Behörden Spiegel März 2021

Page 1

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. III / 37. Jg / 11. Woche

Berlin und Bonn / März 2021

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Vielfältiges Aufgabenspektrum

Erneuertes Standarderprobungsgesetz

Tatort Internet

Veronika Keller-Engels zur Arbeit des Bundesamtes für Justiz ��������������������������������������� 5

Dr. Markus Grünewald über Verwaltungsmodernisierung in Brandenburg ������29

Carsten Hambloch im Kampf gegen Kinderpornografie ................................... 47

Ersten gemeinsamen Jahrgang abgeschlossen

Mehr K: Kraft, Kreativität und Kommune

(BS/mfe) Der erste Jahrgang der gemeinsamen Ausbildung im Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF) für den mittleren Dienst ist abgeschlossen. Zwei Jahre lang haben 29 Auszubildende, darunter elf Frauen, gemeinsam gelernt. 20 von ihnen kamen vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), neun aus dem Bundesnachrichtendienst (BND). Während ihrer Ausbildung haben sie sich, neben dem umfangreichen nachrichtendienstlichen Handwerkszeug, auch intensiv mit dem rechtlichen Gerüst und dem ethischen Rahmen ihres Handelns auseinandergesetzt. Die Ausbildung besteht aus einem fachtheoretischen (acht Monate) und einem praktischen (16 Monate) Abschnitt.

Mehr Miteinander statt Gegeneinander

Bürgernahe Sprache (BS/lkm) Die Steuerverwaltungen der Länder wollen die Kommunikation mit den Bürgern verbessern. Hierzu wurde nun eine Pilotstudie gestartet. Beschäftigte der Steuerverwaltung prüfen derzeit bundesweit Schreiben, Vordrucke, Steuerbescheide sowie allgemeine Informationen in Broschüren, Merkblättern und Internetauftritten auf ihre Verständlichkeit. “Die Verwaltungssprache ist eine Fachsprache, die oft nicht für jeden leicht zugänglich ist. Publikationen, die von den Ämtern bereitgestellt werden, sollen den Bürgerinnen und Bürgern Informationen liefern oder ihre Fragen beantworten. Das gelingt allerdings nur, wenn das Geschriebene auch verstanden wird”, sagte Saarlands Finanzstaatssekretärin Anja WagnerScheid.

Zuschlag für Frequenzen erteilt

(BS/mfe) Die Bundesnetzagentur hat der 450connect GmbH den Zuschlag für die 450-MHzFrequenzen erteilt. Diese werden vorrangig für Kritische Infrastrukturen (KRITIS) bereitgestellt. Ursprünglich hatten sich auch die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Chancen erhofft. Sie sollen nun übrigbleibende Frequenzen in diesem Bereich nutzen dürfen. Maßgeblich für die Vergabeentscheidung an die 450connect GmbH waren dabei insbesondere Zuverlässigkeit, Fachkunde, Leistungsfähigkeit sowie das Konzept zur Frequenznutzung. “Der Zuschlag stellt die Weichen für die Digitalisierung der Energie- und Verkehrswende. Aufgrund der guten Ausbreitungseigenschaften bieten sich die 450-MHz-Frequenzen an, um kosteneffizient ein funktionsfähiges, ausfallsicheres Funknetz aufzubauen“, sagt Jochen ­Homann, Präsident der Bundesnetzagentur.

(BS/Uwe Proll) Nun schleppen wir uns seit einem Jahr von einer zur nächsten Regierungskonferenz durch die Pandemie. Ein Versprechen, das nicht zu halten war, folgte dem nächsten, einem Inzidenzwert folgten viele. Bisher ist jeder Versuch gescheitert, einen Masterplan, eine konsequente Linie zu finden, weil das Virus sich nicht an die politischen Pläne halten will. Brände, Hochwasser und Giftunfälle lassen sich mittlerweile in ihrer Ausbreitung prognostizieren. Das Virus nicht, weil es die Menschen selber sind, die es viral halten. Ein Bashing der Regierenden hilft für den Moment nicht, dennoch bleibt festzuhalten, dass wir es mit einer Generation von Politikern und Politikerinnen zu tun haben, die sich einer solchen Herausforderung bisher nicht gegenüber sah. Krisen gab es auch in jüngster Vergangenheit. Da war die Finanzkrise, für die Bürger nicht spürbar. Und da war die Flüchtlingskrise 2015/2016, die ließ sich ordnungspolitisch noch einfangen. Doch jetzt ist die Herausforderung individualisierbar, die Gesundheit vieler steht auf dem Spiel. Entscheidungen müssen ohne Erfahrungswissen getroffen werden. Daher bestimmen oft wissenschaftliche Einzelmeinungen statt politischer Gesamtabwägungen die Entscheidungen. Ein Reflex setzte ein, der in vielen Krisenfällen durchaus funktionierte, nur eben nicht in der Pandemie: Vorschriften, Regeln und Zuständigkeiten werden als Kern der Krisenbewältigung selbst begriffen. In der Vergangenheit half dies, doch in der Pandemie zeigt sich, dass diese Krise durch Regeln und Zuständigkeiten nicht zu bändigen ist. Schon gar nicht durch die Erörterung von Zuständigkeiten, also welche Verwaltungsebene nun zuständig sei. Diese Diskussion trägt tragikomische Züge.

Bei der Bekämpfung der Pandemie sitzen wir alle im selben Boot. Entsprechend sollten sich einzelne nicht abwenden, sondern alle gemeinsam handelnd in die gleiche Richtung blicken. Foto: BS/Ezume Images, stock.adobe.com

Mehr Kraft: Initiative im Sinne von Führung wäre gefragt. Es gibt ja durchaus einige, die die dafür notwendige Autorität entwickeln könnten. Wo sind die “Helmut Schmidts” von heute? Das Hochwasser in Hamburg

regelte er vorbei an Gesetzen. Improvisation stand dabei strikter Ordnung nicht entgegen. Mehr Kreativität: Die Kreativität ist der Politik abhandengekommen. Wenn sie derzeit feste Regeln verlässt, führt dies zum

Chaos. Politik und Verwaltung sind geradezu domestiziert durch Vergaberecht, Compliance und Datenschutz. Datenschutz geht heute sogar vor Gesundheitsschutz! Werden also die festgelegten Korridore des Handelns

Kommentar

Verwaltung ist immer der Verlierer? (BS) Wie unbürokratisch können “unbürokratische Hilfen” sein? Eine konkrete Antwort auf diese Frage lässt sich nicht geben. Aber sie verdeutlicht das Dilemma von Staat und Verwaltung. Egal, was unternommen wird, Kritik und Negativ-Schlagzeilen wird es immer geben. Ebenso den Ruf nach Verwaltungsreformen. Dabei ist vieles eine Sache der Organisation und Kommunikation. Recht und Gesetz zu wahren und Haushaltsmittel wirtschaftlich zu verwenden, sind dem staatlichen Handeln immanent. In der öffentlichen Diskussion scheint dies jedoch längst untergegangen zu sein. Beispiele dafür lassen sich allein in den letzten zwölf Monaten genügend finden. Etwa die pandemiebedingten Soforthilfen während des ersten Lockdowns. Ein einfaches Antragsverfahren ermöglichte die schnelle Auszahlung von Krediten. Damit einher ging eine größere Zahl von Missbrauchs- und Betrugsfällen. Bei den sogenannten Novemberhilfen für die Wirtschaft handelt es sich einerseits um Abschlagszahlungen, die erst berechnet werden müssen. Andererseits sollte das Missbrauchsrisiko eingedämmt werden. Infolgedessen wird landauf, landab kritisiert, dass im

Februar 2021 erst 80 Prozent der Gelder ausgeschüttet wurden. Oder aktuell die Beschaffung von Schnell- und Selbsttests? Wie kann es sein, dass Discounter diese schneller verkaufen, als die Bundesregierung diese flächendeckend zur Verfügung stellen kann? Zumindest auf diese Frage gibt es eine klare Antwort aus dem Bundeskanzleramt. Weil es gar nicht vorgesehen war, dass der Bund beschafft, sondern nur das Geld gibt und die Länder die Beschaffung selbst tätigen sollten. Die Antwort kam zu spät und wirkt nach der Kritik aus den Ländern wie ein vorgeschobenes Argument, um nicht als Sündenbock dastehen zu müssen. Am Ende sieht es einmal mehr so aus, dass Bund und Länder, Politik wie Verwaltung in der Krise nicht handlungsfähig sind. Dem

ist nicht so. Aber eine zeitlich gut vorbereitete Organisation, mit einer klaren Kommunikation zwischen Verwaltung und Politik als auch in Richtung Öffentlichkeit, würde dazu beitragen, vieles verständlicher und weniger angreifbar zu machen – auch und insbesondere in Wahlkampfzeiten. In diesem Kontext sollte darüber nachgedacht werden, warum die Bundeskanzlerin die Ergebnisse aus den Beratungen mit den Ministerpräsidenten verkündet, wenn sie in der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) selbst nur ein Gastrecht hat. Nicht der Bund, sondern die Länder haben das Heft des Handelns in der Hand. Dem Bund bleibt nur, das Füllhorn der Staatshilfen auszuschütten. Auch das muss mal gesagt werden. Jörn Fieseler

Maskenball

in der Krise verlassen, stehen Politik und manche Verwaltung auf dem freien Feld der Möglichkeiten ohne Kompass da. Mehr Kommune: Ob in Jena (Maskenpflicht), Tübingen (Test in Altenheimen), Böblingen (kostenlose Schnelltests), Viersen (Impfungen am Sonntag für Tagesmütter und KitaPersonal): Dies sind Beispiele wie lokale Kreativität zu Erfolg führt, statt zu Orgien von Allgemeinverfügungen. Sicher gibt es auch abschreckende Beispiele auf kommunaler Ebene, wo mit Zollstock der Abstand gemessen wurde oder, wie in Düsseldorf, das Stehenbleiben an der RheinPromenade untersagt blieb. Jede Krise bietet unvermeidlich Kuriositäten. Derzeit sind es aber die Kommunen, die wie keine andere Verwaltungsebene gefragt sind, erst recht ihre Mitarbeiterschaft. Wenn wir derzeit einen Blick auf eine leistungsfähige Verwaltung werfen, so kann er nur auf die kommunale Ebene fallen. Das schließt das gut funktionierende “Ökosystem” der auf kommunaler Ebene Handelnden ein: Verwaltung, Hilfsorganisationen, Feuerwehren und Vereine. In Städten, Gemeinden und Landkreisen stehen das Miteinander und das “Zusammen” statt das Gegeneinander und “Trennende” im Vordergrund.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Behörden Spiegel März 2021 by propress - Issuu