gebe es keine Unterstützung. Jeder Zehnte ist der Ansicht, dass zweitens eine Meldung nicht gern gesehen sei und hat drittens Angst, selbst Konsequenzen ertragen zu müssen. Drei Prozent gaben sogar an, Vorgesetzte hätten angewiesen, den Übergriff nicht zu melden. “Das sind unhaltbare Zustände,

die die Arbeitgeber beseitigen müssen”, fordert Fahimi. Dazu gehöre, die Führungskräfte für die Wichtigkeit von Präventivund Nachsorge­maßnahmen zu sensibilisieren – und möglichst unkomplizierte Meldeverfahren zu etablieren, so die DGB-Vorsitzende. Ulrich Silberbach, Vorsitzender des DBB, fordert: “Wir brauchen bundesweit umfängliche Handlungsempfehlungen,

um die Kolleginnen und Kollegen nachhaltig zu schützen. Und ihnen in dem Fall, der dann trotz bestmöglicher Prävention doch eintritt, konsequent und sofort zur Seite zu stehen.” Faeser verlangt über den Schutz der Beschäftigten hinaus: “Die Täter müssen hart verfolgt werden.” So wichtig und richtig der breite Konsens ist, dass jede Attacke auf die Repräsentanten und

Beschäftigten des Staates ein Angriff auf die demokratischen Institutionen und Werte ist, so fehlt ein entscheidender Ansatz bei der Prävention. Es reicht nicht, die Beschäftigten aufzufordern, jeden Vorfall zu melden. Es reicht nicht, Führungskräfte zu sensibilisieren und Betroffene bestmöglich zu unterstützen. Es reicht auch nicht, die Täter hart zu verfolgen. Viel wichtiger ist der gesellschaftliche Diskurs über einen respektvollen Umgang miteinander. Dafür ist die Ergebnispräsentation der jüngsten Studie ein geeigneter Anlass. Doch auch schon die Untersuchung der Körber-Stiftung mit dem Titel “Angriffe auf die Kommunalpolitik. Hass und Gewalt entgegentreten” war ein solcher Anlass. Der Diskurs ist nicht nur anzufachen, sondern er muss am Lodern gehalten werden. Die Kampagne des DGB “Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch”, ist dazu ein richtiger Ansatz. Ebenso die Unterzeichnung der “Hannoverschen Resolution” durch den niedersächsischen Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) und den Vorsitzenden des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, gegen Gewalt gegen Einsatzkräfte (siehe Seite 42). Vor allem aber im Alltag und in den Sozialen Medien muss diese Debatte geführt werden.

Kommentar

Ausschreibung hängt (BS) Der Wettbewerb um den Rahmenvertrag für P20 ist nach der fachlichen Entscheidung für das von Accenture geführte Konsortium aufgrund einer Beschwerde eines anderen Anbieterkonsortiums in die Vergabeprüfung gegangen. Die Vergabekammer beim Bundeskartellamt hat nicht entschieden, sondern zur mündlichen Anhörung geladen. Das verzögert den Zuschlag. Ziel der Rahmenvereinbarung zur Umsetzung der digitalen Transformation der Polizeien hierzulande ist es, in den nächsten Jahren im Zusammenspiel mit der P20-Progammleitung Konzeption, Planung, Aufbau, Migration und Transformation zu einer gemeinsamen, modernen und einheitlichen Informationsarchitektur für die Polizeien des Bundes und der Länder zu realisieren. Diese Aufgabe umfasst die Koordination und Integration des geplanten gemeinsamen P20-Datenhauses mit allen derzeitigen und künftigen Teilprojekten. Hierzu bedarf es einer langfristigen Organisation von Projektmanagement und Governance, um die Akteure in Bund und Ländern einzubinden, darunter polizeiliche Ansprechpartner, aber auch externe

Dienstleister wie Dataport, Bundesdruckerei und Datenzentren in den Ländern. Sollten alle Teilnehmer des nun klagenden Konsortiums weiterhin bei der Stange bleiben, wird das Ganze wohl beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf landen, wo erfahrene Richter in Sachen Vergabestreitigkeiten sitzen. Doch das ist noch nicht ausgemacht. Denn die Beschwerde könnte nach Expertenmeinung schon bei der Vergabekammer des Kartellamtes scheitern. Dennoch bliebe dem Konsortium um Materna der Weg zum OLG offen. Allerdings liegen der Behörden Spiegel-Redaktion Informationen vor, dass darüber Uneinigkeit innerhalb des Konsortiums herrscht. Derweil ist die Ausschreibung für die Ergänzung des BOS-Digi-

talfunks um breitbandige Dienste entschieden. Alle teilnehmenden Wettbewerber sind dabei: Telekom, Vodafone und Telefónica. Die Leistungsbeschreibungen der Anbieter stehen nun den Bundesländern zur Einsicht zur Verfügung. Nach vier Wochen soll dann zugestimmt werden. Nicht dabei ist 1&1, die noch nicht über ein flächendeckendes Netz verfügen. Bei der Ausschreibung blieb ebenfalls die Frage unberücksichtigt, wie zukünftig ein Management gestaltet werden soll, wenn ein Mix aus Anbietern, Ländern, Endgeräten und Software schon jetzt die Diversität der Polizei und der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehrbehörden zeigt. Uwe Proll

Einstimmung auf den Winter


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Juli 2022

Manchmal braucht es nur eine zündende Idee, um eine Kettenreaktion auszulösen. Doch nicht nur in der Wirtschaft ist Innovationskraft gefragt, auch in der Verwaltung sind es mutige Frauen und Männer, die neue Impulse gegen tradierte Vorstellungen setzen. Dabei können diese nötigen Impulse und Technologien so unterschiedlich wie die zu lösenden Probleme sein. Wichtig ist nur, dass man anfängt. Foto: BS/Oleksandr, stock.adobe.com

Neue Impulse, neue Technologien Es geht bergauf für den ÖPNV

Am Tage Q

Cable Car World 2022 feiert gelungene Premiere ................................ Seite 23

Post-Quanten-Kryptografie Made in the USA? ...................................... Seite 34

Kulturwandel dringend benötigt

Palantir für das LKA Bayern

Hilft der Generationenwechsel? ......................................................... Seite 26

Ein Porsche zum Brötchenholen? ........................................................ Seite 38

Zusammenarbeit hat Priorität

Die Zukunft beginnt jetzt

Innovation im ITZBund ........................................................................ Seite 27

Trends auf der Interschutz ................................................................... Seite 42

Modellprojekte Smart Cities

Die Attraktion auf der Eurosatory

Ausbau der Digitalisierung ländlicher Regionen .................................. Seite 31

Der neue deutsche Kampfpanzer KF51 Panther.............................................. Seite 47

Innen Spiegel

Zukunft Personalentwicklung

Digitale Gefahr

Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes

Mehr Sicherheit für Kinder

Die strategische Personalentwicklung spielt im Öffentlichen Dienst eine immer wichtigere Rolle. Wie kann die Personalseite diese Entwicklung nicht nur begleiten, sondern aktiv mitgestalten? Die Antwort: durch den Übergang von einer verwaltenden Personalwirtschaft zu einem strategischen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigenden Personalmanagement. Der Behörden Spiegel widmet dieser Entwicklung die Konferenz „Zukunft Personalentwicklung“, die aktuelle Trends und Herausforderungen vorstellt und zu Diskussionen mit namhaften Referentinnen und Referenten aus dem Personalbereich einlädt.

REFERENTEN/REFERENTINNEN, u. a.: Erwin Heinz, Vizepräsident Bundesverwaltungsamts

Barbara Rütter, Leiterin Fortbildung, Studienin­ stitut für kommunale Verwaltung Westfalen­Lippe

ZUKUNFTSWEISENDE THEMEN, u. a.: ► Homeoffice im öffentlichen Sektor

► Flexibles Arbeiten und Homeoffice – Analyse einer Langzeitumfrage ► Orts- und zeitflexibles Arbeiten – Theorie und Praxis ► Personalauswahlverfahren in der Praxis

Reinhard Renter, Polizeipräsident a. D., Hofstetten

► Führen auf Distanz – Evidenz und Erfahrungen ► Die smarte Verwaltung aktiv gestalten ► Führen von virtuellen Teams ► Die rechtssichere Gestaltung von Personalauswahlverfahren Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“

Fotos: Jakub Jirsk, Fotolia.com;

13.-14. September 2022, GOP Varieté-Theater Bonn

(BS/Ann Kathrin Herweg) Fußballspielen mit Freunden? Dafür muss man heute nicht mehr auf den Bolzplatz. Und dreckig machen muss man sich ebenfalls nicht mehr. Das geht schließlich auch ganz bequem von zuhause aus mit der Konsole. Gemeinsam zocken, chatten oder online Videos anschauen. Für Kinder gehört all das zum Alltag dazu, sie wachsen in einer digitalen Welt auf und mobile Endgeräte sowie das Internet gehören zu ihren täglichen Begleitern. Genau das macht sie zu beliebten Opfern von Kriminellen im Netz. Das Internet bietet eine Vielzahl an Angeboten, die Kinder ohnehin gerne nutzen. Durch Corona, Homeschooling und Co. hat sich ihre Lebenswelt noch weiter ins Digitale verlagert. Kriminelle wissen diese Situation auszunutzen und die Möglichkeiten des Internets für ihre Zwecke zu gebrauchen. “Durch die neuen digitalen Zugangswege werden Kontaktanbahnungen zu Minderjährigen mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs zunehmend einfacher und schwerer kontrollierbar”, erklärt Dr. Horst Baier, IT-Bevollmächtigten der Landesregierung in Niedersachsen, im Vorwort des aktuellen Kinderschutzallianz-Newsletters. “Es bleibt unbestritten: Unsere Kinder brauchen unseren Schutz und unser Vertrauen.” Die Möglichkeiten für Präventions- und Unterstützungsarbeit sind vielseitig. Mit “Ben sagt Nein” und “Lena sagt Nein” – PixiBüchern, die vor kurzem neu aufgelegt wurden – können Kinder beispielsweise schon früh lernen, Grenzverletzungen zu begegnen und Hilfe zu suchen. Ein anderes

Beispiel ist die App “Foldio Adventures – Ein Fuchs im Netz”, mit der sich Kinder ab sieben Jahren durch eine interaktive Geschichte bewegen und dabei spielerisch Kompetenzen im Bereich Cyber-Sicherheit erlernen. Zielgruppengerecht können Kinder so für Gefahren im Internet sensibilisiert und schließlich davor geschützt werden. Mit diesen und weiteren Projekten setzt sich die Kinderschutzallianz gemeinsam mit verschiedenen Partnern aktiv für den Schutz von Kindern und die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt ein. Weitere Projekte sowie Informationen zu den Zielen und der Arbeit der Kinderschutzallianz gibt es im aktuellen Kinderschutzallianz-Newsletter. Dieser steht Interessierten auf der Webseite der Initiative unter www.kinderschutzallianz.org zum Download zur Verfügung. Fotoquellen Seite 1: Foto 1: BS/Hessisches Ministerium für Finanzen/Annika List Foto 2: BS/Hilbricht Foto 3: BS/Jacobson

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Dorothee Frank (Verteidigung, Wehrtechnik), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Ann Kathrin Herweg (Online-Redaktion), Benjamin Hilbricht (Online-Redaktion), Malin Jacobson (Kommunen, Online-Redaktion), Bennet Klawon (Katastrophenschutz), Tanja Klement (OnlineRedaktion), Matthias Lorenz (Digitalisierung), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Sicherheitspolitik), Tim Rotthaus (Online-Redaktion), Sven Rudolf (OnlineRedaktion), Paul Schubert (IT, IT-Sicherheit), Dr. Barbara Held (Innenpolitik), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige AnzeigenPreisliste Nr. 34/2022, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung (CDO) Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juli 2022

KNAPP

Was wollen Azubis?

Vier Entfernungen aus dem Dienst

Ungenutztes Potenzial beim Recruiting

(BS/mfe) 83 Disziplinarverfahren

(BS/Ann Kathrin Herweg) Hochqualifizierte Bewerberinnen und Bewerber im Überfluss – davon können viele Arbeitgeber aktuell nur träumen. Den sogenannten Arbeitgebermarkt bei der Landespolizei wurden in gibt es längst nicht mehr, stattdessen: viele freie Stellen und bei Weitem nicht genügend Interessierte, um diese zu besetzen. Während angehende Auszubildende oft sogar zwischen Mecklenburg-Vorpommern zwimehreren Arbeitsstellen wählen können, müssen Behörden und Unternehmen sich im Kampf um Nachwuchskräfte beweisen. Doch was überzeugt potenzielle Auszubildende? schen dem 1. September 2020 Das Angebot an Ausbildungsberufen ist vielfältig. Für künftige Azubis ist es da gar nicht so einfach, sich für die richtige Stelle zu entscheiden. Corona hat auch hier die Situation noch einmal verschärft, schließlich war das Kennenlernen neuer und bis dahin unbekannter Berufsfelder in den letzten Jahren kaum möglich. Nicht verwunderlich also, dass der Wunsch nach mehr Berufsorientierung bei Jugendlichen groß ist. Auszubildende im Öffentlichen Dienst sowie Schülerinnen und Schüler, die diesen Karriereweg anstreben, sehnen sich danach, schon während der Schulzeit besser auf die Berufswahl vorbereitet zu werden und mehr Unterstützung und Beratungsangebote vonseiten der Schule zu bekommen. Das ergaben die “Azubi-Recruiting Trends 2022”, eine Online-Umfrage der u-form Testsysteme GmbH & Co. KG (Solingen). Um die richtige Entscheidung zu treffen, ist es den jungen Menschen wichtig, ihre Stärken und Talente besser kennenzulernen. Vor allem Testverfahren, bei denen Ausbildungsberufe anhand von eigenen Fähigkeiten vorgeschlagen werden, kommen daher bei Bewerberinnen und Bewerbern gut an. Generell wünschen sich die Befragten ein größeres Angebot an virtuellen Einblicken in verschiedene Berufsfelder. Aber auch praxisnahe Erfahrungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidungsfindung. Verpflichtende Schulpraktika ab der siebten Klasse und freiwillige Praktika in den Ferien wären aus Sicht der Befragten hilfreich. Laut eigener Aussage würden die künftigen Nachwuchskräfte im Öffentlichen Dienst außerdem gerne vorab mit aktuellen oder ehemaligen Auszubildenden ins Gespräch kommen und sich über deren Erfahrungen austauschen.

Bewerber/-innen setzen auf der Suche nach dem richtigen Ausbildungsplatz andere Schwerpunkte als von den Ausbildungsbetrieben erwartet. Foto: BS/Looker_Studio, stock.adobe.com

Praktika, Ausbildungsbörsen und die Agentur für Arbeit – das sind laut Angaben der Ausbilder die Kanäle, mit denen letztendlich am erfolgreichsten potenzielle Bewerberinnen und Bewerber angesprochen werden. Google stufen die Ausbilder als wenig erfolgreich ein. Und das, obwohl die Suchmaschine für Bewerberinnen und Bewerber das Mittel der Wahl ist, wenn es darum geht, sich über mögliche Ausbildungsstellen zu informieren. Hier zeigt sich deutlich, dass die Nutzungsgewohnheiten von potenziellen Azubis und Arbeitgebern weit auseinanderliegen. Die von Bewerber/-innen bevorzugten Kanäle entsprechen nicht denen, die von Arbeitgebern vermehrt zum Recruiting verwendet werden. Während beispielsweise vier von fünf angehenden Azubis Google für ihre Ausbildungsplatz-Recherche

nutzen, macht nur jeder vierte Ausbildungsbetrieb im RecruitingProzess gezielt Gebrauch davon. An dieser Stelle besteht für Arbeitgeber noch Luft nach oben. Auch Bewertungsplattformen und Karriereseiten für Azubis werden von Ausbildenden deutlich weniger genutzt als von den Bewerber/innen und besitzen damit ebenfalls ungenutztes Potenzial. Im Gegensatz dazu nehmen Betriebe beispielsweise kostenlose Ausbildungsanzeigen bei der Agentur für Arbeit gerne in Anspruch, für künftige Auszubildende spielen diese jedoch kaum eine Rolle. Zu den Top drei der von Bewerber/innen genutzten Infokanäle zählen neben Google die Karriereseiten von Unternehmen und Anzeigen in Jobbörsen. Aber auch der Rat von Eltern oder Lehrkräften, Social Media, Praktika und Bewertungs-

plattformen dienen vermehrt als Informationsquellen, wobei v. a. Letztere zunehmend an Wichtigkeit gewinnen.

Worauf es ankommt Häufig wird heute angenommen, dass man die aktuelle Bewerbergeneration nicht mehr mit Texten, sondern nur noch mit Bild- und Videomaterial erreichen kann. Das spiegelt sich auch in der Präsentation von Unternehmen auf deren Karriereseiten oder in Stellenanzeigen wider. Damit werden die Arbeitgeber den Erwartungen der Zielgruppe nicht gerecht. Zwar hat die grafische Gestaltung von Karriereseiten und Stellenanzeigen einen großen Einfluss auf die Bewerber/-innen, potenzielle Azubis legen allerdings gleichzeitig sehr wohl großen Wert auf Texte. Kein Wunder, schließlich

wünschen sich die Befragten aus dem Bereich Öffentlicher Dienst genauere Informationen über mögliche Ausbildungsstellen. Neben Ausbildungsinhalten und Informationen zur Tätigkeit und zum Gehalt möchten sie hier bereits ihre Möglichkeiten nach der Ausbildung aufgezeigt bekommen. Wann ein Ausbildungsplatz besonders attraktiv ist, dass bewerten Bewerber/-innen insgesamt sehr unterschiedlich. Kein Faktor stach bei der Umfrage besonders heraus. Am häufigsten nannten die Befragten das Betriebsklima als Attraktivitätsfaktor und auch Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Gehalt und Sozialleistungen schafften es aufs Treppchen der meistgenannten Faktoren. Im direkten Vergleich ziehen 57 Prozent der Jugendlichen gute Jobmöglichkeiten der großen Jobsicherheit nach der Ausbildung vor. Im Wettbewerb zwischen Geld oder Freizeit gewinnt der Faktor Geld mit ebenfalls 57 Prozent. Das heißt jedoch nicht, dass Jobsicherheit und Freizeit für die Bewerber/-innen nicht von Bedeutung sind. Im direkten Vergleich werden diese Aspekte zwar geringer gewichtet, alles in allem werden potenzielle Azubis sich jedoch für die Ausbildungsstelle entscheiden, die in allen Bereichen möglichst gute Angebote macht. Noch eindeutiger sind die Ergebnisse dann, wenn die angehenden Nachwuchskräfte zwischen einer hohe Ausbildungsvergütung und einem klimafreundlichen Unternehmen wählen sollen. Fast drei Viertel der Befragten würden hier das Geld bevorzugen. Zwar setzten sich die Nachwuchskräfte im Alltag gerne für ihre Umwelt ein, indem sie z. B. Energie und Papier einsparten, weitergehendes Engagement in diesem Bereich überzeugt jedoch nicht einmal ein Fünftel der Befragten.

und dem 31. Dezember 2021 abgeschlossen. So das Ergebnis des zweiten Berichts mit gleichnamigem Titel. Mit dem ersten Bericht ist dieser jedoch nicht vergleichbar. “Aufgrund der unterschiedlichen Berichtszeiträume – der erste Bericht bezog sich auf den Zeitraum 1. Januar 2018 bis 31. August 2020 – lassen sich die bisher vorliegenden Zahlen nicht vergleichen. Mit den jetzt ausnahmsweise 16 Monaten ermöglichen wir, dass der Berichtszeitraum künftig ans volle Kalenderjahr angepasst wird, was der üblichen Berichtspraxis entspricht”, so Innenminister Christian Pegel (SPD). Von den 83 Verfahren, die im Berichtszeitraum abgeschlossen worden sind, wurden 41 eingestellt. “In der Regel, weil kein Dienstvergehen nachweisbar war. In einigen Fällen wurde keine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen, weil bereits derselbe Sachverhalt in einem Strafoder Bußgeldverfahren geahndet worden war”, erläutert Ressortchef Pegel. Außerdem unterstreicht er: “Am häufigsten ging es bei den Verfahren darum, zu entscheiden, ob die Datenschutzbestimmungen – das waren 17 Fälle – oder, wie in 21 Fällen, die Wohlverhaltenspflicht verletzt wurden. Unter Letzteres fallen zum Beispiel Verstöße gegen Weisungen oder das Fehlverhalten gegenüber Vorgesetzten oder unkollegiales Verhalten.” Die Verfahren, die nicht eingestellt wurden, endeten am häufigsten – in 30 Fällen – mit einer Geldbuße. Eine Kürzung der Dienstbezüge wurde einmal vorgenommen. Zurückstufungen gab es im Berichtszeitraum nicht. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wurde viermal ausgesprochen. Der Bericht zeige, dass das Verhalten der Beamtinnen und Beamten genauer beobachtet werde, wodurch bestimmte Phänomene erst jetzt ins allgemeine Bewusstsein gelangten, so Pegel.

Ohne Prinzipien geht gar nichts Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten (BS/Dirk Weingarten) “Da kann doch jeder kommen.” Und vor allem: “Das haben wir immer schon so gemacht.” Dieser in Marmor gemeißelten alten behördlichen Grundsätze haben sich nach Auffassung einiger bewährt. Und das macht auch beim Datenschutz keinen Halt. Denn diese nun folgenden Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten gem. Art. 5 Abs. 1 DSGVO gab es (fast alle) auch schon in der “guten alten Zeit” vor der DSGVO. Art. 5 Abs. 1 DSGVO fasst die Dinge übersichtlich und klar formuliert zusammen, die in den “alten” Datenschutzgesetzen kreuz und quer verteilt waren und ergänzt sie unter anderem mit dem sog. Trans­ parenzprinzip. Einiges wurde auch sprachlich und inhaltlich klarer gefasst, wie beispielsweise der Grundsatz der “Datenminimierung”.

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nd schon geht es los: Personenbezogene Daten sind auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise zu verarbeiten (Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO). Weiterhin müssen sie für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Art. 89 Abs. 1 DSGVO nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken (Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO). Wichtig ist auch, dass sie dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sind (Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO). Natürlich müssen die personenbezogenen

Daten sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden (Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO). Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es weiter. Denn personenbezogene Daten haben Verantwortliche in einer Form zu speichern, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist. Personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, so-

Dirk Weingarten, Erster Polizeihauptkommissar, Ass. jur. und zertifizierte Fachkraft für Datenschutz, ist seit über zwölf Jahren behördlicher Datenschutzbeauftragter (bDSB) bei der Polizei Hessen und koordiniert seit über zehn Jahren die bDSBn der Polizei Hessen. Foto BS/HöMS

Datenschutz in der Polizei Teil 7: Grundsätze

weit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Art. 89 Abs. 1 verarbeitet werden (Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO). Schließlich sind personenbezogene Daten durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen in einer Weise zu verarbeiten, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung (Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO).

Hier jetzt noch mal die Zusammenfassung von Susi: Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz; Zweckbindung; Datenminimierung; Richtigkeit; Speicherbegrenzung; Integrität und Vertraulichkeit. Das sind sie, die (überwiegend) alten und jetzt neuen Grundsätze, verankert im Art. 5 Abs. 1 DSGVO. Das sind doch “olle Kamellen”, wie der Kölner zu sagen pflegt. Dann muss doch durch die DSGVO auch was Neues her. Und genau dafür hat sich der europäische Gesetzgeber den Absatz zwei aufgespart und ganz frech formuliert: “Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können (“Rechenschaftspflicht”).” Das bringt dann auch ein wenig Druck auf den Kessel. Die Verantwortlichkeit ist in Art. 4 Nr. 7 wie folgt formuliert: ““Ver-

antwortlicher” ist die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; (…).” Sodass im Zweifel gesamtverantwortlich für die Behörde die Behördenleitung in persona als verantwortliche Stelle pflichtig zeichnet. Und schon weiß die in ihren Rechten verletzte Person, an wen sie die Schadensersatz- und/ oder Schmerzensgeldforderung gem. Art. 82 DSGVO neben der verantwortlichen Stelle (Behörde) auch noch richten kann. Genau: an die Behördenleitung in persona. Und die darf sich dann mit ihrer Rechenschaftspflicht gem. Art. 5 Abs. 2 DSGVO ob der Grundsätze gem. Art. 5 Abs. 1 DSGVO rumschlagen. Mehr dazu erwartet Sie in der nächsten Ausgabe des Behörden Spiegel.


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ONLINE


Bund

Behörden Spiegel / Juli 2022

“W

ir brauchen eine Zäsur”, erklärte Dr. Obiageli Ezekwesili, Gründerin und Vorsitzende der School of Politics, Policy and Governance (SPPG) sowie CEO von Human Capital Africa (HCA), bezüglich der Zukunft der Verwaltung in Zeiten multipler Krisen. Es sei absolut inakzeptabel, so die nigerianische Menschenrechtlerin und Politikerin, dass 90 Prozent der ärmsten Menschen der Welt Afrikanerinnen und Afrikaner seien. Ärmere Länder als die Afrikas hätten es geschafft, durch eine wirtschaftliche Revolution wieder auf die Beine zu kommen, daher brauche es auch für diesen Kontinent eine einschneidende Veränderung, argumentierte sie. Kah Walla, Moderatorin der Veranstaltung, ergänzte: “Wir werden in Afrika bald die meisten Arbeitskräfte der Welt haben – wenn wir keine Arbeitsplätze für sie schaffen, werden es andere tun.” Die Zeit, zu handeln, sei also jetzt, bestätigte auch ein Delegationsteilnehmer, der forderte, das Momentum der aktuellen Krisen nicht zu vergeuden. Ministerialdirektor Dr. Jürgen Zattler, Abteilungsleiter für internationale Entwicklungspolitik des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), empfahl in diesem Zusammenhang, das kollektive Handeln in den Fokus zu stellen. Die aktuellen Krisen seien nicht auf ein Land beschränkt, sondern weitreichender, ja sogar global, sodass kein Land allein diese Probleme bewältigen könne. “Wir müssen daher Strukturen finden, mit deren Hilfe wir global zusammenarbeiten können.” Laut Ezekwesili muss eine solche Zusammenarbeit aber anders gedacht werden, als es bisher der Fall gewesen sei, um nicht die immer gleichen Fehler zu wiederholen, sondern die Probleme an deren Wurzel anzugehen. Dabei hilft ihrer Meinung nach auch die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft und der Verwaltung: “Je mehr Technologie wir in die Gesellschaft bringen können, desto mehr können wir sie befähigen. Und: Wir können zeigen, dass wir Afrikaner genauso talentiert sind wie der Rest der Welt.” Viele Reformansätze werden dank des Governance-Fonds, welcher vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird, bereits umgesetzt, wie der Austausch der Delegationen auf dem vom Behörden Spiegel organisierten Netzwerktreffen zeigte. So berichtete ein Vertreter Benins von der Reform des Finanzsektors, zu der dessen Dezentralisierung gehöre, um eine höhere Transparenz zu erlangen. In der Mongolei habe die Entwicklungsarbeit erst vor Kurzem eine Verfassungsreform bewirkt, die die Wahl von Richtern unabhängiger, transparenter und korruptionsresistenter machen solle, erklärte ein Landesvertreter. Des Weiteren sei man dabei, die Digitalisierung des Justizsektors voranzubringen, um auch den

10,3 Millionen Haushalte sind im Rahmen der Bevölkerungszählung zu befragen sowie 23 Millionen Eigentümer im Rahmen einer Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ). Dafür erheben 100.000 Ehrenamtliche, sogenannte Erhebungsbeauftragte, in ganz Deutschland die Daten. “Wir haben einen guten Start mit dem Zensus genommen, der erste Monat war sehr erfolgreich”, berichtet Katja Wilken, Gesamtprojektleiterin Zensus 2022 beim Statistischen Bundesamt. Bis zum 15. August 2022 sollen die Daten erhoben werden. Dazu führen die Erhebungsbeauftragten direkte Interviews mit den Haushalten zur Anzahl der dort lebenden Menschen, zu deren Alter und Geschlecht.

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Momentum der aktuellen Krisen “Wir können zeigen, dass wir Afrikaner genauso talentiert sind wie der Rest der Welt” (BS/Malin Jacobson) Von anderen lernen und das eigene Wissen teilen – unter diesem Leitgedanken trafen sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Staaten Afrikas und Ostasiens sowie deutsche Verwaltungsexpert(inn)en zum Netzwerktreffen des Governance-Fonds der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) in Berlin. Aus Burkina Faso, Benin, Kamerun, Nigeria, Sambia, Uganda sowie Deutschland und der Mongolei kamen auf der Veranstaltung “Reform Experience in Motion” Delegationen zusammen, um über die Umsetzung von Transformationsprozessen und Reformprioritäten zu diskutieren.

Ministerialdirektor Dr. Jürgen Zattler, Moderatorin Kah Walla (Mitte) und Dr. Obiageli Ezekwesili tauschten sich über Verwaltung in Zeiten multipler Krisen aus. Foto: BS/photothek, Thomas Trutschel

Vertreter der verschiedenen Delegationen berichteten welche Reformansätze dank des Governance-Fonds bereits umgesetzt wurden. Foto: BS/photothek, Thomas Trutschel

Menschen im ländlichen Raum beispielsweise die Möglichkeit zu geben, Anzeige zu erstatten. Alero Ayida-Otobo, unter anderem Gründerin von Incubator Africa sowie Mitbegründerin und Treuhänderin des Education Reform and Innovation Teams (ERIT), mahnte, dass Politik nach wie vor über Verwaltung und Wirtschaft entscheide: “Daher wird Afrika immer zurückbleiben, wenn wir unsere Politiker nicht in Ordnung bringen.” Aus diesem Grund bilde die School of Politics, Policy and Governance (SPPG) disruptive Denker aus, die mit Charakter, Kompetenz und Mut ihre Kommunen leiteten und verwalteten, erläuterte die Nigerianerin. “Unsere Schüler wollen die Welt verändern und wir geben ihnen die Werkzeuge dazu.” Um zu expandieren, noch mehr Ländern und Regierungen die Möglichkeit zu geben, zu lernen und ein Unterstützungssystem für zukünftige Amtsträger/-innen zu schaffen, bemühe man sich derzeit um weitere finanzielle Unterstützung. Im Rahmen der Korruptionsbekämpfung, erklärte Katherine Wilkins, Hertie School of Governance, seien eine unabhängige Gerech-

tigkeit, eine gestärkte Gesellschaft und freie Presse unabdingbar – Aspekte, die in den verschiedenen Ländern, welche vom GovernanceFonds unterstützt würden, bereits angegangen würden. Und sie ergänzte: “Der Kontext ist dabei aber wichtig, denn in einem Land, in dem Korruption selten vorkommt, braucht es nur einen gezielten Ansatz. Aber in einem Land, in dem Korruption ein umfassenderes Problem darstellt, ist auch ein umfassender Ansatz erforderlich.” Dabei sei es schwierig, das Ausmaß und die Schwere von Korruption festzustellen, da in erster Linie die subjektive Wahrnehmung von Bürgerinnen und Bürgern befragt werde. Die Hertie School of Governance versuche, diese Eindrücke über objektive Messungen zu verifizieren, beispielsweise über den Vergabeprozess. Dabei schaue man sich an, wie häufig es nur einen Bieter für einer Ausschreibung gebe. “Die öffentliche Verwaltung ist der Schlüssel für das demokratische System”, so Dr. Julia Borggräfe, Co-Geschäftsführerin der Metaplan Gesellschaft für Verwaltungsinnovation. Mit ihr habe man als Bürger regelmäßig

Kontakt und dies gebe eine Orientierung, wie und ob die Verwaltungsstruktur für den Einzelnen funktioniere. Wenn bei diesem Kontakt die Benutzererfahrung beeinträchtigt werde, wie es bei den Papierformularen deutscher Ämter häufig der Fall sei, sei das ebenso problematisch wie der Zusammenbruch von Organisationsmodellen, erläuterte die ehemalige Abteilungsleiterin für Digitalisierung und Arbeitswelt im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Sie plädierte dafür, bei der Verwaltungsinnovation

Event-Management für Behörden Das Netzwerktreffen in der Landesvertretung Baden-Württembergs in Berlin wurde vom Behörden Spiegel für die GIZ organisiert. Sollten auch Sie Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Kongressen oder Tagungen benötigen, wenden Sie sich gerne an: benjamin.bauer@behoerdenspiegel.de .

Barrierefreiheit – kleiner Begriff mit großer Wirkung... ... zum einen für die Menschen, die auf barrierefreie Lösungen angewiesen sind; zum anderen für die Akteure, die versuchen, Onlineservices möglichst barrierearm bereitzustellen. Interpretiert man den Begriff breit, so geht Barrierefreiheit über reine Funktionalitäten von Services im Web-Portal weit hinaus. So muss bereits in der Konzeption von Online-Formularen darüber nachgedacht werden, wie sich Wahloptionen in einer Vorlesefunktion aufbauen sollten. Erst nach diversen Rückmeldungen von blinden Kolleg(inn)en erkannten wir, wie es ist, wenn nicht gleich alle Optionen auf einen Blick erfasst werden. So standen wir vor der Entscheidung, welche Option in welcher Reihenfolge dargestellt wird. An dieser Stelle mussten wir “Sehenden” erkennen, dass unsere Vorstellungskraft nicht reichte, um zu erkennen, wie ein Set von Optionen rein akus-

Beate van Kempen ist IT-Referentin und -Architektin im Digitalisierungsdezernat des Landschaftsverbands Rheinland. Foto: BS/privat

tisch erfasst werden kann und wie wichtig die Reihenfolge dabei ist. Sich solchen konzeptionellen Fragen zu widmen, gehört zum Auftrag des Onlinezugangsgesetzes; nämlich den Zugang so niederschwellig wie möglich zu

Zensus offenbart Schwachstellen (BS/jf) Seit rund sechs Wochen läuft die Erhebung der Daten für den Zensus 2022. Zeit für die Projektverantwortlichen, ein Zwischenfazit zu ziehen. Dieses fällt positiv aus. Dabei ist der Zensus nicht nur eine notwendige Inventur der Bevölkerungsstatistik, sondern offenbart auch manche Skurrilität aus der Verwaltung. Und am Ende könnte ein neues Verwaltungsregister entstehen. ben über die statistischen Landesämter ihre Erhebungsbeauftragten mit Tablets ausgestattet, um die Daten direkt vor Ort digital erfassen zu können. Neben den drei Nordstaaten Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein auch Bayern. “Wir haben dazu eine Nachnutzungsvereinbarung mit dem Kultusministerium geschlossen”, berichtet Daniela Eichhorn, Fachliche Projektlei-

Bei Fragen zur Arbeit des Governance-Fonds wenden Sie sich gerne an: Governance-Fonds@giz.de .

DIGITALISIERUNG KONKRET

Wunsch: neues Gebäuderegister

Zwei Drittel der Befragten werden zudem aufgefordert, einen weiteren Fragebogen auszufüllen, etwa zur beruflichen Situation oder zum Bildungsabschluss. Die erfreuliche Nachricht: Über 70 Prozent der Befragten nutzen die Möglichkeit, diese Fragebögen online auszufüllen. Vier Bundesländer sind in Sachen Digitalisierung noch einen Schritt weiter gegangen und ha-

Prozesse und Innovation in gleichem Maße zu berücksichtigen und empfahl: “Nicht alles lässt sich über ein agiles Management abwickeln, aber man sollte es zum Beispiel mit Pilotprojekten versuchen.” “Wir müssen uns disruptiv verändern”, erklärte mit Blick auf die deutsche Verwaltung Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, in einem schriftlichen Statement. Und er gab zu bedenken, dass Deutschland zwar ein reiches Land sei, aber nur die drängendsten Herausforderungen abmildern könne – langfristig könne es beispielsweise die Lebensmittelkrise aufgrund des Krieges in der Ukraine oder die Versorgungskrise, eine Nachwirkung der der Pandemie, nicht ausgleichen. Das liege auch daran, dass seit der Pandemie Prognosen zu Steuern und Budgetierungen sehr schwierig seien. Daher sei es gut, mit dem Governance-Fonds Projekte fördern zu können, die eine große Wirkung erzielten. “Die Beihilfe ist vorübergehend, aber gezielt.”

tung Zensus 2022 beim Bayerischen Landesamt für Statistik. Nach der Erhebung werden die Endgeräte den Lehrkräften und Schulen des Freistaates zur Verfügung gestellt. Für beide Erhebungen werden die zu Befragenden per Brief vorab informiert, denn die Teilnahme ist verpflichtend. Bei der GWZ wurde dazu auf die Einträge in den Grundbüchern

zurückgegriffen. “Ich habe ein Schreiben bekommen, dass ich gemäß Grundbuch die Eigentümerin eines im 16. Jahrhundert untergegangenen Klosters bin und soll Angaben zu diesem Gebäude machen”, berichtet Wilken mit einem Lächeln. Die Anekdote offenbart das Dilemma der Erhebung. Die vorhandenen Daten sind nicht immer aktuell. Hinzu komme: "Wenn

bauen. Doch auch dieser Ansatz kann noch gesteigert werden. Mit dem “Once-only-Ansatz” müssen benötigte Nachweise nicht mehr von den Antragstellenden beigebracht werden. Vielmehr wird von der Behörde eine Registeranfrage bei der zuständigen Stelle ausgelöst. Der schon lange bestehende Versuch, die Daten und nicht die Menschen laufen zu lassen, wird somit (endlich) umgesetzt. Das vereinfacht die Antragstellung für alle und baut technische Barrieren für Antragsteller/-innen massiv ab. Denn es braucht schon einige IT-Affinität, die richtige Datei im erlaubten Format hochzuladen. Wir sind in der Konzeption von IT-Lösungen und -Architekturen gefordert. Alle Voraussetzungen sind vorhanden; aber in den Köpfen muss es sich noch etablieren, dass der Nachweis nicht zwingend in eigenen Registern abgespeichert werden muss. Bauen wir also Barrieren sowohl in unseren Köpfen als auch in IT-Services ab.

ein Grundstück beispielsweise einer Firma gehört, darauf aber mehrere Eigentumswohnungen errichtet wurden, sind deren Eigentümer nicht bekannt. Deshalb wollen die Statistiker ein neues Verwaltungsregister zum Gebäude- und Wohnungsbestand schaffen. Auf dieser Basis wären künftig Aussagen über das Wohnraumangebot und die Bausubstanz der Gebäude möglich. Registerführende Stelle könnte das Statistische Bundesamt werden. Jedoch: Bis ein solchen Register aufgebaut ist, dürften noch einige Jahre vergehen. Der Zensus 2022 wird dagegen sehr viel schneller abgeschlossen sein. Die Ergebnisse sollen im November 2023 präsentiert werden.


Länder

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ehörden Spiegel: Herr Minister Schweitzer, Sie haben vor gut einem Jahr das neu geschaffene Ressort für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung übernommen. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Behörden Spiegel / Juli 2022

Eine gute Bilanz nach einem schweren Jahr Neuer Ressortzuschnitt hat sich bewährt – wichtige Impulse für die OZG-Umsetzung gesetzt

(BS) Mitte Mai 2021 übernahm Alexander Schweitzer in Rheinland-Pfalz die Führung des neu geschaffenen Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung (MASTD). Staatssekretär Fedor Ruhose wurde CIO/CDO der Landesregierung und Vertreter des Landes im IT-Planungsrat. Nach Schweitzer: Die Bilanz fällt aus- rund einem – durch Pandemie, Ukraine-Krieg und die Naturkatastrophe im Ahrtal – sicherlich nicht leichten Jahr, ziehen beide im Gespräch mit Behörden gesprochen gut aus. Das Jahr war Spiegel-Redakteur Guido Gehrt eine Zwischenbilanz, blicken jedoch auch in die Zukunft der digitalen Transformation im Lande.

vollgepackt mit Themen, Vorhaben, öffentlichen Anlässen und Terminen. So wurde unser Haus sehr schnell innerhalb des Landes und in den öffentlichen politischen Debatten, den Fach-Communities und darüber hinaus sichtbar. Gleichzeitig muss man sagen, dass das zurückliegende Jahr für Rheinland-Pfalz ein schweres Jahr war. Wir haben bis heute als Sozial- und Arbeitsministerium sehr intensiv mit der Pandemie zu tun. Wir hatten im Sommer 2021 eine furchtbare Naturkatastrophe im Ahrtal, wo wir als das für den Arbeitsmarkt, die Pflege, die Eingliederungshilfe und die digitale Infrastruktur zuständige Ministerium, unmittelbar betroffen waren. Zudem haben wir es seit dem 24. Februar mit den furchtbaren Folgen eines Angriffskrieges der Russischen Föderation auf die Ukraine zu tun, mit all den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, aber auch was Themen wie IT-Sicherheit angeht. Somit sind wir insgesamt über das Portfolio des Ministeriums sehr stark in der Krisenreaktion und Krisenbewältigung engagiert. Gleichzeitig haben wir einen sehr ehrgeizigen Koalitionsvertrag, der einen starken Fokus auf unser Ministerium legt. Behörden Spiegel: Angesichts dieser Vielfalt der Herausforderungen: Hat sich der neue Ressortzuschnitt als sinnvoll und leistungsfähig herausgestellt? Schweitzer: Eindeutig ja! Es ist ein ungewöhnlicher Ressortzuschnitt, der aber nach meiner Ansicht sehr gut zusammenpasst. Nehmen Sie das Thema Transformation: Wir haben sehr schnell festgestellt, dass alle unsere Partner im Land, ob das Pflegeeinrichtungen oder Unternehmen aus jeglichen Bereichen des Arbeitsmarktes sind, mit ganz spezifischen Herausforderungen der Transformation befasst sind. Diese Partner wünschen sich einen Rahmen, brauchen eine entsprechende Infrastruktur und letztlich auch Unterstützung, wenn es um Qualifizierung und Weiterbildung geht. Dies hängt maßgeblich mit den Themen Digitalisierung und Demografie zusammen, beides Zuständigkeiten meines Hauses.

Alexander Schweitzer ist Minister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz

Foto: BS/MASTD

Fedor Ruhose ist Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung Rheinland-Pfalz und CIO/CDO der Landesregierung.

Um weiterhin erfolgreich zu sein, brauchen wir in allen Bereichen – von der Pflege über den Mittelstand bis hin zu den Großunternehmen – Fachkräfte, um auch in Zukunft weiterhin gute Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. Auch hier sind wir als Arbeitsmarktministerium für Weiterbildung und Qualifizierung zuständig. Somit haben wir einen Zuschnitt, der das ganze Thema Arbeiten, Teilhabe und Zukunft durch gute Infrastruktur insgesamt umfasst. Digitalisierung ist keine reine technologische Frage, sondern der Grad der Digitalisierung und der Erfolg einer Digitalisierungsstrategie bemisst sich nach meiner Auffassung daran, ob ich es schaffe, möglichst viele Menschen zu überzeugen und mitzunehmen, wenn es darum geht die Chancen der Digitalisierung im Privaten, im Bereich der Bildung und im Bereich des Arbeitsmarktes für sich zu erkennen und zu erleben. Genau das ist unsere Aufgabe. Behörden Spiegel: Herr Staatssekretär Ruhose, Sie sind seit gut einem Jahr CIO und CDO der Landesregierung. Wie fällt Ihre bisherige Bilanz aus? Ruhose: Wenn man auf das Jahr zurückblickt, dann haben wir – gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Kommunen – neuen Schwung in die Verwaltungsdigitalisierung und insbesondere in den OZG-Prozess

Foto: BS/MASTD/Peter Pulkowski

in Rheinland-Pfalz gebracht. Seit Mai 2021 haben der Minister und ich auf der Bundesebene wiederholt Impulse gesetzt, um uns in der Diskussion über das Onlinezugangsgesetz ein Stück weit ehrlicher zu machen. Gleichzeitig haben wir aber auch nie den Ehrgeiz aufgegeben, die gesteckten Ziele, in Bereichen in denen dies möglich ist, auch tatsächlich zu erreichen. Hier haben wir uns ebenfalls mit den rheinland-pfälzischen Kommunen auf den Weg gemacht und Priorisierungen vorgenommen. Dabei haben wir den Fokus einerseits daraufgelegt, welchen Nutzen die digitalen Verwaltungsleistungen für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort haben, aber andererseits auch auf die Auswirkungen auf verwaltungsinterne Prozesse. Unter dieser Prämisse haben wir in Rheinland-Pfalz dann mit Blick auf die OZG-Umsetzung Priorisierungen vorgenommen, was nun im IT-Planungsrat unter dem Stichwort “OZG-Booster” nachvollzogen wurde. Vor diesem Hintergrund sind wir entschlossen, bis zum Jahresende 2022 möglichst viele OZG-Leistungen in den Rollout zu bekommen. Behörden Spiegel: Momentan muss die OZG-Umsetzung viel Kritik einstecken, gerade auch mit Blick auf die Geschwindigkeit. Was kann man den an positiven Erfahrungen aus dem Prozess mitnehmen, auch im Hinblick auf ein OZG-Folgegesetz?

Ruhose: Ich finde es grundsätzlich überaus positiv, dass die OZGUmsetzung zu einer neuen Form der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen geführt hat. Wenn es uns gelingt, die Vorteile, die der Einer-FürAlle-Ansatz bietet, in die Zukunft zu übertragen und in einem OZGFolgegesetz entsprechend zu verankern, wäre das aus meiner Sicht ein großer Fortschritt. Ganz unabhängig davon, was bis zum 31. Dezember 2022 alles umgesetzt ist, so hat der OZGProzess unbestreitbar – gerade auch durch die Fristsetzung – eine ziemlich große Dynamik bei der Verwaltungsdigitalisierung entfaltet. Dies muss man, bei aller Kritik, dem OZG einfach auch mal positiv anrechnen. Mit unserer Priorisierung im Land und dem OZG-Booster bringen wir jetzt nochmal eine zusätzliche Dynamik in den Gesamtprozess. Klar ist für mich beim OZG-Folgegesetz, dass die Fortführung der Digitalisierung nach dem OZG letztlich nur in eine vollständige Ende-zu-Ende-Digitalisierung der Verwaltungsprozesse münden kann. So verstanden wird Verwaltungsdigitalisierung zu einem anderen Verständnis von Verwaltung führen. Sie wird zudem eine Daueraufgabe. Dieser permanente Modernisierungs- und Digitalisierungsprozess kennt im Grunde kein Ende. Behörden Spiegel: Herr Minister Schweitzer, wie krisenfest ist der Prozess des digitalen Wandels vor dem Hintergrund Corona/Ukraine und damit verbundener wirtschaftlicher Herausforderungen? Schweitzer: Die Zeitenwende, die durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde, ist ein überdeutlicher Hinweis darauf, dass wir uns mit der Transformation keine Zeit lassen können. Wir hatten schon vor der Ukraine-Krise das Pariser Abkommen und andere Vereinbarungen, was die C02-Neutralität unserer Wirtschaft angeht. Aber jetzt ist jedem klargeworden, dass es keine Alternative dazu gibt, dass wir zukünftig unabhängiger werden müssen. Dies wiederum setzt die

heimische Industrieproduktion, die Zuliefererbetriebe und die kleinen und mittleren Dienstleister– also die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in RheinlandPfalz – unter enormen Druck. Die Transformationsaufgaben haben sich somit nochmals beschleunigt. Plastisch ausgedrückt: Die Transformation wird nun nicht mehr leise anklopfen, sondern gleich die Tür eintreten. Darauf müssen sich die Organisationen mit unserer Unterstützung entsprechend vorbereiten. Die Aufgaben unseres Ressorts sind also in dieser Krise wichtiger denn je. Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Es gibt eine enorm hohe Erwartung vieler Bürgerinnen und Bürger, dass die Verwaltung aus diesen zwei Jahren Pandemie mit einem anderen Gesicht herauskommt. Staatssekretär Ruhose hat den OZGProzess bereits angesprochen. Auch hier erlebe ich Rückenwind. Das ganze Thema Autonomie im Bereich Wirtschaft, im Bereich digitale Verwaltung oder im Bereich digitale IT-Sicherheit, hat Rückenwind bekommen. Das heißt, aus Gründen, die ich mir nicht gewünscht hätte, sind die Themen meines Ministeriums eher nochmal priorisiert worden. An politischer Unterstützung für diese notwendigen Prozesse wird es meiner Ansicht nach auch zukünftig nicht fehlen. Ich sehe die Herausforderung insbesondere darin, ob wir das Tempo, welches wir uns für die digitale Transformation kollektiv vorgenommen haben, letztlich auch werden halten können, etwa beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Hier stehen meiner Ansicht nach genug finanzielle Mittel zur Verfügung. Meine Sorge ist zurzeit eher, dass wir es nicht schaffen die öffentlichen Investitionsvorhaben von Bund, Ländern und Kommunen im geplanten Zeitrahmen auch tatsächlich umzusetzen, etwa weil nicht genügend Baukapazitäten zur Verfügung stehen und andere limitierende Faktoren hinzukommen. Daher müssen wir uns auf allen staatlichen Ebenen darauf verständigen, dass wir nicht Strohfeuer organisieren,

sondern wir eine Perspektive in den Blick nehmen, die über eine Wahlperiode hinausgeht. So geben wir den Anbietern am Markt auch die erforderliche Sicherheit und Verlässlichkeit, um sich dauerhaft für den erfolgreichen Ausbau der digitalen Infrastruktur zu engagieren. Behörden Spiegel: Im Ahrtal läuft nach dem verheerenden Hochwasser des Juli 2021 derzeit der Wiederaufbau. Wo liegen hier die Schwerpunkte mit Blick auf die Digitalisierung? Schweitzer: Die dramatischen Ereignisse der Flutnacht vom Juli 2021 werden uns noch sehr lange beschäftigen. Umso wichtiger ist es, dass konkrete Ergebnisse beim Wiederaufbau wahrnehmbar sind. Uns war bereits unmittelbar in den ersten Stunden nach dem Ereignis wichtig, dass wir sofort Kontakt zu den Telekommunikationsunternehmen aufnehmen, um gemeinsam mit diesen die Mobilfunkerreichbarkeit wiederherzustellen. Hier war ich sehr froh, dass alle Unternehmen – ob Telekom, Telefónica oder Vodafone – umgehend ihre Kapazitäten im Ahrtal und in der Region konzentriert haben. So ist es gelungen, innerhalb von wenigen Tagen die telefonische Erreichbarkeit wiederherzustellen. Anschließend haben wir uns gemeinsam Gedanken gemacht, wie man die Infrastruktur bestmöglich wiederaufbauen könnte. Das Ergebnis kann ich schnell zusammenfassen: Es wird dort zukünftig die modernste digitale Infrastruktur einer ländlichen Region in Rheinland-Pfalz geben. Denn anstelle der zerstörten Kupfer-Infrastruktur, und das sind mehrere tausend Kilometer, wird die Deutsche Telekom eigenwirtschaftlich Glasfaser ausrollen. Im Ahrtal werden so in den nächsten Wochen und Monaten rund 1.500 Kilometer Glasfaser verlegt und rund 22.000 Haushalte mit FTTH versorgt. Für den Mobilfunk gilt dies ähnlich. Wenn die Mobilfunkmasten mit Glasfaser angebunden sind, bietet das auch Möglichkeiten für 5G und 5G-Plus. Diese Stärkung der digitalen Infrastruktur soll die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich ermutigen in der Region zu bleiben. Ein leistungsfähiger Glasfaseranschluss an der Kellertür ist hier sicherlich ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Daher bin ich sehr froh, dass die Telekommunikationsunternehmen hier zukünftig entsprechende Angebote bereitstellen werden.

Digitale Verwaltung

Wandeljahre gestalten Beschäftigte und Behörden auf dem Weg ins 4.0-Zeitalter

10. Oktober 2022 | Mainz www.dv-rlp.de #dvrlp22

Grafik: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, Panithan

Rheinland-Pfalz 2022


Finanzen

Behörden Spiegel / Juli 2022

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eshalb will Hessen eine einfache und gerechte Grundsteuer. Die mit dem Grundsteuerreformgesetz geschaffene Länderöffnungsklausel im Grundgesetz ermöglicht es, dieses Ziel mit eigener Gesetzgebung zu erreichen, wie es auch andere Länder tun. Das Hessische Grundsteuergesetz vom Dezember 2021 regelt die Grundsteuer ab 2025 nach dem Flächen-Faktor-Verfahren einfach, gerecht und verständlich. Einfach, weil nur wenige Parameter zur Berechnung gehören, nämlich Fläche, Nutzung und Lage. Gerecht, weil diese Parameter einem klaren Belastungsgrund – dem Äquivalenzprinzip – folgen und ihn ganz stringent umsetzen: mehr Fläche und bessere Lage gleich höhere Steuer. Zugleich wird das Wohnen als Grundbedürfnis aller Menschen gegenüber anderen Nutzungsarten sozialverträglich privilegiert. Verständlich, weil die Berechnung kurz und der Einfluss der Parameter auf das Ergebnis klar ist. Hessen zeigt, dass es einfach und gerecht geht. Wir folgen bei der Grundsteuer B nicht dem komplizierten Bundesmodell,

Schlankes Modell, breiter Service Die Grundsteuer in Hessen (BS/Michael Boddenberg) Das Bundesverfassungsgericht verlangt in seinem Urteil von 2018 eine Reform der Grundsteuer. Diese für die Kommunen unentbehrliche Steuer muss ab 2025 nach neuen Regeln erhoben werden, weil die bisherigen Einheitswerte nicht mehr verfassungskonform sind. Die Grundsteuerreform betrifft alle: Mieterinnen und Mieter, Eigentümerinnen und Eigentümer, Wohn- und Gewerbeimmobilien, bebaute und unbebaute Grundstücke und auch land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz. Mit über 35 Millionen Grundstücken bundesweit ist die Reform eines der größten Steuerprojekte seit Jahrzehnten. das Gerechtigkeitsdefizite hat, weil sich im Massenverfahren notwendige Typisierungen nur schwer mit einem grundsätzlich eng am Einzelfall orientierten Bewertungsraster in Einklang bringen lassen. Bei der Grundsteuer A für die Land- und Forstwirtschaft gehen alle Länder den Weg des Bundesmodells, was gute Gründe hat, denn hier geht es um die Abbildung der betrieblichen Ertragskraft. Dies spricht für bundeseinheitliche Regelungen. Ich bin froh, dass Hessen die Grundsteuerreform als historische Chance für Steuervereinfachung und Bürokratieabbau nutzt. Nun geht es in die entscheidende Phase der Umsetzung. Eigentümerinnen und Eigentümer von Grundbesitz müssen

Das Bundesverfassungsgericht hat die gesetzlichen Regelungen zur Grundsteuer für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz der Verfassung erklärt. Die Grundsteuer muss deshalb bis 2025 reformiert werden.

Foto: BS/ moerschy, pixabay.com

Grundsteuerreform und Verfassungsrecht Pluralität bei den Reformmodellen (BS/lkm) Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer eine der wichtigsten direkten Einnahmequellen der Kommunen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte sie wegen veralteter Grundstückswerte für nicht mehr verfassungsgemäß. Der Bund hat daher im November 2019 seinen Entwurf für eine Grundsteuerreform verabschiedet. Die Länder können jedoch von diesem Modell abweichen. Viele haben von der Öffnungsklausel auch schon Gebrauch gemacht. Doch jedes Modell hat Vor- wie auch Nachteile. Dieses Jahr ist nun Startschuss für die Umsetzung der Grundsteuerreform. Binnen fünf Jahren müssen rund 36 Millionen Immobilen neu bewertet werden. Die Verwaltungen stehen damit vor großen Aufgaben. Insgesamt soll die Grundsteuer trotz Reform, so das politische Versprechen, dabei aufkommensneutral gestaltet werden. Das Modell des Bundes sieht ein verkehrswertorientiertes Verfahren vor. Das Saarland und Sachsen haben das Bundesmodell grundsätzlich übernommen, variieren jedoch bei der Messzahl. In Baden-Württemberg hingegen wird das Bodenwertmodell angewandt, während sich Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen für Flächenmodelle mit jeweils unterschiedlichen Akzentuierungen entschieden haben. Auch Niedersachsen und Hessen knüpfen an die Fläche an, haben jedoch zusätzlich einen Lagefaktor eingeführt. Neu ist, dass alle Länder – mit Ausnahme von Bayern – jetzt auch eine Grundsteuer C für unbebaute Grundstücke einführen werden. Dr. Andreas Dressel, Senator der Finanzbehörde von Hamburg, betonte, dass die Akzeptanz der Bevölkerung für die Reform sehr wichtig für deren Erfolg sei. Dies sei auch ein Grund gewesen, weshalb man sich in Hamburg für das Flächenlagemodell und damit für eine Abweichung vom Bundesmodell entschieden habe. “Bei normaler Wohnlage wird es einen Rabatt von 25 Prozent auf die Steuer geben, das trägt hier sehr zur Akzeptanz bei”, so Dressel. Hamburg sei massiv von Bodenpreissteigerungen und einer dynamischen Wohnungsmarktentwicklung geprägt. Je stärker das Modell wertorientiert sei, desto massiver sei das Akzeptanzproblem. Hätte Hamburg das Bundesmodell angewandt, wäre die Bandbreite der Änderungen, die auf den Steuerzahler zukomme, exorbitant hoch gewesen. “Die Bereitschaft, das zu akzeptieren, zu einer Zeit, wo alles andere sowie so teuer wird, wird nicht sehr hoch sein”, betonte der Finanzsenator. In Hamburg habe man aber nicht

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nur beim Modell Anpassungen vorgenommen, sondern sei auch aktiv, unter anderem mit einer Roadshow, auf die Bürger zugegangen. Der Aufwand habe sich gelohnt: “Unser Modell hat eine breite Akzeptanz in der Hamburger Bürgerschaft gefunden”, freut sich Dressel.

Verfassungsrechtliche Bauchschmerzen Im Vorfeld der Grundsteuerreform wurde immer wieder Kritik an den Mitwirkungspflichten der Bürger laut. Prof. Dr. Marcel Krumm, Steuerrechtsexperte an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster, hält diese jedoch für überschaubar. “Es handelt sich hier immerhin nur um ein Einmalereignis”, so Krumm. Der Aufwand für die Steuerpflichtigen sei überschaubar und dürfte niemanden vor unlösbare Aufgaben stellen. “Man sollte die Reform nicht wegen der Mitwirkungspflichten schlechtreden”, meint der Jurist. Probleme sieht er eher im Verfassungsrecht. “Alle Modelle haben gewisse Pferdefüße, die ein bisschen verfassungsrechtliche Bauchschmerzen verursachen. Ob die dann durchschlagen, ist eine andere Frage”, so Krumm. So leide das Bundesgrundsteuerrecht darunter, dass es stark auf Vereinfachungen setze, aber als Orientierung einen Verkehrswert habe. “Das, was am Ende bewertungstechnisch herauskommt, ist aber kein Verkehrswert”, so Krumm. Ähnliche Probleme sieht er beim Sachwert- und Vergleichswertverfahren, weil der Gesetzgeber auch hier auf Vergröberungen setze. “Diese Vergröberung beschert uns gleichheitsrechtliche Probleme. Es verwundert nicht, dass schon vielfach geltend gemacht wurde, dass die neue Bemessungsgrundlage im Bundesgrundsteuerrecht gleichheitswidrig sei.” Er selbst teile diese Auffassung zwar nicht, aber es gebe auch viele Juristen, die die Sache anders sähen. Ähnlich sehe es bei den verkehrswertunabhängigen Modellen aus. Auch diese könnten sich nicht frei von verfassungsrechtlichen Einwänden machen.

“Hier setzten die Einwände sogar noch eine Stufe früher an. Es geht schon darum, ob der Belastungsgrund in der Bemessungsgrundlage ausreichend sichtbar wird. Das Bundesverfassungsgericht fordert hier Relationsgerechtigkeit”, erklärt der Steuerexperte. Egal, ob man der Kostenäquivalenz oder der Nutzenäquivalenz folge, müsse sich das in der Bemessungsgrundlage widerspiegeln. Derjenige, der mehr gemeindlichen Nutzen in Anspruch nehme, der, der mehr Ausgaben verursache, müsse sich zumindest in einer gewissen Plausibilität bei der Anerkennung von Typisierungsspielräumen auch so relationsgerecht in der Bemessungsgrundlage wiederfinden. “Das ist die Achillesferse der wertunabhängigen Modelle”, betont Krumm.

Kommunen brauchen zügig Entscheidungsgrundlage Krumm machte zudem darauf aufmerksam, dass die Kommunen genügend Zeit bräuchten, um die Hebesätze zu diskutieren. Die Finanzverwaltungen sollten deshalb nicht die ganzen fünf Jahre ausnutzen, um die Grundstücke neu zu bewerten, sondern sich maximal zweieinhalb Jahre Zeit nehmen. “Die Kommunen sollten im Idealfall 2024 erfahren, was die Grundlage für die Hebesatzentscheidung sein muss”, so Krumm. Es sei diesbezüglich “sehr optimistisch”, denn die Steuer sei so vollzugsfreundlich ausgestaltet, dass das gelingen sollte. Auch Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, betonte, dass den Kommunen daran gelegen sei, die Informationen für die Hebesätze so früh wie möglich zu erhalten, denn auf die Gemeinden kämen wichtige Diskussionen für die Anpassung der Hebesätze zu. Es werde keine Stadt geben, die nicht ihre Hebesätze anpassen müsse. Zimmermann machte deutlich, dass es den Kommunen dabei nicht um Geld, sondern um Transparenz und Gerechtigkeit gehe und darum, eine rechtssichere Grundlage für die Grundsteuer zu schaffen.

im Zeitraum zwischen dem 1. Juli und dem 31. Oktober eine Erklärung zum Grundsteuermessbetrag bei ihrem Finanzamt abgeben. Die Erklärungsabgabe soll auf dem elektronischen Weg und auch schon dieses Jahr geschehen, weil die Bewertung der vielen Millionen Grundstücke nun einmal Zeit benötigt. Die Pflicht zur elektronischen Abgabe gilt natürlich nicht nur in Hessen. Die elektronische Abgabe kann beispielsweise über das ELSTER-Verfahren erfolgen. ELSTER steht für “ELektronische STeuerERklärung” und ist ein kostenloser und sicherer Service der Steuerverwaltungen in Deutschland. Die digitale Abgabe erleichtert das Ausfüllen der Erklärung und beugt Übertragungsfehlern vor. Auch die Bearbeitung in den Finanzämtern wird grundsätzlich vollautomatisiert erfolgen. Für das hessische GrundsteuerModell gibt es ein eigenständiges Landesverfahren: die Hessische Anwendung zur Festsetzung der Messbeträge für die Grundsteuer, kurz HAMSTER. Das Verfahren ermöglicht es, Erklärungen zum Grundsteuermessbetrag elektronisch anzunehmen und vollautomatisch einen Bescheid zu erstellen. Damit ändert sich die Bearbeitung in den Bewertungsstellen grundlegend: Sie wird weitgehend papierlos. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern ist auch Ausdruck einer modernen Steuerverwaltung, die in vielen Bereichen – nämlich überall dort, wo es sinnvoll ist – auf die Digitalisierung setzt. Und das tun wir in Hessen voller Überzeugung.

Doch was bedeutet die digitale Abgabe für die Menschen, die beispielsweise keinen Computer besitzen oder nicht über die notwendige Medienkompetenz verfügen, um ihre Erklärung zum Grundsteuermessbetrag elektronisch abgeben zu können? Selbstverständlich sind Ausnahmen vom Grundsatz der digitalen Abgabe möglich. In solchen Fällen dürfen sich die Bürgerinnen und Bürger gerne an ihr zuständiges Finanzamt wenden und einen Antrag auf Abgabe in Papierform stellen. In Hessen geht das unbürokratisch, nämlich durch einen Anruf beim Bürgerservice des Finanzamtes. Und da die Hessische Steuerverwaltung viel Wert auf Service legt, erhalten alle, die in Papierform abgeben dürfen, die Vordrucke mit Ausfüllhilfen ab dem 1. Juli direkt per Post nach Hause. Auch das ist für mich Ausdruck einer modernen, serviceorientierten Verwaltung. Übrigens: Allen Eigentümerinnen und Eigentümern, die sich bereits vor dem 1. Juli über die in der Erklärung zu machenden Angaben informieren möchten, stellen wir in Hessen Checklisten zur Verfügung. Diese sind online auf dem hessischen Informationsportal zur Grundsteuerreform unter grundsteuer.hessen.de abrufbar. Dort gibt es auch weitere nützliche Serviceangebote wie den digitalen Flurstücknachweis für die Grundsteuer B, welcher

viele der zu erklärenden Daten enthält. Über diese und weitere Serviceangebote der Hessischen Steuerverwaltung informieren wir auch mit einem Schreiben an die Eigentümerinnen und Eigentümer. Das Schreiben wird individuelle Daten zum Grundbesitz enthalten. Darüber hinaus stehen die Bürgerservicestellen der Finanzämter sowie die hessenweite Servicehotline inoch bis Ende Juli zusätzlich zu den einheitlichen Öffnungszeiten von 8 bis 18 Uhr unter der Woche auch samstags von 8 bis 13 Uhr telefonisch für Fragen zur Grundsteuer zur Verfügung. Die bundesweite Grundsteuerreform ist im Sinne der Steuergerechtigkeit längst überfällig. Doch die praktische Umsetzung der Reform bedeutet für alle Beteiligten zunächst einmal Arbeit. Dies gilt für die Steuerverwaltung, aber auch für die Eigentümerinnen und Eigentümer. Letzte-

Michael Boddenberg (CDU) ist seit dem 31. März 2020 Hessischer Minister der Finanzen. Foto: BS/Hessisches Ministerium für Finanzen/Annika List

ren möchten wir in Hessen die Erklärung möglichst leicht machen – mit einem vergleichsweise schlanken Grundsteuermodell, das insgesamt nur wenige Angaben erfordert, und mit einem breiten Serviceangebot. Es ist mir ein großes Anliegen, dass wir die Reform intensiv erklären und die Menschen gut bei der Erklärungsabgabe unterstützen. Die Umsetzung der Reform soll gut gelingen. Denn es geht letztendlich in unser aller Interesse darum, dass den Städten und Gemeinden eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen zur Verwendung für die Infrastruktur und die vielfältigen kommunalen Angebote auch nach dem Jahr 2024 erhalten bleibt.

Zwischen Herakles und Sisyphos Wie Fördermittelsteine ins Rollen gebracht werden (BS/Prof. Dr. Volker Ebert*) Im Juni 2022 legte die hochrangig besetzte “Förderkommission II” ihren Bericht zur “Konsolidierung von Förderprogrammen und Weiterentwicklung der sächsischen Förderstrategie” vor. Der Bericht ist das Ergebnis einer akribischen Arbeit mit dem Ziel, dem Wildwuchs von mittlerweile (allein in Sachsen!) 333 Programmen und 1.773 Fördergegenständen Herr zu werden. Bereits 2018/19 hatte dieselbe Kommission eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, um die Förderverfahren mit Blick auf die Zielgruppe zu vereinfachen. Angesichts der Größe der für die Staatsregierung zu bewältigenden Aufgabe wurden umgehend Analogien zur griechischen Mythologie bemüht – Optimisten beziehen sich dabei auf die Figur des Herakles, Pessimisten eher auf die des Sisyphos. Beide Vergleiche geraten schon deshalb etwas in Schieflage, da es im dezentralen Förderalltag die einzelnen Ressorts und Fachreferate sind, die – um im Bild zu bleiben – den Stall ausmisten bzw. den Felsbrocken jedes Mal aufs Neue den Berg hinaufwälzen müssen. Zuwendungen nach den Bundes- und Landeshaushaltsordnungen und gerne auch mit EU-Mitteln sind schließlich ein beliebtes und flexibles Instrument, um auf aktuelle Entwicklungen rasch reagieren und vor allem politische Ziele flankieren zu können. Dass durch eine ressortübergreifende Programminventur der gewachsene Bestand an Zuwendungen nennenswert angetastet wird, ist derzeit in kaum einem Bundesland absehbar.

Den Wildwuchs schon im Anfangsstadium angehen Anlass, den Wildwuchs “im Kleinen” und die damit verbundenen Risiken der durch die eigene Behörde zu verantwortenden Zuwendungen einmal auf den Prüfstand zu stellen, gibt es daher genug. Mit zunehmender Komplexität der Förderprogramme und -gegenstände hat sich der Druck auf die Verwaltung

bedeutend erhöht: Zuwendungen müssen rechtssicher aufgestellt, hausintern abgestimmt und stärker auf die Zielgruppe ausgerichtet werden. Fachreferate müssen dabei nicht allein mit den Bestimmungen des Zuwendungs- und Beihilferechts sicher umgehen können, sondern auch die Vorgaben der Compliance und der obligatorischen Erfolgskontrolle im Blick haben. Letztere berücksichtigt seit einiger Zeit immer stärker eine Frage, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Sind potenzielle Zuwendungsempfänger/-innen ohne Vorwissen und Hilfestellung überhaupt noch in der Lage, einen Antrag zu stellen? Die Vorschläge der sächsischen Förderkommission II, mit einem

Mehr zum Thema Der Behörden Spiegel veranstaltet vom 15. bis 17. November 2022 das Praxisseminar “Fördermittelmanagement – Zuwendungen effizient, sicher und zielgruppenorientiert gestalten”. Mehr unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “Fördermittelmanagement”

großen Wurf den Gordischen Knoten zu zerschlagen, liefern auch für andere Bundesländer wichtige Impulse zur Vereinfachung der Förderlandschaft (erinnert sei bspw. an den Vorstoß von 2016 zum ELER-Reset). Vor dem Hintergrund der drängenden Digitalisierung aller gesellschaftsrelevanten Bereiche weist sie geradezu beiläufig auf ein gravierendes Problem hin: Eine derartige Förderlandschaft ist mit vertretbarem Aufwand gar nicht digitalisierbar. Die einzelnen Fachressorts als “Mikrokosmos” des Fördermittelmanagements können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Struktur in die weite Landschaft der Zuwendungen zu bringen – indem sie ihre Beschäftigten und operativen Abläufe entsprechend gut aufstellen. Hierfür ist gewiss mehr Zeit notwendig, als König Eurystheus einst Herakles für seine Aufgabe zubilligte (Anmerkung des Autors: einen Tag). *Prof. Dr. Volker Ebert lehrt seit 2022 an der IU Internationale Hochschule im Studiengang Public Management mit den Schwerpunkten E-Government, Struktur- und Kohäsionspolitik sowie Fördermittelmanagement.


Beschaffung / Vergaberecht

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Behörden Spiegel / Juli 2022

Zukunftsorientiert und kostensparend

► Entscheidungen zum Vergaberecht

Einheitliche Feuerwehrfahrzeuge in S-H als Sammelbeschaffung ► NEBENANGEBOT

Natürliches Gestein Recycling-Material als Ersatz Die grundlegende Frage, welche in diesem Vergabeverfahren im Straßenbau zu klären war, betrifft die Zulässigkeit von Nebenangeboten. Hier hatte der Auftraggeber im Leistungsverzeichnis vorgegeben, dass die Schotterschicht nur aus einer natürlichen Gesteinskörnung hergestellt werden dürfe. Der Ersatz durch Recycling-Schotter kann die Kosten erheblich senken. So war ein Nebenangebot führend, das dieses Alternativmaterial vorsah. Aber darf es gewertet werden? Der Auftraggeber meinte: Nein. Das Oberlandesgericht kommt zu einem anderen Ergebnis. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass sich die Mindestanforderungen an Nebenangebote bereits aus dem LV für das Hauptangebot ergeben. Dann aber muss dies für einen durchschnittlichen Bieter erkennbar sein. Allein die Tatsache, dass eine Vielzahl von Bietern alternativ Recycling-Material angeboten hatte, widerspricht dieser Erkennbarkeit. So gilt: Würde man alle Mindestanforderungen an das Hauptangebot auch für Nebenangebote gelten lassen, gäbe es keine solchen mehr. Dass der Auftraggeber bewusst den Zusatz “oder gleichwertig” hinsichtlich des Naturgesteins weggelassen hat, führt auch zu keinem anderen Ergebnis. Ein solcher Zusatz hätte es ermöglicht, auch im Hauptangebot gleichwertiges Recycling-Material zu offerieren (falls Nebenangebote nicht zugelassen worden wären). Für ein Nebenangebot, das schließlich gezielt von den Anforderungen des Haupangebotes abweicht, ist der Zusatz unerheblich. OLG Frankfurt (Beschl. v. 15.03.2022, Az.: 11 Verg 10/22)

► ZERTIFIKAT

Unklare Prüfkriterien Nicht alle Eigenschaften erfasst Architekten sind zuweilen detailverliebt. Wenn sie zu viele Produkteigenschaften vorgeben, kann das die Ausschreibung beliebig verkomplizieren. Für den Einbau von Brandschutztüren hatte ein Architekt einen sehr langen Katalog von Maßangaben geliefert, welche die Angebote zu erfüllen hätten. Unglücklich nur, dass die Kombination von Maßen und mechanischen Wirkprinzipien nicht immer überein zu bringen waren. So sind unter anderem bestimmte Schließmechanismen mit den vorgegebenen Maßen nicht erhältlich, sodass die Bieter vor dem Problem standen, entweder den gewünschten Mechanismus oder das gewünschte Maß anzubieten. Die Einlassung des Auftraggebers, dass Architekten immer einen Wunschkatalog vorgäben und erst in der Wertung entschieden werden könne, welche Abweichungen davon noch tolerierbar seien, war für die Bieter auch nicht wirklich hilfreich. Endgültig unerfüllbar wurde das LV aber dadurch, dass diese widersprüchlichen Eigenschaften der anzubietenden Türen auch noch durch ein Zertifikat nachgewiesen werden sollten. Der Vergabekammer legte der Auftrageber dann auch Zertifikate für Produkte vor, die diese Eigenschaften angeblich erfüllten. Doch siehe da: Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus,

dass auch diese Zertifikate nur entweder die eine oder die andere Eigenschaft umfassten, aber nie alle gleichzeitig. Damit war klar: So kann das Leistungsverzeichnis nicht bleiben. Es ist mindestens intransparent und muss überarbeitet werden, obwohl zwischenzeitlich zwei Angebote eingegangen waren, die der Auftraggeber für wertbar hielt. VK Berlin (Beschl. v. 18.03.2022, Az.: VK B 2-1/22)

► AUSSCHLUSS

Unzulässiger ­Kostenvorteil Ein Hubsteiger ist kein Gerüst Allenthalben werden aktuell alte Autobahnbrücken abgerissen und neu gebaut. Wenn die Brücke aber nur alt genug ist, geht das nicht mehr. So steht eine Autobahnbrücke in Rheinland-Pfalz bereits unter Denkmalschutz und muss doch saniert werden. Der Straßenbaubetrieb des Landes, der diese Arbeiten noch geplant hatte, war der Überzeugung, das gehe nur, wenn man an die 32 Meter hohen Pfeiler ein Gerüst stellt. Er erhielt sieben Angebote, von denen das günstigste nur die Hälfte dessen kostete, was der Zweitplatzierte verlangte. Der wehrt sich gegen den Zuschlag an den preislich Führenden: Die Auskömmlichkeitsprüfung bei einem solch niedrigen Preis könne nicht korrekt gewesen sein. Auskömmlich war das Angebot, aber nicht LV-konform. Der Bieter hatte nämlich vorgesehen, den Gerüstbau teilweise einzusparen, indem er stattdessen eine entsprechend große Hubarbeitsbühne einsetzt. Die Vergabekammer meinte noch, ein Hubsteiger sei so etwas Ähnliches wie ein Gerüst und damit zulässig. Das Verfahren müsse nur zurückversetzt werden, damit auch die anderen Bieter diese Möglichkeit erwägen könnten, die das LV nicht so interpretiert hatten. Das OLG hingegen stellt klar fest: Der Hubsteiger widerspricht dem LV. Das Angebot muss ausgeschlossen werden. Das wird allerdings dem Zweitplatzierten auch nicht zwingend den Auftrag verschaffen. Denn Angesichts der erheblichen Preisdifferenz ist damit zu rechnen, dass die Ausschreibung nun aufgehoben und doch mit der Zulassung von Hubsteigern neu gestartet wird. So kann er nur auf die Erstattung seiner Kosten für die erste Ausschreibung hoffen. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 06.04.2022, Az.: Verg 32/21)

► AUTOBAHN

Spezialgleitwand nötig Kurven sind zu eng Für nahezu alle technischen Anforderungen gibt es in Deutschland spezifische Regeln. So natürlich auch für die Dimensionierung von Betongleitwänden auf Mittelstreifen der Autobahnen. Nun ist es aber so, dass sich diese Richtlinien von Zeit zu Zeit ändern. Muss also eine aktuelle Richtlinie bei der Sanierung angewendet werden, wenn die Autobahn selbst nach einer älteren Fassung gebaut wurde? Die Autobahngesellschaft wollte diese Betongleitwände turnusgemäß erneuern. Sie verlangte dafür eine Bauhöhe der Wand von mindestens 110 Zentimetern. Das ist unüblich: Aktuell verbaute Wände, die der Straßenbaurichtlinie ent-

sprechen, sind niedriger. Ein anbietungswilliges Unternehmen bemängelte diese über die Richtlinie hinausgehende Anforderung. Sie führe zu einer unangemessenen Verengung des Marktes und verhindere ihre Anbietungsmöglichkeit. Die Vergabekammer des Bundes, die nunmehr für Autobahnvergaben zuständig ist, sieht allerdings keine willkürliche Ausübung des Leistungsbestimmungsrechtes des Auftraggebers. Dessen Vortrag war überzeugend. Bei der fraglichen Autobahn handelt es sich nämlich um eine Strecke, die bereits in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts trassiert worden war. Hier seien die Kurvenradien im Vergleich zu den aktuellen Richtlinien für die Anlegung von Bundesautobahnen deutlich geringer, das Gefälle der Strecke deutlich größer. Damit erhöhe sich auch das Anprallrisiko gegenüber den aktuellen Richtlinien, was stärkere und höhere Wände erfordere, als sie bei modernen Autobahnen gebaut würden. Der Interessent muss daher die Marktverengung hinnehmen. VK Bund (Beschl. v. 08.03.2022, Az.: VK 2-16/22)

► WERTUNG

Kein Nachteilsausgleich Die Kosten allein zählen Das Vergaberecht ist nicht dafür gedacht, dass alle Bieter die gleichen Chancen haben, unabhängig von ihrem spezifischen Aufwand. Vielmehr geht es darum, dass der Auftraggeber vergleichbare Leistungen aller Bieter erhält. Das musste ein Bieter lernen, der sich um einen Auftrag zur Überwachung von Tunnelbauwerken beworben hatte. Er wunderte sich darüber, dass ein Mitbewerber ein um 20 Prozent günstigeres Angebot abgeben konnte. Dass darauf auch noch der Zuschlag erteilt werden sollte, hielt er für fehlerhaft. Offenbar habe der Auftraggeber die vermeintliche Unauskömmlichkeit des Angebotes nicht beachtet. Jedoch: Der Preisunterschied ließ sich leicht erklären. Der Mitbewerber hat seinen Sitz geografisch in der Mitte des Auftragsgebietes, der enttäuschte Bieter jedoch am Rande. Dadurch hat Ersterer wesentlich geringere Fahrkosten zu den Einsatzorten. Diese unterschiedlichen Vo­ raussetzungen der Bieter hätten bei der Wertung herausgerechnet werden müssen, wendet der Unterlegene nun ein. Damit bleibt er im Nachprüfungsverfahren erfolglos. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Wegekosten der Bieter sei sachgerecht. Ein vorhandener Standortvorteil eines Bieters und die daraus resultierenden finanziellen Auswirkungen dürfen bei der preislichen Angebotswertung berücksichtigt werden, denn dies sind die Kosten, welche der Auftraggeber letztendlich zu bezahlen hat, so die Vergabekammer. Dies stellt auch keine unzulässige Ungleichbehandlung der Bieter dar, denn die Bieter haben ja gerade aus ihrer Sphäre he­ raus ungleiche Anbietungsbedingungen.

(BS/Denise Plath) Zur Entlastung der Wehrführungen und der Kommunen hat das Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein (MILIG) ein Pilotprojekt zur einheitlichen und vergaberechtssicheren Fahrzeugbeschaffung initiiert. Die operative Umsetzung nehmen die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein AöR (GMSH) und die KUBUS GmbH vor. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Leistungsbeschreibung sowohl Synergieeffekte in den Ausschreibungslosen “Fahrgestell” und “Aufbau” generiert und zusätzlich individuelle örtliche Anforderungen in einem definierten Rahmen zulässt. Eine solche Vorgehensweise hat es bislang weder in Schleswig-Holstein noch irgendwo anders im Bundesgebiet gegeben. Diese Entlastung macht sich sowohl monetär als auch im zeitlichen Aufwand bemerkbar. So entfallen für die Kommunen beispielsweise die Marktrecherche, die Erstellung einer herstellerneutralen Leistungsbeschreibung und die Einarbeitung in die neusten Vergaberechtsregelungen. Des Weiteren haben die Kommunen im Rahmen des Projektes die Möglichkeit, zusätzlich zur kreiseigenen Förderung einen erhöhten Fördersatz von 20 Prozentpunkten zu beantragen. Zudem übernimmt das MILIG die bei der GMSH und KUBUS entstehenden Kosten für die Projektdurchführung. Im November 2019 wurde die Projektidee den Kreis- und den Stadtwehrführungen im Rahmen eines Informationsabends vorgestellt. Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Einbindung der Kommunalverwaltungen und Feuerwehren wurden die Informationstermine digital durchgeführt. Die Resonanz auf dieses Angebot war enorm. Die teilnehmenden Personen haben ihre Fragen zur Technik und zum vergaberechtlichen Ablauf gestellt. Während der Erläuterungen zu den Fahrzeugdetails wurde den Teilnehmern deutlich, dass neben dem aktuellen Stand der Technik auch ein besonderes Augenmerk auf die Bereiche Sicherheit und effektive Handhabung gelegt wurde. Dies sorgte

ersetzt werden. Zum Stichtag am 31.12.2020 hatten sich insgesamt 40 Kommunen mit 41 Fahrzeugen angeDenise Plath ist bei der ­Gebäudemanagement Schlesmeldet. Aufgrund wig-Holstein AöR (GMSH) tätig. des großen Zuspruchs zum PiFoto: BS/privat lotprojekt haben sich die Projektbeteiligten dazu entschlossen, das Pifür viele positive Reaktionen sei- lotprojekt in ein reguläres Projekt tens der Teilnehmenden. umzuwandeln. In der aktuellen Die Ausschreibung der Fahrzeu- Projektphase kann zwischen den ge fand zwischenzeitlich über die Fahrzeugklassen LF10, HLF10, E-Vergabe-Plattform der GMSH LF20, TSF-W und ELW1 gewählt in mehreren Losen statt. In den werden. Eine verbindliche Anersten beiden Losen sind wie meldung zur Teilnahme muss erwartet die größten Synergieef- der GMSH bis zum 31.12.2022 fekte der Sammelausschreibung schriftlich vorliegen. eingetreten. Bei Los 3 “Beladung” wurde auf die Wahlmöglichkeit Interessierte können sich im zwischen drei Ausstattungsum- Internet unter www.schleswigfängen geachtet, um notwendige holstein.de/DE/Fachinhalte/F/ Bedarfe unter Berücksichtigung feuerwehr/pilotprojektBeschaf der vorhandenen Haushaltsmittel fung.html informieren und sich bestmöglich zu decken. Es be- hierzu ab sofort unverbindlich stand die Wahl zwischen einer bei der GMSH per E-Mail unter vollständigen Fahrzeugbeladung, denise.plath@gmsh.de anmelden. der Abstufung “Teilbeladung”, wobei die Kommune vorhandene vollständige Beladungssätze nach DIN beigestellen kann, oder auch einer Beschaffung ohne Beladung. Mit den beiden letztgenannten Wahlmöglichkeiten muss vor Kurzem beschafftes, voll funktionsfähiges Einsatzgerät nicht unnötigerweise im Rahmen der Fahrzeugbeschaffung

Vorbildfunktion als öffentliche Auftraggeberin Hamburger Senat beschließt Einkaufsstrategie (BS/bk) Der Hamburger Senat hat auf Initiative seiner Finanzbehörde eine neue Einkaufsstrategie beschlossen. Zudem wurden weitere Schritte für eine Neuorganisation des Einkaufs der Hansestadt eingeleitet. Die Strategie und die Neuorganisation sollen eine “leistungsstarke, wirtschaftliche und zukunftsfähige Verwaltungstätigkeit” sicherstellen. Konkret sollen in den kommenden Jahren die Einkaufsprozesse weiter digitalisiert werden. Außerdem ist geplant, die Einkaufstätigkeit schrittweise in fünf spezialisierten Dienstleistungseinheiten zu zentralisieren. Parallel zu der internen Neuausrichtung des Einkaufs sollen auch Erleichterungen für Bieter angegangen werden. So wird mit der nächsten Änderung des Hamburgischen Vergabegesetzes eine Anhebung der Wertgrenze bei

Direktaufträgen angestrebt. Die Grenze soll von aktuell 1.000 Euro auf 5.000 Euro ansteigen. Durch diese Maßnahmen erhofft sich der Hamburger Senat eine Attraktivitätssteigerung der Hansestadt als Vertragspartnerin. Die Stadt wünsche sich neben nachhaltigen Angeboten zukünftig auch noch mehr Angebote von jungen und kleineren Unternehmen. “Der Einkauf ist ein unverzichtbares Standbein für die Hand-

lungsfähigkeit der Verwaltung. Mit dem heutigen Beschluss gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung innovative, moderne und nachhaltige Verwaltung. Der strategische Einkauf wird weiter gestärkt und die Freie und Hansestadt Hamburg als öffentliche Auftraggeberin ihrer Vorbildfunktion im Einkauf weiter gerecht”, erklärte der Hamburger Finanzsenator Dr. Andreas Dressel (SPD) zu den angestoßenen Veränderungen.

VK Bund (Beschl. v. 22.07.2021, Az.: VK 2-57/21)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

Nicht weniger als eine Attraktivitätssteigerung erhofft sich der Hamburger Senat durch die Verabschiedung der neuen Einkaufsstrategie. Foto: BS/liggraphy, pixabay.com


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Juli 2022

B

ehörden Spiegel: Welche Vorteile bietet die Präqualifikation für öffentliche Auftraggeber? Sommer: Auf Anhieb vier: Die öffentlichen Auftraggeber müssen nicht die Nachweise einholen, sie müssen sie nicht prüfen und vor allem müssen sie sich nicht mit dem Nachfordern von Unterlagen beschäftigen. Mir ist nicht klar, warum sich öffentliche Auftraggeber in dieses Minenfeld wagen, wenn die Eignungsprüfung durch die Präqualifikation doch so viel leichter ist. Ein weiterer Vorteil ist die Auswahl von rechtstreuen Unternehmen für Direktaufträge und Verhandlungsvergaben, die früheren freihändigen Vergaben. Sämtliche präqualifizierten Unternehmen sind in der PQ-Liste aufgeführt. Über diese können sie anhand von Leistungskriterien gesucht werden. Siebert: Damit entlastet die PQ VOB die öffentlichen Auftraggeber. Sie ist eine in der VOB/A und der EU-VOB/A anerkannte Möglichkeit des Nachweises. Öffentliche Auftraggeber können sich darauf verlassen, dass die eingereichten Nachweise vor Abgabe der Angebote durch fachlich qualifizierte Mitarbeiter einer akkreditierten PQ-Stelle und den PQ-Verein geprüft werden. Außerdem sind die Nachweise digital abrufbar und werden regelmäßig aktualisiert. Das ist ein großer Unterschied zu anderen Systemen. Bei der PQ VOB gibt es keine Laufzeiten. Die Präqualifikation ist tagesaktuell. Täglich wird geprüft, ob die Nachweise der Unternehmen noch aktuell sind, wenn nicht, wird das Unternehmen aus der Liste gestrichen. Behörden Spiegel: Wie können Vergabestellen die Nachweise abrufen? Siebert: Dazu reicht ein Blick in das amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen. Jede Vergabestelle oder jeder privater Auftraggeber kann dieses einsehen. Öffentliche Auftraggeber oder Vergabestellen haben zusätzlich die Möglichkeit, sich die hinterlegten Nachweise anzuschauen oder für die Vergabeakte

“Wir prüfen auf Herz und Nieren” Präqualifikation für beide Seiten vorteilhaft (BS) Seit 2005 gibt es Präqualifikation für die Vergabe von Bauaufträgen. Initiiert wurde die auftragsunabhängige Prüfung von standardisierten Eignungskriterien durch das damalige Bundesbauministerium und die Verbände der Bauindustrie und des Baugewerbes. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläuterten Birgit Sommer, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Qualifizierung und Bewertung mbH (kurz DQBPräqualifizierungsstelle,) und Rechtsanwalt Dr. Burkhard Siebert, Mitglied im Vorstand des Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (PQ VOB-Verein), unter anderem die Vorteile der Präqualifikation insbesondere für Vergabestellen. Die Fragen stellte Jörn Fieseler.

“Die Präqualifikation ist doch so viel leichter”, erklärt Birgit Sommer, Geschäftsführerin der DQB. Fotos: BS/Lisa Krieg

herunterzuladen, hierzu müssen sie lediglich über den PQ-Verein einen kostenfreien Zugang beantragen. Formlos. In der Regel stellt der PQ-Verein diesen am gleichen Tag zur Verfügung. Behörden Spiegel: Wie weit ist die Präqualifikation in der Baubranche verbreitet? Sommer: Wir haben circa 70.000 Bauunternehmen in Deutschland. In der PQ-Liste sind knapp 11.000 aufgeführt. Das sind überwiegend die größeren Unternehmen und diejenigen, die häufig mit der öffentlichen Hand zusammenarbeiten. Über alle Gewerke hinweg. Aber wir sind stark bemüht, das PQ-Verfahren noch bekannter zu machen. Behörden Spiegel: Seit diesem Jahr ist das Wettbewerbszentralregister im Einsatz. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der PQ? Siebert: Die rechtlichen Hin-

tergründe sind in der Wettbewerbsregisterverordnung geregelt. Registerführenden Stellen ist es möglich, Abfragen im Wettbewerbszentralregister vorzunehmen. Damit haben die PQStellen die Möglichkeit, selbst abzufragen. Damit wird die hohe Qualität aller Eignungsnachweise in der PQ VOB gesichert. Jedes Unternehmen aus der PQ-Liste wird regelmäßig im Wettbewerbsregister abgefragt. Dieser Prozess ist aufwendig. Jedoch betreiben die PQ-Stellen ihn, um den öffentlichen Auftraggebern eine hohe Datenqualität zu gewährleisten. Behörden Spiegel: Was passiert bei einem Treffer? Siebert: Ein Eintrag im Wettbewerbsregister führt automatisch zum Entzug der Präqualifizierung. Behörden Spiegel: Und wenn ein Unternehmen die Möglichkeit zur Selbstreinigung genutzt hat? Sommer: Bei Verstößen gegen § 123 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) werden die Selbstreinigungsmaßnahmen vom Bundeskartellamt geprüft. Wenn das Amt die Maßnahmen anerkennt, dann nehmen wir das Unternehmen wieder in die PQ-Liste auf. Vo­ rausgesetzt, sämtliche Nachweise sind weiterhin aktuell. Bei den Verfehlungen nach § 124 GWB prüfen wir PQ-Stellen selbst, ob eine Selbstreinigung erfolgt ist. Wir prüfen nach einem strengen, umfangreichen Katalog zum Beispiel ob die Schadenskompensation durchgeführt wurde, ob es personelle Veränderungen gab oder ob Compliance-Maßnahmen durchgesetzt wurden. Ist das der Fall und sind die Nachweise nach

wie vor gültig, wird das Unternehmen wieder präqualifiziert. Siebert: Eigentlich sollte eine Entfernung aus der PQ-Liste nicht erfolgen. Das Bundeskartellamt informiert vor dem Eintrag ins Wettbewerbsregister das Unternehmen, das sofort mit der Selbstreinigung beginnen kann. Wenn die Neutralisierung vor dem Eintrag erfolgt, dann gibt es keinen Eintrag. Und somit keine Entfernung aus der PQ-Liste. Behörden Spiegel: Was wäre die Alternative zur PQ? Gäbe es andere Vereinfachungen bei der Eignungsprüfung? Sommer: Es gibt keine Vereinfachungen neben der Präqualifikation. Die PQ ist das einfachste Mittel. Eignungsnachweise ausschließlich durch Eigenerklärungen sind der “billige Michel”. Man kann vieles selbst erklären, Papier ist geduldig. Zudem bietet die PQ-Liste von vornherein die Möglichkeit, bei freihändigen Vergaben und Direktaufträgen rechtstreue und geeignete Unternehmen auszuwählen. Denn wir sammeln nicht nur Nachweise, wir machen viel, viel mehr. Wir plausibilisieren die Nachweise und setzen sie in Relation. Passt der Gesellschaftszweck zu den angegebenen Leistungsbereichen? Passen die angegebenen Lohnsummen zur Anzahl der Beschäftigten? Wir prüfen die Unternehmen auf Herz und Nieren. Präqualifizierte Unternehmen müssen von den Vergabestellen nicht mehr gegengeprüft werden. Siebert: Die Präqualifizierung ist sehr gut. Selbst die EUKommission sieht die PQ VOB als Positivbeispiel in Europa an. Neben Deutschland gibt es nur

Mehr Bio in den Kantinen des Bundes Initiative BioBitte informiert über nachhaltige Beschaffung (BS) Ressourcenschonend, umweltverträglich und nachhaltig: Die Argumente für Bio-Lebensmittel liegen auf der Hand. Im Koalitionsvertrag haben sich die Regierungsparteien daher vorgenommen, den Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche bis 2030 auf 30 Prozent auszuweiten. Auch in den Bundeskantinen soll mehr Bio angeboten werden: Mindestens 20 Prozent bis 2025 gibt die Weiterentwicklung des Maßnahmenprogramms Nachhaltigkeit der Bundesregierung vor. Deshalb gilt es für die Bundeskantinen jetzt, Bio-Lebensmittel in ihr Verpflegungsangebot zu integrieren. Doch wie ist eine nachhaltige Verpflegung zu konzipieren? Und wie wird Bio einfach und rechtssicher in Vergabeverfahren berücksichtigt? Antworten erhalten Verantwortliche aus Bundesverwaltung und -kantinen in einer Online-Veranstaltung der Initiative BioBitte am 6. September 2022. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung (KNB) beim Beschaffungsamt des BMI statt.

“Bundeskantinen haben Vorbildunktion” Als Expertin und Mitveranstalterin erklärt Sonja Martínez von der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung vorab, wa­ rum die Bundeskantinen mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Bio liegt im Trend. Was heißt das für die Gemeinschaftsverpflegung? “Bei Verbraucherinnen und Verbrauchern erfreuen sich

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bestimmten Ausbildungsstand vorweisen. Bevor sie eine Entscheidung treffen dürfen, müssen sie nicht nur einen Monat, sondern ein ganzes Jahr eingearbeitet werden. Zudem sind die Vorgaben für Weiterbildungen sehr umfangreich und leider sind die Kosten sehr hoch. Trotzdem scheuen wir diese nicht, um den Vergabestellen die bestmögliche Qualität im Rahmen der PQ liefern zu können. Behörden Spiegel: Sie haben die Einsichtnahme in Register angesprochen. Könnten beim Thema Referenzen Synergien erzielt werden, indem die PQ mit der Auftragsvergabestatistik verknüpft wird?

“Selbst die EU-Kommission sieht die PQ VOB als Positivbeispiel in Europa an”, unterstreicht Rechtsanwalt Dr. Burkhard Siebert, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Hessen-Thüringen e. V. und als ständiger Vertreter für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V. Vorstandsmitglied im Vorstand des PQ-Vereins.

zwei Länder in ganz Europa, die bei der Eignungsprüfung ein ähnliches Modell haben. Aber es gibt noch Vereinfachungsmöglichkeiten für die PQ. Eine digitale Verwaltung braucht digitale Register. Wir haben zwar zahlreiche Register, allerdings fehlt die Möglichkeit der direkten Abfrage. Es wäre ein enormer Vorteil, diese Register digital abrufbar zu machen, zum Beispiel das Insolvenzregister. Denn die PQ-Stellen sind verpflichtet, jede Insolvenzbekanntmachung zu prüfen und wenn es sich um ein präqualifiziertes Unternehmen handelt, dieses sofort aus der PQ-Liste zu entfernen. Behörden Spiegel: Bei diesem Aufwand und der Zahl der Unternehmen: Wie groß ist eine PQ-Stelle? Sommer: Bei uns sind rund 2.400 Unternehmen präqualifiziert. Deshalb sind im Prüfungs- und Evaluierungsteam neun Beschäftigte tätig. Für diese bestehen durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) extrem hohe Anforderungen. Unsere Mitarbeiter müssen einen

Siebert: Das ist ein interessanter Gedanke, aber in der Umsetzung sehr schwierig. Die Auftragsvergabestatistik sagt nichts über die Güte der Auftragserfüllung aus, außerdem fehlen Angaben, wenn Auftragsteile durch Nachunternehmer erbracht worden sind. Würde man die Statistik um diese Aspekte ausweiten, könnten so Referenzen abgebildet werden. Das ist kaum realistisch. Dann sollte lieber in die Statistik aufgenommen werden, ob der Auftrag an ein präqualifiziertes Unternehmen vergeben wurde und ein weiteres Feld, ob das Unternehmen sich vertragstreu verhalten hat. Behörden Spiegel: Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie bei der Präqualifikation? Sommer: Die Vernetzung zu den Vergabeplattformen könnte weiter verbessert werden. Seit Jahren hat der PQ-Verein eine Schnittstelle zur Vergabeplattform des Freistaates Bayern. Bayerische Vergabestellen können darüber direkt auf die PQ-Liste zugreifen. Im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes hat Bremen ein Pilotprojekt initiiert, die PQStellen auf einer Plattform zu intergerieren. Über diese sollen Anträge bei den PQ-Stellen gestellt und ebenfalls Einsicht in die PQ-Liste genommen werden. Rheinland-Pfalz und NRW sind ebenfalls an dem Projekt beteiligt. Es bleibt zu hoffen, dass hier das EfA-Prinzip greift und die übrigen Länder ebenfalls diese Plattform nutzen. Ansonsten gibt es keine wirklichen Verbesserungen, sondern Weiterentwicklungen. Wenn der Bund ein Tariftreue- und Vergabegesetz verabschiedet, werden wir einen Nachweis zur Tariftreue in die PQ mitaufnehmen.

ONLINEindem die Forderung nach BioVERANSTALTUNG Produkten stärker in den Vergabeverfahren verankert wird.”

Foto: BS/Altrendo Images, Shutterstock.com

ONLINE-VERANSTALTUNG: Mehr Bio in den Kantinen des Bundes – nachhaltige ­Beschaffung, Ausschreibungen Dienstag, 6. September 2022: 10:30 Uhr bis 12:00 Uhr Programm und kostenfreie Anmeldung für Interessierte unter: bio-bitte.info/bundeskantinen Kontakt: veranstaltungen@bio-bitte.info

Bio-Lebensmittel steigender Beliebtheit. Nicht nur beim privaten Einkauf spielt Bio eine

immer größere Rolle, auch in der Gemeinschaftsverpflegung. Denn die Gäste wollen nicht nur wissen, was sie auf ihren Tellern haben, sondern wie es produziert wurde und welche Qualität es hat.” Welchen Stellenwert haben dabei die Kantinen des Bundes? “Die Bundeskantinen haben eine Vorbildfunktion. Mit ihrem hohen Beschaffungsvolumen besteht das Potenzial, die AußerHaus-Verpflegung nachhaltig mitzugestalten – zum Beispiel

Wie können Bio-Produkte in Vergabeprozessen berücksichtigt werden? “Bio-Qualität kann, neben weiteren Nachhaltigkeitskriterien wie einem saisonalen Angebot oder fairem Handel, ein wichtiges Kriterium der Leistungsbeschreibung sein. Ein MindestBio-Anteil von 20 Prozent und mehr am monetären Wareneinsatz stellt sicher, dass am Ende nicht nur der Preis, sondern auch Nachhaltigkeitsaspekte über den Zuschlag entscheiden.” Mehr Tipps zur Gestaltung von Ausschreibungen für Bundeskantinen erhalten Interessierte bei der Veranstaltung der Initiative BioBitte und der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung. Ein Infoblatt und eine Präsentation zum Thema stehen unter biobitte.info/info-materialien bereit. Am 4. Oktober 2022 widmet sich ein weiterer Termin der Kommunikation zum Einsatz von BioLebensmitteln.

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Diplomaten Spiegel

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Behörden Spiegel / Juli 2022

“Geh nach Hause, Iwan!” Ein Gespräch mit dem slowakischen Botschafter in Berlin, Marián Jakubócy (BS/ps) Sein Land ist etwa so groß wie Niedersachsen und das Saarland zusammen. Allerdings wohnen dort nur knapp sechs Millionen Menschen zwischen Tatra, Karpaten, Erzgebirge, an Flüssen wie Donau und Theiß, der Hauptstadt Bratislava (früher Pressburg) und bis Wien sind es nur knapp 80 km. Außerdem wächst dort Tokajer, Blauer Portugieser, Blauburgunder, Riesling, Veltliner und in Hannover und Saarbrücken eher nicht. Das weltbekannte Bier ist dort dunkel, frisch, süffig, der Schnaps klar. Die Küche mit Schweinsbraten, Kraut, Knödeln, Nockerln, SchafskäsePiroggen mit Frühlingszwiebeln und Speck oder Süßspeisen wie Pressburger Hörnchen (siehe Rezepte) ist weder laktosefrei noch vegan, aber Serotonin(Glückshormone)-fördernd und im Übrigen pures Hüftgold, was manche dann wieder nicht so glücklich macht. Naja und...? Richtig, wir sprechen von der Slowakei und im Weiteren nicht mehr über derartige Genüsse, sondern über seinen Chefdiplomaten in Berlin, Marián Jakubócy.

Repräsentiert seit Januar 2020 die Slowakische Republik in Berlin: Chefdiplomat Marián Jakubócy.

S

eit Januar 2020 ist der Absolvent der Slowakischen Technischen Universität und des Institutes für Internationale Beziehungen an der ComeniusUniversität in Bratislava als Botschafter bei uns. Der heute 52-Jährige kommt 1995 in den auswärtigen Dienst, 1998 an die slowakische Botschaft nach Moskau, dann erstmals nach Berlin und wird, nach Stagen im heimischen Außenministerium, Botschafter in Bulgarien. Sein Dienstsitz in Berlins Hildebrandtstraße im Tiergarten, nahe von Philharmonie, estnischer und italienischer Botschaft, ist ihm noch aus seiner Zeit als Botschaftsrat von 2005 – 2009 bestens bekannt und über die bilateralen Beziehungen unserer Staaten gibt es auch nur Gutes zu berichten. Man pflegt einen sogenannten “vertieften Dialog”. “Dabei arbeiten Berlin und Bra-

tislava ständig auf allen Ebenen intensiv zusammen: Zwischen den Regierungen, einzelnen Bundesländern, Regionen, Städten und Gemeinden, den Institutionen, einzelnen Behörden, auf dem Niveau “Menschen zu Menschen” – mit den Schulen, Universitäten, zivilen und Nichtregierungs-Organisationen. Deutschland ist seit längerer Zeit ein strategischer, politischer und unser wichtigster wirtschaftlicher Partner. Als größter Truppensteller in der Enhanced Vigiliance Activities Battlegroup der NATO (der eVA BG NATO) in der Slowakei wurde Berlin auch zu einem Bündnispartner mit besonderer Tragweite im Bereich der Verteidigung und Sicherheit für uns.”

Besonderer Bündnispartner “Der Schwerpunkt meiner Arbeit liegt eigentlich darin, über den slowakisch-deutschen Bezie-

Foto: BS/ Slowakische Botschaft

hungskomplex zu wachen – das, was wir erreicht haben, zu beschützen und das, was entwicklungsfähig ist, weiter zu fördern. Dabei gibt es Bereiche, wie die Wirtschaft, die dank des freien Marktes weiniger Hilfe braucht, und wiederum welche, wie Kultur oder Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung/Bildung, die mehr Initiative von der staatlichen Seite vertragen. Ein Teil meiner Arbeit besteht auch darin, mögliche Risiko-Potenziale in den Beziehungen zu erkennen und dagegenwirken, diskret für Aufklärung zu sorgen, ehe sie zu echten Ungereimtheiten anwachsen könnten.” Zudem seien Deutschland und die Slowakei enge Verbündete in der EU und der NATO. “Deswegen liegt ein Hauptgewicht meiner Arbeit auch auf den europäischen Themen – damit meine ich uns, nicht nur darüber aus-

zutauschen, sondern konkrete Möglichkeiten für eine vertiefte Zusammenarbeit zu suchen”, so Jakubócy.

Keine Ausnahme, sondern Übergangsphase gefordert Was mitunter nicht immer einfach ist, wie in Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine und dem damit verbundenen EU-Ölimportverbot aus Russland. Die Slowakei ist fast vollständig von russischem Gas (85 Prozent) und von Ölimporten abhängig. Im Moment möchte Bratislava daher “Dispens” von Brüssel. “Dieser wird wohl so lange gelten müssen, bis wir eine Lösung finden, die unsere Bürger nicht schädigt und uns für unsere Partner in der EU nicht zur Last werden lässt. Unsere Wirtschaftssysteme und Energiehaushalte sind verflochten, gegenseitig abhängig,

Rezepte des Botschafters Schafskäse-Piroggen mit Frühlingszwiebeln und Speck (5 Personen)

Zutaten: 500 g Kartoffeln (ideal: mehligkochend), 300 g halbfestes Mehl (Typ 405), 2 Eier, 375 g Vollfett-Schafskäse, schwarzer Pfeffer, Salz, 1 Bund Frühlingszwiebeln, 100 g Speck vom Woll- oder Mangalitzaschwein, 300 g Sauerrahm (16 Prozent), Reibe, Küchentuch, Teigroller, Form für Piroggen, Sieb Zubereitung: Mit der Vorbereitung des Teiges idealerweise am Vortag beginnen. Die Kartoffeln in der Schale kochen und zuerst bei Raumtemperatur und dann im Kühlschrank abkühlen lassen. Am nächsten Tag schälen und fein reiben. Aus der Hälfte der geriebenen Kartoffeln unter Einrühren von ca. 200 g Mehl und 2 Eiern machen wir einen Teig. Die Mehlmenge hängt von der Kartoffelsorte ab. Wir arbeiten schnell

mit dem Teig, denn wenn er zu lange steht, beginnen die Kartoffeln, Wasser zu lassen. Den Teig zu einer Rolle formen und mit einem Küchentuch abdecken. Aus der zweiten Hälfte der Kartoffeln, gemischt mit 250 g Schafskäse, Pfeffer, Salz und mit fein gehacktem weißem Teil der Frühlingszwiebeln, bereiten wir die Füllung vor. Mit dem restlichen Mehl die Arbeitsplatte bestreuen und nach und nach in den Teig einarbeiten. Tipp: Der Teig ist besser, wenn weniger Mehl drin ist. Den Teig auf etwa 2 Millimeter ausrollen und mithilfe einer Form oder eines Glases runde Plätzchen ausstechen. Wir füllen jedes mit 1 Esslöffel Füllung, Ränder des Teigs befeuchten und schließen. Wenn Sie keine Form für Piroggen haben, falten Sie die Räder mit angefeuchteten Kanten in zwei Hälften und schließen sie zuerst gründlich mit den Fingern und

dann mit einer Gabel. Kochen Sie die Piroggen in kochendem Salzwasser ca. 10 Minuten, bis sie an die Oberfläche kommen. Unmittelbar nach dem Einsetzen in das Wasser vorsichtig mischen, damit sie nicht haften bleiben. Den Speck in kleinere Würfel schneiden und in einem Topf knusprig braten. Bei Bedarf können wir Schweineschmalz hinzufügen. In einer Schüssel den restlichen Schafskäse und saure Sahne vermischen. Servieren Sie die Piroggen mit saurer Sahne, gemischt mit dem Schafskäse, bestreut mit geröstetem Speck, mit Bratfett beträufelt und mit klein gehacktem grünem Teil der Frühlingszwiebeln verziert. Dazu schmecken Riesling, Bier und in jedem Fall ein Borovi ka (aus Wacholderbeeren gebrannter Klarer), Sliwowitz, Marhu ovica (Aprikosen-Marillenschnaps) oder ein typisch slowakischer Kräuterlikör "Demänovka". Na zdravie.

Puderzucker, 1 PäckchenVanillezucker, 150 ml Milch.

verarbeiten, den Teig ausrollen, in kleine Vierecke schneiden und die Mohn- oder Nussfüllung aufstreichen. Zu Hörnchen formen, auf ein Blech setzen, mit gequirltem Ei bepinseln und über Nacht ruhen lassen. Anderntags die Hörnchen erneut mit geschlagenem Ei bestreichen und ca. 15 Min. in vorgeheizte. Backofen (170 °C – 200 °C) backen, bis die Hörnchen goldbraun sind.

eine verschlechterte Lage und Situation hätte Auswirkungen in unserer europäischen Nachbarschaft – das möchten und dürfen wir nicht riskieren”, erklärt Jakubócy. Es sei völlig im slowakischen Interesse, von russischem Öl unabhängig zu werden, die Ausgangslage sei aber schwieriger als bei anderen Mitgliedsstaaten. “Technisch ist es für uns nicht möglich, diese Lieferungen sofort zu ersetzen. Ich möchte aber deutlich machen, dass die Slowakei keine Ausnahme fordert, sondern eine Übergangsphase. Schon jetzt laufen Gespräche zwischen unseren Behörden und der Kommission, um diesen Ausstieg zu beschleunigen”, unterstreicht der slowakische Chefdiplomat in Berlin.

Strenge Sanktionen gefordert “Allen anderen vereinbarten und sonst noch nötigen EUSanktionen stimmt die Slowakei zu. Schließlich geht es im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine um einen Überfall auf den Nachbarstaat, um die Ermordung von Zivilisten, Vergewaltigungen und andere Kriegsverbrechen”, so Botschafter Jakubócy. “Es sind in diesem Fall eindeutig die strengst möglichen Sanktionen zu verhängen. Die Haltung meiner Regierung hierzu ist glasklar – Moskaus Aggressionen werden nicht toleriert. Wir sind ein zuverlässiger NATO-Verbündeter, ein standhaftes, wehrhaftes Mitglied der wertebasierten demokratischen

Gesellschaft. Die Diskussionen zum Abkommen mit den USA über die Nutzung slowakischer Militärflughäfen sind Schnee von gestern. Die Vereinbarung gilt und wird praktiziert. In jedem Land gibt es unverantwortliche Opportunisten der politischen Macht. Ja, wir sind unter Beschuss des russischen Informationskrieges. Wir wissen es, und wir halten dagegen”, stellt der 52-Jährige klar.

Was noch zu sagen wäre Marián Jakubócy weiß sich einer europäischen Familie, in der, wie in jeder anderen auch, debattiert wird, mitunter laut, aber “das ist in Ordnung und notwendig. Je besser man sich kennt, desto mehr kann man sich darauf verlassen, verstanden zu werden. Ich finde, der Bekanntheitsgrad der Slowakei hierzulande ist in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Gleichfalls die Wertschätzung für mein Land, sowohl seitens der Regierung als auch unter den Menschen.” Letzte Frage: Worin unterscheiden sich Slowaken und Tschechen voneinander? “Die Tschechen haben kein “ô” im Alphabet und die Slowaken kein “ř”. Die Tschechen sind ein wenig gelassener, wir haben vielleicht etwas mehr Temperament und Drama in uns. Alles in allem, wir sind nicht sehr unterschiedlich.” Was wäre noch zu sagen? “Geh nach Hause, Iwan! Und vielen Dank für die Möglichkeit, im Behörden Spiegel über mein Land sprechen zu dürfen.”

Nachspeise: Pressburger Hörnchen Zutaten: 550 g fein gemahlenes Mehl, 170 g Schweineschmalz, 10 g Hefe, 40 g Puderzucker, Salz, ein wenig lauwarmes Wasser, 1 Ei zum Bepinseln Für die Mohnfüllung: 150 g Mohn, 1 Päckchen Vanillezucker, etwas gemahlener Zimt, 100 g Puderzucker, 150 ml Milch Für die Nussfüllung: 150 g Walnüsse, 60 g

Zubereitung: Den gemahlenen Mohn oder die gemahlenen Nüsse mit den oben genannten Zutaten vermischen und mit heißer Milch übergießen. Die Zutaten auf der Arbeitsfläche zu einem Teig

Piroggen gefüllt mit Schafskäse, garniert mit Zwiebeln und Speck und hier einer Beilage von Feldsalat. Foto: BS/thauwald-pictures, stock.adobe.com


Personelles

Behörden Spiegel / Juli 2022

Seite 11

Beschaffungsamt des BMI ANSCHRIFT Brühler Str. 3, 53119 Bonn Telefon: 0228/99610-0 Telefax: 0228/9910610-0 E-Mail: poststelle@bescha.bund.de Internet: www.beschaffungsamt.de

Stabsstelle P Presse, Kommunikation und Strategie Markus Saga -1210 Stabsstelle IR Interne Revision Gabriele Denker

Abteilung ZIB

Referat ZIB 11 Strategische Beschaffung Bund / Beschaffungsunterstützung -3500 ORR’in Juliane Lange

Referat ZIB 12 Informations- und Kommunikationstechnik TRD Jörg Kretzer -3540

Referat ZIB 21 Informations- und Kommunika­tionstechnik* Schwerpunkt Informationstechnik TRD Carsten Kolbe -2900

Abteilung B

Referat B 11 KoorD’inierungsstelle Beschaffung RD’in Sabine Poell

Referat ZIB 13 ** Informations- und Kommunikationstechnik N.N.

Dienstort Erfurt

-2021

Abteilung Z

Beschaffungsmanagement und Zentrale Dienste Ltd. RD Frank Schmitz -2010

-2005

Referat B 20 Technische Ausrüstung, Maschinen-, Stahl- und Anlagenbau, Energietechnik TORR Dr. Thimo Brähler -3600

Referat ZIB 14 Informations- und Kommunikationstechnik ORR’in Jennifer Schultz -1400 (BN) -5500 (EF)

Referat B 12 Dienstleistungen ORR Hans Hagen Burmeister -1000

Referat B 21 Luftsicherheits-, Analyse- und Medizintechnik, Optik, Sondereinrichtungen Dr. Stefan Flege -5100

Referat ZIB 15 Informations- und Kommunikationstechnik ORR Clemens Taube -5600

Referat B 16 Wasserfahrzeuge, ballistische und polizeitaktische Ausrüstung, Robotik TORR Christian Müller -2600

Referat B 22 Mobile einsatztaktische Systeme, Luftfahrtwesen TORR Fabian Schwarz -5200

Referat B 18 Mobile einsatztaktische Systeme, Luftfahrtwesen TORR’in Sandra Trachte -2800

Referat B 23 Bekleidung Dr. Maximilian Kemper

-5300

Referat B 19 Luftsicherheits-, Analyse- und Medizintechnik, Optik BD Michael Unger -2700

Referat B 24 Dienstleistungen ORR Christian Wagner

-5400

Referat ZIB 22 Informations- und Kommunikationstechnik* Schwerpunkt Kommunikations­technik BD Dr. Andreas Janhsen -2500

Dienstort Bonn

Datenschutzbeauftragter Andreas Brombach -3515 stv. Datenschutzbeauftragte Ines Franke -5555

Beschaffungen Ltd. TRD Karsten Scholtz

-2003

Aufg.wahrnehmung in Bonn und Erfurt

-2100

Stabsstelle KNB Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung RD’in Ilse Beneke -3400

Foto: BS/BeschA

Gleichstellungsbeauftragte Anna-Lena Lampe -2317 stv. Gleichstellungsbeauftragte Mareike Richter -5314

Zentralstelle IT-Beschaffungen Ltd. RD Felix Zimmermann

Stabsstelle KM Kundenmanagement ORR Tobias Pötzsch

Präsidentin Dr. Ruth Brand

-2255

* Einzelbeschaffungen GB BMI ** im Aufbau

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Beschaffungsamt des BMI Stand: Juli 2022

Aufg.wahrnehmung in Erfurt und Bonn

Referat Z 11 Controlling ORR’in Marion Benze

-1010

Referat Z 12 Personal ROAR’in Christine Giesen -2200 Referat Z 13 Vergaberecht, Vertragsangelegenheiten, Justiziariat RD’in Andrea Friedrichs -2300 Referat Z 14 E-Beschaffung, Vergabeportal und IT-Service RD Norbert Richter -1100

Personalrat (Vorsitzender) Rolf Wockenfuß -2244 Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen (VPSM) Sven Martwich -2930 Beauftragter der Präsidentin für den Arbeitsschutz (BfdA) Klaus Refisch -2219 Brandschutzbeauftragte/r extern Inklusionsbeauftragte des Arbeitgebers gem. § 181 SGB IX Christine Giesen -2200

Präsident N.N.

Fachbereich Auswärtige Angelegenheiten Berlin VLR Mario Krebs 030/18 17-1150

Fachbereich Bundespolizei Lübeck Präsident Alfons Aigner 0451/203-1000

Fachbereich Bundeswehrverwaltung Mannheim Dir’in Sylvia Jahnz 0621/4295-4000

Fachbereich Finanzen Münster AD Dr. Rüdiger Nolte 0251/8670-6859

Fachbereich Kriminalpolizei Wiesbaden Prof. Dr. Thorsten Heyer 0611/55-16708

Fachbereich Landwirtschaftliche Sozialversicherung Kassel RD’in Cordula Winkler 0561/785-14620

Fachbereich Nachrichtendienste Brühl, Berlin Prof. Dr. Christian Haas 030/220089-12069

Fachbereich Sozialversicherung Berlin, Bochum TBe Dr. Julia Neuhaus 030/865-43062

Fachbereich Wetterdienst Langen RDir Dr. Wilfried Jacobs 069/8062-5600

-8100

Referat Z 17 Innerer Dienst Ltd. RD Frank Schmitz

-2010

Referat Z 18 Geschäftsstelle Kaufhaus des Bundes TRR’in Nicole Bremer -1200 Referat Z 19 Vergabedigitalisierung TRR Michael Schmidt -3541

Geheimschutzbeauftragte Sabine Poell -2021 Informationssicherheitsbeauftragte (ISB) Nina Gerlach -1217 Ansprechperson für Korruptionsprävention (APK) Fabian Schwarz -5200 Beauftragter für den Haushalt (BfdH) Frank Schmitz -2010 Umweltmanagementbeauftragter [EMAS] (UMB) Frank Schmitz -2010

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Hochschule des Bundes für die öffentliche Verwaltung Stand: Juli 2022

Für die Dienststelle Brühl

Datenschutzbeauftragter Gleichstellungsbeauftragte Prof. Dr. Lorenz Franck ORR’in Karin Schlabs -8138 -7010 IT-Sicherheitsbeauftragter Stabsstelle Innenrevision RD Jürgen Schmidt RD’in Dr. Anne Gestefeld -6321 -7016

Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung Brühl Prof. Dr. Sabine Leppek 0228/99 629-7000

Personalratsvorsitzender Dr. Florian Albrecht

-1600

Referat Z 15 Haushalt,Organisation ORR Jan Henning Baust -1110

Hochschule des Bundes für die öffentliche Verwaltung ANSCHRIFT Dienststelle Brühl Willy-Brandt-Straße 1, 50321 Brühl E-Mail: postzb@hsbund.de / aiv-leitung@hsbund.de Telefon: 0228/99 629-0

Referat Z 16 Qualitätssicherung Hans-Peter Schmidt

Zentraler Lehrbereich Dekan: Prof. Dr. Lars Esterhaus Prodekan: Prof. Dr. Achim Buchwald

-9210 -8104

Dekanat des Zentralen Lehrbereichs

Jugend- und Auszubildendenvertretung Lina Sophie Fratzscher

Zentrale Hochschulverwaltung Kanzler LRD Dr. Christian Schulz -6100

Lehrbereich Grundstudium

Studiendekanat Master of Public Administration (MPA) Prof. Dr. Thomas Sauerland -6176 Studiendekanat Digital Administration and Cyber Security (DACS) N.N.

Referat H Hochschulentwicklung RD’in Dr. Anne Gestefeld 7016 Referat W Wissenschaftlicher Dienst RD Klaus Günther -6161 Referat Z 1 Personalmanagement, Justiziariat RD’in Dr. Wibke Rosenhayn -6131 Referat Z 2 Organisation, Informationsmanagement RD’in Cornelia Thoben -6120 Referat Z 3 Budgetmanagement, KLR RD Jürgen Schmidt -6321

Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen Uta Kauer -6232

Referat Z 4 Innerer Dienst, Büro-/Gebäudemanagement RRin Claudia Verenkotte -6220


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Mai 2023

Mai 2023

www.hedigital.de

Juni 2023

Baden-Württemberg 4.0 29. Juni 2023, Stuttgart

Permanente Online-Formate

Digitaler Staat ONLINE

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Ansprechpartner Informationen zu Beteiligungsmöglichkeiten erteilt: Benjamin Bauer Mitglied der Geschäftsleitung Tel.: 0228/970 97-0 E-Mail: benjamin.bauer@behoerdenspiegel.de

ONLINE

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Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juli 2022

KNAPP

Zukunftsgestaltung ist schwierig

Hamburg-Takt dank On-Demand-Verkehren

“Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam”

(BS/mj) “Damit vernetzen wir

(BS/Malin Jacobson) An vielen Orten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfahlen, die in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 von der Starkregen- und Hochwasserkatastrophe getrof- Bereiche der äußeren Stadt verfen wurden, erinnert auf den ersten Blick wenig an das verheerende Unglück. Hier und da ist eine Lücke zwischen den Häusern, wo früher ein Gebäude stand. In so mancher Dorfmitte lässt kehrlich noch stärker mit den sich erahnen, dass dort bis vor Kurzem noch Müllberge zusammengetragen wurden. An Flüssen und Bächen fehlt die Ufervegetation. Es wurde aufgeräumt, aber noch nicht gestaltet. Gebieten der inneren”, freut sich “Insgesamt ist in dieser Nacht Sperrmüll von rund 50 Jahren entstanden, den wir glücklicherweise größtenteils relativ schnell entsorgen konnten”, erzählt Guido Nisius, Bürgermeister der Verbandgemeinde Adenau in Rheinland-Pfalz, “aber in den Ortsgemeinden Antweiler und Schuld liegen bis heute noch einige Schuttberge.“ In Antweiler sei vor allem der Starkregen, der von den Seitenhängen als Sturzbäche kam, problematisch gewesen und habe eine Schule stark beschädigt. An anderer Stelle habe man einen Kindergarten kurzzeitig schließen müssen, da die Wasserversorgung und -entsorgung nicht gegeben war. Und noch immer könnten nicht alle Bürgerinnen und Bürger in ihre Häuser zurück – sofern diese noch stünden, erläutert der Bürgermeister die Situation vor Ort und erklärt: “Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam!” Viele in der Bevölkerung seien frustriert und hätten den Eindruck, dass zu wenig passiere. Immerhin seien die Behelfsbrücken des Technischen Hilfswerks (THW) auch von Lastwagen befahrbar, sodass es bezüglich der Mobilität kaum Einschränkungen gebe. “Und im Vergleich zu anderen Gemeinden entlang der Ahr sind wir in der Verbandsgemeinde Adenau glimpflich davongekommen”, betont Nisius.

Fehlende Ressourcen und Trauma lähmen Zwar seien in der Gemeinde Weilerswist in Nordrhein-Westfalen keine Gebäude weggerissen und nur wenige so zerstört worden, dass sie hätten abgerissen werden müssen, dennoch müssten viele Häuser erst saniert werden, bevor sie wieder bewohnbar seien, berichtet Bürgermeisterin Ann-Katharina Horst. “Das dauert

den kommunalen und kreiseigenen Wiederaufbau betreffe, sei, dass der Wiederaufbaufonds nur das finanziere, was vor der Katastrophe da gewesen sei – keine Neuerungen, so die Landrätin. “Es ergibt aber keinen Sinn, eine Schule mit Raumkonzepten aus den 80er- oder 90er-Jahren zu bauen, wenn wir für die Zukunft andere Konzepte brauchen.” Um nicht nur “wieder auf“-, sondern auch nachhaltig zu bauen, brauche es umfassendere Planungsleistungen, die derzeit nicht vom Wiederaufbaufonds finanziert würden. Und: “Förderanträge für den kommunalen Wiederaufbau müssen bis zum 30. Juni 2023 gestellt werden. Für jeden Antrag sind jedoch umfassende Vorleistungen, nämlich Planungen nach HOAI3, zu erbringen”, weiß Weigand. Das betreffe bislang rund 2.700 Baumaßnahmen im gesamten Landkreis und “ist in dieser Zeitspanne gar nicht machbar, allein weil es nicht genug Planer gibt, um alle Anträge in der Zeit zu bearbeiten”.

Hochwasserschutz priorisieren

Auch in der Ortsgemeinde Dernau im Landkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz kann die Ahr nur dank Behelfsbrücke überquert werden. Foto: BS/Thorsten, stock.adobe.com

teilweise sehr lange, da man auf Gutachter, die Versicherungen, die Handwerker und das Baumaterial jeweils sehr lange warten muss.” Laut Cornelia Weigand, Landrätin des Landkreises Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, kommt hinzu, dass die Frage, wie es mit den einzelnen Orten generell weitergehe, die traumatisierte Bevölkerung zusätzlich lähme. “Es hemmt ungemein, wenn man nicht weiß, ob, wie, wann und von wem die Häuser rechts und

links des eigenen Grundstücks aufgebaut werden.” Zudem könne man bei vielen Gebäuden erst seit dem Frühjahr abschätzen, ob sie wieder bewohnt werden könnten, da man erst nach dieser langen Trockenperiode sehe, ob zu viel Heizöl ins Mauerwerk eingedrungen sei. “Teilweise mussten nun Häuser, die schon fertig saniert waren, aufgrund der Kontamination doch noch abgerissen werden”, so Weigand. Ein weiteres Problem, das auch

Auch Norbert Crump, Bürgermeister der Gemeinde Nettersheim in Nordrhein-Westfalen, bemängelt, dass Maßnahmen für den Hochwasserschutz nicht mit dem Wiederaufbau kombinierbar seien. Während in seinen Augen die Finanzierung durch den Wiederaufbaufonds sehr gut funktioniert – die Gemeinde bekam im Juni die Zusage über rund 31 Millionen Euro für den Wiederaufbau –, laufe der Hochwasserschutz nur sehr schleppend. “Wir brauchen mehr und flexibler einsetzbare Finanzmittel”, fordert er. Dem schließt sich auch Ludger Banken, Bürgermeister der Stadt Rheinbach in Nordrhein-Westfalen, an und

fordert: “Die Verfahren für Planung und Fördermittel müssen entschlackt werden, damit auch der Hochwasserschutz schnell umgesetzt und vermeidbare Schäden abgewendet werden.” Das beeinflusse auch die Stimmung in der Bevölkerung, weiß der Kommunalpolitiker und berichtet, dass viele Bürgerinnen und Bürger nach wie vor sehr sensibel – fast panisch – reagierten, sobald größere Regenmengen angekündigt würden.

Synergien für die Zukunftsgestaltung Dabei könnten gerade jetzt, “da viele Straßen eh offen sind”, leicht Synergien geschaffen werden, sind sich die Kommunalpolitikerinnen und -politiker einig. In Weilerswist sind beispielsweise viele Gehwege mit Schotter verfüllt, sodass sie für Fußgänger nutzbar sind und dennoch eine leichte Verlegung von Netzleitungen möglich ist. Zwischen den Gemeinden Altenahr und Schuld soll ein Versorgungsschacht für Abwasser, Frischwasser, Glasfaser, Steuerungsleitungen und Hochdruckleitungen entstehen, auf dem ein Radweg verlaufen soll, berichtet Nisius. Christof Sommer, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, berichtet in diesem Zusammenhang: “Wie ernst die Kommunen das Thema nehmen, merken wir an der großen Nachfrage im Netzwerk Hochwasserund Überflutungsschutz.” Vor allem die individuelle Beratung vor Ort werde jetzt nachgefragt, wobei das Themenspektrum von der wassersensiblen Stadtplanung, der Gefahrenabwehr bei Starkregen und der Konzeption von technischen Maßnahmen über die Öffentlichkeitsarbeit bis hin zu Finanzierung und Förderung reiche.

Bundeskongress

Bundeskongress

Kommunale Verkehrssicherheit

Kommunale Ordnung

Anjes Tjarks, Senator für Verkehr und Mobilitätswende der Stadt Hamburg, über die Neuaufstellung der On-Demand-Verkehre durch ioki Hamburg und MOIA. Mit ioki, einem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, und MOIA, einem Tochterunternehmen von Volkswagen, will die Hansestadt den “Hamburg-Takt” ausweiten. Tjarks: “Dabei ist es uns wichtig, dass wir die neuen Angebote und die öffentliche Verkehrsinfrastruktur auch da hinbringen wollen, wo die Menschen sie sehnsüchtig erwarten – etwa nach Harburg, nach Jenfeld oder auch nach Rahlstedt.” Dafür wird ioki künftig seinen Service auch in Harburg anbieten und MOIA sein Servicegebiet in Lurup/Osdorf ausbauen.

Digitale Parkraum­ bewirtschaftung (BS/mj) In Berlin wird eine neue Geschäftsstelle zur Vorbereitung einer digitalisierten Parkraumbewirtschaftung eingerichtet. “Gemeinsam stärken wir das wichtige Thema der Parkraumbewirtschaftung und leisten mithilfe der Digitalisierung einen bedeutenden Schritt zu einer gerechten und effizienten Einhaltung des Rechts”, freuten sich die Vertreterinnen der beteiligten Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg und der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucherund Klimaschutz: Staatssekretärin Dr. Meike Niedbal, Dr. Almut Neumann und Annika Gerold. Mithilfe von Scan-Fahrzeugen werden die Kennzeichen parkender Fahrzeuge erfasst und mit digitalen Datenbanken abglichen. Um den Datenschutz sicherzustellen, ist auch die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in das Projekt involviert.

27. & 28. September 2022

Informationen und Anmeldung unter

Signal Iduna Park (Westfalenstadion), Dortmund

www.kommunale-verkehrssicherheit.de | www.kommunale-ordnung.de

Veranstaltungen des


Seite 14

Kommunalpolitik

“W

Auf die richtige Strategie kommt es an

ir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, die Einkaufsmeilen der Innenstädte wiederherzustellen”, zeigt sich Michael Metzler, Geschäftsführer Esslinger Stadtmarketing & Tourismus GmbH (EST), überzeugt. Auf dem”Bürgermeister*innenkongr ess” des Behörden Spiegel stellte er den Esslinger Weg und das zur Kampagne “Mach ES” gehörende Projekt zum Gründerquartier vor. Dabei ist dem EST-Geschäftsführer durchaus bewusst: Jede Stadt müsse sich auf den eigenen Weg begeben. Seine Stadt könne für andere nur Impulse liefern.

Esslinger Weg: Mach ES Der Esslinger Weg ist gekennzeichnet von der Verschmelzung von Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung. Zu Beginn des Weges stand ein neues Narrativ: “Mach ES." Damit sei der Nährboden bereitet worden, damit die Bürgerschaft und die lokale Wirtschaft in Form von Projekten Innovationen starteten, berichtet Metzler. Inzwischen hätten sich 20 Unternehmen in einem Netzwerk zusammengeschlossen, die für Projekte 250.000 Euro Budget oder, sofern sie beratend tätig sind, freie Beratungsstunden bereithalten. Auch die Stadtwerke seien beteiligt. Sie würden für neue Projekte ein Jahr lang den Strom sponsern. So sei auch das Projekt “Gründerquartier Makers League” entstanden.

Bürgerinnen und Bürger beteiligen “Mach ES war gut, doch angesichts der Pandemie haben wir realisiert, der Prozess muss weiter gehen. Deshalb haben wir einen Zukunftsprozess zur Innenstadt neu aufgelegt und die Strategie neu überdacht”, führt Metzler weiter aus. Aktuell arbeiten Stadt und Bürgerschaft

“Die Siedlungsstrukturen im ländlichen Raum erschweren eine flächendeckende Versorgung der dort lebenden Menschen mit Öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV)", erklärt Lucas Biermanski, Mitarbeiter des Kompetenzzentrums für Ländliche Mobilität des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Rund 90 Prozent der Fläche in Deutschland gelte als ländlich, werde aber von weniger als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung bewohnt. Das habe zur Folge, so der BBSR-Mitarbeiter, dass das Mobilitätsangebot sehr ausgedünnt sei und eine hohe Abhängigkeit vom privaten Pkw herrsche: “Gerade mal ein Drittel der ländlich lebenden Bevölkerung kann das nächste Oberzentrum mit Bus oder Bahn innerhalb von 30 Minuten erreichen. Daher werden rund 70 Prozent der Wege mit dem eigenen Auto zurückgelegt – in Metropolregionen sind es gerade mal 38 Prozent." Biermanski plädiert daher dafür, langfristig zu planen, Kooperationen mit Nachbargemeinden einzugehen und generell Transparenz für die Bevölkerung zu schaffen, wie Mobilitätsprojekte zustande kommen sowie finanziert und umgesetzt werden. Hierzu gehörten beispielsweise Rufbusse, Apps für Carsharing, (E-)Lastenradverleih oder Mitfahrbänke.

Fachkräftemangel auch im ÖPNV Um solche Projekte anzugehen, fehle es jedoch oft am Personal, weiß Stefan Komoß, Bezirksbürgermeister Marzahn-Hellersdorf a.D. und Geschäftsführer der rego Dienste GmbH. “Mobilitätsprojekte sind komplex, weil unterschiedliche Bedürfnisse und Ebenen Einfluss nehmen und Mitarbeitende aus anderen Abteilungen nicht einfach für die Dauer eines Projektes abgezogen werden können.” Daher lohne es

Behörden Spiegel / Juli 2022

befände man sich in einer entscheidenden Zäsur. Die Problemlösungsansätze der letzten 70 Jahre hätten alle aus ein und derselben Gestaltungslogik heraus funktioniert. Es wären lineare (BS/Jörn Fieseler) Mit dem Projekt “Gründerquartier Makers League” ist in Esslingen aus einer Einkaufsstraße mit leerstehenden Geschäften eine Problemlösungsansätze gewesen, Innovationsmeile geworden, in der die Unternehmen nun unbedingt einen Standort haben wollen. Dies ist nur ein Projekt, um Innenstädten ein die sich in die Kategorien technoneues Gesicht zu geben. Gleichzeitig ist es eingebettet in eine langfristigere Transformationsstrategie. Doch gerade bei Letzterer gilt es sorgsam logische Innovationen, Optimiezu überlegen. rung im Sinne von Effizienz und Wachstum einteilen ließen. Doch jetzt müsse das System in Gänze nachhaltig reformiert werden. Der Wissenschaftler verdeutlicht dies am Beispiel des Warenverkehrs. Im Rahmen des Innovationspreis Reallabore vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) befasse sich die Stadt Bruchsal mit der Frage, wie die letzte Meile im Güterverkehr gestaltet werden könne. Es werde über Drohnen und Lastenräder diskutiert. Die entscheidende Frage bleibe aber undiskutiert: “Wie können wir den Warenverkehr “Draußen ist das neue Drinnen”, sagt Michael Metzler aus Esslingen über die Dr. Markus Egermann vom Leibniz-Ins- Strategien sollten als Grobkonzept ei- reduzieren?" Ähnliches bei der künftige Gestaltung von Innenstädten. Fotos: BS/Jacobson titut für ökologische Raumentwicklung nen Zeitraum von fünf bis acht Jahren Mobilitätswende. Die Einführung ist sicher: Die Problemlösungsansätze in den Blick nehmen, meint Dominik des E-Motors als Antrieb ändere das Verkehrsverhalten und somit an einem Zielbildprozess und Essen oder dem Bürgermeister der letzten 70 Jahre funktionieren Pascal Magin vom Fraunhofer IESE. das System nicht. “Wir brauchen einem Produktkatalog. In diesem die Hand zu schütteln, könnten heute nicht mehr. Kontext wird zwei Mal im Jahr ein solche Anreize sein. Neben allgemüssen beim strategischen Weg ein Systemverständnis mit Blick Innenstadtforum mit rund 200 meinen Fragen, wie “was gefällt der Innenstadt. “Denn draußen auch mal einen Haken schlagen auf das Ganze”, stellt Egermann bis 300 Bürgern durchgeführt Euch, was nicht?", sollten erste ist das neue Drinnen! Daran ar- können, ohne dass es gleich als klar. Doch dafür fehle der Gesellschaft sowie Zukunftswerkstätten, um Ideen durch die Verwaltung ein- beiten wir.” Scheitern verurteilt wird.” Projektideen zu generieren und gebracht werden, an denen sich Doch dafür brauche es eine das Zielwissen. Wie sieht die Stadt deren Umsetzung zu prüfen. die Bürger/-innen orientieren Agile Umsetzung Kultur des Ausprobierens, un- in 30 oder 40 Jahren aus? Das Wie essenziell die Beteiligung und kreative Alternativen erar2027 hat sich die Stadt als Ziel- terstreicht Dr. Markus Egermann, wisse keiner und dafür brauche der Bürger/-innen sein kann, beiten können. datum für die Strategie gesetzt. Leiter des Forschungsbereichs es den gesellschaftlichen Diskurs. unterstreicht Dominik Pascal In Esslingen sind die Bürger/- Zum einen, weil sie dann ihr Transformative Kapazitäten beim So wie in Esslingen. Und das bei Magin, Business Area Manager innen parallel zu den Beteili- 1.250-jähriges Jubiläum feiert. Leibniz-Institut für ökologische immer schnelllebigeren Transforbeim Fraunhofer Institut für Ex- gungsformaten hinsichtlich ihrer Zum anderen, weil in diesem Jahr Raumentwicklung. Auch dieser mationsprozessen. In diesem Konperimentelles Software Enginee- Besuchsmotive und Nutzungs- in Stuttgart die Internationale Aspekt müsse in der Strategie mit text biete die kommunale Selbstring (IESE). Mit Reallaboren, On- muster in der Innenstadt befragt Luftausstellung (ILA) stattfinden implementiert werden. Planungen verwaltung einen entscheidenden line-Beteiligungsformaten, einer worden. Das Ergebnis laute ver- wird, wo sich Esslingen von seiner für die nächsten 20 Jahre gingen Vorteil. Sie ermögliche Lösungen nicht mehr. im Kleinen. Zugleich bedürfe es Demokratiewerkstatt oder einer kürzt: Menschen unter 35 Jahren besten Seite zeigen will. Ein guter Zeitraum, findet Maeiner gewissen EntscheidungsFishbowl könne das Feedback gehen nicht mehr zum Einkaufen freudigkeit, so Egermann mit Blick der Bürgerschaft in die Weiter- in die Stadt, sondern wegen des gin: “Idealerweise umfasst eine Transformation ohne Verwerfungen entwicklung von Strategien und gastronomischen Angebots und Strategie als Grobkonzept eine auf den Bürgermeister der Stadt Projekten einfließen. um Freunde zu treffen. “Esslin- Zeitspanne von fünf bis acht JahÜberhaupt: “Die Prosperität von Genk in Belgien. Dieser habe Dafür hat der Experte auch gen soll grüner, kommunikativer ren." Zugleich weist er auf einen Städten und Gemeinden hängt einmal gesagt: “Manchmal ist es praktische Tipps: “Laden Sie breit und erlebnisreicher sein”, nennt anderen Aspekt hin: Die Strategie davon ab, wie fähig diese sind, besser, nachher um Vergebung zu ein”, rät Magin, “und schaffen Metzler die daraus resultierende sollte agil umgesetzt werden. Auch Transformationen zu gestalten”, bitten, als vorher um Erlaubnis Sie Anreize”. Ein kostenfreies neue Strategie zur Entwicklung Metzler ist dieser Meinung: “Wir erklärt Egermann. Allerdings zu fragen.”

Lieber um Vergebung bitten als um Erlaubnis

Nachhaltige Mobilität für Stadt und Land “best” ist für jede Kommune etwas anderes (BS/Malin Jacobson) “Die maßgebliche Rolle für Veränderung tragen Sie, als Bürgermeisterinnen und Bürgermeister”, so eröffnete Dr. Eva-Charlotte Proll, Herausgeberin und Mitglied der Geschäftsleitung des Behörden Spiegel, den 14. Bürgermeister*innenkongress, der in diesem Jahr in Bamberg stattfand. Gerade im Bereich nachhaltige Mobilität neue Wege zu gehen, sei wichtig, um den aktuellen Herausforderungen gerecht zu werden, darin waren sich die Kongressteilnehmenden einig.

stehe. “In vielen Modell- und Forschungsvorhaben wurden bereits zahlreiche Maßnahmen und Strategien für flexible, regional angepasste Mobilitätskonzepte erarbeitet und erfolgreich umgesetzt”, berichtet er. Dieses Wissen werde auf Mobilikon gebündelt und strukturiert dargestellt, sodass die Kommunen es in ihre eigenen Projekte einfließen lassen könnten. “Dabei bewerben wir allerdings kein “Best Practice”, da “best” für jede Kommune etwas anderes ist”, so Biermanski.

Mehrwert eines guten ÖPNV

NaKoMo und Mobilikon arbeiten eng zusammen. V.l.n.r.: Thomas Moskal (NaKoMo), Lucas Biermanski (BBSR) und Luisa Reher (BBR). Fotos: BS/Fieseler

sich für die jeweilige Projektdauer mit externen Fachkräften zu arbeiten, die aus dem Personalbudget finanziert werden, dass wegen langfristigen Krankschreibungen oder unbesetzten Stellen übrig bleibe und nicht für andere Haushaltsposten verwendet werden dürfe. Über Werksverträge könne man so mit einzelnen Arbeitnehmern oder ganzen Teams die Kernverwaltung ergänzen. Wichtig sei dabei das Arbeitnehmerüber-

lassungsrisiko zu prüfen und die Externen mindestens nach Tarif zu bezahlen, dann könne man Fachkräfte nach der befristeten Anstellung eventuell sogar fest übernehmen.

Nachschlagewerk für Kommunen Ein anderer Ansatz dem Fachkräftemangel zu begegnen, sei das bereits vorhandene Personal weiterzubilden und zu vernetzen, wie

es das Nationale Kompetenzzentrum für nachhaltige Mobilität (NaKoMo) des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) anstrebe, so Thomas Moskal, Manager für kommunale Netzwerke der NaKoMo-Geschäftsstelle. Das Netzwerk bringe unter anderem Kommunen, Verbände, BBR und BBSR, Projektträger sowie Vertreter von Landesbehörden zusammen und informiere beispielsweise über Fördermöglichkeiten

Stefan Komoß erläuterte, wie externe Fachkräfte die kommunale Kernverwaltung entlasten und ergänzen können. Fotos: BS/Fieseler

oder Veranstaltungen. “Wir haben festgestellt, dass die meisten unserer Mitglieder sich vor allem für Fragen rund um Radverkehr, Elektromobilität und andere alternative Antriebe interessieren”, erläutert Moskal. Informationen über mögliche Mobilitätsprojekte, erhalten Kommunen auch durch das digitale Nachschlagewerk Mobilikon, berichtet Biermanski, das in enger Kooperation mit NaKoMo

Roberto Kappen, Bereichsleiter Planung der KreisVerkehrsGesellschaft Main-Kinzig, präsentierte mit dem Anhänger für den Schulbus einen solchen Lösungsvorschlag, der für viele – aber nicht alle – Kommunen geeignet sei. Dabei werde zu Stoßzeiten an einen normalen Bus ein Anhänger mit weiteren Sitzplätzen angehängt, sodass mehr Menschen transportiert werden könnten ohne mehr Fahrer zu benötigen. Für den Schülerverkehr könnte dies Sinn ergeben, so der Bereichsleiter, in dem man den Anhänger nach der morgendlichen Spitze an der Schule abstelle und zur Mittagszeit wieder anhänge. In der Zwischenzeit könnten dann kurze Einzelfahrzeuge fahren, ohne unnötig viel Leerraum bewegen zu müssen. Allerdings müssten die Busfahrer besonders geschult sein, um einen solchen Anhänger fahren zu können, und die Infrastruktur sei häufig nicht für die überlangen Fahrzeuge geeignet. “Kreisverkehre sind oftmals problematisch”, erläutert Kappen. Generell plädiert er dafür die Mobilitätskonzepte individuell an die Bedarfe der jeweiligen Kommunen anzupassen und den Mehrwert eines guten ÖPNV für den Tourismus, die Bevölkerungszufriedenheit und die CO2-Einspaarung zu sehen.


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Juli 2022

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Vier Fragen – vier Antworten Interview mit Karsten Eule-Prütz, Bürgermeister der Stadt Herzberg (Elster) Foto: BS/Stadt Herzberg

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ehörden Spiegel: Herzberg (Elster) liegt in der Lausitz, eine Region, die unter anderem aufgrund des Kohleausstiegs stark von einem Strukturwandel betroffen ist. Wie sehr trifft dieser Strukturwandel Ihre Stadt?

Gegen den Strukturwandel Herzberg (Elster) und der „Summer of Pioneers“

(BS) Der Kampf gegen den Bevölkerungsrückgang, gegen den Wegfall von Arbeitsplätzen und gegen abnehmende Lebensqualität ist im ländlichen Raum allgegenwärtig. Dies gilt besonders für den Osten Deutschlands. Die Kreisstadt Herzberg (Elster) des brandenburgischen Landkreises Eule-Prütz: Was den von Ihnen Elbe-Elster versucht, diesen Entwicklungen mit verschiedenen Maßnahmen zu begegnen. Über das damit zusammenhängende Projekt „Summer beschriebenen Strukturwandel of Pioneers“ spricht Bürgermeister Karsten Eule-Prütz im Interview mit Matthias Lorenz.

angeht, ist Herzberg nur wenig betroffen, weil wir am Rand der Region liegen. Im Kontext der Wiedervereinigung haben wir aber einen sehr großen Strukturwandel erlebt. Ein Beispiel ist der Amaturenhersteller Grohe, der bis 2005 ein Werk mit über 400 Arbeitskräften bei uns betrieben hat. Als er dann das Werk dichtmachte, hat es niemanden so wirklich interessiert. Dabei war es zum einen wegen der hochqualifizierten Arbeitskräfte, aber auch wegen der dann fehlenden Gewerbesteuereinnahmen ein richtiger Schlag ins Kontor. In diesem Zusammenhang lässt sich auch das Thema Neuansiedelungen betrachten. Diese zu gewinnen, ist nicht einfach, zum Beispiel, weil es hier keinen Autobahnanschluss gibt. Zwar werden jetzt einige Dinge unternommen, unter anderem soll die Wissenschaft in der Region gestärkt werden. Das alles hätte

man aber schon deutlich früher machen können. Nun gibt es vom Land allerdings einen Strukturwandelfond. Von dem möchten auch wir profitieren. Zum Beispiel wollen wir das unter Denkmalschutz stehende historische Bahnhofsgebäude zu einem Co-Working-Space ausbauen. Auch für die Villa Marx, eine Villa des Fabrikanten Wilhelm Marx aus dem Jahr 1907, soll ein Nutzungskonzept entstehen. Bei der Förderung geht es um rund zehn Millionen Euro. Behörden Spiegel: Ein weiteres Projekt, welches in Herzberg im Kontext der Stadtentwicklung in diesem Sommer stattfindet, ist der sogenannte “Summer of Pioneers”. Worum handelt es sich dabei genau und was erhoffen Sie sich von dem Projekt?

Eule-Prütz: Im Grunde bieten wir Leuten bei dem Projekt an, einfach einmal auszuprobieren, wie das Leben in Herzberg aussehen kann, und zwar zunächst für den Zeitraum eines halben Jahres. Dabei handelt es sich um Menschen, die im Prinzip mitten im Arbeitsleben stehen, teilweise ihre eigenen Firmen haben oder Freelancer sind. Ihnen bieten wir Wohnraum an und stellen außerdem Arbeitsräume sowie einen Co-Working-Space zur Verfügung. Von dem Projekt erhoffen wir uns einige Dinge. Allgemein gesehen geht es zunächst darum, Impulse für die Stadtentwicklung zu gewinnen. Daneben wäre es schön, wenn der eine oder andere Teilnehmer sich nach dem halben Jahr dafür entscheidet, hier in Herzberg zu bleiben und vielleicht sogar weitere Menschen nachziehen. Eventuell

Im Fokus: Die Essentry GmbH Für ein Höchstmaß an Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit (BS) Dass manuelle Sicherheitsüberprüfungen und Ausweiskontrollen zu langen Schlangen und langen Wartezeiten führen können, ist kein seltenes Phänomen mehr. Dass solche Unannehmlichkeiten nicht unbedingt sein müssen, erfährt der Behörden Spiegel im Interview mit Dr. Dennis Lips, Co-Gründer und CEO von essentry. Das Berliner Unternehmen hat sich auf die Digitalisierung von Zutrittsprozessen und die Identitätsverifikation auf Grenzkontrollniveau spezialisiert. Die Fragen stellte Tim Rotthaus. Behörden Spiegel: Herr Dr. Lips, wo liegt der Fokus des Angebots von essentry? Dr. Lips: Um dies zu beantworten, ist es wichtig zu wissen, wo wir genau herkommen. Als ich meinen heutigen Geschäftspartner Rupprecht Rittweger kennenlernte, betrieb dieser als Gründer des Rechenzentrums- und Sicherheitsunternehmens e-shelter, bereits mehrere Rechenzentren. Da Rechenzentren zu Kritischer Infrastruktur zählen, kommt der Identitätsüberprüfung beim Zutritt eine besondere Bedeutung zu. Zum damaligen Zeitpunkt musste der ganze Prozess der Sicherheitsüberprüfung überwiegend analog durchgeführt werden. Das heißt, auch die Identitäts- und Ausweisüberprüfung erfolgte manuell. Hier bietet die Digitalisierung großes Potenzial. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, eine Lösung zu finden, die konsequent das Potenzial und die Möglichkeiten neuer Technologien nutzt, um den Zutritt zu Kritischen Infrastrukturen nicht nur effizienter, sondern auch noch sicherer gestaltet. Leider war es uns nicht möglich eine solche Lösung im Markt zu finden. Also gründeten wir gemeinsam den Property Technology & Security Technology Investor Anyon, aus dem schließlich essentry als eine der Portfoliogesellschaften ausgegründet wurde. Der Produktkern von essentry ist die vollständige Digitalisierung des Zutrittsprozesses und Besuchermanagements. Wir verifizieren Identitäten und überprüfen Ausweisdokumente auf Echtheit mittels Künstlicher Intelligenz und biometrischer Technologie. Damit erhöhen wir die Sicherheit auf ein Höchstmaß. Behörden Spiegel: Beschränkt sich die Ausweiskontrolle momentan nur auf europäische Auswei-

entwickelt sich eine Community, die innovativ und kreativ in der Stadt tätig ist. Selbiges ist in der Stadt Wittenberge passiert, wo ein Summer of Pioneers bereits 2019 stattgefunden hat. Das Ganze hat also einen langfristigen Charakter und ist aus meiner Sicht ein großes Stadtmarketing- und Wirtschaftsentwicklungskonzept. Die Pioniere können im Projekt zunächst total themenoffen handeln und Ideen entwickeln. Wir haben als Stadt jedoch zwei Vorschläge gemacht, mit denen man sich beschäftigen kann, aber nicht muss. Zum einen können sich die Teilnehmer innerhalb des Projekts “Radeln in die Zukunftsvilla” einbringen, welches wir gerade gemeinsam mit dem brandenburgischen Infrastrukturministerium umsetzen. Hier werden Mobilitätsfragen in der Kleinstadt behandelt. Zur Zeit sind die Verhältnisse nämlich nicht wirklich so gestaltet, dass ein entspanntes und gefahrloses Radfahren möglich ist. Zweitens gibt es im Ort mehrere Plattenbauten, die momentan nicht wirklich belebt sind. Hier suchen wir nach Möglichkeiten und Wegen, diese

wieder lebenswerter zu gestalten. Dabei geht es auch um die energetische Umgestaltung. Beide Projekte berühren also auch das Thema Nachhaltigkeit. Behörden Spiegel: Inwiefern werden andere Kommunen und der Landkreis in den Summer of Pioneers mit einbezogen? Eule-Prütz: Grundsätzlich fokussieren wir uns erstmal auf Herzberg und gucken gemeinsam mit den Pionieren, welche Ergebnisse wir erreichen können. Diese können jedoch über die Stadt heraus strahlen. Beispielsweise kann ein Mobilitätskonzept ja nicht exklusiv für den Ort erstellt werden, sondern es muss immer mit dem Landkreis verzahnt sein. Daneben sind Partnerschaften und Netzwerke extrem wichtig. Viele Gemeinden und Experten haben Erfahrungen mit Rückkehrern auf das Land. Hier ist der Austausch wichtig, weil jeder Expertisen in bestimmten Bereichen hat. Nehmen wir als Beispiel nochmal die Stadt Wittenberge. Diese liegt an der ICE-Strecke Hamburg-Berlin, dort herrschen

also andere Voraussetzungen als bei uns. Man darf grundsätzlich nie mit Dingen werben, die es nicht gibt, sondern sollte immer sagen, was die jeweilige Region wirklich zu bieten hat. Insofern ist ein Erfahrungsaustausch mit anderen extrem wichtig. Behörden Spiegel: Welche Maßnahmen ergreifen Sie noch, um dem Strukturwandel zu begegnen, über den wir anfangs gesprochen haben? Eule-Prütz: Natürlich haben wir uns lange mit der Frage beschäftigt, wie eine gute Wirtschaftsförderung aussehen könnte. Ehrlicherweise muss man zugeben, ein komplett neues Konzept fällt auch uns nicht ein. Deswegen besinnen wir uns gerade wieder auf grundlegende Dinge. Da geht es beispielsweise darum, ortsansässigen Unternehmen bei allen Anliegen zu helfen. Insbesondere muss auch darauf geachtet werden, dass das Umfeld stimmt. Die Stichworte sind Kitas, Schulen, Familienfreundlichkeit und Spielplätze. Diese weichen Standortfaktoren wollen wir ausbauen und damit werben. Darüber hinaus führen wir viele Digitalisierungsprojekte durch. Das gilt auch für die Verwaltung, die als echter Dienstleister vor Ort sein soll. All die beschriebenen Dinge sind Bausteine für ein Gesamtbild. Es ist uns also zunächst wichtig, dass es uns einfach gesagt gut geht. Dann werden auch andere Menschen merken, dass in Herzberg momentan Schwung vorhanden ist.

Die BSR wird leise Berliner Stadtreinigung fährt elektrisch sowie mit Biogas und Wasserstoff

“Wir verifizieren I­ dentitäten mittels Künstlicher Intelligenz und biometricher Technologie.” Im Interview mit dem Behörden Spiegel: Dr. Dennis Lips, Co-Gründer und CEO von essentry. Foto: BS/essentry

se oder sind auch internationale Ausweispapiere in Ihrem System eingebunden? Dr. Lips: Wir arbeiten mit mehreren Partnern zusammen, um eine Vielzahl von unterschiedlichen Sicherheitsmerkmalen analysieren und verarbeiten zu können. So können wir weltweit mehr als 6.000 Ausweisdokumente aus 196 Ländern auf Echtheit und Gültigkeit prüfen. Das beschränkt sich nicht nur auf Reisepässe und Personalausweise, wir können auch Führerscheine, Aufenthaltstitel und weitere amtliche Lichtbildausweise auf ihre Echtheit prüfen. Behörden Spiegel: Was passiert mit den gescannten Daten? Werden Bild und Name der Person irgendwo gespeichert, oder löschen Sie diese Informationen direkt? Dr. Lips: Wir unterliegen hier natürlich strengen Anforderungen, auch allein schon deshalb, weil wir eine Vielzahl personenbezogener Daten verarbeiten. Damit kommt dem Datenschutz durch Technikgestaltung im Produktdesign eine besondere Rolle zu. Dazu gehört beispielsweise, dass wir bestimmte Daten nur nach Einwilligung des Nutzers erheben und unmittelbar nach der Verar-

beitung wieder löschen. Dies trifft beispielsweise für die Echtheitsprüfung von Ausweisdokumenten zu. Darüber hinaus werden keine Daten im Kiosk selbst gespeichert, so dass niemand über das Gerät Zugriff auf persönliche Informationen erlangen kann. Generell haben wir unser System so konfigurierbar gemacht, dass unsere Kunden selbst über Aufbewahrungsfristen und Umfang der gespeicherten Daten entscheiden können. Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten ist es uns darüber hinaus wichtig, individuell auf unternehmensspezifische ComplianceStandards reagieren zu können. Behörden Spiegel: Was hält die Zukunft für essentry bereit? Dr. Lips: Für uns ist es wichtig in unserem Zielmarkt der Kritischen Infrastrukturen weiter zu wachsen und noch in diesem Jahr zu einem der führenden Unternehmen zu werden. Mittelfristig arbeiten wir daran Sicherheitstechnologie zu "demokratisieren". Damit meinen wir, dass jedes Unternehmen– vom KMU bis DAX-Konzern – seine Zutrittsprozesse mit Technologie auf Grenzkontrollniveau sichern kann. Daran arbeiten wir.

(BS/mj) Berlin wird grün und damit auch die Berliner Stadtreinigung. Rund 1.800 Fahrzeuge umfass der Fuhrpark des BSR. Eine Größe, die verpflichtet, weiß Wolfgang Wüllhorst, Leiter der Geschäftseinheit Fuhrparkmanagement der Berliner Stadtreinigung AöR (BSR), und erklärt: “Wenn wir es nicht hinbekommen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben auf den Weg zu bringen, wer dann?” Die Devise bei der Einführung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben sei immer Leistungsfähigkeit ohne Einschränkungen gewesen, so Wüllhorst. “Wir brauchen keine Schaufensterfahrzeuge.” Daher habe man gerade in den Anfangsjahren viel mit den Fahrzeugherstellern diskutiert, damit die Technik auch den Ansprüchen der Straße entspricht. Dank dieses Engagements, das auch von der Leitungsebene mitgetragen wurde, und der Förderung durch das Sofortprogramm “Saubere Luft” bereits seit 2017 habe die Stadtreinigung der Hauptstadt die emissionsärmste Flotte im ganzen Bundesgebiet, freut sich der Leiter der Geschäftseinheit Fuhrparkmanagement. Und gleichzeitig seien die Fahrzeuge robust und gut handhabbar – ein wichtiger Aspekt bezüglich der Akzeptanz seitens der Belegschaft. “Da gab es anfangs einige Bedenken, ob man denn mit dem elektrisch betriebenen Sammelfahrzeug seine Runde überhaupt schaffe.” Das habe sich aber komplett gelegt,

im Gegenteil, die Fahrer des BSR bevorzugen mittlerweile die Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, weil sie viel leiser sind.

Technische Feinheiten Im Einsatz sind aktuell elektrisch betriebene Fahrzeuge, die mit 100 Prozent Öko-Strom betankt werden, sowie Fahrzeuge, die Biogas und Wasserstoff als Energiequellen verwenden. Der verwendete Wasserstoff sei noch nicht grün, werde also noch aus fossilen Energiequellen hergestellt, berichtet Wüllhorst. Zunächst sei jedoch wichtiger gewesen die Technik für die Abfallsammelfahrzeuge zum Laufen zu bringen. Das sei gar nicht so einfach gewesen, denn die ersten Fahrzeuge, die man von den Herstellern bekommen habe, hätten die Bedingung von zwei Tonnen Nutzlast nicht erfüllt. Unter dieser Voraussetzung hätte man die Touren ändern müssen, daher gingen die Modelle wieder zurück. Nach einigen Justierungen konnte aber ein Weg gefunden werden die Nutzlast zu erhöhen und mit

Dieses Fahrzeug wurde früher mit einem Dieselmotor betrieben. Durch die Umrüstung auf einen Elektroantrieb konnte die Lebensdauer der Karosserie um einige Jahre verlängert und die CO2-Bilanz erheblich verbessert werden.

dem Gewicht der Brennstoffzelle in Einklang zu bringen, sodass wasserstoffbetriebene Sammelfahrzeuge mittlerweile täglich in Berlin im Einsatz sind. Solche technischen Feinheiten seien wichtig, um die Mobilitätswende voranzubringen, weiß der BSR-Mitarbeiter, fordert aber: “Bevor wir an Fahrzeuge denken müssen wir an die Infrastruktur denken.” Es nütze nichts, wenn man Wasserstofffahrzeuge besitze, diese aber nicht betanken könne und es müsse auch abseits des Mobilitätssektors noch viel mehr in alternative Energiequellen investiert werden. Mit der Umstellung auf alternative Antriebe bei Nutzfahrzeugen gehe auch eine Umstellung bei den Arbeitsanforderungen der Beschäftigten einher. Rund zweidrittel der Mitarbeitenden der BSR seien in der Fahrzeuginstandhaltung beschäftigt und müssten im Umgang mit der neuen Technik geschult werden. “Und diese hochqualifizierten Aufgaben müssen auch lohntechnisch anders bewertet werden”, fordert er.

Eine Kehrmaschine wird auf dem Gelände der Berliner Stadtreinigungsbetriebe geladen. Fotos: BS/Jacobson


Zahlen & Daten

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Behörden Spiegel / Juli 2022

Die Versorgung ist sichergestellt – noch (BS/jf) 151 Krankenhäuser haben zwischen 2010 und 2020 ihre Pforten geschlossen. Dabei fällt im aktuellen Vergleich zwischen 2020 und 2019 auf, dass vor allem die Einrichtungen von freigemeinnützigen Trägern weniger geworden sind, während die Zahl der privat oder öffentlich betriebenen Krankenhäuser sogar zunahm. Und noch etwas fällt besonders ins Auge: Die öffentlich betriebenen Krankenhäuser sind in den meisten Bundesländern diejenigen, die die meisten Betten vorhalten. Umso verwunderlicher ist es, dass die Fördermittel nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz gemessen an der Einwohnerzahl in den Bundesländern so unterschiedlich ausfallen. Für die Sicherstellung der Daseinsvorsorge sollten diese Zahlen auf hohem Niveau angeglichen werden.

Entwicklung der Krankenhauszahlen in Deutschland Quelle: BS/Deutsche Krankenhausgesellschaft / Statistisches Bundesamt

2.064

2.045

2010

2011

2.017

1.996

2012

1.980

2013

1.956

2014

2015

1.951

1.942

1.925

1.914

1.903

2016

2017

2018

2019

2020

Krankenhäuser nach Trägern 2020

KHG*-Fördermittel je Einwohner 2020 nach Bundesländern

Quelle: BS/Deutsche Krankenhausgesellschaft / Statistisches Bundesamt

Quelle: BS/Deutsche Krankenhausgesellschaft / Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG)

privat

HB

724 620

freigemeinnützig

2020

56,2

HE

49

BY

49 43,5

BB

645

öffentlich

59,1

HH

732

BW

40,6

Deutschland

40,5

551

SH

545

NW

2019

39,9 37,1

SL

33

NI

32,6

MV

32,3

BE

31,1

SN

30,8

RP

30,7

TH

28,3

ST

25,1

*Krankenhausfinanzierungsgesetz

Verteilung Krankenhausbetten nach Ländern in Prozent Quelle: BS/Deutsche Krankenhausgesellschaft / Statistisches Bundesamt 120

100

80

60

40

20

0 BW

BY öffentlich

BE

BB

HB

freigemeinnützig

HH

HE

MV

NI

NW

RP

SL

privat

Grafiken: BS/Hoffmann unter Verwendung von stock.adobe.com, mtzsv; stock.adobe.com, Golden Sikorka; stock.adobe.com, elenabsl

SN

ST

SH

TH


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Juli 2022

andwerklich” ist es ein sog. Artikelgesetz mit zwölf Artikeln. “Nebenbei” werden nämlich auch noch (u. a.) das Teilzeitund Befristungsgesetz (TzBfG), die Gewerbeordnung (GewO) und das Berufsbildungsgesetz (BBiG) geändert. In der EU-Richtlinie (vierter Erwägungsgrund) kann nachgelesen werden, dass die Notwendigkeit der Ausdehnung (an Informationen) darin besteht, dass es “einige” neue Arbeitsformen gäbe und die Beschäftigten müssen umfassend, zeitnah und schriftlich (!) in einer leicht zugänglichen Form über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet werden.

In der Vergangenheit praktisch ohne Relevanz Das Nachweisgesetz (NachwG) besteht seit Mitte 1990; es war bei Seminaren immer ein anschauliches Beispiel für eine “umgesetzte” EU-Richtlinie im Arbeitsrecht. Es verpflichtet Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses, die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen, zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer zu übergeben (§ 2 NachwG). Die praktische Bedeutung war nicht so groß, da viele der geforderten Nachweise ohnehin im Arbeitsvertrag geregelt waren, es genügte die Aushändigung des unterzeichneten Arbeitsvertrages, um den gesetzlichen Vorgaben nachzukommen. Im Öffentlichen Dienst war allerdings immer wichtig, dass ggfs. “nachgewiesen” wurde, wo der Beschäftigte räumlich eingesetzt wird, seine genaue Aufgabe und wie sich seine Vergütung zusammensetzt. Die einschlägigen Verlage für den Öffentlichen Dienst hatten auch die Vordrucke dafür im Sortiment. Dennoch hat das NachwG niemanden so richtig in der Praxis bekümmert. Daher vielleicht auch jetzt die Aufnahme einer Bußgeldbewehrung von 2.000 Euro bei Verstößen gegen das (neue) Gesetz.

Neuerungen im NachwG Was ändert sich nun aber? In fast allen Beiträgen, die auf dem “Markt” sind, kann man zwei Dinge herauslesen: mehr “Bürokratie” (nicht im positiven Sinne von Max Weber) und mehr Risiken bei der Vertragsgestaltung. Schon die Wirtschaftsprüfer weisen immer darauf hin, dass auch Arbeitsverträge und deren Gestaltung als “Risikomanagement” einzuschätzen seien. Auf das mögliche

Neue Arbeitsverträge braucht die Praxis Das neue Nachweisgesetz oder die Umsetzung der EU-Richtlinie über Arbeitsbedingungen (BS/Jürgen Kutzki*) Wenn man der Presse glauben darf, kommt der Begriff “Digitalisierung” im Koalitionsvertrag der “Ampel” 62-mal vor. Schaut man sich nunmehr die Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen vom 20.06.2019 (EU 2019/1152) an, spürt man den Hauch der 50er-Jahre: zurück in die “Papierwelt” oder von der “Wiege bis zur Bahre Formulare”. Der Gesetzgeber verlangt den Nachweis in “Schriftform”, die Textform wird nicht zugelassen. Fakt aber ist: Arbeitgeber müssen künftig bei Einstellungen den Mitarbeitern weit mehr Informationen geben als bisher. Das neue Nachweisgesetz wird ab dem 1. August 2022 wirksam. Bußgeld von 2.000 Euro wurde schon hingewiesen. Künftig sind wesentlich mehr Punkte schriftlich niederzulegen und dem Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Dies sind die folgenden zusätzliche Informationen: • Die Dauer der vereinbarten Probezeit. • Die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen. • Die Möglichkeit und Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden. • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen. • Der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt. • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Kündigungsfristen sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. • Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebsoder Dienstvereinbarungen. • Bei einer Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland sieht der Gesetzesentwurf ebenfalls umfangreiche Pflichten zur Niederschrift vor. Besonders problematisch ist hier, dass der Arbeitgeber künftig neben den Kündigungsfristen, der Einhaltung der Schriftform und der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage den Arbeitnehmer auch über das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren informieren muss. Wenn man bedenkt, wie viele gesetzliche Regelungen bei Kündigungen über die Voraussetzungen des § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG; Vorliegen eines Kündigungsgrundes) hinaus ggf. noch einzuhalten sind – z. B. Anhörung des Personalrates und der

Am Ende muss es doch wieder der Ausdruck sein. Auch beim neuen Nachweisgesetz gilt der alte Spruch: Von der Wiege bis zur Bahre Formulare. Foto: BS/Christian, stock.adobe.com

Schwerbehindertenvertretung, Zustimmung des Integrationsamtes, kann man sich als Prakti-

ker schon jetzt die Fehlerquellen bildhaft vorstellen. Die Frist zum Nachweis wurde deutlich verkürzt. Zwar gelten nun verschiedene Fristen für die verschiedenen Punkte, über die unterrichtet werden muss; da allerdings kaum ein Arbeitgeber den Mehraufwand auf sich nehmen wird, den Arbeitnehmer mehrfach zu verschiedenen Zeitpunkten zu unterrichten, muss er im Ergebnis die kürzeste Frist einhalten. Hiernach muss nunmehr bereits am ersten Arbeitstag die Unterrichtung ausgehändigt werden.

Schriftform Während die europäische Richtlinie die Möglichkeit der elektro-

nischen Übermittlung der Unterrichtung vorsah, findet sich im nunmehr nur die eigenhändige Unterzeichnung als Möglichkeit im Gesetz. Die elektronische Form wird sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Damit wären wir wieder beim Koalitionsvertrag: Digitalisierung, was denn sonst? Man muss es 62-mal erwähnen und dann bei einem wichtigen Gesetz genau das Gegenteil zu machen. Man kann der Praxis nur raten, sich schnell auf die neuen Vorgaben einzustellen; ggfs. sind neue Vertragsmuster notwendig, um den Informationsumfang in den Vertrag zu “schieben”. Ansonsten sind wir auch hier wieder am Anfang: “von der Wiege bis zur Bahre For-

Mehr zum Thema Was Arbeitgeber über Vergütung, Überstunden und Probezeit im Rahmen des neuen Nachweisgesetzes wissen müssen, thematisiert der Autor in einem Webinar des Behörden Spiegel am 30. August 2022. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort: Nachweisgesetz

mulare” und zwar ein korrektes “NachwG-Formular!

Übrigens Das Gesetz tritt am 1. August 2022 in Kraft. Für alle Arbeitsverträge gilt dann die neue (erweiterter) Hinweispflicht. Bei den “Altverträgen” hat es der Beschäftigte “in der Hand”: innerhalb einer Frist von sieben Tagen kann er beantragen, über die neu hinzugekommen Änderungen informiert zu werden. * Jürgen Kutzki ist Rechtsanwalt und Diplom-Verwaltungswirt.

Kommentar Foto: BS/privat

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Katastrophenschutz hat keine Lobby Rolf Hartmann war von 2004 bis Ende Oktober 2020 Bürgermeister der Gemeinde Blankenheim.

(BS) Am 14. Juli diesen Jahres jährt sich die verheerende Flutkatastrophe, die vor allem Teile von Rheinland-Pfalz, NordrheinWestfalen und Ostbelgien heimgesucht hat. Viele Todesopfer und Sachschäden in Milliardenhöhe waren zu beklagen. Dieser Tag hat uns allen vor Augen geführt, dass der Bevölkerungsschutz in Deutschland besser aufgestellt werden muss. Doch: Wer für den Schutz des höchsten Schutzgutes, nämlich Leib und Leben, überhaupt zuständig ist, bleibt bis heute nebulös. Offenbar konnten die Strafverfolgungsbehörden im Zuständigkeitsdschungel nur zwei Verantwortliche ausfindig machen; einen Landrat und einen ehrenamtlichen (!!!) Feuerwehrangehörigen. Innen –und Umweltminister/-innen sind zwar oberste Aufsichtsbehörden, scheinen jedoch keine Verantwortung zu tragen. Aber auch wir, die geschützt werden wollen, müssen

uns mit unserer Erwartungshaltung, was der Staat so alles für uns tun muss, an die eigene Nase fassen. Hauptlast und -verantwortung des Katstrophenschutzes liegt bei den kommunalen Behörden, die sich aber immer mehr mit neuen Aufgaben und Ansprüchen auseinandersetzen müssen. Sie sind der Blitzableiter und Sündenbock für unvollkommenes staatliches Handeln. Als erfahrenes Stadtoberhaupt weiß man das und kann damit umgehen. Man könnte mit Gelassenheit der Stellung mancher mehr oder weniger wichtigen Aufgaben entgegenblicken. Wenn aber die ohnehin hohe Arbeitsbelastung nicht mehr überblickbar wird, weil einfach alles was Regierungen und Ratsvertreter/-innen sich so einfallen lassen, auf die unterste Ebene abgeladen wird, hört der Spaß spätestens dann auf, wenn strafrechtliche Verfolgung droht.

Eines vorweg: Es ist durchaus wichtig, sich mit den Hintergründen der städtischen Historie zu beschäftigen. Es macht Sinn zu prüfen, ob in Straßennamen nicht Antisemiten, Rassisten und Nationalsozialisten vorkommen. In München wurden 6.177 Straßen dahingehend geprüft. München ist beileibe kein Einzelfall. Sicherlich entspricht es auch dem Zeitgeist, den Mitarbeiter/-innen in den kommunalen Behörden mittels Ethikkommission und Genderfibel eine geschlechtergerechte Sprache nahe zu bringen. Für diese Aufgaben werden hohe personelle Ressourcen verbraucht. In diesen Themen spielen wir in Deutschland sicherlich Champions League. Im Bevölkerungsschutz reicht es leider nur zur Kreisklasse. Bereits 2015 musste der damalige Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz- und Zivilschutz, Christoph Unger, konstatieren,

dass eine ausreichende staatliche Versorgung im Kriegsfall oder bei Katastrophen nicht gegeben ist. Außerdem stünden zu wenige Schutzbunker zur Verfügung. Dass die Bevölkerung durch den Abbau von Sirenen mancherorts überhaupt nicht gewarnt werden kann, ist ein weiteres besorgniserregendes Ärgernis. Der Katstrophenschutz braucht vor allem viel Personal, das sich um ihn kümmert. Doch leider hat er nur in der akuten Krise eine Lobby. Denn der Mensch vergisst schnell. Vor den Ereignissen des “Nine Eleven” war der “Rinderwahnsinn” (BSE) in aller Munde. Nach dem 11. September 2001 wurde kurzzeitig weniger geflogen, dafür wieder mehr Rindfleisch gegessen. Wir müssen lernen Prioritäten zu setzen. Wenn in meinem Haus das Dach defekt ist, baue ich mir eben nicht vor der Dachreparatur eine Sauna ein.

Zukunft – Stadt und Region

Die neue Veranstaltungsplattform des Behörden Spiegel

Radschnellwege in der Fläche Zukunftsfähige Infrastruktur für Mensch und Natur 3. August 2022 14.00-15.30 Uhr Mehr unter: www.neuestadt.org

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.org


Personelles

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Sie haben den notwendigen Blick über den Tellerrand! Als attraktive norddeutsche Stadt verbinden wir Historie und Innovation. Auch unsere Stadtverwaltung befindet sich im Wandel – daher suchen wir eine innovationsfreudige und gestaltungsmotivierte Persönlichkeit, die in verantwortungsvoller Position die Lebensqualität unserer Bürgerinnen und Bürger prägt. Unterstützen Sie uns hierbei zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

Dezernentin * Dezernent (w/m/d) für Bildung, Jugend, Soziales und Kultur Die Wahl erfolgt für die Dauer von 8 Jahren. Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe B 4 bewertet. Sie verfügen über eine mehrjährige Berufserfahrung in einer vergleichbaren Leitungs- und Managementfunktion im öffentlichen oder kommunalen Bereich. Auf Basis Ihrer fachlichen Kompetenz in bildungs- und sozialpolitischen Aufgabenstellungen in Verbindung mit Ihrer Netzwerkfähigkeit und Entscheidungsfreude führen Sie unser Dezernat in die Zukunft. Hierbei agieren Sie mit politischem und gesellschaftlichem Einfühlungsvermögen für die Herausforderungen unserer Zeit. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Theresa Meister, Désirée Verhaert und Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Behörden Spiegel / Juli 2022

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Das Gebäudemanagement der Stadt Aachen ist für die Neu-, Um- und Erweiterungsbauten der Stadt Aachen sowie den Gebäudebetrieb aller städtischen Einrichtungen verantwortlich und betreut mit rund 220 Mitarbeiter*innen ca. 450 Liegenschaften mit rd. 700 Gebäuden. Das Gebäudemanagement besitzt als eigenbetriebsähnliche Einrichtung der Stadt Aachen Personal-, Organisations- und Finanzhoheit im Rahmen der jährlichen Wirtschaftsplanung bei einem Bilanzvolumen von rd. 640 Mio. Euro, jährlichen Investitionen von rd. 25 Mio. Euro und jährlichen Aufwendungen und Erträgen in Höhe von rd. 73 Mio. Euro. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine hoch engagierte Führungspersönlichkeit als

Kaufmännische Betriebsleitung (w/m/d) Diese attraktive Stelle ist nach A 16 LBesO A NRW besoldet. Tariflich Beschäftigte erhalten eine entsprechende Vergütung im Sinne der AT-Bezahlungsrichtlinie der Stadt Aachen. In dieser Position leiten und steuern Sie gemeinsam mit der Technischen Betriebsleitung die eigenbetriebsähnliche Einrichtung des Gebäudemanagements.

Im Landkreis Hameln-Pyrmont leben auf acht Gemeinden verteilt circa 148.600 Bürgerinnen und Bürger. Sitz der Verwaltung ist die Kreisstadt Hameln, die in einer reizvollen landschaftlichen Umgebung im Zentrum des Naturparks Weserbergland Schaumburg-Hameln sowie verkehrsgünstig zwischen den beiden Städten Bielefeld und Hannover liegt. Zum 01.04.2023 suchen wir eine erfahrene und verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit, die als

Kreisrätin * Kreisrat (w/m/d)

für Wirtschaft, Umwelt und Naturschutz im Rahmen einer Neuorganisation der Verwaltung die Leitung des Geschäftsbereichs 2 übernimmt. Diesem sind zukünftig das Amt für Wirtschaftsförderung, Regionalplanung, ÖPNV und Klimaschutz, das Umweltamt, das Naturschutzamt, das Bauaufsichtsamt sowie der Eigenbetrieb KreisAbfallWirtschaft zugeordnet. Zum 01.11.2023 soll perspektivisch das Facility Management in den Geschäftsbereich integriert werden. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Bezahlung nach Besoldungsgruppe B 3 NBesG sowie eine Dienstaufwandsentschädigung nach der NKBesVO.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Schopfheim ist das attraktive Mittelzentrum des Mittleren und Oberen Wiesentals und erfüllende Gemeinde für eine Verwaltungsgemeinschaft mit den Orten Maulburg, Hausen und Hasel mit gesamt ca. 27.700 Einwohnerinnen und Einwohnern. Mit unserer Nähe zu den Naherholungsgebieten des Schwarzwaldes, der Schweiz und des Elsasses und einer sehr guten Infrastruktur bieten wir einen hohen Lebens- und Freizeitwert.

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Die Gemeinde Steinen liegt im schönen Wiesental des Südschwarzwaldes und ist Heimat von rund 10.000 Einwohner*innen. Sie ist verkehrsgünstig inmitten des Landkreises Lörrach an der B 317 mit der Nähe zur BAB A98 im Dreiländereck gelegen und besitzt einen direkten Anschluss an die trinationale Regio-S-Bahn Basel. Aufgrund ihrer idyllischen Landschaft, der Vielzahl an gut ausgebauten Wander- und Radwegen sowie des umfassenden Angebotes an Schulen und Kindertagesstätten, stellt die Gemeinde Steinen einen attraktiven und familienfreundlichen Standort für Jung und Alt dar.

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine fachlich wie menschlich überzeugende Persönlichkeit als

Technische*r Beigeordnete*r (w/m/d) Die Beschäftigung erfolgt als Wahlbeamtin/Wahlbeamter auf Zeit für die Dauer von acht Jahren. Die Besoldung erfolgt nach Besoldungsgruppe B 2. Zum Geschäftsbereich gehört der Fachbereich I Bau und Technik mit den Fachgruppen Gebäudemanagement, Tiefbau, Stadtplanung und Grundstücksmanagement. Neben den technischen Aufgabenstellungen liegt ein Schwerpunkt der Stelle in den Bereichen Controlling, Finanz- und Risikomanagement sowie Recht.

Die organisatorisch und wirtschaftlich als eigenbetriebsähnliche Einrichtung geführte ESW kümmert sich neben der Funktionsfähigkeit auch um die Erneuerung und Erweiterung der Abwasseranlagen. Bewirtschaftungsziel des Gewässerausbaus und der Gewässerunterhaltung ist der gute ökologische Zustand der größtenteils kleineren Fließgewässer 2. Ordnung und die Schaffung von Überflutungs- und Retentionsflächen. Im Zuge einer Nachfolgeregelung suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine führungsstarke Persönlichkeit als

Leitung (w/m/d) Entwässerung ESW Diese attraktive Position ist nach A 15 LBesG NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD bewertet.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Maren Kammerer, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Birger Abromeit, Yanna Schneider und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Kämmerin * Kämmerer (w/m/d) In dieser Funktion sind Sie gleichzeitig die Leitung des Rechnungsamtes. Das Rechnungsamt setzt sich aus den vier Sachgebieten Finanzmanagement, Haushalt und Controlling, Abgaben und Grundstücksmanagement sowie Kasse und Forderungsmanagement zusammen. Diese herausgehobene Stelle wird entsprechend der persönlichen und fachlichen Qualifikation bis Besoldungsgruppe A 14 bzw. Entgeltgruppe 14 TVöD vergütet. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Yanna Schneider, Birger Abromeit und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Unterstützen Sie uns zum nächstmöglichen Zeitpunkt als

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Personelles

Behörden Spiegel / Juli 2022

Seite 19

Wir bieten Ihnen eine herausragende Managementaufgabe in der Stadt des Lichtes! Die Zentrale Gebäudewirtschaft (ZGW) ist die Dienstleisterin für das kommunale Immobilien- und Baumanagement. Sie besteht aus den Abteilungen Ingenieur- und Bauwesen, Immobilienwirtschaft, Objektservice, Logistikzentrum sowie zentraler Vergabeservice. In abteilungsübergreifender sowie tatkräftiger Zusammenarbeit bewirtschaftet die ZGW rund 150 stadtbildprägende Gebäude, die von Bürgerinnen und Bürgern sowie von den Beschäftigten der Stadt genutzt werden. Dabei gehört der Neubau ebenso zu den Aufgaben der ZGW wie die Unterhaltung, Bewirtschaftung oder Förderung der Klimaneutralität – und das Ganze für viele gesellschaftsrelevante Gebäude wie Schulen, Kindergärten, Feuerwehrwachen, Kultureinrichtungen oder das Rathaus . Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine kommunikationsstarke und souveräne Führungspersönlichkeit als

Die Stadt Aachen liegt mit ca. 250.000 Einwohner*innen als westlichste kreisfreie Großstadt Deutschlands in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Niederlanden und Belgien. Dank ihres bedeutsamen geschichtlichen und kulturellen Erbes, einer außergewöhnlichen naturräumlichen Lage und ihres internationalen Flairs bietet die Stadt Aachen hohe Lebensqualität und große Attraktivität als wirtschaftliches und kulturelles Oberzentrum der Region.

Die Stadt Duisburg sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n

Beigeordnete*n (w/m/d) für das Dezernat VII für Wirtschaft, Sicherheit und Ordnung

Geprägt wird die Stadt auch durch die international bekannten Hochschulen wie die RWTH und die FH Aachen.

Zum Geschäftsbereich gehören zurzeit: Stabsstelle für Wirtschafts-, Europa- und Fördermittelangelegenheiten, InvestSupport, City-Management, Stabsstelle Besondere Projekte, Task Force Problemimmobilien, Stabsstelle Sozialleistungsbetrug, Bürger- und Ordnungsamt, Amt für Baurecht und betrieblichen Umweltschutz.

Aachen steht wie viele andere Kommunen vor vielfältigen und anspruchsvollen Zukunftsaufgaben, die angepackt und gelöst werden müssen. Werden Sie Teil einer engagierten Verwaltung und unterstützen Sie die Stadt vom 01.01.2023 an als

Eine andere Geschäftsverteilung bleibt vorbehalten.

Beigeordnete*r (w/m/d) für Bildung, Jugend und Kultur

Diese attraktive Position wird nach Besoldungsgruppe A 15 LBesO A NRW bzw. Entgeltgruppe 15 TVöD bewertet.

Die Einstellung erfolgt als kommunale*r Wahlbeamter*in auf Zeit zunächst für die Dauer von acht Jahren. Die Besoldung richtet sich nach den zum Zeitpunkt der Wahl geltenden Eingruppierungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen (Besoldungsgruppe B 5 LBesG).

Die Einstellung als kommunale*r Wahlbeamter*in erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Die Stelle ist nach Besoldungsgruppe B 5 der Landesbesoldungsordnung Nordrhein Westfalen (LBesO B NRW) bewertet. Daneben wird eine Aufwandsentschädigung nach der Eingruppierungsverordnung gewährt.

Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm.

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Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Maren Kammerer, Gianna Forcella oder Roland Matuszewski zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Birger Abromeit, Yanna Schneider und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfm-Karriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Désirée Verhaert, Julia Schwick und Waishna Jeyadevan zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen.

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Betriebsleitung für den Regiebetrieb „Zentrale Gebäudewirtschaft“ (w/m/d)

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Gestalten Sie eine zukunftsfähige Bildungslandschaft für Jung und Alt! Im Landkreis Hameln-Pyrmont leben auf acht Gemeinden verteilt circa 148.600 Bürgerinnen und Bürger. Sitz der Verwaltung ist die Kreisstadt Hameln, die in einer reizvollen landschaftlichen Umgebung im Zentrum des Naturparks Weserbergland Schaumburg-Hameln sowie verkehrsgünstig zwischen den beiden Städten Bielefeld und Hannover liegt. Hinzu kommen die vielfältigen Kultur-, Bildungs-, Sport und Freizeitangebote, welche die hohe Erholungs- und Lebensqualität des Landkreises HamelnPyrmont unterstreichen. Zum 01.04.2023 suchen wir eine erfahrene und verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit, die als

Kreisrätin * Kreisrat (w/m/d)

für Bildung, Soziales, Inklusion und Jugend im Rahmen einer Neuorganisation der Verwaltung die Leitung des Geschäftsbereichs 4 übernimmt, welchem zudem der Eigenbetrieb Wendepunkt zugeordnet ist. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für die Dauer von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Bezahlung nach Besoldungsgruppe B 3 NBesG sowie eine Dienstaufwandsentschädigung nach der NKBesVO. Details zu dieser Position finden Sie auf www.zfm-bonn.de, der Website der von uns beauftragten Beratungsgesellschaft zfm. Interessiert? Für einen ersten vertraulichen Kontakt stehen Ihnen dort unter der Rufnummer 0228/265004 Raza Hoxhaj, Theresa Meister oder Julia Schwick zur Verfügung. Lassen Sie uns gerne Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen über das zfmKarriereportal unter www.zfm-bonn.de zukommen. Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

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Wir bieten Ihnen eine moderne Stadtverwaltung und ein attraktives Umfeld! Die Universitätsstadt Marburg versteht sich als zukunftsorientierte Verwaltung und Arbeitgeberin. Mit unseren über 1.600 Beschäftigten und Beamt*innen erbringen wir eine Vielzahl von bürgernahen Dienstleistungen. Dabei orientieren wir uns an rechtsstaatlichem Handeln, sozialer Verantwortung, Gleichheit, Fairness, Neutralität und Toleranz. Der Fachdienst Rechtsservice, welcher zum Fachbereich Zentrale Dienste gehört, agiert dabei als verwaltungsinterne Rechtsberatung und vertritt die Universitätsstadt Marburg in gerichtlichen swie außergerichtlichen Rechtsangelegenheiten. Darüber hinaus gehören auch die Mitwirkung in Disziplinarangelegenheiten sowie die Geschäftsstelle des Anhörungsausschusses zum Aufgabenbereich des Fachdienstes. Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir eine fachlich versierte und entscheidungsfreudige Persönlichkeit als

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Als umsetzungsstarke Führungspersönlichkeit setzen Sie Akzente für eine nachhaltige Stadtentwicklung vor Ort! Die Schlossstadt Brühl mit rund 46.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt im Süden des Rhein-Erft-Kreises verkehrsgünstig zwischen den beiden Städten Köln und Bonn. Bei uns finden Sie eine reizvolle landschaftliche Umgebung mit rekultivierten Waldflächen und vielen Seen. Hinzu kommen die beiden Schlösser Augustusburg und Falkenlust als Weltkulturerbe sowie der Freizeit- und Vergnügungspark Phantasialand, die die hohe Erholungs- und Lebensqualität der Stadt Brühl unterstreichen. Die Stadt Brühl sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine verantwortungsvolle und dynamische Führungspersönlichkeit als

Technische*r Beigeordnete*r (w/m/d) für das Dezernat I.

Fachdienstleitung Rechtsservice (w/m/d) Diese attraktive Stelle wird nach A 14 (HBesG) bzw. EG 14 TVöD vergütet.

Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit erfolgt für eine Wahlzeit von acht Jahren. Wir bieten Ihnen eine Besoldung nach Besoldungsgruppe A16/ B2 Landesbesoldungsgesetz NRW sowie eine Aufwandsentschädigung nach den Vorschriften der Eingruppierungsverordnung NRW.

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Kommunaler Haushalt

Seite 20

Kommunalfinanzen in der Krise

W

ährend der Corona-Pandemie blieb die Einkommenssituation vielerorts stabil. Grund hierfür war insbesondere die Kompensation der Gewerbesteuerausfälle, mit der der Bund den Kommunen in der schweren Zeit unter die Arme griff. Auch Würzburg hat davon profitiert und die Krise einigermaßen gut überstanden. Robert Scheller, Kämmerer der Stadt Würzburg, sorgt sich jedoch um die Auswirkungen, die solche Unterstützungsmaßnahmen in der Not auf die Zahlungsmoral von Bürgern und Unternehmen gegenüber Kommunen haben könnten. Auf dem Kommunalen Finanzgipfel berichtete Scheller, dass viele Kommunen während der Corona-Pandemie Vorauszahlungen getätigt, Stundungen und in vielen Fällen auch Erlasse vorgenommen hätten. Dies sei jedoch eine absolute Ausnahme gewesen und dürfe nicht auf die Ukraine-Krise übertragen werden, fordert der Kämmerer. Die Kommunen hätten jetzt, so Scheller, erheblich damit zu kämpfen, dies den Bürgern und Unternehmen klarzumachen. Den Erlass beispielsweise für die Sondernutzungsgebühr für die Gastronomie jetzt auch auf die Ukraine-Krise zu übertragen, hält er für falsch. “Die Außengastronomie läuft doch überall”, so Scheller. Die Kommunen müssten daher entsprechenden Forderungen entscheiden entgegentreten. “Das darf sich nicht verfestigen”, warnt Scheller. Der Kämmerer kritisiert, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dies gerade beim Kurzarbeitergeld mache. Er will die Ausnahmeregel, die den erleichterten

Welche Spätfolgen haben Corona- und Ukraine-Krise für die Kommunen? (BS/lkm) Die anhaltende Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die globalen Störungen von Lieferketten sowie die anhaltende Kostenspirale bei den Sozialausgaben belasten die Kommunen enorm. Zwar ist ein Großteil der Kommunen recht gut durch die Corona-Krise gekommen, für die Zukunft drohen den kommunalen Haushalten jedoch finanzielle Risiken, wie auf dem Kommunalen Finanzgipfel des Behörden Spiegel deutlich wurde. mit den Folgen des russischen Kriegs in der Ukraine. Scheller kritisierte dieses “Copy & Paste” der Corona-Erleichterungen auf die Auswirkungen des UkraineKrieges scharf.

Finanzierung wird schwieriger

Robert Scheller ist seit 2014 Stadtkämmerer von Würzburg. Er kritisiert die laxe Übertragung von Corona-Ausnahmen für Bürger und Unternehmen auf die Ukraine-Krise.

Foto: BS/Stadt Würzburg, Katrin Heyer

“Auf die kommunalen Finanzverantwort­ lichen kommt hier eine enorme Verantwortung zu.”

Zugang zum Kurzarbeitergeld regelt, noch weiter verlängern. Begründet wird die geplante Verlängerung nicht mehr mit Pandemie-Auswirkungen, sondern

Ein weiteres Problemfeld sei, so Scheller, die zukünftige Finanzierung der Kommunen. Diese sei durch Corona und die Inflation deutlich teurer geworden. Kurzfristiges Geld sei nicht mehr zu negativen Zinssätzen zu bekommen. Ein positiver Effekt sei jedoch, dass damit Negativzinsen auf Einlagen bald der Vergangenheit angehörten. “Nach langer Zeit wird die alte Zinsordnung wieder hergestellt, Sparer erhalten Zinsen und Kreditnehmer zahlen Zinsen”, so Scheller. Infolgedessen werde man im ÖPNV und anderen Bereichen die erhöhten Beschaffungskosten an die Nutzer zwingend weitergeben müssen. Scheller bevorzugt sowieso keinen Steuer-, sondern vielmehr einen nutzerfinanzierten ÖPNV. “Das ist eine der gerechteren Finanzierungsarten. Die Steuerfinanzierung raubt den Spielraum für andere Sachen”, sagt Scheller. Aufgrund der Ukraine-Krise müssten Kommunen in Zukunft deutlich mehr investieren, um

in der Energieversorgung unabhängiger zu werden. “Auf die kommunalen Finanzverantwortlichen kommt hier eine enorme Verantwortung zu”, so Scheller. Denn das Geld wachse nicht auf Bäumen. In Zukunft werde man mit höheren Risikopuffern und längeren Bauzeiten planen müssen. “Wir werden hier mehr investieren, als uns lieb ist”, macht Scheller deutlich.

In Anbetracht der globalen Krise müssten die Kommunen ihren Schutz verbessern und resilienter werden. “In den Kommunen haben sich die Lücken aufgetan und hier müssen wir sie schließen. Wir müssen die Fehler erkennen und dürfen sie nicht wiederholen”, warnt der Kämmerer. Er halte es hier wie Albert Einstein, der sagte: “Die reinste Form des Wahnsinns ist es alles beim Alten zu lassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.”

Langfristig wieder im Minus Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), warnten ebenfalls davor, dass die Situation der Städte und Gemeinden nicht auf lange Sicht so gut bleiben werde: “Es bleibt nicht aus, dass die Steu-

NRW.BANK ermöglicht volldigitale Finanzierung (BS/Hanno Beckert*) Über das Kommunenportal der NRW.BANK können alle Städte, Kreisverwaltungen und Gemeinden Nordrhein-Westfalens Darlehensgeschäfte ab sofort komplett online erledigen. Der erste öffentliche Kunde für diesen neuen Service war die Stadt Halle in Westfalen. Sie beantragte am 16. Mai ein 6,6-Millionen-Euro-Förderdarlehen für den Neubau einer Grundschule – das bereits am 19. Mai ausgezahlt wurde.

Klar und übersichtlich: das Kommunenportal der NRW.BANK Foto: BS/NRW.BANK, Svenja Klein

im Kommunenportal sind stets aktuell. Finanzverantwortliche haben damit jederzeit den Status ihrer kommunalen Förder- und Finanzierungsvorhaben im Blick. Ebenso lassen sich Termine und Fristen einfach verwalten, sogar mit Erinnerungsfunktion. Alle Unterlagen können bequem exportiert und für die Dokumentation im eigenen Archiv als PDF gespeichert werden. Darüber hinaus stehen weitere nützliche Funktionen plus Hintergrundwissen zur Verfügung, zum Beispiel zu Zinsentwicklungen. Höchste Sicherheitsstandards sind gewährleistet. Auch die Kommunikation der zumeist sensiblen Daten ist viel sicherer als ein Versand via E-Mail. Denn die elektronischen Nachrichten inklusive der Anhänge sind im Kommunenportal verschlüsselt. Um das Portal zu nutzen, muss keine Software heruntergeladen oder installiert werden. Als WebAnwendung mit geschütztem Log­in passt es in jede Kommunen-IT-Infrastruktur – und ist damit auch aus dem Homeoffice heraus verfügbar. Das Portal unterstützt damit auch die Fle-

xibilisierung in der kommunalen Arbeitswelt. Um digital rechtsverbindliche Geschäfte mit der NRW. BANK durchführen zu können, müssen die Kommunen lediglich eine entsprechende Vollmacht einreichen, zusätzlich zur einmaligen Registrierung. Alles ist rechtssicher und datenschutzkonform. Zudem sind sämtliche Funktionen und Tools einfach zu bedienen und selbsterklärend. Auf Anfrage bietet die Kundenberatung der NRW.BANK auch gerne kurze persönliche OnlineSchulungen an. Mit diesem weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung kommt die NRW.BANK den Bedürfnissen ihrer öffentlichen Kunden entgegen. Björn Hüllbrock: “In unserer

Stadtverwaltung versuchen wir, die Chancen der Digitalisierung konsequent zu nutzen. Nachdem wir in den vergangenen Jahren bereits Rechnungsworkflow, Dokumentenmanagement und Postverarbeitung digitalisiert haben, freuen wir uns sehr, nun auch im Bereich der Finanzierung neue Wege beschreiten zu können. Weitere Innovationen in diese Richtung dürfen nach unseren guten Erfahrungen gerne folgen.” Und diese sind schon im Gange. Denn die NRW.BANK unterstützt mit zahlreichen Maßnahmen die umfangreiche Digitalisierungsstrategie der Landesregierung. So ist das Kommunenportal nicht die einzige Plattform, mit der die Förderbank zunehmend digital mit ihren Kunden kooperiert. Weiteres Beispiel ist die öffentliche Wohnraumförderung. Hier ist die NRW.BANK mit den Bewilligungsbehörden über eine Online-Plattform vernetzt: das Wohnweb. Und der nächste wichtige Meilenstein für das Kommunenportal ist schon in Planung: die Zertifizierung durch die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen. Weitere Infos: www.nrwbank. de/de/oeffentliche-kunden/kom munenportal *Hanno Beckert ist Senior-Kundenbetreuer der NRW.BANK für Öffentliche Kunden.

Das Kommunenportal (BS) Aktuell sind 121 NRW-Kommunen im Kommunenportal registriert. Das zeigt, dass das Angebot, dessen Nutzung kostenlos ist, gut ankommt. Inzwischen haben auch immer mehr Städte, Kreise und Gemeinden Vollmachten für digitale Geschäfte eingereicht. Das ist aber kein Muss: Kommunen können, wenn sie möchten, weiterhin Finanzierungen wie bisher mit Post und Papier abwickeln.

Städte kämen neben den hohen Unterbringungskosten auf dem vielfach extrem angespannten Wohnungsmarkt die explodierenden Energiekosten hinzu, die Bestandteil der teilweise von den Kommunen zu tragenden Kosten der Unterkunft (KdU) seien. Darüber hinaus deckten die Kreise mit ihren Gesundheitsämtern, den Kreisjugendämtern, den Sozialämtern, aber auch als Schulträger der Förderschulen und Berufskollegs wesentliche zusätzliche Bedarfe der Vertriebenen.

Energiekosten belasten massiv

Kommunen müssen resilienter werden

Darlehensgeschäfte online

Die Digitalisierung revolutioniert unser Leben in allen Bereichen. Die NRW.BANK beschleunigt diese Entwicklung nicht nur mit entsprechenden Finanzierungen und Förderungen. Gleichzeitig setzt sie selbst auf Digitalisierung: Die Abwicklung aller Finanzierungs- und Förderungsvorhaben zwischen der Förderbank für NordrheinWestfalen und den Kommunen im Land ist jetzt komplett digital möglich – von der Antragstellung über die Zusage bis zum Vertragsabschluss. Die Stadt Halle in Westfalen war die erste Kommune, die den neuen Service in Anspruch nahm. Am 16. Mai beantragte sie ein Förderdarlehen über 6,6 Millionen Euro für den Neubau einer Grundschule. Bereits am 19. Mai wurde der Betrag ausgezahlt, der aus dem zinsgünstigen Programm NRW.BANK.Moderne Schule stammt. Alles erfolgte ganz ohne Papier und Postweg. Denn für rechtsverbindliche Geschäfte ist eine Unterschrift per Hand nun nicht mehr nötig. Das spart Zeit und funktioniert gut: “Das digitale Kommunenportal der NRW.BANK ermöglicht es uns, komplette Darlehensgeschäfte online und medienbruchfrei, nutzerfreundlich und schnell abzuwickeln”, lobt Björn Hüllbrock, Kämmerer der Stadt Halle. Ganz nebenbei schont das auch die Umwelt. Und das Portal bietet noch mehr Vorteile. Der gesamte Vorgang befindet sich immer kompakt auf dem Bildschirm – und nicht nur der: Die Plattform bietet den Mitarbeitenden der Kommunen einen Gesamtüberblick über sämtliche Geschäfte mit Vertragsdaten, Zins- und Tilgungsplänen, inklusive hilfreicher Suchfunktion. Alle Angaben

Behörden Spiegel / Juli 2022

Dr. Gerd Landsberg, DStGB-Hauptgeschäftsführer, fordert ein weiteres Hilfspaket für die Kommunen. Foto: BS/Bernhard Link, Farbtonwerk

"Es bleibt nicht aus, dass die Steuerein­ nahmen drastisch runtergehen werden.”

ereinnahmen drastisch runtergehen werden”, so Landesberg. Er forderte deshalb ein weiteres Hilfspaket für die Kommunen. Aufgrund der aktuell sehr positiven Steuerschätzung sei dieses Argument jedoch schwierig in der Politik anzubringen. Auch Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen, bereiten die großen Zukunftsrisiken Sorgen. Trotz der Teilstabilisierung der kommunalen Haushalte durch die Corona-Hilfen bleibe die Finanzsituation weiter angespannt. Aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die globalen Störungen von Lieferketten entwickelten sich weitere Risiken für die Kommunen. So könne man zwar auf Steuermehreinnahmen in der unmittelbaren Zukunft hoffen, jedoch trage die Gewerbesteuerausgleichszahlung nur noch für dieses Jahr. Die Schere zwischen Umlageaufkommen und Gesamtaufwendungen der Kreise gehe damit weiter auseinander. Auch die Corona-Hilfen der letzten Jahre hätten diese Kostenspirale nicht unterbrechen können. Die Kostenerstattung für Ukraine-Vertriebene werde, so Klein, zudem nicht auskömmlich sein. Ferner werde das Steuerentlastungsgesetz zu Mindereinnahmen bei den Kommunen führen. Der weitere Kriegsverlauf in der Ukraine sowie die allgemeine Preisentwicklung würden zudem zu weiter steigenden Ausgaben in den Kommunen und Landkreisen führen.

Der Bund soll helfen Der Landkreistag fordert deshalb vom Bund eine auskömmliche Refinanzierung der Hilfen für Kriegsvertriebene. Die Kosten für die Aufnahme und Versorgung der Ukraine-Vertriebenen vor Ort dürften nicht unterschätzt werden. Aufgrund der EU-Entscheidung zum Rechtsstatus der UkraineFlüchtlinge als “Quasi-Touristen” sei bei ihnen grundsätzlich keine Wohnsitzauflage möglich. Da es in Nordrhein-Westfalen eine große Ukraine-Community gebe, sei es in mancher Stadt innerhalb von drei Monaten zu einem Zustrom gekommen, der größer sei als der Flüchtlingszustrom in den Jahren 2015/2016, so Klein. Auf diese Städte und alle anderen

Sorgen bereiten den Kommunen zudem die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs und der damit einhergehenden Energiekrise. Angesichts der explodierenden Rohöl- und Gaspreise habe die Energie- und Verkehrswende eine neue Dimension erreicht. Die hohen Energiekosten belasteten Unternehmen, Betriebe, Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen massiv. Würzburgs Kämmerer machte deutlich, wie hoch jetzt schon die Mehraufwendungen für seine Stadt aufgrund der Energiekrise seien. “Wer beim Energieeinkauf short gegangen ist und nicht long, wird jetzt teuer einkaufen müssen”, erläutert Scheller. Für Würzburg bedeute das beispielweise Mehrkosten in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Man sei beim Gas long, bei der Energie jedoch short gegangen. “Hinterher ist man immer schlauer”, so Scheller. Der Landkreistag betonte, dass eine Beschleunigung der Energiewende nur mit dem kreisangehörigen Raum gelingen könne. Bereits heute werden laut Landkreistag 93 Prozent des Ökostroms aus NRW in den Kreisen erzeugt. Der Bund müsse deshalb die Kommunen in die Lage versetzen, die anstehenden Zukunftsaufgaben meistern zu können, fordert der Kommunal-

Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Nordrhein-Westfalen, unterstrich, dass die Landkreise und Kommunen zur Bewältigung der Zukunftsrisiken auch auf die Unterstützung des Bundes angewiesen ­seien. Foto: BS/Deutscher Landkreistag

“Auch die CoronaHilfen der letzten Jahre haben diese Kostenspirale nicht unterbrechen können.

verband. Der Landkreistag warnt auch vor hohen Haushaltsdefiziten für die Kommunen ab 2023. Er fordert vom Bund deshalb eine Umsatzsteuerbeteiligung nach einem neuen Verteilungsschlüssel, um die Unterfinanzierung der kommunalen Sozialausgaben zu beseitigen. Hierzu müsse der Bund eine direkte, an Einwohnerzahl und Sozialkosten orientierte Umsatzsteuerbeteiligung der Kreise schaffen. Zudem müsse das Altschuldenproblem endlich gelöst werden. Die aktuelle Zinswende berge für Kommunen mit hohen Altschulden hohe Risiken.


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Juli 2022

Zu Beginn der Corona-Pandemie wurden der Stellenwert und die Bedeutung der Kinderbetreuung wie unter einem Brennglas deutlich. Vor allem in den Zeiten geschlossenener Einrichtungen merkten alle, wie wichtig eine funktionierende Betreuung der Kinder ist: für die Kinder selbst, die Eltern, aber auch die Wirtschaft und die Verwaltung. Monetär gehört der Aufgabenbereich der Kinderbetreuung für Städte und Gemeinden zu den aufwandsstärksten Politikfeldern. Dessen Wirtschaftlichkeit ist insbesondere durch die Auslastung, die Betreuungsdauer, durch Standardsetzung sowie durch Elternbeiträge beeinflussbar. Zur Standardsetzung gehört die freiwillige übertarifliche Bezahlung: Alle hessischen Großstädte, mit Ausnahme von Darmstadt, gruppierten ihre Erzieher pauschal in die Kategorie "mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten" mit damit einhergehender höherer Entgeltgruppe S 8b des TVöD – Sozial- und Erziehungsdienst, ein. Gut denkbar, dass dieses

“Kindertageseinrichtungen”

Die Preise steigen weiter

Freiwillige Standards in den Großstädten

Umfrage bei kommunalen Energieversorgern

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

undifferenzierte Vorgehen die Entwicklung im Umfeld der Großstädte beeinflussen wird. Zur Standardsetzung gehört ebenso, die gesetzlich vorgeschriebene Gruppengröße freiwillig zu reduzieren. Nach § 25d des Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuches (HKJGB) darf die Gruppengröße höchstens 25 gleichzeitig anwesende Kinder betragen. Die Städte Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden haben politisch eine reduzierte maximale Gruppengröße herbeigeführt. Nur hieraus resultierten insgesamt Mehrkosten von 16 Millionen Euro, allein in Frankfurt waren es 13,5 Millionen Euro (s. untenstehende Ansicht). Würden die Kommunen 25 statt 20 (Frankfurt, Wiesbaden) bzw. 22 (Darmstadt) Kin-

der je Gruppe betreuen, dann könnten: • in Frankfurt 8.500 Kinder, • in Wiesbaden 2.500 Kinder und • in Darmstadt 800 Kinder mehr betreut werden. Und das ohne zusätzliche Stellen oder zusätzliche Räume schaffen zu müssen. Das verwirklicht ebenso den Wunsch nach "kurzen Beinen – kurze Wege". Dies ist insbesondere mit Blick auf den Verdichtungsdruck und Personalengpass im Ballungsraum von höchster Relevanz. Diese Feststellung sollte bei einem steigenden Betreuungsbedarf und einem nötigen Ausbau von Betreuungsplätzen berücksichtigt werden. Auffällig war zudem, dass Frankfurt die freien Träger von Kindertageseinrichtungen mit erhöhten Pauschalen je Kind

Auslastung der Kindertageseinrichtungen nach den Mindeststandards des HKJGB mit Ergebnisverbesserungspotenzialen Platzäquivalente (PÄ)

Freie PÄ

Auslastung1)

Vorgabe einer Reduzierung der maximalen Gruppengröße auf

Jährliche Raumkostenpauschale je Ü3-Kind

EVP durch Erhöhung der maximalen Gruppengröße auf 25 Kinder2)

Darmstadt

11.575

1.974

83 %

22 Kinder

711 €

597.952 €

Frankfurt am Main

67.475

12.806

81 %

20 Kinder

1.580 €

13.450.022 €

Kassel

13.500

1.231

91 %

523 €

0€

Offenbach am Main

8.925

997

89 %

448 €

0€

2.765

86 %

20 Kinder

749 €

Wiesbaden 19.175

Seite 21

Summe

1.928.244 €

15.976.218 €

bezuschusste. Die Zuschüsse lagen mit 10.500 Euro je Jahr und Kind rund doppelt so hoch wie in Kassel (5.200 Euro) oder Offenbach (5.800 Euro). Die hieraus resultierenden Einsparmöglichkeiten beliefen sich für Frankfurt auf rund 55 Millionen Euro. Parallel erhob Frankfurt für die Betreuung von Kindern zwischen drei und sechs Jahren keine Elternbeiträge. Die Stadt verzichtete damit auf 25,5 Millionen Euro. Das führt außerdem zu Steuerungsdefiziten, da ohne gestaffelte Elternbeiträge nicht sichergestellt werden kann, dass die angemeldeten Betreuungsdauern die tatsächliche Nachfrage widerspiegeln. Kinderbetreuung ist eine der wichtigsten kommunalen Leistungen und kann nicht nur in Euro und Cent bemessen werden. Dennoch ist es für alle Städte und Gemeinden wichtig, sich die Frage zu stellen, welche Standards sie sich auf Dauer leisten können und wollen. Vor allem, wenn Kitaplätze Mangelware sind und der Wettbewerb um Erzieherinnen und Erzieher groß ist, sollten bestehende Möglichkeiten zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Kinderbetreuung ausgeschöpft werden. Und ein kostenfreies Betreuungsangebot ist keinesfalls kostenlos. Zahlen müssen dann lediglich andere: die Steuerzahler insgesamt. Lesen Sie mehr zum Thema “Standards in der Kinderbetreuung” im Großstädtebericht, Hessischer Landtag, Drucksache 20/6483 vom 19. November 2021, S. 75 ff. Der vollständige Bericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.

(BS/sr) Die Gas- und Strompreise steigen weiter. Die Situation spitzt sich zu und die Energieversorger müssen sich umorientieren. Wir haben nachgefragt, wie die kommunalen Energieversorger mit den steigenden Preisen umgehen, ob sie die Verbraucher schützen oder die Preise an sie weitergeben. Die Energiepreise steigen auf dem Markt bereits seit dem letzten Jahr stetig an und der Krieg in der Ukraine verschärft die Situation vor allem im Bereich Gas noch einmal. Diese Lage hat dazu geführt, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck am 23. Juni die 2. Alarmstufe des Notfallplans Gas ausrief. Daher ist sicher: Die Preise werden sich erhöhen. Die Frage ist nur: um wie viel? Einen wichtigen Faktor in dieser Frage stellen die Energieversorger dar. Den Preis für die Verbraucher abzufedern, stellt die kommunalen Energieversorger vor eine große Herausforderung. Viele von ihnen haben als Grundversorger in diesem Jahr schon einen unerwarteten Zustrom an Kunden erhalten. Der entstand, als Billigstromanbieter insolvent gingen und ihre Verträge aufkündigten. Viele Verbraucher fielen damit auf den Grundversorger zurück.

Langfristige Verträge mildern ersten Preisschock Um herauszufinden, wie die kommunalen Energieversorger mit der Situation umgehen, haben wir neun kommunale Energieversorger aus ganz Deutschland befragt. Ein Großteil der befragten Energieversorger gab an, die gestiegenen Kosten nicht auf Dauer allein tragen zu können. Allein schon aus dem Grund, dass sie auch als staatliche Unternehmen ihre Kosten decken müssten. Dennoch teilten uns mehrere Energieversorger mit, dass sie keine direkten

Preiserhöhungen vornehmen mussten, da sie durch ihre langfristigen Beschaffungspläne nicht so stark von den Preisänderungen des Marktes betroffen gewesen seien. Wenn diese Beschaffungsverträge jedoch aktualisiert würden, müsse auch mit höheren Kosten gerechnet werden, die an den Verbraucher weitergegeben würden. Für den Strom gibt es noch gute Nachrichten. Mit dem Wegfall der EEG-Umlage am ersten Juli können einige der anstehenden Preissteigerungen vorerst komplett ausgeglichen werden. Beim Gas jedoch müssen die meisten Unternehmen die Preise stärker anziehen, da hier etwaige Gegenmaßnahmen von staatlicher Seite fehlen. Dafür bieten mehrere Versorger ihren Kunden Hilfestellungen mit Spartipps, um den Verbrauch und die damit entstehenden Kosten niedrig zu halten. Die Methoden der Energieversorger könnten sich jedoch ändern, sollte beispielsweise die Preisanpassungsklausel, für die nun alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, in Kraft treten. Diese erlaubt es den Unternehmen, ihre gestiegenen Kosten beim Einkauf direkt an den Kunden weiterzugeben, auch während eines laufenden Vertrages. Aktuell beobachten die Energieversorger die Marktentwicklung sehr genau und bereiten Pläne für verschiedene Szenarien vor, um auf die aktuelle Marktentwicklung optimal reagieren zu können.

Ohne Berücksichtigung der Vorgabe einer Reduzierung der maximalen Gruppengröße durch die jeweilige Stadt. 2) Reduzierung vorgehaltener Raumkapazitäten durch Gruppenzusammenlegungen x gezahlte jährliche Raumkostenpauschale je Kind an freie Träger von Kindertageseinrichtungen. In Darmstadt und Wiesbaden musste, aufgrund der primären Spitzabrechnungen mit den freien Trägern von Kindertageseinrichtungen, jeweils auf eine Muster-Abrechnung zurückgegriffen werden. 1)

Quelle: BS/eigene Erhebungen; Kinder- und Jugendhilfestatistik Teil III.1 zum 1. März 2019; Stand: April 2021

Einigung zum Finanzausgleich in Brandenburg Keine neuen Verteilungsdiskussionen bis 2026 (BS/lkm) Die Brandenburgische Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände des Landes haben sich auf die Fortschreibung des kommunalen Finanzausgleichs verständigt. Anders als üblich wurde der Finanzausgleich bis zum Jahr 2026 festgeschrieben – ins erste Jahr nach der Landtagswahl 2025. Eine entsprechende Vereinbarung wurde am 16. Juni 2022 in Potsdam unterzeichnet. Für das Land Brandenburg setzten Finanzministerin Katrin Lange und Innen- und Kommunalminister Michael Stübgen ihre Unterschrift unter das Dokument. Für die kommunale Ebene unterzeichneten der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, Bürgermeister Dr. Oliver Hermann, und der Vorsitzende des Landkreistages, Landrat Siegurd Heinze, die Vereinbarung. Mit der Fortschreibung des Finanzausgleiches wird der aktuell praktizierte Finanzausgleich in seiner Grundstruktur bis 2026 verlängert. Normalerweise wird der Finanzausgleich des Landes alle zwei Jahre über externe Gutachten ermittelt. Wegen der nahtlos auf die Pandemie folgenden Ukraine-Krise macht man dieses Mal eine Ausnahme. Die nächste Überprüfung der Grundparameter des kommunalen Finanzausgleichs soll zum Ausgleichsjahr 2027 erfolgen. Die Fortschreibung des Finanzausgleichs betrifft u. a. Fragen der Schlüsselzuweisungen, des Ausgleichsfonds (§ 16 FAG), der Verbundquote und der vorgesehenen Überprüfungsintervalle.

Die Verständigung zwischen Land und Kommunen enthält auch eine Einigung über die Verteilung der dem Land zufließenden Bundesbeteiligung an den Mehrkosten von Ländern und Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine. Die Verbundquote – der Anteil, den die Kommunen an den Einnahmen des Landes erhalten – bleibt bis 2026 bei 22,43 Prozent. Wie in den Jahren 2023 und 2024 soll die Verbundmasse auch 2025 und 2026 um einen jährlichen Vorwegabzug gemindert werden, der in beiden Jahren auf jeweils 70 Mio. Euro festgelegt wird. Zugleich soll der Anteil der investiven Schlüsselmasse an der GesamtSchlüsselmasse in den Jahren 2025 und 2026 jeweils um einen Festbetrag von 25 Mio. Euro angehoben werden. Das Gesamtvolumen des Ausgleichsfonds für überschuldete Kommunen in Höhe von 40 Millionen Euro jährlich wird beibehalten. Neu ist, dass Kommunen, die eine deutlich unterdurchschnittliche Finanzkraft je Einwohner vorweisen, einen Aufschlag erhalten sollen. Ab dem Ausgleichsjahr 2023 erhalten

diese eine befristete Zuweisung, die sogenannte “Schlüsselzuweisung Plus”. Der Zuschlag zu den Schlüsselzuweisungen soll aus der allgemeinen Teilschlüsselmasse für Gemeindeaufgaben des Folgejahres finanziert werden. Beide Seiten einigten sich auch über die Finanzierung im Zusammenhang mit der Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge im Land. In diesem Jahr stellt der Bund hierzu 60 Millionen Euro bereit. Die Landkreise erhalten davon 38,9 Millionen Euro, die vier großen Städte 11,1 Millionen Euro, das Land zehn Millionen Euro. Die kreisangehörigen Städte und Gemeinden werden hieran nicht beteiligt. Zur Vermeidung eines Nachtragshaushaltes sollen die Mittel den Kommunen 2023 im Rahmen des Doppelhaushalts 2023/2024 zusätzlich zugewiesen werden. Finanzministerin Katrin Lange (SPD) betonte, dass die Kommunen in der Finanzierung Klarheit bräuchten und niemandem etwas an einem kleinkarierten Dauerstreit gelegen sei. Auch der Gemeindebund und der Landkreistag zeigten sich mit dem Ergebnis zufrieden.

„Wir lernen jetzt für die digitale Zukunft. Und das soll Schule machen.“ Fördern, was NRW bewegt. Manfred vom Sondern, Chief Digital Officer von Gelsenkirchen, macht seine Heimatstadt zur digitalen Vorzeigekommune. Dazu gehören modern ausgestattete Schulen und Klassenzimmer mit interaktiven Whiteboards. Ermöglicht durch: die NRW.BANK – Förderbank für Nordrhein-Westfalen. Die ganze Geschichte unter: nrwbank.de/gelsenkirchen

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Kommunale Infrastruktur

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In Ausschreibungen leben

D

ie Bundesrepublik Deutschland fordert mit der 2017 implementierten Novellierung der Abfallklärschlammverordnung sowie der Düngeverordnung, dass ab 2029 Phosphor aus Klärschlamm recycelt und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt wird. Gleichzeitig wird die herkömmliche Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft deutlich eingeschränkt. Hierdurch soll eine Verringerung der in vielen Regionen Deutschlands viel zu hohen Nitratwerte im Grundwasser und des Eintrags von organischen Schadstoffen, Schwermetallen und Mikroplastik in den Boden erreicht werden. Als zentrales Element sieht die Gesetzeslage erstmals umfassende Vorgaben zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen und Klärschlammverbrennungsaschen vor. Vor diesem Hintergrund geht das Gesetz in die richtige Richtung. Allerdings muss die Umsetzung des Phosphorrecyclings dann auch entsprechend kontrolliert und in den Ausschreibungen gelebt werden. Nimmt man Phosphor-Recycling ernst, dürften ab sofort beispielsweise keine Monoklärschlammverbrennungsanlagen ohne nachgelagertes Phosphor-Recycling mehr genehmigt werden. Hier könnten seitens der Ministerien klare Vorgaben an die Mittelbehörden helfen, das Gesetz schneller und zielgenauer umzusetzen.

Recycling als Lösung bei Vergabe berücksichtigen Da Klärschlamm in substanziellen Mengen den Rohstoff Phosphor enthält, bietet dieser großes Recycling-Potenzial. Denn Phosphor wird in Deutschland zu 100 Prozent importiert und unter umweltschädlichen sowie politisch instabilen Bedingungen abgebaut. Deshalb steht Phosphor auch seit 2017 auf der Liste kritischer Rohstoffe der Europäischen Union. Mit der Gewinnung von Phosphor verbunden sind lange Transportwege und erhebliche CO2-Belastungen, da in hohem Maße Schadstoffe – insbesondere

Behörden Spiegel / Juli 2022

Kreislaufwirtschaft muss 2029 umgesetzt sein (BS/Dr. Oliver Rottmann/Dr. Martin Lebek*) Phosphat ist ein lebensnotwendiger, nicht ersetzbarer Rohstoff: Als Hauptbestandteil der Düngemittel sorgen die Salze des Phosphors bei einer weiter steigenden Weltbevölkerung für ein zentrales Basiselement der Lebensmittelgewinnung und -versorgung und bilden damit eine zentrale Chemikalie für eine nachhaltige Wirtschaft der Zukunft. Zudem kommt Phospor in der Industrie vielseitig zum Einsatz. Jedoch ist der Abbau von Phosphat endlich. Bei steigender Nachfrage durch eine zunehmende Weltbevölkerung verringert sich der Anfang des 21. Jahrhundert geschätzte abbaubare Vorrat an Phosphat von bis zu 100 Jahren deutlich.

darin, dass mit der gewonnenen Phosphorsäure durch Kreislaufführung wieder neue Asche behandelt werden kann. Da keine neue, konventionell hergestellte Phosphorsäure zum Auflösen benötigt wird, trägt dies erheblich zur Wirtschaftlichkeit der Anlage bei und wirkt damit stabilisierend auf die in den Kommunen von den Bürgern zu entrichtenden Entsorgungsgebühren.

Fast zwei Drittel CO2-Einsparung

In der Landwirtschaft sind Phosphate als Düngemittel nicht wegzudenken. Doch die Salze des Phosphor sind endlich. Unter anderem deshalb müssen sie ab 2029 aus Klärschlamm recycelt und in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. Foto: BS/Dusan Kostic, stock.adobe.com

Schwermetalle und auch Uran – freigesetzt und mit den Produkten global transportiert werden. Nicht zuletzt aus Ressourcen-, Umwelt- und Klimaschutzgründen ist das Recycling von Phosphor deshalb ein notwendiger Schritt.

Kreislaufführung senkt die Kosten Um die Wege für das Recycling der lebenswichtigen Ressource Phosphat möglichst zügig zu ebnen, besteht allerdings auch die Notwendigkeit, Phosphorrecycling bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für die Klärschlammverwertung mit zu

berücksichtigen. Die genannten gesetzlichen Vorgaben und die Notwendigkeit der Rückgewinnung führen bereits jetzt zu Veränderungen im Entsorgungsmarkt. Bestehende und zukünftige – zum Beispiel durch die Stilllegung von Kohlekraftwerken entstehende – Kapazitätsengpässe bei thermischen Verwertungsoptionen speziell für Klärschlamm müssen durch den Aufbau neuer Kapazitäten ausgeglichen werden. Hier stellt sich insbesondere die Frage, welche Technik zukünftig anzuwenden ist und wie das Ziel des Gesetzgebers, Rohstoffe zurückzugewinnen, möglichst

hochwertig erreicht werden kann. Phosphorrecycling impliziert einen technisch möglichen und wirtschaftlich effektiven Verwertungsweg für Klärschlamm gemäß der Abfallklärschlammverordnung und ist damit einer ausschließlichen thermischen Nutzung vorzuziehen.

Mehrere Ziele auf einmal Durch Recycling von Phosphor aus Klärschlamm lassen sich mehrere Ziele für Umwelt und Wirtschaft erreichen: Durch die Produktion hochreiner Phosphorsäure lässt sich eine zentrale Grundchemikalie beispielsweise in der Düngemittel- und Futter-

mittel-Industrie oder als Korrosionsschutzmittel (rück-)gewinnen und damit ein vollwertiger Ersatz für umwelt- und klimaschädliche Phosphorimporte generieren. Neben Phosphorsäure können zudem weitere Sekundärrohstoffe wie Gips und Metallsalze (Eisen, Aluminium) zurückgewonnen werden. Diese Wertstoffe finden ihre Verwendung in der Baustoffindustrie (Gips) sowie als Fällmittel auf Kläranlagen (Metallsalze). Der am Ende des Verfahrens überbleibende Ascherest dient als Zuschlagsstoff in der Baustoffindustrie. Die Grundidee eines hochwertigen Recycling-Verfahrens liegt

Während einfache Klärschlammverbrennungsanlagen lediglich den Klärschlamm thermisch behandeln und so zunächst nur eine phosphorhaltige Asche erzeugen, wird durch nachhaltiges Phosphorrecycling hochreine Phosphorsäure als vielseitig verwendbarer Sekundär-Rohstoff direkt zurückgewonnen. Zudem lassen sich durch das Schließen mehrerer Stoffkreisläufe und die Produktion hochwertiger Sekundärrohstoffe durch eine Phosphorrecycling-Anlage gegenüber konventionellen Verfahren bis zu 60 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Gelänge es, 100 Prozent des Phosphors aus den in Deutschland jährlich anfallenden Klärschlämmen zu recyceln, entspräche dies einem CO2-Fußabdruck von 27 Millionen Bäumen, wobei als Faustregel gilt, dass etwa 80 Laubbäume gepflanzt werden müssten, um jährlich eine Tonne CO2 zu kompensieren. Die Rückgewinnung einer lebens- und wirtschaftsnotwendigen Ressource wird damit möglich und illustriert, dass erfolgreiches Wirtschaften und Umweltschutz keinen Gegensatz, sondern eine bewusste Lösung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft bilden. *Dr. Oliver Rottmann ist Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge an der Universität Leipzig. Dr. Martin Lebek ist Geschäftsführer der Remondis Aqua Industrie GmbH & Co. KG.

Der Umwelt zu Liebe

Es kommt nicht auf die Straße

Behörden als Vorreiter in Sachen Umweltschutz

Klimaschutz ist eine Frage der Ressourcen

(BS/Thilo Hartz*) Öffentlicher Raum: Mit dem leitungsgebundenen Wasserspender von Brita Vivreau lässt (BS/jf) Beim Klimaschutz sind Kommunen besonders gefragt. Denn sie zählen nicht nur zu den Verursachern, sich der Durst nachhaltig stillen – eine gesunde, ökologisch wertvolle Alternative zu Flaschenwasser. sondern auch zu den Betroffenen. Und egal ob bei der Energieeinsparung oder bei der Reduzierung von Treibhausgasen im Verkehr, mittels der Digitalisierung lassen sich enorme CO2-Einsparpotenziale erzielen. Öffentliche Einrichtungen stehen tik. Die CO2E-Bilanz der Trink- dere Rolle. Brita Vivrau setzt hier Landauf, landab gibt es zahlreiche Lösungen und gute Beispiele. Aber: Zwei Faktoren sind ausschlaggebend, im Fokus. Ob neuer Personalaus- wasserversorgung verbessert auf ein Hygiene-Plus System: denen mit einem interessanten Vorschlag begegnet werden könnte.

weis, der Museums-Besuch oder ein Gerichtstermin: Behörden und Co. werden von vielen Menschen aufgesucht, die sehr genau registrieren, wie dort gedacht und gehandelt wird. Gute Chancen für eine Vorbildfunktion dieser Institutionen, die nicht ungenutzt bleiben sollten, Stichwort: Schutz von Klima und Umwelt. Seit Beginn dieses Jahres schon dürfen Behörden aufgrund einer neuen Richtlinie der Regierung keine Getränke in EinwegGebinden oder Getränkedosen mehr beschaffen – zum Wohl des Klimas. Eine ökologische und einfach umsetzbare Alternative ist die Versorgung von Mitarbeitenden und Besuchern mit frisch aufbereitetem, wohlschmeckendem Wasser aus einem leitungsgebundenen Wasserspender von Brita Vivreau. Einweg-Gebinde entfallen, die zum Auftürmen riesiger Müllberge führen. Diese wiederum belasten Meere, Flüsse und Seen sehr stark und gefährden die Wasserbewohner.

Glänzende CO2E-Bilanz und weniger Kosten Auch Pfandflaschen aus Glas legen oft viele Kilometer zurück und erzeugen bei der Produktion sogar mehr CO2-Emissionen (CO2-E) als ihr Pendant aus Plas-

sich gegenüber Flaschenwasser um bis zu 86 Prozent. Auch die Kosten sinken: Ein Liter Wasser aus dem leitungsgebundenen Spender kostet nur etwa fünf Cent – aus der Marken-Pfandflasche sind es circa 60 Cent. Die Anschaffungskosten für einen Wasserspender amortisieren sich in der Regel innerhalb von ein bis zwei Jahren. Mit einem speziellen Zubehör, dem “Easy Access Panel”, ist der Spender auch in niedriger Höhe bedienbar und damit barrierefrei.

Frisch, wohlschmeckend und hygienisch einwandfrei Das genutzte Leitungswasser wird gefiltert, gekühlt, mit Kohlensäure versetzt oder, je nach Modell, auch erhitzt. Da in Gebäuden des öffentlichen Raums viele Menschen ein- und ausgehen, spielt Hygiene eine beson-

dreifacher Schutz durch Bakterienfilter und eine thermische Keimsperre am Auslasshahn, die automatisch alle 90 Minuten auf über 120 Grad erhitzt wird und damit die Rückverkeimung ins Gerät verhindert – für hygienisch sicheren Genuss. Und der erste Schluck Wasser am Montagmorgen schmeckt noch genauso gut wie der letzte vor dem Wochenende. Sorgen auch Sie dafür, dass in Ihrer Behörde die Versorgung mit frischem Trinkwasser nicht zu Lasten der Umwelt geht. Dazu fünf Tipps für Einsteiger (siehe Kasten). Weitere Informationen unter: www.brita.de/wasserspender * Thilo Hartz ist Business Development Manager Public Sector & Education bei der Brita Vivreau GmbH.

Fünf Tipps für Einsteiger: • Platzieren Sie den Spender gut sichtbar und leicht zugänglich. • Machen Sie Besucher durch Hinweisschilder auf den Spender aufmerksam. • Weisen Sie Ihre Mitarbeitenden gezielt auf die Möglichkeit hin, sich jederzeit auf Knopfdruck mit frischem Wasser versorgen zu können. • Thematisieren Sie bei Ihrem Team die gesundheitsfördernde Wirkung eines gut ausbalancierten Flüssigkeitshaushalts. • Nutzen Sie Ihr Engagement, um sich als umweltfreundliche Behörde zu positionieren und andere zum Mitmachen anzuregen.

“151 Megatonnen an CO2-Emissionen könnten durch die Digitalisierung eingespart werden”, betont Dr. Franziska Brandner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Doch das gelänge nur mit Hilfe der Kommunen, so die Grünen-Politikerin. Denn nur sie seien in der Lage, die Lösungen in die Fläche zu bringen. Wie sehr Städte und Gemeinden in Sachen Klimaschutz Verursacher und Betroffene sind, zeigt das Beispiel Lüneburg. “Wir haben eine Energie- und Treibhausgasbilanz erstellt”, berichtet Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kahlisch (Bündnis 90/ Die Grünen). Das Ergebnis: Die Stadt ist für ein Prozent verantwortlich. Aber: “Wir wollen 100 Prozent gestalten”, so Kahlisch. “Die Kommunen haben diese Aufgabe erkannt”, versichert Alexander Handschuh vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB). Aber es gehe nicht von heute auf morgen. Schließe reiche es nicht, einfach ein paar digitale Technologien einzusetzen. “Digitalisierung ist nur das Mittel zum Erreichen eines bestimmten Ziels.” Dem kann Dr. Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende der enercity AG, nur

zustimmen. Zudem weißt sie auf die unterschiedlichen Ausgangslagen in den Kommunen hin. “In manchen Kommunen gibt es Personen, die das Thema vorantreiben, in anderen existiert zwar das richtige Mindset, aber es fehlen die Finanzen. Und in wieder anderen Kommunen sind Mittel zwar vorhanden, jedoch gibt es andere dringlichere Bedarfe, etwa die Sanierung von Schultoiletten.” Und dann gebe es noch die Kommunen, die zuerst einen digitalen Beteiligungsprozess starteten und damit zwei Jahre Zeit ungenutzt verstreichen ließen, so Zapreva. Letztlich ist es immer eine Frage der Ressourcen. Vor allem der Finanzen und des Personals. Ersterem könne durch das Beantragen von Fördermitteln entgegengewirkt werden, meint Dr. Christine Kladen, Unterabteilungsleiterin im BMWK. Dazu habe ihr Haus eigene Fördermittelsprechstunden eingerichtet, etwa im Rahmen der Nationalen Klimaschutzstrategie. Die Krux an der Förderung: Es werden nur Innovationen gefördert, nicht die Verbreitung in die Fläche. “Wir haben in der Vergangenheit so viele Leuchttürme gefördert, dass wir das Meer nicht mehr sehen”, un-

terstreicht Handschuh. Bei so vielen Leuchttürmen könne das Wissen zu den einzelnen nicht mehr ausgetauscht werden. Die guten Lösungen würden nicht in die Fläche oder auf die Straße gelangen. Hinzu komme, dass die Fördermittelanträge oft viel zu bürokratisch seien. “Wir brauchen mehr Beinfreiheit”, fordert Kahlisch. Außerdem dürften nur Sachmittel gefördert werden, aber keine Personalkosten. Damit spricht die Oberbürgermeisterin den zweiten wesentlichen Faktor an. Ein Thema, das natürlich auch bei der Digitalisierung von entscheidender Bedeutung ist. “Wir brauchen nicht in jeder Kommune einen eigenen CDO”, sagt Handschuh. Aber jeder Mitarbeiter brauche digitale Kompetenzen – vom Haus- bis zum Bürgermeister. Doch diese zu vermitteln ist am Ende ebenfalls eine Frage der Finanzen, bedeutet es doch, in Weiterbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten zu investieren. Damit schließt sich der Kreis des Dilemmas für die Kommunen. Dabei könnte diesem einfach begegnet werden. Anstelle von Fördermitteln sollten lieber zweckgebundene Budgets vergeben werden, schlägt Zapreva vor.


Kommunale Infrastruktur

K

napp 30 Aussteller und 20 nationale und internationale Expertinnen und Experten informierten das Publikum über rechtliche und planerische Rahmenbedingungen und technische Möglichkeiten der urbanen Seilbahn. Die Cable Car World 2022 (CCW) richtete sich vor allem an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes. “Die Zeit ist reif, der urbanen Seilbahn ihre eigene Messe-Plattform zu geben. Als nachhaltiger Verkehrsträger ist sie aus dem Mobilitätsmix der Zukunft nicht mehr wegzudenken”, erklärte Oliver Kuhrt, Geschäftsführer der Messe Essen, welche die Cable Car World zusammen mit dem Seilbahn International Verlag als Partner ins Leben gerufen hat. Neben der Ausstellung diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen, Wirtschaft und Forschung über die Vor- und Nachteile einer Einbindung der Seilbahn in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Für Kuhrt ist es ein besonderer Erfolg gewesen, diese Messe Realität werden zu lassen und auch für die nächsten Jahre weiter planen zu dürfen. Nach der gelungenen Premiere blickt die Seilbahnbranche nun auf die zweite Auflage der Cable Car World. Diese soll vom 4. bis 5. Juni 2024 stattfinden, um das Thema der urbanen Mobilitätswende weiter voranzutreiben.

Die Zukunft hängt am Seil Der auf der Messe integrierte Fachkongress wurde dazu genutzt weitere Facetten des Themas “Moderne Mobilität im öffentlichen Raum” zu beleuchten.

Es geht bergauf für den ÖPNV Cable Car World 2022 feiert gelungene Premiere (BS/Tim Rotthaus) Im Juni fand auf dem Gelände der Messe Essen die weltweit erste Fachmesse für das Verkehrsmittel der urbanen Seilbahn statt. Rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus vierzehn Nationen nutzten die Chance, um einen Blick auf die Zukunft der urbanen Mobilität zu werfen. Der Behörden Spiegel war Medienpartner dieses wichtigen Events.

Die Cable Car World 2022 feierte eine gelungene Premiere auf der Messe Essen. 30 internationale Aussteller, wie der luxemburgische Stahlhersteller ArcelorMittal, informierten die Teilnehmer zum Thema urbane Seilbahnen. Foto: BS/Fabian Holzer

So warf Prof. Dr. Harry Wagner von der TH Ingolstadt in seinem Keynote-Vortrag die Frage auf, wie sich unsere Gesellschaft in Zukunft fortbewegen werde. “Heutige Generationen haben komplett andere Anforderungen an öffentliche Mobilität als Menschen vor noch zehn Jahren. Wir bewegen uns heute anders fort als unsere Eltern und Großeltern”, so Wagner. Seiner Meinung nach muss es in nächster Zukunft eine Mobilitätswende geben. Diese Wende müsse vor allem erreichen, dass weniger Emissionen ausgestoßen würden, dass der ÖPNV gestärkt und intelligenter gemacht werde

und dass ein besonderer Aspekt auf Sicherheit gelegt werde. All diese Aspekte erfült laut Wagner die urbane Seilbahn. Sie sei ein integratives Mobilitätskonzept, welches Ressourcen spare, Straßen entlaste, Verkehrsnetze verlängere und Transportlücken schließe. Abschließend fasste der Ingolstädter zusammen, dass die Seilbahn kein Ersatz für den bestehenden Nahverkehr, sondern nur eine Erweiterung sei. Dieser Einschätzung folgten auch die meisten der anderen Referenten. So berichtete Sebastian Beck, Associate Partner bei Drees & Sommer, dass man bei der Erarbeitung eines Leit-

Elektromobilität macht Schule

fadens für urbane Seilbahnen, welchen das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in Auftrag gegeben habe, zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sei. “Verkehr stößt in den Städten mittlerweile an seine Grenzen. Seilschwebebahnen bieten daher eine echte Alternative”, so Beck. Die größten Vorteile einer Seilschwebebahn seien zum einen, dass sie den Luftraum nutze und dadurch unabhängig vom restlichen Verkehr sei, weil sie beispielsweise nicht im Stau stehen könne; zum anderen könne sie recht emissionsarm betrieben werden. Ziel des Leitfadens, dessen Zwischenergebnisse exklusiv auf der CCW vorgestellt wurden, ist es, die möglichen Anwendungsfelder für Seilbahnen und den Status quo des ÖPNV in Deutschland zu analysieren, um dem BMDV anhand von Beispielprojekten Handlungsempfehlungen zu unterbreiten.

Talfahrt vorprogrammiert? Auch wenn sich die Veranstalter und die meisten Referenten einig waren, dass die urbane Seilbahn zukünftig eine große Rolle im ÖPNV spielen wird, mahnte Beck, dass die Analysen des Leitfadens auch mehrere Herausforderungen für zukünf-

tige Projekte aufgezeigt hätten. “Seilbahnen müssen nicht immer das richtige Verkehrsmittel sein. Sie sind es nur, wenn sie die existierenden Angebote des ÖPNV ergänzen.” Außerdem, ergänzte er, gebe es noch einige gesellschaftliche, bauliche und rechtliche Fragen, die geklärt werden müssten, bevor eine Seilbahn in einer Kommune installiert werden könne. Zum Beispiel müsste die Akzeptanz eines Seilbahnprojekts in der Bevölkerung gesteigert werden, da die Strecken potenziell auch über privatem Gelände verlaufen könnten. Dass die Einführung eines Seilbahnnetzes nicht immer einfach ist, berichtete auch Jörg Schröttner, Chef der obersten Seilbahnbehörde Österreichs. Seiner Meinung nach sind vor allem die langwierigen Genehmigungsverfahren und die zu Teilen unsichere Rechtslage die größten Hindernisse für eine breite Einführung von urbanen Seilbahnen in den ÖPNV. Aber auch Schröttner ist sich sicher, dass es von großer Bedeutung ist, die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern: “In der europäischen Zivilbevölkerung mangelt es noch an Zustimmung für Seilbahnprojekte. Es ist daher unsere Aufgabe, die Attrakti-

vität dieses Beförderungsmittels weiter in den Fokus zu stellen.”

Bonn als Pilotprojekt Wie ein Seilbahnprojekt konkret umgesetzt werden könnte, zeigte Helmut Wieser, Dezernent im Stadtbaurat der Bundesstadt Bonn. In der ehemaligen Bundeshauptstadt soll vom Venusberg, wo sich das Universitätsklinikum der Stadt befindet, bis auf die andere Rheinseite nach Ramersdorf eine Seilbahn entstehen. Laut Wieser eigne sich Bonn aufgrund der Geografie sehr gut für eine Seilbahnstrecke. Insgesamt soll eine Strecke von 4.300 Metern entstehen. “Wir erhoffen uns, dass wir mit 95 Kabinen und fünf Stationen ungefähr 15.000 Gäste pro Tag befördern werden”, so der Baudezernent. Die Seilbahn soll sich an existierenden Straßenläufen orientieren und es möglichst vermeiden, über Privatgelände zu schweben. Die Stadt rechnet mit ungefähr 1,5 Jahren Bauzeit und Baukosten in Höhe von 66 Millionen Euro. Mit 2,1 Millionen Euro an langfristigen Folgekosten sei das Projekt volkswirtschaftlich rentabel und somit förderwürdig, so Wieser weiter. Der Verkehrsausschuss des Landtages habe das Projekt schon in den Bedarfsplan und den darauf aufbauenden ÖPNVInfrastrukturfinanzierungsplan aufgenommen. Dies bedeutet, dass das Projekt Förderung vom Land erhalten wird. Wann genau mit dem Bau oder der Fertigstellung der Bonner Seilbahn zu rechnen ist, ist noch nicht bekannt.

wirtschaftlich, flexibel und seriell

Neue Räume für zukunftsfähige Kfz-Ausbildung (BS/mj) “Dank des Neubaus kann unsere Ausbildung mit dem dynamischen Industriezweig der Elektromobilität mithalten”, erklärte Ronald Rahmig, Schulleiter des Berliner Oberstufenzentrums (OZS) Kfz-Technik, anlässlich der Einweihung des Erweiterungsbaus für Elektromobilität. Und Dr. Michael Knieß, Referatsleiter der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe ergänzte: “Berlin braucht hervorragende Fachkräfte und für ihre Ausbildung brauchen wir hervorragende Rahmenbedingungen.” Das dreistöckige Gebäude hat eine Nutzfläche von 1.250 Quadratmetern und beherbergt im Untergeschoss vier Seminarräume mit großen Fenstern und direktem Zugang zu den vier Werkstatt-Laboren. So bleibt laut Rahmig auch im Theorieunterricht die Nähe zum Lernobjekt bestehen. Ergänzt wird die technisch-automotive Ausstattung der Werkstatt-Labore durch eine kleine Photovoltaik-Anlage und ein Windrad als Lehrmittel auf dem Dach des Gebäudes, die den Schülerinnen und Schülern erneuerbare Energiegewinnung veranschaulichen. Um den Vorplatz des Neubaus nicht mit Schulungsfahrzeugen zu verstellen und stattdessen als Erholungsbereich nutzbar zu machen, werden die E-, Hybrid- und Wasserstoff-Pkws im Untergeschoss geparkt und mit einem Fahrstuhl in die Werkstatt gebracht. Das erste Obergeschoss bietet Platz für Sanitärräume, Umkleiden und Räume für Lehrerinnen und Lehrer. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein großer Mehrzweckraum – etwas, dass das Oberstufenzentrum bisher nicht besaß. “Neue, vielfältig nutzbare Räume und moderne Technik machen es möglich und bieten gute Lernund Lehrbedingungen für den weiteren Einzug der Elektromobilität in die Kfz-Ausbildung”, fasste Ülker Radziwill, Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, den Mehrwert des Gebäudes zusammen. Und Rahmig ergänzte, es werde dem sich verändernden Berufsbild der Mechatronik gerecht, in dem es immer mehr um Bits und Bytes statt Öl und Benzin gehe. Ein Highlight des neuen Gebäudes ist die Fibonacci-Skulptur, die im Eingang zum Treppenhaus des

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Blick aus dem ersten Obergeschoss auf die Werkstatt-Labore und angrenzenden Seminarräume (links).

deteringdesign.de

Behörden Spiegel / Juli 2022

Wohngebäude mit

System

building excellence

goldbeck.de

Der Wert urbaner Gärten und Parks Park am Gleisdreieck “erwirtschaftet” rund 4,2 Millionen Euro pro Jahr (BS/mj) Was leisten Grünflächen und lässt sich deren Wert greifbarer machen? Diese Frage stellte sich das Projekt “GartenLeistungen” des gemeinnützigen Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH und kam zu dem Ergebnis: “Parks übernehmen in Städten vielseitige Aufgaben, deren Wert sich umweltökonomisch berechnen lässt." Der Berliner Park am Gleisdreieck mit dem angrenzenden Dora-Duncker-Park kommt V.l.n.r.: Ülker Radziwill, Oliver Schruoffeneger, Astrid-Sabine Busse und Ronald so auf einen umweltökonomischen Wert von rund 4,2 Millionen Euro pro Jahr. Rahmig bei der feierlichen Eröffnung des Gebäudes.

Schulgebäudes hängt. Sie wurde im 3D-Druckverfahren hergestellt und stellt die Verbindung von Natur und Technik dar.

Investition in Schule und Bezirk Finanziert wurde der rund zehn Millionen Euro teure Neubau zu 90 Prozent von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Die weiteren Baukosten übernahm der Bund. Laut Astrid-Sabine Busse, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, ist so – im Rahmen der Schulbauoffensive – eine Investition für viele Generationen getätigt worden. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler des Oberstufenzentrums

Fotos: BS, Jacobson

profitierten langfristig von dem Neubau und dessen Ausstattung, auch für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf habe das in gerade mal 2,5 Jahren fertiggestellte Gebäude Strahlkraft, so Oliver Schruoffeneger, Stadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen in CharlottenburgWilmersdorf. Durch verschiedene Kooperationen mit Bildungseinrichtungen im Bezirk generiere die Schule bereits einen hohen Mehrwert für alle Beteiligten – nun auch im Bereich der Elektromobilität. Er freute sich, dass mit dem Erweiterungsbau auch auf der Straße sichtbar werde, was das OZS für die Zukunft der Entwicklung der City West leiste.

Die 2.300.000 Liter Starkregen, die der Park pro Jahr aufnimmt, dienen der Entlastung der Kanalisation und dem Hochwasserschutz – im Wert von rund 90.000 Euro pro Jahr. Bei der Vermeidung von Klimawandelfolgekosten “erwirtschaftet” die Fläche durch die Reduktion von 140.000 kg Treibhausgasen rund 26.000 Euro pro Jahr. Und 20.000 Euro pro Jahr entspricht die Vermeidung von Gesundheitsfolgen, indem etwa 2.000 kg Schadstoffe aus der Luft gefiltert werden. Hinzu kommt der Wert als Erholungsraum und sozialer Treffpunkt. Eine repräsentative Befragung der Anwohnenden mit der Methodik des Choice-Experiments ergab

Die rund 37,5 ha Parkfläche zeichnen sich laut Befragung durch Umweltbildung, verstärkt gepflegte Bereiche einerseits und naturnahe Bereiche andererseits, Toiletten sowie Sport- und Spielmöglichkeiten aus. Foto: BS/Michael Kauer, pixabay.com

eine Wertschätzung von rund 4.200.000 Euro für den Park am Gleisdreieck und den unmittelbar angrenzende Dora-Duncker-Park in Friedrichshain-Kreuzberg und

Tempelhof-Schöneberg. Mehr Informationen zu den Methoden und Ergebnissen des Projektes “GartenLeistungen” gibt es hier: www.gartenleistungen.de .


Kommunale Sicherheit

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Integrativer Ansatz

“J

eder fünfte Todesfall in der EU ist die Folge eines Verkehrsunfalls”, berichtete Gerhard Schaub, Development Manager der Ekin Swiss AG und Präsident des Züricher Polizeibeamtenverbands (PBV KomPol Zürich). Die Unfallursachen seien dichtes Auffahren, Ablenkung und vor allem überhöhte Geschwindigkeit. Schaub: “Eine Senkung der Durchschnittsgeschwindigkeit um einen Stundenkilometer auf allen Straßen in der EU würde etwa 2.100 Menschenleben pro Jahr retten.” Er berichtete, wie durch das Aufstellen eines Blitzers in einer Tempo 50-Zone die dortige Höchstgeschwindigkeit innerhalb eines Monats von 84 auf 65 Stundenkilometer gesenkt werden konnte.

Behörden Spiegel / Juli 2022

Sicherheit auf Europas Straßen (BS/mj) Wie werden kommunale Straßen sicherer? Geschwindigkeits- und Gewichtsübertretungen, Verstöße bei der Anschnallpflicht oder unerlaubte Handynutzung am Steuer – viele Delikte müssen von der Verkehrsüberwachung abgedeckt werden. Wie technische Hilfsmittel sich in die Polizeiarbeit integrieren lassen, darüber sprachen Vertreter von Polizei und Wirtschaft auf dem Europäischen Polizeikongress. die es in Niedersachsen gebe. Andere Bundesländer hätten diese Norm nicht und sträubten sich gegen den Einsatz der Anlage, weil sie ihnen zu massiv, sperrig und kostenintensiv sei. Eine weniger massive und kostenintensive Überwachung sei hingegen bei der Achslastüberwachung möglich, meinte der Gewerkschaftsvertreter und erläuterte: “Überladene Lkws stellen eine Gefährdung für die weiteren Verkehrsteilnehmer dar und die Abnutzung der Fahrbahn erfolgt schneller.” Mit Sensoren im Boden ließe sich die Achslast messen und ein Verstoß manuell, semi-automatisch oder automatisch an die Bußgeldstelle schicken. Allerdings bedürfe eine automatisch funktionierende Anlage einer Eichung und Bohrmusterprüfung und sei zudem in Deutschland momentan noch nicht zulässig. Auch bei der Bekämpfung des immer größer werdenden Pro-

Zufahrtssperren und Ausnahmen Technologie für die Sicherheit im Straßenverkehr einzusetzen, ist auch der Ansatz von Hexagon. Deren Business Development Manager, Mathias Fahning, erläuterte, wie sich mit dem LiDAR-System (Light Detection and Ranging) beispielsweise intelligenter Zufahrtsschutz bewerkstelligen lässt. Das System erkenne Masse, Geschwindigkeit und Richtung von Fahrzeugen und könne durch eine Kopplung mit ausfahrbaren Pollern beispielsweise bestimmte Straßenabschnitte für Lastwagen sperren. Und durch die Möglichkeit, Ausnahmen einzustellen, könne für Krankenwagen oder Fahrzeuge des Katastrophenschutzes dennoch der Zugang gewährleistet werden. “Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und den von LiDAR erfassten Außenmaßen lässt sich das Volumen eines Kraftfahrzeuges errechnen und beispielsweise bei Brücken, die nicht für Lkws von fünf oder mehr Tonnen freigegeben sind, eine Straßensperre triggern.”

Um die Sicherheit auf Europas Straßen zu erhöhen, muss die Polizei an vielen verschiedenen Stellen ansetzen, um Vergehen zu ahnden. Foto: BS/Alexas_Fotos, pixabay.com

KI in der Verkehrs­ überwachung Das LiDAR-System werde beispielsweise in Rüsselsheim schon eingesetzt, berichtete Marco Schäler von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Er plädierte dafür, neben Straßensperren noch weitere Aspekte der Verkehrssicherheit an KI zu koppeln, beispielsweise Geschwindigkeitsüberwachung und Abschnittskontrollen, Handy- und Gurtüberwachung sowie Weight in Motion (Achslastüberwachung während der Fahrt). Die Verbindung von KI und Geschwindigkeitsüberwachung werde bereits in Niedersachsen mit einer Anlage zur Section Control umgesetzt, erklärte Schäler. “Dort

Weg von der Billigvergabe BDSW stellt Forderungen an die Politik (BS/mfe) Die Verantwortlichen des Bundesverbandes der Sicherheits­ wirtschaft (BDSW) sehen die öffentliche Hand in der Pflicht, bei Verga­ ben neue Wege zu gehen. Bislang würden Dienstleistungen noch viel zu häufig an den billigsten Anbieter vergeben. Qualitätskriterien müssten eine deutlich stärkere Rolle spielen. Der deutsche Gesetzgeber sei mit den Vergaberechtsneuregelungen zur Zuschlagserteilung hinter den EU-Richtlinienvorgaben zurückgeblieben. Die Berücksichtigung von Qualitätskriterien sei nur als Kann-Vorschrift aufgenommen worden. Dadurch sei die Billigvergabe ausschließlich nach dem Preis erneut legitimiert worden, kritisiert der BDSW. Aus Sicht des Verbandes müsse die Beurteilung des wirtschaftlichsten Angebotes künftig auf der Grundlage einer dem Vertragsgegenstand entsprechenden angemessenen Gewichtung zwischen Preis und Leistung erfolgen.

Zudem brauche es dringend eine Konkretisierung des fakultativen Ausschlussgrundes, dass sich Verstöße gegen arbeitsrechtliche Verpflichtungen auch und gerade auf Verstöße gegen das Tarifrecht bezögen, sowie die Anwendung eines auf Qualitätskriterien gestützten Vergabeverfahrens. Darüber hinaus sei eine Änderung der Kann-Vorschrift zur Ablehnung des Zuschlags von ungewöhnlich niedrigen Angeboten in eine Muss-Vorschrift notwendig. Qualitätskriterien müssten zwingend in die öffentliche Auftragsvergabe von Sicherheitsdienstleistungen aufgenommen werden.

wird Geschwindigkeit nicht an einem Punkt gemessen, sondern die Durchschnittsgeschwindig-

keit über eine längere Strecke.” Dafür brauche es allerdings eine bestimmte Norm im Polizeirecht,

Bodycams für Bonner Stadtordnungsdienst (BS/mfe) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes Bonn können bei ihren Einsätzen künftig Körperkameras tragen. Dies erfolgt auf freiwilliger Basis. Zur Verfügung stehen zunächst 40 Geräte. Vor rund einem Jahr hatte der Rat der Bundesstadt die entsprechenden Finanzmittel freigegeben. In Nordrhein-Westfalen nutzt noch kein anderer Ordnungsdienst derartige Geräte. Bei der Polizei hingegen sind sie bereits weit verbreitet. Genutzt

werden dürfen die Kameras von den Kräften des Stadtordnungsdienstes, wenn Gefahren für Leib und Leben bestehen. Bei Einsätzen in geschlossenen Räumen dürfen die Bodycams nur unter sehr engen Voraussetzungen eingesetzt werden, bei öffentlichen Versammlungen überhaupt nicht. Die Nutzung der Geräte soll in der Regel angekündigt werden. Wann genau sie eingeschaltet werden, steht im Ermessen der tragenden Dienstkräfte des Stadtordnungsdienstes.

Sinnvolle Ergänzung Abschließend waren sich alle einig, dass eine automatisierte Verkehrsüberwachung eine sinnvolle Ergänzung zur herkömmlichen Verkehrskontrolle sei. Sie erhöhe die Kontrolldichte und entlaste die Polizei gleichzeitig personell, resümierte Schäler. Und mit vielen Kontrollen ließen sich Geschwindigkeitsübertretungen nachhaltig reduzieren, ergänzte Schaub. Dennoch erklärten beide Polizisten, dass ein integrativer Ansatz am sinnvollsten sei und man sich nicht allein auf automatische Verkehrsüberwachung verlassen wolle. So könne man auch mehrere Vergehen auf einmal angehen, meinte Schäler, beispielsweise wenn ein Verstoß gegen die Anschnallpflicht erkannt und so eine Überprüfung von Fahrzeugschein und eventuellem Drogenmissbrauch ausgelöst werde.

Lokal handlungsfähig bleiben Projekt für ein Krisenmanagementsystem gestartet (BS/bk) Vor dem Hintergrund der Flutkatastrophe 2021 hat das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) ein Projekt zur Entwicklung eines Krisenmanagementsystems auf den Weg gebracht. Im Projekt “Lokales initiales Krisenmanagement” (lokik) soll eine Plattform entwickelt werden, mit deren Hilfe in der Akutphase einer Katastrophe zügig ein unabhängiges Kommunikationsnetz und ein lokales Lagebild aufgebaut werden können. Konkret wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des FKIE eine Lösung aus Hard- und Software entwickeln, mit der in der unmittelbaren Krise ein lokales Kommunikationsnetz aufgebaut werden kann. Es ist geplant, mit günstiger IT-Hardware dieses Netz “aufzuspannen”, auf das WLAN-fähige Geräte Zugriff haben sollen. Diese Plattform könne dann autark und unabhängig vom Stromnetz betrieben werden, sei robust und leicht zu bedienen, so das FKIE. Mittels einer zu entwickelnden SoftwareLösung sollen dann unterschiedliche Ansichten für den Krisenstab, die Einwohnerinnen und Einwohner sowie Helferinnen und

Helfer vor Ort und ein Tool bereitgestellt werden, um interaktiv Schadensmeldungen zu erfassen und Aufträge zu koordinieren. Die Komponenten, die zum Spannen dieses Kommunikationsnetzes nötig sind, sollen an einem sicheren Ort der jeweiligen Kommune gelagert werden. Das FKIE wird bei dem Projekt von der Gemeinde Mayschoß, der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Remagen und dem Ortsbezirk Birresdorf aus der Gemeinde Grafschaft unterstützt. Die Initiative für das Projekt ging von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts aus, die selbst von der Katastrophe betroffen waren. Diese und weitere Betroffene brin-

gen sich bei der Entwicklung mit ein. “Das Chaos gerade in den ersten Stunden und Tagen gab für uns den Ausschlag, hier etwas zu unternehmen. Hinzu kam, dass unser Institut seit vielen Jahren Lösungen für hochkomplexe, dynamische und risikoreiche Entscheidungsprozesse auf dem Gebiet der Sicherheit und Verteidigung oder auch bei kritischen zivilen Infrastrukturen anbietet. Wir sind also fit bei der Entwicklung und dem Betrieb von Systemen, die bei Großschadenslagen zum Einsatz kommen”, erklärte dazu Dr. Michael Wunder, Leiter der Forschungsabteilung Informationstechnik für Führungssysteme (ITF) am FKIE.

Das Projekt soll bis September 2023 fertiggestellt werden. “Das Ergebnis wird weder eine Rundum-Sorglos-Lösung sein noch ein umfassendes Führungssystem speziell für Hochwasserkatastrophen”, sagt Projekt- und FKIEForschungsgruppenleiter Arne Schwarze. Es entstehe vielmehr eine für unterschiedliche Katastrophenszenarien, vom Schneesturm bis zum Vulkanausbruch, einsetzbare Lösung, die für die Betroffenen und die lokalen Kräfte handhabbar sei. “Es wird im Ernstfall weiter improvisiert, weil sich nie alle Szenarien im Detail vordenken lassen, aber mit deutlich besseren Voraussetzungen”, so Schwarze.

7. Bundeskongress zum

Glücksspielwesen

DATE E H T E V SA

20. / 21. September 2022 MELDUNG

blems des Handys am Steuer werde KI immer wichtiger, fuhr er fort. Als Fahrer während der Fahrt ein Mobiltelefon zu halten, sei in Deutschland nicht verboten, lediglich dessen Benutzung – und das sei oft nicht nachweisbar, vor allem wenn von Überwachungskameras nur ein einzelnes Bild aufgenommen werde.

      

Eckpfeiler einer an Qualität orientierten Glücksspielregulierung

Spielerschutzaspekte, Prävention und Grenzen der Regulierung Konfliktfeld Glücksspielwerbung

Gaming, Lootboxen und neue Angebote im Netz

Online-Glücksspiel – Wie könnte eine geeignete Besteuerung aussehen? Abwehr der Illegalität – Kampf gegen den 3. Markt

Evaluation Staatsvertrag und Spielverordnung: Erwartungen an eine zukünftige Regulierung

Weitere Information und Anmeldung unter www.gluecksspielwesen.de Eine Veranstaltung des

Medienpartner

Beiträge zum Glücksspielwesen


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juli 2022

KNAPP

Zum falschen Zeitpunkt

Fortsetzung des OZG-Boosters

Die Überlegungen des Bundes zur Cyber-Abwehr

(BS/lma) Wie geht es mit der

(BS/Uwe Proll) Der Krieg in der Ukraine ändert alles. Dies gilt auch für Vorhaben, welche sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich vorgenommen hatte. Dazu zählt Finanzierung der Umsetzung des unter anderem auch die Einrichtung eines zentral für alle Bundesressorts zur Verfügung stehenden Digitalbudgets. Stattdessen wurde viel Geld verteilt und zudem wurden auch noch Onlinezugangsgesetzes (OZG) neue Institute und Zentren auf den Weg gebracht, welche die Unübersichtlichkeit und Zahl der Akteure in Sachen Digitalisierung allein auf Bundesebene noch erhöhen werden. nach 2022 weiter? Diese Frage So erhält das sogenannte Sondervermögen Digitale Infrastruktur 2,6 Milliarden Euro, hier geht es um Gigabit- und Mobilfunknetze. Zwei Milliarden Euro gibt es für die Verwaltungsdigitalisierung, vor allem zur Realisierung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Dazu kommen 120 Millionen für ein europäisches Identitätsmanagement und weitere 103 Millionen für die 5G-Strategie. Geld gibt es auch für ein Dateninstitut, ein Zentrum für digitale Souveränität und einen Sovereign Tech Fund. Das alles trägt zur Komplexität bei. So wird das eigene Öko-System, bestehend aus Regierung, Behörden und auch Parteiinteressen und jeweiligen Vorlieben, gestärkt und erweitert. Ob dieses Vorgehen jedoch die Digitalisierung effektiver voranbringen wird, sei nicht nur dahingestellt, sondern muss ernsthaft bezweifelt werden. Der Krieg in Europa ist aber auch ein digitales Thema. Er wird auch in der digitalen Dimension geführt, Stichwort Cyber-Attacken. Diese haben auch Deutschland erreicht. So führte der russische Angriff auf einen Satelliten, den das ukrainische Militär nutzte, zu Kollateralschäden erheblichen Ausmaßes. Tausende Windräder standen und stehen noch still. Auf eine zweite Gefahr des Cyber-Kriegs weist Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) sowie BundesCIO, hin. In einer vernetzen Welt, in der sich sowohl Deutschland als auch die Ukraine befänden, besteht laut Richter bei intensiven Cyber-Attacken die Gefahr eines “Durchfressens”: Sei der Cyber-Virus erst mal im Netz – also in der Ukraine – finde er auch Wege zu uns. Der Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, Wolfgang Wien, sagt: “Russland ist in unseren Netzen.”

Der Fall der stillstehenden Windräder zeigt, dass auch Deutschland vom Cyber-Krieg betroffen ist.

Also: Wo bleibt bei allen Digitalisierungsdebatten die CyberAbwehr, die doch auf der Tagesordnung ganz oben stehen müsste, wenn ein Krieg vor unserer Haustür tobt, der eben auch auf dem Cyber-Feld ausgetragen wird? Und vor allem: Wo bleibt das dafür notwendige Geld? Die Grünen und Teile der SPDFraktion wollten Thema und Geld im neuen Sondervermögen der Bundeswehr unterbringen, immerhin 100 Milliarden neue Schulden. Diese Vorhaben scheiterten. Doch auch bei der Verteilung der Finanzmittel zur Digitalisierung sieht der Haushaltsentwurf – wie eben beschrieben – keine signifikante Summe dafür vor. Nun also der Vorstoß der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihrer Amtsleiter sowie ihres CIOs: Es müssten weitere Milliarden her für die CyberAbwehr. Dazu wird ein neues Cyber-Kompetenzzentrum gefordert,

obwohl es bereits das “Nationale Cyber-Abwehrzentrum” gibt. Hilft es also vielleicht, noch mehr Einrichtungen zu schaffen? Dahinter steckt der Versuch, die Cyber-Abwehr durch zusätzliche Bundesmittel auf Bundesebene zu zentralisieren. Folgerichtig schlägt die Innenministerin eine Grundgesetzänderung vor. Der Bund, also das Innenministerium, soll die zentrale Zuständigkeit für die deutsche Cyber-Abwehr erhalten. Zunächst erscheint der Gedanke, dass es ein Akteur statt 16 machen soll, logisch. Doch da wird eine Rechnung ohne die Wirte gemacht, denn längst sind zahlreiche Bundesländer selbst mit eigenen Cyber-Kompetenzzentren aktiv und werden das Feld dem Bund nicht überlassen wollen. Faesers Idee erinnert an den fatalen Versuch eines ihrer Vorgänger, dem SPD-Mann Otto Schily. Jener versuchte, den Katastro-

Foto: BS/Pexels, pixabay.com

phenschutz unter Umfirmierung in Bevölkerungsschutz mit der Schaffung eines neuen Amtes komplett an den Bund zu ziehen. Wenig erfolgreich: Das geschaffene Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit Sitz in Bonn blieb bis heute ohne wirkliche operative Zuständigkeit und – bitter genug – ohne Einbindung in die Flutkatastrophe direkt vor der Tür des Amtes. Jetzt tobt der Cyber-Krieg vor der Tür und die Bundesregierung macht ein neues Fass auf zur Zentralisierung einer Zuständigkeit, nämlich der Cyber-Abwehr. Die dazu notwendige Grundgesetzänderung wird alsbald nicht gelingen, denn dafür braucht die Regierung die Hilfe der Opposition, also der CDU/CSU-Fraktion. Die pocht aber gerade auf das ausgebliebene Digitalbudget und fordert wie schon vor der Wahl ein Digitalisierungsministerium. Der Plan, über Finanzmittel zu

versuchen, Zuständigkeiten auf der Bundesebene zu zentralisieren, ist also mehr als kühn. Der Bund selbst hat allerdings unerledigte Bereinigungen in seiner Ressortverteilung. Allein für die Digitalisierung sind sechs Ressorts direkt zuständig, aber auch bei der Frage der CyberAbwehr sind es immer noch mehr als genug: Das BMI und das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) ursächlich, dann aber auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Wirtschaft und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) für die digitale Infrastruktur. Dazu kommt, dass 16 Länder mit Landeskriminalämtern und Verfassungsschutzbehörden im Thema Cyber-Abwehr aktiv sind. Also müsste, statt nun weitere Behörden und bundesgesteuerte Organisationen zu schaffen, der im Ampelvertrag postulierte föderale Dialog (eigentlich ein anderes Wort für Föderalismusreform) aufgegriffen werden. Doch die Zeichen bei diesem Ampelvorhaben stehen momentan eher auf Rot. Zudem schließt der Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung in der Frage der Cyber-Abwehr explizit einen Gegenangriff, einen sogenannten Hackback, aus. Also wird seitens des Innenministeriums etwas fabulös von Umleitung stattfindender Angriffe gesprochen. Es soll also die Quelle, von der ein Angriff auf Kritische Infrastrukturen, Regierungsbehörden oder deutsche Firmen ausgeht, nicht ausgeschaltet werden, um Kollateralschäden zu vermeiden, sondern adressiert werden, um den Angriff ab- oder umzuleiten. Vermutlich handelt es sich hierbei um den Anfang einer strategischen Überlegung, die im Moment aber nicht weiterhilft.

treibt Digitalisierungsverantwortliche vor allem aus Ländern und Kommunen schon länger um. Nun ist Bewegung in die Diskussion gekommen. In seiner 38. Sitzung beschloss der IT-Planungsrat nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Digitales die Fortsetzung des OZG-Boosters im Jahr 2023 – also die priorisierte Umsetzung bestimmter, im Rahmen der Antragsdigitalisierung für besonders wichtig erachteter Leistungen. Die Finanzierung wird das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) übernehmen. Ein Sprecher des BMI erklärte hierzu gegenüber dem Behörden Spiegel: “Der Bund wird sein Engagement im Digitalisierungsprogramm föderal über das Jahr 2022 hinaus bis zum Ende des Jahres 2023 fortsetzen, soweit der Bundeshaushaltsplan 2023 dafür Haushaltsmittel vorsieht.”

Roaming weiter ohne Zusatzkosten

(BS/tr) Wie bisher können Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin im EU-Ausland ohne zusätzliche Gebühren telefonieren, SMS verschicken und das Internet nutzen. Die am 1. Juli in Kraft getretende Verordnung regelt die Roaming-Gebühren in Europa bis 2032. Laut Verordnung werden die Verbraucherinnen und Verbraucher darüber hinaus auf Reisen im EU-Ausland Zugang zu Roamingdiensten in der gleichen Qualität haben, wie sie es von zu Hause gewohnt sind, sofern dies technisch möglich ist. Weiterhin werden Maßnahmen zur Verbesserung der Information über Notrufmöglichkeiten sowie für mehr Transparenz bei der Nutzung von Mehrwertdiensten im EU-Ausland eingeführt.

GEMEINSAM HESSENS ZUKUNFT DIGITALISIEREN. Ohne Digitalisierung geht nichts mehr. Wir sind das starke Team, das die digitale Zukunft Hessens engagiert mitgestaltet. Unsere Forschungsstelle Künstliche Intelligenz (FSKI), die die Steuerfahndung mit modernster Technologie unterstützt und die Verwaltung fit für die digitale Zukunft macht, ist Teil dieses Teams.

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Behörden Spiegel / Juli 2022

HEssenDIGITAL D

er Revolution versucht die Strategie Digitale Verwaltung Hessen 4.0 (DVH 4.0) einen Rahmen zu geben. Auf das Papier, welches vor einem Jahr veröffentlicht wurde, ist man zwischen Wiesbaden, Fulda und Kassel besonders stolz. Patrick Burghard, Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung sowie CIO des Landes, betont, dass man schon in der Entwicklung der Strategie einen radikalen Perspektivwechsel vorgenommen habe: “Wir sind sehr nutzerzentriert an das Thema herangegangen.“ Im Mittelpunkt habe die Frage gestanden, wie man den Bürger und die Unternehmen in die Position bringen könne, deutlich positiver mit der Verwaltung in Kontakt zu treten. Darüber hinaus habe man sich auch nicht gescheut, einige Visionen zu formulieren, die kurz- und mittelfristig noch nicht umsetzbar seien. Daneben kommt der CDU-Politiker auch auf das Thema der Mitarbeitenden zu sprechen. Die DVH 4.0 solle ein “Wir-Gefühl” bei den Mitarbeitenden auslösen, denn: Bei der Digitalisierung müssten diese auf allen Ebenen der Verwaltung mitmachen. Selbiges hebt auch Holger Klötzner, der Dezernent für Digitalisierung und Schule der Wissenschaftsstadt Darmstadt hervor. Die Stadt sieht sich als Vorreiter im Bereich Smart City. Vorhaben in diesem Bereich hingen jedoch zumindest teilweise von der Digitalisierung der Verwaltung ab, erklärt Klötzner. Dies sei jedoch nicht einfach: “Es ist auch ein Kulturwandel”, sagt er und nennt als Beispiel das noch oft

Kulturwandel dringend benötigt Hilft der Generationenwechsel? (BS/Matthias Lorenz) Das Wort Revolution bezeichnet eine schnelle, radikale Veränderung der gegebenen (politischen, sozialen, ökonomischen) Bedingungen. So lautet die Definition des Wortes im Politiklexikon von Klaus Schubert und Martina Klein. Außer Acht gelassen wird in dieser Definition die kulturelle Revolution. Auch auf dem Kongress HEssenDIGITAL nahm kein Experte das Wort “Revolution” in den Mund. Trotzdem kristallisierte sich folgende Kernbotschaft heraus: Damit die Digitalisierung des Staates und der öffentlichen Hand gelingt, braucht es in der Verwaltung nun eine kulturelle Revolution. Diese muss im Kopf der Mitarbeitenden stattfinden – aber längst nicht nur. vorgeschriebene Schriftformerfordernis. Die Mitarbeitenden auf diesem Weg mitzunehmen, sei ein Prozess: “Wir sind an dieser Stelle auch in Darmstadt noch nicht bei 100 Prozent, aber wir müssen uns dem Ziel langsam annähern. Man darf nicht von vorneherein sagen, man hat in seiner Verwaltung nicht das richtige Mindset dafür”, warnt Klötzner. Die Mitarbeitenden müssen jedoch auch in die Position gebracht werden, ihren Teil zur Verwaltungsdigitalisierung beitragen zu können. Hier kommt ein nächster Aspekt der nötigen Revolution ins Spiel, den die Präsidentin der Föderalen IT-Kooperation (FITKO), Dr. Annette Schmidt, folgendermaßen formuliert: “Wir brauchen eine andere Kultur im Umgang miteinander. Wir müssen es zulassen, dass Fehler gemacht werden.“ In der FITKO selbst sei es sehr gut gelungen, eine wertebasierte und offene Kultur zu ermöglichen. Die Organisation steht jedoch viel im Austausch mit anderen Behörden. “Dort treffen wir oft auf ein immenses Beharrungsvermögen an bisherigen Vorstellungen, Vorgehensweisen und Strukturen”, berichtet Schmidt. Hier sei noch eine Menge zu tun. Es gelte unter

“Um Innovationen zu treiben, braucht man eine Fehlerkultur”, erklärt Prof. Dr. Beate Eibelshäuser. Foto: BS/Patrick Schmetzer

anderem, die neuen Werte schon früh vorzuleben, zum Beispiel in der Ausbildung und in den Hochschulen. Genau an dieser Stelle setzt die Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit an. “Wir fangen schon bei den Studierenden an, dass digitale Mindset zu verankern”, erläutert Prof. Dr. Beate Eibelshäuser, die kommissarische Dekanin des Fachbereichs Verwaltung. Auch sie sieht es als Problem, dass man in Deutschland immer alles perfekt machen

wolle. Deswegen sei es wichtig, dass auch an Hochschulen Experimentierräume geschaffen würden, wo sich die Studierenden ausprobieren könnten. “Um Innovationen zu treiben, braucht man eine Fehlerkultur, damit man beispielsweise herausfinden kann, welche Verfahrensweisen funktionieren und welche nicht”, so Eibelshäuser. Selbst im hessischen Rechnungshof ist man der Ansicht, dass eine Fehlerkultur erlaubt sein müsse. Das Klischee über den Rechnungshof stimme nicht

mehr: “Wir sehen, dass sich die Zeiten verändert haben, sowohl bei uns intern als auch bei den Behörden”, sagt Dr. Walter Wallmann, der Rechnungshof-Präsident. Natürlich müsse weiterhin auf Effizienz und Effektivität geachtet werden. Aber man brauche Menschen, die den Mut hätten, Verantwortung zu übernehmen. “Es darf nicht so weit kommen, dass man aus Angst gewisse Sachen nicht mehr vorantreibt.“ Zudem merkt Wallmann an, dass jährliche Haushalte alles andere als agil seien. Beim Stichwort Fehlerkultur müsse auch die Frage gestellt werden: “Wo ist unser Wagniskapital?“ Die kulturelle Revolution muss sich jedoch nicht nur im Kopf der Mitarbeitenden vollziehen. Es geht auch um Organisationen an sich, die sich ändern müssen. Dem Co-CIO des Landes Hessen, Roland Jabkowski, fällt an dieser Stelle sofort das Einer-für-AllePrinzip (EfA-Prinzip) ein, welches im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) von den Bundesländern angewandt werden soll. “Überall herrscht noch die Kultur eines Mia san mia”, kritisiert Jabkowski. Dies führe in der Praxis dazu, dass zwar alle die Vorteile von EfA

im Gespräch nennen könnten, die Umsetzung bröckele jedoch. Auch auf der kommunalen Ebene müssen gerade in Bezug auf die Zusammenarbeit grundlegende Veränderungen stattfinden. Dieser Ansicht ist zumindest Bertram Huke, Direktor des kommunalen IT-Dienstleisters ekom21. Wenn man momentan hinter die Kulissen schaue, sehe man: Die Rechtslage in den Kommunen sei gleich oder sehr ähnlich, trotzdem werde zu 80 Prozent unterschiedlich gearbeitet. “Das führt zu wahnsinnigen Ineffizienzen”, bekräftigt Huke. Nun müsse man sie motivieren, zusammenzuarbeiten und beispielsweise auf Standardlösungen zu setzen. Es könnten bereits ungeahnte Gewinne entstehen, wenn drei bis fünf Kommunen einen Prozess gleich bearbeiten würden. Damit die Digitalisierung der Verwaltung ein Erfolg wird, muss die kulturelle Revolution also auf mehreren Ebenen vorangetrieben werden: Bei den Mitarbeitenden, aber auch bei den Behörden und Organisationen an sich. Bei diesem Prozess, so der Eindruck, steht die Verwaltung noch ziemlich am Anfang. Ein Aspekt, der Hoffnung macht, ist die Zeit. So gebe es laut Huke gerade einen Generationenwechsel bei Bürgermeistern und Landräten. Und mit den frisch ausgebildeten Mitarbeitern oder Absolventen können auch andere Denkmuster in die Behörden einziehen. Die damit einhergehende Hoffnung spricht Prof. Eibelshäuser aus: “Die Dinge, welche wir heute angesprochen haben, werden sich also ein Stück weit herauswachsen.“

Mehr Mut zur Veränderung

Mehr Flexibilität gefordert

Gießkannen-Förderung kritisiert

Vorsichtig beim Marketing

(BS/sr) “Was wird für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) gebraucht?” fragte Steven Janiec, Director von Deloitte Consulting, zum Auftakt eines schnellen Diskussionsformats auf dem Kongress HEssenDIGITAL. Das Thema OZG war auf Grund der nahen Deadline Ende 2022 allgegenwärtig. Janiec pitchte zu diesem Thema drei Thesen. Deren Erfüllung sei nötig, um OZG und Digitalisierung voranzubringen. Er forderte mehr Ende-zu-Ende-Digitalisierung, mehr Agilität in der Verwaltung und mehr Mut zur Veränderung.

(BS/lma) Eines der zentralen Gremien für Entscheidungen im Kontext der Verwaltungsdigitalisierung ist der IT-Planungsrat. Wenn im nächsten Jahr der hessische CIO und Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung, Patrick Burghardt, turnusgemäß den Vorsitz des IT-Planungsrats übernehmen wird, geht es auch um die grundlegende Rolle des Gremiums. Der Staatsekretär wünscht sich an dieser Stelle mehr Unabhängigkeit, so seine Aussagen auf dem Kongress HEssenDIGITAL.

Volker Mosler, Co-Leiter der Koordinierungsstelle OZG-Kommunal aus dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, stimmte den Thesen größtenteils zu, ergänzte jedoch, dass ein stetiger Dialog mit den Kommunen und das Finden von Fachansprechpartnern für mehr Akzeptanz des OZG sorgen würde. Martin Woitschell, Referatsleiter Projektreferat OZG beim Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, war hingegen der Meinung, man solle sich zunächst auf die Umsetzung des OZGs konzentrieren. Dazu merkte er an, dass man kleinere Kommunen für die Zusammenarbeit zusammenlegen solle, um ihnen die Umsetzung zu erleichtern. Thomas Wieland, Leiter Digitalisierung und E-Government bei der Metropolregion RheinNeckar, kritisierte dagegen die Fokussierung auf das OZG. Er sagte, es müsse nicht nur digitalisiert, sondern auch automatisiert werden. Außerdem brauche es in der Verwaltung mehr Agilität. Hierfür müsse mehr Fachwissen geschaffen werden. Diskutiert wurde abgesehen von der OZG-Umsetzung auch der Weg der Städte und Landkreise hin zum Zielbild der digitalen Kommune. Jürgen Vogler, Geschäftsführung von procilon, fragte, was eigentlich eine digitale Kommune sei. Seine Gesprächs-

“Wir brauchen mehr Autarkie, weil wir im Moment sehr abhängig von den Konferenzen der Fachminister sind”, erläutert Burghardt. Der IT-Planungsrat müsse flexibler werden und schneller entscheiden. Darüber hinaus müsse der Standpunkt des Gremiums deutlich pointierter dargestellt werden. Traditionell kann der Vorsitz des IT-Planungsrates Themenschwerpunkte für die Arbeit der Runde festlegen. Welche das im nächsten Jahr unter der Ägide Hessens sein werden, stehe noch nicht endgültig fest, berichtet Burghardt. Klar sei, dass man das Thema Digitale Kompetenz in den Fokus rücken wolle. Auch die digitale Souveränität werde verstärkt in den Blick genommen. “Darüber hinaus wollen wir bestimmte Themen auch jahresübergreifend angehen”, sagt Burghardt. Es ergebe keinen Sinn, Themen nur starr innerhalb eines Jahres zu bearbeiten. Zunächst habe man mit dem Bundes-CIO Dr. Markus Richter einen Vier-Jahres-Zeitraum verabredet. Daneben fokussiert sich der Staatssekretär unter anderem auf die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), welche ursprünglich bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein sollte. Burghardt betont die Vorteile des “hessischen Wegs”. Man habe

Sabine Bachmann und Jürgen Vogler diskutierten zum Thema digitale Kommune. Foto: BS/Patrick Schmetzer.

partnerin Sabine Bachmann, Leiterin der Stabstelle Digitale Verwaltung aus dem Landkreis Groß-Gerau, berichtete über den aktuellen Stand der Umsetzung von digitalen Kommunen. Beim Thema Förderung kritisierte sie, dass es sich bei den aktuellen Förderungen eher um Maßnahmen mit Gießkannen-Effekt handele, die mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden seien. Ihrer Meinung nach wäre eine Art Meilenstein-System sehr viel nützlicher. Wieder etwas allgemeiner wurde es dann bei der Diskussion des Themas der “digitalen Transformation”. Christian Rupp, CDO von PROSOZ Herten, pitchte dazu drei Thesen, die in erster Linie auf die geistige Bereitschaft zur Umsetzung der Digitalisierung abzielten. Dr. Markus Unverzagt,

Referatsleiter Digitale Transformation im hessischen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung, stimmte hiermit insoweit überein, als dass es gesunden Menschenverstand brauche, um die Digitalisierung umzusetzen. Unverzagt sprach auch die Tatsache an, dass Kompetenz nur ein Baustein von vielen beim Thema der Digitalisierung sei. Prof. Dr. Beate Eibelshäuser, Dekanin (komm.) vom Fachbereich Verwaltung der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit, fokussierte sich bei ihrem Kommentar im Gegensatz zu Unverzagt auf den Punkt der Kompetenz und sprach sich dafür aus, Studierende als Digital Scouts zur Vermittlung zu verwenden, um alle bei der Digitalisierung mitzunehmen.

Man müsse bundesweit über End-to-End-Digitalisierung reden, fordert Landes-CIO Patrick Burghardt.

von Anfang an darauf geachtet, mit allen Akteuren eng zusammenzuarbeiten. Dies betreffe die Kommunen, die verschiedenen Ressorts, aber auch die IT-Dienstleister wie die ekom21. Von Landesseite aus seien unter anderem eine grundlegende Plattform sowie Prozesse kostenfrei zur Verfügung gestellt worden. “So versetzen wir die Kommunen in die Lage, bis Ende des Jahres rund 300 Leistungen online zu haben”, sagt der Landes-CIO. Dazu kämen die Landesleistungen. Online-Verwaltungsleistungen bringen jedoch nur einen wirklichen Mehrwehrt, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern auch genutzt werden. Dafür muss ihnen das Angebot auch bekannt sein. Trotzdem wählt man in Hessen in Sachen Marketing eine vorsichtige Strategie. “Wir steigen spät ins Marketing

Foto: BS/Patrick Schmetzer

ein, weil wir nicht wollen, dass die Bürger frustriert werden”, erklärt Burghardt in diesem Kontext. Man starte mit einer Kampagne also erst, wenn eine gewisse Anzahl an großen Leistungen online sei. Daneben stellt sich für Burghardt die Frage, wie es mit der Digitalisierung jenseits des digitalen Zugangs zu Verwaltungsdienstleistungen aussehe. Nur dieser wird vom OZG gefordert. Deswegen wird schon jetzt über ein “OZG 2.0“ diskutiert, welches weitere Prozessdigitalisierungen vorschreiben könnte. Den Begriff “OZG 2.0“ halte er allerdings für völlig falsch, sagt der Staatssekretär. Es gehe dann nämlich gerade nicht mehr um den Zugang, sondern um andere Dinge. Die zentrale Frage sei, wie man es schaffe, bundesweit über eine vollständige End-to-EndDigitalisierung zu reden.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juli 2022

B

ehörden Spiegel: Vokabeln wie Innovation, Agilität und Laborbedingungen werden heute in allen Unternehmen, aber auch in Behörden und sogar Bundesministerien gepflegt. Wie ist das ITZBund in diesem Kontext tätig?

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Zusammenarbeit hat Priorität Innovation im ITZBund

(BS) Das Thema Innovation treibt gerade viele Behörden um. Gerade im Bereich der Digitalisierung muss sich die Verwaltung mit der Frage auseinandersetzen, wie sie selbst zum Innovationstreiber werden kann. In welcher Weise sich das Informationstechnikzentrum Bund (ITZBund) mit dem Thema Serrette: Sie haben Recht: Je- beschäftigt, verrät die technische Vizedirektorin der Behörde, Christine Serrette, im Interview mit Uwe Proll.

der, der etwas auf sich hält, hat inzwischen ein Innovation Lab oder einen Innovation Hub. So etwas Ähnliches bauen auch wir auf, allerdings setze ich hierbei sehr auf Kooperation. Wenn jetzt jeder sein eigenes Lab baut, klauen wir uns gegenseitig wichtige Ressourcen. Gerade die IT-Ressourcen und -Spezialisten sind wirklich selten. Insofern ergibt es sehr viel Sinn, wenn man an dieser Stelle kooperiert. Als Beispiel will ich den GovTech Campus nennen. Hier gibt es schon Ideen, bestimmte Themen gemeinsam zu bearbeiten. Bei uns im Haus haben wir eine kleine Gruppe identifiziert, welche sich mit technischen Innovationen beschäftigt. Hier geht es um ganz verschiedene Themen wie Nachhaltigkeit oder Open Source, aber ganz neu natürlich auch um das ganze Thema Cloud. Letzteres ist an sich natürlich nicht neu. Wir müssen uns aber als ITZBund die Frage stellen, wie wir mit dem Thema umgehen und wie auch unsere Position im Bund bezüglich der Multi-CloudStrategie sein sollte. Behörden Spiegel: Nun gibt es in der öffentlichen Verwaltung relativ starre Strukturen, beispielsweise die Besoldungs- und Dienstgrad-

“Flexibilität bedeutet für mich Innovation.” Christine Serrette ist technische Vizedirektorin des ITZBund. Foto: BS/C.Daitche, ITZBund

regelungen. Auch müssen Fachlichkeit und IT zusammengebracht werden. Sind das Herausforderungen, auf die Sie stoßen? Serrette: Definitiv. Innovation bedeutet deswegen für mich nicht nur die Technik, sondern gerade das Zusammenspiel. Dazu gehört für mich: Jeder muss ein bisschen anders denken. Natürlich gibt es gewisse Strukturen wie das Haushaltsrecht oder das Vergaberecht. Oder denken Sie an Lastenhefte, die geschrieben werden müssen, damit überhaupt Gelder beantragt werden können. Hier wünsche ich mir im gesamten Apparat, also nicht nur beim ITZBund, viel mehr Flexibilität. Ich muss

zum Beispiel Gelder für eine Idee ohne Lastenheft beantragen können. Diese Flexibilität bedeutet für mich Innovation. Wenn das gegeben ist, können Menschen aus den Fachbereichen auch viel enger mit den IT-Experten zusammenarbeiten. Dann verstehen sie sich plötzlich gegenseitig und wissen, wovon sie sprechen. Behörden Spiegel: Das ITZBund ist ein Dienstleister und hat viele “Kunden”. Agieren Sie in Ihrem Innovationslabor mit denen gemeinsam? Serrette: Am liebsten ja, denn allein kann man das ja gar nicht hinkriegen. Wir arbeiten ja nicht

Über kurz oder Lang – Für ein digitales Deutschland –

Erst das Problem, dann die Lösung! Eine Kolumne von Christina Lang

“Reden über Probleme erzeugt Probleme, reden über Lösungen erzeugt Lösungen”, sagte der Psychotherapeut und Autor Steve de Shazer. Von klein auf lernen wir, in Lösungen zu denken. Werden wir mit einem Problem konfrontiert, sammeln wir direkt gedanklich Lösungsvorschläge. Schließlich wollen wir effizient sein und das Problem schnell beseitigen. Ein sehr menschlicher Impuls. Probleme lösen in uns gewisse Prozesse aus. Unser Körper und unser Kopf werden in eine Art Alarmzustand versetzt. Wir fühlen uns gestresst und möchten handeln. Wir fangen an, über Lösungen nachzudenken, was rein psychologisch für Entspannung sorgt und den Eindruck erweckt, die Kontrolle zurückzuerlangen. Das Problem wird gefühlt (!) bereits kleiner. Doch wenn das Problem nicht nur uns selbst betrifft, wie können wir sicher sein, dass ausgerechnet die in unserem Kopf entstandene Lösung tatsächlich für alle Betroffenen das zugrunde liegende Problem löst? Die einfache Antwort: Wir können es nicht. Das gilt in besonderem Maße für unseren Staat. Die Probleme, die von Politik und Verwaltung gelöst werden müssen, sind komplex und häufig kompliziert. Gleichzeitig erwartet die Öffentlichkeit oft schnelle – beruhigende – Antworten. Von dieser Erwartungshaltung und dem daraus resultierenden Lösungsdenken müssen wir uns gerade bei der Verwaltungsdigitalisierung befreien. Wir müssen ganz bewusst einen “Schritt zurück” machen, um die Herausforderungen und Probleme, für welche die Verwaltung Lösungen entwickeln muss, ganzheitlich zu analy-

für den Selbstzweck, sondern für den Kunden, insofern muss man gemeinsam handeln. Momentan starten wir mehrere Initiativen, um die Vorhaben auch wirklich gemeinsam hinzubekommen. Behörden Spiegel: Wie wäre an dieser Stelle die ideale Vorgehensweise? Kommt der Kunde auf Sie zu und sagt, er habe ein Problem, was auf unkonventionelle Weise gelöst werden soll? Serrette: Genau. Hier kommt es dann auch auf Innovation von unserer Seite aus an, denn in vielen Bereichen ist alles noch sehr traditionell organisiert. Die Frage ist aber: Müssen wir erst ein großes Lastenheft oder eine Leistungsbeschreibung erstellen oder kann man sich für eine gemeinsame Entwicklung zusammensetzen? Hier kommt auch Agilität ins Spiel. Man sollte auch während der Entwicklung immer wieder überprüfen, ob man genau den Weg weiterverfolgen will, den man sich am Anfang vorgenommen hat, oder ob die Welt sich inzwischen weiterge-

dreht hat und Nachjustierungen erforderlich sind. Diese Themen müssen wir als Allererstes lösen, damit wir auch technisch sehr innovativ sein können. Behörden Spiegel: Sie hatten ja vorhin bereits das Stichwort Vergabe genannt. Sie benötigen Geld für Ideen, von denen man nicht weiß, was am Ende dabei rauskommt und ob es überhaupt ein positives Ergebnis geben wird. Das widerspricht eigentlich jeder Logik im Öffentlichen Dienst… Serrette: Stimmt, aber vor diesem Problem standen auch schon andere. Ich denke da gerade an den Cyber Innovation Hub der Bundeswehr, der hat das hingekriegt. Insofern gehe ich davon aus, dass auch wir es schaffen werden. In dieser Hinsicht ist noch etwas Arbeit zu erledigen, aber Möglichkeiten sind vorhanden. Behörden Spiegel: Ein Labor stellt man sich als Raum vor, welcher physikalisch an einem Ort vorhanden ist. Trifft diese Vorstellung auf Ihr Labor zu? Serrette: Das wäre schön, die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Wir sind sehr dezentral aufgestellt. Unsere Spezialisten sitzen in der ganzen Republik. Wäre das Labor an einem bestimmten Ort, müssten auch die Mitarbeitenden dort zusammenkommen. Wir stellen für unser Innovationslabor auch nicht vollständig neue Leute ein, wie es zum Beispiel beim Cyber Innovation Hub geschehen ist, sondern bedienen uns aus dem guten Wissenspool unserer

Mitarbeitenden. Was wir haben, sind unsere Show-Rooms. Das eigentliche Labor ist aber virtuell. Vielleicht wird es irgendwann auch einen Raum dafür geben. Meine Priorität ist momentan jedoch, zunächst die Zusammenarbeit zu regeln. Behörden Spiegel: Andere Innovationslabore experimentieren mit neuen Beschäftigungsverhältnissen. Wenn Sie sagen, dass sie ihre Leute aus dem vorhandenen Personalkörper rekrutieren, verzichten Sie dann völlig auf Impulse von außen? Serrette: Für jeden Externen, den ich beschäftigen will, brauche ich einen Auftrag und finanzielle Mittel. Hier sind wir wieder beim Thema Vergabe: Wen kann ich nehmen? Darf ich die Person einstellen, von der ich weiß, dass sie unsere Aufgaben erfüllen kann, oder muss ich die Stelle ausschreiben? Aber wir haben uns schon Hilfe geholt, um auch in dieser Hinsicht neue Impulse zu bekommen. Behörden Spiegel: Zum Schluss zu einem anderen Thema. Sie sind die Frau im dreiköpfigen Direktorium des ITZBund. Gibt es so etwas wie eine Gender Policy? Serrette: Die Frage ist für mich persönlich wichtig. Als Frau hier im Direktorium kann ich sagen, als Allererstes zählen das Wissen und die Fähigkeiten und dann natürlich auch die Diversität. Ich muss allerdings feststellen: Wenn ich auf Konferenzen gehe, bin ich oftmals die einzige Frau mittendrin. Wenn ich mir hingegen unsere Belegschaft anschaue, ist das definitiv nicht der Fall. Es ist also meiner Meinung nach beim ITZBund momentan keine Baustelle. Wir haben mittlerweile über 30 Prozent weibliche Führungskräfte. Trotzdem muss man bei diesem Thema immer sehr genau hinschauen, damit man es nicht aus den Augen verliert.

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FINANZWESEN Christina Lang ist Chief Executive Officer (CEO) des DigitalService.

FIT MACHEN.

Foto: BS/DigitalService

MIT DIGITALEN sieren und zu verstehen – gemeinsam mit allen Beteiligten (Stichwort Bürgerzentrierung aus meiner letzten Kolumne). Wie sieht das konkret aus? Mittels qualitativer und quantitativer Daten sollte zunächst der Problemraum erforscht und definiert werden. Wichtig bei diesem Schritt: beobachten, lernen und Daten sammeln! Es werden noch keine Lösungen vorgeschlagen. Dies geschieht erst, wenn alle Verantwortlichen ein gemeinsames Verständnis der Problemstellung haben und definiert wurde, anhand welcher Indikatoren überprüft werden kann, ob die Probleme tatsächlich adressiert und erfolgreich gelöst werden. Anschließend erst werden im Lösungsraum immer wieder viele verschiedene Lösungsansätze generiert und verprobt. Der Fokus liegt dabei auf der Wirkung, die am Ende erzielt werden soll. Durch regelmäßiges Testen und Messen anhand der zuvor festgelegten Indikatoren können wir objektiv feststellen, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen oder ob wir Anpassungen durchführen müssen. In oft jahrelangen Projekten ein mächtiges Werkzeug, um die Verantwortlichen immer wieder

auf die anvisierte Wirkung zu fokussieren. Das kann auch heißen, dass wir eine Lösungsentwicklung mangels fehlenden Nutzens komplett neu denken (pivotieren) oder abbrechen müssen. Ein für die Verantwortlichen oft schmerzhafter Prozess, den auch wir beim DigitalService bereits durchlebt haben. Und gerade deshalb wollen wir diese Erkenntnisse stets so früh wie möglich generieren – und möglichst wenig Energie in Lösungsansätze stecken, die später nicht den erwarteten Mehrwert bringen. In den USA und Israel geht man den skizzierten Weg bereits länger, um in der öffentlichen Verwaltung echte Lösungen für bestehende Probleme zu finden. Im Gegensatz zum Vorgehen bei einer klassischen Ausschreibung werden dort keine detaillierten Leistungsbeschreibungen mehr erstellt, sondern über offizielle Plattformen wie challenge.gov eine iterativ zu lösende Problemstellung beschrieben. Ich werbe dafür, dies in Vorlagen und Koalitionsverträgen künftig häufiger so zu handhaben, statt eine konkrete Lösung bereits vorab festzulegen, wie es heute oft der Fall ist. Erst das Problem, dann die Lösung!

LÖSUNGEN FÜR KIRCHEN UND BISTÜMER. Neue gesetzliche Anforderungen und eine anspruchsvolle Struktur aus dezentralen und zentralen Einheiten – eine Situation, die Kirchen und Bistümer vor große Herausforderungen im Finanzwesen stellt. Eine zuverlässige Lösung bieten hier die digitalen Angebote von DATEV. Sie ermöglichen eine optimale Verwaltung und bringen mehr Effizienz in alle Abläufe.

Gut aufgestellt für gesetzliche Neuregelungen Die Gesetzesänderung des § 2b UStG fordert eine steuerliche Beurteilung von Aktivitäten juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Das führt zu organisatorischen Veränderungen in den Einrichtungen, die auch im Finanzwesen abgebildet werden müssen. Genau darauf ist die prozessorientierte Lösung von DATEV für Kirchen und Bistümer ausgelegt: Sie setzt die besonderen Anforderungen des § 2b UStG zuverlässig und sicher um – zum Beispiel mit der Bereitstellung korrekter Steuerschlüssel, der automatisierten Erstellung von Umsatzsteuer-Voranmeldungen und der direkten Übermittlung an die Finanzbehörde.

Nur ein kleiner Ausschnitt aus dem breiten Angebot von DATEV: Denn neben der Komplettlösung für das Finanzwesen umfasst es auch Lösungen für die Planung und Budgetverwaltung, die Rechnungsschreibung, die Anlagenbuchführung sowie die Kosten- und Leistungsrechnung. Entlastung für dezentrale kirchliche Einrichtungen Die DATEV-Lösung für das Finanzwesen löst die vielen unterschiedlichen Einzelanwendungen in den Organisationen ab – mit einer leistungsstarken, effizienten Rechnungs wesen-Software. Damit werden die buchhalterischen Aufgaben standardisiert, konzentriert und die dezentralen Einrichtungen von administrativen Aufga-

ben entlastet. Weiteres Vereinfachungspotenzial bergen digitalisierte Prozesse in und um das Rechnungswesen: Für optimale Workflows sorgen zum Beispiel die Belegablage online, der elektronische Zahlungs verkehr oder der Einsatz von DATEV-Software über das abgesicherte Rechenzentrum. Digitalisierung – mehr Effizienz für alle Prozesse Einfachere Abwicklung, schnelle Verfügbarkeit und mehr Transparenz sind die willkommenen Effekte von vollständig digitalen Prozessen. Die digitale Plattform DATEV Unternehmen online ermöglicht es beispielsweise, Belege hochzuladen und sie online zu erfassen. Darüber hinaus können regionale Außenstellen über diese Lösung digitale Belegbilder für die zentrale Buchungsstelle bereitstellen, ein GoBD-konformes Kassenbuch führen und die Belege revisionssicher archivieren.

Um schnell und unkompliziert auf jedes gewünschte Dokument zugreifen zu können, empfiehlt sich ein digitales Dokumenten-ManagementSystem (DMS). Mit den Programmen Dokumentenablage, DATEV DMS oder der Anwendung Belege online bietet DATEV für eine Vielzahl von Szenarien komfortable Lösungen – immer unter Berücksichtigung des gesetzlichen Rahmens mit höchsten Sicherheitsstandards. Weitere Informationen rund um leistungsstarke DATEVLösungen für Kirchen und Bistümer unter www.datev.de/ kirchen, per E-Mail an public-sector@datev.de oder telefonisch unter 0800 0114348.


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Behörden Spiegel / Juli 2022

Baden-Württemberg 4.0 Es brodelt im Kessel

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ie Rolle der Plattform “ServiceBW” betont beispielsweise Marius Herr, der OZG-Koordinator des Landes Baden-Württemberg, auf dem Kongress Baden-Württemberg 4.0: “Diese Plattform ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt, an dem wir Verwaltungsleistungen digitalisieren wollen.” Sie sei aufgrund ihrer modularen Aufbauweise in dieser Form einzigartig in Deutschland. Auch stelle man auf ihr den sogenannten Universalprozess bereit, mit dessen Hilfe Kommunen relativ einfach digitalisieren könnten. Intensiv genutzt wird “ServiceBW” beispielsweise von der Stadt Mannheim. Deren Abteilungsleiterin IT-Qualitätsmanagement und digitale Strategie, Judith Geiser, erzählt von der Doppelstrategie der Stadt bei der OZG-Umsetzung. Zum einen schließe man sich komplett an “ServiceBW” an, zum anderen setze man jedoch auch auf ein weiteres Serviceportal. Dadurch könne man auch Prozesse aus eigener Motivation heraus digitalisieren. Bis zum Ablaufen der OZG-Umsetzungsfrist Ende dieses Jahres werde man hauptsächlich den Universalprozess nutzen, kündigt Geiser an. “Wir sind jetzt aber schon an den weniger genutzten Leistungen dran, für die es im Jahr vielleicht 100 Anträge gibt.”

Düsteres Bild Bittet man die kommunalen Vertreter auf dem Kongress nach einer Einschätzung des Stands der OZG-Umsetzung, zeichnet sich jedoch ein deutlich düstereres Bild. Die allermeisten wähnen sich noch am Start der Umsetzung, gerade im Backend-Bereich scheint noch nicht viel passiert zu

Man sei auf einem guten Stand, aber es gebe noch Luft nach oben, waren sich die Vertreterinnen der kommunalen Spitzenverbände – Ariane Krüger, Leiterin der Stabsstelle Digitalisierung beim Landkreistag Baden-Württemberg, Leonie König, Referat Digitalisierung des Gemeindetags Baden-Württemberg, und Stella Grießmayer, Leiterin Stabsstelle Digitalisierung beim Städtetag Baden-Württemberg – einig. Diese Einschätzung bestätigte auch eine Studie der Hochschule Kehl, in welcher über 80 einzelne Fallstudien zum Digitalisierungsgrad der baden-württembergischen Kommunen ausgewertet wurden. Philipp Bauer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung an der Hochschule Kehl, beschrieb den oftmals zu sehenden Umstand, dass die Digitalisierung zwar immer mehr institutionalisiert würde, aber “je kleiner eine Kommune ist, desto größer sind der Ressourcenmangel und die Abhängigkeit von einzelnen Personen”. Gerade große Kreisstädte und Großstädte seien bezüglich Digitalisierungsstrategie, -beauftragten und interkommunaler Zusammenarbeit sehr gut aufgestellt. Bei den Gemeinden und kleineren Städten sowie Landkreisen hätten hingegen nur 20 Prozent eine Digitalisierungsstrategie. Und nur die Hälfte der Gemeinden und kleineren Städte habe einen Digitalisierungsbeauftragten und kooperiere mit anderen Kommunen bezüglich der Digitalisierung. “Auffällig war zudem”, so Bauer, “dass fast alle Kommunen angegeben haben,

Nur punktuelle Einigkeit zwischen Land und Kommunen (BS/Matthias Lorenz) In Baden-Württemberg ist man der Überzeugung: “Kein Blatt Papier passt bei der Digitalisierung der Verwaltung zwischen Land und Kommunen.” Dies wird zumindest von Landesseite immer wieder betont. Betrachtet man jedoch die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), kommen Zweifel an dieser Aussage. Zwar bietet beispielsweise die Plattform “ServiceBW” den Kommunen eine echte Unterstützung, trotzdem ist die Stimmung auf der kommunalen Ebene vielerorts alles andere als gut.

Die kommenden Aufgaben fest im Blick: Thomas Bönig hat sich als neuer Leiter des Stuttgarter Amts für Digitalisierung, Organisation und IT als erstes die Abschaffung von Prozessen vorgenommen. Foto: BS/Mark Gross

sein. Gründe für dieses ernüchternde Zwischenergebnis gibt es viele. Ein Problem sind die Einerfür-Alle-Leistungen (EfA-Leistungen), welche oft noch nicht zur Verfügung stehen. Das Problem bringt ein Kongressteilnehmer folgendermaßen auf den Punkt: “Wie soll die Bürgermeisterin einer 6.000-Einwohner-Gemeinde allein entscheiden, ob sie jetzt noch auf eine EfA-Leistung warten soll?” Es brauche also gerade für kleinere Kommunen Hilfe bei der Entscheidungsfindung. Auf Landesebene ist man sich bewusst, dass das EfA-Prinzip auch Schwierigkeiten mit sich bringt. Bei länderspezifischen Ver-

fahren, die man in bundesweite Nutzung bringen wolle, bestehe nun einmal die Möglichkeit, dass andere Bundesländer andere Verfahren einsetzten, erklärt Stefan Krebs, der CDO/CIO der baden-württembergischen Landesregierung. Deswegen fokussiere man sich beim im Frühling beschlossenen OZG-Booster auf die Digitalisierung von 35 bundeseinheitlichen Lösungen. Krebs warnt jedoch vor weiteren Zeitverlusten: “Selbst wenn eine Lösung technisch funktioniert, gibt es manchmal rechtliche Hindernisse, die auf Bundesebene beseitigt werden müssen.” Ein weiteres Hindernis für viele Kommunen

ist die Kostenfrage der OZGUmsetzung. Wer finanziert die Digitalisierung und den Betrieb der Verwaltungsleistungen? Hier ist noch ein weiter Weg zu gehen: So lehnt es OZG-Koordinator Herr in Bezug auf EfA-Leistungen ab, dass die nachnutzenden Länder die Finanzierung komplett übernehmen. Hier seien Lösungen zu finden. Von kommunaler Seite war folgender Vorschlag zu hören, der für mehr Einheitlichkeit sorgen soll: Das Land oder der Bund bietet den Kommunen für einen einheitlichen Prozess eine Lösung kostenfrei an. Falls eine Kommune diesen Prozess anders umsetzen wolle, müsse sie es selbst zahlen. Durch den Kostendruck werde also für mehr Einheitlichkeit gesorgt. Auch stellt sich nach wie vor für viele Kommunen die Frage nach der richtigen Vorgehensweise. Schließlich schreibt das OZG nur die Digitalisierung des Frontends vor. Thomas Wieland ist der Meinung, beim OZG habe man sich dafür entschieden, zuerst die Fassaden zu bauen und für den Bürger einen Zugang zu schaffen, was sich politisch sehr gut verkaufen ließe. “Aber eigentlich muss man sich mit den Prozessen beschäftigen”, sagt der Leiter Digitalisierung und E-Government der Metropolregion Rhein-Neckar. Für Online-Verwaltungsleistun-

gen müssten Verwaltungsprozess neu gedacht werden, man könne analoge Vorgehensweisen nicht eins zu eins in die digitale Welt übertragen. Wichtig sei darüber hinaus die Einbindung der Fachabteilungen, welche selbst für ihre Prozesse verantwortlich seien. Damit bei der Digitalisierung echte Fortschritte erzielt werden könnten, dürfe eins nicht vergessen werden: “Sie müssen Beteiligte zu Betroffenen machen”, stellt Wieland klar.

Prozesse streichen Prozesse werden sich demnächst auch in der Landeshauptstadt Stuttgart ändern. Dort hat man für das neu geschaffene Amt für Digitalisierung, Organisation und IT einen berüchtigten Leiter aus der bayerischen Landeshauptstadt München abwerben können: Thomas Bönig, der in München die Funktion des CDO innehatte und ein harter Kritiker des Onlinezugangsgesetzes ist. Bönig lässt keinen Zweifel daran, dass er auch in Stuttgart keinen Stein unangetastet lassen wird. “Wir werden hier nicht alles so lassen, wie es ist. Mein erster Schritt wird es sein, zu überprüfen, welche Prozesse man streichen kann. Bei den übriggebliebenen Prozessen wird dann geschaut, welche abgeflacht werden können.” Das

Smarte Infrastruktur im Ländle Wie sie gelingt und was sie verhindert (BS/Malin Jacobson) Wie smart sind wir? Wie smart können wir werden? Und wie kommen wir dahin? Diesen Fragen stellten sich Vertreterinnen und Vertreter aus Kommunen, Verbänden und der Landesverwaltung Baden-Württembergs auf dem Regionalkongress Baden-Württemberg 4.0 in Stuttgart.

Im Thesen-Pitch “Digitale Kommunen” sprach Jürgen Vogler, Geschäftsführer von procilon, mit Ariane Krüger, Leonie König und Stella Grießmayer über den Digitalisierungsgrad der baden-württembergischen Kommunen. Foto: BS/Mark Gross

beim Prozessmanagement und der Personalausstattung nicht gut aufgestellt zu sein, den größten Handlungsbedarf allerdings bei OZG, IT-Personal und IT-Kompetenzausbau sehen.” Dabei sei vor allem ein gutes Prozessmanagement die Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung. Laut Selbsteinschätzung der Kommunen lägen die größten Hindernisse in den Bereichen Personalausstattung und Finanzmittel für IT sowie Unterstützung durch die Politik, ergänzte Bauer abschließend.

Ausprobieren und scheitern Für die Kommunen sei vor allem problematisch, so König, dass aktuell noch andere Herausforde-

rungen außer der Verwaltungsdigitalisierung wichtige Ressourcen binden. Um dem entgegenzuwirken, sei es ihrer Meinung nach wichtig, die digitalen Infrastrukturen so zu gestalten, dass sie einfach und damit von möglichst vielen Mitarbeitenden zu bedienen sind. Und Krüger forderte eine durchgehende Ende-zu-Ende Digitalisierung, um einen echten Mehrwert für Kommunen vor Ort zu schaffen – die OZG-Maske für die Bevölkerung reiche da bei Weitem nicht aus. “Da haben gerade die kleinen und niederschwelligen Förderprogramme des Landes viel bewirkt, um in den Kommunen erste Ideen zur Umsetzung zu bringen und Lösungsideen ausprobieren zu

können”, berichtete Grießmayer. Ausprobieren und Scheitern, empfahl auch Dr. Michael Bauder, Leiter der Stabsstelle Data Science der Stadt Freiburg. Aus diesem Grund habe man in der Stadt im Breisgau erstmal mit einem Datenplattform-Prototyp begonnen, um “zu sehen, wo unsere Grenzen sind und wo es mehr Ressourcen braucht”. Zu Beginn habe man Anforderungen wie Echtzeitfähigkeit, Schnittstellendefinition und High-Perfomance-Computing sowie Rahmenbedingungen wie die Integration bestehender Systeme, Governance, OZG oder DIN SPECs definiert, berichtete der Stabsstellenleiter, um die Skalierung des Prototyps vornehmen zu können. Später erfolgten dann der Ausbau bewährter Beteiligungsinstrumente, ein Partizipationsmodell für die Entwicklung und Gestaltung einzelner Maßnahmen sowie der Wissenstransfer und die Ergebnisbewertung. “Das Projekt beruht auf Open Source sowie standardisierten Schnittstellen und Datenformaten," erklärte Bauder, “und habe zum Ziel, eine Datenplattform zu kreieren, die zukünftig an die Anforderungen Freiburgs anpassbar und kompatibel mit anderen Systemen ist.” So wolle man beispielsweise mit den Datenräumen der Uniklinik Frei-

burg oder dem Fraunhofer EMI zusammenarbeiten können. In vorhandene Apps, beispielsweise von ÖPNV-Anbietern, fließen viele Daten der städtischen Datenerhebung bereits ein – daher werde man auch keine neue App kreieren, so der Freiburger. “Die 37ste Stadt-App lädt sich keiner runter.”

Best Practice In Ulm kam man zu dem Schluss, dass Stadtentwicklung und Digitalisierung nur zusammen gedacht werden können, da die Digitalisierung die Stadt nachhaltig verändern werde, erläuterte Thomas Häufele, Senior Consultant der City & Bits GmbH, welche gemeinsam mit der Geschäftsstelle Digitale Agenda der Stadt Ulm das Projekt Ulm4CleverCity orchestrierte. Als wichtige Orientierungspunkte für eine smarte Stadtentwicklung wurden die Bevölkerungsentwicklung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz, der wirtschaftliche Wandel und der Umgang mit Daten definiert. “Es ist wichtig sich zu überlegen, wohin wir uns langfristig entwickeln, um die entsprechenden Weichen schon heute zu stellen”, meinte der Senior Consultant diesbezüglich. Dabei habe man sich in Ulm auf vier Aspekte fokussiert: Zum einen auf infrastrukturelle

OZG sei nichts weiter als Bürokratie online, kritisiert Bönig. Stattdessen brauche es in der Verwaltung einen tiefgehenden Kulturwandel, an dessen Ende die Verwaltung sich zu einem modernen Dienstleister entwickelt habe. Man müsse beweglicher und agiler werden, brauche eine ehrliche Feedback- und Fehlerkultur. Auch müsse der Mut gefunden werden, echte Visionen zu entwickeln. Mit dieser Einstellung kann die Landesebene allerdings nicht viel anfangen. “Ich habe keine Vision”, antwortet Dr. Michael Zügel, Referatsleiter E-Government, Open Government, Verwaltungsmodernisierung im Ministerium des Innern, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg, auf die Frage, wie seiner Meinung nach die digitale Verwaltung in fünf Jahren aussehen solle. Politik sei die Kunst des Möglichen. Stattdessen wünscht er sich mehr “Street Credibility”. Man müsse den Bürgern und Unternehmen beweisen, dass der Staat digitalisieren könne. Hier sei der OZG-Booster die Nagelprobe: Gelinge die Umsetzung, habe man die Kurve nochmal gekriegt. Deutlich wird also: In Land und Kommunen existieren durchaus verschiedene Meinungen, wie die Verwaltungsdigitalisierung in Angriff genommen werden solle. Die gerade von Landesseite oft betonte Einigkeit ist zwar punktuell vorhanden, jedoch längst nicht so ausgeprägt, wie es die Landesregierung gerne hätte. Gerade die eigene Landeshauptstadt könnte unter Thomas Bönig mit seinen ambitionierten Vorstellungen zu einem unbequemen Partner werden. Es brodelt im Kessel.

Grundlagen, welche sich damit befassen, wie Daten erfasst werden können, zum anderen auf die Dateninfrastruktur, die das Zusammenführen und Nutzbarmachen von Daten zum Ziel hat. Des Weiteren auf datenspezifische Ziele, sprich Standards und Schnittstellen, Maschinenlesbarkeit, offene Daten, Datenethik und -souveränität sowie Suffizienz. Und schließlich auf die Datenexzellenzorganisation, die sich mit digitalen Identitäten und der Frage, wer über welche Daten welche Berechtigungen hat, befasst.

Nichts ist statisch Auf Grundlage der Erfahrungen aus diesem Projekt empfahl der Senior Consultant den anwesenden Kommunalvertreterinnen und -vertretern: “Fangen sie mit einer schon bestehenden Herausforderung an, für die sie eine Lösung suchen, nicht mit irgendeinem gut klingenden Projekt. Schaffen sie Nutzen für Bürgerinnen und Bürger und/ oder die Verwaltungsmitarbeitenden. Und investieren sie in den Aufbau von Grundwissen und -kompetenzen ihrer Belegschaft, denn die Prozesse werden immer komplexer.” Gerade im letzten Punkt sah auch Jens Leyh vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO die größte Herausforderung für die Kommunen: “Digitalisierung bedeutet, dass man immer neu dazulernen und sich anpassen muss.” Für die Kommunen sei das eine große Herausforderung, weil nichts mehr statisch sei und man sich ständig selbst neu erfinden müsse.


Behörden Spiegel / Juli 2022

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m die Ausrichtung der Anforderungen und Bedarfe des Bundes zu kennen, müssen diese systematisch erfasst, erkannt und beurteilt werden. Hierzu hat das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) im gesamten Bundesbereich kontinuierlich Umfragen durchführt und ausgewertet. Auf deren Basis sind Strategien und Maßnahmen abgestimmt und konkretisiert worden. Es bestehen zwar europäische Initiativen, wie das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, die einen essenziellen Beitrag zur Nutzung von Satellitenbilddaten als Open Data vorantreiben. Darüber hinaus sind jedoch Bedarfe im Bund bekannt, die nicht über solche Programme gedeckt werden können. Hier ist vor allem die räumliche und zeitliche Auflösung (der Detailgrad für die Erkennung von einzelnen Objekten) zu benennen. Die Antwort darauf ist die neue Servicestelle Fernerkundung des BKG. Mit den Leistungen der Servicestelle Fernerkundung liefern wir als BKG einen ergänzenden Beitrag zu diesen bestehenden Erdbeobachtungsprogrammen, indem wir für den Bund diese Daten- und Informationslücke schließen. Eine gebündelte Beschaffung und zentrale Verteilung von Datensätzen sowie eine kosteneffiziente Nachnutzung müssen dabei das Ziel sein. Die Servicestelle soll es Nutzern aus der Bundesverwaltung jetzt besonders leicht machen, die nötigen Daten für ihre Arbeit zu bekommen. Die Maxime ist: unkompliziert, effektiv und kostenfrei. Als führender Geodaten-Dienstleister des Bundes hat das BKG zahlreiche Erfahrungen mit Satellitenbilddaten: z. B. werden seit 2012 Landbedeckungsmodelle für ganz Deutschland abgeleitet und seit zwei Jahren

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Servicestelle Fernerkundung Hochauflösende Satellitenbilddaten für die Bundesverwaltung (BS/Prof. Dr. Paul Becker) Satellitenbilder sind seit vielen Jahrzehnten aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dabei nehmen die Anwendungsbereiche aufgrund der stetigen Weiterentwicklung der Sensorik, der wachsenden räumlichen sowie zeitlichen Verfügbarkeit und durch verlässliche Analytik sowie robuste Auswertealgorithmen immer weiter zu. Zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit verdeutlichen das Potenzial und zeigen eindrucksvoll die Möglichkeiten dieser Technologie, die fortschreitende Digitalisierung von gesellschaftlich relevanten Themen zu bereichern. Zum Beispiel werden bei Krisen oder humanitären Lagen schnell Informationen über die Situation vor Ort benötigt. Bei den Auswirkungen des Klimawandels und Umweltveränderungen sind lückenlose Zeitreihen essenziell. Für ökonomische Fragenstellungen und für Ressourceneinschätzungen bestehen Anforderungen für eine objektive und flächendeckende Datengrundlage. Diese exemplarischen Themenfelder umfassen dabei viele wesentliche Aufgabenbereiche der Bundesverwaltung. Satellitenbilddaten liefern eine unabhängige Informationsquelle für deren Beurteilung und Bewältigung.

Von historisch bis topaktuell

Die Servicestelle Fernerkundung unterstützt ressortübergreifend insgesamt 439 Einrichtungen des Bundes mit Zugängen zu umfassenden Datenbeständen und Beratungsleistungen zu den Potenzialen der Fernerkundung bei ihrer Arbeit. Foto: BS/Andrey Armyagov, stock.adobe.com

mit notwendigen Analyseprodukten bei Ausnahmesituationen und stellt diese mittels individuellen theProf. Dr. Paul Becker ist Präsident des Bundesamtes für matischen Karten Kartographie und Geodäsie zur Verfügung. Ab (BKG). sofort unterstützt die Servicestelle Foto: BS/BKG Fernerkundung im SKD mit Zuversorgt der Satellitengestützte gängen zu umfassenden DatenKrisen- und Lagedienst (SKD) beständen und Beratungsleisdes BKG Bundeseinrichtungen tungen zu den Potenzialen der

Fernerkundung ressortübergreifend insgesamt 439 Einrichtungen des Bundes bei ihrer Arbeit. Die verfügbaren hochauflösenden Daten der Satellitenmissionen (bis zu 30 cm Bodenauflösung) tragen zahlreiche unterschiedliche Sensoren. Dabei spielen neben den optischen Verfahren, die auf wolkenfreien Himmel angewiesen sind, Radarverfahren eine besondere Rolle. Letztere liefern Informationen bei jedem Wetter und auch nachts störungsfrei.

Kernstück des Angebots der Servicestelle Fernerkundung stellen Rahmenverträge mit zwei kommerziellen Dienstleistern dar. Über deren Portalanwendungen gibt es Zugriff auf die Datenarchive von zehn verschiedenen Satellitenbetreibern; insgesamt sind Bilddaten von mehr als 50 zivilen Satellitenmissionen abrufbar. Allen Nutzenden und Interessierten des Bundes werden Zugänge bereitgestellt, um die Daten jederzeit selbstständig zu recherchieren und zu visualisieren. Die neuesten Daten sind tagesaktuell, die ältesten reichen zurück bis ins Jahr 2000. Sollte bei den vorhandenen Bildern nicht das passende dabei sein, kann die Servicestelle Fernerkundung eine individuelle Neuaufnahme veranlassen. Beim nächsten Überflug nimmt der Satellit dann ein neues Bild des gewünschten Gebietes auf. Mit diesem Leistungsspektrum unterstützt das BKG den heterogenen Bedarf des Bundes. Dabei werden gesetzliche Fachaufgaben und Umsetzungen von innovativen Entwicklungsprojekten umfangreich mitbegleitet.

Für Anfänger und Fortgeschrittene Wer noch gar keine Erfahrung hat, wie man mit Satellitenbild-

daten arbeitet, wird nicht alleine gelassen. Die Mitarbeitenden der Servicestelle Fernerkundung beraten auch gerne zum Einstieg in die Thematik und zu den Potenzialen der Erdbeobachtung. Bei geübteren Anwendenden geht die Beratung naturgemäß etwas tiefer. Mit ihnen wird gemeinsam erörtert, welche Satellitenbilder am besten geeignet sind, um die gestellte Frage zu beantworten, und welche Daten noch berücksichtigt werden sollten. Auch speziellere Aspekte, beispielsweise die zugehörigen Lizenzen und Nutzungsrechte, sind Teil der Fachberatung.

Kostenfrei und unkompliziert Die Beschaffung hochaufgelöster Satellitenbilder ist in der Regel mit erheblichen finanziellen Aufwendungen verbunden. Die Servicestelle Fernerkundung tut deshalb alles dafür, dass die Daten so effizient wie möglich genutzt werden. Jedes zugekaufte Bild steht nicht nur der Organisation zur Verfügung, die es angefordert hat, sondern auch allen anderen Einrichtungen des Bundes. Bei besonders großen Aufträgen wird schon vor dem Kauf abgefragt, wer in der Bundesverwaltung noch Interesse an den Bildern haben könnte. Sehr hochaufgelöste Bilder vom gesamten Bundesgebiet wären zum Beispiel so ein Fall. Bereits beschaffte Bilddaten, die im Bestand vorhanden sind, können die Nutzenden aufgrund der Bundeslizenz unkompliziert herunterladen und sofort nutzen. Haben Sie bereits Ideen, wie Sie solche Bilder in Ihrem Arbeitsbereich nutzen könnten oder sind Sie neugierig auf das Angebot? Schreiben Sie eine E-Mail an skd@ bkg.bund.de oder rufen Sie an: 069-633 34 66. Mehr Details gibt es unter www.bkg.bund.de/sat 4bund.html .

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Grafik: Aurielaki, adobe.stock.com

er Gedanke einer in Zukunft digital befähigten und souverän handelnden öffentlichen Verwaltung, eben mit hinreichend “digital-Reserven”, um in Krisen handlungsfähig zu bleiben, lebt von den Menschen, die diese Zukunft gestalten sollen. Das ist eine Herausforderung für die Fortbildung im Öffentlichen Dienst ebenso wie für die Ausbildung der kommenden Generation öffentlich Bediensteter. Die Digitalakademie des Bundes und der eGov-Campus als Projekt des IT-Planungsrates sind hier die Avantgarde. Die Annahme, dass digitale Angebote und Prozesse umfassend den künftigen Arbeitsalltag in der Verwaltung bestimmen werden, ist sicher nicht falsch. Die notwendige Transformation muss von allen Menschen in der Verwaltung in deren Arbeitsalltag geleistet werden können und nicht von einigen wenigen Spezialisten. Es scheint eine relevante Frage zu sein, was die untere Grenze an Digitalkompetenz ist, mit der der Eintritt in den gehobenen Dienst der Verwaltung (Fachhochschulabschluss) möglich sein soll. Eine Antwort hierzu kann anhand der öffentlich zugänglichen Modulhandbücher und Studienpläne der Verwaltungshochschulen der Bundesländer und des Bundes für den Studiengang Allgemeine Verwaltung (auch Öffentliche Verwaltung oder Public Management) versucht werden. Hier sollen nicht die speziellen Digital-Studiengänge im Fokus stehen, ganz abgesehen von der Frage, ob diese vergleichsweise kleinen Studiengänge hinreichend viele Köpfe generieren. Es soll um die allgemeine Mindestbefähigung gehen. Selbstverständlich geben Modulhandbücher nicht die ganze Realität wieder, sie sind aber sicherlich näher an der Hörsaalrealität als die übergeordneten Laufbahnverordnungen und Prüfungsordnungen. Anhand gezählter (Pflicht-)Vorlesungsstunden der Informatik- bzw. Verwaltungsinformatik-Themen soll so ein grober Eindruck zum Mindestumfang gewonnen werden. Es bleibt so sicherlich eine Ungenauigkeit bei der fachlichen Zuordnung der Inhalte des Studiums und auch bei der Erfassung multidisziplinärer Anteile mit IT-Bezug, die Größenordnung des Anteils dürfte dadurch jedoch nicht wesentlich variieren. Das Ergebnis zeigt sich in der Übersichtstabelle, in der

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Digitalfreie Studiengänge?

ren umgehen oder dieses gar selbst anwenden können, wird wohl nur wenig an Kenntnissen vermittelt werden können. • die Schule scheidet wohl ebenso aus, denn in den (BS/Thomas Hemker/Robert Müller-Török) Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde offensichtlich, dass die öffentliche Verwaltung in Deutschmeisten deutschen Bundesland bei der Digitalisierung bereits Grenzen der Leistungsfähigkeit im Regelbetrieb erreicht hatte. Geschlossene Ämter, Betrügereien mit ländern ist Informatik Wahlstaatlichen Beihilfen in unsicheren, schnell erstellten “E-Government-Anwendungen” und eine als suboptimal empfundene Organisation der fach oder wird gar nicht Impfkampagnen waren spürbar für die Menschen im Land. Die Digitalisierungsoffensive mit OZG, OZG 2.0 und Registermodernisierung soll(te) angeboten. Laut der GesellAbhilfe schaffen. Der Rückstand zur restlichen Welt, regelmäßig in den Rankings und Analysen nachzulesen, soll(te) mit einer wirksamen Transschaft für Informatik ist nur formation der öffentlichen Verwaltung hin zu digitalen Angeboten und Prozessen verringert werden. in MecklenburgBundesland Hochschule(n) Studiengang Gesamtstunden Gesamtstunden GesamtVorpommern InInformatik Psychologie und stunden formatik seit 2019 Soziologie Zivilrecht Pflichtfach in den Baden-Württemberg HS Kehl, HS LudPublic Management 48,75 72,6 127,5 Schulstufen fünf wigsburg bis zehn, in SachBayern HföD Bayern AIV Diplom-Verwal58,5 43,5 93 sen ist es zwar Thomas Hemker, Hochschule tungswirt (FH) seit 1992 Pflichtdes Bundes für öffentliche VerBerlin HWR Öffentliche 40,5 64,8 40,5 fach, aber erst seit waltung, Fachbereich Finanzen Verwaltung 2017 verbindlich Fotos: BS/privat Brandenburg TH Wildau Öffentliche Verwal45 45 90 in den Schulstufen tung Brandenburg 7–10. In Bayern, Bremen n/a Studiengang Alln/a n/a n/a Baden-Württemgemeine Verwaltung berg und NRW ist 2001 eingestellt es in einzelnen Hamburg an der HAW Public Management 96 72 96 Jahrgangsstufen Hamburg, keine Pflichtfach. Ebeneigene HÖD so konstatierte der Hessen HfPV Public 0 115,5 74,25 Wissenschaftsrat Robert Müller-Török, HochAdministration 2020 “eine unterschule für öffentliche VerwalMecklenburg-Vorpommern FH Güstrow Öffentliche 18 63 159 schiedliche, meist tung und Finanzen LudwigsVerwaltung unbefriedigende burg Fotos: BS/privat Niedersachsen HSVN Allgemeine 0 40,5 94,5 Situation des InVerwaltung formatikunterrichts in Deutschland”. men wird. In jedem Fall ist es Nordrhein-Westfalen HSPV Allgemeine 0 90 93 Verwaltung (LL.B.) Es kann in den untersuchten möglich, den Abschluss zu erreichen, ohne dass diese Ausbildungsgängen daher nicht Rheinland-Pfalz HÖV RLP Allgemeine 0 14,25 72 Kenntnisse vermittelt wurden. auf vorhandene Kompetenzen aufVerwaltung Der Mittelwert über die verschie- gebaut werden und selbst dann Saarland* FHSV Saar Allgemeiner denen Studiengänge zeigt verein- wäre die Spezialisierung auf die Verwaltungsdienst facht gesagt: Nicht mehr als eine öffentliche Verwaltung weiterhin Sachsen HS Meißen Allgemeine 78 67,5 81,75 Woche an Vorlesung oder bis zu notwendig, ganz abgesehen vom Verwaltung zwei Wochen an Workload von ty- praktischen Nachweis als Teil der Sachsen-Anhalt HS Hartz Öffentliche 0 67,5 45 pischerweise zwei Jahren fachthe- Leistungsbewertung im Studium. Verwaltung oretischer Ausbildungszeit sind Es bleiben nur Fortbildungen und Schleswig-Holstein FHVD Allgemeine 16,5 16,5 16,5 Informatik- bzw. Verwaltungsin- dies sind eher Produkt- und AnVerwaltung / Public formatik-Themen. Hamburg und wendungsschulungen, um die Administration Sachsen weichen signifikant nach mit den bereits in der Verwaltung Thüringen Thüringer FH für ÖV KSAV 45 45 97,5 oben ab und erreichen den Anteil tätigen Menschen konkurriert des Zivilrechts jeweils. Ob jedoch wird. Die Absolventinnen und Bund* HS Bund Allgemeine Innere 0 33 105 der Umfang an Informatik- bzw. Absolventen starten somit am Tag Verwaltung Verwaltungsinformatik-Themen eins nach der Ausbildung bereits hinreichend ist, um hiermit als mit einem Digital-FortbildungsMittelwerte 29,75 56,71 85,70 Basisausbildung im gehobenen Backlog in den Dienst. Digitale Befähigung ist ein Übersicht der Informatik-Vorlesungsstunden (60 Minuten) in den Studiengängen für die Verwaltung. *Für das Saarland war kein Modulhandbuch öffentlich Dienst in der öffentlichen Ververfügbar. Für den Bund war für das 1. Semester kein Studienplan auf den Webseiten zum Studiengang ersichtlich. In Hessen, Niedersachsen, Nordrhein- waltung eventuell jahrzehntelang kaum relevanter Teil der tertiWestfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt handelt es sich beim Informatikunterricht entweder um reine Vermittlung von MS-Office-Kenntnissen oder aber Verwaltungsalltag digital zu ge- ären Ausbildung für den gehoum Wahlfächer. benen Dienst in der öffentlichen stalten, scheint fraglich. Die Annahme, dass diese Fä- Verwaltung. Auch vor diesem Verwaltungsrecht nicht zum higkeiten woanders erworben Hintergrund verwundert es aldulhandbuch klar als solche 1. die Unterrichtsstunden (PräKerngeschäft der Verwaltung werden, erscheint aus Sicht der so kaum, dass Verwaltung in ausgewiesen waren; senz) zu Themen der Inforder Pandemie vor allem durch Autoren verfehlt, denn gehören. 3. Unterrichtsstunden für Psymatik bzw. Verwaltungs• die berufliche Praxisphase Erlasse, Verordnungen und Be4. jeweils nur Pflichtlehrveranchologie und Soziologie soinformatik summiert sind, scheidet aus: Von in digita- scheide in Erscheinung trat und staltungsstunden gewertet wie zusätzlich für Zivil- bzw. wobei auf volle Stunden à len Kompetenzen nur gering nicht durch wirksame digitale wurden. Wenn ein VertiePrivatrecht der Informatik 60 Minuten umgerechnet ausgebildeten Verwaltungs- Lösungen zur Kontaktverfolgung, fungsbereich oder Wahlfach gegenübergestellt wurden. wurde; mitarbeitern, die im Jahr Organisation der Impfkampagexistiert, so kann nicht davon Diese Fächerauswahl ist ge2. Inhalte, die reine Anwender2022 nicht mit einfachem nen, für tagesaktuelles Reporting ausgegangen werden, dass wiss willkürlich, die Autoren kenntnisse, v. a. Microsoft digitalen Handwerkszeug von Infektions- und Impfzahlen dies allen angeboten oder haben hier bewusst Fächer Office-Produkte, vermitteln, wie bspw. qualifizierten und durch andere notwendige auch nur von einer signifigewählt, die im Gegensatz herausgerechnet wurden – elektronischen Signatu- Dienste. kant großen Anzahl angenomzur Kameralistik oder zum sofern sie im jeweiligen Mo-

Eine Bestandsaufnahme an den Hochschulen für den Öffentlichen Dienst in Deutschland

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Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juli 2022

D

aher ist es erfreulich, dass sich die Koalition auch weitere Maßnahmen vorgenommen hat. Das Förderprogramm “Smart Cities made in Germany/Modellprojekte Smart Cities” soll fortgesetzt und auf ländliche Regionen ausgeweitet werden. Nach einer Pause im Jahr 2022 wird ein weiterer Förderaufruf 2023 erfolgen. Zusätzlich sollen ein Smart-City-Stufenplan im Sinne eines Best-Practices-Katalogs erstellt sowie ein “Smart CityKompetenzzentrum” aufgebaut werden. Die Funktion des Kompetenzzentrums wird die Koordinierungs- und Transferstelle wahrnehmen. Die Erstellung eines Smart-City-Stufenplans soll laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion erst nach einer Evaluation der laufenden Förderprogramme erfolgen. Bei der Smart-City-Förderung zeigt sich eine deutliche Handschrift der drei Koalitionäre. Die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sowie die Stärkung von Kommunen mit klammen Kassen durch die Reduzierung des Investitionsstaus sind allerdings bekannte Forderungen der Kommunalpolitik früherer Koalitionen. Mit Blick auf die Smart-CityFörderung sticht besonders die Betonung der Verbindung von Städtebau, Digitalisierung und

Modellprojekte Smart Cities Ausbau der Digitalisierung ländlicher Regionen (BS/Michael Pfefferle) Die Smart-City-Förderung des Bundes steht vor einer Bewährungsprobe. Die digitale Transformation zieht sich als wichtiges Motiv durch den gesamten Koalitionsvertrag. Deutschland braucht nichts weniger als einen umfassenden digitalen Aufbruch, verspricht die Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP. Die Ampelregierung hat sich auch für die Smart-City-Förderung ambitionierte Ziele gesetzt. Die Koalition kann dabei auf einer großen Dynamik der vergangenen Jahre bei den smarten Städten aufbauen. Insgesamt 820 Millionen Euro hatte die Vorgänger-Regierung für die 73 “Modellprojekte Smart Cities” zur Verfügung gestellt. Im Sommer 2021 erfolgte zudem der Start der neuen Koordinierungs- und Transferstelle des Bundes, die den Wissenstransfer zwischen Kommunen ermöglicht sowie die Projektbegleitung der Modellprojekte sicherstellt. Trotz dieser politischen Ambitionen führte die vergangene Legislatur alles andere als zu einer Skalierung der digitalen Kommunen. Klimaschutz hervor. Dabei ist die entscheidende Botschaft auch beim Bund angekommen: Für ca. 75 Prozent des gesamten CO2Ausstoßes sowie für 80 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs sind laut Climate Service Center Germany (GERICS) Städte verantwortlich.

Michael Pfefferle ist Bereichsleiter Smart City & Smart Region beim bitkom e.V. Foto: BS/bitkom

Nachhaltige und resiliente Kommunen als neues Zielbild Schon heute kämpfen deutsche Kommunen mit den Folgen des Klimawandels, bspw. durch starke Hitzeinseln in Metropolen, starkem und kurzfristigem Niederschlag sowie der Senkung des Grundwasserspiegels. Staaten wie Deutschland kommen bei dem Ziel der weltweiten Reduzierung von Treibhausgasen nicht umher, Mobilität sowie Gebäude in Städten klimagerecht zu modernisieren und zu digitalisieren. Es ist daher sehr zu

begrüßen, dass die Regierung die Förderung des Städtebaus zur Erreichung von Klimazielen benennt, beispielswiese durch den digitalen Zwilling, das BuildingInformation-Modelling sowie die Digitalisierung des Bauwesens. Insgesamt 790 Mio. Euro sieht der Etat des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bau im Jahr 2022 für die Ziele des Städtebaus vor. Die digitale Souveränität von Kommunen ist in aller Munde

und doch werden die dafür relevanten Weichen kaum gestellt. Die Digitalisierung darf nicht weiterhin eine freiwillige Aufgabe von Kommunen sein, sondern muss zur Pflichtaufgabe werden.

Digitalisierung: von der Kür zur Pflichtaufgabe Ebenso sollte die Bundes- und Landespolitik endlich die Initiative ergreifen, um Kommunen feste Digitalisierungs-Budgets zuzuweisen. Dadurch könnten die Bürgermeister/-innen auch abseits nur kurzfristig bewilligter Fördergelder Digitalprojekte planen und umsetzen. Denn vom bestehenden Fördersystem profitieren am wenigsten die kleinen und ländlichen Kommunen, die

finanzielle und fachliche Unterstützung am dringendsten benötigen. Wir kommen ebenso nicht darum herum, die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes für Digitalisierungsfachkräfte zu steigern, um langfristig Knowhow in Behörden und Kommunen aufzubauen.

Hohe Erwartungen an die Modellprojekte Smart Cities Die aktuelle Legislaturperiode wird zeigen, ob entscheidende Impulse und Erfolge bei der SmartCity-Förderung des Bundes bestehen. Alle Kommunen blicken nun auf die 73 Modellkommunen. Diese verfügen über die idealen Voraussetzungen, um nun zeitnah Erfolge vorzulegen. Denn wir brauchen in Deutschland zeitnah Erfolgsgeschichten, die aufzeigen, wie die Kommunen mittels Digitalisierung die Lebensqualität im Alltag der Menschen steigern.

Ein Leuchtturm

K

napp eineinhalb Jahre nachdem wir die Implementierung des Scaled Agile Frameworks (SAFe) angestoßen haben, sind wir nun durch die Lizenzgeberin (die Scaled Agile Inc.) in einem intensiven Verfahren mit Fragebögen und Videos unter zahlreichen internationalen Bewerbern aus der Privatindustrie und dem öffentlichen Sektor als “Best Practice Customer Story” ausgewählt worden. Ein Novum: Wir dürfen uns stolz die ersten Vertreter aus der deutschen Verwaltung bei diesem internationalen Event in Denver im August nennen. Die Lizenzgeberin des Scaled Agile Frameworks, die Scaled Agile Inc., entwickelt kontinuierlich basierend auf dem Feedback aus allen Sektoren das agile Framework weiter. Ein Schlüsselevent, in welchem international die erfahrensten Kompetenzträger, spannendsten Projekte und Vertreter/-innen aus der Wirtschaft zusammenkommen, ist der jährlich stattfindende SAFe Summit.

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Internationaler Best-Practice-Case auf dem SAFe Summit (BS/André Henke) Der steinige Weg der Agilisierung der Verwaltung hat sich gelohnt. Unter zahlreichen Bewerbungen aus privatem und öffentlichem Sektor wurde die Implementierung des Scaled Agile Frameworks (SAFe) in der niedersächsischen Verwaltung als Leuchtturm ausgewählt. Ein sicherlich entscheidender Aspekt war, dass das Programm DVN als das erste und aktuell einzige Programm der Verwaltung in Deutschland in einer solch kurzen Zeit und in einem solchen Umfang methodisch erfolgreich auf das Scaled Agile Framework (SAFe) umgestellt wurde. Sowohl die Projektteams unterschiedlichster Hierarchieebenen als auch alle nds. Ressorts wurden und werden noch weiter in den Prozess einbezogen. Im Nds. Ministerium für Inneres und Sport als federführendes Ressort sind agile Rollen des Frameworks inzwischen sogar nachhaltig in Geschäftsverteilungsplänen verankert worden und in Ausschreibungen werden “agile Kompetenzen” gefordert. Das sorgt für Nachhaltigkeit!

Darüber hinaus wird über Herausforderungen berichtet, die wir im Rahmen der agilen Transformation insb. im öffentlichen Sektor hatten. Hierzu gehören z. B. unsere Adaptierung des Frameworks an Finanzprozesse der Verwaltung, um agiles Planen zu ermöglichen, unsere Implementierung eines VirtualReality-Piloten zur verbesserten agilen Zusammenarbeit oder die Einbindung programmexterner Mitarbeiter durch eine punktuelle Agilisierung von Schnittstellen zu nicht agil arbeitenden Bereichen der Verwaltung. Ein weiter wichtiger Aspekt war die Art und Weise des Blickes auf die Prüfung des Programms DVN durch den Niedersächsischen Landesrechnungshof. Die Prüfung wurde als Chance analog einer Retrospek-

tive im agilen Kontext verstanden. Retrospektiven André Henke, Programmsind im agilen leitung Digitale Verwaltung Kontext TeamtrefNiedersachsen, Niedersächsifen, deren Ziel es sches Ministerium für Inneres ist, aus der Verund Sport gangenheit zu lerFoto BS/Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport nen. Sie analysieren, warum Dinge gut liefen oder von Erwartungen abwichen, um so Maßnahmen zur Verbesserung zu formulieren und anzugehen. In diesem Kontext erhielt das Programm DVN die Empfehlung des Nds. Landesrechnungshofes: “Das Land sollte die Instrumente dieses agilen Ansatzes künftig umfassend nutzten”. 7HLO 6$)H 6XPPLW Auf Basis von Praxiserfahrungen werden wir den Teilnehmen-

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Nur so werden perspektivisch weitere Kommunen und Bürger/innen von vernetzten Städten und Regionen überzeugt werden. Ebenso werden die vier Jahre der Legislaturperiode die erste Bewährungsprobe für die neue Koordinierungs- und Transferstelle darstellen. Diese muss die nötigen Erfolge vorweisen, dass das Prinzip bestehend aus Förderung, Wissenstransfer und dem Rollout in andere Kommunen auch zur Skalierung führt. Dazu bedarf es transparenter Indikatoren, die den digitalen Wandel der Kommunen hin zu nachhaltig digitalen Städten erfassen und so den politischen Diskurs anregen. Letztlich wird sich auch das neue Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bau daran messen lassen müssen, ob die fachliche Zusammenlegung von Städtebau und Digitalisierungsförderung in einem Haus zu erheblichen Mehrwerten führt.

Ein erster Status quo wird mit Spitzenvertretern der Politik auf der diesjährigen Smart Country Convention vom 18.-20. Oktober in Berlin diskutiert.

den des Summits Empfehlungen an die Hand geben. Ein Auszug: • Frühzeitige Einbeziehung der Finanzverantwortlichen und Etablierung von iterativen Lernzyklen in der Finanzplanung auf Teamebene. • Bleiben Sie flexibel und übersetzen Sie das Framework entsprechend den sprachlichen und rechtlichen Barrieren. • Nutzen Sie die neuesten Technologien bei Ihrer agilen Transformation, um neue Wege zur Verbesserung der Zusammenarbeit in virtuellen Umgebungen zu finden. • Befähigen Sie “nicht-agile” Stakeholder, Befürworter und Treiber des Wandels in ihrer Behörde zu werden. • Eine schnelle Umsetzung und Festigung der Strukturen in der Linienorganisation, nach Entscheidungen der Sponsoren, sind empfehlenswert. Schnelligkeit am Anfang ist entscheidend. Zeigen Sie Erfolge, bevor potenzielle Kritiker die Veränderung anzweifeln.

KIEL

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HANNOVER


Informationstechnologie

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Den ÖGD zukunftsfest machen

B

ehörden Spiegel: Herr Dr. Seidel, wo sehen Sie die aktuell größten Herausforderungen bei der Digitalisierung des ÖGD? Dr. Christoph Seidel: Mit dem Pakt für den ÖGD hat der Bund 800 Mio. Euro zur Förderung der Digitalisierung des ÖGD bereitgestellt. Die Förderung kommt zu einer Zeit, in der insbesondere die personellen Ressourcen des ÖGD noch immer durch die Pandemie gebunden sind. Dabei besteht die Notwendigkeit, die Digitalisierung des ÖGD weiterzuentwickeln. Der zeitliche Rahmen ist ehrgeizig. In dieser Spannungslage wollen wir die zur Verfügung stehenden Mittel zielgerichtet und koordiniert einsetzen. Hierfür hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die “Arbeitsgruppe Digitalisierungsstrategie für den ÖGD in Niedersachsen” einberufen. Darin sind das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport, des Landesgesundheitsamt, die kommunalen Spitzenverbände sowie vier kommunale Gesundheitsämter vertreten. Gemeinsam mit den kommunalen Gesundheitsämtern und dem Land hat die AG in den vergangenen Wochen und Monaten Säulen einer Digitalisierungsstrategie erarbeitet und Maßnahmen für die kommenden Jahre identifiziert. Das Land wird Fördermittel für koordinierte Landesmaßnahmen und länderübergreifende Maßnahmen (ELFA-Prinzip: EinLand-für-alle) beantragen, die Anträge werden aktuell vorbereitet. Dabei bietet die Förderung auch Raum für die individuellen Bedürfnisse der Gesundheitsäm-

Behörden Spiegel / Juli 2022

Niedersachsen treibt Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes voran (BS) Die Pandemie hat Schwachstellen in der Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) deutlich zutage gefördert. In Niedersachsen soll eine Digitalisierungsstrategie sowie ein Pakt seitens des BMG für den ÖDG diese Defizite in den kommenden Jahren beheben. Über die Herausforderungen und die Potenziale der Digitalisierung des ÖGD sprach der Behörden Spiegel mit Dr. Christoph Seidel, Leiter des Referats E-Health, Digitalisierung, Soziale Gesundheitswirtschaft im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen.

“…“Bottom-up” ein Rahmenplan für die Gestaltung der Digitalisierung für die kommenden fünf Jahre …”

Dr. Christoph Seidel, ist Leiter des Referats E-Health, Digitalisierung, Soziale Gesundheitswirtschaft im Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen. Foto: BS/privat

ter vor Ort. Alle kommunalen Gesundheitsämter können für sich die Förderung von Modellvorhaben beantragen. Behörden Spiegel: Welche Chancen sehen Sie im Pakt ÖGD? Dr. Seidel: Der Pakt für den ÖGD wird zu einer wesentlichen Stärkung der Strukturen des ÖGD beitragen. In Niedersachsen sind wir bei der Umsetzung auf einem guten Weg. Im Jahre 2021 konnten wir die Ziele aus dem Personalaufbau aus dem

Pakt für den ÖGD deutlich übertreffen. In Niedersachsen wurden insgesamt rund 300 neue unbefristete Stellen geschaffen und besetzt. Mit den Mitteln für die Digitalisierung des ÖGD lassen sich landesweit und auch in den einzelnen Gesundheitsämtern wichtige Digitalisierungsmaßnahmen umsetzen. Hierbei kommt uns in Niedersachsen zugute, dass wir ebenfalls die Federführung für das Themenfeld Gesundheit im Onlinezugangsgesetz (OZG) haben und als Mitglied im Bei-

rat der gematik vertreten sind. Mit dem OZG sollen behördliche Dienste für Bürgerinnen und Bürger digitalisiert werden, wie Niedersachsen dies bereits mit der Online-Infektionsschutzbelehrung und den Anzeigepflichten nach § 13 Trinkwasserschutzverordnung getan hat. Gleichzeitig müssen sich die Gesundheitsämter an die Telematikinfrastruktur der gematik für den Zugang zu den Diensten, wie der Kommunikation im Medizinwesen (KIM) und der elektronischen Patientenakte (ePA, anschließen. In den

ÖGD kommen wie nirgendwo sonst behördliche Aufgaben und Aufgaben im Gesundheitswesen zusammen. Es bietet sich hier die Chance, diese beiden Digitalisierungsbereiche zusammenzuführen. Ich bin überzeugt, dass es uns gelingen wird, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung den ÖGD langfristig und nachhaltig zukunftsfest zu machen. Behörden Spiegel: Wieso ist ein strategisches und gemeinsames Vorgehen aller Einrichtungen des ÖGD in Niedersachsen wichtig? Dr. Seidel: Der Pakt für den ÖGD richtet sich an alle Ebenen des ÖGD. Im ÖGD arbeiten zahlreiche Akteure verschiedener Verwaltungsebenen zusammen. In Niedersachsen gibt es 44 kommunale Gesundheitsämter. Es ist wichtig, die Gemeinsamkeiten und auch die regionalen Besonderheiten in den Blick zu nehmen und ihnen Rechnung zu tragen. Dies erfordert einen ständigen Austausch und eine enge Abstimmung, um einen zielgerichteten Einsatz der Mittel mit einer Weichenstellung für die nächsten Jahre zu gewährleisten. Behörden Spiegel: Was sind für Sie die wichtigsten Handlungserfordernisse zur erfolgreichen Umsetzung der Digitalisierung des ÖGD? Dr. Seidel: Zentraler Punkt ist die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie, die in einem Rahmenkonzept allen Beteiligten zur Verfügung gestellt wird. Diese ist einerseits als Teil des in den Förderkriterien des Bundes dargelegten Reifegradmodells wichtige Voraussetzung

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für Förderanträge. Andererseits ist sie auch eine Voraussetzung für den zielgerichteten Ausbau der Digitalisierung der Gesundheitsämter. Wesentliches Merkmal einer richtig verstandenen Digitalisierungsstrategie ist hierbei kein Papier, das als Ergebnis verabschiedet in den Schrank gestellt wird, sondern ein gemeinsam mit allen Betroffenen und Beteiligten getragener Prozess, in dem “Bottom-up” ein Rahmenplan für die Gestaltung der Digitalisierung für die kommenden fünf Jahre entwickelt, festlegt, gelebt und in regelmäßigen Abständen fortgeschrieben wird. Hierbei hat es sich als zielführend erweisen, diesen Prozess z. B. durch einen externen Dienstleister moderieren zu lassen, wie wir dies auch in Niedersachsen getan haben. Üblicherweise gliedert sich ein solcher Rahmenplan in die Abschnitte Struktur und Leistungsdaten, Applikationslandkarte, Governance, Stärken- und Schwächen der IT-Versorgung, Ziele und Projekte, Strategische Festlegungen, sodass mit der abgestimmten Entwicklung dieser Digitalisierungsstrategie zugleich auch Schwerpunkte und Hinweise für mögliche Förderanträge im Pakt für den ÖGD gewonnen werden können. Behörden Spiegel: Gibt es Erfahrungen, die Sie mit anderen Verantwortlichen in den Bundesländern teilen können? Dr. Seidel: Wir haben frühzeitig begonnen, alle Beteiligten des ÖGD in Niedersachsen umfassend zu informieren und die Herausforderung und Chancen klar benannt. In der Arbeitsgruppe und in unterschiedlichen Formaten mit allen Gesundheitsämtern haben wir gemeinsam mit allen Beteiligten die notwendigen Maßnahmen identifiziert und die nächsten Schritte abgestimmt. Die Beteiligung aller Ebenen des ÖGD mit Unterstützung durch einen externen Dienstleiser hat sich hier in Niedersachsen bewährt.

EfA-Schaufenster Beta-Version des Marktplatzes online (BS/gg) Die govdigital eG hat im Juni eine erste Beta-Version des Marktplatzes für EfA-Leistungen freigeschaltet. Diese ist als Schaufenster angelegt , in dem verfügbare Einer-für-alle-Leistungen dargestellt werden. Im Auftrag des IT-Planungsrates hat govdigital den Aufbau des Marktplatzes für solche Leistungen übernommen und baut das Schaufenster bis Ende des Jahres schrittweise zu einem vollwertigen Marktplatz aus. Über den Marktplatz sollen EfA-Leistungen einerseits beworben und bereitgestellt und andererseits bestellt und nachgenutzt werden. Die Nachnutzung über den Marktplatz ist datenschutzkonform und erfolgt als Inhouse-Vergabe. Hier sollen zukünftig verschiedene Anbieter ihre “Stände” betreiben. Kommunen, Behörden und öffentliche IT-Dienstleister können Dienste entweder über den FIT-Store der FITKO oder die Genossenschaft govdigital beziehen. Die Anbieter sind für die Inhouse-Vergabe entscheidend und stellen eine durchgängige Beziehungskette mit ihren unmittelbaren und mittelbaren Trägern her. Auf diese Weise wird ein Großteil der öffentlichen Gebietskörperschaften in Deutschland erreicht. Das Schaufenster soll, als erster Schritt beim Aufbau des Marktplatzes, einen Eindruck von der Oberfläche und Handhabe des Portals vermitteln. Erste PilotEfA-Leistungen sind verfügbar. Bestellungen sind bereits möglich und laufen derzeit noch über eine Kontaktaufnahme zum Bereitsteller oder Marktanbieter. Die Weiterentwicklung soll bis Jahresende iterativ und in enger Zusammenarbeit mit den

verschiedenen Partnern wie der FITKO erfolgen. “Wir wollen, dass das EfAPrinzip für alle Seiten ohne großen Aufwand genutzt werden kann. Der Marktplatz soll der Ort sein, an dem alle Leistungen verfügbar und bestellbar sind”, erklärte Martin Schallbruch, CEO der govdigital. “Nun können sich alle Interessierten einen Eindruck verschaffen, wie FIT-Store-Leistungen und Leistungen anderer Anbieter im Marktplatz präsentiert werden. Die Funktionen für das Einstellen von Angeboten und der Bestellprozess werden bis Jahresende weiter ausgebaut”, sagt Dr. Annette Schmidt, Präsidentin der FITKO. “Der Marktplatz ist eine der nötigen Voraussetzungen, um EfA praktisch umsetzen und dauerhaft betreiben zu können. Er strukturiert die Abwicklung zwischen Ländern, Kommunen und ihren Dienstleistern und schafft darüber hinaus Rechtssicherheit”, so Jörn Riedel, Chief Information Officer der Freien und Hansestadt Hamburg. “Die OZG-Umsetzung ist nach wie vor eine Herausforderung, der wir nur gemeinsam bewältigen können”, unterstrich BundesCIO Dr. Markus Richter.


IT-Sicherheitstag Sachsen

Behörden Spiegel / Juli 2022

“I

ch kenne einen hochkarätigen Juristen, der ein Tool im Gebrauch hatte, das Mausbewegungen simuliert, damit der Bildschirmschoner nicht angeht”, erzählt Katja Thalheim-Heinecke von der Hochschule Meißen (FH) und Fortbildungszentrum. Der Mann habe aus Bequemlichkeit seine sämtlichen Daten ungeschützt gelassen. Jeder habe ohne Passwortabfrage auf seinen PC zugreifen können.

Gemeingefährliche IT-Sicherheitsmuffel Der menschliche Faktor (BS/Benjamin Hilbricht) Die Hälfte aller Cyber-Angriffe gelingt nur, weil ein Mensch einen Fehler macht. Also fordern manche IT-Sicherheitsverantwortliche Lösungen, bei denen Nutzerinnen und Nutzer möglichst wenig selbst machen. Andere wollen sie durch Aus- und Fortbildung zu Sicherheits-Assets machen. Der richtige Weg wurde auf dem IT-Sicherheitstag Sachsen 2022 kontrovers diskutiert.

Zu kompliziert, zu teuer? Wie sollen Dienstherren mit Mitarbeitern umgehen, die quasi die Maskenmuffel der IT-Security sind? Ähnlich wie bei der CoronaImpfung schöben die Menschen die angeblichen Nebenwirkungen vor, um sich nicht mit ITSicherheit befassen zu müssen, sagt Jörg Steinig. Der Beauftragte für Informationssicherheit des Landes (CISO) Freistaat Sachsen listet auf: “Zu kompliziert, zu teuer…” Uwe Hoppenz, Fachbereichsleiter Cyber-Sicherheit in mobilen Infrastrukturen und Chiptechnologie, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Freital, stimmt ihm zu. Aber er sagt auch: “Wenn wir immer auf den Nutzer einschlagen, werden wir keinen Gewinn haben.” Deswegen bemühe sich das BSI beim Aufbau des 5G- und 6G-Netzes, den User in den Mittelpunkt zu stellen. “Wir müssen es einfach handhabbar machen”, betont er. “Sicherheit muss für den Nutzer lebbar sein.”

Seite 33

Welchen Stellenwert hat der User für sichere IT? Dies diskutierten (v.l.n.r.:) Uwe Hoppenz (BSI Freital), Jörg Steinig (CISO Freistaat Sachsen), Moderator Uwe Proll, Sandra Balz (TISiM-Geschäftsstellenleiterin, DSiM) und Henrik HohenloFoto: BS/Hilbricht he (Leiter des SN4C, LKA Sachsen).

“Wenn ich nicht verstehe, warum ich etwas tue, mache ich es nicht”, erklärt Sandra Balz. Balz leitet die Geschäfte der Transferstelle IT-Sicherheit im Mittelstand (TISiM) des Vereins Deutschland sicher im Netz e.V. (DsiN). Aufgrund ihrer Arbeit hat Balz viel Erfahrung mit den Opfern von Cyber-Attacken. Sie sagt, mit der IT-Sicherheit sei es wie mit Pillen, die ein Arzt verschreibe. Wenn die Patienten nicht einsähen, warum sie die Medikamente bräuchten, dann nähmen sie sie nicht. Wie soll eine Behörde mit Mitarbeitern – teilweise auch Führungskräften

Eine Lücke geschlossen…

umgehen, die ein IT-Sicherheitsrisiko sind? Es gibt technische Lösungen. “Die Sensorik, die uns durch Technik verloren gegangen ist, müssen wir durch Technik ersetzen”, stellt Steinig fest. So könne ein Programm herausfinden, ob ein Administrator sich dreimal falsch angemeldet habe.

Oder dann automatisch Alarm schlagen, wenn sich jemand um drei Uhr nachts von einem amerikanischen Server aus anmelde. Das ist aber nur die Ebene der Detektion. Innerhalb eines gesicherten Netzwerks müssen andere Vorkehrungen ergriffen werden. Nach dem Zero-TrustPrinzip bekommen Mitarbeitende nur diejenigen Berechtigungen, die sie absolut brauchen, um in einem System zu arbeiten. Das ist eine Entmündigung. Aber mit so einem Ansatz kann zumindest nicht der Praktikant Firmengeheimnisse ins Internet stellen. Andererseits kann man die Mitarbeiter besser ausbilden. Sie müssen wissen, wie Passwörter sicher gesetzt und verwahrt werden, dass und warum man Updates machen muss. Aber: “Ein IT-Mensch spricht sein Fachchinesisch und denkt, alle

verstehen ihn, weil alle nicken. Dabei wollen sie nur nicht zugeben, dass sie keine Ahnung haben”, sagt Roland Schreckenberger, jetzt Leiter bei ML Cyber Sec bei der ML Gruppe. Früher war er Informationssicherheitsbeauftragter der Stadt Troisdorf. Aus diesen Erfahrungen hat er zwei Erkenntnisse destilliert. Erstens sollten IT-Beauftragte eine Liste mit verbotenen Worten bekommen: kein “Script”, “Ransomware”, “Malware”… Die würden Laien nur verunsichern. Zweitens müsse einer sich quälen: die User oder die IT-Abteilung. Es sei die Aufgabe der letzteren, den Usern ihre Aufgaben so leicht wie möglich zu machen.

Was passiert, wenn alles schiefgeht Aber manchmal läuft alles schief, so wie im letzten Jahr in

der Kommune Anhalt-Bitterfeld. Die meisten wissen, wie sie sich bei Verkehrsunfällen oder bei Einbrüchen verhalten müssen. Doch bei Cyber-Angriffen auf ihr Unternehmen zahlen viele das Lösegeld und halten die Polizei aus dem Spiel. “Informieren Sie die Polizei! Wir müssen wissen, dass etwas passiert”, sagt Henrik Hohenlohe in Richtung der Opfer von Cyber-Angriffen. “Sicher nicht, weil ich Ihnen verspreche, dass wir das Verbrechen aufklären”, fährt der Leiter des Cybercrime Competence Centers Sachsen (SN4C) dann fort. Nur jeder dritte Vorfall werde aufgeklärt. Aber die Sächsische Polizei sei gut vernetzt. Neben rund 90 Kräften im SN4C sei sie angebunden an das Bundeskriminalamt (BKA) und die anderen Landespolizeien. Zudem unterhalte das SN4C gute Beziehungen zum Bitkom e.V. und großen IT-Unternehmen. Wenn man bei einem Fall nicht weiterkomme, hole sich das SN4C Unterstützung aus der Wirtschaft. “Das Ganze ist auch kostenfrei.” Hohenlohe lächelt verschmitzt. “Wir haben kein Geschäftsmodell, das dahintersteht.”

ONLINE-CRASHKURS: Allgemeines Verwaltungsrecht für Nicht-Juristen Kompakter Überblick für Neu- und Quereinsteiger

…tausend neue geöffnet (BS/sp) Der Nachrichtenwert der Cyber-Sicherheit steigt täglich. Leider sind das keine guten Nachrichten, handelt es sich dabei meist um Berichterstattung über erfolgreiche Cyber-Angriffe. Mittlerweile stehen für Firmen Cyber-Attacken auf Platz eins der Geschäftsrisiken, erläutert Thomas Popp, Mitglied der Staatsregierung und CIO der sächsischen Staatskanzlei, auf dem IT-Sicherheitstag Sachsen des Behörden Spiegel. Das Nachbarland von Sachsen, Sachsen-Anhalt, hat in dieser Thematik seine besonders bitteren Erfahrungen gemacht.

Thomas Popp (vorne re.), Mitglied der Staatsregierung und CIO der sächsischen Staatskanzlei, im Gespräch mit einem Cyber Security-Unternehmen auf dem IT-Sicherheitstag Sachsen. Foto: BS/Schubert

Die Rede ist vom medienwirksamen Angriff auf die Kommunalverwaltung Anhalt-Bitterfeld im letzten Jahr. Solche erfolgreichen Hacker-Angriffe gefährdeten die Versorgungssicherheit für Bürger/-innen und seien aber nur die “Spitze des Eisbergs”, sagt Popp. In Anhalt-Bitterfeld waren mehr als 1000 Computer und 159 Programme von der Cyber-Attacke betroffen. Des Weiteren sei die Arbeit von Rechnungswesen und Führerscheinstelle extrem eingeschränkt oder gar nicht verfügbar gewesen, erklärt Henrik Hohenlohe, Leiter der zentralen Ansprechstelle Cybercrime im Landeskriminalamt Sachsen. Auch er beobachtet, dass Wirtschaft und Verwaltung immer mehr von Cyber-Attacken betroffen sind: “Cyber-Angriffe betreffen mittlerweile neun von zehn Unternehmen.” Ein besonders großes Problem entstehe durch Cyber Crime as a service, erläutert Hohenlohe: “Dabei handelt es sich um illegale Marktplätze mit Kaufhaus-Charakter. Die Nutzenden haben einen leichten Zugang zu den Angeboten und brauchen keine Expertise, um eine “Dienstleistung” zu erwerben. Er fordert einen Dreiklang aus IT-Sicherheit,

Strafverfolgung und Awareness bei den Nutzenden. Nur so könne man der Entwicklung der steigenden Cyber-Gefahr entschlossen entgegentreten. Durch das sächsische Informationssicherheitsgesetz werden die sächsische Staatsverwaltung und die sächischen Kommunen zu Aufbau und Unterhaltung einer angemessenen Informationssicherheit verpflichtet. Dennoch gestaltet sich die Bekämpfung im Freistaat schwierig: “Wenn wir eine Sicherheitslücke schließen, schaffen Kriminelle tausend neue”, sagt Staatssekretär Popp. Er fordert dazu auf, die Awareness vor allem bei den Kleinunternehmern zu steigern. Diese sähen sich oft nicht als Angriffsziel: “Auch wenn sie “nur” Opfer von Kollateralschäden werden, können sie nicht mehr arbeiten”, so Popp. Der CIO der sächsischen Staatskanzlei rief weiterhin dazu auf, die IT-Infrastrukturen resilienter zu gestalten. Doch sei das nicht das Hauptproblem: “Am Ende müssen wir die Mitarbeitenden mitnehmen. Das wichtigste sind sensibilisierte Bedienstete und Führungskräfte.” Der Faktor Mensch sei leider immer noch der anfälligste Punkt bei der CyberSicherheit, resümiert Popp.

Dieser Online-Crashkurs soll kompakt Grundkenntnisse im Öffentlichen Recht mit Bezugnahme zur alltäglichen Arbeit in der Verwaltung vermitteln. Die Teilnehmenden erwerben anhand von Fallbeispielen und Übersichten Wissen über die grundsätzlichen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und deren Einbettung in das Rechtssystem. Sie erwerben Kenntnisse zu zentralen Fragen im Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht unter Bezugnahme zur praktischen Arbeit in einer Behörde. Sie erhalten einen Überblick über die wesentlichen Grundzüge eines Verwaltungsverfahrens unter Berücksichtigung der Rechte aller Beteiligten. Die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer werden den Verwaltungsakt als wichtiges öffentlich-rechtliches Handlungsinstrument und dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen kennenlernen. Und sie werden den Handlungsspielraum einer pflichtgemäßen Ermessensentscheidung verstehen lernen.

THEMENÜBERBLICK, 28. August 2022, 09:00-16:00 Uhr: • Aufgaben der öffentlichen Verwaltung • Aufbau der Bundesverwaltung – Träger öffentlicher Gewalt • Abgrenzung Öffentliches Recht – Privatrecht • Standort VwVfG im Öffentlichen Recht – allgemeines/besonderes Verwaltungsrecht • Verwaltungsverfahren/Rolle der Beteiligten am Verwaltungsverfahren • Handlungsform der öffentlichen Verwaltung – der Verwaltungsakt • Wirksamkeit von Verwaltungsakten • Nebenbestimmungen • Widerruf/Rücknahme von Verwaltungsakten • Ermessen/pflichtgemäße Ermessensentscheidung

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de; Suchworte „Crashkurs“ Foto: ©Milan, stock.adobe.com


IT-Sicherheit

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Am Tage Q

T

heoretisch wurden alle Codes, die wir heute zur Verschlüsselung nutzen, schon im Jahr 1994 gebrochen, berichtet Prof. Dr. Johannes Ruhland, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Friedrich-Schiller-Universität, Jena. Damals entwickelte der amerikanische Informatiker Peter Shor quantenbasierte Entschlüsselungs-Algorithmen. Nur aus einem einzigen Grund sind unsere Daten noch sicher: Bislang fehlt die Hardware, um diese Algorithmen anzuwenden. Doch die Ruhe trüge, warnt Dr. Manfred Lochter. Er arbeitet beim BSI in der Abteilung, die KryptografieVerfahren standardisiert und entwickelt. Heute schon könnten Verbrecher Daten absaugen, speichern und dann in ein paar Jahren mit Quantencomputern entschlüsseln. Das Vorgehen nenne sich “store now, decrypt later” (SNDL). Deswegen müssten Behörden und Unternehmen jetzt handeln. Zuerst gelte es eine interne Risikoanalyse durchzuführen. Die besonders gefährdeten Daten sollten dann möglichst bald quantensicher verschlüsselt werden. Besonders die Geheimdienste und das Auswärtige Amt (AA) sind sich der Gefahr bewusst, wie aus ihren gelegentlichen Mitteilungen hervorgeht. Um Shors Algorithmen zu entgehen, gebe es zwei Wege, erklärt Ruhland. Auf der einen Seite könnten Quantencomputer selbst hinreichend komplexe Verschlüsselungen generieren. Aber da diese Maschinen noch nicht einsatzfähig seien, greife diese Lösung erst, wenn es zu spät sei. Nämlich dann, wenn die Quantencomputer schon dabei seien, Codes zu knacken. “Wir brauchen etwas, das auf unseren gegenwärtigen Computern läuft”, betont Ruhland deshalb. Das ist die zweite Möglichkeit: Algorithmen und Verschlüsselungen zu benutzen, die die angenommene Leistungsfähigkeit der kommenden Codebrecher schon berücksichtigen. Dieses Vorgehen nennt sich

Post-Quanten-Kryptografie Made in the USA? (BS/Benjamin Hilbricht) Q-Day ist der Tag, an dem Quantencomputer einsatzfähig sind. Ab dann fräßen sich diese Maschinen durch die StandardVerschlüsselungen von heute als wäre es nichts. So geht die Erzählung. Deswegen bereitet das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) quantensichere Verschlüsselungen vor. Doch es orientiert sich dabei nicht an der EU, sondern an den USA. Gleichzeitig hat ein globales Wettrennen mit China und Russland begonnen. Es geht um nichts weniger als die technologische Vorherrschaft. Die Systemrivalen Russland und China dagegen betreiben entsprechende Projekte. Insbesondere das chinesische Projekt bereitet Sicherheitsforschern Sorgen.

Wettrennen der Großmächte

“Die Bundesregierung nimmt an, dass es im Jahr 2030 kryptografisch relevante Quantencomputer geben wird”, erklärte Dr. Manfred Lochter vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) auf der “Security in the Quantum Foto: BS/Hilbricht Age”-Konferenz in Jena.

Post-Quantum-Verschlüsselung. Für den Hochsicherheitsbereich arbeite das BSI unter der Annahme, dass es im Jahr 2030 kryptografisch relevante Quantencomputer geben könne, erklärt Lochter. Dementsprechend habe das Amt bereits Post-Quanten-Verschlüsselungsstandards empfohlen. Dafür orientiert es sich am großen Bruder.

Standards Made in the USA “Wir vertrauen dem NIST-Prozess”, sagt Lochter. NIST steht für National Institute of Standards. Die amerikanische Bundesbehörde ist für alle Arten von Standardisierungen zuständig – unter anderem auch in der Kryptografie. Nach einem internationalen Wettbewerb und mehreren Runden hat NIST fünf Post-Quanten-Algorithmen vorgeschlagen. Also fünf Wege, Daten so zu verschlüsseln, dass ein Quantencomputer sie nicht wieder entschlüsseln kann – zumindest nicht zu schnell. Das NIST hatte angekündigt, dass es die finalen Kandidaten diesen März veröffentlichen würde, erzählt Lochter. Das sei nicht geschehen. Stattdessen sei einer

der fünf Algorithmen, Rainbow, erfolgreich angegriffen worden. “Wir hätten diesen Algorithmus nie empfohlen”, stellt Lochter klar. Aber warum folgt das BSI einem amerikanischen Standard? Schon vor zwei Jahren forderte der damalige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD): “Bestimmte Schlüsseltechnologien müssen wir jedoch auch selbst beherrschen und in Europa selbst besitzen. Dazu zählen etwa Künstliche Intelligenz, Quanten-Computing und Chiptechnologien.” Quantencomputer seien ein grenzüberschreitendes Problem, heißt es aus dem BSI. Diese Technologie mache nicht vor physischen Grenzen halt. Daher sei eine internationale Lösung vonnöten. Auch um die Interoperabilität – also das Zusammenspiel von verschiedenen ComputerSystemen – zu gewährleisten, brauche es verbindliche internationale Standards. Ein deutscher Alleingang würde kaum helfen. Doch zur Wahrheit gehört, dass dem BSI keine andere Wahl bleibt. Die Europäische Union habe keinen vergleichbaren Standardisierungsprozess, sagt Lochter.

“Deutschland ist nicht Cyber-ready” Bundeswehr im Inneren als Lösung? (BS/sp) Wie gut ist Deutschland im Bereich der IT-Sicherheit aufgestellt? Durch die Invasion der russischen Streitkräfte in der Ukraine wächst in Europa die Gefahr durch die Zunahme von Cyber-Angriffen. Auch Vertreter von Politik und Wissenschaft bewerten die derzeitige Cyber-Gefahrenlage als sehr ernst. Nach einer vom Unternehmen Trellix durchgeführten Studie könnten vor allem Regierungsinitiativen für eine Steigerung der Cyber-Sicherheit sorgen. Befragte sehen aber noch erhebliche Lücken, vor allem bei der Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren. So sähen es mehr als 95 Prozent der Befragten in Deutschland als sinnvoll an, Kooperationen zwischen Organisationen und Regierung im Bereich der CyberSicherheit auszuweiten, erklärte Chris Hutchins, Managing Director for Public Policy EMEA von Trellix auf einem parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel mit fachlicher Unterstützung des IT-Unternehmens. Ferner seien nur 40 Prozent der Befragten aus Deutschland der Meinung, dass ihr Unternehmen bzw. ihre Institution ausreichende Strategien und angemessene Verfahren für das Risikomanagement in Software-Lieferketten implementiere. Ein Großteil der Bürger/-innen (87 Prozent) äußerte die Kritik, dass ihnen nicht bewusst sei, wie und wo Cyber-Sicherheitsprodukte hergestellt würden, sagte er.

Cyber-Abwehr der Bundeswehr im Inneren? Auch in der Politik ist man der Meinung, dass mehr für die Cyber-Sicherheit getan werden sollte. Maik Außendorf, MdB Bündnis 90/Die Grünen, vermisst die aktive Vorsorge und wünscht sich eine “verstärkte Debatte” über Cyber-Sicherheit. Er lehnt allerdings den Einsatz der Bundeswehr im Inneren fernab der Amtshilfe ab: “Eine struktu-

Behörden Spiegel / Juli 2022

relle Vermengung zwischen ziviler und militärischer Hilfe, auch im Cyber-Raum halte ich nicht für notwendig”, so Außendorf. Die Diskussion flammt aktuell wieder auf, weil die Bundeswehr mit dem militärischen Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum (CIR) seit 2017 eine Stelle besitzt, die sich aktiv mit Cyber-Gefahren auseinandersetzt und Personal zur Verfügung hätte, die bei CyberAttacken im Inland behilflich sein könnten. Dr. Reinhard Brandl, digitalpolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, stellt diese strikte Trennung infrage: “Cyber-Sicherheit muss täglich gelebt werden, die Expert/-innen müssen im Training und miteinander vernetzt sein.” Er schlägt vor, Soldaten unter Einsatz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in verschiedenen Stellen einzusetzen. Ähnlich wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) unterstützt er den Vorschlag, mehr Cyber-Sicherheit für Deutschland durch eine Grundgesetzänderung zu ermöglichen, um das BSI mit mehr Kompetenzen auszustatten.

Cyber-ready? Klares Nein Dr. Annegret Bendiek, stellvertretende Forschungsleiterin EU/Europa der Stiftung

Wissenschaft und Politik, hält eine Verstärkung der CyberSicherheit auf internationaler Ebene für sinnvoller als auf nationaler: “Die Entscheidungsgewalt muss europäisch verortet werden. Die Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit (ENISA) braucht mehr Kompetenzen und sollte mehr in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr gebracht werden”, sagte Bendiek in einer Diskussionsrunde im Rahmen der Veranstaltung. Sie rief dazu auf, Rechtssicherheit für die Bundeswehr beim Einsatz im Inneren bei der Cyber-Gefahrenabwehr zu schaffen. Die aktuelle Gefahrenlage mache eine Klärung des rechtlichen Rahmens dringend erforderlich. Sie bewertet die aktuelle Cyber-Lage sehr kritisch: “Wir leben seit dem 24. Februar in einem Unfrieden.” Auch wenn ein Militärangehöriger aus dem Publikum darauf hinwies, dass wir “völkerrechtlich in Friedenszeiten leben”, war die Aussage von Bendiek den Zuschauenden im Saal nachvollziehbar. Die Wissenschaftlerin warnte, dass man sich in einer “akuten Gefahrenlage” befinde und resümierte: “Wir sind nicht Cyberready und ich kann auch nicht absehen, wann wir es endlich sein werden.”

“Wir haben ein riesiges Problem in Europa. Im Rennen um den Quantencomputer sind China und die USA vorne”, warnt Prof. Dr. Antonio J. Alonso Timón, der Jura an der Universität Pontificia Comillas in Spanien lehrt. Vor allem stünden kaum funktionsfähige Plattformen in Europa zur Verfügung, ergänzt Dr. Robert Axmann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR e.V.). Ein Zustand, den sich das DLR e.V. gerade zu ändern be-

müht. Mit mächtig Rückenwind: im Corona-Konjunkturpaket, das die Bundesregierung im Jahr 2020 verabschiedete, widmete die damalige Regierung zwei Milliarden Euro der Entwicklung von Quantentechnologien. Ein großer Teil davon ging an die DLR, um Quantencomputer zu entwickeln. Denn wie beim Internet dürfte in diesem Bereich irgendwann gelten: wes Hardware, des Gesetz. Dabei geht es um Geostrategie. “China integriert seine Investments in Quantentechnologie in einen größeren machtpolitischen Rahmen – ähnlich wie bei der Neuen Seidenstraße”, erklärt Dr. Astrid Bötticher, Sicherheitsforscherin an der Universität Jena. Und China sei ernstzunehmen.

Das Land führe bei den angemeldeten Patenten im Bereich der Quantentechnologie. “Soweit wir die Debatte dort verstehen – sie ist hauptsächlich auf Chinesisch – haben die Algorithmen andere Namen, sind aber größtenteils die gleichen wie im Westen”, wiegelt Lochter ab.

Militärische Technologie In einem scheinen sich die Sicherheitsforscherinnen und -forscher einig. Post-Quanten-Verschlüsselung, Standardisierung und Regulierung sind notwendig, denn Quanten-computer sind gefährlich. “Der Quantum-Computer ist eine militärische Technologie, vorangetrieben durch militärische Investitionen und geheimdienstliche Ziele”, erklärt Ot van Daalen, Jurist an der Universität Amsterdam. “Das wird dem künftigen Gebrauch prägen. Aber hoffentlich können wir auch andere Formen der Nutzung entwickeln." “Es kann sein, dass Q-Day nie kommt. Aber wenn er kommt, werden Geheimdienste ganz vorne mitspielen”, prophezeit Ruhland.

“Cyber Readiness” staatlicher Einrichtungen Eine Betrachtung von Trellix (BS/Chris Hutchins) Sorgen um Cyber-Kriegshandlungen in der Ukraine haben die Diskussion über die “Cyber Readiness” staatlicher Einrichtungen und Kritischer Infrastrukturen in Europa wieder aufflammen lassen. Der Ausbruch der Feindseligkeiten hat das Gespenst einer massiven Verbreitung der Wiper-Malware WhisperGate und des neuen HermeticWiper heraufbeschworen. Schon vor Kriegsausbruch sah sich Deutschland mit immer komplexeren Angriffen auf staatliche Behörden und Organisationen, die Infrastrukturdienste bereitstellen, konfrontiert. Tatsächlich führt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in seinem neuesten Bericht zum digitalen Verbraucherschutz aus, dass “erfolgreiche CyberAngriffe auf lokale Behörden, Krankenhäuser, Firmen oder andere Einrichtungen mitunter gravierende Auswirkungen auf viele Menschen haben, die in den betroffenen Gemeinden leben, Kunden der betroffenen Firmen sind oder die von den betroffenen Einrichtungen angebotenen Dienstleistungen nutzen.” Um die Bundesregierung bei der erfolgreichen Abwehr dieser neuen Bedrohungen zu unterstützen, hat Trellix vor Kurzem seinen globalen “Cyber Readiness”-Report veröffentlicht. Der Bericht untersucht die Verbreitung von Cyber-Sicherheitstechnologien und die Haltung staatlicher Stellen zu entsprechenden Standards sowie die Rolle des öffentlichen und privaten Sektors im Kampf gegen diese Bedrohungen. Für den Bericht wurden verschiedene nationale und regionale Behörden, Anbieter Kritischer Infrastrukturen, öffentliche und private Dienstleister im Gesundheitswesen, Transport- und Logistikanbieter, Dienstleister auf Landes- und lokaler Ebene sowie Produzenten aus den Bereichen Transport, Gesundheitswesen (Pharmazie usw.) und Chemie befragt. Heraus kam eine alle Problembereiche abbildende Momentaufnahme der deutschen “Cyber Readiness” – von den Risiken innerhalb der Software-Lieferketten über Hindernisse bei der Nutzung neuer Cyber-Sicherheitslösungen, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Cyber-Sicherheitslage bis hin zur aktuellen und möglichen künftigen Rolle staatlicher Einrichtungen bei der Stärkung der Cyber-Sicherheit für diese Organisationen. Darüber hinaus wurden in der Umfrage die Prioritäten, die Herausforderungen und der Fortschritt bei der Implementierung hochentwickelter Cyber-Abwehrtechnologien wie der Modernisierung der CyberSicherheit in der Cloud, End-

Analog zu den weltweiten Ergebnissen wurde der Personalmangel in der Cyber-SiChris Hutchins ist Managing Director Öffentlichkeitspolitik cherheitsbranche EMEA bei Trellix. als große Herausforderung bei der Foto: BS/privat Einführung neuester Technologien und Lösungen point Detection and Response erkannt. Darüber hinaus sehen sowie Extended Detection and dem Bericht zufolge 95 Prozent Response (EDR-XDR), Multi- der deutschen und französischen Faktor-Authentifizierung (MFA) Befragten Raum für Verbesseund Zero-Trust-Architekturen rungen im Bereich der Partnerschaften zwischen dem öffentli(ZTA) analysiert. Bei den deutschen Teilnehmern chen und privaten Sektor, d. h. scheint die Modernisierung der zwischen nationalen RegierunCyber-Sicherheit in der Cloud gen und ihren Organisationen. am weitesten vorangeschritten Dabei stellen die Koordination zu sein. So geben 40 Prozent von Cyber-Abwehrmaßnahmen, der Befragten an, dass Techno- die Weitergabe von Bedrohungslogien zur Modernisierung der informationen und die Integrität Cyber-Sicherheit in der Cloud bei der Software-Lieferketten die ihnen umfassend eingeführt wur- wichtigsten Bereiche dar, auf die den. Allerdings zeigt die Studie man sich konzentrieren sollte. auch, dass nur 32 Prozent die 46 Prozent der deutschen Teilvollständige Implementierung nehmer bevorzugen eine Kombivon Technologien für Zero Trust nation aus Vorfallbenachrichtivollzogen haben. Den größten gung und Haftungsregelungen, Nachholbedarf bei den Cyber- um den Austausch von CyberAbwehrtechnologien gibt es in Angriffsdaten zwischen betroffeDeutschland bei MFA (nur 30 nen Unternehmen, staatlichen Prozent) und EDR-XDR (nur 27 Partnern und Fachpublikum zu Prozent). Dabei sagten die deut- erleichtern. Nach zwei Jahren COVIDschen Teilnehmer jedoch auch, dass sich die Technologien zur 19-Pandemie wurden die TeilModernisierung der Cyber-Si- nehmer gefragt, welche Rolle die cherheit in der Cloud schwieriger Herausforderung des Schutzes implementieren lassen als EDR- der Mitarbeiter im Homeoffice XDR (76 Prozent), Zero Trust (75 in der gesamten Cyber-SicherProzent) und MFA (67 Prozent). heitslage ihrer Organisation Bemerkenswert war, dass 56 spielt. 90 Prozent der deutschen, Prozent der deutschen Organi- 88 Prozent der französischen sationen Herausforderungen im und 87 Prozent der britischen Ausschreibungsverfahren als Teilnehmer glauben, dass die eines der größten Hindernisse Sicherung des Fernzugriffs auf für die Einführung neuer Tech- Unternehmenseinrichtungen durch die Pandemie wichtiger nologien ausmachten. Im Bereich des Risikos für die oder sogar viel wichtiger geworSoftware-Lieferketten bezeich- den ist. Darüber hinaus wurden neten 63 Prozent der deutschen Organisationen befragt, ob das Teilnehmer diese Richtlinien und während der Pandemie eingeProzesse als schwer zu imple- führte hybride Telearbeitsmodell mentieren und nur 40 Prozent weiterhin Bestand haben wird. der Organisationen gaben an, 48 Prozent der deutschen Teildiese Maßnahmen vollstän- nehmer antworteten, dass es dig implementiert zu haben. kein Auslaufmodell ist, sondern Staatliche Verordnungen, die dauerhaft bleiben wird. Nur elf Cyber-Sicherheitsstandards für Prozent glauben, dass es auslaudie gesamte Software-Branche fen wird und sich eine Vollzeitvorschreiben, werden jedoch nur Rückkehr ins Büro abzeichnet. von jedem zweiten Teilnehmer Wenn Sie weitere Informationen befürwortet. Sie glauben, dass die Implementierung der Tech- wünschen, empfehle ich Ihnen, nologien dadurch komplizierter den Trellix “Cyber Readiness”und teurer wird. Report in Gänze zu lesen.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Juli 2022

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Hacker-Angriff – Unbegrenzte Haftung

Digitale Verwaltung: Sicherheit von Beginn an

IT-Sicherheit in der kommunalen Infrastruktur schwach aufgestellt

Lösungen ganzheitlich denken

(BS/Hartmut Naujok) Ob Angermünde, Anhalt-Bitterfeld, Ludwigslust, Neustadt am Rübenberge, Potsdam, Schwerin oder Witten, um nur einige Beispiele zu nennen – sowohl bei Städten als auch Kommunen wurden bereits Systeme gehackt. Die Folgen waren verschieden: Daten wurden verschlüsselt, E-Mails konnten nicht mehr versendet oder empfangen werden, die zuständigen Stellen für Sozialleistungen oder sogar die Kfz-Zulassungsstelle waren nicht mehr arbeitsfähig. Auch Lohn- und Gehaltszahlungen konnten nicht mehr ausgeführt werden. Kurz: Die Verwaltungen waren in großem Umfang lahmgelegt.

(BS/Anton Kreuzer*) Im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) müssen Bund, Länder und Kommunen bis Ende des Jahres viele Leistungen auch digital anbieten. Da die von öffentlichen Einrichtungen verwalteten sensiblen Daten für Cyber-Kriminelle besonders attraktiv sind – das zeigen zahlreiche Angriffe auf deutsche Behörden 2021 –, kommt Cyber-Sicherheit hier eine Schlüsselrolle zu.

Die Ursache war in den meisten Fällen Ransomware. In einigen Fällen forderten die Täter Lösegeld in Höhe von 0,5 bis 1,2 Millionen Euro. Für die betroffenen Städte und Kommunen war jedoch klar, dass sie einer solchen Erpressung nicht nachgeben wollten. Die Folgen waren verheerend. So landeten beispielsweise 200 Megabyte hochsensibler Daten im Darknet. Eine offene Haftungsthematik war damit gegeben.

Zeit, zu handeln! In der Informationssicherheit haben wir in den meisten Bereichen heute die “Alarmstufe Rot”. Denn: Mit nur zwei bis drei Mitarbeitern sind die Bereiche IT-Sicherheit und kommunale IT-Infrastruktur in der Regel personell zu schwach aufgestellt. Zudem reichen die finanziellen Mittel in diesen Aufgabenbereichen meist nicht aus, um gegen Angriffe wirklich ausreichend Vorsorge zu leisten. Und das in einer Zeit, in der die Abhängigkeit von der IT stetig zunimmt! Dennoch müssen im Falle eines Angriffs Antworten auf die nachfolgenden substanziellen Fragen gegeben werden können: Haben die Repräsentanten im Rahmen der technischen Möglichkeiten adäquate Vorsorge betrieben? Gibt es externe Versicherungsberater/-innen und/oder Fachmakler/-innen, die den Verwaltungsvorstand und die Bürgermeister/-innen im Kontext des Organisationsverschuldens und der damit verbundenen Haftungsfragen aufklären?

Hohe Summen sind schnell erreicht Bei einer gehackten Institution entstehen durch den Wiederaufbau der Verwaltung und die Folgekosten schnell hohe Beträge. Je nach Größe und Umfang des Datenverlustes in der

Hartmut Naujok ist Grundschutzpraktiker des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik und Fachberater für Cyber-Risiken. Foto: BS/privat

Verwaltung und der möglichen Schädigungen Dritter können 1,5 bis 20 Millionen Euro erreicht werden. Ist der Schaden eingetreten, gibt die DSGVO klare Abläufe unter Einhaltung bestimmter Zeiten vor: Mit Kenntnisnahmen muss innerhalb von 72 Stunden eine rechtskonforme Meldung an das BSI erfolgen. Forensiker und IT-Techniker müssen beauftragt werden, die Reputation der Kommune und insbesondere der Repräsentant/-innen wieder hergestellt und vor allem die Haftungsfrage im Innenverhältnis der Stadt oder Kommune geklärt werden. Die Kosten und die Kommunikation mit Ämtern, dem Landrat, dem Bundesland, Sicherheitsbehörden, wie dem BSI, externen Dienstleistern wie Versicherungsberatern und Fachmarklern müssen geleistet und bezahlt werden. Das Sozial-, Gesundheits- und das Ordnungsamt müssen vom Netzwerk getrennt werden. Es ist zu klären, ob es zur finanziellen Schädigung Dritter kam oder nur zur Schädigung der Stadt oder Kommune. Fragen der Außen- und Innenhaftung werden beleuchtet. Wer haftet für die Sach- und entstandenen Finanzschäden? Gibt es Protokolle, die eine Aufgabenverteilung und Kontrolle vorsehen? Gibt es Zertifizierungen im Rahmen des BSI-Grundschutzes oder nach ISO-Norm 27001? Zeigen Protokolle Defizite in der IT-Sicherheit auf und können Repräsentanten durch Umkehr der Beweislast die eigene Ent-

traut sein.

haftung belegen? Wenn Repräsen­ tanten nicht Gefahr laufen wollen, im Worst Case unbegrenzt mit ihrem privaten Vermögen zu haften, sollten sie mit den Inhalten der DSGVO ver-

DSGVO kennen und beachten Schulungen der Mitarbeitenden, definierte Ablaufprotokolle und Vorsorgemaßnahmen helfen dabei genauso wie individuell erstellte Notfallpläne. Neben verstärkt auftretenden Haftungsfragen innerhalb des Verwaltungsvorstandes, der gesamtschuldnerisch haftet, und der Bürgermeister/-innen gilt es, im Rahmen der technischen Sicherheit sowohl die technischen Möglichkeiten zu nutzen als auch im Kontext der Informationssicherheit mit nachhaltiger Managementleistung jegliches Organisationsverschulden zu vermeiden.

Online-Seminar Der Autor thematisiert das genannte Thema in einem OnlineSeminarlehrgang. Die Veranstaltung “Zertifizierungslehrgang – zentrale Managementsysteme” findet vom 25. – 29. Juli statt.

Eines der größten Risiken für ITSysteme ist der Faktor Mensch. Mithilfe von Social Engineering (z. B. via Phishing) nutzen Kriminelle dieses Risiko gezielt aus. Weitere Einfallstore sind Schwachstellen im Betriebssystem oder infizierte Hardware wie z. B. externe Wechseldatenträger. Einmal im Netzwerk, können sich Kriminelle heimlich weiterbewegen, wodurch ein erfolgreicher Angriff monatelang unentdeckt bleiben kann. Die Flut an Malware, die täglich neu verfügbar ist, wird auch von moderner Antivirus Software nicht vollständig erfasst. Diese blockiert zwar bekannte Schadsoftware, erkennt aber nicht immer aktuelle und neue Varianten. Umso wichtiger sind Präventivmaßnahmen, allen voran Geräte- und Applikationskontrolle. Zusätzliche Maßnahmen speziell für den öffentlichen Sektor sind außerdem die Verschlüsselung sensibler Daten bei Speicherung und Übermittlung, die Vorsorge durch Überwachung und Protokollierung jeglicher Zugriffe/Änderungen im System sowie Security-Trainings zur Mitarbeitersensibilisierung.

Cyber-Sicherheit vom Experten Der zuverlässige Schutz von Daten, Geräten und Systemen ist für den öffentlichen Sektor unabdingbar. Um die dafür notwendigen Maßnahmen mit eigenem Personal stemmen zu können, benötigt es Investitionen in Fachkräfte, Ausbildung und Systeme – und selbst dann bedeutet die ständige Betreuung

Wie sich Behörden vor Cyber-Angriffen schützen. Foto: BS/istockphoto/Ivanko_Brnjakovic

der IT-Sicherheitssysteme einen enormen Aufwand. Der Mangel an IT-Fachkräften erschwert diese Aufgabe zusätzlich. Zudem müssen IT-Systeme öffentlicher Organisationen spezielle Sicherheitsanforderungen erfüllen, die durch das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 im Frühjahr 2021 zusätzlich verschärft wurden. Als Alternative oder unterstützend kann ein externer Servicedienstleister beauftragt werden. Das spart Zeit und Kosten.

“Zero Trust”-Security-Modell DriveLock bietet mit seiner “Zero Trust”-Plattform nicht nur präventive Schutzmaßnahmen, sondern ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Anomalien und entsprechende Reaktionen. Das Unternehmen setzt dabei auf neueste Technologien, erfahrene Security-Expert/-innen und Lösungen nach dem “Zero Trust”Modell. Mit seinen Lösungen “De-

vice Control” und “Application Control” erfüllt DriveLock auch die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) anerkannte internationale “Common Criteria EAL3+”-Zertifizierung. Seine Lösungen stellt der Dienstleister on-premise wie auch aus der Cloud als Managed Security Service zur Verfügung (die Daten werden im deutschen Microsoft-Azure-Rechenzentrum verwaltet). Die Security-Lösung aus der Cloud ist sofort einsetzbar, kosteneffizient und bietet mehrschichtige Sicherheit für Endgeräte. Nach Bedarf können die Lösungen auf ausschließlich zuvor zugelassenen Geräten und Anwendungen ausgeführt werden, um unbekannte Schadprogramme und menschliches Fehlverhalten zu verhindern. Mehr Informationen unter drivelock.de. *Anton Kreuzer ist der CEO von DriveLock SE.

Freiwillige Cyber-Feuerwehr Pilotprojekt läuft seit März dieses Jahres (BS/sp) Jedem ist klar, dass bei Diebstahl die 110, bei Feuer die 112 zu wählen ist. In Israel gibt es eine ähnliche Kurzwahlnummer, die 119. Bei der Durchwahl landet man in der Anlaufstelle des landesweiten israelischen Cyber-Notrufs. Bei einer berechtigten Anfrage rücken Cyber-Einheiten aus und helfen Betroffenen. In Nordrhein-Westfalen gibt es seit März dieses Jahres ein ähnliches Projekt – nur in einem kleineren Rahmen. In Bochum, Essen und Gelsenkirchen können kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fortan den Notruf der “Cyberwehr” wählen und um Hilfe bei Cyber-Vorfällen bitten. Die Soforthilfe wird durch lokale IT-Dienstleister gestellt, in jeder der drei Städte gibt es dafür zwei bis vier Partner. Diese Soforthilfe ist ähnlich wie bei der Feuerwehr kostenfrei, die weitergehende Behandlung der Cyber-Vorfälle kann dann mit den IT-Dienstleistern abgestimmt werden. Das Projekt, das durch EU-Mittel und vom Land Nordrhein-Westfalen finanziell unterstützt wird, wurde vom Träger eurobits e. V. initiiert. Nach Angaben auf der Webseite von eurobits möchte der Verein dafür sorgen, dass “die oft unzureichend geschützten Mittelständler nach einem erfolgten Hackerangriff so schnell wie möglich Hilfe bekommen.“ Der Ablauf der Soforthilfe beginnt zuerst mit einem Telefongespräch, in dem eruiert wird, ob es sich wirklich um einen Cyber-Notfall handelt oder ob ein Bedienfehler o. Ä. vorliegt, erklärt Alpha Barry, Projektleiter der Cyberwehr in NRW. Bei einem positiven Befund werde der Cyber-Vorfall dann vor Ort analysiert: “Im Regelfall

gilt: Je länger die betroffene IT weiterläuft, desto mehr Daten können gestohlen oder vom Täter verschlüsselt werden. Der Dienstleister wird also zuerst anfangen, die IT am Standort herunterzufahren, um die Schäden nicht noch zu erhöhen.” Des Weiteren unterstützen die ITDienstleister bei der Kommunikation mit den zuständigen Datenschutzbehörden, sollte eine Verletzung von personenbezogenen Daten vorliegen. Weiter helfe der IT-Dienstleister dabei, Lösungsvorschläge für die Behebung der Situation anzubieten. Wenn ein Backup zur Wiederherstellung vorhanden sein sollte, würde die Firma weitere Schritte zur Widerherstellung der Systeme einleiten, erklärte der Projektleiter. Die Cyberwehr und die IT-Dienstleister empfehlen weiterhin, bei CyberAngriffen eine Meldung an die polizeilichen Ermittlungsstellen zu verschicken: “Einerseits bietet das den Sicherheitsbehörden einen besseren Überblick zur

Cyber-Gefahrenlage bei KMU, andererseits können durch Anzeigen die Ermittlungen dabei unterstützt werden, Netzwerke oder Mehrfachtäter zu identifizieren”, so Barry. Ganz neu ist das Projekt der “Feuerwehr für den Cyber-Raum” allerdings nicht. Bereits vor drei Jahren wurde in Karlsruhe die Cyberwehr Baden-Württemberg gegründet, die heute in den Stadt- und Landkreisen Karlsruhe, Rastatt und Baden-Baden aktiv ist. Eine Ausweitung des Projektes ist laut Barry auch in NRW möglich, allerdings müsse man hierfür mehr lokale ITDienstleister für das Projekt begeistern. Bei einer Ausweitung müsse auch die Notfall-Hotline strukturell und personell unterstützt werden. Was die Zukunft bringt? “Am schönsten wäre es, die 119 auch in Deutschland als Cyber-Notfallnummer zu etablieren”, träumt der Projektleiter. Man kann also gespannt bleiben, ob Deutschland dem Beispiel Israels folgen wird.

Informationssicherheit in den Kommunen fördern: vorausschauend – verlässlich – vernetzt Hannover Congress Centrum Mehr Informationen unter

www.sicherheitstag-niedersachsen.de

Programmpartner

Eine Veranstaltung des


IT-Sicherheit / Münchner Cyber Dialog

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Behörden Spiegel / Juli 2022

Ein großes, verlockendes Ziel?

Geschäftsfeld Cyber Crime

Cloud-Architektur als Frage der nationalen Sicherheit

Lösegeldzahlungen bald strafbar?

(BS/bhi) Die Cloud ist der Sehnsuchtsort derer, die sich eine schnelle, zentrale Verwaltung wünschen, die dezentral organisiert ist. Der Staat baut (BS/sp) Die Corona-Pandemie hat neben einer Digitalisierungswelle eine einzige Hardware-Struktur, die die unterschiedlichsten Prozesse realisiert. Oder baut er da ein großes, verlockendes Ziel für Cyber-Angriffe? auch ein anderes Phänomen hervorgebracht: Auch die Kriminalität verschiebe sich mehr und mehr ins Digitale und sei ein mittlerweizusammenschalten, hätten wir le komplett “durchindustrialisiertes” Geschäftsfeld, erklärte Markus Zunächst versprechen sich eine genauso starke Cloud wie Hartmann, leitender Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Anwenderinnen und AnwenMicrosoft.” Köln, auf dem Münchner Cyber Dialog (MCD). Rechtlich könnten sich in der durch die Cloud einen geZukunft auch Unternehmen und Behörden bei Lösegeldzahlungen in waltigen Effektivitätsgewinn in Hybrid-Strategie eine strafbare Zone begeben, erklärte Hartmann. allen Bereichen. Dr. Matthias Kampmann, Leiter F&E, IT-Sicherheitscluster e. V., fängt auf dem Münchner Cyber Dialog, einer Online-Veranstaltung des Behörden Spiegel, an zu träumen. Er träumt von dem Tag, an dem Dokumente, biometrische Daten und Verbesserungsvorschläge für die Verwaltung alle über denselben zentralen Zugang zur selben Verwaltungs-Cloud ausgetauscht werden können. Auch in der Sicherheit verspricht man sich enorme Effektivitätsgewinne. “Der Weg in die Cloud ist ein Weg zu mehr Sicherheit. Cloud Security kann auch so verstanden werden, dass die Cloud-Ressourcen in Ermittlungsverfahren zu mehr Sicherheit beitragen können”, schwärmt Markus Hartmann. Als Leitender Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Köln und Leiter der “Zentralund Ansprechstelle Cybercrime” (ZAC) Nordrhein-Westfalen kennt er den gegenwärtigen Stand der Justizarbeit.

Leidiger Föderalismus Die Cloud soll Verwaltungsprozesse da verbessern, wo sie sich momentan im Klein-Klein der Zuständigkeiten und in den Redundanzen einer föderalen Verwaltung – auf Länder-, Bundesund sogar EU-Ebene – verlieren. Kampmann berichtet, wie er vor einigen Wochen Dokumente in die Cloud einer Kommune laden musste. Er habe einen Account und ein Passwort bekommen. Einige Wochen später sei er

Eine einzige Verwaltungs-Cloud bauen und alle Eier in denselben Korb legen? Oder doch besser verschiedene IT-Strukturen behalten, um sicherer zu sein? Moderator Uwe Proll, Andreas Reichel (Vorstand Dataport), Dr. Matthias Kampmann (IT-Sicherheitscluster e. V.) und Ingmar Weitemeier (Vertretung der Geschäftsführung, G4C e. V.) diskutierten beim Münchner Cyber Dialog. Foto: BS/Hilbricht

gezwungen gewesen, dasselbe Prozedere in derselben Cloud zu wiederholen. Denn diesmal gingen die Dokumente an eine andere Gemeinde. “Warum gibt es keine zentralen Dienste, die einen zentralen Zugang für Externe realisieren können? Ich bin von den föderalistischen Strukturen unseres Staates überzeugt, aber steckt da nicht ein Denkfehler im System? Muss die Umsetzung von Verwaltungsstrukturen in eine Bürger-Cloud nicht technisch etwas anderes meinen, als es heute der verfassungsgarantierte Dezentralismus/Föderalismus ist?” Kampmann zeichnet die Vision einer Zukunft, in der die Demokratieverträglichkeit von Software nicht mehr darin liegt, dass jede Gemeinde ihre eigene Lösung entwickelt. Vielmehr könne ein und dieselbe Cloud die Prozesse hinter jeder Anwendungsoberfläche realisieren. Wie demokratisch das sei, bestimme sich daran, inwieweit ein Prozess

Daten gemäß der DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) verarbeite. Außerdem daran, inwieweit die User an der Entwicklung teilnehmen könnten. Aber aus demokratischen Überlegungen und unter Sicherheitsaspekten stellt sich die Frage nach der physischen Realisierung der Cloud. Sie ist eben nicht, wie der Name sagt, eine ortlose Wolke. Stattdessen handelt es sich um Computer und Server, die irgendwo stehen und jemandem gehören. “Der Öffentliche Sektor muss selbst eine Cloud hochziehen”, fordert Andreas Reichel deshalb. Der Vorstand von Dataport – einem Unternehmen, in dem sechs norddeutsche Bundesländer kooperieren, um eine eigene IT-Infrastruktur zu schaffen – sagt: “Was Microsoft macht, ist kein Hexenwerk. Das können wir auch. Wenn wir alle öffentlichen Computer und Rechenzentren, die es jetzt schon gibt,

Bislang ist Microsoft der größte Anbieter von Cloud-Technologie für Verwaltungen. Aufgrund der verstärkten Debatte um digitale Souveränität in den letzten Jahren kauften deutsche Behörden jetzt nicht mehr direkt bei Microsoft, berichtet Reichel. Stattdessen kooperiere die Firma mit dem deutschen Unternehmen SAP. Dies sei die Hybrid-Strategie in der digitalen Souveränität. Wenn alle Richtlinien des BSI eingehalten würden, sei es möglich, die sensiblen Daten der Verwaltung bei SAP abzulegen. Doch das gelte nicht für alle Anwendungen. “Polizei und Justiz werden niemals ihre Daten auf Servern ablegen, die nicht dem deutschen Staat gehören.” Wenn die Cloud zur Verwaltung sensibler Bürgerdaten genutzt wird, dann schwingt auch die Sicherheitsfrage mit. Wie kann man die Cloud vor Cyber-Attacken schützen? “Je mehr man segmentiert, desto mehr kann man kriminelle Zugriffe verhindern”, führt Ingmar Weitemeier an. Der Direktor a.D. des LKA Mecklenburg-Vorpommern ist mittlerweile Projektleiter und Vertreter der Geschäftsführung des German Competence Center against Cyber Crime e. V. (G4C). Als solcher sieht er in einer Verwaltungs-Cloud ein Sicherheitsrisiko: “Wenn im CyberRaum etwas passiert, wird es schnell kritisch. Mein Petitum ist dies: Nehmt Abstand von großen Verwaltungs-Clouds, wo man mit einem einzigen Passwort viel schaffen kann."

IT-Sicherheit Datenschutz Business Continuity Digitalisierung

Zentrum für digitale Souveränität

So hatte das US-Finanzministerium im letzten Jahr ein Gesetz verabschiedet, das die Zahlung von Lösegeld bei einem Ransomware-Angriff unter Strafe stellt. 2020 wurden dort über 400 Millionen US-Dollar Lösegeld an Cyber-Kriminelle überwiesen. Bis zuletzt blieb diese Diskussion in Deutschland vergleichsweise ruhig. Dann, Ende des Monats Juni, wurde ein offener Brief von 22 IT-Sicherheitsexpert/-innen veröffentlicht, der forderte, das Zahlen jeglichen Lösegeldes bei Cyber-Angriffen einzustellen: “Wenn Opfer von Ransomware das geforderte Lösegeld nicht zahlen würden, dann würde dieses Geschäftsmodell im Keim erstickt”, heißt es im Statement.

Lösegeldzahlungen bei Cyber Crime komplett einstellen? Diesen Gedankengang hört man nicht zum ersten Mal. Bereits auf der Innenministerkonferenz im November letzten Jahres berieten die Beteiligten, ob es besser sei, Lösegeldzahlungen bei Cyber Crime einzustellen, sagte Hartmann. Auf der Seite der Cyber-Kriminellen sei man in einer professionellen Struktur angelangt. Dazu zähle auch eine arbeitsteilige Begehungsweise, erklärte der Oberstaatsanwalt: “Bei einem Cyber-Angriff gibt es die Angriffsphasen Aufklärung, Kompromittierung, Verschlüsselung Exfiltration und Erpressung. Für die jeweiligen Bereiche gibt es verschiedene

Tätergruppierungen.” Um diese Täter/-innen zu schnappen, sei auch eine “Neudefinition” von Erfolg bei der Strafverfolgung wichtig, erklärte Philipp Kuhn, Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart. Er wies darauf hin, dass sich der Fokus der Polizeibehörden gewandelt habe: “Die Zerschlagung von kriminellen Infrastrukturen und die Zerstörung von Geschäftsmodellen stehen nun stärker im Vordergrund der Ermittlungen.” Die Verhaftung der Kriminellen sei nicht mehr zwingend das ausformulierte Ziel, so Kuhn. Um die Polizeibehörden bei der Strafverfolgung zu unterstützen, sei des Weiteren eine stärkere Zusammenarbeit vonnöten. Kuhn schlug vor, die Kooperation mit privaten Cyber-Sicherheitsunternehmen zu fördern. Eike Bone-Winkel, stellvertretender Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) MecklenburgVorpommern, wünschte sich hingegen vor allem eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Landeskriminalämtern und dem Bundeskriminalamt (BKA): “In Einzelfällen klappt die Zusammenarbeit mit den Stellen sehr gut, aber organisatorisch sind die Kooperationsebenen nicht abgebildet.” Er plädierte dafür, die uralten Zuständigkeitskataloge abzulegen und eine Zentralisierung der Koordination zu schaffen.

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Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juli 2022

Flughafen Düsseldorf als Modellprojekt? Luftsicherheitskontrolle könnte grundlegend reformiert werden

KNAPP

Krebserregende Feuerwehrarbeit (BS/bk) Die Internationale Agen-

(BS/Marco Feldmann) Es war kein überraschendes Ereignis, die Rückkehr in den normalen Reiseverkehr nach den Restriktionen der Pandemie. Dennoch herrscht vielerorts Chaos. Nun tur für Krebsforschung (IARC), könnte der Düsseldorfer Flughafen künftig möglicherweise zum bundesweiten Modellprojekt für eine veränderte Luftsicherheitskontrolle und Abfertigung der Passagiere werden. eine Einrichtung der WeltgeDiese Aufgabe könnten dann wieder staatlich beschäftigte Kräfte übernehmen. Ob es aber wirklich dazu kommt, ist noch offen. sundheitsorganisation (WHO), Für dieses Vorgehen plädiert aber zumindest die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Zanda Martens. Sie ist Berichterstatterin für Fluggastrechte im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Am Düsseldorfer Flughafen herrscht derzeit massiver Personalmangel bei dem privaten Dienstleister, der dort die Passagierkontrollen durchführt. Und das schon seit Längerem. Auch an anderen deutschen Verkehrsflughäfen gibt es momentan sehr lange Wartezeiten an den Sicherheitskontrollen und erhebliche andere Probleme. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßt die Idee der Abgeordneten. Ihr Bezirk Bundespolizei fordert bereits seit Jahren eine Neuordnung der Organisation der Luftsicherheitsaufgaben. Diese sollen nach GdP-Meinung in einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) gebündelt werden, die wiederum in der Hand des Bundes liegt. Diese AöR würde vollumfänglich in eigener Zuständigkeit die Personalverantwortung und Arbeitgeberschaft für ausschließlich nur noch mit den Aufgaben zu betrauende Luftsicherheitsassistenten des Bundes einschließlich Sicherheitsüberprüfungen, Schulungen und Qualifizierungen übernehmen. Die Luftsicherheitsassistenten des Bundes könnten aufgrund des Qualifizierungsniveaus in den der AöR obliegenden verschiedenen Tätigkeitsfeldern schwerpunktgerecht und flexibel eingesetzt werden. Außerdem könnten sie nach Weiterqualifizierungen zusätzliche Aufgaben übernehmen, etwa die Kontrolle von Bordkarten oder Streifentätigkeiten. Bei dem GdP-Konzept wäre auch eine Übernahme von bisher bei privaten Dienstleistern Beschäftigten in das Beschäftigungsverhältnis als Luftsicher-

hat Feuerwehrarbeit als krebserregend eingestuft. Dies gab die Agentur in einer neuen Monografie an. Bisher wurde die Arbeit von Feuerwehrfrauen und -männern von der Organisation als “möglicherweise krebserregend” eingestuft. Es gebe ausreichende Beweise für Krebs beim Menschen für die Krebsarten Mesotheliom und Blasenkrebs in Folge der Brandbekämpfung. Für Krebsarten wie Hodenkrebs oder Melanome der Haut habe es begrenzte Hinweise gegeben. Feuerwehrleute seien durch ihre Arbeit einer Vielzahl von Stoffen ausgesetzt, die bei der Verbrennung von Material entstünden. Zu diesen Stoffen zählten u. a. polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, flüchtige organische Verbindungen, Metalle und Feinstaub.

Am Flughafen Düsseldorf (Foto) könnte es ein Modellprojekt für eine neue Form der Luftsicherheitskontrolle geben.

heitsassistenten des Bundes mit umfasst.

Vorschlag halbstaatlicher Gesellschaften Es gibt aber auch einen anderen Vorschlag von der DPolG Bundespolizeigewerkschaft. Dort ist man vom Sinn halbstaatlicher Sicherheitsgesellschaften an den jeweiligen Flughäfen überzeugt. An diesen sollte der Bund – vertreten durch die Bundespolizei – mit mindestens 51 Prozent beteiligt sein. Auch die jeweiligen Flughafenbetreiber sollten Teilhaber sein. Möglicherweise sinnvoll könnte auch eine Beteiligung des jeweiligen Bundeslandes sein, in dem sich der Flughafen befindet. Finanziert würden die halbstaatlichen Sicherheitsgesellschaften, bei denen es sich um nicht gewinnorientierte Organisationen handeln würde, durch die staatlichen Luftsicherheits-

gebühren sowie über die Flughafengebühren. Alle Beschäftigten würden als Angestellte des halbstaatlichen Unternehmens mit an den Tarifverträgen des Bundes angelehnten Arbeitsverträgen beschäftigt und entsprechend der Entgeltgruppen des Bundes bezahlt werden. Das Prinzip “Sicherheit aus einer Hand” würde durch die Schaffung einer halbstaatlichen Sicherheitsgesellschaft unmittelbar auf der örtlichen Ebene umgesetzt. Außerdem gehen die Gewerkschafter von erheblichen Synergieeffekten beim Personaleinsatz aus. Zugleich bekäme der Bund so die Personalhoheit über die Luftsicherheitsassistenten. Die Zuständigkeit für die Kontrolltechnik bliebe bei den Flughafenbetreibern. Am Flughafen München werden beide Aufgaben bereits durch eine landeseigene Sicherheitsgesellschaft wahrge-

nommen. In Frankfurt überträgt der Bund der Fraport AG zum Beginn kommendes Jahres die Verantwortung für die Organisation, Finanzierung, Steuerung und Durchführung der Luftsicherheitskontrollen. Das Unternehmen hat die Dienstleistungen bereits an unterschiedliche Firmen vergeben.

Zurückführen in die Bundespolizei? Martens selbst erklärte im Gespräch mit dem Behörden Spiegel, dass sie sich als Abgeordnete keinen der beiden gewerkschaftlichen Vorschläge direkt zu eigen machen wolle. Für sie ist aber klar, dass die Luftsicherheitsaufgaben wieder an die öffentliche Hand gehen müssen. Denn die Privatisierung der Luftsicherheitsaufgaben sei keine gute Idee gewesen. Das werden die Unternehmen der

Foto: BS/Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf

privaten Sicherheitswirtschaft naturgemäß anders sehen. Die Parlamentarierin kann sich in diesem Zusammenhang auch vorstellen, die Wahrnehmung der Luftsicherheitsaufgaben wieder direkt in die Bundespolizei zurückzuführen und die Kontrollkräfte künftig als Tarifbeschäftigte der Bundespolizei arbeiten zu lassen. Aus ihrer Sicht wäre eine Rückübertragung sinnvoll. Es existieren noch einige bundeseigene Luftsicherheitsassistenten, unter anderem auch an den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn. Experten halten diesen Weg jedoch nicht für sinnvoll. Solch ein Ansatz wäre ineffektiv und teuer. Außerdem sei die Bundespolizei organisatorisch gar nicht mehr dazu in der Lage, die Aufgaben wieder selbst wahrzunehmen, heißt es aus gut informierten Kreisen.

Ausweitung des Bodycam-Einsatzes

(BS/mfe) Die neuen Koalitionäre von CDU und Grünen in Schleswig-Holstein haben sich auf eine Ausweitung des Bodycam-Einsatzes verständigt. Dieser soll künftig auch in Wohnungen zulässig sein. Allerdings gibt es Voraussetzungen und Einschränkungen. So sieht der Vertrag der beiden Koalitionäre vor, dass die Bodycam in Wohnungen ausschließlich zur Vermeidung besonders schwerer Straftaten (zum Beispiel gefährlicher Körperverletzung im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt) und nur unter Wahrung eines absoluten Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung genutzt werden darf. Auch in Geschäftsräumen soll ihr Einsatz unter engen Voraussetzungen in Zukunft erlaubt sein. Das gilt allerdings ausdrücklich nicht für Räume von Berufsgeheimnisträgern wie etwa Anwälten und Journalisten.

Melden S Veranstaltu ie sich zu Europas führender ng für Sic herheit un auf www d Verteidig .euro-def ung ence.eu an

Berlin Security Conference 2022 30. November – 1. Dezember 2022, Vienna House Andel’s Berlin

Europe and NATO – Directions for Actions • Erste große Sicherheitskonferenz in Präsenz nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine • Partnerland 2022: Norwegen • Ausgehend von den sicherheits- und verteidigungspolitischen Handlungslinien der EU, NATO und OSZE, wird die Entwicklung europäischer und transatlantischer militärischer Fähigkeiten analysiert • Internationales Forum für Abgeordnete, Politiker und Angehörige der Streitkräfte, der Organisationen mit Sicherheitsaufgaben und der Industrie

Foto: Klaus Dombrowsky

• Nationale und internationale Aussteller • Veranstaltet vom für den Öffentlichen Dienst

– Deutschlands führender unabhängiger Zeitung

Weitere Informationen: www.euro-defence.eu


Innere Sicherheit

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B

ehörden Spiegel: Was sind die wichtigsten Punkte, die Bremen im Bereich der Inneren Sicherheit beschäftigen?

Mäurer: Wie bei vielen anderen Bundesländern stecken wir tief in den EncroChat-Verfahren. Dabei geht es um Organisierte Kriminalität. Im Fokus ist der Drogenhandel. Durch unsere geografische Lage sind wir davon besonders belastet. Wir haben vom Bundeskriminalamt ungefähr 500 Datensätze bekommen – von insgesamt 4.000, die in der ganzen Bundesrepublik verteilt worden sind! Da sieht man, dass wir einen riesigen Anteil haben. Hamburg hat 1.000 Datensätze bekommen. Das liegt daran, dass unsere Häfen als Umschlagplatz für den Drogenhandel prädestiniert sind. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Hamburg und Bremen stark gefordert sind. Dieses Thema macht uns aber nicht nur viel Arbeit, sondern auch viel Freude. So haben wir eine große Anzahl von Haftbefehlen vollstrecken können. Die Gerichte haben viele Intensivtäter zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Aber das ist erst der Anfang, die nächsten Datensätze kommen in den folgenden Monaten. Behörden Spiegel: Wie reagiert die Szene darauf? Mäurer: Die Szene wird sich natürlich darauf einstellen. Aber der Überraschungseffekt ist auf unserer Seite. Wir haben nicht nur Haftbefehle vollstreckt, sondern eine Unzahl von hochwertigen Pkws und Immobilien beschlagnahmt. Die Maßnahmen sind breit aufgestellt und sehr wirksam. Wir haben noch nie so viele Toptäter inhaftieren können wie jetzt. Behörden Spiegel: Als wie gerichtsfest schätzen Sie diese Beschlagnahmungen von vermutlich illegal erworbenen Gegenständen ein? Mäurer: Unter den Ländern arbeiten wir eng zusammen. In Bre-

D

ie Polizei sammelt personenbezogene Daten in verschiedenen Registern. “Die Auswertung und Zusammenführung aus diesen unterschiedlichen Datenbanken erfolgt bislang manuell und ist hierdurch zeitaufwendig”, heißt es aus dem StMI. Das muss doch einfacher gehen, dachten sich das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) und das StMI. Sie schrieben europaweit aus, was sie sich wünschten: eine Möglichkeit, verschiedene Register gleichzeitig abzufragen. Den Zuschlag erhielt Palantir – “auf Grundlage rein fachlicher Kriterien”, wie das StMI betont. Qua Rahmenvertrag erhält das LKA eine Software zur Verfahrensübergreifenden Recherche und Analyse (VeRA). In Kooperation mit Polizei 2020 sei diese Art der Beschaffung vereinbart worden, heißt es aus dem StMI. Dadurch können außer Bayern auch andere Länder und der Bund Palantir-Software kaufen – ohne weitere Ausschreibung. Da bei großen Beschaffungen EU-weite Ausschreibungen verpflichtend sind, ist dieses Vorgehen üblich. “Hierdurch entfällt das Erfordernis einer neuen ressourcen- und zeitaufwendigen Ausschreibung.” Ob andere Länder oder der Bund den Vertrag nutzen, steht ihnen frei.

Gotham und VeRA Noch im Frühjahr hatte die FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag einen Dringlichkeitsantrag gegen die Kooperation mit Palantir gestellt. Erfolglos. Der Autor war Dr. Helmut Kaltenhauser, der digitalpolitische Sprecher der Partei im Landtag.

Behörden Spiegel / Juli 2022

Zwischen EncroChat-Verfahren und DFL Die Richtigen müssen zahlen (BS) Der Bremer Senator für Inneres, Ulrich Mäurer (SPD), steht Rede und Antwort über Organisierte Kriminalität (OK), den Rechtsstreit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) und wie er zu einer Kompetenzerweiterung für Europol steht. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann. Verfassungsgericht die verfassungsrechtlichen Fragen schon rauf und runter geprüft hat.

“Die EncroChat-Verfahren machen uns nicht nur viel Arbeit, sondern auch viel Freude.”

Ulrich Mäurer (SPD) ist Innensenator Bremens. Dieses Amt hat der Sozialdemokrat schon seit 2008 inne. Damit gehört er zu den dienstältesten Ressortchefs.

men haben wir die Erfahrungen aus Berlin ausgewertet. Natürlich bleibt immer ein Restrisiko. Wir können nicht von Anfang an sagen, was im Steuersack bleiben wird. Aber ich bin durchaus optimistisch, dass in vielen Verfahren nennenswerte Summen sichergestellt bleiben. Dadurch kann die Szene heftig getroffen werden. Wenn wir den Kriminellen die Grundlagen entziehen und die Immobilien wegnehmen, ist das ein deutliches Signal. Behörden Spiegel: Sehen Sie Möglichkeiten, der Organisierten Kriminalität den Nachwuchs abspenstig zu machen? Mäurer: Es ist schwierig, schließlich ist der Drogenhandel international organisiert. Es gibt Mittelsmänner in verschiedenen Ländern. Der Stoff kommt aus Lateinamerika und wird nicht nur

in Bremen umgesetzt, sondern bundesweit verteilt. Das heißt, es gibt viele Möglichkeiten für die Kriminellen, neues Personal zu gewinnen. Da haben wir nicht die besten Karten, aber die Haftstrafen, die in den letzten Monaten verhängt worden sind, sind nicht ohne. Zehn bis zwölf Jahre Haft senden ein deutliches Zeichen. Behörden Spiegel: Das Land Bremen befindet sich seit Langem im Rechtsstreit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) über Kosten bei Hochrisikospielen. Wie ist hier der aktuelle Stand? Mäurer: Die Auseinandersetzung mit der DFL ist schon fast historisch. Wir haben fast alle Verfahren gewonnen. Zwar bezweifeln wir nicht, dass zunächst das Innenressort für die Finanzierung der Polizeikosten zuständig ist. Die Grundversorgung muss

Behörden Spiegel: Clan-Kriminalität beschäftigt besonders Berlin und Nordrhein-Westfalen, aber auch Bremen. Wie schätzen Sie die Situation in Bremen ein? Mäurer: Es stimmt, auch wir haben dieses Problem. Durch die EncroChat-Verfahren sind wir da weitergekommen. Wir haben festgestellt, dass eine große Anzahl von Intensivtätern diesen Clans zuzuordnen ist. Daher ist ein erfolgreicher Kampf gegen organisiertes Verbrechen und Drogenkriminalität auch ein wichtiger Beitrag gegen die Clan-Kriminalität.

Screenshot: BS/Hilbricht

gewährleistet sein und ist vom Steuerzahler zu tragen. Aber ab einer gewissen Größenordnung erwarten wir, dass die DFL sich an den Kosten beteiligt. Wir haben zu normalen Zeiten circa zwei Millionen Einsatzstunden im Jahr nur für die ersten beiden Ligen. Die Gerichte sagen uns, dass es angemessen und richtig ist, dass ein Teil dieser Ausgaben von den Vereinen und der DFL zu tragen ist. Das ist nicht allein die Aufgabe des Steuerzahlers. Behörden Spiegel: Weshalb schwelt der Streit noch? Mäurer: Wir hätten dieses Verfahren längst eingestellt, aber die DFL hat wiederum Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Auf die Entscheidung warten wir noch. Aber ich bin überzeugt, dass wir das Verfahren gewinnen werden, weil das

Behörden Spiegel: Wie gestaltet sich die Nachwuchssituation bei der Bremer Polizei? Mäurer: Erfreulicherweise sind wir aufgrund unserer Haushaltslage jetzt fähig, große Ausbildungsjahrgänge einzustellen. Das war nicht immer so. Wir hatten viele Jahre, in denen wenig oder gar kein Geld dafür da war. Gegenwärtig haben wir noch eine relativ sichere Bewerberlage. Dennoch müssen wir uns damit auseinandersetzen, wie wir den Polizeiberuf künftig attraktiv machen können. Da müssen wir uns auch auf neue Herausforderungen einlassen, denn es wird nicht immer so bleiben, dass viele bei der Polizei arbeiten wollen. Behörden Spiegel: Seit einem halben Jahr haben wir eine neue Bundesregierung und eine neue Bundesinnenministerin, Nancy Faeser. Wie schätzen Sie die Arbeit des Bundes im Bereich der Inneren Sicherheit bisher ein?

Palantir für das LKA Bayern Ein Porsche zum Brötchenholen? (BS/Benjamin Hilbricht) Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration (StMI) hat einen Rahmenvertrag mit der kontrovers diskutierten Software-Firma Palantir geschlossen. Die Polizei verspricht sich Effektivität und Schnelligkeit. Datenschützer und die Opposition im Landtag befürchten eine Rasterfahndung. Fehlt die rechtliche Grundlage? Da Palantir mit amerikanischen Geheimdiensten zusammengearbeitet hat, befürchtet er unter anderem, dass Daten in die USA abfließen könnten. Dagegen sagt das LKA, dass es die Software nur auf Rechnern betreibe, die keinen Anschluss ans Internet hätten. Zudem stünden die Server beim LKA, erfüllten den BSI-IT-Grundschutz und Palantir habe eine No-Spy-Klausel unterschrieben. Das Tool VeRA beruht auf dem Betriebssystem Gotham. “Got­ ham verknüpft und reichert riesige Mengen von Daten nahezu in Echtzeit an und präsentiert sie in einer einzigen Ansicht”, heißt es beim Hersteller. Das Programm sei prinzipiell kompatibel mit Künstlicher Intelligenz (KI). Wenn man Gotham vollumfänglich nutzen will, muss man seine Daten jedoch Palantir überlassen. Dann hätte das LKA keine Administratorrechte mehr und die Verarbeitung wäre nicht mehr on premise. Das LKA Bayern plant laut eigener Aussage weder die Anwendung von KI noch automatisierte Analysen oder Wahrscheinlichkeitsberechnungen für Szenarien. VeRA diene lediglich dazu, ein gemeinsames Register für polizeiliche Datenbanken zu schaffen. “Wenn es nur das wäre, würde ich mir mit VeRA einen Porsche

kaufen, um zum Brötchenholen zu fahren”, widerspricht Kaltenhauser. Strittig ist vor allem, ob VeRA Informationen generiert oder nicht. Das LKA und das StMI betonen, dass Palantir-Programme nur auf Daten zurückgriffen, die die Polizei sowieso gespeichert habe. Nicht mehr und nicht weniger. “Palantir führt Daten aus mehreren Datentöpfen zusammen. Wenn ich das mache, erhalte ich eine neue Information”, widerspricht Kaltenhauser.

Keine Rechtsgrundlage Den Bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten, Prof. Dr. Thomas Petri, besorgt, dass VeRA die Zweckbindung von polizeilichen Abfragen unterlaufe. “Die Polizei hat nicht aus Willkür verschiedene Datenbanken errichtet”, unterstreicht er. Vielmehr sei es ein Verfassungsprinzip, Daten nicht zentral zu erfassen und zu verarbeiten. “Nach meiner Überzeugung haben wir in Bayern keine Rechtsgrundlage für VeRA”, konstatiert Petri. Das StMI habe sich auf das Polizeiaufgabengesetz (PAG) berufen. Darin heißt es, dass die Polizei personenbezogene Daten speichern und verarbeiten dürfe, sofern das zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sei. “Ich

glaube nicht, dass das reicht”, kommentiert der Datenschutzbeauftragte.

Tötungsdelikte verhindert Hessen und Nordrhein-Westfalen setzen bereits PalantirProdukte ein und haben spezielle Gesetze verabschiedet. Seit bald zwei Jahren verwendet das nordrhein-westfälische LKA die “Datenbankübergreifende Recherche und Analyse” (DAR). Auch von Palantir, auch um gleichzeitig in verschiedenen ITSystemen zu recherchieren. Das LKA spricht von einer “deutlichen Zeitersparnis, insbesondere in akuten und ad hoc-Situationen”. Hier sei Zeit entscheidend für das Gelingen oder Scheitern polizeilicher Aktionen. “Mit dem DAR-System konnten bereits Tötungsdelikte verhindert werden”, erklärt das LKA. Die Bilanz des nordrhein-westfälische LKA ist nach eineinhalb Jahren durchweg positiv. Einziger Nachteil: die gefühlsgeladene, sich nicht um die fachlichen Details scherende öffentliche Debatte. Doch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) in NordrheinWestfalen stellt fest: “die Software durchbricht regelhaft den Zweckbindungsgrundsatz und durchsucht sämtliche polizeiliche

gespeicherte Daten.” Deswegen habe sie dafür gekämpft, dass das Innenministerium den Anwendungsbereich der Software gesetzlich festschreibt. Inzwischen gibt es eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von DAR in Nordrhein-Westfalen. “Mit dem Vorhandensein dieser Norm ist der Einsatz der Software jedenfalls unter den darin enthaltenen – wenngleich nach unserer Auffassung nicht ausreichend engen – Grenzen zulässig”, urteilt die LDI abschließend.

Rasterfahndung? Auch die Datenschützer Kaltenhauser und Petri in Bayern sorgen sich, dass normale Bürger durch VeRA ohne Anlass in polizeiliche Ermittlungen hineingeraten könnten. Kaltenhauser spricht von einer “Rasterfahndung”, die durch das Zusammenführen bisher nicht verknüpfter Informationen entstehe. Petri hält es daher für wichtig, dass in eine gesetzliche Regelung für VeRA der Einzelfallbezug hineingeschrieben wird. Es müsse genau spezifiziert werden, wann und aus welchen Anlässen VeRA eingesetzt werden dürfe. Das nordrhein-westfälische LKA gibt an, dass es DAR zur “Abwehr, Verhütung und vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, der

Mäurer: Die Zusammenarbeit mit unserer neuen Bundesinnenministerin macht viel Freude. Viele Themen bewegen uns alle, zum Beispiel sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Das hat bundesweit eine immense Bedeutung gefunden. Dabei geht es nicht alleine darum, diejenigen zu erreichen, die pornografisches Material austauschen. Das Problem ist die reale Gewalt und das brutale Vorgehen gegen Kinder, das mit diesen Bildern einhergeht. Hinzu kommen Probleme wie Hetze und Hass im Internet. Erst jüngst haben wir im Verbund mit anderen Bundesländern Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt. Auch dabei finden wir mit anderen Ländern und insbesondere der neuen Bundesregierung viele Gemeinsamkeiten. Ich glaube, diese Zusammenarbeit wird noch viele Möglichkeiten eröffnen. Behörden Spiegel: Jüngst gab es Streit über eine Kompetenzerweiterung für das Europäische Polizeiamt Europol. Wie stehen Sie dazu? Mäurer: Ich bin überzeugt davon, dass bei den gegenwärtigen Krisen Europol von strategischer Bedeutung ist. Wir können viele Probleme nicht allein in der Bundesrepublik lösen. Die EncroChatVerfahren und die Verfahren im Bereich der Kinderpornografie wären ohne die Kooperation mit unseren Partnern gar nicht möglich gewesen. Insofern wären wir klug beraten, wenn wir diese Kooperation ausbauen und Europol stärken. Behörden Spiegel: Sollte Europol eigene operative Kompetenzen an die Hand bekommen? Mäurer: Ich bin überzeugter Europäer. Deswegen habe ich überhaupt keine Probleme, unsere nationale Eigenständigkeit mit mehr europäischer Integration zu vereinbaren. In einem vernünftigen System kann uns eine Stärkung der operativen Kompetenzen von Europol nur Vorteile bringen.

Abwehr von Gefahren sowie der Verfolgung von Straftaten” nutze. Nicht alle Länder wollen Palantir kaufen. Gegenwärtig lägen "keine fachlichen Anforderungen" dafür vor, heißt es aus dem Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI). Die Polizei im Land nutze andere Software-Produkte, um Daten vergleichend auszuwerten und grafisch darzustellen. “Dennoch beobachtet die sächsische Polizei permanent die Entwicklungen auf dem Markt, um auch künftig allen Anforderungen in diesem Bereich gerecht werden zu können.” Die Sächsische Datenschutzbeauftragte (SDB) sieht für einen möglichen Palantir-Einsatz im Land keine Rechtsgrundlage. Es gebe dazu jedoch einen “unverbindlichen Austausch auf Arbeitsebene” zwischen der Staatsregierung und der SDB. Was bringt die Zukunft? Petris Kritik hat gefruchtet. “Wir haben die rechtliche Einschätzung des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz zum Anlass genommen, die Einführung einer bereichsspezifischen Rechtsgrundlage für den Ansatz der Software zu prüfen” , heißt es aus dem StMI. Dazu arbeite man eng mit Petri zusammen, was dieser bestätigt. Kaltenhauser plant, eine Anfrage im Landtag zu stellen, wie weit die Prüfung der Rechtsgrundlage ist. Vielleicht verfasst das bayerische Innenministerium bald einen Gesetzesentwurf. Derweil prüft das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Gesetz zum Einsatz von Palantir in Hessen. Und VeRA wird – so viel ist sicher – in Bayerns LKA eingeführt.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Juli 2022

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ehörden Spiegel: Herr Weh, was steht auf Ihrer Agenda?

Stephan Weh: Wir haben uns als Team eine ganze Menge vorgenommen. Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, uns als Berliner Landesbezirk der Gewerkschaft der Polizei für die Zukunft aufzustellen. Dafür haben wir uns eine Zukunftswerkstatt eingerichtet. Deren Mitglieder werden uns beraten, wie wir Angebote für alle Generationen von Gewerkschaftsmitgliedern machen und wie wir in der jungen Generation neue Mitglieder gewinnen können. Außerdem wollen wir uns thematisch noch breiter für unsere Mitglieder aufstellen, zum Beispiel durch die Möglichkeit zu Karriere-Coachings oder durch Präventionsangebote. Behörden Spiegel: Wer gehört der von Ihnen erwähnten Zukunftswerkstatt an? Weh: Die Zukunftswerkstatt wird von einem Projektteam mit einem Polizisten, einer Professorin, die früher Polizistin war, sowie einem weiblichen Coach aus der Privatwirtschaft betreut und angeleitet. Die drei hatten sich schon vorher als Team gefunden und beraten uns nun gemeinsam. Sie haben auch schon die Polizei Berlin beraten. Diese Projektleitung wird uns permanent von

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GdP Berlin für die Zukunft wappnen Neuer Landesvorsitzender Stephan Weh hat sich viel vorgenommen (BS) Stephan Weh ist der neue Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel spricht er über seine Agenda und den Koalitionsvertrag. Die Fragen stellte Marco Feldmann. außen betrachten und beraten sowie wissenschaftlich begleiten. Dazu können alle Mitglieder, die sich daran beteiligen wollen, an Workshops teilnehmen und Ideen einbringen. Die Zukunftswerkstatt ist einer unserer wesentlichen Bausteine. Denn wir müssen mit der Zeit gehen und attraktiv bleiben.

“Ich möchte als Landesvorsitzender – sowohl nach innen als auch nach außen – noch präsenter sein. Außerdem möchte ich unseren Landesbezirk gegenüber der Politik wissenschaftlich fundierter aufstellen.”

Behörden Spiegel: Was haben Sie sich noch vorgenommen? Weh: Ich möchte als Landesvorsitzender – sowohl nach innen als auch nach außen – noch präsenter sein. Außerdem möchte ich unseren Landesbezirk gegenüber der Politik wissenschaftlich fundierter aufstellen. Dabei soll uns die Zukunftswerkstatt helfen. Mir ist es außerdem sehr wichtig, den Kontakt zu den Bezirksgruppen zu halten. Denn das ist unsere Basis. Behörden Spiegel: Wie können aus Ihrer Sicht Extremisten schneller aus dem Öffentlichen Dienst entfernt werden?

Stephan Weh ist Berliner Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Der 44-jährige Polizeihauptkommissar hat die Nachfolge Norbert Ciomas angetreten. Foto: BS/GdP Berlin

Weh: Grundsätzlich sind unsere Kollegen Menschen und die gelten im Rechtsstaat so lange als unschuldig, bis in einem fairen Verfahren die Schuld bewiesen ist. Klar ist aber: Extremisten haben im Öffentlichen Dienst und erst recht bei den Sicherheitsbehörden nichts zu suchen. Wo Kolleginnen und Kollegen Grenzen derart überschreiten, muss schnell gehan-

Immer größere Datenmengen Ermittler müssen mit schrecklichen Aufnahmen umgehen

delt werden. Sie müssen aus dem Dienst entfernt werden. Damit das gelingt, müssen aber die Verwaltungsgerichte mit mehr Personal ausgestattet werden. Denn ansonsten liegen Verfahren dort sehr lange. Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zu Bodycams und dem laufenden Probelauf in Berlin? Weh: Die Bodycams haben einen deutlichen Mehrwert. Sie

helfen präventiv und erleichtern die Beweissicherung. Sie sollten dauerhaft flächendeckend in Berlin eingeführt werden und der Gesetzgeber sollte den Einsatz im Wohnraum ermöglichen, weil es dort zu vielen Angriffen kommt. Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Koalitionsvertrag mit Blick auf die Innere Sicherheit? Weh: Der Koalitionsvertrag

liest sich für Polizei grundsätzlich gut, weil kaum etwas zu ihr drinsteht. Allerdings werden der Polizei hier teilweise auch zusätzliche Aufgaben übertragen. Dafür fehlt das Personal und wir haben nicht mal genügend Nachwuchs, um alle dafür erforderlichen Stellen besetzen zu können. Wenn mehr Polizeiwachen gefordert werden, müssen bereits jetzt mehr Anwärter eingestellt werden, um den Personalmehrbedarf erfüllen zu können. Behörden Spiegel: Was wird noch benötigt? Weh: Außerdem braucht es, wenn die Polizei zusätzliche Aufgaben wahrnehmen soll, vorher eine Aufgabenkritik. Da muss dann aktiv geschaut werden, welche hoheitlichen Aufgaben die Vollzugskräfte nicht mehr wahrnehmen müssen. Hier geht es um Aufgaben, die originär in den Bereich anderer Behörden, zum Beispiel die Ordnungsämter, gehören. Dazu gehört unter anderem die polizeiliche Präsenz in Parkanlagen am Tage. Denn die Kolleginnen und Kollegen arbeiten bereits jetzt am Limit. Das Outsourcing von staatlichen Aufgaben wäre definitiv der falsche Weg, das sehen wir bei der Bewachung unserer Liegenschaften. Hier dürfen wir nicht auf Fremdfirmen angewiesen sein.

Was geschieht in Rheinland-Pfalz?

(BS/Ingo Wünsch) Die Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen (Kinderpornografie) ist von schier unAktuelle Themen polizeilicher Beschaffungen glaublichen digitalen Datenmengen gekennzeichnet. Art, Umfang und Anzahl von IT-Asservaten sind in den vergangenen Jahren exponentiell gestiegen und dieser Trend hält an. Die Möglichkeiten, Daten digital zu (BS/Christian Gose) Polizeiliche Beschaffungen stellen besondere Anforderungen an die Vergabe, finden speichern, sind vielfältig, wobei die Speicherkapazitäten gleichzeitig fortlaufend zunehmen. Die soziale Welt diese doch überwiegend auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge statt. Die Auswirkungen wären fatal, wenn wie auch die Kommunikation sind durch und durch digital geworden. beispielsweise Schutzausstattung fehlte oder Mobilität nicht sichergestellt werden könnte und die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wenn auch nur partiell, beeinträchtigt würde. Hieraus Diese Entwicklung wird auch verschiedenster ergibt sich der Auftrag, Beschaffungsvorhaben der Polizei besonders verantwortungsvoll durchzuführen.

im Kontext von Missbrauchsdarstellungen umfänglich kriminell genutzt und wirkt wie ein Beschleuniger in diesem Deliktfeld. Inkriminierte Daten können in Echtzeit an beliebig viele Personen auf der ganzen Welt verbreitet werden. Es werden Live-Übertragungen angeboten, in denen schwerste Missbrauchstaten begangen werden. Täterinnen und Täter aus aller Welt können visuell teilnehmen oder sogar auf Handlungen Einfluss nehmen. Pädokriminelle Personen können sich weltweit finden und vernetzen. Der reale sexuelle Missbrauch erfährt durch das Netz eine nahezu unkontrollierbare, permanente Wiederholung. Daher sind konsequente Ermittlungen wegen Missbrauchsdarstellungen (im Netz) das Auge in das Dunkelfeld des realen sexuellen Missbrauchs. Polizei und Justiz müssen diese digitalen Massendaten effizient bearbeiten können, um darüber laufende Missbrauchstaten zu erkennen und schnellstmöglich zu beenden. Hier gilt: Schutz der Opfer und Gefahrenabwehr vor Strafverfolgung. Angesichts der unfassbaren Datenmengen ist dies eine enorme Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden, die insoweit auch von einer leistungsfähigen und stetig fortzuentwickelnden IT-Forensik abhängig sind.

Forensik-Cloud in NRW Bei der Polizei Nordrhein-Westfalens werden Verfahren wegen Missbrauchs und Missbrauchsdarstellungen im Landeskriminalamt (LKA) zentral über eine Forensik-Cloud aufbereitet und für die Auswertung verfügbar gemacht. Die Sicherung von Originalasservaten (Image) findet dagegen in den Kreispolizeibehörden statt. Sie werden unter Nutzung von Datenschleusen zunehmend digital von den Kreispolizeibehörden zum LKA übertragen. Die Forensik-Cloud beinhaltet

Datenträger und Datenarten. Häufig sind die gespeicherten Daten digitaler Asservate entweder durch den Nutzer bewusst verschlüsselt oder bereits durch den Hersteller mit eiFoto: BS/LKA NRW ner werksseitigen Verschlüsselung versehen worden. Letzteres ist mittlerweile üblich bei modernen Smartphones, Tablets und Laptops für den Businessbereich. Datenverschlüsselung führt dazu, dass die Dateninhalte für die Ermittlungsbehörden nicht sichtbar sind und somit standardisierte IT-forensische Tools keine automatische Datenaufbereitung durchführen können. Bestehende Tools müssen IT-forensisch fortentwickelt, verfeinert und gegebenenfalls auf den Einzelfall hin angepasst werden. Ohne Frage eine herausragende Aufgabe für Expertinnen und Experten der IT-Forensik.

Ingo Wünsch ist Direktor des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen. Zuvor war er Sonderermittler des Ministers im Fall Lügde und als Leiter der Stabsstelle zur Revision der kriminalpolizeilichen Bearbeitung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Kinderpornografie tätig.

die standardisierte, automatisierte Aufbereitung von sichergestellten IT-Asservaten sowie die Bereitstellung der Sicherungen und Aufbereitungen über virtuelle Systeme. Dadurch wird der Sachbearbeitung ein abgestimmtes, gemeinsames Arbeiten an IT-Asservaten in Form von dislozierten Ermittlungsclustern ermöglicht. Faktisch kann die Polizei NRW in Ermittlungen als virtuelles Großraumbüro arbeiten. Das ermöglicht gerade in herausragenden Verfahren das gemeinsame Arbeiten von auch räumlich disloziert tätigen Ermittlerinnen und Ermittlern und damit eine schnelle Bündelung von spezifischen Ermittlungskapazitäten. Technisch wird die ForensikCloud über das HiPoS-Projekt verwirklicht. Dieses stellt die gemanagte Hardware zur Verfügung. Die vollständige Konzeptionierung der Forensik-Cloud und ihrer Prozesse sowie die eigentliche kriminalfachliche Arbeit ist jedoch zentrale Aufgaben des LKA. Die Zentralisierung von IT-forensischer Expertise ist erfolgskritisch, da nur so sichergestellt ist, dass Neuerungen in der Datenaufbereitung sofort allen Bedarfsträgern gleichermaßen zur Verfügung gestellt werden können.

Oft verschlüsselt Besondere IT-forensische Herausforderungen bestehen – neben den enormen Datenmengen – insbesondere auch bei verschlüsselten Daten sowie in der Komplexität von Auswertungen

IT-Asservate ganzheitlich betrachten Die Komplexität des Zusammenspiels verschiedener IT-Systeme zeigt sich gerade auch in der eigentlichen kriminalistischen Fallbearbeitung. Strafrechtliche Bewertungen können häufig erst dann getroffen werden, wenn alle IT-Asservate ganzheitlich betrachtet wurden. Die Einzelbetrachtung von verbundenen Smartphones, Smartwatches und Tablets führt nicht immer zu einem ganzheitlichen Bild. Bei digitalen Asservaten ist die kriminalistische Fallbearbeitung untrennbar mit der IT-Forensik verbunden. Dieses Zusammenspiel ist für eine erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung unbedingt erfolgskritisch, weil digitale Daten im Rahmen einer “digitalen Spurensuche” inzwischen nahezu allen Kriminalitätsfeldern immanent sind.

Gleichzeitig bedingt das Agieren im Bereich der Gefahrenabwehr, dass in Abwägung mit dem Vergaberecht häufig Interimsvergaben geprüft werden müssen. So ist es schwerlich vorstellbar, dass hoheitlich bedingtes Abschleppen von Fahrzeugen nur deshalb unterbliebe, weil ein Verfahren zur Auftragsvergabe gerade bei der Vergabekammer anhängig ist. Die verantwortungsvolle Durchführung einer Beschaffung beginnt beim Aufbau einer schlagkräftigen Beschaffungsorganisation. Beschaffung erfordert sowohl in fachlicher als auch in vergaberechtlicher Hinsicht gut ausgebildetes Personal, das neben einer Fachexpertise auch mit dem Haushaltsrecht, wirtschaftlichen Betrachtungsweisen sowie Projektmanagementmethoden vertraut ist. Die rheinland-pfälzische Antwort auf diese Anforderung ist die Konzentration dieses Personals in einer Behörde. Auch zu diesem Zweck wurde 2017 das Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik (PP ELT) gegründet. Das Verhältnis des PP ELT zu den übrigen Polizeibehörden des Landes ist im Hinblick auf die Beschaffung so gestaltet, dass anfallende Direktkäufe und (administrativ einfache) Verhandlungsvergaben von allen Behörden durchgeführt werden können. Alle anderen (komplexeren) Vergaben werden durch den landesweit zuständigen PPELT-Fachbereich durchgeführt.

Gute Vorbereitung ist essenziell Jedes Vergabeverfahren lebt von einer guten Vorbereitung. Vorangestellt ist den Beschaffungsvorhaben eine solide konzeptionelle Haushaltsplanung. Hier sind ein modernes elektronisches Einsatzmittelmanagement und eine qualitativ und quantitativ festgelegte Soll-Ausstattung essenziell. Nur eine vollständige Erfassung relevanter Führungs- und Ein-

los funktionieren. Daher legt Rheinland-Pfalz besonChristian Gose ist ausgebilderen Wert auf die deter Jurist. Er leitet die AbEinbindung der teilung Beschaffung und LoAnwenderinnen gistik des Polizeipräsidiums und Anwender. Einsatz, Logistik und Technik Es ist ein mittin Rheinland-Pfalz. lerweile etablierter Prozess, dass Foto: BS/Polizei Rheinland-Pfalz bei bedeutenden Beschaffungen satzmittel mit Einsatzort und Leistungsprofile von den AnLebensdauer ermöglichen eine wenderinnen und Anwendern punktgenaue Haushaltsvorsorge erarbeitet werden, aus denen und logistische Ersatzgestellung. die technischen LeistungsbeJede Beschaffung hat ihre schreibungen und die weiteren Besonderheiten, die bei der Vergabeunterlagen schöpfen. Ausgestaltung der jeweiligen Dies wird beispielhaft bei allen Beschaffungsorganisation zu Fahrzeugbeschaffungen sowie berücksichtigen sind. So kann bei der Folgebeschaffung von sie – je nach Komplexität der Schutzausstattung für lebensMaßnahme – sowohl in der all- bedrohliche Einsatzlagen und gemeinen Aufbauorganisation der Bewaffnung mit einer neuen als auch in Arbeitsgruppen mit Mitteldistanzwaffe praktiziert. einzelnen Projektelementen oder in einer Projektorganisation mit Zusätzliche Schwierigkeit Projektmitteln abgewickelt werWeiterhin hält das Haushaltsden. recht mit seiner Jährlichkeit Berücksichtigung darf nicht nur schwierige Rahmenbedingungen der Beschaffungsprozess selbst bereit. Beispielhaft sei der besonfinden. Es müssen alle Fakto- ders betroffene Bereich der poren identifiziert und inkludiert lizeilichen Fahrzeugbeschaffung werden, die für eine erfolgrei- genannt. In Zeiten von Lieferche Einführung von Führungs- engpässen und unterbrochenen und Einsatzmitteln erforderlich Lieferketten ist es oft unmöglich, sind. Häufig sind hierbei auch Beschaffungsvorhaben innerdie Kapazitäten der Aus- und halb eines Jahres abzuwickeln Fortbildung ein mitbestimmen- beziehungsweise belastbar zu der Faktor. planen. Unter Anerkennung des Dies hat sich in Rheinland-Pfalz parlamentarischen Haushaltsbeispielhaft bei der Einführung vorbehalts müssen deshalb Wege von Distanzelektroimpulsgeräten gefunden werden, durch Verzöge(DEIG) gezeigt. Für die Nutzung rung entstehende Ausgabereste waren aus nachvollziehbaren automatisch und sofort verfügbar Gründen nur beschulte Anwen- im anschließenden Haushaltsderinnen und Anwender zuge- jahr bereitzustellen. lassen. Das bedingte wiederum, Polizeiliche Beschaffungen gedass eine sukzessive Beschulung lingen also nicht allein durch nach einem Aus- und Fortbil- die Beherrschung rechtssicherer dungskonzept gewählt wurde. Vergaben, sondern leben von Somit konnte auch die Ausstat- der gründlichen Vorbereitung, tung nur sukzessive erfolgen. die alle Faktoren in den Blick nimmt, die für eine erfolgreiche Leistungsprofile Implementierung von FührungsFührungs- und Einsatzmittel und Einsatzmitteln in die Orgamüssen in der Praxis reibungs- nisation relevant sind.


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Juli 2022

Die Zukunft des UHF-Bands

rastruktur in den nicht harmonisierten Teilen des 700-MHzBereichs realisieren.

Seite 40

D

ie Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) und die Bundeswehr haben bereits 2019 in einem gemeinsamen StrategieAnsatz Großteile des potenziell frei werdenden UHF-Bereichs für ihre künftige Breitband-Infrastruktur beansprucht. Aus Sicht von BOS und Bundeswehr ist die Zuteilung der Bänder zum Aufbau einer effizienten einsatzkritischen Kommunikationsinfrastruktur für den Alltag wie für Katastrophenlagen zwingend erforderlich. Aber die kommerziellen Mobilfunkbetreiber proklamieren den attraktiven Frequenzbereich ebenfalls für sich und ihre Nutzer. Auf der anderen Seite stehen die derzeitigen Noch-Inhaber der Frequenzen, unter anderem die Veranstalter terrestrischen Fernsehens und Hersteller wie Nutzer von funkbasierter Veranstaltungstechnik, deren Lobby den Frequenzen marketingtechnisch geschickt das Etikett “Kulturfrequenzen” verpasst hat. Im sonst eher unauffälligen MedienKapitel des Koalitionsvertrags haben die Ampel-Parteien einen potenziell folgenschweren Satz untergebracht: “Wir wollen das UHF-Band dauerhaft für Kultur und Rundfunk sichern”.

Ein unverzichtbares Muss Dem gegenüber steht die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zuständiger Regulator. Im November letzten Jahres hat die BNetzA eine Studie über “Perspektiven zur Nutzung des UHF-Babds 470694 MHZ nach 2030” publiziert, die deutlich macht, dass hier eine differenzierte Sichtweise möglich ist und zielführend sein kann. Der Präsident der BDBOS, Andreas Gegenfurtner, jedenfalls for-

Frequenzvergabe zwischen Sicherheit und Kultur (BS/Dr. Barbara Held/Marco Feldmann) Die Lizenzen für das Spektrum zwischen 470 bis 694 MHz, den sogenannten UHF-Bereich, werden noch in diesem Jahrzehnt neu vergeben. Die World Radio Conference (WRC) wird Ende 2023 bei ihrem Meeting in Dubai über die künftige Nutzung – zunächst Mobilfunk oder anderes – dieser Bänder entscheiden. Das weckt dringende Begehrlichkeiten. In den WRC-Vorbereitungsgremien wie in der Öffentlichkeit wird derzeit um die Positionierung Deutschlands gerungen. der Alltagskommunikation durch die bestehende und geplante Teilhabe an BOS-Netzen abgedeckt werden. Aber für militärische Krisenszenarien seien weitere Frequenzen erforderlich. Derzeit laufe bereits ein Großprojekt zum Betrieb verlegbarer Netze. Nicht nur für den Ernstfall benötige man da Frequenzen, sondern auch zum adäquaten Training der Soldatinnen und Soldaten. Momentan arbeite die Bundeswehr an einer eigenen Frequenzstrategie, so der Referatsleiter.

Status quo aufrechterhalten

Diskutierten über Frequenzbedarfe (von links oben im Uhrzeigersinn): Andreas Gegenfurtner, Dr. Barbara Held (Moderatorin), Martin Gerster, Kai Hess, Dr. Andreas Wilzeck und Alexander Kühn. Screenshot: BS/Feldmann

dert, dass den BOS-Bedarfen bei Entscheidungen zur künftigen Nutzung des UHF-Bandes Rechnung getragen werden müsse. Denn Einsatz-, Sicherheits- und Rettungskräfte bräuchten ein leistungsstarkes Mobilfunknetz, auf das sie sich jederzeit verlassen könnt. Hierfür und für Breitbandlösungen, die für BOS kein komfortables Extra, sondern ein unverzichtbares Muss seien, sei der Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz enorm wichtig. Der Aufbau eines BOS-eigenen Breitbandnetzes als Ergänzung zum Sprechfunk sei absolut notwendig und überfällig. Studien

Unter der Großen Koalition In den vergangenen Jahren wurde zur Bekämpfung von Terrorismus und Cyber-Kriminalität eine Vielzahl an Gesetzen verabschiedet, die unseren Sicherheitsbehörden bereits heute Zugriff auf eine Menge persönlicher Informationen ermöglicht. So erhielt das Bundesamt für Verfassungsschutz während der Regierungszeit der Großen Koalition die Befugnis, mithilfe von Staatstrojanern verschlüsselte Kommunikationsdaten zu erfassen und auszulesen. Auch die Bundespolizei hat mit der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und der Online-Durchsuchung neue Instrumente zur Erfassung von laufender Kommunikation bzw. von dauerhaft gespeicherten Daten bekommen.

Hohe Eingriffsschwellen Die Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP wird diese Entwicklung stoppen und hohe Eingriffsschwellen für den Einsatz von Überwachungssoftware setzen. Zudem werden die Regierungsfraktionen das Bundespolizeigesetz novellieren und die darin enthaltene Befugnis zur Quellen-TKÜ und OnlineDurchsuchung streichen sowie den Einsatz von Überwachungs-

Spektrum zwischen 470 und 694 MHz verfüge über die benötigten Qualitäten bei Reichweite und Inhouse-Abdeckung.

Für den Ernstfall Ähnlich sieht das Oberst i.G. Kai Hess. Der Referatsleiter für nationale und internationale Digital-/Cyber-/Frequenzpolitik und IT-Strategie im Bundesverteidigungsministerium (BMVg) erklärt, dass auch die Bundeswehr gerade im Hinblick auf ihre künftigen Funktionen zur Landesverteidigung einen massiven Frequenzbedarf hat. Zwar könne ein gewisser Anteil

Zu viele Einzelregelungen

I

n der Debatte über die Sicherheitsgesetzgebung in Deutschland spiegelt sich der ewige Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit wider. Für mich als Freier Demokrat steht dabei fest: Die Freiheit des Einzelnen ist Grund und Grenze liberaler Politik. Heute sind wir mehr denn je gefordert, unsere Grundrechte zu verteidigen, denn das digitale Zeitalter erlaubt immer umfangreichere Überwachungsmöglichkeiten. Je weiter die Digitalisierung aller Lebensbereiche voranschreitet, umso mehr Datensammlungen entstehen.

hätten belegt, dass die BOS für die Breitbandkommunikation einen Frequenzbedarf von mindestens 60 MHz hätten. Bislang stehe den Einsatzkräften nur Sprach-, aber keine Datenkommunikation zur Verfügung. Die bisher zugeteilten Frequenzen im Bereich von 700 MHz seien nicht ausreichend, so Gegenfurtner im Rahmen einer Behörden Spiegel-Online-Diskussionsrunde auf “Digitaler Staat Online”. “Für ein eigenbeherrschtes Breitbandnetz benötigen die BOS zusätzliches, ausreichend nutzbares Frequenzspektrum”, unterstrich Gegenfurtner. Das

Mindestens gleichbleibenden Frequenzbedarf hätten aber auch die Veranstaltungstechnik sowie Rundfunk und Fernsehen, betonte Dr. Andreas Wilzeck, Head of Spectrum Policy and Standards Pro Audio – Portfolio Management beim Unternehmen Sennheiser. Er hält die Beibehaltung des Status quo für angemessen. Auch über 2030 hinaus solle der Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz ausschließlich für Veranstaltungstechnik sowie für Rundfunk und Fernsehen zur Verfügung stehen. Die Pandemie habe gezeigt, dass Kultur und Unterhaltung für die Lebensqualität unverzichtbar seien. Ter­res­trische Fernsehen könne da durch neue Streamingangebote über 5G-Technologie ersetzt werden. Laut Wilzeck können die BOS eine ausreichende Inf-

Warum wir eine Überwachungsgesamtrechnung brauchen (BS/Manuel Höferlin) In den vergangenen Jahren ist die Zahl an Sicherheitsgesetzen kontinuierlich gestiegen. Fast jedes terroristische Attentat mündete in neuen Forderungen nach verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Dies führte zu einem unüberschaubaren Ausmaß an staatlichen Überwachungsmöglichkeiten, welches selbst von erfahrenen Juristinnen und Juristen kaum noch zu überblicken ist. software durch den Verfassungsschutz prüfen.

Mehr behördliche Zugriffe Eine Untersuchung des MaxPlanck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht im Auftrag der FriedrichNaumann-Stiftung zeigt in nahezu allen Bereichen eine deutliche Zunahme der behördlichen Zugriffe auf Daten. Am stärksten ausgeprägt sei der Anstieg bei verschiedenen Formen der Kontoabfrage und bei der Abfrage von Telekommunikationsverkehrsdaten. Den Wissenschaftlern zufolge gab es 2018 an jedem Werktag durchschnittlich 73 Anordnungen der TKÜ und 110 Verkehrsdatenabfragen, 3.758 einfache Kontoabfragen und 205 Abfragen von Kundendaten durch verschiedene Behörden bei den drei marktführenden ITProvidern Microsoft, Apple und Google.

Balance herstellen Wenn wir uns nicht in einem Szenario wie in George Orwells Dystopie “1984” wiederfinden wollen, in der alles und jeder ständig und überall überwacht wird, müssen wir eine Balance zwischen zeitgemäßer Sicherheitspolitik, Durchsetzung des Rechtsstaates und der Sicherstellung digitaler Bürgerrechte herstellen. Gerade in der digitalen Welt werden Daten für Nutzer häufig unbemerkt verarbeitet und verwendet. Die massenhafte Sammlung, Speicherung und Verknüpfung personenbezogener Daten durch den Staat oder Unternehmen schaffen die Gefahr des “gläsernen Menschen”. Das

Recht auf Schutz der Datensouveränität und der Privatsphäre der Bürger muss deshalb kontinuierlich dem technischen Fortschritt angepasst werden.

Verfassungswidrig Zu dieser Einschätzung kam auch das Bundesverfassungsgericht. In einem Urteil aus dem Jahr 2010 erklärten die Karlsruher Richter eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Telekommunikation für Zwecke der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zwar grundsätzlich für zulässig, hielten jedoch die konkrete Ausgestaltung der damaligen Regelungen im Telekommunikationsgesetz für verfassungswidrig. Demzufolge darf die “Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden” (BVerfGE 125, 260, Rn. 218, (Vorratsdatenspeicherung). Überwachungsmaßnahmen müssten nicht nur anhand ihrer Intensität bewertet werden, sondern auch vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Überwachungsmöglichkeiten. Eine solche Prüfung der vorhandenen digitalen Überwachungsinstrumente fehlt bislang in Deutschland.

Überwachungsbarometer Im Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung daher die Einführung einer Überwachungsgesamtrechnung (ÜGR) festgehalten. Damit schaffen wir eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik. Denn eine ÜGR, welche die aktuellen und zukünftigen technischen Möglichkeiten und Techno-

staatlicher Überwachungen ein globales Thema ist, handelt es sich hierbei um das weltweit ersManuel Höferlin ist innenpolitischer Sprecher der FDPte TransparenzBundestagsfraktion. instrument dieser Art. Das Modell Foto: BS/Christian Kuhlmann der ÜGR ist so angelegt, dass es zu einem periodilogien berücksichtigt, kann dazu schen Instrument im Sinne eines beitragen, Fehlentwicklungen regelmäßigen Monitorings weiterbei der Sicherheitsgesetzgebung entwickelt und perspektivisch in einem EU-weiten Anschlussprovorzubeugen. Hierzu hat das zuvor genannte jekt aufgehen kann. Max-Planck-Institut ein Konzept zur Etablierung einer ÜGR er- Evaluation bis Ende 2023 stellt, welches die ÜberwachungsBis spätestens Ende 2023 erlast aus den aktuell existierenden folgt eine unabhängige wissenrechtlichen Zugriffsmöglichkeiten schaftliche Evaluation der hiesiund der realen Zugriffspraxis gen Sicherheitsgesetze und ihrer bemisst. Obwohl die Zunahme Auswirkungen auf Freiheit und

Einvernehmlich regeln Alexander Kühn, Referatsleiter für Frequenzkonzepte bei der Bundesnetzagentur (BNetzA), betrachtet die komplexe Lage mit gebotener Zurückhaltung. Es sei keineswegs gesetzt, dass der terrestrische Rundfunk nach dem Zuteilungsende 2030 gestrichen werde. Eine von der BNetzA veröffentlichte Studie diskutiere verschiedene Nutzungsszenarien, darunter auch eine anteilige Vergabe an BOS und Bundeswehr. Damit sei aber noch nicht entschieden, dass der Bereich von 470 bis 694 MHz tatsächlich frei werde. Letztendlich komme es darauf an, dass die Interessenten ihren Bedarf plausibel darlegten. Die BNetzA bemühe sich, darüber hinaus auch alternative Optionen darzulegen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster, ehrenamtlicher Präsident der THW-Bundesvereinigung e. V., sieht beide Seiten des Interessenskonflikts. Aus seiner Sicht haben die zu treffenden Entscheidungen über Frequenzen eine große Bedeutung. Da gehe es um beschränkte Ressourcen, bei denen die BOS aber nicht zu kurz kommen dürften. “Der BOS-Funk rettet Menschenleben.” Deshalb brauche es im Frequenzbereich zwischen 470 und 694 MHz eine einvernehmliche Lösung, die auch BOS und Bundeswehr angemessene Teilhabe zugestehe. Die gesamte Diskussionsrunde kann unter www.digitaler-staat. online/2022/05/02/zukunft-desuhf-bandes-frequenzvergabezwischen-sicherheit-und-unterhal tung/ abgerufen werden.

Demokratie im Lichte technischer Entwicklungen. Zur kontinuierlichen Bewertung von freiheitseinschränkenden Befugnissen und Überwachungsmaßnahmen wird die Fortschrittskoalition eine “Freiheitskommission” als unabhängiges Expertengremium nach dem Vorbild der “Wirtschaftsweisen” einsetzen. Auch in Zukunft wird es immer neue technische Möglichkeiten zur Erfassung, Speicherung und Auswertung persönlicher Daten geben. Unsere Aufgabe als Teil der Fortschrittskoalition ist es, die technisch-gesellschaftliche Entwicklung genau zu beobachten. Wir werden für einen durchsetzungsfähigen Rechtsstaat sorgen, der die Summe der Überwachung auf ein für die freiheitlich-demokratische Grundordnung erträgliches Maß begrenzt. Die Einführung der ÜGR schafft hierfür die Voraussetzungen. Damit bringen wir Sicherheit und Freiheit wieder in Balance und stellen sicher, dass die Abwägung in Zukunft nicht mehr auf Kosten des einen oder anderen gehen wird.

Rückgang verzeichnet Weniger Fehlzeiten bei Hessens Polizei (BS/mfe) Die Fehlzeiten bei der hessischen Polizei sind auch im zweiten Pandemiejahr 2021 weiter gesunken. Waren 2019 durchschnittlich 26,78 und im Jahr 2020 noch 24,95 durchschnittliche Fehltage pro Person verzeichnet worden, konnte für 2021 ein weiterer Rückgang auf 24,34 Tage pro Person festgestellt werden. Bei der Auswertung der Fehlzeiten werden aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle die Kalendertage der Abwesenheit und nicht die Arbeitstage ausgewertet. “Für unsere Polizeibeamtinnen und -beamten waren die Pandemiejahre 2020 und 2021 sehr belastend. Trotz der erschwerten Bedingungen und der großen He­rausforderungen haben die Kolleginnen und Kollegen deutlich seltener gefehlt”,

lobte Innenminister Peter Beuth (CDU). Seitens der Landesregierung werde alles unternommen, um die Beschäftigten weiter zu unterstützen. So habe es in den letzten Jahren erheblich mehr Personal gegeben. Bis 2025 werden es mit mehr als 16.000 Beamtinnen und Beamten so viele wie nie zuvor sein. Übrigens: Aufgrund der unterschiedlichen Schichtmodelle werden bei der hessischen Polizei

stets auch Feier- und Wochenendtage zu Fehltagen hinzugerechnet. Darüber hinaus fließen im Gegensatz zu den Statistiken der gesetzlichen Krankenkassen in die Fehlzeitenstatistik alle Fehlzeiten ab dem ersten Kalendertag – auch ohne Attest – ein. Ein Vergleich von Krankenkassendaten mit den Fehlzeiten der hessischen Polizei ist daher nicht möglich.


Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / Juli 2022

W

ie ein Wiedergänger kommt gerade wie jetzt in der Krise die Idee von Politikerinnen und Politikern auf, ein wie auch immer geartetes Pflichtdienstjahr einzuführen. Der letzte Vorstoß in diese Richtung kam von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er konnte sich in einem Interview die Einführung eines solchen Dienstes für alle jungen Menschen gut vorstellen. Eine Pflichtzeit im Dienste der Gesellschaft würde den Horizont junger Menschen erweitern. Aber eine Wiedereinführung der Wehrpflicht brauche es dafür nicht. Er wünsche sich eine Debatte darüber. Doch stößt diese Idee nicht nur im politischen Raum auf wenig Gegenliebe. Diese Diskussion um ein Pflichtjahr gebe es schon seit einiger Zeit, sagt Jan Holze, Vorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Doch gebe es seit der Aussetzung der Wehrpflicht schon andere Formen von Freiwilligendiensten. “Die Bedarfe an den Freiwilligendiensten sind höher als die zur Verfügung stehen den Möglichkeiten. Deswegen wäre mein Plädoyer, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass es ausreichend Plätze gibt”, so Holze. Es brauche gleichzeitig mehr Wertschätzung der Politik gegenüber diesen Diensten. Stichworte seien hier ÖPNV-Ticket oder die Erhöhung des sogenannten Taschengelds. “Ich glaube, dass man zunächst einmal an diesen Stellschrauben drehen muss, bevor man sich mit der großen Keule “Pflichtjahr” beschäftigt”, meint Holze. “Wir sollten die bestehenden Strukturen, die durch Freiwilligkeit geprägt sind, stärken und ausbauen”, sagt auch Annalena Di Carlo, stellvertretende Bundesjugendleiterin der THWJugend. Zwar gehe es bei einem Freiwilligendienst nicht vorrangig um Geld, aber man müsse ein Stück weit auch von diesem Taschengeld leben. Bei der bisherigen Höhe des Taschengeldes gebe es keinen gerechten Zugang

B

Vorhandene Strukturen stärken Ehrenamtlicher Nachwuchs bei der Gefahrenabwehr (BS/bk) Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr wäre ohne das Ehrenamt kaum denkbar. Schätzungsweise 1,9 Millionen Bundesbürger engagieren sich in der Freiwilligen Feuerwehr, den Hilfsorganisationen oder beim Technischen Hilfswerk (THW). Doch gerät dieses wahrscheinlich auf der Welt einmalige Hilfeleistungssystem aufgrund von demografischem Wandel, verändertem Freizeitverhalten oder Corona-Pandemie unter Druck. Ein verpflichtendes Dienstjahr erscheint dabei als einfache und elegante Lösung. Jedoch nur auf den ersten Blick. zu diesen Diensten, weil sich nur junge Menschen aus besserverdienenden Familien sich ein solches Engagement leisten könnten. Ebenso zweifelt die THWlerin an, ob der Sinn des Engagements nicht durch eine Pflicht abhandenkommt. Zudem müssten auch die Freiwilligen betreut werden. Bisher gebe es schlichtweg noch nicht genug Stellen, um eine noch größere Anzahl an Dienstleistenden zu betreuen. Dem kann sich Ingolf Höntsch, stellvertretender Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes (LFV) Sachsen, anschließen: “Direkt ausgeübter Zwang, was anderes ist es nicht, führt in meinen Augen definitiv zum Gegenteil, zumindest wenn wir über die aktiven Abteilungen von THW, Feuerwehr oder anderen Organisationen reden.”

Schwieriger Übergang zur Einsatzabteilung Die Situation des Ehrenamtes variiert in Deutschland nicht nur zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern auch zwischen den verschiedenen Organisationen. “Insgesamt können wir uns in der THW-Jugend nicht beklagen. Wir haben seit Jahren sehr stabile Mitgliedszahlen. Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass wir durch Corona natürlich auch leichte Rückgänge hatten. Tatsächlich aber auch wirklich nur leichte. Wir haben ungefähr 15.000 Mitglieder und haben da einige hundert während Corona verloren”, berichtet Di Carlo. Der Rückgang könne aber auch dadurch zu erklären sein, dass die Jugendlichen das achtzehnte Lebensjahr erreicht hätten und

Braucht es einen Pflichtdienst für (junge) Erwachsene? Der Nachwuchs in der Gefahrenabwehr lässt sich anders sicherstellen. Foto: BS/Wilfried Pohnke, pixabay.com

in das THW gewechselt seien. Man habe es aber auch während der Corona-Pandemie geschafft, neue Kinder für die THW-Jugend und ein Ehrenamt zu gewinnen. Aber auch für das THW selbst seien die Mitgliedszahlen positiv. Gerade durch die Flutkatastrophe im Ahrtal sei die Arbeit des Hilfswerks in den Fokus gerückt und es sei nochmals bekannter geworden. Weniger positiv sieht es dabei in Sachsen aus. Während die Jugendarbeit noch relativ stabil bleibe, sehe die Entwicklung der Mitgliedszahlen bei den Einsatzabteilungen schlechter aus. Knackpunkt sei hier vor allem der Übertritt von der Jugendfeuerwehr in die aktiven Abteilungen, wenn das sechszehnte Lebensjahr erreicht. Vielfach orientierten sich die Jugendlichen in diesem Alter beruflich bzw. ausbildungstechnisch neu. “Gerade im ländlichen Raum ist damit verbunden, dass ich mein Elternhaus verlasse”, sagt

Höntsch. Durch den Wohnortwechsel komme es manchmal dabei auch zum Abbruch der Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. Aber auch die Pandemie habe Probleme teilweise verstärkt. Um dem entgegenzuwirken, machten sich der LFV, das sächsische Innen- und das Kultusministerium Gedanken, wie man die Arbeit verbessern könne. Dieser Prozess sei aber noch nicht abgeschlossen. Die Feuerwehr in Sachsen sei dabei kein Einzelfall. “Diese Sorgen werden uns auch von anderen Organisationen zurückgespielt. Es hat ganz stark eine Problematik der Entwöhnung gegeben, dass sich viele in den Zeiten von Corona aus dem Ehrenamt zurückgezogen haben”, bekräftigt Holze die bundesweite Situation. Den Motor wieder in Gang zu bringen, gestalte sich an vielen Stellen schwierig. In vielen Organisationen sei man noch nicht wieder auf dem Niveau von Vor-Corona, was die

Serienreife erreicht

ehörden Spiegel: Wie bewerten Sie den Test des eLHF?

Jens Klink: Der Probetrieb wurde jetzt im Februar abgeschlossen und war meiner Ansicht nach erfolgreich. Das Fahrzeug wird in diesem Jahr die Serienreife erreichen. Leider haben wir unsere Ziele, was die Einsparung von CO 2-Emissionen angeht, nicht komplett erreicht. Dies lag aber daran, dass die Ladeinfrastruktur an zwei Wachen der drei Testwachen nicht ganz so funktioniert hat, wie sie sollte. So konnten wir nur rund neun Tonnen CO2 im Vergleich zu anderen Fahrzeugen einsparen. Bei vollständigem elektrischem Betrieb wäre die Einsparung über ein volles Betriebsjahr wahrscheinlich bei mehr als 15 Tonnen gewesen. Das eLHF ist in mehr als 90 Prozent aller Einsatzfälle rein elektrisch gefahren. Hätte die Ladeinfrastruktur so funktioniert, wie sie sollte, wäre der Anteil bestimmt bei 98 Prozent gewesen. Aber auch das ist aus meiner Sicht positiv, da wir zeigen konnten, dass trotz eines Ausfalls der Ladeinfrastruktur das eLHF einsatzfähig war. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Katastrophenfestigkeit positiv zu bewerten. Es wird jetzt ein Erfahrungsbericht erstellt, der anderen Feuerwehren zur Verfügung gestellt wird.

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Positive Erfahrungen im Probebetrieb des eLHF

Mitgliedszahlen angehen, weil der Zugang zur Struktur fehle.

Diskrepanz zwischen Bereitschaft und Handeln Grundsätzlich sei die Bereitschaft, zu helfen und sich zu engagieren, in der Bevölkerung groß. Dies zeige sich gerade in Krisenzeiten, sagt Holze. Doch nach kürzester Zeit zeige sich auch immer eine gewisse Ermüdungserscheinung, verbunden mit der Hoffnung, dass andere übernehmen sollen. “Da haben wir ein Grundproblem im Engagement, dass man gerne bereit ist, sich kurzfristig zu engagieren, aber wenn es um eine dauerhafte Übernahme von Verantwortung geht, dann gibt es eine gewisse Zurückhaltung”, so der Stiftungsvorstand. Es sei ein gewisser Trend zur kurzfristigen Hilfebereitschaft erkennbar. Ähnliches lässt sich auch im zweiten Ehrenamtsmonitor des Malteser-Hilfsdienstes (MHD) beobachten. Auffällig bei der

Umfrage ist, dass die Befragten (rund ein Drittel) sich spontan hilfsbereit zeigen, aber nur wenige sich langfristig in einer Hilfsorganisation engagieren wollen. Die Zahl derer, die sich länger binden wollen, liegt wie im vorherigen Ehrenamtsmonitor des Hilfsdienstes bei nur sieben Prozent. Gleichzeitig wissen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage um die Bedeutung des Ehrenamtes bei der Bewältigung von Krisensituationen. 70 Prozent halten das Ehrenamt z. B. bei der Bewältigung von Naturkatastrophen für wichtig und sehr wichtig. Die stellvertretende THW-Bundesjungendleiterin erklärt sich diese Diskrepanz mit möglicherweise fehlendem Wissen über die Möglichkeiten für ein Ehrenamt und die Flexibilität, die es haben könne. Es brauche auf jeden Fall mehr Informationen. Höntsch sieht hier eher die Politik in der Pflicht, mehr Unterstützung für ehrenamtlich Tätige zu leisten. Er kritisiert den fehlenden politischen Willen, mehr zu tun. Dies sei vor allem für die Gefahrenabwehr im ländlichen Raum ein Problem, weil es z. B. keine Berufsfeuerwehr gebe. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen verbessern. Dem kann sich Holze anschließen. Laut einer Studie aus Baden-Württemberg verbringt ein Verantwortlicher in einem mittelgroßen Verein rund 45 Tage pro Jahr mit bürokratischen Aufgaben. Dies halte natürlich viele davon ab, das zu tun, was sie eigentlich wollten. Eine einfachere und unbürokratische Herangehensweise sei hier zielführend. “Aber wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das Ehrenamt attraktiv bleibt. Dennoch reicht es nicht aus, den Finger in Richtung Staat zu zeigen”, so Holze. Dieser könne zwar für etwas bessere Rahmenbedingungen sorgen, was er noch nicht im ausreichenden Maße tue, aber es komme auch immer auf die Gestaltung vor Ort an.

zent kamen aus einem weiteren Fördertopf. Behörden Spiegel: Sehen Sie

(BS) Alternative Antriebe haben auch bei den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Einzug gehalten. Eine Besonderheit das Ende von dieselbetriebenen stellt das eLHF der Berliner Feuerwehr dar. Der Probebetrieb des Fahrzeuges ist im Februar ausgelaufen. Dazu zieht Jens Klink, Produktmanager Fahrzeugen gekommen? “eLHF”, Bereich Zentraler Service Fahrzeuge und Geräte der Berliner Feuerwehr, Bilanz. Im Interview erklärt er außerdem, worauf er in Zukunft im Klink: Nein, das nicht. Aber Bereich der E-Mobilität setzen würde. Die Fragen stellte Bennet Klawon. rona-Pandemie verzögert worden. Eine weitere Ladestation sprang nicht immer an und musste zwei, drei Mal gestartet werden. Da gab es Probleme, bis die Station ausgefallen ist. Wir haben aber auch festgestellt, dass wir gar keine Schnellladestation brauchen, wie wir angenommen hatten. Es reichen tatsächlich einfache Wechselstromladepunkte aus, um das Fahrzeug einsatzbereit zu halten. Behörden Spiegel: Welche Rückmeldungen gab es von Ihren Kolleginnen und Kollegen? Klink: Die Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen nehmen wir ungeschönt in den Erfahrungsbericht auf. Dabei fragten wir, wie sie die Sitzanordnung, den Blick aus der Fensterfront oder den Fahrkomfort gefunden haben. Negativ waren z. B. die elektronischen Spiegel. Dort war das Sichtfeld bei Nacht nicht optimal. Das haben wir so weitergegeben und hier muss nachgebessert werden.

Behörden Spiegel: Welche Probleme gab es mit der Ladeinfrastruktur?

Behörden Spiegel: War das eLHF wartungsintensiver als herkömmliche Fahrzeuge?

Klink: Die Installation einer Ladestation auf der Feuerwache Schöneberg war aufgrund der Co-

Klink: Nein, das würde ich nicht sagen. Wartungsintensiv bei solchen Spezialfahrzeugen

Wird in diesem Jahr Serienreife erreichen: das eLHF (hier zu sehen das Ausstellungsmodell von Rosenbauer auf der Interschutz). Jens Klink, Projektmanager “eLHF” bei der Berliner Feuerwehr, bewertet den Testbetrieb des Fahrzeugs positiv. Foto: BS/Klawon

“Das ist aus meiner Sicht positiv, da wir zeigen konnten, dass trotz eines Ausfalls der Ladeinfrastruktur das eLHF einsatzfähig war.” ist die Gerätetechnik, wie z. B. Kreiselpumpen. Diese Technik ist aber auch auf allen anderen gleichen Fahrzeugen verbaut und unterscheidet sich nicht. Auch eine Erneuerung der Bremsbelege, wie wir sie bei den Rettungswagen hatten, war nicht wesentlich anders. Ebenso unterscheiden sich die Fahrwerkskomponenten wenig von konventionellen Fahrzeugen. Schließlich ist auf dem

eLHF ja auch mit dem RangeExtender ein Dieselmotor. In diesem Bereich gab es im Vergleich kaum Einsparungen. Behörden Spiegel: Wie geht es jetzt mit dem eLHF weiter? Gibt es Pläne, weitere Fahrzeuge mit E-Antrieb in Dienst zu stellen? Klink: Das eLHF ist momentan beim Hersteller, der das Fahr-

man muss gemeinsam entscheizeug auseinanderbauen, die Teile den, was genutzt werden soll. Wir analysieren und neue Serienteile hatten z. B. die Bundespolizei zu wieder verbauen wird. Es war Besuch, die sich das Fahrzeug ja ein Prototyp. Aber wenn das angeschaut und sich informiert Fahrzeug zurückkommt, wird hatte. Sie setzen bei sich vermehrt es ganz normal in den Dienst auf synthetische / strombasiegestellt, wie die anderen Fahrzeu- rende Kraftstoffe. Die große Frage ge auch. Wir haben vor, weitere wird sein, auf welchen EnergieträFahrzeuge dieser Art zu beschaf- ger man sich für die Zukunft eifen. Dennoch nigt. Nur wenn müssen wir wir in der Ge“Eine einheitliche fahrenabwehr schauen, wie Lösung, die aus umkompatible viel Geld wir zur Verfügung Energieträger welttechnischer Sicht haben, da wir Vorteile bringt, ist aber haben, könnoch einen einnen wir zielgeauf jeden Fall wichtig.” richtet agieren. geschränkten Haushalt haWasserstoff hat z. B. den Nachben. Es bleibt also der reguläre Haushalts- teil, dass die Infrastruktur noch plan abzuwarten. Auch muss aufgebaut werden muss. Auch beobachtet werden, wie sich der die Produktion von strombasiePreis entwickelt. Gerade durch rendem Kraftstoff aus Wasserstoff die aktuelle Lage sind die Bau- kann nur bei einem Überschuss teile natürlich nochmals teurer an Energie vorgenommen werden, weil man bei der Umwandelung geworden. Außerdem müssen wir schauen, sehr viel Verlust hat. Es mag ob noch mehr Hersteller elektri- jetzt blöd klingen, aber ich persche Fahrzeuge auf den Markt sönlich würde mich nach dem bringen, um hier mehr Druck zu Militär richten. Im Ahrtal haben erzeugen. Der Preis eines eLHF wir gesehen, als alles zerstört war, ist im Vergleich zu konventionel- dass die Bundeswehr mit ihren len Fahrzeugen deutlich höher. mobilen Tankstellen gekommen Aber dabei möchte ich noch- ist und Diesel verteilt hat. Die mal darauf verweisen, dass der Zusammenarbeit hat dabei gut Testbetrieb ohne die Förderung funktioniert. Eine einheitliche Löder EU nicht möglich war. 50 sung, die aus umwelttechnischer Prozent der Finanzierung hat die Sicht Vorteile bringt, ist aber auf EU übernommen und 40 Pro- jeden Fall wichtig.


Katastrophenschutz

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Der Gewalt begegnen

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ine positive Nachricht hat Anne Gehrke, Referentin am Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), zu Beginn dabei. Das Thema habe in den vergangenen Jahren zunehmend an öffentlichem Interesse gewonnen. Doch da enden schon die guten Nachrichten. Ein Problem beim Thema “Gewalt gegen Einsatzkräfte” sei, dass man kein gutes Lagebild habe. Zwar stiegen die Zahlen in den Statistiken, doch führt das Gehrke auf eine zunehmende Sensibilisierung zurück. Jedoch fehle eine umfassende Erhebung. Die Gründe dafür seien, dass Übergriffe nicht gemeldet würden, weil teilweise nicht bekannt sei, was man alles melden könne. Ebenso seien nicht alle Übergriffe meldepflichtig. Bei einer Umfrage zu Gewalterfahrungen, die sie bei der DGUV 2020 durchgeführt hat, habe man eine gute Rücklaufquote gehabt. Insgesamt hätten sich 2.668 aktive Feuerwehrangehörige beteiligt. Von diesen hätten in den vergangenen zwei Jahren 35 Prozent schon Gewalt erlebt. 70 Prozent davon seien beleidigt und über 20 Prozent seien bedroht worden. Einen tätlichen Angriff hätten schon knapp vier Prozent erlebt. Ebenso spiele bei Bedrohungen und Beleidigungen zunehmend auch Social Media eine Rolle. Die meisten Gewalttaten hätten sich in kleinen bis mittleren Städten ereignet. Zur Täterstruktur könne man sagen, dass es sich meistens um Einzeltäter handele. Schwieriger sei die Einschätzung, ob der Täter unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gehandelt haben. In der Hälfte der Fälle seien sich die befragten Einsatzkräfte nicht sicher

Behörden Spiegel / Juli 2022

Symposium “Gewalt gegen Einsatzkräfte” sucht Antworten (BS/bk) 67 tätliche Angriffe, sechs tätliche Angriffe mit einer Waffe, 18 tätliche Angriffe mit einem gefährlichen Gegenstand, 23 Sachbeschädigungen, 92 Beleidigungen, 73 Bedrohungen mit Worten, zwölf Bedrohungen mit Waffen und 13 Bedrohungen mit einem gefährlichen Gegenstand: Das ist die Bilanz der Berliner Feuerwehr zum Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte aus dem vergangenen Jahr. Die Zahlen dürften in anderen Kommunen vergleichbar sein. Doch wie soll man diesem Thema begegnen? Auf dem Symposium “Gewalt gegen Einsatzkräfte” ist man auf die Suche gegangen.

ter bemängelt er den fehlenden Rechtsbeistand bei Verhandlungen für betroffene Feuerwehrkräfte durch Kommunen. Die Gefahr der Frustration bei ergebnislosen Verhandlungen sei hoch. Banse sorgt sich davor, dass diese mangelhafte Verfolgung und die Gewalt selbst junge Menschen abschrecke, sich bei der Feuerwehr zu engagieren, und ältere Feuerwehrkräfte aus Frust den Dienst quittierten. Thomas Wittschurky, Geschäftsführer der Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen, sieht auch das Problem in der Verfolgung. Er erteilt aber Forderungen nach einer Strafverschärfung eine Absage. Es bringe nichts, etwas zu verschärfen, wenn es nicht angewendet werde.

Justiz mitnehmen

Wie kann Gewalt verhindert werden? Dazu sprachen Anne Gehrke (oben links), Max Eggeling (unten links), (v.l.n.r. im großen Bild) Thomas Wittschurky, KarlHeinz Banse, Dr. Janina Dressler und Stephan Manke. Fotos: BS/Klawon

gewesen. All diese Daten seien jedoch für die Präventionsarbeit wichtig, betont Gehrke.

Handlungsspielräume ­erweitern Dem kann sich Max Eggeling, Präventionsexperte und Ausbilder, anschließen. Er sagt: “Erst wenn man versteht, warum Leute angreifen, kann man Präventionsmaßnahmen erstellen.” Er selbst wurde während seiner Tätigkeit beim Rettungsdienst Opfer von Gewalt. Zwar habe das damalige Verfahren zu nichts geführt, dennoch geht Eggeling davon aus, dass kein Mensch per se gewalttätig sei. Für einen Großteil sei Gewalt

immer nur ultima ratio. Doch gerade bei einem Einsatz, der für den “Normalbürger” eine Extremsituation darstelle, sei der gefühlte Handlungsspielraum stark eingeschränkt. Dies habe zur Folge, dass Menschen irrational handelten. Um die Situation zu deeskalieren, müssten Einsatzkräfte frühzeitig eine brenzlige Situation erkennen und den Handlungsspielraum für die Person wieder öffnen. Es gehe niemals darum, Menschen zu kontrollieren, sondern es müsse die Situation kontrolliert werden. Dazu müssten den Menschen immer wieder alternative Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Eggeling sei sich bewusst, dass das

Einsatzgeschehen dies manchmal kaum zulasse bzw. die Einsatzkraft selbst keine Öffnungsmöglichkeiten sehe. Deshalb fordert er einen Paradigmenwechsel in der Ausbildung von Einsatzkräften, da es noch viel Potenzial gebe, um Kräfte in diesen Extremsituationen souveräner zu machen. Dafür brauche es aber mehr Geld.

Keine Konsequenz Eine Änderung in der öffentlichen Wahrnehmung konnte Dr. Janina Dressler, Präventionsbeauftragte der Berliner Feuerwehr, beim Thema Gewalt feststellen, aber die Konsequenzen aus dieser Wahrnehmung seien bisher nicht

gezogen worden. Es fehle an Geld und Ressourcen. Selbst bei ihrer Stabsstelle, die in Deutschland einzigartig sei, komme sie an ihre Grenzen. “Ich versuche seit drei Jahren, mehr Personal zu bekommen”, berichtet sie. Bisher seien ihre Bemühungen vergeblich. Aber nicht nur fehlendes Geld erschwert die Arbeit, sondern auch das geringe Interesse von Staatsanwaltschaften, Angriffe zu verfolgen, frustriere viele Einsatzkräfte. “Die Strafverfolgung und Ahndung wird nicht in dem Maße durchgeführt, wie sie könnte”, kritisiert Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV). Wei-

Stephan Manke (SPD), Staatssekretär im niedersächsischen Innenministerium, vermutet, dass den Staatsanwaltschaften häufig das Wissen fehle, was ein solcher Angriff, ob verbal oder körperlich, für die Einsatzkräfte bedeute. Der Partner Staatsanwaltschaft müsse stärker miteinbezogen werden. Deshalb bedürfe es einer Sensibilisierung der Justiz. Es reiche nicht nur aus, auf oberster politischer Ebene tätig zu werden, sondern es müsse in der Fläche einen Wandel geben. Manke macht sich in diesem Zusammenhang für eine häufigere Anwendung eines Täters-Opfer-Ausgleichs stark. Diese Möglichkeit sei vielleicht wirksamer als ein Strafverfahren, da so die Täter mit ihrem Handeln und dem Opfer stärker konfrontiert würden. Er kündigte deshalb in diesem Zusammenhang Gespräche mit dem niedersächsischen Justizministerium an, an dem sich der DFV beteiligen soll.

Die Zukunft beginnt jetzt

“Strategie 2030” präsentiert

Trends auf der Interschutz

Berliner Feuerwehr rüstet sich für die Zukunft

(BS/bk) Was lange währt, wird gut. Nach mehrmaligem Verschieben fand nun die Interschutz in Hannover statt. Zahlreiche Aussteller und Organisationen präsentierten sich und ihre Lösungen für die Zukunft der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Neben Persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Pumpen und Drohnen stachen zwei Trends hervor, die in den kommenden Jahren mehr an Bedeutung gewinnen werden.

(BS/Marco Feldmann) Die Berliner Feuerwehr hat ihre “Strategie 2030” vorgestellt. Sie setzt den Rahmen, in dem sich die Behörde in den kommenden Jahren entwickeln möchte, entwickeln kann und entwickeln muss, um die Herausforderungen der wachsenden Stadt, der gesellschaftlichen und technologischen Veränderungen sowie die daraus abzuleitenden möglichen Szenarien erfolgreich bewältigen zu können.

Der erste große Trend ist bei der Fahrzeugtechnik die Umstellung auf E-Mobilität. Passend dazu präsentierte der Branchen-Primus Rosenbauer der Weltöffentlichkeit das erste Mal eine elektrisierte Version des Flughafenlöschfahrzeuges Panther. Der 39 Tonnen schwere “Panther electric” ist die Elektrifizierung der vierten Generation dieser Baureihe. Man sehe von Kundenseite einen Bedarf an mehr elektrischen Fahrzeuglösungen, erklärte ein Firmenvertreter auf der Interschutz gegenüber dem Behörden Spiegel. Zum einen verfolgten Betreiber von Flughäfen das Ziel, Emissionen einzusparen. Zum anderen biete eine elektrifizierte Version des Panthers unter den Gesichtspunkten des Gesundheitsschutzes Vorteile, da das Fahrzeug neben dem emissionsärmeren Antrieb auch leiser sein werde.

Kein Kompromiss durch ­Elektrifizierung Zudem sei der Zeitpunkt der Entwicklung genau richtig. So stehe die Technologie für die Realisierung schon zur Verfügung. Die getesteten Komponenten, wie Batterien, aus der Produktion von E-Lkws und E-Bussen böten hier gute Ansatzpunkte. Das Unternehmen nehme dieses Wissen und baue seine eigene Plattform für E-Antriebe für den Panther. Diese Plattform werde an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Schätzungen zufolge könnten im Regelbetrieb rund 90 Prozent der Aktivitäten rein elektrisch durchgeführt werden. Als Rückfallebene ist wie bei dem eLHF ein Range Extender an Bord. Bei einer entsprechenden Lade-infrastruktur von 250 bis 300 Kilowatt könne ein kompletter Ladevorgang des Fahrzeuges in

20 bis 25 Minuten abgeschlossen werden. Die Beschleunigung des Panthers electric auf 80 Stundenkilometer in 20 Sekunden unter Benutzung eines Boosters stehe seinem herkömmlichen Bruder in nichts nach. Insgesamt stelle die Elektrifizierung keinen Kompromiss dar. Als nächsten Schritt werde man mit Vorserienfahrzeugen in einen Feldtest gehen. Dabei strebe man das gleiche Verfahren wie mit dem eLHF bei der Berliner Feuerwehr an.

Praxisnahe Entwicklung Bei welcher Flughafenfeuerwehr der Feldtest durchgeführt werden soll, ist noch nicht klar. Das Unternehmen plant einen Verkauf des Panthers ab 2024. Ähnlich wie beim eLHF sei zunächst mit höheren Investitionskosten zu rechnen. Man gehe aber davon aus, dass die Kosten in den kommenden Jahren sinken werden. Elektrisch wird es jetzt auch bei den Drehleitern. Wie schon im Vorlauf der Interschutz bekanntgegeben, stellte Rosenbauer die erste Drehleiter auf einem vollelektrischen Serienfahrgestell, L32A-XS electric, vor. Die Drehleiter verfügt über zwei Elektromotoren für den Antrieb und über einen zusätzlichen E-Motor als elektrischen Nebenantrieb für den Leiterbetrieb. Der L32A-XS ist auf einem Volvo FE Electric-Chassis aufgebaut. Um verlässliche Werte aus der Einsatzrealität zu gewinnen, tritt die Drehleiter jetzt ihren Dienst bei der Feuerwehr Zürich an.

Im virtuellen Raum vorbereiten Das zweite große Thema, das auf der Interschutz allgegenwärtig war, zeigte sich in Form von Virtual Reality (VR) und Simula-

tionen. Gerade für die Vorbereitung auf Trainingsinhalte und das reale Einsatzgeschehen biete sich der Einsatz von VR-Systemen an, heißt es beispielsweise von Vertretern der Firma Dräger. Die Rechnung sei einfach. Bei einem Lehrgang in einer Übungsanlage der Firma könnte bei einer Lehrgangstärke von 120 Personen an einem Wochenende jeder Teilnehmer nur einen Durchgang in der Anlage absolvieren. Mit dem Trainingssystem der Firma, bei dem die Anlage virtuell nachgebaut wurde, könnten sich die Einsatzkräfte schon auf die Übung vorbereiten. VR stelle auf keinen Fall einen Ersatz dar, sondern diene nur der Vorbereitung und der Übung von Handlungsabläufen. Durch einen Serious-GameAnsatz erhoffen sich die Anbieter, einen neuen und weiteren Zugang zu Übungsabläufen zu gewinnen.

Kein Ersatz, sondern eine Ergänzung Einen ähnlichen Ansatz verfolgt beispielsweise auch Tenstar mit seinem Fahrsimulator. Auch hier ist man überzeugt, dass eine VRgestützte Simulation auf die Realität vorbereiten kann. Es gehe darum, Abläufe zu trainieren und ein Gefühl für das Fahren zu bekommen. Mittels einer Plattform, auf dem der Fahrersitz montiert ist, werden die Vibrationen und Erschütterungen eines Einsatzfahrzeuges realitätsnah simuliert. Ein KI-generierter Verkehr sorgt auch bei abermaligem Fahren für Abwechslung. Dies ersetze aber keinesfalls die Ausbildung auf dem Fahrzeug, erklärte ein Firmenvertreter von Tenstar. Dieser kleine Ausschnitt zeigt: Die Zukunft ist schon längst da.

Die ersten Arbeiten für die Erarbeitung der Strategie begannen schon vor drei Jahren. An ihrer Ausarbeitung waren über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt. Viele Ideen seien aus der Mitte der Feuerwehr heraus entstanden, erläuterte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Weiter sagte sie: “Die Berliner Feuerwehr blickt mit ihrer Strategie 2030 in die Zukunft und stellt sich damit auf kommende Herausforderungen ein. Die Berliner Feuerwehr baut mit der “Strategie 2030” ihre Rolle als Krisenmanagerin und Innovationsmotor der Stadt weiter aus.” Und Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen machte deutlich, dass mithilfe der Strategie, bei deren Erstellung es auch externe Beratung gegeben habe, verschiedenen Megatrends begegnet werden solle. Dazu gehörten die Urbanisierung, die Individualisierung, die menschengemachte Umweltbelastung, die Digitalisierung und der demografische Wandel. Die Strategie schaffe Leitlinien, entfalte Wirkung nach innen und außen und gebe dadurch Orientierung für alle Angehörigen und Partnern der Berliner Feuerwehr. Der Landesbranddirektor unterstrich: “Mit der “Strategie 2030” setzen wir den Rahmen, in dem wir den Herausforderungen der Zukunft begegnen, um ein verlässliches Krisenmanagement für Berlin sicherstellen zu können.”

Neun strategische ­Handlungsfelder Insgesamt seien neun strategische Handlungsfelder identifiziert worden, so Homrighausen weiter. Dazu zählten die Attraktivität

des Ehrenamtes, eine gute und ausreichende Qualifizierung der Mitarbeiter, Wertschätzung und Fürsorge, ein zukunftsgerichtetes Führungsverständnis, das Verständnis als Gemeinschaft, künftige Einsatzkonzepte, die Resilienz der Stadt Berlin, der Umweltschutz und die digitale Transformation. Jedes einzelne Handlungsfeld sei mit strategischen Zielen hinterlegt. Konkret geht es zum Beispiel darum, die Vernetzung der verschiedenen Akteure der Notfallversorgung weiter voranzubringen, die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung zu stärken und, im Sinne einer resilienten Feuerwehr, ein ausfall-, funktions- und leistungsfähiges Kommunikationsnetz in Extremsituationen bereitzustellen. Außerdem soll das Ehrenamt attraktiv gestaltet werden. Darüber hinaus sollen Einsatzkonzepte immer wieder angepasst werden, etwa an die zunehmende Zahl hilfesuchender Menschen, die den Notruf wählen und eine bessere psychosoziale Betreuung benötigen. Zudem geht es um neue Technologien zur Einsatzunterstützung, darunter Robotik und Künstliche Intelligenz (KI) in der Leitstelle, sowie um eine zukunftsweisende Qualifizierung der Beschäftigten und eine vorausschauende Sicherung des Personalbedarfs. Auch Führung der Zukunft ist Inhalt des Papiers. Die Strategie, die federführend von einem zwölfköpfigen Team und unter hoher Partizipation der Beschäftigten entwickelt wurde, muss in den kommenden Jahren noch operationalisiert und zum Beispiel mit Kennzahlen hinterlegt werden. In ihr wurden laut

Homrighausen neben Visionen und einer Mission auch Werte für die Berliner Feuerwehr entwickelt. Weitere Details sind noch offen. Es existiert jedoch ein konkreter Fahrplan zur Operationalisierung mit Spielraum für die einzelnen Abteilungen bei der konkreten Umsetzung. Aus der Personalvertretung kommt jedoch Kritik. Hier wird das Dokument für sehr redundant und unkonkret gehalten. Es mangele der Strategie an Innovation, findet Lars Wieg, Personalratsvorsitzender der Berliner Feuerwehr

“Wir kommen an unsere Grenzen” Wie große die Herausforderungen sind, zeigt ein Blick auf die kürzlich veröffentlichen Einsatzzahlen. Die Berliner Feuerwehr musste im vergangenen Jahr eine neue Rekordzahl an Einsätzen bewältigen. Insgesamt waren es 2021 492.226 Einsätze. Die Notrufnummer 112 wurde fast 1,1 Millionenmal gewählt. Alle 29 Sekunden ging in der Leitstelle der Berliner Feuerwehr ein Notruf ein. Alle 64 Sekunden wurde die Berliner Feuerwehr im letzten Jahr zu einem Einsatz gerufen. Im Durchschnitt waren es täglich 1.349. Im Vergleich zu 2020 nahm die Zahl der Einsätze nochmals um nahezu 22.000 zu. Homrighausen sagte: “Wir kommen an unsere Grenzen.” Innensenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte an, weiteres Personal zur Entlastung und Geld für eine Modernisierung der Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Sie unterstrich: “Die Berliner Feuerwehr hat mich als Partnerin fest an ihrer Seite.”


Drohnen

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Das fliegende Auge

Schneller dank Drohnen

Drohnen als Hilfsmittel in der DLRG

Kooperation zwischen DRK und ADAC

(BS/Alexander Kille) Spaziergänger entdecken am Ufer eines kleinen Sees ein Paar Schuhe, dazu Hose, Shirt und Rucksack. Die Stelle ist etwas (BS/bk) Der DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg – Hessen und abgelegen. Weit und breit ist kein Besitzer zu sehen. Die Passanten wählen den Notruf, woraufhin die Leitstelle die Rettungskräfte alarmiert – unter die ADAC Luftrettung haben eine Kooperationsvereinbarung abgeihnen die Wasserretter der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). schlossen. Künftig wollen beide Organisationen bei der Entwicklung einer Drohnenlogistik für den Transport von Blut, Medikamenten und s i c h d e r o d e r Feuerwehr zur Verfügung, um Gewebe zusammenarbeiten. Grundlage der Kooperation ist ein gemeinSucheinsätze wie diese bilden die Gesuchte im diese bei deren Einsätzen zu sames Forschungsprojekt am Universitätsklinikum in Ulm. einen erheblichen Teil des EinAlexander Kille ist stellversatzaufkommens für die DLRG, deren Einsatzkräfte auf das Suchen und Orten am und im Wasser spezialisiert sind: Die Rettungsschwimmer bilden Suchketten, setzen Boote – oft ausgestattet mit Sonargerät – und auch Rettungshunde ein, um vermisste Personen zu finden. Mit dem Aufkommen der Drohnen (Unmanned Aerial Vehicles, kurz: UAV) ergab sich eine Möglichkeit, die Suchen effizienter und effektiver zu gestalten. Auch weitere Einsatzoptionen kamen schnell in Betracht. Der Bundesverband der DLRG begann vor mehr als fünf Jahren, sich damit zu beschäftigen, wie Drohnen gewinnbringend für die Wasserrettung eingesetzt werden können. Getestet wurde die Technik verschiedener Hersteller. Diese wurde in Übungsszenerien und auch im Wasserrettungsdienst eingesetzt, um sie auf Eisatztauglichkeit hin zu überprüfen. Recht schnell war klar: Drohnen werden in der DLRG für verschiedene Einsatzzwecke in der Breite Verwendung finden.

Hundert Piloten ausgebildet Inzwischen setzen immer mehr Einheiten Drohnen ein. Über hundert Drohnenpiloten wurden bereits ausgebildet. Grundlage für Ausbildung und Einsatz (auch in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen) bilden die “Empfehlungen für Gemeinsame Regelungen zum Einsatz von Drohnen im Bevölkerungsschutz”, welche die Hilfsorganisationen, das Bun-

Wasser befindet. Die Information, dass eine Person nicht im Wasser ist, ist wertvoll. Die Suche kann sich dann auf die Umgebung konFoto: BS/DLRG zentrieren, wo Drohen wiederum unterstützen können. Ist die Drohne mit einer Wärmebildkamera ausgestattet, kann die Einsatzleitung die mit Geodaten versorgten Bilder unmittelbar auswerten und die Einsatzkräfte gezielt steuern.

tretender Leiter Einsatz im Präsidium der DLRG. Er lebt in Frankfurt am Main und begleitete ehrenamtlich als Projektleiter die Einführung der Drohnentechnologie bei den Wasserrettern.

desamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie weitere Behörden, zusammen verfassten. Um noch spezifische Regelungslücken für die DLRG zu schließen, wurde zusätzlich eine verbandsinterne Anweisung für den Betrieb von Drohnen im Bevölkerungsschutz verabschiedet.

Personensuche wird vereinfacht Mit Drohnen ist es den Lebensrettern möglich, große und vorab definierte Gebiete automatisch abzufliegen oder sich schnell einen Überblick zu verschaffen. Das vereinfacht die Personensuche. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der Perspektive des Fluggeräts: Wenn man flach auf das Wasser schaut, erschwert die Reflektion des Lichts eine effektive Suche. Mit dem ferngesteuerten Luftfahrzeug dagegen lässt sich aus 40 Metern Höhe tief ins – klare – Wasser blicken. Bestätigt sich etwa der Verdacht, dass sich eine am Strand vermisste Person im Wasser befindet, kann das Rettungsboot nach dem Fund den Einsatzort ansteuern. Oft geht es aber eher darum, ausschließen zu können, dass

Deichüberwachung ist möglich Im Katastrophenschutz können Drohnen dazu genutzt werden, in Hochwasserlagen Deichlinien zu überwachen. Zudem können Drohnenpiloten die Lage in schwer zugänglichen Schadensgebieten erkunden. So etwa im Sommer 2021 nach der verheerenden Flut im Ahrtal: Dort operierte fünf Tage lang eine mit Drohnen und geländegängigen Fahrzeugen ausgestatte Einheit. Die Ergebnisse ihrer Erkundungen arbeiteten die Führungskräfte des Teams für den zuständigen Katastrophenschutzstab auf. Dieser erhielt so Informationen über Gefahrenstellen, die anschließend durch Bundeswehr, Technisches Hilfswerk (THW) oder andere Kräfte behoben wurden. Wie in diesem Fall stehen mit Drohnen ausgestattete DLRGTeams auch anderen Aufgabenträgern wie Polizei und

unterstützen. Der sichere Einsatz von Drohnen benötigt eine fundierte Ausbildung. Um diese in der Fläche zu gewährleisten, hat der Bundesverband 2020 für die Projektlaufzeit von vier Jahren Drohnen mit Zubehör an die Ortsgruppen St. PeterOrding, Haltern am See, Pirna und Rastatt vergeben. Zusätzlich wurde die Bundesakademie als zentrale Ausbildungsstätte ausgestattet.

Ausbildung perspektivisch an jeweiligen Standorten Die Ortsgruppen übernehmen neben der Drohne eine Multiplikatorenfunktion. Dazu zähle die Beratung und der Erfahrungsaustausch mit anderen Gliederungen in der Region sowie mindestens einmal jährlich das Angebot eines Wochenendlehrganges am Standort. Perspektivisch wird die Ausbildung aber, vergleichbar mit der Ausbildung von Einsatztauchern oder Bootsführern, an den jeweiligen Standorten stattfinden, wo auch die Drohnen eingesetzt werden. Die technische Entwicklung wird auch künftig die Möglichkeiten der Unterstützung im Einsatz erweitern. So setzen inzwischen einige Einheiten bereits Unterwasserdrohnen ein. Diese sind eine sinnvolle Ergänzung von Tauchtrupps, etwa bei der Suche im tiefen Wasser bei schlechter Sicht. Die schnell einsatzbereiten Geräte können einem Taucheinsatz vorgeschaltet werden oder dort zum Einsatz kommen, wo es für die Taucher zu gefährlich ist.

In dem Projekt ließ man innerhalb von zwei Jahren mehr als hundertmal Drohnen zwischen der DRK-Blutbank und der Chirurgie der Uniklinik steigen. Dabei sei dieser Transportweg fünfmal schneller als auf herkömmlichem Weg, z. B. Taxi oder Kurierdienst, gewesen. Die Bluttransporte könnten im besten Fall auf drei Minuten von der Blutbank bis zum OPBereich verkürzt werden. Die Verantwortlichen planen, dieses Forschungsprojekt nun in den kommerziellen Regelbetrieb für Kliniken zu überführen. Schlussendlich sollen ein Konzept und eine Transportdrohne (“MediCargo”) entwickelt werden, mit der unbemannte zeitkritische Transporte im Gesundheitswesen durchgeführt werden können. Unterstützt werden der Blutdienst und der ADAC von der Firma Multirotor. Einen besonderen Stellenwert nimmt bei diesem Projekt das Thema Flugsicherheit ein, da auf

engem Raum bemannte sowie unbemannte Luftfahrt durchgeführt werden. Neben der Transportdrohne werden zeitgleich Rettungsflüge des ADAC-Hubschraubers “Christoph 22” unternommen. Die Flugsicherheitsstandards umfassen bei diesem Drohnenbetrieb u. a. ein eigenentwickeltes Steuerungssystem, ein Hochpräzisions-GPS für Manöver mit Zentimetergenauigkeit, laserbasierte Höhenmesser, einen Sicherheitsfallschirm und eine Trackinganbindung an die Deutsche Flugsicherung. “Diese neue Logistik mit einer Drohne bietet die Chance, eine völlig neue Anbindung der Proben und Blutproduktdisposition und Transportlogistik unseren Kunden wie Krankenhäusern und Transfusionspraxen in Ballungsgebieten und ländlichen Gebieten anbieten zu können”, erklärte Wolfgang Rüstig, Geschäftsführer des DRK-Blutspendedienstes Baden-Württemberg – Hessen, zu dem Projekt.

Mit dem Drohnensystem, mit dem seit 2020 am Klinikum Ulm geforscht wird, können circa 1,5 Kilogramm Blut transportiert werden. Foto: BS/Sascha Radke, DRK

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Drohnen und Robotik

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B

Zeitvorteil generieren

ehörden Spiegel: Was verbirgt sich hinter Guardian?

Christopher Munschauer: Grundsätzlich ist Guardian eine teilautonome Drohne zum Retten von Ertrinkenden, die mittels App alarmiert wird. Vereinfacht gesagt soll die Drohne nach der Alarmierung automatisiert starten und ein Rettungsmittel abwerfen können, um der Person bis zum Eintreffen der Rettungskräfte zu helfen. Die Gesamtidee besteht natürlich nicht nur aus einer Drohne, sondern auch aus dem Hangar, der es ermöglicht, die Drohne direkt in der Nähe der Einsatzstelle vorzuhalten und zu starten. Dadurch wird die Einsatzzeit massiv verkürzt. Die Motivation dabei ist, dass es momentan nur Drohnen gibt, die von Einsatzkräften mitgeführt und gestartet werden müssen. Wenn die Einsatzkräfte erst zum Einsatzort fahren, dann die Drohne starten und die Rettungsmaßnahmen einführen müssen, brauchen diese mehr als zwei Minuten. Wenn man diesen Kreislauf durchbrechen will, geht das entweder dadurch, dass man einen Rettungsschwimmer vor Ort hat – dies wäre die beste Lösung, jedoch werden wir nicht überall Rettungsschwimmer haben – oder man hält eine Drohne vor, um die Zeit zwischen Alarmierung und Einleitung der Rettungsmaßnahme zu verkürzen. Wenn das Ganze auch noch semiautonom funktioniert, brauche ich auch niemanden, der eine Fernsteuerung auspackt und die Drohne startklar macht, sondern die Drohne fliegt automatisiert aus dem Hangar zur Einsatzstelle. Diesen Zeitvorteil wollen wir generieren.

Behörden Spiegel / Juli 2022

Semiautonomes Drohnensystem in der Entwicklung (BS) Einsatzkräfte entlasten und einen Zeitvorteil gewinnen – das ist Ziel von Christopher Munschauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr der TH Köln. Er und seine Kollegen entwickeln unter Leitung von Prof. Dr. Ompe Aimé Mudimu im Projekt Guardian ein drohnenbasiertes Rettungssystem. Im Interview erklärt er, was aus dem Projekt folgen wird und wo Grenzen bei der Entwicklung liegen. Die Fragen stellte Bennet Klawon.

“Aus Sicht des Instituts muss früher oder später der Grundgedanke einer semiautonomen Drohnensteuerung im Katastrophenschutz übernommen werden.” Christopher Munschauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rettungsingenieurwesen und Gefahrenabwehr der TH Köln, stellte auf der Interschutz einen ersten Prototypen des Drohnensystems aus dem Projekt Guardian vor. Foto: BS/Klawon

Behörden Spiegel: Was ist der momentane Stand des Projekts? Munschauer: Wir haben letztes Jahr mit einem Workshop angefangen, bei dem wir erstmal die Anwenderbedürfnisse von Feuerwehr, DLRG und Wasserwacht abgefragt haben. Daraus haben wir erstmal ein Lastenheft generiert. Jedoch kam dann die Flut im Ahrtal dazwischen, bei der ich selbst im Einsatz war. Dadurch fehlten auch Einsatzkräfte, die wir noch befragen wollten. Die CoronaPandemie hat die Entwicklung

weiter verzögert. Diese Voraussetzung haben die Arbeit am Projekt etwas erschwert. Wir sind aber extrem motiviert. Jetzt sind wir so weit, dass wir eine Drohne haben, die wir auf der Messe ausstellen können. Wir hoffen jetzt, dass wir in den kommenden Wochen erste Tests machen können, bei denen wir die Drohne im Realbetrieb über Gewässer steigen lassen können. Dazu haben wir einen Termin mit der Wasserschutzpolizei in Planung, bei dem wir erstmal die Grundfunktionen testen. Dabei soll auch die Sichtbarkeit der

Drohne auf den Schiffsradaren überprüft werden. Behörden Spiegel: Wie soll es dann mit dem Projekt weitergehen? Munschauer: Ziel wird es sein, am Ende des Projektes die Hangar-Drohnen-Kombination fertigzustellen. Neben der Hardware wollen wir die Software so weit entwickeln, dass die Drohne autonom starten kann. Was in diesem Projekt wahrscheinlich nicht mehr abgeschlossen werden kann, ist die autonome Identifikation von Ertrinkenden. Das war aber auch nie vorgesehen. Dies wird auch auf absehbare Zeit nicht so leicht sein, dass man hierfür eine Software hat. Es gibt hier erste Ansätze in Schwimmbädern in Israel. Aber das in freien Gewässern umzusetzen, wird sehr schwierig sein. Deshalb wird die Drohne erstmal semiautonom bleiben. Die Identifikation, die Freigabe des Rettungsmittels und das Verhalten der Drohne nach dem Einsatz müssen weiterhin von einem Piloten übernommen werden. Behörden Spiegel: Warum ist es schwierig, eine autonome Identifikation von Ertrinkenden zu programmieren?

Munschauer: Letztlich brauche ich einen Algorithmus, den ich anlernen kann. Dafür brauche ich Videos, die idealerweise aus der Drohnenperspektive aufgenommen wurden und bei denen Leute ertrinken. Das ist natürlich ethisch schwierig. Keine Ethikkommission würde das zulassen. Das nachzustellen ist fast unmöglich. Auch ein Beyond-Visual-Line-ofSight-Betrieb, also eine Betriebsart von Drohnen, bei der der Pilot keinen ununterbrochenen, direkten Sichtkontakt zur Drohne hat, würde eine gesonderte Genehmigung erfordern. Diese wäre aber für einen automatisierten Betrieb eine Voraussetzung. Die Genehmigung würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Wir wollen ja nicht erst in zehn Jahren ein Produkt auf den Markt bringen, sondern idealerweise nächstes Jahr anfangen. Die Algorithmen werden mit der Zeit besser und dann wird man diese übernehmen können. Da gibt es andere Forschungsinstitute, die da mehr Expertise haben. Behörden Spiegel: Wie gestaltet sich die Genehmigung Ihrer Lösung? Ist diese einfacher bei einer teilautonomen Drohne? Munschauer: Das ist unsere Hoffnung. Diese Voraussetzung hat die Arbeit am Projekt et-

was erschwert. Wir haben aber gute Argumente. Aus unserer Forschungsarbeit haben wir ein hohes Risikobewusstsein und eine Risikoanalyse zu schreiben, ist unser täglich Brot. Die Risiken können wir dabei gut minimieren. Dabei müssen wir jetzt schauen, ob die Behörden das mittragen. Behörden Spiegel: Was folgt aus dem Projekt? Munschauer: Mittelfristig werden wir die Nickel Holding GmbH dabei unterstützen, einen zweiten Prototypen zu bauen und in die Praxisphase mit unserem Partner, der DLRG, gehen. Wir sind auch für weitere Gemeinden offen, die innovativ sind und das ausprobieren möchten. Zunächst werden wir an einen bewachten Badestrand beginnen und in einen Parallelbetrieb gehen. Dabei soll die Wirksamkeit des Systems überprüft werden. Langfristig wollen wir das System erweitern. Aus der Sicht des Instituts muss früher oder später der Grundgedanke einer semiautonomen Drohnensteuerung im Katastrophenschutz übernommen werden. Im Prinzip möchte ich ja mein Personal durch diese Gerätschaften entlasten. Wenn ich aber einen Piloten, einen Einweiser, einen Techniker und einen Datenauswerter benötige, dann habe ich letztlich eine große Kapazität gebunden und erzeuge noch mehr Probleme, weil der Personalmangel auch im Katastrophenschutz immer größer wird. Deshalb ist ein semiautonomes System nicht nur für diesen Anwendungsfall interessant.

Die neuen militärischen Systeme

Umfrage ausgewertet

Drohnen und Roboter für die Streitkräfte

BOS-Kräfte setzen verstärkt auf Drohnen

(BS/df) Unbemannte Systeme werden schon heute flächendeckend auf den weltweiten Gefechtsfeldern eingesetzt. Sie schaffen mit vergleichs- (BS/Phil Stephan*) Immer mehr Behörden und Organisationen mit Siweise geringem finanziellen Aufwand eine taktische Überlegenheit gegenüber jedem Gegner, der nicht auf Drohnen oder Roboter setzt. Die Rüs- cherheitsaufgaben (BOS) setzen bei ihren Einsätzen Drohnen ein. Insbetungsmesse Eurosatory bot einen Blick auf bestehende und künftige unbemannte Systeme nicht nur für den militärischen Bereich. sondere bei der Suche nach vermissten Personen oder bei Erkundungsund Aufklärungsarbeiten kommen Drohen zum Einsatz. Anders sieht Eine der wichtigsten taktischen nen. Auf der Eurosatory launchte präsentiert. THALAMUS bietet PHOBOS wurde in enger Zusam- es indes aktuell noch beim Transport von Gütern oder Materialien aus. Entwicklungen, die bereits in Konflikten zu sehen war, ist “Loitering Munition”. Dieser Name bezeichnet flugfähige Waffen bzw. bewaffnete Drohnen, die nicht wie Marschflugkörper weite Strecken zurücklegen, sondern über einem Gebiet kreisen. Es handelt sich gewissermaßen um fliegende Mienen, nur dass die Ziele nicht durch Kontakt, sondern menschlichen Befehl zerstört werden. Diese Technologie wurde bereits im Krieg um Bergkarabach 2020 zwischen Armenien und Aserbaidschan erfolgreich eingesetzt. Bei der Eurosatory stellte UVision Air Ltd. am RheinmetallStand die Integration der Hero Loitering Munition in Schützenpanzer vor. Diese integrierte Lösung bietet Streitkräften eine neue, unabhängige Fähigkeit zur Ortung, Verfolgung und präzisen Bekämpfung schwer gepanzerter Ziele aus großen Entfernungen und unter schwierigen Bedingungen. Die Systeme lassen sich auch in Umgebungen ohne GPS oder bei gestörter Kommunikation einsetzen. “Unsere kampferprobte Loitering-Munition ist die Antwort auf die wachsende Nachfrage nach hochpräzisen Waffensystemen, die der modernen Kriegsführung gerecht werden”, sagte Generalmajor a.D. Avi Mizrachi, CEO von UVision. “Ich bin zuversichtlich, dass die integrierte Lösung, die wir erstmals auf der Messe präsentieren, auf großes Interesse stößt.”

Milrem nun sein Kommando- und Kontrollsystem (C2) für intelligente unbemannte Systeme. Die Lösung von Milrem Robotics integriert mehrere verschiedene unbemannte Luft- und Bodensysteme (UxV) in ein kombiniertes Kommando- und Kontrollsystem und führt dabei die Sensor- und Effektordaten von mehreren Payloads zusammen. Es ermöglicht die ständige Überwachung und Kontrolle der wichtigsten Variablen der UxV-Systeme wie Energiestatus, Fehlerzustände, Betriebsparameter, integrierte Diagnosetests, Initialisierung und Konfigurationen. Das System wurde in Zusammenarbeit mit Fleetonomy.ai, Rait88, MIL Sistemika und weiteren Partnern entwickelt. “Die Integration verschiedener unbemannter Systeme und traditionell bemannter Systeme durch ein Kommando- und Kontrollsystem ermöglicht den effizienten Einsatz autonomer Fahrzeuge auf dem Schlachtfeld”, beschreibt Kuldar Väärsi, CEO von Milrem Robotics. “Integrierte autonome Bodensysteme erlauben eine erhebliche Steigerung der Feuerkraft und anderer Fähigkeiten auch bei geringerem Personaleinsatz. Gleichzeitig erhöhen sie die Sicherheit unserer Truppen.” Die Autonomie-Engine des C2 ist in der Lage, die Position und die Bewegungsvektoren der UxVs und/oder anderer integrierter Komponenten aus der Ferne zu navigieren und zu steuern.

Integrierte autonome Roboter Security-Roboter für ­Außenbereiche Die Plattformen von Milrem

Robotics sind im militärischen Bereich bekannt, da sie aufgrund ihres einfachen Aufbaus mit einer Vielzahl an Modulen und Payloads ausgestattet werden kön-

Im vergangenen Sommer ging der neue Security-Roboter Thalamus in die Feldtests, nun wurde er auf der Eurosatory erstmals einer breiteren Öffentlichkeit

eine Kombination aus mehreren Schichten künstlicher Intelligenz sowie dem Aufbau eines geländegängigen Security Roboters mit sehr guter Leistung. Der Roboter wurde für die Kontrolle von Außenbereichen großer Anlagen entwickelt, wo herkömmliche technische Mittel

menarbeit mit den französischen Streitkräften sowie renommierten französischen Rüstungsunternehmen – wie beispielsweise Thales – entwickelt und soll Kampfkraft auf das Gefechtsfeld bringen, ohne dass Soldaten sich in gefährliche Zonen begeben müssen. Der modulare Aufbau

Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle BOS-Umfrage von der Droniq GmbH, einem Spezialisten für den kommerziellen und behördlichen Drohneneinsatz, und dem Behörden Spiegel, die nach 2020 in diesem Jahr zum zweiten Mal durchgeführt wurde. Knapp 200 BOS-Kräfte haben sich deutschlandweit beteiligt. Ob Vermisstensuche, Waldbrand oder Polizeieinsatz: Unbemannte Fluggeräte (Unmanned Aircraft Systems, UAS) liefern Informationen, die BOS-Kräften am Boden nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Bereits 2020 haben Droniq und der Behörden Spiegel in ihrer BOS-Umfrage gezeigt, wie BOS-Kräfte Drohnen nutzen. Wie steht es nun zwei Jahre später um die Drohnennutzung in diesem Segment?

Gelerntes Arbeitsgerät

Die Loitering Munition Hero ermöglicht Präzisionsangriffe, für die Nutzung ist nur eine einfache Startvorrichtung notwendig. Bild: BS/UVision

zu kostspielig und ineffizient sind. Bisher wurde für solche Gelände oft auf tierische Unterstützung gesetzt, etwa freilaufende Hunde oder Gänse, die den Menschen alarmierten. Diese Aufgabe könnte nun Thalamus übernehmen.

Modularer Roboterträger Auf der Eurosatory launchte SERA Ingénierie ihr neues unbemanntes Fahrzeug Phobos. Hierbei handelt es sich um einen ferngesteuerten, modularen Roboterträger mit einem Nettogewicht von weniger als zwei Tonnen und einer Nutzlast von etwa einer Tonne, der verschiedene Werkzeuge und Sensoren aufnehmen kann.

erlaubt eine Vielzahl an Payloads. Weitere denkbare Varianten des Systems sind Überwachung, Aufklärung, Abhören usw.

Lösungen für alle Bereiche Die Vielzahl der bei der Eurosatory gezeigten unbemannten Lösungen zeigt vor allem, dass Drohnen und Roboter das künftige Gefechtsfeld bestimmen werden. Verfahren und Vorgehensweisen müssen sich entsprechend anpassen, um auf die Bedrohung durch Schwärme oder dergleichen zu reagieren. Einige dieser Lösungen ließen sich zudem durch BOS oder Sicherheitsbehörden einsetzen, um auch deren Arbeit zu verbessern.

Übergeordnet lässt sich sagen, dass die Drohne als festes Einsatzwerkzeug bei den BOS-Kräften angekommen ist. Über drei Viertel (77 Prozent) der Befragten geben an, aktuell Drohnen einzusetzen – ein Plus von 17 Prozent gegenüber 2020. Mit Blick auf den Einsatzzweck von Drohnen ergibt sich bei der Umfrage ein geteiltes Bild. Jeweils 38 Prozent der befragten BOS-Einheiten geben an, UAVs bei der Vermisstensuche oder im Rahmen von Erkundungs- und Aufklärungsarbeiten zu nutzen. 17 Prozent nutzen Drohnen für Überwachungsaktivitäten. Der Gütertransport per Drohne steht derweil nicht im Fokus. Nur zwei Prozent nutzen hierfür unbemannten Flugobjekte. Bei ihren Einsätzen setzen die BOS-Kräfte bevorzugt auf kleine und mittlere Drohnen.

Hinsichtlich der Einsatzdurchführung zeigt sich, dass der Drohneneinsatz außerhalb der Sichtweite des Piloten (BVLOS) eine leichte Zunahme verzeichnet: 19 Prozent geben an, bei ihren Einsätzen überwiegend BVLOS zu fliegen – ein Plus von sieben Prozent gegenüber 2020 – während 81 Prozent vorzugsweise innerhalb ihrer Sichtweite (VLOS) fliegen. Ein Großteil der BOS-Kräfte steht dabei vor der Herausforderung, den Drohneneinsatz mit dem bemannten Flugverkehr zu koordinieren (71 Prozent). Größtenteils erfolgt diese Koordination dabei über eine Leitstelle (44 Prozent). Fast alle BOS-Kräfte, die Drohnen für sich einsetzen, fliegen bei ihren Missionen unterhalb von 150 Metern (99 Prozent).

Vorteile erkannt “Die Ergebnisse zeigen, dass die Drohnenbranche mit Blick auf das BOS-Segment auf einem guten Weg ist”, sagt Droniq-CEO Jan-Eric Putze. Drohnen seien jetzt bei vielen Einsätzen ein fester Operationsbestandteil. “Gleichzeitig zeigt die Umfrage mit Blick auf den geringen BVLOS-Fokus bei BOS-Kräften aber auch, dass das volle Potenzial der Drohe noch nicht genutzt wird. Hier erwarten wir für die nächsten Jahre eine weitere Zunahme, denn die technischen Möglichkeiten, solche Flüge sicher durchzuführen, sind bereits gegeben”, so Putze. Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass jeder Flugverkehrsteilnehmer zum richtigen Zeitpunkt die richtige Information vorliegen habe. *Phil Stephan ist Senior Public Relations Manager bei der Droniq GmbH.


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Verteidigung

MELDUNGEN

Für eine Beschleunigung der Beschaffung

Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit (BS/rs) Gemeinsam haben der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) und der Behörden Spiegel ein Sonderheft zum Thema “Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit” herausgegeben. Das Thema “Nachhaltigkeit” ist hoch aktuell, drohte doch die Diskussion in Deutschland in eine Schieflage zu geraten. Nach der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, dem Green Deal und der Taxonomie der EU, aber auch nach der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bestand die Gefahr, dass das Nachhaltigkeitsziel die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ausschließen würde.

Mit dem 24.02.2022 und der “Zeitenwende” der Bundesregierung hat sich die Lage geändert. Ohne Frieden und Sicherheit kann es keine Nachhaltigkeit geben. Das Thema “Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit” wurde in dem Sonderheft durch zahlreiche namhafte Autoren und Autorinnen aus politisch-parlamentarischer Sicht, aus Sicht der Bundeswehr, der NATO und EU, aus gesellschaftspolitischer Sicht sowie aus industrieller Sicht diskutiert. Die Publikation kann unter www.behoerden-spiegel. de/sonderpublikationen/ als Druckversion bestellt oder als PDF heruntergeladen werden.

Strategisches Konzept der NATO (BS/df) Ende Juni verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der NATO das neue strategische Konzept des Militärbündnisses. Es ist die Leitlinie, die Vorgabe der politischen Führung, an der sich die zukünftige Ausrichtung und Aufstellung der NATO zu orientieren hat. Geplant war die Veröffentlichung des strategischen Konzepts bereits seit Längerem, die Arbeiten daran zogen sich auf militärischer und diplomatischer Ebene bereits über fast ein Jahr. Schließlich ist der Prozess für ein solches Papier durchaus komplex. Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine erhielt es nun allerdings eine modifizierte Ausrichtung, die sich bereits in der Einleitung widerspiegelt: “Unsere Welt ist umkämpft und unvorhersehbar. Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat den Frieden zunichtegemacht und unser Sicherheitsumfeld schwerwiegend verändert. Ihr brutaler und rechtswidriger Einmarsch, ihre wiederholten Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und ihre abscheulichen Angriffe und

Gräueltaten haben unsägliches Leid und entsetzliche Verwüstung verursacht.” Interessant ist das Fehlen konkreter Verpflichtungen durch die Mitglieder, die gerade angesichts des Ukraine-Krieges erwartbar gewesen wären. Dafür findet mit Russland – und eingeschränkt auch mit China – wieder eine Gegnerbenennung statt. Ebenso sind die Areas of Interests enthalten. “Die Westbalkanstaaten und der Schwarzmeerraum sind für das Bündnis von strategischer Bedeutung. Wir werden die euroatlantischen Bestrebungen interessierter Länder in diesen Regionen weiter unterstützen”, ist im strategischen Konzept zu lesen. “Wir werden mit Partnern daran arbeiten, gemeinsame Bedrohungen und Herausforderungen für die Sicherheit in Regionen von strategischem Interesse für das Bündnis anzugehen, auch im Nahen Osten und in Nordafrika sowie in der Sahel-Region. Der indopazifische Raum ist für die NATO wichtig, da Entwicklungen in dieser Region unmittelbare Auswirkungen auf die euroatlantische Sicherheit haben können.”

Erfolg der Sanktionen gegen Russland (BS/df) Die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland waren das Hauptthema des Exportkontrolltages, den das Zentrum für Außenwirtschaftsrecht e. V. (ZAR) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) veranstaltet. Die Verknüpfung der globalen Marktwirtschaft mit internationalen Zulieferern arbeite gegen Russland. “Wir dachten, die finanziellen Sanktionen würden direkte Auswirkungen haben, während sich die wirtschaftlichen Sanktionen eher langfristig auswirken”, sagte Matthew S. Borman, Deputy Assistant Secretary of Commerce for Export Administration im Bureau of Industry and Security im USHandelsministerium “Aber wir sehen bereits heute die Erfolge

der wirtschaftlichen Sanktionen.” Ein Punkt, den auch der amerikanische Gesandte in der US-Botschaft in Berlin, Woodward Clark Price, aufgriff. In der Ukraine gebe es eine Abteilung, die eroberte russische Systeme genau auf ihre Zusammensetzung untersuche und diese habe erklärt, dass es kaum Technologien gebe, die nicht irgendwelche Teile aus der Europäischen Union oder den USA enthielten. Die Bedeutung kleiner Elemente, etwa für die Steuerung, Panels oder Mikrochips, selbst für große Waffensysteme, sei nicht zu unterschätzen, betonte Price. “Unseren Informationen nach mussten zwei große russische Panzerfabriken bereits ihre Arbeit einstellen, weil ihnen aus dem Ausland stammende Komponenten fehlten.”

Ein prioritäres Vorhaben der Bundesregierung (BS/mf) Die Erarbeitung eines Rüstungsexportkontrollgesetzes ist für die neue Bundesregierung von erheblicher Bedeutung. Bei dem Vorhaben handele es sich um eines der prioritären der Exekutive. Und das aus verschiedenen Gründen. Zum einen stehe es im aktuellen Koalitionsvertrag, der auch eine Ausweitung der sogenannten Post-Shipment-Kontrolle vorsehe. Dabei handelt es sich um Überprüfungen bezüglich des Verbleibs sowie der Verwendung von Rüstungsgütern nach deren Verbringung ins Zielland durch deutsche Behörden. Zum anderen habe die Hausspitze das Projekt und dessen Notwendigkeit bekräftigt, berichtet Adrian Toschev, Referatsleiter für Rüstungsexportkontrolle im Bundesministerium für Wirtschaft

und Klimaschutz (BMWK). Nun werde zunächst ein Eckpunktepapier erarbeitet. Dieser Prozess laufe bereits. Dazu seien auch schon Stellungnahmen eingeholt und Anhörungen durchgeführt worden. In einem zweiten Schritt werde es dann einen Referentenentwurf geben, der ins reguläre parlamentarische Verfahren eingebracht werden soll. Dabei dürften europäische Aspekte der Thematik nicht unberücksichtigt bleiben, so Toschev. Dafür plädiert auch Alexander Reinhardt, Vorstandsbeauftragter für Politik- und Regierungsangelegenheiten Deutschland bei Airbus. Zudem müsse die Einhaltung von Menschenrechten in Zielländern gewichtet und berücksichtigt werden, meint Referatsleiter Toschev.

Behörden Spiegel / Juli 2022

Im Dialog miteinander statt gegeneinander (BS/Dorothee Frank) Geld ist aktuell im militärischen Bereich keine Mangelware. Hundert Milliarden sind im Sondervermögen vorgesehen, Bundeskanzler Olaf Scholz versprach zudem weitere 80 Milliarden als Etat für die Bundeswehr – pro Jahr. Das ist ein Anstieg um fast 50 Prozent. Bei all dieser Euphorie wird allerdings vergessen, dass dieses Geld auch noch sinnstiftend ausgegeben werden muss. Notwendige Reformen zur Beschleunigung der Beschaffung wurden bisher nicht angegangen, dabei liegen die Lösungen durchaus im System bereit. Statt Reformen finden aktuell Grabenkämpfe statt. “Die Firmen haben jahrelang versucht, uns für die Bundeswehr Goldrandlösungen mit vielen Extras aufzudrücken”, sagte etwa der Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, in einem Interview mit der Funke Mediengruppe. “Das geht nicht mehr, notfalls kaufen wir im Ausland. Dann hat die deutsche Rüstungsindustrie Pech gehabt.” Diese Aussage von einem der höchsten deutschen Politiker, das sitzt. Das bleibt im Gedächtnis. Das bedient alte Klischees von der bösen Industrie und dem guten Beamten, der aufpassen muss, dass der Staat – und somit der Steuerzahler – nicht über den Tisch gezogen wird. Ein schönes Motiv für eine Karikatur. Nur stimmt das Bild nicht.

Germanisierte Goldränder Als Beispiel kann der jahrelange Prozess zur Beschaffung eines neuen Schweren Transporthubschraubers dienen. Die Sonderanforderungen – im Fachjargon werden die deutschen Extrawünsche als Germanisierungen bezeichnet – hätten im Ergebnis einen Hubschrauber für Spezialkräfte, nicht aber für den Alltag im Heer ergeben. Alles machbar, sagte die amerikanische Industrie, und präsentierte Angebote, die etwa doppelt so teuer waren wie die Schätzung des Beschaffungsamtes. Das BAAINBw war vom Listenpreis mit kleinem Aufschlag ausgegangen, aber Goldrand mit technologisch höchst anspruchsvollen Lösungen kostet eben nicht nur ein wenig, sondern sehr viel mehr. Ein frühzeitiger Dialog zwischen Beschaffern und Industrie hätte diese Blamage verhindert. Ein weiteres Beispiel ist der Puma. Die speziellen Anforderungen aus der Bundeswehr haben einen Schützenpanzer ergeben, der sehr viel kann und dementsprechend teuer ist. Die Version ohne deutschen Goldrand, welche das Unternehmen Rheinmetall auf den Erkenntnissen des Pumas baute, ist hingegen erfolgreich im Export. Auch der deutsche Kampfhubschrauber Tiger wurde so weit germanisiert, dass weder die Logistik noch die Ausbildung wie ursprünglich geplant mit den französischen Streitkräften gemeinsam realisiert werden kann. Während Frankreich übrigens sehr zufrieden mit “seinen” Tigern ist, trifft dies auf die deutschen Kampfhubschrauber nicht zu. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Es fällt einem tatsächlich

Der Prozess zur Beschaffung eines neuen Schweren Transporthubschraubers für die Bundeswehr zog sich über Jahre, auch weil die ersten angefragten Versionen so viele Germanisierungswünsche hatten, dass sich der Preis pro Hubschrauber fast verdoppelte. Foto: BS/Boeing

kein einziges Beispiel ein, bei dem die Industrie der Bundeswehr einen Goldrand andrehen wollte. Für das Gegenteil hingegen viele. Das durch Klingbeil beschworene Klischee entpuppt sich als falsch. Dabei verhindert das Schüren von Gegensätzen oder das Herbeibeschwören eines Kampfes zwischen Industrie und Beschaffungsbeamten die sinnvolle Vergabe der zusätzlichen Haushaltsmittel. Das Gegeneinander ist einer der großen Gründe für die verzögerten Material- und Systemzuläufe der Vergangenheit. In anderen Ländern, in denen die Industrie eng mit den Streitkräften zusammenarbeiten darf, finden diese Abläufe ebenso wie die Neuentwicklungen harmonischer und zielgerichteter statt. Nur Deutschland geht auch hier wieder einen germanisierten Weg.

Absicherung statt Effektivität Das System in Deutschland kann vor allem als Absicherung bezeichnet werden. Möglichst viele Barrieren sollen den Kontakt und die Beziehung zwischen den Akteuren verhindern. Zum einen haben wir die Nutzer – die Bundeswehr und den Soldaten – die allerdings nicht selbst beschaffen dürfen. Die Beschaffung übernimmt das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), das versucht, die Intentionen der Nutzer über einen komplexen Prozess einzuholen. Das BAAINBw ist wiederum bemüht, den direkten Kontakt mit der Industrie bestmöglich einzuschränken, hierfür werden extra Berater aus einer weiteren und davon gut lebenden Industrie beschäftigt. Aus all diesem ergibt sich: Das Problem liegt in den unterbrochenen Beziehungen. Während in jedem anderen Land der Erde die Beschaffer und Nutzer selbstver-

ständlich mit Vertretern aus der heimischen Industrie an einem Tisch sitzen – und auch Karrieren zwischen diesen Bereichen fließend sind – läuft der Informationsaustausch hierzulande in eng juristisch festgelegten Bahnen. So sehr sich damit vielleicht die Illusion einer Neutralität herstellen lässt, effektiv ist es nicht. Denn nur durch diese Trennung können Wünsche und Vorgänge entstehen wie in den bereits genannten Beispielen.

Möglichkeiten zur Verbesserung Dabei bietet auch das deutsche Beschaffungssystem durchaus Möglichkeiten, wie sich der Prozess signifikant verbessern und vor allem beschleunigen ließe. Ganz ohne die große Reform oder Umstrukturierung des Beschaffungsamtes BAAINBw. 1) Sehr viele Beschaffungen befinden sich unterhalb der 25-Mio-Euro-Grenze. Für diese Einkäufe könnten standardisierte Einkaufs-Vertragsmuster erstellt werden, wodurch sich der Aufwand für den einzelnen Einkauf deutlich reduzieren ließe, sowohl auf Beschaffer- als auch auf Industrieseite. Aufgrund des Fehlens solcher Standard-Vertragsmuster muss jeder einzelne kleinere Einkauf “persönlich” verhandelt werden, die Kosten für die Industrie schlagen sich natürlich in den Angeboten nieder. Zudem wird Personal auf Beschafferseite gebunden, dass dann bei anderen Projekten fehlt. Die Digitalisierung der Vergabeverfahren würde ebenfalls deutliche Erleichterung bringen. 2) Eine deutliche Verbesserung würde auch der Kauf marktverfügbarer Systeme bringen. Dieses Vorgehen wird zwar seit über zehn Jahren gefordert, am Ende steht in den Anforderungen aber oftmals doch wieder eine germanisierte Spezialversion. Ein

Alptraum nicht nur für die Beschaffung, sondern vor allem für die Logistik, da einige Ersatzteile dann genauso germanisiert sein müssen wie das Gesamtsystem. Statt den deutschen Weg zu wählen, ließe sich durch Anwendung international anerkannter Standards bereits eine überbordende Anforderungskomplexität vermeiden. Die deutsche Industrie bietet schließlich sehr erfolgreich unter Beachtung entsprechender Standards am internationalen Markt an. 3) Das wichtigste Element ist allerdings die Zusammenarbeit mit der Industrie. Hierfür gibt es durchaus Möglichkeiten wie beispielsweise den “Wettbewerblichen Dialog”, bei dem die Beschaffer ausgesuchte Firmen zum direkten Dialog über deren Systemlösungen für ein bestimmtes Programm einladen. Hierfür müsste natürlich die weltweite Ausschreibung ausgesetzt werden, was wiederum das europäische Vergaberecht für militärische Beschaffungen explizit zulässt. Und was von eigentlich allen anderen EU-Ländern auch so gehandhabt wird.

Notwendigkeit zum Dialog Ursprünglich sollte das Beschaffungsbeschleunigungsgesetz, dem Namen gemäß, die Beschaffung von militärischen Gütern beschleunigen. Schließlich scheiterte die Ausstattung der Bundeswehr in der Vergangenheit nicht nur am Geld, sondern vor allem an zu langen Beschaffungszyklen. Statt diesem Anliegen gerecht zu werden, bringt es allerdings eine Mischung aus Eingriffen in die bisherige Rechtslage. Diese reichen von der Einschränkung der rechtlichen Einspruchmöglichkeiten von unterlegenen Unternehmen bis hin zur Zusammenlegung mehrerer Lose bei der Vergabe. Keine der durch das Gesetz beschriebenen Maßnahmen greift allerdings in die Kernproblematik ein, die aus den der Vergabe vorgelagerten Prozessen – Bedarfsermittlung, Planungs- und Genehmigungsverfahren, mangelndem Dialog bzw. Abstimmung zwischen den Akteuren – besteht. Es bleibt bei der Trennung zwischen Staat und Industrie, obwohl die technische Expertise der Unternehmen, die praktischen Erfahrungen der Soldaten und das vergaberechtliche Geschick der Beschaffer zusammengeführt werden müssten. Schließlich wird jede zeitnahe Beschaffung nur im Zusammenspiel aller Akteure gelingen. Und hier geht es nur mit der Industrie, nicht gegen sie.

Neues Territoriales Führungskommando Aufstellung am 1. Oktober 2022 (BS/bk, df) Die Bundeswehr stellt vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Territoriales Führungskommando auf. Mit dieser Maßnahme will die Verteidigungsministerin die Führungsorganisation der Streitkräfte auf die aktuelle Sicherheitslage anpassen. Bislang seien die territorialen Führungsaufgaben über viele Bereiche verteilt, sagte Ministerin Christine Lambrecht. “Zum 1. Oktober 2022 werden wir sie in einem “Territorialen Führungskommando der Bundeswehr” in Berlin bündeln.” Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) wird für die operative Führung der nationalen Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes, der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit verantwortlich sein. Es wird auch die Aufgaben als “Aufmarsch führendes Kommando” für nationale Verlegungen gemäß den Planungen der NATO zur Landes- und Bündnisverteidigung wahrnehmen. Zudem organisiert es die Verlegung von verbündeten Kräften durch

Deutschland in Abstimmung mit den NATO-Kommandos. Das TerrFüKdoBw wird direkt dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) nachgeordnet. Es wird kein Teil eines Organisationsbereiches. Der Kommandeur des TerrFüKdoBw wird zudem die Aufgaben des Nationalen Territorialen Befehlshabers erhalten. Dem Kommando werden u. a. die Landeskommandos, die Heimatschutzkräfte und das Zentrum für die Zivil-Militärische Zusammenarbeit unterstellt. Die deutschen Anteile des NATO Joint

Support and Enabling Command (JSEC) und des multinationalen Kommandos Operative Führung (MNKdo OpFü) werden mit Blick auf den territorialen Bezug der dort wahrzunehmenden Aufgaben dem TerrFüKdoBw truppendienstlich zugeordnet. Der bisherige Befehlshaber des Kommandos Territoriale Aufgaben, Generalmajor Carsten Breuer, wird den Aufstellungsstab des TerrFüKdoBw leiten und wahrscheinlich auch sein erster Kommandeur. Unklar ist noch, wie sich die Aufstellung des neuen

Kommandos auf die Streitkräftebasis (SKB) auswirkt, schließlich verliert der Inspekteur SKB hierdurch die Position als Nationaler Territorialer Befehlshaber. Zudem müssten die Heimatschutzverbände dann auch dem neuen Kommando zugeordnet werden, bisher waren sie bei der SKB. Dies bedingt allerdings auch eine Unterstellung dieses großen Bereichs der Reservistenarbeit unter das TerrFüKdoBw. Es sind also durchaus noch Fragen offen, die noch bis zum 1. Oktober zu klären sind.


Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / Juli 2022

Der Weg zur digitalisierten ABC-Abwehr

MELDUNGEN

Entscheidung im Sturmgewehr-Prozess

Transformationstreiber Technologien gegen CBRN-Bedrohungen

(BS/Major Dr. Anja Glisovic und Hauptmann Karsten Kleine*) Wurden selbst in der jüngeren Vergangenheit noch Lagekarten bis hin zur Handkarte eines Trupps händisch geführt und (BS/df) Endlich fiel der Schlussmussten die Lageentwicklungen per Funkspruch übertragen und mit Stift aktualisiert werden, so entwickelt sich im Zeitalter der digitalisierten Führungssysteme ein zunehmend auto- vorhang über den mehrere Jahre matisierter Prozess. Meldungen der Gefechtsfahrzeuge werden direkt in das digitale Führungssystem eingetragen, dargestellt und automatisch an weitere Teilnehmer übermittelt. Somit dauernden Rechtsstreit um das stehen der Truppe innerhalb kürzester Zeit aktuelle Informationen zur Verfügung und verschaffen auf allen Ebenen den nötigen Überblick über die aktuelle Lage. neue Standardsturmgewehr der Dies gilt in besonderem Maße für die ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr. Diese müssen zukünftig in der Lage sein, Meldungen zu ABC-Ereignissen, schnell verfügbar zu machen. Nur so können die entsprechenden Maßnahmen zum Schutz der eigenen Kräfte zeitgerecht und zielgerichtet eingeleitet werden. Denn gerade bei ABC-Ereignissen ist der Faktor Zeit von entscheidender Bedeutung. Trotz zunehmend moderner Technik und stetiger Weiterentwicklung sind die in der Bundeswehr vorhandenen ABC-Spürund Messgeräte derzeit noch nicht umfänglich netzwerkfähig. Die Übertragung von Daten zwischen verschiedenen digitalen Systemen muss über den Menschen erfolgen. Diese “Drehstuhlschnittstellen” entsprechen nicht der Zeit, sind fehleranfällig und werden gerade den Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) nicht gerecht. Im Kontext der Modernisierung von ABC-Aufklärungssensorik wurde durch das ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr eine Studie zur Etablierung eines umfassenden ABC-Raumschutz beauftragt. Die Absicht ist es, einen Raum automatisiert in Bezug auf ABC-Kampf- und Gefahrstoffe zu überwachen und gewonnene Ergebnisse schnell und digitalisiert in den FüInfoSys bereitzustellen.

Netzwerkfähigkeit der Sensoren Ein wesentliches Ergebnis der Studie ist die unabdingbare Netzwerkfähigkeit im Bereich der ABC-Spür- und Messgeräte. Nur durch die Verknüpfung zahlreicher Sensoren kann ein umfassender ABC-Raumschutz erzielt werden. Daten müssen automatisiert in das Gesamtsystem einfließen können. Ein Weg dorthin könnte zum Beispiel die Nutzung möglichst vieler Plattformen als Trägersystem für die Sensoren sein. Die Untersuchung zeigt: Der Weg führt weg vom klassischen Verfahren, ABC-Spürpapier vor den Winkelspiegeln der Gefechtsfahrzeuge anzubringen und Verfärbungen über Funk zu melden, hin zur automatisierten Meldung durch am Fahrzeug angebrachte Sensoren. Eine sich aus der Vernetzung ergebende Herausforderung für das ABC-Auswertepersonal stellt zukünftig die Menge der zu bewertenden Daten dar. Unabhängig von den Meldungen der eigenen Sensoren können je nach Entwicklungsstand zusätzliche Informationen aus weiteren Quellen, wie zum Beispiel Messergebnisse der Sensoren einer Umweltmessstation oder Informationen aus Social-Media-Analysen, für die ABC-Abwehrberatung von Bedeutung sein. Zur Bewältigung dieser Datenmenge wird in einem weiteren Schritt auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Auswertung sowie zur schnellen Bereitstellung verifizierter Informationen unumgänglich sein. Als zentrales Element des Systems ABC-Abwehr innerhalb eines FüInfoSys kommt bereits heute die ABC-Auswertesoftware NEWS zum Einsatz. Im Rahmen der technischen Weiterentwicklung werden die in NEWS generierten Informationen künftig über entsprechende Schnittstellen in den in der Bundeswehr verwendeten FüInfoSys bereitgestellt. Bei der Schnittstellenspezifizierung sind die entsprechenden NATO-Standards zu berücksichtigen, um die automatisierte Bereitstellung gewonnener Daten auch in den

Feldversuche mit passiver C-Ferndetektion in Schweden. Die Aerosolwolke ist mit bloßem Auge nicht erkennbar, mittels Infrarotspektroskopie aber deutlich darstell- und charakterisierbar. Direkte Sichtlinien sind Voraussetzung für CFerndetektion. Geräte und Personal bleiben kontaminationsfrei. Versuche und Entwicklung stehen unter Leitung des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Schutztechnologien – ABC-Schutz (WIS). Fotos: BS/ABCAbwKdoBw/WIS

FüInfoSys alliierter Streitkräfte zu ermöglichen. Dazu wird NEWS kontinuierlich weiterentwickelt. Auch die Art der Verbringung bzw. der Einsatz der ABC-Sensoren wird sich zukünftig neu ausrichten. Durch Miniaturisierung von ABC-Sensoren wird nicht nur deren Einbindung in mobile Plattformen der Streitkräfte zur Verdichtung des ABC-Lagebildes beitragen und dadurch die Vorwarnzeiten bei ABC-Ereignissen vergrößern. Unbemannte Systeme werden zunehmend als Trägersystem für ABC-Sensoren fungieren und neue Ansätze bei Detektions- und Nachweisverfahren weitere Einsatzmöglichkeiten eröffnen. Derzeit müssen die meisten Sensoren mit ABC-Kampf- und Gefahrstoffen in Kontakt kommen, um diese zu detektieren, einschließlich der persönlichen Warngeräte, die am Körper getragen werden. Zwar warnen diese schon bei geringen Mengen, aber eine Gefährdung des Personals ist so nicht vollständig ausgeschlossen. Dies bedeutet zwangsläufig, dass Material und Personal kontaminiert werden und anschließend aufwendig dekontaminiert werden müssen, was Kräfte und Mittel bindet. Um genügend Vorwarn- und Reaktionszeit zu haben, müssen Kampfstoffspürgeräte weit vor der Stellung oder einem zu schützenden Objekt in Windrichtung platziert werden, was entweder viele oder sehr bewegliche Sensorplattformen bedingt.

Detektion der Kampfstoffe Die Vorteile, ABC-Kampf- und Gefahrstoffe und hier besonders C-Kampfstoffe abstandsfähig messbar zu machen und so frühzeitig in der Atmosphäre erkennen zu können, liegen auf der Hand. Größere Gebiete können überwacht sowie Vorwarn- und Reaktionszeiten erhöht werden. Messgeräte, Material und Personal müssen nicht mit dem CKampf- und Gefahrstoff in Berührung kommen. ABC-Schutz- und Dekontaminationsmaßnahmen können auf diese Art ggf. reduziert werden, eine deutliche

Entlastung für die Soldaten. Gleichzeitig können Einheiten und Verbände C-Gefahren großräumig und frühzeitig ausweichen. Die Gefechtsführung wird flexibler. Weniger Personal und Material werden benötigt, um die gleiche Aufklärungsleistung zu generieren. Der Prozess der ABCAufklärung wird somit effizienter und leistungsfähiger. Tatsächlich ist der Ansatz zur Lösung des Problems, C-Kampfstoffe in der Atmosphäre sichtbar zu machen, über zweihundert Jahre alt und 101 Jahre älter als der erste C-Waffeneinsatz in Ypern 1915. Jedoch ist dieser Ansatz erst in den letzten Jahren verlässlich und leistungsstark genug geworden, um den Einsatz im Feld zu betrachten. Allerdings tritt nicht jede CGefahr in Form einer Kampfstoffwolke auf. Auch der Einsatz schwerflüchtiger Kampfstoffe ist in heutigen Bedrohungsszenarien realistisch. Durch die Haftung an Oberflächen sind sie durch passive Methoden kaum nachweisbar. Aber sie können aktiv beleuchtet und mit Infrarotlasern vermessen werden. Selbst bei schwarzen Oberflächen ist die Menge des rückgestreuten Lichts ausreichend, um detektiert und ausgewertet zu werden. Der Energieeintrag auf die Oberflächen ist dabei vernachlässigbar und die anhaftenden Kampfstoffe werden nicht verdampft. Eine Brandgefahr ist somit ausgeschlossen. Mit diesen aktiven Systemen ist es außerdem möglich, in einem Gebiet C-Kampf- und Gefahrstoffe zu spüren und selbst mit wenigen mobilen Systemen große Gebiete abzudecken. Weiterhin existieren Ansätze, aktive Systeme zum Straßenspüren zu verwenden und so echtzeitfähige Messungen bei Geschwindigkeiten von bis zu 30 km/h zu erreichen. Der zeitliche Versatz bis zum Ergebnis liegt hier bei etwa zwei Sekunden. Dies bedeutet für das Szenar Landesund Bündnisverteidigung einen deutlichen Fähigkeitsgewinn, um schnell große Gebiete auf Passierbarkeit und Vorhandsein von ABC-Gefahren zu prüfen. Kombi-

nationssysteme, die es erlauben passiv zu arbeiten und jederzeit bei Bedarf auf aktive Identifikation umzuschalten, werden nach Erreichen der Feldtauglichkeit einen Quantensprung in der Fähigkeitsentwicklung darstellen. Die Rüstung solcher Systeme wird es erlauben, die ABC-Abwehr und insbesondere die ABC-Aufklärung schneller und effizienter zu machen. Neue Einsatzgrundsätze sind dazu in Planung und Entwicklung, während die beschriebenen Systeme für die mobile, fahrzeuggebundene ABC-Aufklärung und den ABC-Raumschutz feldtauglich gemacht werden. Gleichzeitig wird die Nutzung auf unbemannten Träger- und Begleitsystemen sowie ihr Zusammenwirken mit den Kräften im Feld geprüft. So kann beispielsweise bei Bränden oder Austritt von chemischen Gefahrstoffen die Ausbreitung sowie Zusammensetzung der Gefahrstoffwolken noch in der Luft bestimmt und die Bevölkerung frühzeitig gewarnt und ggf. evakuiert werden. Denn eines Einsatzes von C-Kampfstoffen bedarf es nicht, wenn die Zerstörung einer Industrieanlage, wie sie in Deutschland zu Tausenden vorhanden sind, den gleichen taktischen oder strategischen Effekt einfacher herbeiführen kann.

Vom Biosensor zum Exoskelett Trotz aller Möglichkeiten, auf Abstand aufzuklären, werden unverändert Fachleute der ABC-Abwehr vor Ort benötigt, um die Lage zu bewältigen. Mit einem präzisen Lagebild können sie jedoch ihre ABC-Schutzmaßnahmen anpassen. Denn je nach Auftrag und Witterung führt die Arbeit unter ABC-Vollschutz zu enormen physischen Belastungen. Die Erfahrungen, die jeder durch das Tragen einer medizinischen oder einer FFP-2-Maske im Rahmen der COVID-Schutzmaßnahmen gemacht hat, geben hierzu einen kleinen Einblick in die Belastungen der unter ABC-Schutz eingesetzten Kräfte. Jede Erleichterung ohne Einschränkung der Sicherheit ist hier willkommen

und notwendig. Für das vor Ort eingesetzte Führungspersonal ist es seit jeher schwierig, den physischen und psychischen Belastungszustand der unter ABCIndividualschutz eingesetzten Kräfte einzuschätzen. Da nicht jeder gleich auf die körperliche Belastung reagiert, ist es nicht ungewöhnlich, dass Erschöpfungszustände unterschiedlich schnell aufkommen können. Aus diesem Grund werden Untersuchungen zur Erfassung der biometrischen Daten durchgeführt. Durch Unterbekleidung, ähnlich einer “Funktionsunterwäsche”, werden im Rahmen von Biomonitoring z. B. Körpertemperatur und Herzfrequenz erfasst und mittels Funkübertragung an ein entsprechendes Auswertesystem übertragen. Anhand einer grafischen Darstellung kann der eingesetzte Verantwortliche vor Ort den Belastungszustand der einzelnen Soldaten und Soldatinnen erkennen und entsprechend auf Erschöpfungserscheinungen reagieren, bevor es zu einem körperlichen Zusammenbruch kommt. Aber auch technische Weiterentwicklungen, die das Arbeiten unter ABC-Individualschutz erleichtern sollen, werden in verschiedenen Studien der Bundeswehr untersucht. Neben dem Biomonitoring kommt hier der Nutzung von Exoskeletten eine weitere Bedeutung zu. Abgeleitet aus den Erfahrungen aus Handwerk und Industrie soll hier eine Unterstützung geschaffen werden. Die Tätigkeiten bei der Vor-, Haupt- oder Nachbehandlung von kontaminierten Fahrzeugen bedürfen häufiges Arm-über-KopfArbeiten, hier können Exoskelette erheblich zur Entlastung des an den Stationen eingesetzten Personals beitragen. Doch nicht jedes Exoskelett ist für den Einsatz im Bereich der ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr geeignet. Unter der Leitung des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Schutztechnologien – ABC-Schutz (WIS) in Munster (Niedersachsen) werden derzeit in Zusammenarbeit mit der Universität der Bundeswehr Hamburg und der Universität Innsbruck Exoskelette für diese spezifischen Anforderungen entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein speziell für den Bereich der ABC-Abwehr entwickeltes, kompaktes System zur Entlastung des Schulter- und Nackenbereichs, welches unter einer impermeablen ABC-Schutzbekleidung getragen wird. Erste Laborversuche wurden bereits durch das wissenschaftliche Personal durchgeführt. Diese werden zuletzt, in Zusammenarbeit mit dem ABC-Abwehrkommando der Bundeswehr, durch weitere Untersuchungen unter Einbindung der Truppe fortgesetzt werden. Ziel all dieser Maßnahmen ist es, die ABC-Abwehrkräfte der Bundeswehr bestmöglich in ihrer Aufgabenwahrnehmung zu unterstützen und so die ABC-Abwehr schneller, wirksamer und effizienter zu machen. An dieser Prämisse werden die Ansätze bemessen und entwickelt. Die Soldatinnen und Soldaten der qualifizierten ABC-Abwehr werden durch Ausbildung, qualitativ hochwertige Übungsmöglichkeiten, beständige Fort- und Weiterbildung sowie die Bereitstellung bestmöglichen Geräts und Ausrüstung befähigt, die ABC-Abwehr auf die künftigen Herausforderungen zukunftsfähig auszurichten. *Major Dr. Anja Glisovic und Hauptmann Karsten Kleine sind Experten des ABC-Abwehrkommandos der Bundeswehr.

Bundeswehr. Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies am 22. Juni die Beschwerde des Unternehmens C.G. Haenel zurück. Interessant ist die Begründung des Gerichts (Aktenzeichen VIIVerg 36/21). “Die Antragsgegnerin [BAAINBw] hat die Antragstellerin [C.G. Haenel] zu Recht wegen schwerer beruflicher Verfehlung in Gestalt einer vorwerfbaren Patentverletzung ausgeschlossen. Die Antragsgegnerin hat durch die von ihr eingeholten Gutachten eine Verletzung des Europäischen Patents EP 2 018 508 B 1, dessen Inhaberin die Beigeladene ist, durch das von der Antragstellerin angebotene Sturmgewehr MK 556 nachgewiesen”, teilte das Oberlandesgericht Düsseldorf mit. “Der Ausgang der von der Antragstellerin vor dem Bundespatentgericht in München erhobenen Patentnichtigkeitsklage ist vollkommen offen. Dies ging zulasten der Antragstellerin, die eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Vernichtung des Patents hätte belegen müssen.” Die vorherige gerichtliche Instanz, die 1. Vergabekammer des Bundes, hatte in ihrem Urteil vom10. Juni 2021 zur Abweisung der Klage von C.G. Haenel noch gesagt: “Die Frage, ob die ASt [C.G. Haenel] mit der angebotenen Waffe Patente der Bg [Heckler & Koch] sowie eines dritten Unternehmens verletzt, war für die Kammer nicht entscheidungserheblich.” Also begründete das Oberlandesgericht Düsseldorf seine Ablehnung der Klage mit einer Patentrechtsverletzung, die für die Ablehnung derselben Klage durch die 1. Vergabekammer des Bundes nicht entscheidungserheblich war. Zumindest wird mit dem jüngsten Urteil der Weg frei für die Beschaffung von neuen Standardsturmgewehren, die wie die Vorgänger vom Unternehmen Heckler & Koch stammen werden.

Zusammenarbeit für die Bundeswehr

(BS/df) ESG, Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und MBDA unterzeichneten auf der ILA ein Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit für das “Zukünftige System Indirektes Feuer großer Reichweite” der Bundeswehr. Ziel der Zusammenarbeit ist der weitere Ausbau und die Umsetzung des “Joint Fire Support Missile” (JFS-M)-Konzepts. Der neue JFS-M-Lenkflugkörper soll mit den in der Bundeswehr vorhandenen Artillerieraketensystemen MARS II/MLRS-E von KMW sowie anderen Plattformen eingesetzt werden. Zudem soll das existierende Führungs- und Waffeneinsatzsystem ADLER III der Artillerietruppe von der ESG zum Einsatz kommen. Durch den Einsatz von Lenkflugkörpern in Verbindung mit Artillerie-Systemen sind Streitkräfte in der Lage, im gesamten Reichweitenband, von kurzer bis großer Reichweite, eine skalierte und präzise Wirkung zu erzielen. Darüber hinaus kommen modernste Technologien, wie störungssichere GPS-Navigation, 3DFlugplanung und bildgestützte Navigationssensorik zum Einsatz. Die Zielbekämpfung wird durch Künstliche Intelligenz für die automatische Zielerkennung und -identifikation (Automated Target Recognition and Identification) unterstützt. Die JFS-M kann je nach Bedarf konfiguriert und im Bereich Wirkung, Aufklärung, aktiver und passiver Elektronischer Kampf sowie als Ausbildungsvariante eingesetzt werden.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Juli 2022

Die Attraktion auf der Eurosatory

MELDUNGEN

CAVS als Nachfolger der Füchse

(BS/df) Am 14. Juni unterzeichneten Vertreter des deutschen und finnischen Verteidigungsministeriums eine Absichtserklärung, mit der Deutschland dem finnisch geführten CAVSProgramm (Common Armoured Vehicle System) beitritt. Bei den CAVS-Fahrzeugen handelt es sich um 6x6-Radfahrzeuge vom finnischen Unternehmen Patria, diese sollen die deutschen Füchse ablösen. Beim CAVS-Programm wurde eine Modularität ähnlich wie beim Boxer gewählt. Auf einer Plattform sollen die verschiedenen Variationen realisiert werden. Aktuell gibt es bereits die Version Führungsfahrzeug sowie gepanzerter Mannschaftstransporter, weitere sind geplant, wie beispielsweise eine Amphibie mit Schwimmfähigkeit oder ein Mörser. Die NATO-STANAGSchutzklasse liegt regulär bei Level zwei, optional bei Level vier. Ein höheres Schutzniveau bedeutet allerdings auch mehr Gewicht, dabei liegt der Vorteil dieses Fahrzeugs darin, dass es weniger als die Hälfte des Gewichtes des Boxers auf die Straße bringt. Hinzu kommt ein gegenüber dem Boxer deutlich geringerer Stückpreis. Mit dem CAVS-Beitritt wird Deutschland das fünfte Land, das sich an der ersten Stufe des multinationalen Programms beteiligt. Finnland, Lettland und Estland nehmen seit 2019 an dem Programm teil, Schweden seit 2021. Im Rahmen des Programms bestellte Lettland im August 2021 mehr als 200 geschützte Mannschaftstransporter, von denen Patria bereits über ein Dutzend geliefert hat. Finnland unterzeichnete im August 2021 eine Absichtserklärung für 160 neue Mannschaftstransporter, die Vorserienlieferungen erfolgen im Juni. Schweden folgte Anfang dieses Monats mit einer Vereinbarung für eine Forschungs- und Produktentwicklungsphase. Patria ist als ausgewählter Anbieter der 6x6Fahrzeugplattform für die Systementwicklung im Rahmen von CAVS verantwortlich.

Exoskelett für Soldaten

(BS/df) Alle Streitkräfte haben das Problem, welches Gewicht den Soldaten noch zumutbar ist. Vor allem die Schutzsysteme sind für den Großteil der zu tragenden Kilos verantwortlich, aber auch die Digitalisierung mit Elektronik und Akkus verschärft die Situation. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass moderne Soldaten die Grenze der Belastbarkeit bereits erreicht oder sogar überschritten haben. Eine mögliche Lösung dieses Problems zeigte Mawashi auf der Eurosatory: Das Ultralight Passive Ruggedized Integrated Soldier Exoskeleton (UPRISE). Dabei handelt es sich um eine ergonomische, passiv lasttragende Titanstruktur, welche dem Soldaten dynamische und unvorhersehbare Bewegungen trotz großer Lasten ermöglicht. Es ist also keine maschinell betriebene, sondern eine rein mechanische Lösung. UPRISE besteht aus einer gelenkigen Wirbelsäule, einem verschiebbaren Gürtel für die Rotationsfreiheit des Rumpfes, zwei Beinabschnitten mit funktionellen Hüft-, Knie- und Knöchelgelenken, die den Körperbewegungen folgen, und zwei in das Schuhwerk integrierten lastübertragenden Sohlen. Durch diesen Aufbau ergibt sich eine effektive Lastübertragung und Lastableitung auf den Boden.

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Der neue deutsche Kampfpanzer KF51 Panther (BS/Dorothee Frank) Es sind besondere Zeiten. Die Rüstungsindustrie, die bisher zwischen Schattendasein und Pfui existierte, ist plötzlich Vogue geworden. Menschen diskutieren öffentlich über die Vorteile von Flugabwehrsystemen und die Eurosatory, die größte Rüstungsmesse Europas, erhielt erstmals eine wohlwollende Aufmerksamkeit in Deutschland. Während bei früheren Eurosatorys Kamerateams der öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehsender wenig beliebt waren, weil sie vor allem versuchten, dunkelhäutige Menschen an Gewehren und anderen Systemen einzufangen und dann zu berichten, dass solche Messen die Kriegstreiberei schürten und Deutschland doch statt Waffen lieber Kindergartenstühle oder Gemüsesamen exportieren solle, wurde diesmal sogar die Präsentation eines neuen deutschen Kampfpanzers lobend erwähnt. Und der Chef eines Rüstungskonzerns konnte im Interview mit der ARD erläuternde Worte über diesen neuen Kampfpanzer verlieren, ohne dass vor und nach seinem Statement Entwicklungshelfer oder Altfriedensbewegte sich negativ über deutsche Waffenproduktionen äußerten.

Vollständig digitalisiertes Konzept Mit diesem Kampfpanzer war Rheinmetall aber auch eine große Überraschung gelungen. Ohne Beteiligung der anderen deutschen Panzerschmiede präsentierte das Unternehmen ein durchdachtes, ausgefeiltes Konzept für den Kampfpanzer der Zukunft. Der KF51 Panther erfindet natürlich nicht den Panzer neu, verbindet allerdings einige neue Systeme und Technologien in seinem Konzept, sodass er sich deutlich vom aktuellen Leopard abhebt. So werden die Sensoren, Effektoren, Rechner und Bedienkonsolen über eine vollständig digitalisierte und natürlich NGVA-konforme Architektur miteinander verbunden. Beim Panther wurde die Digitalisierung dabei direkt im Design mitgedacht und nicht erst nachträglich implementiert, was die Durchgängigkeit, Störfestigkeit und den Betrieb deutlich verbessert. Bei den Bedienplätzen realisierte das Unternehmen ein besonders

Rheinmetall präsentierte mit dem KF51 Panther einen neuen, rein durch das Unternehmen entwickelten Kampfpanzer auf der diesjährigen Eurosatory. Foto: BS/Oliver Hoffmann

interessantes Konzept. Ausgelegt ist der Panther auf eine DreiPersonen-Besatzung (Kommandant und Richtschütze im Turm, Fahrer im Fahrgestell), es ist im Fahrgestell allerdings noch ein zusätzlicher, vierter Bedienerplatz vorgesehen. Hier könnte ein Waffen- oder Systemspezialist oder Führungspersonal wie der Kompaniechef bzw. Bataillonskommandeur sitzen. Dies trägt dem zunehmend mit Spezialsystemen durchsetzen künftigen Gefechtsfeld Rechnung, da von diesem zusätzlichen Bedienerplatz aus etwa Drohnenschwärme geleitet oder Störmaßnahmen koordiniert werden könnten. Aufgrund der vollständig digitalisierten Architektur gemäß dem Standard der NATO “Generic Vehicle Architecture (NGVA)” ist eine nahtlose Integration von Sensoren und Effektoren sowohl innerhalb der Plattform als auch im Verbund mit anderen Systemen möglich. Dies bedeutet, dass jeder Bedienplatz die Aufgaben von jedem anderen Bedienplatz übernehmen kann. Somit wird

bei künftigen Versionen ein unbemannter Turm eine wahrscheinliche Option sein. Wobei auch der aktuelle Turm mit dem 130mm Rheinmetall “Future Gun”-System bereits eine um rund 50 Prozent gesteigerte Feuerkraft bietet als die 120-mm-Glattrohrkanone des Leopard 2 A7V.

Erwartbare Schutzsysteme An Schutz bietet der Panther die erwartbare Mischung aus aktiven und passiven Schutzkomponenten, ohne die kein moderner Kampfpanzer in Serie gehen könnte. “Das herausragende Merkmal der Überlebensfähigkeit ist sicherlich der aktive Schutz vor KE-Bedrohungen. Er erhöht das Schutzniveau, ohne das Gewicht des Systems zu beeinträchtigen. Das Rheinmetall “Top Attack Protection System” (TAPS) wehrt Bedrohungen von oben ab. Das Schnellnebelschutzsystem ROSY entzieht den KF51 Panther der feindlichen Sicht”, berichtet das Unternehmen. “Dank der Pre-Shot-Detection-Fähigkeit kann der KF51 Panther Bedro-

hungen frühzeitig erkennen und neutralisieren. Als System, das für den Einsatz in einem umkämpften elektromagnetischen Spektrum ausgelegt ist, ist der KF51 vollständig gehärtet gegen Cyber-Bedrohungen.” Auch wenn der gezeigte Panther, der extra für die Eurosatory fertiggestellt wurde, noch die Wanne eines Leopard-Kampfpanzers nutzt, wird bei Rheinmetall bereits an einer eigenen Wanne gearbeitet. Bei dem Panther handelt es sich also tatsächlich um einen neuen, firmenentwickelten Kampfpanzer, der laut dem CEO des Unternehmens in zwei Jahren die Produktionsreife erreichen könnte.

Bereit zur Bestellung Die deutschen Beschaffer erwischte der neue Kampfpanzer kalt. Das deutsch-französische Programm “Main Ground Combat System” (MGCS) erreichte bisher keine nennenswerten Meilensteine. Technologien wurden noch nicht festgelegt, Systeme noch nicht beschrieben. Während beim

ebenfalls deutsch-französischen Luftkampfprojekt “Next Generation Weapon System” bereits Entwicklungssäulen mit verantwortlichen Unternehmen und entsprechenden Technologiekonzepten stehen, fehlt all dies beim MGCS. Nun bringt Rheinmetall die deutschen Beschaffer in Zugzwang, da jetzt eine Alternative zum MGCS existiert, die ein modernes Kampfpanzerkonzept bietet. Ein ähnlicher Coup war Rheinmetall bereits mit dem Schützenpanzer Lynx gelungen, der die Erkenntnisse aus der Puma-Entwicklung nahm und ohne deutschen Goldrand ein günstiges und dennoch modernes System erschuf, an dem bereits mehrere Nationen großes Interesse zeigen. Ungarn ist der Erstkunde des Lynx, der 80 bis 90 Prozent der Performance des Pumas für 60 bis 70 Prozent des Preises bietet. Diesem Konzept treu bleibend präsentierte Rheinmetall nun also den Panther, der sicherlich auf ebenso großes Interesse wie der Lynx stoßen wird. Schließlich benötigen im Grunde alle NATOStaaten neue, an moderne Gefechtsfelder angepasste Kampfpanzer. Deutschland inklusive.

Voices in Defence Über das Konzept und die Technologien des Panthers sprach der Behörden Spiegel während der Eurosatory mit Oliver Mittelsdorf, Vertriebsleiter Taktische Fahrzeuge bei Rheinmetall. Der Podcast kann hier angehört werden.


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S

eit sie 2021 ihr Studium “Öffentliche Verwaltung Brandenburg (LL. B.)” abgeschlossen hat und fest beim Dezernat I im Fachbereich Bauordnung und Kataster im Fachdienst Rechtliche Bauaufsicht des Landkreises Oberhavel angestellt ist, darf die 29-Jährige eigene Fälle bearbeiten. Aber schon während des Studiums kam Stieg dank des dualen Ausbildungssystems der Technischen Hochschule Wildau mit der praktischen Arbeit der Bauaufsicht in Berührung.

Im Sinne der Verhältnismäßigkeit Laura Stieg berichtet von ihrer Arbeit in der Bauaufsicht (BS/Malin Jacobson) “Haben Sie das schon gesehen?”, fragt der Bereichsleiter und kommt zur offenen Bürotür herein. In der Hand hält er einen Zeitungsartikel, der von einem neuen Café im Landkreis Oberhavel berichtet. Das Bild zeigt ein provisorisches Gebäude, das wohl nur für die Sommermonate hochgezogen worden zu sein scheint. Ob das ein Fall für den Fachbereich Bauordnung und Kataster ist, muss sich erst noch zeigen – zunächst legt Laura Stieg eine Akte mit den bisherigen Informationen an.

Zwischen Praxis und Theorie Vor dem Studium machte Stieg erst ein Freiwilliges Soziales Jahr – weswegen sie beinahe Soziale Arbeit studiert hätte – und anschließend eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation in der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Nach dem Abschluss der Ausbildung 2016 bewarb sie sich beim Landkreis Oberhavel auf einen Studienplatz für den neu eingeführten Studiengang Öffentliche Verwaltung Brandenburg (LL. B.). Sie landete aber auf Platz drei und wurde somit abgelehnt, da von der Rangliste externer Bewerberinnen und Bewerber (die bis dato nicht bei der Kommune angestellt waren) nur die ersten beiden genommen werden konnten. Daher arbeitete sie zunächst ein Jahr für den vzbv, um sich 2017 erneut zu bewerben und wieder auf dem dritten Platz zu landen. Diesmal konnte sie jedoch aufsteigen, nachdem ein Mitbewerber abgesprungen war, und im September 2017 das Studium in Wildau antreten. Mit der Belastung des sehr juristisch geprägten Studiums seien die Kommilitonen – manche seien direkt von der Schule gekommen, andere hätten bereits einen Bachelor- oder Masterabschluss und wieder andere hatten ein juristisches Examen – sehr unterschiedlich zurechtgekommen, berichtet sie. “Dadurch, dass ich eine abgeschlossene Berufsausbildung und bereits gearbeitet hatte, bin ich manche Aspekte entspannter angegangen als andere – vor allem den ersten Praxiseinsatz”, so die 29-Jährige. Dieser fand im vierten Semester statt, nachdem die ersten drei mit theoretischen Inhalten gefüllt waren, und stand unter der Aufsicht zertifizierter Betreuer. Insgesamt gab es vier dieser berufspraktischen Studienzeiten mit einer Dauer von je zehn Wochen, welche Stieg erst im Jobcenter sowie im Rechnungsprüfungsamt und zuletzt im Fachbereich Bauordnung und Kataster des Bauamtes sowie der Widerspruchsstelle des Bauamtes absolvierte. Gerade diese Praxiseinsätze seien es gewesen, die ihr geholfen hätten, die theoretischen Inhalte besser zu verstehen. “Da konnte ich dann mit Flächennutzungs- und Bebauungsplänen als Instrumente für Städte und Gemeinden wirklich etwas anfangen und auch die verschiedenen Aspekte des Bauordnungs- und Baunutzungsrechts mit Anwendungsbeispielen verknüpfen – das ist das, was diesen Bereich für mich so spannend macht.” Zwischen den einzelnen Semestern, in der vorlesungsfreien Zeit und unabhängig von den Praxiseinsätzen wurden zusätzlich Praktika von fünf bis sechs Wochen in den Behörden absolviert – im Fall von Laura Stieg war das beispielsweise im Jugendamt, in der Personalverwaltung und im Bauamt. Gerade Letzteres gab auch den Ausschlag, ihre Bachelorarbeit im Fachbereich Bauordnung und Kataster im Fachdienst Rechtliche Bauaufsicht schreiben zu wollen. Das hatte zudem den Vorteil, dass die angehende Bachelor of Law schon wusste, dass es freie Stellen in dem Fachbereich gab, auf

Behörden Spiegel / Juli 2022

Posteingang auf dem einen Bildschirm, zu bearbeitende Akten auf dem anderen – so behält Laura Stieg den Überblick. Fotos: BS/Jacobson

andere entscheiden und es komme auch vor, dass ein solcher Bauantrag genehmigt werde. “Das ist allerdings mit Kosten und Aufwand verbunden”, weiß die Verwaltungsmitarbeiterin, “denn es muss ein vollständiger Bauantrag mit Bauvorlageberechtigung, amtlichem Lageplan sowie – das ist in Oranienburg besonders – Kampfmittelfreiheitsbescheinigung eingereicht werden.” Und: “Nur weil ein Bau bereits seit zehn oder zwanzig Jahren irgendwo steht, legalisiert er sich nicht automatisch!” Drei- bis viertausend Euro in die Legalisierung eines Carports zu investieren, überlege sich da der eine< oder andere zweimal. Wenn dann die Nachricht und beispielsweise ein Fotobeweis kämen, dass der Carport beseitigt worden sei, sei der Fall erledigt, erklärt Stieg. Sollte der Bürger aber weder für eine Legalisierung noch Beseitigung sorgen, müsse sie nach entsprechender Fristsetzung eine Beseitigungsanordnung verhängen. Das sei ein offizieller Verwaltungsakt, dem der Bürger nachkommen müsse, da sonst Zwangsgelder – in nicht unbeträchtlicher Höhe – bis hin zur Zwangsbeseitigung drohzen. “Diesen Schritt versuchen wir so gut es geht, zu vermeiden, da 100 bis 3.000 Euro Zwangsgeld für viele eine schmerzhafte Summe sind. Wenn die Betroffenen gar nicht mit uns reden oder uneinsichtig bleiben, haben wir manchmal keine andere Möglichkeit.”

Lokale Regelungen entscheiden

Mit Helm und Stahlkappenschuhen ist die 29-Jährige auch für Baustellenbegehungen gerüstet.

Es gibt auch Bürger, die sich selbst an die Recherchearbeit machen, um einen Bestandsschutz nachweisen und damit eine Beseitigung umgehen zu können.

welche Sie sich direkt bewerben konnte. “Es war sehr beruhigend, noch vor der mündlichen Abschlussprüfung zu wissen, dass es einen fließenden Übergang geben wird.” Entsprechend anders war auch die Einarbeitung. Da sie die Abläufe der Abteilung bereits kannte, bekam sie direkt eigene Fälle sowie feste Gebiete und Zuständigkeiten zugewiesen.

Baustopp, Evakuierung und Fernsehauftritt Der erste große Fall inklusive Fernsehauftritt ließ auch nicht lange auf sich warten. Sie sei gerade ein halbes Jahr fest da-

Der Blick in die Akte verrät, wann welche Gebäudeteile entstanden oder erweitert worden sind.

bei gewesen, berichtet die junge Verwaltungsmitarbeiterin, als im August 2021 in Oranienburg eine Baugrube fast senkrecht abgegraben worden sei, was zu tiefen Rissen in den Wänden des Nachbargebäudes mit insgesamt acht Wohnungen geführt habe. “Da musste wirklich schnell ein Baustopp veranlasst werden!” Einen solchen Fall hatten aber auch die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen der Abteilung bis dato noch nicht gehabt, sodass dann mit vereinten Kräften und mithilfe der Statiker schnell und rechtssicher der Bescheid für den Baustopp, die Verfüllung der Baugrube und das Abstellen der Grundwasserpumpe verfasst wurde. Auch die Straße vor dem Gebäude musste sicherheitshalber gesperrt werden. In diesem Fall habe man generell sehr eng mit allen beteiligten Stellen zusammengearbeitet, vor allem mit der Feuerwehr, welche schon am Vorabend alle elf Bewohner evakuiert habe, bevor am nächsten Tag die weiteren Schritte veranlasst worden seien. “An dem Morgen war ich dann mit dem Statiker vor Ort, um die Situation zu bewerten. Zu dem Zeitpunkt waren bereits Kamerateams da, die gefilmt haben, wie wir das vermeintlich einsturzgefährdete Gebäude verlassen.” Das zivilrechtliche Verfahren zu diesem Fall laufe derzeit noch, so Stieg, und es sei noch nicht klar, wer die Kosten

für den Feuerwehreinsatz, die Unterbringung der evakuierten Bewohner oder die sonstigen Maßnahmen trage.

Legalisierung oder Beseitigung Ob die Fälle immer so dramatisch sind? Nein, meint Stieg, die die erste in ihrer Familie mit einem akademischen Abschluss ist. “Ich habe Kolleginnen und Kollegen, die seit über zehn Jahren hier sind und es noch nicht ins Fernsehen geschafft haben." Meistens gehe es eher um Carports, genehmigungspflichtige Umnutzungen oder Einfriedungen, die auch mal von Nachbarn gemeldet würden. Was viele nicht wüssten: Im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes müssten die Mitarbeitenden im Fachdienst Rechtliche Bauaufsicht auch nach rechts und links schauen. So würden dann häufig auch Verfahren gegen Nachbargrundstücke eingeleitet. Nach der Sachstandsaufklärung gehe es dann daran, die baurechtmäßigen Zustände herzustellen – und dafür seien die Bürgerinnen und Bürger selbst zuständig. “Wir können ihnen allerdings nicht vorschreiben, wie sie dies tun”, erklärt sie. Grundsätzlich habe jeder das Recht, auch im Nachhinein einen Bauantrag zu stellen, um beispielsweise seinen Carport genehmigen zu lassen – über die Zulässigkeit müssten dann

Das letzte Mittel ist die Ersatzvornahme, bei der ein Unternehmen mit der Beseitigung beispielsweise eines Carports beauftragt wird. Dabei muss die Verwaltung allerdings in finanzielle Vorleistung gehen und kann die Kosten erst im Nachhinein an den entsprechenden Bürger weitergeben. Auch eine Ersatzzwanghaft wäre bei andauernder Zahlungsverweigerung möglich, “aber solche Maßnahmen beispielsweise wegen eines genehmigungspflichtigen Carports anzusetzen, wäre unverhältnismäßig, schließlich arbeiten wir mit Steuermitteln”, erklärt Stieg. Sie dürfte sogar versiegeln, um eine Nutzungsuntersagung durchzusetzen, berichtet sie. Als einzige im Team habe sie hierfür ein entsprechendes Siegel, das dann aber auch im Beisein der Polizei angebracht werden müsse. Man versuche aber immer, die Fälle auf weniger invasive Art und im Sinne der Verhältnismäßigkeit zu lösen. Immer wieder gibt es auch Anzeigen seitens der Städte und Gemeinden, gerade bei Einfriedungen, da diese in deren Wahrnehmungsfeld liegen. “Für uns ist aber maßgeblich, ob es überhaupt Vorschriften in den lokalen Bebauungsplänen oder Satzungen gibt. Wenn nicht, dürfen sich die Leute nach Brandenburgischem Bauordnungsrecht auch zwei Meter hohe Steinmauern an die Grundstücksgrenze stellen”, so die Bergfelderin, denn nach Optik könne sie nicht entscheiden. In solchen Fällen haben dann die Kommunen die Möglichkeit, Satzungen zu ändern, um gegen hohe Sichtschutze vorzugehen.

Jeder Tag ist anders Seit der Pandemie können die Mitarbeitenden der Verwaltung des Landkreises Oberhavel mobil

und flexibel zwischen sechs und 22 Uhr beziehungsweise freitags bis 20 Uhr arbeiten. Nur in dieser Zeitspanne komme man in das System, an Wochenenden oder Feiertagen könne man sich gar nicht einloggen. Einen immer gleichen Tagesablauf gebe es nicht, antwortet sie auf die Frage, wie denn ein Arbeitstag in der Regel aussehe. Sie habe zeitgleich verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Fristen, die es regelmäßig nachzuhalten gelte. So erinnere sie das System, wenn beispielsweise die Frist für eine Anhörung auslaufe. Etwa einmal pro Woche gehe es mit den landkreiseigenen Hybrid- oder Elektroautos zu Außeneinsätzen, um vor Ort bauliche Maßnahmen zu beurteilen, erzählt die Verwaltungsmitarbeiterin weiter, dabei fahre man immer zu zweit raus. Zum einen aus Sicherheitsgründen, da “mit den ordnungsbehördlichen Maßnahmen eher negative Dinge verbunden werden, weil die Bürgerinnen und Bürger etwas gemacht haben, was sie baurechtlich nicht dürfen oder ohne Genehmigung durchgeführt haben”. Angefeindet worden sei Stieg bisher aber nicht. Man treffe vor allem auf Unverständnis seitens der Bürger, erläutert sie, die auf ihrem Grundstück gerne machen würden, was sie wollten. Zum anderen fahre man mindestens zu zweit, um sich den notwendigen Respekt zu verschaffen, auch weil Frauen auf der Baustelle nicht immer vollständig ernst genommen würden. Und letztendlich sei es auch einfach wichtig, immer einen Zeugen zu haben, damit der Bürger nicht behaupten könne, eine entsprechende Anweisung nicht erhalten zu haben.

Lösungsorientierte Kommunikation Die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern hat Stieg im Studium vor allem durch die Praxiseinsätze, in erster Linie aber über den Sport gelernt. Im Cheerleading, einer gymnastisch-akrobatischen Sportart, die sehr auf den Zusammenhalt des Teams aufbaue, komme man mit den verschiedensten Charakteren zusammen und müsse immer wieder einen Weg finden, gemeinsam Herausforderungen zu überwinden. Da sei es wichtig, sich klar artikulieren und mit Menschen in Interaktion treten zu können. “Im Cheerleading lernt man auch, lösungsorientiert zu denken. Wenn etwas nicht funktioniert, bringt es eben nichts, nur zu meckern. Es muss gemeinsam geschaut werden, was anders gemacht werden kann.” Ebenso könne man den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur sagen, dass es ein Problem gebe, sondern müsse diesen auch Lösungsoptionen aufzeigen. Seit acht Jahren übt die Verwaltungsangestellte diesen Sport bereits aus, den sie ursprünglich nur angefangen hatte, weil ihre Zwillingsschwester das gerne ausprobieren wollte. Mit dem Cheerleading kam auch die Begeisterung für andere sportliche Aktivitäten: Fitnessstudio, Mammutmarsch oder auch Halbmarathon und Marathon. Und für die Zukunft sind weitere extreme Events dieser Art geplant. Auch beruflich ist sie angekommen. “Die vergangenen zwei Jahre haben mir gezeigt, dass eine feste Anstellung wirklich pures Gold wert ist, auch weil man ganz anders planen kann”, meint Stieg. So strebe sie zumindest für die nahe Zukunft erst mal keine Veränderung an – auch wenn der Studienabschluss Öffentliche Verwaltung Brandenburg (LL. B.) sie für Führungspositionen in der Kreisverwaltung qualifiziere. Vorerst will sie definitiv noch dabeibleiben, dann ist voraussichtlich Familienplanung angesagt.


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