Behörden Spiegel Januar 2021

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. I / 37. Jg / 2. Woche

Berlin und Bonn / Januar 2021

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Entlastung im Fokus

Anpassung der Fähigkeiten

Situation macht demütig

Christine Behle zur Verdi-Tarifarbeit 2020 und 2021 ............................................................ 4

GenLT Martin Schelleis zu DEFENDER-Europe 2020 �������������������������������������� 39

Ärztin Sarah Caroli über ihre Arbeit während der Corona-Pandemie.......................... 44

Es ist Zeit, zu handeln

Bundesamt gegründet (BS/mfe) Das Auswärtige Amt hat erstmals eine nachgeordnete Behörde im Inland eingerichtet. In Brandenburg an der Havel ist das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) entstanden. Weitere Dienstsitze befinden sich in Bonn und Berlin. Die Mitarbeiter des BfAA sollen insbesondere nicht-ministerielle Aufgaben wahrnehmen. Dazu gehören unter anderem die Verwaltung von Fördermitteln und die Unterstützung der Auslandsvertretungen bei der Visabearbeitung. Gleiches gilt für die Personalverwaltung, den zen­ tralen Einkauf und das Management der Auslandsimmobilien. Die neue Bundesoberbehörde verfügt zunächst über rund 75 Mitarbeiter. Deren Zahl soll noch im Jahresverlauf auf mehr als 400 anwachsen.

Neu ausgeschrieben (BS/mfe) Die Vergabe eines Auftrags zur Ausstattung der nordrhein-westfälischen Polizei mit Stoffmasken im Kampf gegen das Coronavirus wird rückabgewickelt. Es kommt zu einer europaweiten Neuausschreibung, wie aus dem Düsseldorfer Innenministerium bestätigt wurde. Es geht dabei um 1,25 Millionen Schutzmasken und ein Auftragsvolumen von rund zwei Millionen Euro. Aufgrund der Rückabwicklung könnte es nun jedoch bis März dauern, bis das neue Vergabeverfahren abgeschlossen ist. Das vorherige Verfahren hatte eine Unternehmerin aus Wuppertal erfolgreich vor der Vergabekammer Rheinland gerügt. Kritisiert wurde dabei, dass es kein reguläres Vergabeverfahren gegeben habe, sondern sich behördlicherseits auf Dringlichkeit berufen wurde.

Kooperativer Straßenbau (BS/wim) In Hamburg ist im Januar das erste kooperative Straßenbauprojekt gestartet. Für das Projekt schließen sich der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), Hamburg Wasser (HW), Stromnetz Hamburg (SNH) und Gasnetz Hamburg (GNH) zur sogenannten Infracrew Hamburg zusammen, um gemeinsam zunächst die Elbchaussee zu sanieren. Dabei werden sie im Rahmen ihrer Zusammenarbeit alle verschiedenen Baumaßnahmen bündeln und erstmals ihre Leistungen in einer gemeinsamen Baustelle erbringen. Durch die Kooperation der Baulastträger verkürzt sich die Bauzeit um mindestens drei Jahre. Die umfangreiche Grund-instandsetzung der Elbchaussee beginnt im Mai 2021. Im Rahmen der Arbeiten wird unter anderem die über 100 Jahre alte Wasserleitung instand gesetzt, die existenziell für die Wasserversorgung des Hamburger Westens ist.

Geldwäschebekämpfung muss dringend verbessert werden (BS/Marco Feldmann) In Deutschland werden pro Jahr mindestens 100 Milliarden Euro “gewaschen”. Und bei dieser Summe handelt es sich um wissenschaftliche Schätzungen. Das vermutete Dunkelfeld ist deutlich größer. Denn pro von den Behörden konfisziertem einem Euro werden 100 gewaschen und fließen in den Geldkreislauf. Hinzu kommen erhebliche Probleme bei der Aufsicht von Juwelieren, Autohändlern und Immobilienmarklern sowie bei der Unterstützung durch Notare.

D

ie Kontrolle in diesem sogenannten Nicht-Finanzsektor ist äußerst zersplittert. Mehrere Zuständigkeiten in den einzelnen Bundesländern lassen sich fachlich nur schwer begründen. Hinzu kommen massive konzeptionelle und strukturelle Probleme bei der “Financial Intelligence Unit” (FIU). Diese war früher beim Bundeskriminalamt (BKA) angesiedelt, wechselte dann allerdings zur Generalzolldirektion (GZD), in den Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums (BMF). Nun fehle es dort an Personal mit kriminalistischem Sachverstand, kritisiert der stellvertretende Vorsitzende und finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Deutschen Bundestag, Fabio de Masi. Die Sprecherin der Grünen-Fraktion Lisa Paus hält die FIU in ihrer derzeitigen Ausgestaltung, auch aufgrund mangelnder Zugänge zu polizeilichen Datenbanken, sogar für nicht funktionsfähig und bezeichnet Geldwäsche als “schleichendes Gift”. Verstärkt wird das Problem darüber hinaus durch immer neue Kryptowährungen. Doch die Politik sage der Geldwäsche nun verstärkt den Kampf an, meint Sepp Müller (CDU), Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages. Der finanzpolitische Sprecher der Freidemokraten im Deutschen Bundestag, Dr.

Bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland liegt einiges im Argen. Der politische Handlungsdruck ist hoch und die Zeit läuft gegen die Verantwortlichen. Denn wenn jetzt nicht agiert wird, geht das kriminelle Handeln unvermindert weiter. Foto: BS/stock.adobe.com, Jo Panuwat D

Florian Toncar, will deshalb eine deutliche personelle und informationstechnische Aufrüstung der FIU. Ersteres soll nun erfolgen, ändert aber nichts an den strukturellen Problemen (mehr zum Thema Geldwäsche auch auf einem Führungskräfte Forum des Behörden Spiegel im April sowie auf www.digitaler-staat.online). Erfolgversprechender dürfte deshalb die von der Bundesregierung geplante Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung

von Geldwäsche sein. Dazu soll ein All-Crimes-Ansatz eingeführt werden, wie es ihn unter anderem bereits in Italien, Frankreich und den Niederlanden gibt. Der im Strafgesetzbuch enthaltene Katalog von Vortaten zur Geldwäsche würde nicht vorab notwendig sein. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) begrüßt diesen Verzicht ausdrücklich. Sein Bundesvorsitzender Sebastian Fiedler unterstreicht: “Die Ein-

führung eines All-Crimes-Ansatzes vereinfacht die praktische Handhabbarkeit und entspricht den Empfehlungen der Financial Action Task Force.” Vom Vorsitzenden der Bezirksgruppe Zoll innerhalb der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Frank Buckenhofer, ist zu hören: “Bisher gilt für die Strafbarkeit von Geldwäschetaten der Grundsatz des doppelten Vorsatzes. Zudem müssen bislang für eine Verurteilung vor Gericht sowohl die Geldwä-

Kommentar

Es braucht einen starken und intelligenten Staat (BS) Pandemien sind historisch mächtigste Wirkfaktoren. Rom, Azteken, Napoleon – ihr aller Fall hatte auch pandemische Ursachen. Wie mächtig nun ist Covid-19? Wird das neue Virus die Weltordnung, die politischen Systeme, die wirtschaftlichen Verhältnisse oder das gesellschaftliche System verändern und somit auch den Staat beziehungsweise den Öffentlichen Dienst hierzulande? Dass sich vieles verändern wird, ist schon jetzt absehbar. Doch die Diskussionen über die Post-Corona-Modelle sind kontrovers. Es kursieren zahlreiche Vorschläge. Sie bewegen sich vom starken Staat über den vorsorgenden und klugen bis zum Modell eines im Interesse der Ökologie repressiven Staates. Und dies alles geschieht zu einer Zeit, in der Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit irrlichtern und derzeit ohne fundamentale Erkenntnisbasis für weitere Generationen nachhaltige tiefgreifende Entscheidungen treffen. Pandemien verursachen radikale Umbrüche, lösen vor allem aber kollektive Ängste und soziale Spannungen aus. Im Moment erleben wir daher vor allem Unruhe, Alarmismus und Apokalypse. Die drei geteilten Gewalten sehen dabei in Deutschland derzeit nicht gut aus. Die Legislative hätte sich beinahe selbst aus dem Entscheidungsprozess herausgenommen,

die Exekutive sieht sich unter Entscheidungszwang und produziert widersprüchliche Verordnungen und Allgemeinverfügungen im Akkord. Die Judikative hebt dann am Maßstab von vor Corona das eine oder andere wieder auf. Die sogenannte vierte Gewalt – also die Medien – hat sich in einer kritischen Rolle gegenüber der Exekutive in Sachen Corona-Krise bis heute nicht eingefunden. Die neue fünfte Gewalt ist kritisch zu betrachten: Die Wissenschaft (Epidemiologie, Virologie) macht Politik, sie regiert. “Des Volkes Stimme” – ein weiterer Faktor – die Sozialen Medien, vor Jahren noch als ein Hype für mehr Demokratie gefeiert, verstärken vor allem Verschwörungstheorien. Wissenschaft und Soziale Medien eint, dass sie zu sehr in den eige-

nen Echo-Kammern verhaftet sind. Also was wird sich Post-Corona ändern? Die Macht der Sozialen Medien muss eingeschränkt werden, zumindest kontrolliert, denn ihre Selbstkontrolle funktioniert nicht. Der Staat sollte in jedem Falle stark sein. Dies aber nicht im Sinne von viel mehr Personal und repressiven Befugnissen, sondern im Sinne von intelligent, fähig und klug lenkend. Die jetzigen Grundrechtsbeschränkungen sehen manche als die Instrumente in der Umweltkatastrophe. Sie sind Befürworter eines repressiven Staates. Lieber Staat: Sei stark, sei klug, sei kreativ – aber bitte nicht repressiv gegen die, die kein Verbrechen begangen haben! Uwe Proll

Im Gleichschritt

schehandlung an sich als auch die Vortat nachgewiesen werden. Das würde beim neuen Ansatz entfallen.” Um in Deutschland aber tatsächlich effektiver gegen Geldwäsche vorgehen zu können, brauche es eine Neuausrichtung der FIU. “Sie muss zu einer tatsächlich selbständigen und unabhängigen Behörde mit ausreichenden polizeilichen Datenzugängen und stärkerem kriminalistischem Sachverstand fortentwickelt werden.” Zudem komme es entscheidend darauf an, die Einheit strategisch hin zu einem Intelligence-Dienst auszurichten. Nur so – und durch einheitlichere Zuständigkeiten im Nicht-Finanzsektor – ist der risikobasierte Verfolgungsansatz, den auch die Politiker Paus und Toncar verlangen, umzusetzen. Und ohne Technikeinsatz funktioniert es ebenfalls nicht. Hier ist kürzlich NordrheinWestfalen vorangegangen. Dort wurden für die Landespolizei 200 Lizenzen einer speziellen Finanzanalysesoftware erworben. Diese sollen vorrangig in die Kreispolizeibehörden, also in die Fläche gehen. Diese technische Unterstützung kann aber nur der Anfang einer effektiveren Geldwäschebekämpfung sein. Es braucht dringend organisatorische Reformen und mehr Personal.


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