Behörden Spiegel Juni 2020

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VI / 36. Jg / 23. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Juni 2020

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Große Rüstungsprojekte positiv belegt

An neue Lagen anpassen

“Die Frau stehen, die ich bin”

General Eberhard Zorn über Herausforderungen für die Bundeswehr .......... 34

Georg Maier zu Lehren aus der Corona-Krise �������������������������������������������� 7

Tessa Ganserer zu Diversität im Öffentlichen Dienst ............................................ 38

Neuer Leitfaden veröffentlicht (BS/kh) Für die Anwendung des Standards XPlanung bei der Erstellung und Auswertung von raumbezogenen Planwerken der Bauleit- und Landschaftsplanung sowie Raumordnung hat die beim Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung Hamburg ansässige XLeitstelle einen neuen Leitfaden publiziert. Der Standard soll einen verlustfreien Datenaustausch zwischen den Akteuren in Planungsverfahren ermöglichen und erhebliche Verbesserungspotenziale im Bereich Planen und Bauen bringen. Standardisierte Daten begünstigen etwa Auswertungsmöglichkeiten von Planinformationen sowie Möglichkeiten zu einer optimierten Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften.

Solarpflicht eingeführt (BS/kh) Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland eine landesrechtliche Pflicht für Photovoltaik-Anlagen eingeführt. Gelten soll sie ab 2022, zunächst aber nur für Neubauten bei Nicht-Wohngebäuden. Die Beschränkung war ein politischer Kompromiss zwischen den Koalitionspartnern. Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne) fordert, dass eine allgemeine PV-Pflicht für Neubauten in den nächsten Jahren kommen müsse – und das nicht nur in Baden-Württemberg. Als zweites Bundesland soll ab 2023 Hamburg folgen, hier sowohl für Gewerbe- als auch Wohngebäude. Ab 2025 soll die Solarpflicht auch bei Dachsanierungen gelten. In Berlin wird die Verpflichtung ebenfalls diskutiert, der Senat spricht von einem Potenzial von insgesamt 2.400 Hektar an Dachflächen. Realisiert sind davon bislang nur 2,4 Prozent.

Schneller entlassen (BS/kh) Soldatinnen und Soldaten, die durch rechtsextreme Handlungen aufgefallen sind, sollen künftig schneller entlassen werden können. Aus diesem Grund hat das Verteidigungsministerium dem Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Soldatengesetzes vorgelegt. Bisher war eine kurzfristige Entlassung von Zeitsoldaten lediglich bis zum vierten Dienstjahr möglich, in Zukunft soll dies bis zum achten Dienstjahr ausgeweitet werden. Dabei muss es sich um “schwere Fälle” handeln. Der Militärgeheimdienst MAD drängt schon länger auf diese Änderung, mit dem Hinweis, dass sich die Entlassung von Zeitsoldaten trotz eindeutiger Hinweise auf ihre rechte Gesinnung oft jahrelang hinziehe. Im ersten Jahresbericht des MAD ist die Rede von einer Zunahme rechtsextremistischer Verdachtsfälle. 2019 wurden insgesamt 14 Extremisten innerhalb der Bundeswehr enttarnt, da­ runter acht Rechtsextremisten.

Die richtigen Rädchen drehen In der neuen Normalität an die Zukunft des Öffentlichen Dienstes denken (BS/Jörn Fieseler) Der Öffentliche Dienst war schon immer azyklisch. In Krisenphasen ist die Verwaltung besonders attraktiv, gelten die Jobs als sicher. Doch später werden Sparmaßnahmen gefordert. So auch jetzt. Die Steuereinnahmen werden sinken und schon erschallt der Ruf, den Rotstift anzuspitzen und mit schwungvoller Strichführung durch die öffentlichen Haushalte zu gehen. Das Sparen an sich ist nicht schlecht, es darf nur nicht schlecht gespart werden. Gegenüber dem Vorjahr werden die Steuereinnahmen in diesem Jahr schätzungsweise um rund zehn Prozent (81 Mrd. Euro) sinken. Das Niveau von 2019 werde wahrscheinlich 2021 wieder knapp erreicht. Parallel hat allein der Bund Maßnahmen von rund 353 Mrd. Euro beschlossen und Garantien mit einem Umfang von fast 820 Mrd. Euro gegeben. “Wir haben seit Bestehen der Bundesrepublik rund zwei Billionen Schulden aufgenommen, die Hälfte dieser Summe ist nun binnen drei Monaten ins Spiel gebracht worden”, sagt Prof. Dr. Andreas Knorr von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer. All das müsse am Ende der Steuerzahler finanzieren, aber Deutschland habe im EU-Vergleich bereits eine sehr hohe Steuerquote. “Jetzt muss die Stunde der Sparkommissare schlagen, die festlegen, wo der Rotstift angesetzt wird”, fordert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler. So weit will Christian Haase, Mitglied im Deutschen Bundestag (CDU), nicht gehen: “Wir werden keine Strukturdiskussionen in der Breite führen.” Aktuell gehe es darum, der Wirtschaft zu helfen und den Gesundheitsdienst zu erhalten. Allerdings werden wir uns im nächsten Bundesetat Enthaltsamkeit auferlegen”, so der Haushaltspolitiker. Neue Pos-

Für die Zukunft des Öffentlichen Dienstes müssen wie beim optimalen Klang die richtigen Rädchen gedreht werden. Ob ein My ausreicht oder eine volle Umdrehung notwendig wird, ist in den Parlamenten zu entscheiden. Foto: BS/Erich, stock.adobe.com

ten werde es nur geben, wenn die Notwendigkeit bestehe, wie z. B. beim Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten. “Sparen am Öffentlichen Dienst ist der völlig falsche Weg”, betont Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Schon allein wegen des Fachkräftemangels und der laufenden Pensionierungswelle. Und ist sich darin einig mit Ulrich Silberbach, dem

Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion (DBB). Der Gewerkschafter hält weitere Attraktivitätssteigerungen für dringend notwendig. Und das nicht nur, weil in den letzten Wochen im Öffentlichen Dienst die Folgen des jahrelangen Kaputtsparens sichtbar geworden seien (siehe Seite 3). Oder um die jetzt auf dem Arbeitsmarkt verfügbaren Fachkräfte für den Staat zu gewinnen.

Statt die öffentliche Verwaltung bei der Mittelverteilung auf Diät zu setzen, solle der Staat sogar mehr investieren, so Kindler – auch kreditfinanziert. Entscheidend sei, dass die Schulden tragfähig blieben. Der Fokus sollte auf Nettoinvestitionen liegen, mit denen neue Werte geschaffen werden. Dafür müssten im Öffentlichen Dienst die erforderlichen Ressourcen vorhanden sein und ebenfalls finanziert werden.

Kommentar

Bundesnachrichtendienst nicht degradieren (BS) Ein Nachrichtendienst sollte auf einem sicheren juristischen Fundament agieren. Dieser Idealfall folgt bereits aus seinem speziellen Wesen als größtenteils im Geheimen agierende Behörde, deren Handeln für den einzelnen Betroffenen nur eingeschränkt kontrollierbar ist. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat jedoch gravierende Auswirkungen. Eine sichere rechtliche Basis wäre zwar Selbstzweck für den Bundesnachrichtendienst (BND), steht allerdings in einem unauflöslichen Spannungsverhältnis zu seiner Arbeits- und Handlungsfähigkeit und damit auch zu seinem Mehrwert für die Bundesregierung. Das zeigt sich prototypisch am Karlsruher Urteil zur Ausland-AuslandFernmeldeaufklärung. Einerseits ist es zwar begrüßenswert, dass die höchsten Richter das für die nachrichtendienstliche Arbeit unabdingbare Instrument für im Grundsatz mit der Verfassung vereinbar erklärten. Dennoch wird die Arbeit des BND durch den Gerichtsentscheid deutlich erschwert. Denn Karlsruhe hat die rechtlichen Grundlagen für die strategische

Fernmeldeaufklärung grundlegend verändert. Dadurch wird die Zusammenarbeit des deutschen Auslandsnachrichtendienstes mit internationalen Partnern massiv behindert. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Kooperationsvereinbarungen nun komplett neu austariert werden müssen. Außerdem dürfte es sich als großes Problem erweisen, wenn der BND zwar weiterhin Erkenntnisse an befreundete Dienste weitergeben darf, ihre Nutzung dann aber zugleich unter einen neuartigen, expliziten Rechtsstaatsvorbehalt stellen muss. Die Befürchtung liegt nahe, dass der deutsche Dienst dann seinerseits in Zukunft weniger Informationen aus dem Ausland erhalten wird. Dadurch würden aber Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz

Gefahren ausgesetzt. Auch für die Sicherheitslage im Inland würde das nichts Gutes bedeuten. Hierzulande wurden fast alle Terroranschläge aufgrund von Informationen befreundeter Dienste verhindert. Selbstverständlich ist ein wirksamer Grundrechtsschutz wichtig. Zugleich muss dem BND aber weiter die Möglichkeit eingeräumt werden, auch jenseits der Bundesrepublik großflächig Erkenntnisse gewinnen zu können. Andernfalls droht er im internationalen Verbund ein Nachrichtendienst zweiter oder sogar dritter Klasse zu werden. Eine solche Herabstufung darf es aber nicht geben. Das gefährdet dann nicht die Sicherheit Einzelner, sondern aller! Marco Feldmann

Guter Hoffnung

Trotzdem sind Austeritätsmaßnahmen sinnvoll. Staatliche Gelder dürfen nicht verschwendet werden. Auch im Öffentlichen Dienst nicht. “Dazu brauchen wir eine umfassende Aufgabenkritik”, bringt es Prof. Knorr auf den Punkt. Schließlich habe bei allen Verwaltungsmodernisierungsreformen der letzten 25 Jahre diese Überprüfung nie stattgefunden. “Die gewünschten staatlichen Leistungen müssen definiert und hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität optimiert werden”, so Knorr. Wenn schon bei einer Namensänderung nach einer Heirat vier Behördengänge notwendig würden, um Personalausweis, Steuerklasse, Führerschein und Anwohner­ parkausweis zu ändern, gebe es ein enormes Potenzial. Schließlich sei die Organisationsentwicklung eine Daueraufgabe, wie Haase ergänzt. Dazu zähle auch, anstelle von immer mehr Spezialisten wieder mehr Generalisten zu beschäftigen. Denn die Verwaltung müsse nicht nur agiler, sondern auch flexibler werden. “Am Ende lassen sich 20 Prozent der Stellen in der öffentlichen Verwaltung einsparen, ohne dass die staatlichen Leistungen schlechter würden”, ist Knorr überzeugt. Dann bleibt auch Spielraum für weitere Attraktivitätssteigerungen. Vorausgesetzt, die richtigen Stellschrauben werden gedreht.


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Juni 2020

Ob bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie oder der Erfüllung staatlicher Aufgaben, Daseinsvorsorge kann nur in kooperativer Form gelingen: zwischen Bund und Ländern, Verwaltung und Wirtschaft oder auch zwischen den Generationen. Foto: BS/skalekar1992, pixabay.com

Daseinsvorsorge und Kooperation Öffentlich-private Daseinsvorsorge

Ausgekohlt

Gemeinsam durch den digitalen Dschungel

Gemischtwirtschaftliche Unternehmen sind auf kommunaler Ebene ein Erfolgsmodell ................ Seite 8

Entwurf zum Kohle-Ausstiegsgesetz in der Kritik .... Seite 16

Das Beratungszentrum des Bundes unterstützt mit methodischer Kompetenz .................................. Seite V

Aufwertung oder unnötige Mehrbelastung? Notbremse wird nicht gezogen Umgang mit Corona-Neuinfektionen in den Kommunen ................................................... Seite 11

Rheinland-Pfalz will ÖPNV zur kommunalen Pflichtaufgabe machen ........................................... Seite 17

Teil der Bewegung sein Interview mit dem litauischen Vizeminister für Wirtschaft und Innovation ................................ Seite 25

Erst die Autos, jetzt die Säulen Bund plant Solidarpakt für Kommunen Länder können, müssen aber nicht mitmachen ...... Seite 13

Bund und Länder fördern mehr und mehr Infrastrukturprojekte ..................................... Seite 18

60 Jahre BVA Wo wir herkommen, wo wir hinwollen ............ Seite I bis X

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Digital durchgestartet Neben Webinaren auch Kongresse online (BS/pet) Trotz Kontaktbeschränkungen und Veranstaltungsverbot hält der Behörden Spiegel sein Lehr- und Lernangebot aufrecht. Mehr als 1.400 Besucher haben bereits an den 160 Webinaren des Behörden Spiegel, der Cyber Akademie sowie des Führungskräfte Forums teilgenommen. Mit dem “Digitalen Staat Online” am 10. Juni wird das Digitalformat nun auch für Kongresse eingeführt. Im Zuge der Corona-Krise hat der Behörden Spiegel sein Seminarportfolio um digitale Formate erweitert. Das Angebot umfasst die regulären Seminare, die in Form von Webinaren abgehalten werden, und auch Partner-Webinare, die der Behörden Spiegel gemeinsam mit fachlicher Unterstützung ausrichtet. Um in Zeiten der Krise eine praxisnahe Wissensvermittlung zu gewährleisten, stehen die Webinare im Zeichen der Interaktion. Das stößt auf positive Resonanz: Inzwischen können mehr als 1.400 Besucher an den Online-Seminaren des Behörden Spiegel teilgenommen. Den Auftakt aufseiten der Partner-Webinare gab die Veranstaltung “Chat, Voice, E-Mail” am 28. April: Ursprünglich als Politisches Frühstück geplant, fand sie via Online-Schalte im virtuellen Raum statt. Gemeinsam widmeten sich die Diskutanten, zu denen u. a. Dr. Sven Egyedy, CTO des Auswärtigen Amtes, und Manuel Höferlin, MdB, gehörten, den Folgen der Corona-Krise im Bereich mobiler Arbeit. Da sich derzeit nicht absehen lässt, wann der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden kann, wird das Digitalformat künftig für Konferenzen/Kongresse übernommen. Noch vor der Sommerpause am 10. Juni wird ein Online-Ableger des “Digitalen Staates” starten, der sich – auch mit Blick auf die Bedingungen des eigenen Zustandekommens – mit den Themen “Digitalisierung in und nach der Krise” beschäftigen wird. Als Referenten

bringen u. a. Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) und Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, Stefan Krebs, Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie des Landes Baden-Württemberg, Dr. Annette Schmidt, Präsidentin der Föderalen IT-Kooperation (FITKO), Dr. Ariane Berger, Digitalisierungsbeauftragte des Deutschen Landkreistages, und Florian Breger, Vice President IBM, ihre Expertise ein. Wie beim analogen Vorbild übernimmt Dorothee Bär, Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, die Schirmherrschaft. Anders als der “Digitale Staat” ist der “Digitale Staat Online” ein stetiges Format und wird in Gestalt von regelmäßigen Sitzungen stattfinden – nicht zuletzt auch, um der dynamischen Entwicklung in Zeiten der Krise Rechnung zu tragen. Nähere Informationen zum Webinar-Angebot der Behörden Spiegel-Gruppe sowie die Möglichkeit, sich für Veranstaltungen anzumelden, gibt es auf den Seiten des Behörden Spiegel, der Cyber Akademie, des Führungskräfte Forums sowie Digitaler-Staat. online.

Herausgeber und Chefredakteur Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Bennet Klawon, Tanja Klement, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Thomas Petersdorff, Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), Dr. Eva-Charlotte Proll, Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 31/2020, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG BAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Feldmann Foto 2: BS/Dombrowsky Foto 3: BS/Ganserer


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2020

KNAPP

Baumartiger Bürge

Neuer Zuschnitt löst Kritik aus

Öffentlichen Dienst dauerhaft attraktiv gestalten

(BS/jf) In Hamburg hat sich die

(BS/Jörn Fieseler) Wie in der Mythologie der Lebensbaum für die kosmische Ordnung steht, so ist in unserer Welt der Öffentliche Dienst ein Garant für das gesellschaftliche Zusammen- im Februar wiedergewählte rotleben. Das zeigt sich besonders in Krisenzeiten. In diesen Situationen werden Missstände offenkundig. Sie bieten aber auch günstige Gelegenheiten. Entscheidend ist, sich nicht nur grüne Regierungskoalition auf die kurzfristig auf einzelne Notwendigkeiten zu konzentrieren, sondern auch die künftigen Entwicklungen und Fragestellungen im Gedächtnis zu behalten. Verteilung der Ressorts geeinigt. Es Die Zahlen sprechen für sich. Der Arbeitsschutzast am Baum des Öffentlichen Dienstes ist fast kahl geworden. Wie die Blätter im Herbst sind in fast 20 Jahren zwei Drittel der Aufsichtsbeamten weggefallen. Gab es im Jahr 2000 noch 4.268 Beamte, waren es 2018 nur noch 1.435. Ebenso hat sich die Zahl der Gewerbeärzte im gleichen Zeitraum mehr als halbiert, von 148 auf 64. Im Gegenzug ist zwar mehr als doppelt so viel ausgebildet worden (199 statt vorher 86 Auszubildende), dies sind jedoch nur einige wenige Knospen, die das Astgerippe längst nicht ausstaffieren. Mehr noch: Einerseits haben manche Länder durch Verwaltungsreformen, mit denen Synergien gehoben werden sollten, das genaue Gegenteil erreicht und arbeitsunfähige Strukturen entwickelt. So sei der Arbeitsschutz ebenso wie andere technische Fachverwaltungen durch die Kommunalisierung von Aufgaben immer weiter verzweigt worden, beschreibt Jan Georg Seidel, Bundesvorsitzender der BTB – Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft im Öffentlichen Dienst, die Entwicklung. Allein in Baden-Württemberg seien vier Regierungspräsidien, 35 Landkreise und neun Stadtkreise unter der Aufsicht zweier Fachministerien mit dem Arbeitsschutz befasst. Auf der anderen Seite sind neue Zweige in Form von Fachaufgaben hinzugekommen, von der stärkeren Überwachung der Chemikaliensicherheit und im Strahlenschutz über die ausgeweitete Anwendung des Mutterschutzgesetzes, der Mitbetrachtung psychischer Belastungen bei der Arbeit bis hin zu ausgeweiteten Aufgaben im Arbeitsstättenrecht. Die Folgen sind offensichtlich: So, wie ein kahler Ast kaum

Flexibilität durch die Abordnung sichergestellt.

Recht auf Homeoffice?

Besonders in Krisenzeiten zeigt sich, wie standhaft und systemrelevant der Öffentliche Dienst ist. Er hält das gesellschaftliche Leben zusammen. Wie der mystische Lebensbaum. Foto: BS/RalfenByte,stock.adobe.com

Schatten spendet, so sind auch die Betriebsprüfungen parallel zum Personalrückbau immer weniger geworden. “Die aktuellen Arbeits- und Lebensverhältnisse auf Baustellen, in der Fleischwirtschaft, bei Kurierfahrern und Reinigungsarbeiten oder in der Saisonarbeit sind nicht akzeptabel und Deutschlands unwürdig”, kritisiert Seidel. Daher seine Forderung: 3.000 zusätzliche Stellen für den staatlichen Arbeitsschutz in den Ländern zu schaffen.

Freie Kräfte Im Gegenzug bahnt sich vielleicht eine gegenläufige Entwicklung an. Im April 2020 gab es auf dem deutschen Arbeitsmarkt in allen Berufsgruppen mehr Arbeitslose als in den Monaten zuvor. Auch bei heiß begehrten Informatik- und anderen IKTBerufen. So verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit (BA) in diesem Segment rund 3.000 Arbeitslose mehr als im Vormo-

nat. Auch die Zahl der Arbeitssuchenden lag um 2.000 Personen höher. Im Gegenzug ist die Zahl der gemeldeten Stellen zurückgegangen. Zwar könne hier ein Zusammenhang mit den CoronaEindämmungsmaßnahmen der Bundesregierung bestehen, allerdings ließen sich noch keine validen Rückschlüsse ziehen, sagt eine Sprecherin der BA.

Personal und Programme Wenn auf dem Arbeitsmarkt Leute verfügbar sind, sollten öffentliche Arbeitgeber die Gelegenheit nutzen und gerade jetzt gezielt mit Imagekampagnen auf sich aufmerksam machen und neues Personal rekrutieren, rät Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion (DBB). “Wir brauchen diese Kräfte dringend, schon vor Corona fehlten uns rund 300.000 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst.” Zugleich müssten aber auch die notwen-

digen Modernisierungsschritte erfolgen. Es bringe nichts, jetzt IT-Fachkräfte einzustellen, wenn dann die Digitalisierung nicht vorangetrieben werde. Überhaupt müsse die Verwaltung agiler und Abstimmungsprozesse müssten verkürzt werden, ist sich Silberbach mit Christian Haase, Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU), einig (siehe Seite 1). Haase verweist auf eine Kommune in seinem Wahlkreis Höxter-Lippe II. Dort seien die Personalkapazitäten im Gesundheitsamt von 45 Mitarbeitern auf 160 erhöht worden, um die gestiegen Anforderungen im Rahmen der Corona-Welle bewältigen zu können. “Solche Maßnahmen gelingen nur, wenn die Mitarbeiter über weniger Spezialistenwissen verfügen müssen und sich schnell in neue Sachverhalte eindenken können”, so Haase, der für einen breiteren, flexibleren Einsatz plädiert. Dienstrechtlich werde dieses hohe Maß an

Parallel müsse die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes weiter gesteigert werden. Diese Ansicht vertritt auch SvenChristian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen: “Wir brauchen eine bessere Bezahlung, eine bessere Tarifdeckung und bessere Arbeitszeitmodelle.” Dabei denkt der Grünen-Obmann im Haushaltsauschuss nicht nur an die sozialen Berufe wie Pfleger und Erzieher. Vor allem bei der Arbeitszeitgestaltung sieht er enormen Gestaltungsspielraum: “Wir brauchen ein Recht auf Homeoffice, wir haben immer noch eine zu stark ausgeprägte Präsenzkultur.” So weit will der DBB-Bundesvorsitzende dann nicht gehen. “Ein Recht auf Homeoffice wäre verfehlt. Aber die Angebote sind zwingend auszubauen.” Ein wenig Präsenz, mindestens ein oder zwei Tage die Woche sollten schon festgeschrieben werden, auch für den Austausch untereinander. Letztlich müssten die Arbeitgeber mit den Personalvertretungen die Instrumente erarbeiten. Und letztlich gehöre dazu, nicht alles Geld zur Rettung der Wirtschaft aufzubringen und dem Öffentlichen Dienst im Gegenzug Sonderopfer abzuverlangen, so der Bundesvorsitzende mit Blick auf die Tarifrunde im Herbst. Der Lebensbaum Öffentlicher Dienst muss weiter gehegt und gepflegt werden. Dazu gehört auch, sich für die herausragenden Leistungen der letzten Wochen bei den Beschäftigten zu bedanken. “Das möchte ich hiermit machen”, sagt Christian Haase: “DANKE!”

kommt zu umfangreichen Umstrukturierungen. So wird die bisherige Gesundheitsbehörde abgeschafft und in die Sozialbehörde integriert. Das Institut für Hygiene und Umwelt aus der Gesundheitsbehörde wird der Umweltbehörde zugeordnet, die künftig auch die Begriffe Klima und Landwirtschaft im Namen trägt. Im Gegenzug wird eine neue Verkehrsbehörde geschaffen, indem dieser Bereich aus der Wissenschaftsbehörde herausgelöst wird. Letztere ist jedoch weiterhin für den Hafen und den Flughafen verantwortlich. Im Gegenzug soll sich die Verkehrsbehörde um die Mobilität in Hamburg kümmern. Die Zuständigkeit für die Bezirke wechselt von der Finanzbehörde zur Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung. “Aus rein politischen Gründen wird sich der Öffentliche Dienst in den nächsten Wochen wieder einmal mit sich selbst beschäftigen müssen”, kritisiert DBB-Landeschef Rudolf Klüver. Insbesondere die Verlagerung der Bezirke stelle einen Bruch mit einer jahrzehntelangen Tradition dar. Für ihn ist es jetzt an der Zeit, den neuen Ressortzuschnitt nicht nur politisch zu begründen, sondern auch einer sachlichen Diskussion zu unterziehen.


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Geschlossen

A

seien, werde es noch schwieriger, b dem 1. Januar 2023 soll bei den Trägern der gesetzgeeignetes Personal zu finden. lichen Unfallversicherung neues “Mit dem jetzt beschlossenen Personal keine DO-Verträge mehr Gesetz kann man zufrieden sein. Die Unfallversicherungsträger erhalten. Für die Wahrnehmung sind durch die neu erlangte hoheitlicher Aufgaben, etwa von Maschinen- oder Betriebsstillle- (BS/Jörn Fieseler) Der Bundestag hat einer Änderung des Sozialgesetzbuches (SGB) IV zugestimmt. Damit wird ab 2023 das Dienstordnungsrecht Dienstherrenfähigkeit in der gungen, sollen die Träger statt- (DO-Recht) in der Sozialversicherung geschlossen. Fast wäre ein Vakuum entstanden. Dazu ist es zwar nicht gekommen, die Sozialversicherungs- Lage, ihre Aufgaben wie bisher zu erledigen. Nun sind die Tadessen das Recht haben, Beam- träger müssen trotzdem Arbeitsprozesse und Tarifverträge überdenken. rifpartner in der Verantwortung, tinnen und Beamte ernennen zu können. Deutschen Gesetzlichen Unfall- Tarifunion und Fachvorstand Beschäftigten in der gesetzli- nicht nur um die Integration des die verbleibenden Arbeitsplätze für Tarifangestellte attraktiver zu Die Bundesregierung gehe damit versicherung (DGUV e. V.). Die Beamtenrecht. Auch der DGUV chen Unfallversicherung aus. Beamtenstatus. konsequent den Weg zur Verein- sonstigen bundesweiten Träger, hatte sich dafür stark gemacht. “Künftig sollen jedoch lediglich gestalten”, skizziert Behle eine heitlichung des Dienstrechts, die acht gewerblichen Berufsweitere Herausforderung. Dabei 20 Prozent der Belegschaft als Tarifrecht ebenfalls attraktiver gestalten sagte Rolf Schmachtenberg, genossenschaften, hätten diese Bestandsschutz müssen die Tarifverträge nicht Beamte ernannt werden”, erläuStaatsekretär im Bundesminis- Fähigkeit nicht. Folglich wäre Für die rund 8.300 bestehenden tert Sven Both, DO-Rechtsexperte “Es war vorher schon schwierig, denen von Bund, Ländern und terium für Arbeit und Soziales der überwiegenden Mehrzahl der Beschäftigten im DO-Verhältnis und Mitglied im Bundesvorstand IT-Fachkräfte als DO-Angestellte Kommunen (TVöD und TV-L) (BMAS). Für die Träger der ge- gewerblichen Berufsgenossen- bei den bundesunmittelbaren der Gewerkschaft der Sozialver- zu gewinnen”, berichtet Both. entsprechen. Denkbar wäre auch setzlichen Krankenversicherung schaften die verfassungsrechtli- Unfallversicherungsträgern wird sicherung (GdS). Das Arbeitneh- Wenn diese künftig als “norma- eine Angleichung an die Verträge wurde das DO-Recht bereits 1992 che Grundlage für die Erfüllung sich hingegen nichts ändern. merverhältnis soll einen Vorrang le” Tarifangestellte einzustellen der Krankenversicherungen. geschlossen. In der gesetzlichen ihrer hoheitlichen Aufgaben ent- Ebenso wenig für die rund 2.100 vor der Begründung von BeamDO-Beschäftigten bei der SV- tenverhältnissen haben, hieß es Rentenversicherung wurden seit zogen worden. LFG sowie die rund 500 DO- schon im Gesetzentwurf. “Der Beginn des Jahres 2005 keine Angestellte bei den Unfallversi- Präventionsdienst ist zwingend neuen DO-Verhältnisse mehr Viel Überzeugungsarbeit geleistet cherungen in kommunaler oder hoheitlich”, so der DO-Rechtsexeingegangen. “Es ist legitim, wenn die Bun- Landes-Trägerschaft. Selbst die perte. Darunter falle neben der Langsame Digitalisierung in der Verwaltung Beinah entfallen desregierung eine seit mehr als DO-Angestellten im Vorberei- Schließung von Betrieben oder Doch schon in der Abstim- zehn Jahren geplante Maßnahme tungsdienst, sogenannte DO-An- Baustellen auch das Verhängen (BS/Peter Will*) Das Coronavirus hat ökonomische Gewissheiten und mung zum Regierungsentwurf dann auch umsetzen will. Ich gestellten auf Widerruf, bleiben von Bußgeldern. Anders sehe es soziale Selbstverständlichkeiten über den Haufen geworfen. Von der Globalisierung ging es schnurstracks ins “New work cocooning” und wurde diese Konsequenz auf die mache mir aber Sorgen um die in ihrem Status, wenn sie die mit Verwaltungsarbeiten aus. Kurzarbeit ersetzte die Klimakrise. Und: Corona machte klar, dass ohne Probe gestellt. Die Diensther- Attraktivität der Arbeitsplätze in vorgeschriebenen Abschlussprüdigitale Kommunikation und Kundenkanäle jedes Geschäftsmodell auf renfähigkeit für alle Sozialversi- der gesetzlichen Unfallversiche- fungen bestehen. Somit endet 30 Monate Zeit cherungsträger wurde aus dem rung. Außerdem muss gewähr- das DO-Verhältnis nicht mit der Nun sind die Unfallversiche- tönernen Füßen steht. Was für die Privatwirtschaft in Sachen KundenzuGesetzesentwurf herausgestri- leistet werden, dass die Träger Schließung, sondern erst in 30 rungsträger gefragt, in den gang gilt, ist in der öffentlichen Verwaltung mindestens ebenso relevant. chen. Lediglich für die Sozial- der Unfallversicherung ihren bis 40 Jahren, wenn der Letzte nächsten 30 Monaten Arbeitsversicherung für Landwirtschaft, hoheitlichen Aufgaben nachkom- in den Ruhestand gegangen ist. prozesse und Stellenpläne um- Kaum eine “Branche” verzeich- tration digitaler Innovationen Forsten und Gartenbau (SVLFG) men können”, sagte die stell- Entsprechend müssen die Unfall- zustrukturieren. Wie verfahren net so viele “Kunden”-Kontakte sollte demnach ganz klar auf und die Berufsgenossenschaft vertretende Verdi-Vorsitzende versicherungsträger ihnen wei- werden wird, sei derzeit noch wie kommunale Einrichtungen, der digitalen Schnittstelle zum Verkehrswirtschaft, Post-Logistik und Fachbereichsleiterin Sozi- terhin Beförderungsmöglichkei- nicht abzusehen. Hierzu müss- Landesverwaltungen oder Insti- Bürger liegen. Mehr als die Hälfte Telekommunikation (BG Verkehr) alversicherung, Christine Behle. ten offenlassen. Unklar ist noch, ten seitens der Berufsgenos- tutionen des Bundes. Und man der Befragten gibt an, dass Inob DO-Angestellte in ein Beam- senschaften viele verschiedene kann nicht behaupten, dass novationsmanagement generell soll es möglich sein, Beamte zu Letzteres ist der Fall. ernennen. “Damit hätten zusam“Für die Einführung der Dienst- tenverhältnis überführt werden, Überlegungen angestellt werden, diese sich bisher als Vorreiter nicht im Fokus liege. men mit der Unfallversicherung herrenfähigkeit bei einer Schlie- wenn die beamtenrechtlichen teilt ein Sprecher des DGUV mit. der Digitalisierung hervorgetan Bund und Bahn künftig drei bun- ßung des DO-Rechts haben wir Voraussetzungen vorliegen. Eine Variante könnte sein, das haben. Vielerorts erschöpft sich Es hapert an Kultur und Wissen desweite Träger und eine Reihe viel Überzeugungsarbeit leisten Parallel gilt es, die hoheitlichen DO-Recht Zug um Zug auslau- die digitale Revolution in der Möggroßer Unfallkassen in den Län- müssen”, erklärte Friedhelm Tätigkeiten zu bündeln. Bisher fen zu lassen und einen Teil der lichkeit, online einen (Präsenz-) Digitalisierung beginnt in den dern die Dienstherrenfähigkeit”, Schäfer, Zweiter Vorsitzender machen die DO-Angestellten DO-Stellen in Beamtenstellen Termin zu vereinbaren. Woran Köpfen der Mitarbeiter und hat kritisierte der Spitzenverband der des DBB Beamtenbunds und rund 37 Prozent der circa 22.000 umzuwandeln. Es geht jedoch aber liegt es, dass deutsche Be- ihr Fundament in einer entsprehörden immer noch so offline chenden Kultur einer Organisasind? Antworten hierzu liefert tion. 77 Prozent der Befragten eine aktuelle kobaltblau-Studie. bewerten die aktuelle Kultur Mehr als 90 Prozent der relevan- ihres Arbeitgebers mit Blick auf ten Führungskräfte und Mit- “digitale Veränderungsbereitarbeiter im Öffentlichen Dienst schaft” gegenwärtig als nicht geben zu: Ihre Institution hat positiv. Als einen der wichtigsten aktuell keine final abgestimmte Schlüssel, um die Digitalisierung Digitalstrategie. Gut 80 Prozent stärker voranzutreiben, nennen arbeiten zurzeit an einer solchen. zudem mehr als zwei Drittel Für drei Viertel der Befragten ist der Befragten eine nachhaltige die Digitalisierung der Verwal- Verbesserung der individuellen tungsprozesse klar Chefsache. Entwicklungsmöglichkeiten. Jedoch haben mehr als zwei Drit- Gleichzeitig wird dies auch als tel der befragten Organisationen wichtigster Faktor mit Blick auf aktuell keine entsprechende Rolle eine Steigerung der Arbeitgeber­ auf Führungsebene etabliert – ob- attraktivität beurteilt. wohl 75 Prozent diese als wichtig Neben der Kultur hapert es oft ansehen. Nahezu alle Befragten auch am Wissen, denn es fehlt (99 Prozent) bestätigen, dass es eine flächendeckend wahrgenomdie jungen Mitarbeiter sind, die mene Weiterbildung in digitalen als Katalysatoren für die digitale Kompetenzen. Adäquate FortEntwicklung der öffentlichen Ver- bildungen erachten 92 Prozent KEYNOTES, u. a.: waltung wirken; allerdings stam- als wichtig, folgerichtig bieten men bisher lediglich 25 Prozent 73 Prozent der Verwaltungen der über das Vorschlagswesen entsprechende Programme und eingebrachten Ideen von jungen Seminare an. Allerdings nehmen Mitarbeitern aus der Altersgrup- mehr als die Hälfte der Mitarpe bis 34 Jahren. Gleichzeitig beiterinnen und Mitarbeiter (52 sagen satte 80 Prozent, dass sie Prozent) diese Weiterbildungsim Wettbewerb auf dem Arbeits- maßnahmen nicht regelmäßig Personalentwicklung im Der Öffentliche Dienst ist Personalwesen in Die Verwaltung wird „agil“ – markt Schwierigkeiten haben, in Anspruch – mit einer solchen Öffentlichen Dienst – kein attraktiver Arbeitgeber? der Praxis einer was ist das und welche junge Mitarbeiter zu gewinnen Quote lässt sich digitales Wissen aktuelle Entwicklungen und Ändern Sie das! Bundesoberbehörde Auswirkungen hat das auf und 54 Prozent sehen die aktu- nur sehr schleppend aufbauen. Zukunftsperspektiven die Personalentwicklung? elle Altersstruktur als negativen Für die Verwaltungen ist es jetzt Dr. Helmut Teichmann Dominic Multerer, Ursula Gräfin Praschma, Christine Gebler Faktor mit Blick auf die Digitali- wichtig, ein gemeinsames Versierung. Dies sind Ergebnisse der ständnis über die Ziele der digiStaatssekretär im BundesminisAutor, Marketing- und Vizepräsidentin des Stadt Heidelberg aktuellen Studie “Digitale Kluft talen Transformation zu entwiterium des Innern, für Bau und Management-Experte Bundesamtes für Migration – wie digital ist der Öffentliche ckeln. Sie sollten klar vom Bürger Heimat und Flüchtlinge Sektor?”, die wir in Zusammen- her denken. Zudem ist die Verarbeit mit der Beratung Precision ankerung einer entsprechenden ZUKUNFTSWEISENDE THEMEN, u. a.: Landing und mit Entscheidern in digitalen Führungsrolle in den rund 140 Bundes-, Landes- und Verwaltungen extrem wichtig. ► Prozessmanagement: Grundlage für erfolgreiches ► Immer mehr Aufgaben und immer weniger Leute – Kommunalverwaltungen sowie Genauso wichtig sind MitarbeiPersonalmanagement? Digitalisierung als Lösung? Eigenbetrieben durchgeführt ter mit digitalem Verständnis. Prof. Dr. Rolf Ritsert, Deutsche Hochschule der Polizei Dominic Multerer, Autor, Marketing- und Management-Experte haben. Hier müssen die Häuser an ei► Public Service Motivation: Auswahlkriterium bei der ► Gesunde Führung – die Wirkungen auf mich und andere ner Strategie arbeiten, die die Genervte Kunden, kaum Berufsbilder in der Verwaltung Personalrekrutierung? Prof. Dr. Bernhard Badura, Fakultät für GesundheitsInnovationen attraktiver macht, etwa durch die Michael Evers, M.A., Deutsche Hochschule der Polizei wissenschaften, Universität Bielefeld Zwei Drittel der vielerorts ge- Verbesserung der individuellen ► Arbeit 4.0: Führungsinstrumente für die öffentliche ► Gesundheitsmanagement in der Praxis starteten Initiativen zur Digita- Entwicklungsmöglichkeiten, die Verwaltung Polizeioberrat Christoph Badenhop, Polizeikommissariat lisierung haben noch einen sehr gleichzeitig die digitale KompeWerner Achtert, Geschäftsleitung Public Sector, msg systems ag Ronnenberg/Niedersachsen geringen Reifegrad. Gut die Hälf- tenz erhöhen. Der Aufbau einer te der angestoßenen Ini­tiativen attraktiven Arbeitgebermarke ► Auswahlverfahren im Lichte der aktuellen Rechtsprechung ► Wirkungsvolles Personalmarketing für einen weisen einen externen Fokus und ein professionelles PersonalSven Ollmann, Rechtsanwalt, bn Rechtsanwälte zukunftsfähigen Öffentlichen Dienst aus. Dennoch ist eine Priori- marketing sind weitere wichtige ► Personalarbeit im Zeichen von Digitalisierung und Frank Beck, Berater für strategische Markenentwicklung sierung zur Verbesserung der Schritte, um die Altersstruktur New Work und -positionierung mit Fokus auf den öffentlichen Sektor Schnittstelle zum Kunden, also der Organisationen kontinuierdem Bürger, nicht erkennbar. lich zu verändern. Prof. Dr. Jürgen Weibler, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, Nach Aussage von 90 Prozent insbes. Personalführung und Organisation, Fernuniversität Hagen Eine Veranstaltungsreihe des der Verwaltungen erhalten diese *Peter Will arbeitet als Senior regelmäßig Bürgerbeschwerden Manager bei der kobaltblau maaufgrund kundenunfreundlicher nagement consultants GmbH am Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de / Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“ Prozesse. Sprich: Die Konzen- Standort Hamburg.

Beamte in der Unfallversicherung

Den Bürger nicht im Blick

Zukunft Personalentwicklung

Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes 9. – 10. September 2020, Bonn


Bund

Behörden Spiegel / Juni 2020

F

ür die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gibt die Bundesregierung derzeit beim Versuch, der Covid-19-Pandemie mit digitalen Mitteln beizukommen, keine sonderlich gute Figur ab. Zu beschwerlich, zu träge und zu unkoordiniert, derweil die Bevölkerung auf Lösungen warte, die in der aktuellen Situation tatsächlich einen Unterschied bedeuten könnten. Um innovative Tools rasch auf die Straße zu bringen, fordert die Bundestagsfraktion der Grünen daher die Einsetzung einer Corona Tech Task Force. “Eine andere Struktur, als wir derzeit haben, braucht es aus meiner Sicht auf alle Fälle”, erklärte jüngst noch die Grünenpolitikerin Dr. Anna Christmann, die neben den Abgeordneten Dieter Janecek und Kai Gehring für das Konzept der CTTF verantwortlich zeichnet. Dieses sieht eine agile Technologie-Einheit vor, die sich neben Datenspezialisten aus Fachkräften verschiedenster Bereiche und Disziplinen zusammensetzen soll; beispielhaft nennt das Papier das Robert Koch-Institut (RKI), die Agentur für Sprunginnovationen (SprinD), den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), den Digitalrat, Virologen, Juristen, Gewerkschaften und auch zivilgesellschaftliche Initiativen. Dem Bundeskanzleramt angegliedert, soll die CTTF möglichst viele Expertisen zusammentragen, um Ideen im Kampf gegen das Virus über ein breites Informationsangebot sowie die Möglichkeit zum Dialog mit potenziellen Anwendern rasch in die Praxis zu verhelfen. Zum konkreten Aufgebot der CTTF könnten sowohl eine vom Bund betreute Plattform zählen, die weiterführende Links und Kontakte zu Spezialisten bereithält, als auch eine Übersicht über Angebot und Nachfrage bei der Datenerhebung. Flankiert werden soll die CTTF von Innovationsteams in den Ministerien, die als Anlaufstelle für Start-ups und andere Entwickler dienen würden. Um die Akteure mit der nötigen Finanzkraft auszustatten, schlagen die Grünen ferner ein flexibles Digitalbudget in Höhe von 500 Millionen Euro vor, auf das sich die Ministerien mit eigenen Projektideen bewerben können.

Bei Bewährung Option auf Verstetigung Bei “positiver Erfahrung”, so heißt es im Papier, könne die CTTF in der Nach-Corona-Zeit zu einer stehenden Einheit

Zeit für eine strukturelle Neuordnung Mit der “Corona Tech Task Force” fordern die Grünen mehr digitale Agilität (BS/Thomas Petersdorff) Geht es um Innovationsfreundlichkeit gegenüber innovativen digitalen Tools, steht die Arbeit der Bundesregierung nicht in bestem Ruf, so zumindest sieht es die Bundestagsfraktion der Grünen. Zwar möge die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub aufseiten der öffentlichen Verwaltung bewirkt haben, wer nun aber denke, dieselbe Energie habe sich auf die Betreuung und Pilotierung neuer Technologien übertragen, der irre. Was als Generalkritik anhebt, zielt im Besonderen auf die digitalpolitischen Kompetenzen des Bundeskanzleramtes, dem oft nachgesagt wird, nicht über die erforderliche Durchsetzungskraft gegenüber den anderen Ministerien zu verfügen. Um digitale Innovationen in der aktuellen Krisen-Situation schneller in die Umsetzung zu bekommen, fordern die Grünen die Einsetzung einer “Corona Technologie Task Force” (CTTF) und reagieren damit nicht zuletzt auch auf die schleppende Umsetzung beim Hackathon #WirVsVirus. zu Wort meldeten. Diesmal mit konkreten Angaben zur Finanzierung: Von den insgesamt zwei Millionen Euro, die in der Zwischenzeit akquiriert werden konnten, sichern sich die Veranstalter rund ein Viertel der Gelder zur Aufrechterhaltung des organisatorischen Rahmens, der Rest wandert in die Projekte – oder vielmehr: in einen erwählten Teil derselben. Denn um die 4.641 an der Entwicklung beteiligten Teammitglieder zu unterstützen, ist der Betrag zu gering. 500.000 Euro kommen aus den Händen privater Geldgeber, hierunter das Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation, die BMW Foundation Herbert Quandt sowie Google. 1,5 Millionen stammen vom Bundesministerium für Um mehr Bewegung in die Digitalpolitik zu bringen, fordert die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen eine Bildung und Forschung (BMBF), agile Technologie-Einheit, die zunächst dafür Sorge tragen soll, dass digitale Innovationen im Kampf gegen das Corona- das Anfang Mai als einziges Mivirus schnell in die Praxis finden. Foto: BS/liccystyle,Pixabay.com nisterium auf Bundesebene seine Beteiligung am Hackathon öffentummodelliert werden, die, als an; man nehme nur das Hub- dem fulminanten Auftakt wurde lich gemacht hatte. Entsprechend Scharnier zwischen Politik und Netzwerk DE.Digital, die Realla- es aber mit einem Mal verdächtig ist es auch um den Zuschnitt der Start-up-Szene, Innovationsfä- bore oder den Health Innovation still um das digitale Prestige- 34 Projekte bestellt, die nun mit higkeit und Resilienz im Land Hub des Bundesministeriums für projekt. Zwar wurden Anfang Zuwendungen von bis zu 47.500 stärken solle. Dafür soll sie mit Gesundheit (BMG). Doch zielt der April noch die Richtlinien des Euro für einen Zeitraum von drei einem eigenen Fonds versehen Vorstoß der Grünen mit seiner Umsetzungsprogramms bekannt Monaten rechnen können. werden, der ihr die nötigen Mittel Kombination zentraler und de- gegeben, doch ohne Hinweis auf zur Seite stellt, um den protegier- zentraler Komponenten in eine etwaige Mittel zur Unterstützung Innovation verstetigen ten Teams auch finanziell unter andere Richtung. Verständlich der Entwicklerteams. Die “SternInzwischen hätten alle Teams die Arme zu greifen. Vergleiche wird er dort, wo man ihn mit stunde der Demokratie” – so nur die Arbeit aufgenommen, bestämit dem Digital Transformati- der schleppenden Umsetzung einer der durch den digitalen tigt Bildungsministerin Anja Karon Team (DTT), das ja ebenfalls des Hackathons #WirVsVirus in Äther gehenden Superlative – liczek. Wie es indes um die Finandem Bundeskanzleramt ange- Bezug setzt. drohte unter das Räderwerk des zierung der restlichen Projekte gliedert sein soll, dürften sich bestellt ist, bleibt abzuwarten. Politalltags zu kommen. Gut einen Monat dauerte es, Immerhin der Matching Fonds, damit erübrigen. Als dauerhafte Präzedenzfall Hackathon #WirVsVirus ehe sich die Initiatoren wieder das Crowdfounding-Projekt der Software-Entwicklungseinheit des Bundes liegt dessen ZustänWas ist passiert? Als der unter digkeitsbereich ohnehin mehr Schirmherrschaft der Bundesbeim Onlinezugangsgesetz (OZG) regierung stehende Hackathon als bei der digitalen Eindämmung Ende März über die Bühne ging, von Covid-19. “Bei dem, was wir galt er als Musterbeispiel für die vorhaben, gibt es eine ganz klare politische Einbindung ziviler InFokussierung auf die nutzerzen- novationskraft. Kanzleramtschef trierte Software-Entwicklung”, Dr. Helge Braun sprach in diesem heißt es von Christina Lang, CEO Kontext gar von Deutschland als und Co-Founderin der mit dem einem digitalen “Trendsetter”. Aufbau des Digital Transforma- Und das nicht ganz zu Unrecht: tion Teams betrauten Innova- Am Ende verzeichnete das Ontionseinheit Tech4Germany, in line-Event an die 30.000 aktive Teilnehmer und ca. 1.500 eingediesem Kontext. So weit, so verständlich. Stellt reichte Projektideen. Ein Rekord. sich nur eine Frage: Braucht es Die 20 Siegerprojekte des Hackanoch eine weitere Innovations- thons qualifizierten sich direkt einheit wie die CTTF? Vergleich- für die Umsetzungsphase, deren bare Anlaufstellen trifft man auf Kapazitäten im Nachgang auf 130 Bundesebene nicht eben selten Teams aufgestockt wurden. Nach

Führen auf Distanz (BS) Die Corona-Krise hat uns auf Zwangsabstand zueinander gebracht – zumindest räumlich. Wie gelingt “Führen” mit digitalen Medien und Webkonferenzen?

Gute Vorbereitung ist bei Telefon- und Webkonferenzen noch mehr das “A und O” als bei herkömmlichen Sitzungen. Die Dokumente für die digitale Aufbereitung bereit zu haben, ist genauso wichtig, wie die eigenen Argumente für die Diskussion mental – wie auf einem Blatt Papier – präsent zu haben. Das bedeutet auch, dass die eigene digitale Medienkompetenz stärker gefordert und entsprechend ausgebildet sein muss. Damit die fachlichen Inhalte ausreichenden Raum haben, sind Handling- und Anwendungsprobleme mit den Austauschplattformen so gering wie möglich zu halten. Das braucht Übung und Routine. Auch wenn ein Videogespräch die Möglichkeit bietet, Mimik und Gestik wahrzunehmen, so kann es ein persönliches Ge-

führt darüber hinaus zu reduzierten persönlichen sozialen und kollegialen Kontakten. Deshalb ist es nun wichtig, Mitarbeiter/-innen einen zusätzlichen Raum für Austausch abseits von dienstlichen Themen zu geben. So kann bspw. ein virtueller Kaffee-Treff dabei helfen, Gespräche, die sonst an Beate van Kempen leitet die Abder Kaffeemaschine stattfinden, teilung “Produktmanagement Verbundlösungen” beim LVR Infokom. auch virtuell zu ermöglichen. Wenn wir nach dieser Krise wie Foto BS/privat der in den üblichen Dienstalltag spräch nicht wirklich ersetzen. vor Ort zurückkehren, werden Vollumfängliche Körpersprache die digitalen Möglichkeiten und kleinste Stimmveränderun- weiter Einzug halten und die gen sind nicht vollumfänglich Heimarbeitsquote wird auch bzw. durchgehend störungsfrei auf Führungsebene steigen. Ein wahrzunehmen. Umso wichtiger Führen auf räumlicher Distanz ist es, möglicherweise entstan- bleibt somit punktuell weiter dene Zweifel oder eigene Unklar- erforderlich. Halten wir also weiheiten bewusst zu adressieren terhin einen engen persönlichen und gemeinsam auszuräumen. Kontakt – auch über virtuelle Die hohe Heimarbeitsquote­ Grenzen hinweg!

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Initiatoren, ist am 21. Mai mit einem Startkapital von 200.000 Euro angelaufen. Obschon die Umsetzung der Hackathon-Projekte langsam Fortschritte macht, zeichnet sich mehr und mehr ab, dass sich die Regierung am anfangs ausgegebenen Credo “schnell und unbürokratisch” verhoben hat. Das gilt im Besonderen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel, die – knapp drei Monate später – noch immer zu spärlich fließen. Tatsächlich geht das Projektpapier der Grünen explizit auf #WirVsVirus ein. Mehr noch: Im Grunde lässt sich das Vorhaben als ein Versuch lesen, Innovationspotenzial und Dynamik des Hackathons im Rahmen politischer Strukturen zu verstetigen. “Der Hackathon #WirVsVirus hat gezeigt, wie viel innovatives Potenzial in der Bevölkerung bereitsteht. Es reicht aber nicht, Wissensstände nur abzufragen. Für die Umsetzung müssen neue Projekte auch Unterstützung und Finanzierung bekommen”, liest man bei den Grünen. Und in dieser Funktion, als Scharnier zwischen Innovation und Umsetzung, wäre die CTTF ein Hebel, die eingefahrenen Strukturen der Digitalisierung in Bewegung zu setzen. Überdies könnte die Kombination zentraler und dezentraler Komponenten dazu beitragen, das Thema von zwei Seiten aus einzukreisen. Während Innovationseinheiten mit Blick auf die speziellen Anliegen der Fachressorts operieren, könnte eine zentrale Anlaufstelle am Bundeskanzleramt mit Fokus auf Umsetzung als Sprungbrett in die Praxis dienen. Ausgestattet mit den nötigen finanziellen Ressourcen könnte das Tandem aus Tech Task Force und Innovationsteams ein geeignetes Provisorium abgeben, ehe in der nächsten Legislatur die Frage um ein Digitalministerium auf ein Neues entbrennt.


Zahlen & Daten

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Die Bundeswehr in Zahlen (BS/por) Aktuell sind laut BMVg P I 3 insgesamt 264.863 Männer und Frauen bei der Bundeswehr beschäftigt – in Uniform, aber auch in Zivil (Stand: März 2020). Darauf entfallen 184.167 Soldaten und 80.696 Zivilisten. Ab 1975 konnten Frauen in den Sanitäts- und Militärmusikdienst eintreten, seit 2001 stehen ihnen alle Laufbahnen – auch in den Kampftruppen – offen. Heute dienen 22.658 Soldatinnen (mit einem Anteil von rund zwölf Prozent) und 30.495 Zivilistinnen (rund 38 Prozent) in der Bundeswehr. Bei Auslandseinsätzen sind insgesamt 2.802 Soldatinnen und Soldaten eingesetzt. Die Bundeswehr verfügt laut PIZ AIN über rund 350.000 Handwaffen bzw. Handfeuerwaffen, aufgeteilt in rund 150 unterschiedliche Handwaffenmodelle/Varianten.

Vergleich Kalter Krieg zur Gegenwart Beruflicher Status der Soldaten

1990 2020

8.800

Freiwillig Wehrdienstleistende

54.409

469.000 184.200 Soldaten

Berufssoldaten

193

5.045 328 Kampfpanzer

215

davon Generale/Admirale

120.958

Zeitsoldaten

607 230 Kampfflugzeuge

Quelle: BS/Bundeswehr; Stand: Mai 2020

19 15 Kriegsschiffe Quellen: BS/ IISS, Bundeswehr, Bundeswehrverband, Haushaltsgesetz 2020

Truppenstärke der TSK und Organisationsbereiche 1.119 3.217

Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) Unmittelbar dem BMVg nachgeordnete Dienststellen

27.847

Streitkräftebasis (SKB)

19.850

Zentraler Sanitätsdienst

63.833

Heer

27.674

Luftwaffe

16.647 13.327

Marine Cyber- und Informationsraum (CIR)

972 1.662

Bereich Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen (IUD) Bereich Ausrüstung, Informationstechnik und Ausrüstung (AIN) Bereich Personal

8.019

(davon bis zu 5.400 Studierende an Bundeswehr-Universitäten)

0

17.500

35.000

52.500

70.000 Quelle: BS/Bundeswehr; Stand: März 2020

Auslandseinsätze der Bundeswehr* STRATAIRMEDEVAC

48

Deutschland

KFOR

300 **

EUNAVOR MED Irini Mittelmeer

MINURSO Westsahara

MINUSMA Mali

EUTM Mali Mali

UNAMID Sudan

Mittelmeer

124

58

Kosovo

Sea Guardian

185

1.033

3

247

950

1

70

68

3

12

UNIFIL Libanon

Resolute Support Afghanistan

Anti-IS-Einsatz / Fähigkeitsaufbau Irak Syrien, Irak

UNMHA Jemen

Atalanta

Horn von Afrika

UNMISS Südsudan

Quelle: BS/Bundeswehr; Stand: Mai 2020

* Einsatzgleiche Verpflichtungen: •BattleGroup-Bataillon “Enhanced Forward Presence”, Litauen •Panzerlehrbrigade 9 VJTF, “Stand down”-Phase •Air Policing ab Juli, Baltikum ** geplant Illustrationen: BS/C. Liesegang, B. Dach unter Verwendung von © Ivan Mogilevchik, stock.adobe.com; © Puckung, stock.adobe.com; © irina, Fotolia.com; djvstock, stock.adobe.com Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.


Länder / Finanzen

Behörden Spiegel / Juni 2020

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An neue Lagen anpassen

StVO-Novelle 2020

Krisenstäbe müssen mit der Zeit gehen

Ein verbessertes Regelwerk für mehr Verkehrssicherheit

(BS) Nach Ende der Corona-Krise sollten Krisenstabsstrukturen überdacht und teilweise reformiert werden. (BS/Dietmar Schilff) Überhöhte, nicht angepasste Geschwindigkeit beim Autofahren ist mit das größte TodesEs brauche dort mehr Langfristigkeit, meint der Thüringer Innenminister Georg Maier (SPD) im Gespräch mit und Verletzungsrisiko auf den Straßen hierzulande. Bei einer Geschwindigkeit von beispielsweise 70 Kilomedem Behörden Spiegel. Die Fragen stellten Uwe Proll und Marco Feldmann. tern pro Stunde (km/h) verdoppelt sich der Bremsweg im Vergleich zu 50 km/h. Die Bußgelder für überhöhte Geschwindigkeiten konsequent zu erhöhen und Punkte im Fahreignungsregister anzudrohen, ist ebenso der richtige Weg, um für mehr Verkehrssicherheit zu sorgen, wie der durch die Novelle der StraßenverkehrsordBehörden Spiegel: Welche Leh- einer strategischen Reserve sprenung (StVO) erfolgte Vorstoß, das Unfallgeschehen zu verringern, indem durch schneller zu verhängende ren können Sie bereits aus der chen. Das gilt unter anderem Fahrverbote das Risiko des Führerscheinverlusts erhöht wird. Corona-Krise ziehen? für die Versorgung mit Schutz­ Maier: Die Bundesrepublik Deutschland insgesamt und der Freistaat Thüringen stehen mit Blick auf die Bewältigung der Corona-Krise sehr gut da. Wir konnten unsere Krisenstrukturen sofort aktivieren. Der interministerielle Krisenstab, der von meinem Staatssekretär Udo Götze geleitet wird, konnte rasch und geräuschlos aktiviert werden. Er arbeitet sehr effektiv, auch weil dort zahlreiche Ministerien vertreten sind. Nicht zuletzt deshalb mussten wir in Thüringen auch nicht den Katastrophenfall ausrufen. Behörden Spiegel: Was muss sich ändern? Maier: Es hat sich gezeigt, dass Krisenbewältigungsstrukturen und Krisenstäbe bisher eher auf kurze Zeiträume ausgerichtet sind, etwa nach Naturkatastrophen, größeren Unglücksfällen oder Terroranschlägen. Eine Pandemie “tickt” aber anders. Hier ist nicht absolute Hektik gefragt, sondern kontinuierliches Agieren und eine klare Richtung. Da müssen wir uns im Nachgang zur Corona-Krise noch mal Gedanken machen, ob es hier Reformen braucht. Hier kann ich mir Anpassungen für Pandemie- und Katastrophenlagen gut vorstellen. Behörden Spiegel: Wo braucht es noch Veränderungen? Maier: Nach der Krise müssen wir dringend über die Themen Bevorratung und den Aufbau

ausstattung. Hier muss auch über Produktionsmöglichkeiten im Inland nachgedacht werden. Behörden Spiegel: Wie geht Thüringen bei der weiteren Pandemiebewältigung vor?

Maier: Wir werden schrittweise weitere Lockerungsmaßnahmen ergreifen. Deren genaue Ausgestaltung machen wir aber vom jeweiligen regionalen Infektionsgeschehen vor Ort abhängig. Dabei werden die Kreise und kreisfreien Städte mehr Verantwortung übernehmen. Allen Beteiligten muss aber klar sein, dass die Corona-Krise in Thüringen noch nicht vorbei ist. Wir dürfen kein falsches Gefühl der Sicherheit vermitteln. Deshalb dürfen wir an unseren nun eingeübten neuen Verhaltensweisen und Grundprinzipien auch nicht rütteln. Dazu gehört unter anderem das Tragen eines Mund-NasenSchutzes, unter anderem im Öffentlichen Personennahverkehr oder beim Einkaufen, oder der Verzicht auf das Händeschütteln. Denn auch die Dosis der Viren, der jeder Einzelne ausgesetzt ist, ist bei einer Corona-Infektion von großer Bedeutung. Behörden Spiegel: Wie bewerten Sie die “Hygiene-Demos”? Maier: An diesen Versammlungen beteiligen sich sehr viele unterschiedliche Gruppen aus den verschiedensten Motivationen heraus. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass insbesondere Betroffene dadurch ihren Protest äußern.

Georg Maier (SPD) ist seit März dieses Jahres wieder Thüringer Innenminister. Er hatte dieses Amt bereits von 2017 bis Februar 2020 inne. Bis Jahresende ist der Sozialdemokrat zudem Vorsitzender der Innenministerkonferenz (IMK). Foto: BS/Feldmann

Wir beobachten jedoch, dass vermehrt Extremisten versuchen, diese Versammlungen zu unterwandern, um ihre verfassungsfeindliche Ideologie zu verbreiten. Oftmals gibt es keine Anmelder und Versammlungsleiter. Da kommt manchmal eine sehr krude Mischung zusammen. Für die Polizei ist das eine sehr herausfordernde Situation, in der zusammen mit den Versammlungs- und Gesundheitsbehörden abgewogen werden muss, ob und wie eingeschritten wird. Behörden Spiegel: Wie gefährlich ist das? Maier: Auch wenn das entsprechende Demonstrationsgeschehen inzwischen wieder rückläufig ist, ist dieses Gift bereits sehr weit in die Gesellschaft eingedrungen. Dabei sind – auch aufgrund der Sozialen Medien und der dort genutzten Algorithmen – oftmals Filterblasen entstanden. Darin werden auch verschiedenste Verschwörungstheorien bedient. Solche kruden Ideen verbreiten sich dann leider viral. Dadurch hat bereits eine gewisse Radikalisierung der Szene stattgefunden.

Entschädigungsansprüche in der Corona-Krise Droht eine Entschädigungswelle? (BS/Dr. Christian Kahle*/Thekla Vierow*) Die Corona-Krise und die Reaktionen darauf sind beispiellos. Auch wenn die erlassenen Beschränkungen die Ausbreitung des Virus reduzieren konnten, so sind sie nicht folgenlos geblieben. Wochenlange Geschäftsschließungen haben eine große Zahl von Unternehmen an den Rand des wirtschaftlichen Ruins gebracht. Viele fragen sich daher, ob sie von der Allgemeinheit, die durch die Maßnahmen vor einer Weiterverbreitung des Corona-Virus geschützt werden soll, eine Entschädigung verlangen können. Die Beschränkungen finden ihre Grundlage im Infektionsschutzgesetz (IfSG). Daher ist naheliegend, Erstattungsansprüche für Betriebsschließungen direkt aus dem Infektionsschutzgesetz abzuleiten. Einen Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle regelt § 56 IfSG, allerdings nur, wenn eine Person an Covid-19 erkrankt oder sich mit dem Corona-Virus infiziert hat und ihr die Ausübung ihrer Erwerbstätigkeit verboten wird. Gleiches gilt, wenn die Person infektionsverdächtig ist oder eine Quarantäne behördlich angeordnet wird. Der Fall der betrieblich vereinbarten Quarantäne fällt nicht hierunter. Damit erfasst diese Entschädigungsregelung die Vielzahl der aktuellen Beschränkungen nicht. Eine Entschädigung nach § 65 IfSG kann verlangt werden, wenn Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten und damit zur Prävention (§§ 16, 17 IfSG) angeordnet werden und ein nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird. Letzteres dürfte durch die flächendeckenden Betriebsschließungen regelhaft erfüllt sein. Allerdings haben die Länder von anderen Ermächtigungsgrundlagen zur Krankheitsbekämpfung Gebrauch gemacht. Für diese Fälle sieht § 65 IfSG keine Entschädigung vor. Auch einer entsprechenden Anwendung der

Entschädigungsregelungen des IfSG hat die Rechtsprechung eine Absage erteilt, da es bereits an der hierfür erforderlichen Regelungslücke fehlt. Sie verweist in diesem Kontext auf die staatlichen Rettungspakete. Auch für die Fälle, in denen das Gesetz nicht ausdrücklich eine Anspruchsgrundlage vorsieht, ist der Geschädigte nicht zwangsläufig rechtlos gestellt. Gewohnheitsrechtlich ist der Entschädigungsanspruch aus Aufopferung bzw. aufgrund eines enteignenden Eingriffes anerkannt. Voraussetzung dafür ist, dass rechtmäßiges staatliches Handeln bei einem Nichtstörer unmittelbar zu einem sogenannten Sonderopfer führt. Im Verhältnis zu anderen ebenfalls betroffenen Personen muss die Betroffenheit des Anspruchsstellers eine besondere Schwere aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken. Da die Anordnungen jedoch nahezu alle Bereiche und damit eine nicht näher bestimmbare große Anzahl von Firmen und Gewerbetreibenden betreffen, dürfte ein Sonderopfer eines Einzelnen nicht vorliegen. Sollten einzelne Maßnahmen oder die ihnen zugrundeliegende Rechtsverordnung rechtsfehlerhaft sein, käme eine Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff in

Besonders aufgrund dieser deutlichen Signale gegen Raser ist die aktuelle StVO-Novelle zu begrüßen. Von der erfolgten Erhöhung der Bußgelder und anderer Sanktionen für Verstöße im Straßenverkehr kann eine erhebliche generalpräventive Wirkung ausgehen. Begrüßenswert ist außerdem, dass die -Novelle einzelne straßenverkehrsrechtliche Vorgaben klarer normiert, als es bislang der Fall war. Das Beispiel der nun geltenden Pflicht für Autofahrende, beim Überholen von Radfahrenden einen eindeutig auf 1,5 (innerorts) beziehungsweise zwei Meter (außerorts) normierten Mindestüberholabstand einzuhalten, verdeutlicht dies. Die schwammige Formulierung der Vorgängerverordnung sorgte aufseiten von Autofahrenden häufig für Unsicherheiten hinsichtlich des rechtlich gebotenen Verhaltens und führte – im Falle von festgestellten Verstößen – immer wieder zu vermeidbaren Diskussionen. Durch die nun erfolgte Klarstellung wird Autofahrenden die Regeleinhaltung künftig leichter gemacht. Jetzt ist transparent, welcher Abstand gilt. Gleichzeitig erleichtert die nun eindeutige Normierung auch die verkehrspolizeiliche Überwachung in der Praxis.

Ohne Kontrolle geht es nicht Bei allem, was Positives über die StVO-Novelle zu sagen ist, muss jedoch betont werden, dass neue, wenngleich verbesserte rechtliche Vorgaben nicht von sich aus zu einer Erhöhung der

Verkehrssicherheit führen. Beim Überholen von Radfahren werden Autofahrende zum Beispiel nur dann den neuen Mindestüberholabstand einhalten, wenn sie von den geltenden rechtlichen Vorgaben auch Kenntnis erlangt haben. Außerdem wird die Änderung der Rechtslage nur dann zu einer Änderung des Verhaltens von Verkehrsteilnehmenden führen, wenn die Einhaltung der Regeln auch in der Praxis kon­ trolliert wird. Verkehrsteilnehmende müssen damit rechnen, bei Verstößen entdeckt und für ihr Fehlverhalten spürbar sanktioniert zu werden. Eine höhere Entdeckungswahrscheinlichkeit von Verstößen in Verbindung mit einer empfindlichen Sanktionshöhe hat eine erhöhte Regelbefolgungsquote zur Folge. Nur beides in Kombination führt im Umkehrschluss zu einer Verbesserung der Verkehrssicherheit.

Umfassend informieren Nun kommt es deshalb einerseits darauf an, dass alle am Verkehr Teilnehmenden umfassend über die geänderten Regelungen der StVO informiert werden. In diesem Zusammenhang ist eine eindeutige, die übergeordnete Wichtigkeit der Verkehrssicherheit unterstreichende Kommunikationsweise seitens der poli-

tisch Verantwortlichen ebenso geboten wie eine breite Aufklärungskampagne zu den erfolgten Änderungen der StVO. Hierneben ist andererseits unabdingbar, dass die Polizei- und Ordnungsbehörden in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der geänderten Straßenverkehrsregeln in der Verkehrspraxis auch tatsächlich und hinreichend überprüfen zu können. Hierfür ist eine ausreichende finanzielle sowie personelle Ausstattung in der Verkehrsüberwachung ebenso vonnöten wie eine zufriedenstellende technische Ausrüstung von Ordnungsbehörden und Polizei in ganz Deutschland. Vor allem hierdurch kann das Potenzial, das sich in der Novelle der StVO verbirgt, gehoben werden und nur wenn beides geschieht – eine breite Information über die neuen Regelungen sowie eine substanzielle Verbesserung der Möglichkeiten von Polizei- und Ordnungsbehörden, für eine Einhaltung der neuen Regelungen zu sorgen –, wird die StVO-Novelle zu einer Erhöhung der Sicherheit auf den Straßen hierzulande führen.

Dietmar Schilff ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Foto: BS/GdP

Keine einheitliche Grundsteuerreform Länder setzen auf eigene Steuermodelle (BS/lkm) Die Reform der Grundsteuer ist in ihre entscheidende Phase getreten. Die Grundsteuer muss nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts neu geregelt werden. Die bisherigen, jahrzehntelang unveränderten Einheitswerte müssen ab 2025 durch neue Bemessungsgrundlagen ersetzt werden. Ende 2019 hat der Bund ein Grundsteuergesetz erlassen, das auch eine Öffnungsklausel vorsieht. Mehrere Bundesländer wollen nun die Öffnungsklausel nutzen und ein eigenes Grundsteuergesetz an die Stelle des Bundesgesetzes setzen.

Die Grundsteuer ist mit einem jährlichen Aufkommen von rund Betracht. Hier bedarf die Annah- 14 Mrd. Euro in Deutschland me der Entschädigungspflicht eine der wichtigsten Einnahmekeiner besonderen Begründung, quellen der Kommunen. Immer dennoch wird verlangt, dass der mehr Länder präsentieren nun Eingriff ein Sonderopfer darstellt. eigene Modelle zur Berechnung Es wäre präzedenzlos, wenn die der Steuer. Baden-Württemberg deutsche Rechtsprechung ein will noch vor den Sommerferien Sonderopfer für massenhaft auf- ein eigenes Modell zur Berechtretende Schäden annehmen und nung der Grundsteuer unter die Verluste ganzer Branchen Dach und Fach bringen. Auch anerkennen würde. Hessen kündigte jüngst ein eiSo schwierig die Situation für gens Modell an. Dort will man Gewerbetreibende auch ist, eine das Flächenmodell, ergänzt um Erleichterung lässt sich für sie ein Faktorenverfahren, zur Bejuristisch nicht erzwingen. Hilfe rechnung der Grundsteuer nehkann nur von der Politik kom- men. Beim Flächenmodell wird men. Bund und Länder müssen die Steuer anhand der Grundentscheiden, in welcher Form fläche des Bodens und der Nutzund Höhe die zuvor geschütz- fläche des Gebäudes ermittelt. te Allgemeinheit nun durch öf- Dabei kann zwischen den verfentliche Mittel die Wirtschaft schiedenen Nutzungsarten des unterstützt. Gebäudes wie etwa Wohnen und Gewerbe unterschieden werden. *Dr. Christian Kahle, LL.M., ist Ergänzend wird nun auch die Partner und Rechtsanwalt, Thekla Lage als Kriterium hinzugenomVierow ist Rechtsanwältin bei BRL men. “Mit einem einfachen FakBOEGE ROHDE LUEBBEHUE- torverfahren wird das Ergebnis SEN, Partnerschaft von Rechts- des Flächenmodells erhöht oder anwälten, Wirtschaftsprüfern und vermindert, je nachdem, wie sich Steuerberatern mbB in Hamburg. die Lagequalität des betreffenBeide sind im Bereich des öffentli- den Grundstücks im Vergleich zu einer durchschnittlichen Lachen Wirtschaftsrechts tätig. ge in der Gemeinde darstellt”, Mehr zum Thema in einem erläuterte Hessens Finanzmi­Webinar des Behörden Spiegel nister Michael Boddenberg. Das am 25. Juni 2020. Bundesmodell ist aus Sicht der Information und Anmeldung Hessischen Landesregierung unter: www.fuehrungskraefte-­ kompliziert und aufwendig. forum.de, Suchwort: EntschädiKritik am Bundesmodell kommt gung auch vom Verfassungsrechtler

Prof. Gregor Kirchhof. Er sieht zwei zentrale Schwächen am Bundesmodell. So sei das Bundesgesetz sehr kompliziert und streitanfällig. Es würde einen immensen Aufwand bei den Steuerpflichtigen, dem Fiskus und den Finanzgerichten bewirken. Zweitens verletze das Grundsteuermodell des Bundes das Grundgesetz. “Die Verfassung fordert, den Belastungsgrund der Grundsteuer klar zu regeln, also festzulegen, warum eine bestimmte Steuer von wem entrichtet werden muss. Der Belastungsgrund der Grundsteuer ist im Bundesmodell nicht in hinreichender Klarheit erkennbar. In dieser Unsicherheit nutzt das Bundesgesetz für die steuerliche Bewertung von Grund und Boden sehr unterschiedliche Parameter, die nicht in ein folgerichtiges System gebracht werden. Es kommt zu erheblichen und inkonsistenten Belastungsunterschieden. Der Gleichheitssatz wird verletzt.” Die Länder müssten daher eigene Grundsteuergesetze erlassen, soll die Grundsteuer als finanzielle Lebensader der Gemeinden nicht versiegen, so Kirchhof.

Noch einige Unentschiedene Bislang halten noch Berlin, Brandenburg, Bremen sowie Thüringen und Schleswig-Holstein am Bundesmodell fest. Zwar hätte man sich in Schleswig-Holstein an der einen oder andere Stelle Abweichungen vom

Bundesmodell vorstellen können, ein komplett eigenes Modell sei aber aufgrund von Kosten und Verwaltungsaufwand für Schleswig-Holstein nicht umsetzbar, erklärte Christopher Plambeck, finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein. Neben Hessen gibt es aber auch schon eine Vielzahl anderer Bundesländer, die ein eigenes Modell vorgelegt haben. So plant BadenWürttemberg ein modifiziertes Bodenwertmodell. Es sieht vor, dass die Grundstücksfläche und der Bodenrichtwert die Grundlage für die künftige Berechnung sein sollen. Bayern will ein Flächenmodell einführen, Hamburg und Niedersachsen ein FlächenLage-Modell. In Sachsen plant man ein “einfaches Modell mit regionaler Komponente”. Die restlichen Länder sind aktuell noch unentschieden. Hessen hat daher auch die anderen Länder angeschrieben und angeboten, sich am Hessen-Modell zu beteiligen. Man warte nun die Rückmeldungen der anderen Bundesländer zu den vorgelegten Eckpunkten ab und hoffe auf weitere Mitstreiter. Sachsen-Anhalt hat bereits angekündigt, sich ein Abweichen vom Bundesmodell vorstellen zu können. Ein eigenes Modell will man wegen der hohen Programmierungskosten jedoch nicht erarbeiten, sondern sich anderen Ländermodellen anschließen.


Beschaffung / Vergaberecht

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Öffentlich-private Daseinsvorsorge

U

nd die sind, wie eingangs illustriert, den extremen Anstürmen gewachsen. Dass dies nicht selbstverständlich ist, haben uns Bilder aus Italien, Spanien oder den USA gezeigt. Auch wenn es der derzeit vorherrschenden Meinung widerspricht. Zur positiven Bestandsaufnahme zur Stabilität der Daseinsvorsorge in Deutschland leisten auch öffentlich-private Unternehmen auf kommunaler Ebene einen wichtigen Beitrag. Öffentlich wahrgenommen wird das bis dato eher nicht. Der Autor dieser Zeilen befasst sich wissenschaftlich und pu­ blizistisch seit vielen Jahren mit solchen Partnerschaften in erster Linie auf der kommunalen Ebene. Mit einem kürzlich erschienenen Buch will er dazu beitragen, dass Kooperationen der öffentlichen Hand mit privaten Akteuren als selbstverständlicher und notwendiger Teil unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung wahrgenommen werden.

Neue Erkenntnisse Im Stenogramm: • Der derzeit vorwiegend schlechte Ruf von Öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) basiert

Gemischtwirtschaftliche Unternehmen sind auf kommunaler Ebene ein Erfolgsmodell (BS/Michael Schäfer) Deutschland im Mai 2020. Trotz Ausbruch der Corona-Pandemie fließt überall Trinkwasser bester Qualität aus dem Hahn, werden Hausmüll und Wertstoffe laut Tourenplan entsorgt, sind alle Arten von Energie jederzeit verfügbar, fahren Busse und Straßenbahnen. Und die fast 2.000 Krankenhäuser haben für jeden Patienten ein freies Bett und wenn nötig auch ein Beatmungsgerät und eine künstliche Lunge. Bundeskanzlerin Angela Merkel nennt die Corona-Krise die größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg. Das betrifft vor allem die in Deutschland bestehenden Strukturen der Daseinsvorsorge. fast komplett auf gescheiterten Vertragspartnerschaften vor allem bei Infrastrukturprojekten wie dem Bau von Autobahnen oder der Sanierung von Schulen. Diffamiert wird damit aber ein ganzes Kooperationsmodell mit Varianten, die auch sehr gut funktionieren. • In der ideologisch geprägten ÖPP-Debatte wird das objektive Erfordernis zur Kooperation in unserer sozialen Marktwirtschaft weitgehend ausgeblendet. Ein Aspekt ist die weiter zunehmende Arbeitsteilung. Ein zweiter die Eigentümerstruktur des Produktivvermögens. Es befindet sich zu 88 Prozent in privater Hand. Bei den verbleibenden zwölf Prozent dominiert mit Abstand (drei Viertel) der öffentliche Sektor. Das ist der

MELDUNG

Erneute Vorlage (BS/jf) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Anwendbarkeit der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) erneut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegt. Der VII. Zivilsenat des BGH möchte von Europas Richtern wissen, ob nach dem EuGHUrteil vom 4. Juli 2019 die Honorarsätze weiterhin anzuwenden sind oder nicht. Die Oberlandesgerichte (OLG) hatten hierzu unterschiedliche Entscheidungen gefällt, wie Malte Offermann, Rechtsanwalt der Kanzlei Leinemann und Partner, die Sachlage im aktuellen Newsletter update vergabe verdeutlicht. Demnach vertreten die OLGs Dresden, Celle, Düsseldorf und Schleswig die Ansicht, dass der Preisrahmen des § 7 HOAI durch nationale Gerichte unangewendet bleiben muss. Infolgedessen seien Aufstockungsklagen und Höchstsatzklagen abzuweisen, so Offermann. Anders die OLGs Naumburg, Hamm, München und das Kammergericht Berlin: Diese sind der Ansicht, dass zu-

Behörden Spiegel / Juni 2020

nächst der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber tätig werden muss. Solange dieser nicht die Verbindlichkeit des Preisrahmens beseitige, bleibe dieser bestehen. Der BGH hatte in einer mündlichen Verhandlung angedeutet, dieser Rechtsauffassung zuzustimmen. Diese Auffassung käme den Architekten und Ingenieuren entgegen. “Es ist bedauerlich, dass in dieser sowohl die Architekten und Stadtplaner als auch die Auftraggeber verunsichernden Frage weiterhin keine Klarheit herrscht”, kritisiert Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer (BAK). Jetzt müsse weiter abgewartet werden, wie der EuGH diese Frage beantworte. Unabhängig davon werde die BAK weiter daran arbeiten, dass auch die neue HOAI die maßgebliche Grundlage für zukünftige Honorarvereinbarungen bleibe. Mit dieser sei noch innerhalb dieses Jahres zu rechnen, so Ettinger-Brinckmann. Bis dahin empfiehlt sie allen Beteiligten, möglichst klare und eindeutige Honorarvereinbarungen im Rahmen der Honorartafeln zu treffen.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

aktuelle Status für Deutschland. Damit sind die wichtigsten Kooperationspartner definiert. • Zur Daseinsvorsorge gehört die öffentliche Verantwortung zur Leistungserbringung. Dieses Primat der Aufgabe impliziert auch das Erfordernis zu höchster Effizienz. Die Frage lautet: In welchen Konstellationen können diese beiden, durchaus auch gegenläufigen, Ziele am besten unter einen Hut gebracht werden? Das Mittel der Wahl sind Kooperationen. • Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft hat eine besondere Wertigkeit, wenn sie die existentielle Wertschöpfung betreffen. Deshalb ist es sinnvoll, dies in einem neuen Begriff abzubilden: Öffentlich-private Daseinsvorsorge (ÖPD). Weil das Gros dieser Leistungen auf kommunaler Ebene realisiert wird, stehen diese Gebietskörperschaften im Fokus. • Die private Wirtschaft hat wegen ihres Anteils an der Wertschöpfung für Kooperationen in der kommunalen Daseinsvorsorge erhebliches Gewicht. Der richtige Partner ist der, mit dem die Leistungen in Zukunft besser oder im Extremfall überhaupt erbracht werden können. Das muss objektiv ermittelt werden, wobei der Eigentümerstatus keine oder nur eine nachrangige Rolle spielen darf. Zur “Auswahl” stehen neben den “Pri-

vaten” die Nachbarkommune, der Landkreis, ein kommunales Unternehmen, aber auch freigemeinnützige Akteure wie die Arbeiterwohlfahrt, konfessionelle Krankenhäuser oder Genossenschaften. • Eigene empirische Untersuchungen (mangels anderer belastbarer Quellen) haben gezeigt, dass in der Öffentlichprivaten Daseinsvorsorge auf kommunaler Ebene gemischtwirtschaftliche Unternehmen als das (!) Erfolgsmodell gelten können. Offenbar ist der Zwang, sich in einer gemeinsamen Unternehmensführung quasi täglich über die Optimierung der Zielfunktionen “bestmögliche Aufgabenerledigung” und “größtmögliche Effizienz” verständigen zu müssen, ein vielfach besseres Instrument als kiloschwere Vertragswerke. Die dazu im Jahr 2019 befragten Hauptverwaltungsbeamten haben gemeinsame Unternehmen jedenfalls deutlich besser bewertet als andere ÖPP-Formen. • Auf die Frage nach dem Ob und Wie einer öffentlich-privaten Daseinsvorsorgepartnerschaft optierte die Hälfte der befragten Kommunen für eine gemeinsame Gesellschaft mit kommunaler Mehrheit. Unter den Gründen für eine solche Kooperation hatten “Effizienz”, “Know-how” und “Investitionskraft” das höchste Gewicht.

• Sehr unterschiedlich sind die Häufigkeiten solcher ÖPPUnternehmen nach Daseinsvorsorgebranchen. Laut einer eigenen repräsentativen Stichprobe in vier Flächenländern (2019) dominiert mit 29 Prozent die Energiewirtschaft, gefolgt von Entsorgung/Kreislaufwirtschaft (7,5 Prozent), Wasser/ Abwasser (6,5 Prozent), Krankenhäuser (1,3 Prozent) und Wohnungswirtschaft (0,6 Prozent). Als Begründung muss (vorerst) eine Hypothese genügen: Je besser die Ertragsmöglichkeiten und je geringer die staatliche Regulierungsdichte, umso höher der Anteil der gemischtwirtschaftlichen Unternehmen. • Zweifellos ist die Akzeptanz kommunaler Mehrheiten in ÖPP-Unternehmen ein zentraler Erfolgs- und Akzeptanzfaktor und auch ein Grund für deren Stabilität und Langlebigkeit. Ein zweiter ist die Formierung von dezentral aufgestellten, gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zu überregionalen Netzwerken. Das kann an den beiden größten Beteiligungsnetzwerken in Deutschland gezeigt werden: Thüga mit 89

und Remondis mit 66 Beteiligungen. Der Zugriff der lokal und regional agierenden ÖPP-Unternehmen auf zentrale Ressourcen wie z. B. fachliches Know-how, Beschaffung, Rechtshilfe sind unter Effizienz- und Qualitätsaspekten offenbar von erheblicher Bedeutung, ebenso wie das im Netzwerk bestehende Potenzial für ein objektives Benchmarking.

Fazit Die hier mit nur wenigen Stichworten ins Licht gebrachte “Gattung” ÖPP-Unternehmen ist wegen ihrer erfolgreichen und vor allem auch langlebigen Tätigkeit in der kommunalen Daseinsvorsorge mit der Kraft des Faktischen ein gewichtige Argument für die überfällige, sachbezogene Debatte zu Öffentlich-privaten Partnerschaften. Mit dieser Rea­ lität können ideologische Scha­ blonen im Spannungsfeld der Extrempositionen “Privat vor Staat” und “Zurück zur Kommune” ad acta gelegt werden. Öffentlichprivate Daseinsvorsorge (ÖPD): Dieser neue Begriff gehört auf die politische Agenda. Denn er beschreibt eine Strategie, wie mit langfristigen, gleichberechtigten und institutionalisierten Partnerschaften künftige Daseinsvorsorge unter immer komplizierteren Rahmenbedingungen garantiert werden kann.

Dr. Michael Schäfer war bis zum Ruhestand 2018 Professor für Kommunalwirtschaft an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (FH) Eberswalde. Foto: BS/privat

Beförderungsleistungen für Menschen mit Behinderung Marktanalyse, Vertragsgestaltung und Ausschreibung (BS/Dr. Martin Schellenberg/Marie-Luise Horst*) Beförderungsleistungen zugunsten von Menschen mit Behinderung nehmen einen wichtigen Stellenwert im Rahmen der sozialen Daseinsvorsorge und der Eingliederungshilfe ein. Der Gedanke an Inklusion und Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderung ist prominent durch das Inkrafttreten der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen auch auf internationaler Ebene in Erscheinung getreten. In nationaler Hinsicht ergibt sich der Anspruch auf soziale Teilhabe im Rahmen von Mobilitätsleistungen dabei aus dem SGB IX (hier etwa § 83 SGB IX). Die einzelnen Maßnahmen zur Umsetzung des Anspruches auf soziale Teilhabe und Wiedereingliederungshilfe werden in der Regel durch die einzelnen zuständigen Behörden ergriffen. Beispielhaft seien die Schulweghilfe und die Eingliederungshilfe im Rahmen der beruflichen Bildung genannt. Für die Bedarfsträger stellt sich dabei die Zuverlässigkeit des Beförderungsunternehmens und des von ihm eingesetzten Personals als besondere Herausforderung dar. So darf es nicht passieren, dass Kinder vergessen oder schlecht behandelt werden. Allein schon aus dieser Besonderheit ergibt sich die herausragende Bedeutsamkeit im Markt. Die hohen Anforderungen an die Beförderungsleistungen in diesem sensiblen Bereich führen dazu, dass wenig Synergieeffekte mit anderen Tätigkeiten möglich sind. Die gewöhnlichen Beförderungszeiten (morgendliche Hinfahrt / mittägliche Rückfahrt) lassen einen anderweitigen Einsatz des Fahrzeugs üblicherweise nicht zu.

Bedarf Der Bedarf im Bereich der Beförderungsleistungen von Menschen mit Behinderung ist nicht zu unterschätzen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass allein in Deutschland 10,24 Mio. Menschen mit anerkannter Behinderung leben und der prozentuale Anteil der behinderten Personen in den letzten Jahren gestiegen ist. Die Beschaffung von solchen

Dienstleistungen wird noch dadurch erschwert, dass qualifizierte und zuverlässige Fahrer schwer zu finden sind. Unternehmen im Bereich der Beförderungsleistungen wie Carsharing-Dienste haben die entsprechenden Märkte erobert und eine erhebliche Anzahl von Personal rekrutiert.

Anbieterstruktur Der Markt für Beförderungsdienste ist sehr heterogen. Am Markt aktiv sind Taxiunternehmer, Busunternehmer sowie spezialisierte Anbieter wie etwas Sozialunternehmen (etwa Johanniter, DRK, Malteser). Der Markt ist durchaus umkämpft. In den letzten Jahren musste die Rechtsprechung bei einer Reihe von Ausschreibungen über Nachprüfungsanträge und Beschwerden entscheiden.

Ausschreibung Behindertenbeförderungsleistungen sind ausschreibungspflichtig. Aufgrund der längerfristigen Vergabe und dem damit einhergehenden hohen Auftragsvolumen hat die Ausschreibung in der Regel europaweit zu erfolgen. Ziel der Ausschreibung von Beförderungsleistungen im sozialen Bereich muss es sein, zu stabilen, wirtschaftlichen Konditionen langfristig zuverlässige Leistungen zu erhalten. Hierzu empfiehlt sich die Durchführung einer Rahmenvereinbarungsausschreibung mit mehreren Partnern. In der Praxis wurden gute Erfahrungen mit der Festsetzung einheitlicher Preise für alle Rahmenvereinbarungspartner

gemacht. Die Vergabe erfolgt in diesem Fall im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb. Die besonderen Anforderungen an das Fahr- und Begleitpersonal oder an die einzusetzenden Fahrzeuge sollten dagegen als Mindestanforderungen formuliert werden. Als Mindestanforderung an Fahrerqualifikationen kommen etwa bestimmte ausbildungs- oder gesundheitlich relevante Nachweise oder die Durchführung von arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen in Betracht. Technische Mindestanforderungen können dagegen die Vorgabe bestimmter Fahrzeugtypen /  -kategorien, Euro-Norm oder etwa bestimmter sicherheitstechnischer Ausstattungsmerkmale sein (beispielsweise Rückfahrkamera mit akustischem Warnsignal oder bestimmte Rückhalteund Sicherungssysteme).

Marktpreise Die Festlegung einheitlicher Preise erfolgt während der Verhandlungsphase auf der Grundlage von indikativen Angeboten der Bieter und der Marktkenntnis des Auftraggebers.

Vertrag Als vertragliche Besonderheit stellt sich hier die abzuschließende Rahmenvereinbarung mit mehreren Partnern dar. Dabei handelt es sich um eine für alle Vertragsparteien gleichlautende Rahmenvereinbarung unter Ausgestaltung von bestimmten Kontingenten, Einzelabrufen für

Touren für die gesamte Laufzeit, Regelungen für Ersatz- und Zusatztouren und auch Sanktionen für Vertragsverletzungen, insbesondere Sorgfaltspflichtverletzungen der Fahrer oder Organisationsverschulden des jeweiligen Unternehmens. Vorgesehen werden könnten etwa auch Regelungen, wonach bei einer Kündigung eines Vertragspartners die Pflicht der anderen Vertragspartner besteht, Touren zu übernehmen, oder wie im Falle von Pandemien als ein möglicher Fall von Force Majore vorzugehen ist. *Rechtsanwalt Dr. Martin Schellenberg, Fachanwalt für Vergaberecht, ist Partner und Rechtsabwältin Marie-Luise Horst ist Senior Associate bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Mehr zum Thema Der Behörden Spiegel führt am 2. Juli 2020 von 10:30 - 12:00 Uhr ein Live-Webinar zum Thema “Vergabe von Beförderungsleistungen für Menschen mit Behinderung” durch. Die Autoren des Beitrages führen dort durch die vertraglichen und vergaberechtlichen Einzelthemen und beantworten die Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Anmeldung unter www. fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Beförderungs­ leistungen”.


* zugleich Informationssicherheitsbeauftragter (Ressort-CISO) *** zugleich Beschwerdestelle nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) **** zugleich Beauftragte für Arbeitsschutz

Referat I A 5 Personalangelegenheiten RD Hermann Kamp -3550

Referat I A 4 Informationstechnologie, IT-Fortbildung MR Michael Deilmann -3160

Referat I A 3 Innerer Dienst, Betriebliches Gesundheitsmanagement MR’in Iris Pauli**** -3200

Haushalt der Abteilung II, Finanzsteuerung RB’r Dr. Christoph Ehlert -3319

Referat II 1* ESF-Verwaltungsbehörde (Programmsteuerung) RB’r Daniel Jansen -3388

Referat II B 5 Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Ausbildung und Arbeit LMR Stefan Kulozik -3472

Referat II B 4 Recht, Finanzierung, Aufsicht, Eingaben und Petitionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) RB’r Dr. Hans Lühmann -3318

Referat II B 3 Steuerung Grundsicherung für Arbeitsuchende NN

Referat II B 2 Recht Arbeitsmarktpolitik, Teilhabe für Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben (u. a. SGB III, SGB IX) RB’e Christine Reichel -3257

Referat II B 1 Grundsatzfragen, faire Arbeitsbedingungen, Langzeitarbeitslosigkeit MR’in Stefanie Harms -3580

LMR Stefan Kulozik -3472

Gruppe II B Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktpolitik, Migration

RB’e Christina Ramb -3529 / -3530

ABTEILUNG II Arbeit und Qualifizierung

Landesschlichterin RB’e Yvonne Sachtje -3362

Referat III A 6 Tarifrecht, Tarifpolitik, Heimarbeit RB’e Yvonne Sachtje -3362

Referat III A 5 Chemikaliensicherheit, Gefahr- und Biostoffe, Arbeitsmedizin MR’in Katja Trawny -4743

Referat III A 4 Betrieblicher Arbeitsschutz und Produktsicherheit MR Jürgen Thier -3341

Referat III A 3 Technischer Arbeitsschutz MR’in Dr. Maria Siekmeyer -3295

Referat III A 2 Arbeitsschutzrecht, Arbeitsrecht, sozialer Arbeitsschutz RB’e Maria Mattioli -3367

Referat III A 1 Arbeitsschutzpolitik, Arbeitsschutzaufsicht, allgemeine Fachaufsicht RB’r Steffen Röddecke -3574

RB’r Steffen Röddecke -3574

Gruppe III A Arbeitsschutz

Projekgruppe Digitalisierung in der Arbeitsschutzverwaltung ORR Matthias Dölp -3328 ORR’in Dr. Christin Polzer-Baakes -3009

-3420

-3208

Hauptpersonalrat Vorsitzender: ORR Jan Georg Seidel Schwerbehindertenvertretung Vertrauensperson: RB’r Dirk Peeck

-3240

Referat IV A 5 Organspende, Palliativversorgung, Kurorte MR’in Judith Holzmann-Schicke -4140

Referat IV A 4 Psychiatrie; Maßregelvollzug MR’in Gudula Hommel -4143

Referat IV A 3 Krankenhausplanung, -finanzierung RD’in Sahra-Michelle Reinecke -3122

Referat IV A 2 Medizinische Grundsatzfragen des Krankenhauswesens MR Dr. Jörg Lafontaine -4158

Referat IV A 1 Grundsatzfragen, Gemeinsamer Bundesausschuss LMR Dr. Heribert Müller -4144 RB’r Ulrich Lensing -3317

LMR Dr. Heribert Müller -4144

Gruppe IV A Krankenhaus, Gemeinsamer Bundesausschuss

Personalrat Vorsitzender: RD Thomas Lück

Referat III B 4 Prüfung Kranken-/ Pflegeversicherung MR Knud van Büren 3374

Referat III B 3 Aufsicht Kranken-/ Pflegeversicherung MR’in Gabriele Wahl-Diedrichs 4710

NN

Referat III B 2 Aufsicht Rentenversicherung

Referat III B 1 Grundsatzfragen und Aufsicht Unfallversicherung LMR’in Uta Klinkers 3132

LMR‘in Uta Klinkers -3132

Gruppe III B Aufsicht Sozialversicherungen

MDgt Markus Leßmann -3275 / -3276

ABTEILUNG III Arbeitsschutz und Aufsicht Sozialversicherungen

Dr. Edmund Heller ABTEILUNG IV Gesundheit

Referat IV C 6 Geschlechtsbezogene Gesundheitspolitik RB’e Gabriele Beckmann -3496

Referat IV C 5 Öffentlicher Gesundheitsdienst, LZG, Heilpraktikerwesen MR’in Heike Reinecke -3259

Referat IV C 4 Medizinische Versorgung, Infektionsschutz, Hygiene MR’in Dr. Regine Kämmerer -4127

Referat IV C 3 Prävention, Sucht, HIV/AIDS MR’in Dr. Sandra Dybowski -4117

Referat IV C 2 Digitalisierung im Gesundheitswesen, Telemedizin, Gesundheitswirtschaft LMR Lars Andre Ehm -3471

Referat IV C 1 Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik MR Jürgen Schiffer -4125

Gruppe IV C Gesundheitsversorgung, Prävention, Digitalisierung im Gesundheitswesen LMR Lars Andre Ehm -3471

Gleichstellungsbeauftragte im Geschäftsbereich RD’in Jutta Schattmann -3273

Ministerbüro

Geschäftsstelle der Stiftung Wohlfahrtspflege RB’r Norbert Killewald -3143

Referat V A 5 Europa, Benelux, Internationale Zusammenarbeit, Länderkoordinierung MR Deniz Özkan -3398

Referat V A 4 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Rechtsfragen der Abteilung Soziales LMR’in Kathrin Melchert -3539

Referat V A 3 Alterssicherung, Unfallversicherung, Allgemeine Sozialversicherung, Zuständige Stelle nach dem BBiG MR’in Birgit Szymczak -3209

Referat V A 2 Grundsatzfragen der Sozialhilfe, Stiftung Leprahilfe MR Ralf Sommer -3716

Referat V A 1 Grundsatzfragen Soziales, Sozialplanung und -berichterstattung, Wohnungslosigkeit, Armutsbekämpfung RBe Gabriele Schmidt -3562 Projektgruppe “Endlich ein ZUHAUSE!” RD Jürgen Thomas -3581

LMR’in Kathrin Melchert -3539

Büro der Beauftragten der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie Patientinnen und Patienten RB’r Pascal Wirth -3475 RB’e Lisa Stiller -3187

Referat V B 5 Inklusionskataster, Kampagne “nrw inklusiv”, Kooperation mit der Stiftung Wohlfahrtspflege RB’r Dr. Armin Leon -3291

Referat V B 4 Eingliederungshilfe, SGB IX (1. Teil), Stiftung “Anerkennung und Hilfe” MR’in Isabelle Steinhauser 3243

Referat V B 3 Schwerbehindertenrecht, Freie Wohlfahrtspflege, Sinnesbehinderte, Erstattung der Fahrgeldausfälle im ÖPNV, Projektgruppe § 231 SGB IX, soziales Ehrenamt MR Ulrich Kolb -3340

Referat V B 2 Recht der Sozialen Inklusion, Soziales Entschädigungsrecht MR’in Christiane Neuchel-Möllering -3559

Referat VI B 5 Beratungsstrukturen, Pflegende Angehörige, Landesförderplan MR Norbert Albrecht -3402

Referat VI B 4 Soziale Pflegeversicherung MR’in Petra Köster -3480

Referat VI B 3 Landesrecht Pflege, Wohn- und Teilhabegesetz MR Dirk Suchanek -3555

Referat VI B 2 Altenpolitische Infrastruktur, Teilhabe im Alter RB’r Thomas Hauberichs -3727

Referat VI B 1 Querschnittsaufgaben, Geschäftsstelle Landesausschuss Alter und Pflege LMR Andreas Burkert -3600

LMR Andreas Burkert -3600

Vertretung des Landes NRW bei der EU RB’r Rainer Wenning 00322/7391-715

Vertretung des Landes NRW beim Bund RD’in Patricia Oeburg 030/27575-238

Referat VI A 4 Recht der Pflege- und Gesundheitsfachberufe MR’in Dr. Gudrun Szewczyk -3563

Referat VI A 3 Pflegewissenschaft und -pädagogik, Akademisierung Gesundheitsfachberufe RB’e Dr. Christine Riesner -3323

Referat VI A 2 Interessenvertretung Gesundheitsfachberufe, Pflegekammer, Berufsausübung RB’e Simone Dreyer -3462

Referat VI A 1 Pflegeberufereform LMR Prof. Dr. Thomas Evers -3105

LMR Prof. Dr. Thomas Evers -3105

Gruppe VI B Altenpolitik, Pflegerecht

RB’r Gerhard Herrmann -3465 / -3466

ABTEILUNG VI Pflege, Alter, demographische Entwicklung

RB’r Anselm Kipp (m.d.W.d.G.b.) -3500 Referat V B 1 Stabsstelle Inklusion, Grundsatzfragen der Politik für Menschen mit Behinderungen RB’r Anselm Kipp -3500

-3021

Ombudsstelle barrierefreie IT -3451

Claudia Middendorf

Beauftragte der Landesregierung für Menschen mit Behinderung sowie Patientinnen und Patienten

Gruppe VI A Pflege- und Gesundheitsfachberufe

-4732

-3316

M3 Politische Koordinierung RB’e Ulrike Hüppe -3146

Gruppe V B Inklusion von Menschen mit Behinderungen

MDgt Udo Diel -3320 / -3308

ABTEILUNG V Soziales

MR’in Inge Spennhoff

Gleichstellungsbeauftragte

M2 Presse RD Axel Birkenkämper

Gruppe V A Soziale Sicherung, Armutsbekämpfung, Internationales

Büro des Staatssekretärs Strategische Planung RB’e Friederike Findeis -3117

M1 Organisation, Termine LMR’in Heike Weiß -3104

LMR’in Heike Weiß

Hauptschwerbehindertenvertretung Vetrauensperson: Ronald Richter Bezirksregierung Arnsberg 02931/82-5460

Projektgruppe Strukturelle Weiterentwicklung Geburtshilfe RB’e Juliane Walz -3325

Referat IV B 5 Pharmazie, Medizinprodukte MR Dr. Reinhard Kasper -4112

Referat IV B 4 Rettungswesen MR Bernd Schnäbelin -3607

Referat IV B 3 GKV, Vertragsarztrecht, Sektorenübergreifende Versorgung MR’in Cornelia Sennewald -3434

Referat IV B 2 Kammeraufsicht, Heilberufe mit Approbation, Bestattungsrecht MR’in Helene Hamm -3262

Referat IV B 1 Gesundheitsrecht LMR Dr. Frank Stollmann -3486

LMR Dr. Frank Stollmann -3486

Gruppe IV B Heilberufe, GKV, Sektorenübergreifende Versorgung

MDgt Helmut Watzlawik -3632 / -3355

Foto: BS/ MAGS NRW

Staatssekretär

Karl-Josef Laumann

Minister

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Stand: Juni 2020

Personelles

* unmittelbarer Dienstweg zwischen den Referaten I B 2 und II 1

Referat II A 5 Berufliche Ausbildung, regionalisierte Arbeitspolitik RB’r Stefan Pfeifer -3393

Referat II A 4 Fachkräftesicherung MR Wolfgang Heiliger -3585

unmittelbarer Dienstweg zwischen den Referaten I B 2 und II 1 ** zugleich Kontaktperson Sucht **** zugleich Datenschutzbeauftragte

*

Referat I B 6 Öffentlichkeitsarbeit RB’r Kai von Schoenebeck -3390

Referat I B 5 Rechtsangelegenheiten, Datenschutz/-beauftragte, Orden, Arbeitsrecht im Personalwesen, Zentrale Vergabe, Petitionen MR’in Petra Bühler**** -3361

Referat I B 4 Organisation, öffentliches Dienstrecht MR Jörg Kirchhoff -3305

Finanzmanagement, Rollout Transfermittel EPOS ORR’in Ulrike Matiaske** 3221

Referat II A 3 Digitalisierung der Arbeitswelt, Strukturwandel MR’in Dr. Wiebke Lang -3433

Referat I B 2* ESF-Verwaltungsbehörde (ESF-Förderrecht) MR Patrick Wamper -3485

Referat I B 3 BdH, Haushalt, Controlling, EPOS.NRW MR Roland Kleinschnittger -3423

Referat II A 2 Berufliche Orientierung, Übergang Schule-Beruf RB’r Dr. Jens Stuhldreier -3224

Referat I B 1 Innenrevision, Korruptionsprävention LMR Sven Axel Köster -3338

Referat I A 1 Grundsatzfragen Personal, Personalplanung und Personalentwicklung RB’r Volkmar Swoboda -3285

Referat I A 2 Personalservice Ministerium, Personal nachgeordneter Bereich und ehemalige Versorgungsverwaltung MR’in Inge Spennhoff *** -4732

Referat II A 1 Grundsatzfragen, Recht der Beruflichen Bildung RB’e Barbara Molitor -3715

LMR Sven Axel Köster -3338

RB’r Volkmar Swoboda -3285

Gruppe II A Berufliche Bildung, Fachkräftesicherung, Digitalisierung der Arbeitswelt RB’e Barbara Molitor -3715

Stabsstelle Berufsanerkennung RB’e Dr. Petra Hoffmann -3260

Gruppe I B Haushalt, ESF, Organisation, Recht, Kommunikation

RB’e Christel Bayer -3214 / 3213

ABTEILUNG I Zentralabteilung

Kabinetts- und Landtagsangelegenheiten MR Bernhard Ulrich -3456

Bundesrat, Arbeits- und Sozialministerkonferenz MR Holger Dornemann -3579

Stabsstelle Steuerung Allgemeinmedizin / hausärztliche Versorgung RB’e Christel Bayer 3214

Gruppe I A Personal, interne Dienstleistungen, Wissensmanagement

Stabsstelle Digitalisierung, Informationssicherheit, interne Kommunikation RB’e Dr. Angela Barthen -3479 RB’r Jean-Pierre Kelleter* -3493

Hausdruckerei: -3169 -3005/3172 Bibliothek: Registratur: -3198/3165 Broschürenstelle: -3110 Pforte: -3181 Poststelle: -3176

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Fürstenwall 25, 40219 Düsseldorf Telefon: 0211/855-5 (Zentrale), 0211/855-Durchwahl Telefax: 0211/855-3683 Internet: www.mags.nrw E-Mail: vorname.name@mags.nrw.de

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

Behörden Spiegel / Juni 2020 Seite 9


Diplomaten Spiegel

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I

n Lettland gelten ähnliche Restriktionen wie hierzulande. Restaurants und Läden bleiben geöffnet, müssen aber Gäste und Kunden “auf Abstand” halten. Kindergärten, Schulen und Universitäten sind wieder offen und die deutsche Botschaft in der Hauptstadt Riga ist, wie die lettische in Berlin, überwiegend im Homeoffice tätig. Für seine Hausherrin, Botschafterin Skujina – kein Problem. Die 49-Jährige versteht ihr Geschäft, mit und ohne “Lockdown”.1995 kommt die studierte Architektin zum diplomatischen Dienst, arbeitet im heimischen Außen- und Innenministerium, in Stockholm, Wien, Brüssel, seit 2017 in Berlin und hat dabei alles im Griff.

Behörden Spiegel / Juni 2020

Kein Beruf im klassischen Sinne Ein Gespräch mit Inga Skujina, Botschafterin von Lettland in Berlin

(BS/ps) Lettland, das Inga Skujina seit drei Jahren bei uns repräsentiert, ist geografisch das mittlere der drei baltischen Staaten. Es grenzt im Süden an Litauen, im Südosten an Weißrussland, im Osten an Russland, im Norden an Estland und im Westen an die Ostsee. Deren 500 km langer Sandstrand bietet genug Platz auch für ruhige Erholung. Bei der Covid-19-Bekämpfung ist das lettische EU- und Euroland aktuell im internationalen Diplomatie als Lebensstil Vergleich sehr erfolgreich.

Gegenseitiges Interesse und Vertrauen “Glauben Sie mir”, lächelt sie, “die beiden Fächer Geometrie und Vektorgeometrie, (mit algebraischen Hilfsmitteln werden geometrische Probleme gelöst, ohne die “Anschauung” zur Hilfe zu nehmen) im Architekturstudium erweisen sich als äußerst nützlich auch in der Diplomatie.” Ebenfalls wichtig sei, dabei eine gewisse Distanz zum Akkreditierungsland zu behalten und dem Land nicht zu verfallen. “Für mich persönlich ist das hier ganz schwer umsetzbar, denn ich habe das Land und seine Menschen liebgewonnen. Gleichzeitig versuche ich, keine Fremde zu bleiben, die hier nur ihrer Arbeit nachgeht”, sagt Skujina. “Ich möchte mich auch ein Stück in die Gesellschaft inte­ grieren, die hiesigen Traditionen kennenlernen, die regionalen Besonderheiten verstehen und immer weiter neue, interessante Menschen treffen, beruflich und privat. Ich denke, das gelingt mir bisher ganz gut. Wenn meine Gesprächspartner merken, dass ich ihrem Land verbunden bin, werden sie offener und freuen sich auch mehr über Lettland zu erfahren. Gegenseitiges Interesse und Vertrauen sind der Grundstein unserer vorzüglichen bilateralen Beziehungen und der engen Zusammenarbeit in der EU, NATO und anderen internationalen Gremien.”

Gemeinsame Geschichte Auf die Frage, ob es bei ihrer Arbeit in Deutschland leicht ist, den Weizen von der Spreu zu trennen, antwortet die Botschafterin, dass es ihr nicht schwerfalle: “Die Menschen hier sind direkt und verschwenden ihre Zeit nicht gerne. Ich denke, dass genau aufgrund dieser Eigenschaften Letten und Deutsche ausgezeichnet zusammenarbeiten können. Wir haben tatsächlich sehr ähnliche Mentalitäten, schließlich leben wir bereits seit dem 12. Jahrhundert in einem engen Austausch”, so die Botschafterin.

Repräsentiert seit 2017 die Republik Lettland in Berlin: Ihre Exzellenz Botschafterin Inga Skujina.

Botschafters Rezept Kalte Rote-Beete-Suppe (vegetarisch)

Man kann sie ohne den Rettich oder ohne den Meerrettich machen und wer mag, kann zu den Eiern auch noch Lyoner Wurst klein schneiden. Wichtig ist nur, dass die Zutaten alle gleich klein geschnitten sind. Im Sommer kann man die RoteBeete-Suppe mit Eiswürfeln servieren. Dazu isst man ein dunkles Brot. Zutaten für 4 Personen 1 Glas rote Beete (370 g) 2 kleine Gurken 1 kleines Stück weißer Rettich 1 Frühlingszwiebel 1/2 Bund Dill 1 Liter Kefir

livländischen Konföderation (historische Landschaft mit dem heutigen Estland und dem größten Teil Lettlands) mit der Hanse und waren wirtschaftlich durch Handelsverbindungen, vor allem mit den deutschen Hafenstädten, verbunden. Annäherung durch Handel – ein Wandel, der die trefflichen gegenseitigen Kontakte bis heute prägt. “Doch auch eine ausgezeichnete bilaterale Beziehung aufrechtzuerhalten, bedeutet einen

Besondere Zierde: das Espresso-Service der lettischen Künstlerin Solvita Zāle aus dem Jahr 1998

1180 begann die Einwanderung von Deutschen. Die deutsche Oberschicht stellte jahrhundertelang das Stadtbürgertum und die Großgrundbesitzer. Im Mittelalter verbanden sich die livländischen Städte, allen voran Riga, in der

Gesellschaftsbereiche erleben. Die Covid-19-Krise ist somit zugleich ein “Game Changer”, der die “Spielregeln” verändert und ein Motor der weltweiten Digitalisierung ist. Wir sollten diese Krise auch als eine Chance sehen und nutzen!”

täglichen, mühevollen Prozess, der viel Einsatz und Sorgfalt abverlangt. Heute leben wir in einer höchst dynamischen Zeit, in der eine Reihe Staaten die internationale Ordnung infrage stellen und Regeln missachten, die uns nach

1 EL frisch geriebener Meerrettich 4 Eier Salz Pfeffer Zubereitung: Eier hart kochen, abschrecken und pellen. Eier, rote Beete, Gurken und Rettich in kleine Würfel schneiden und mischen. Frühlingszwiebel in Ringe schneiden, die weißen Ringe zur Gemüse-Mischung geben, die grünen für die Deko aufheben. Meerrettich reiben und zum Gemüse geben. Kefir zugießen. Umrühren und mit Salz, Pfeffer und Rote-BeeteWasser würzen. 20 Minuten im Kühlschrank ziehen lassen.

dem Fall des Eisernen Vorhangs geleitet haben. Die gemeinsame Herausforderung und Aufgabe für Lettland und Deutschland ist es, die besten Lösungen zu finden, um Sicherheit und Frieden in Europa zu sichern sowie vorausschauend für den Wohlstand unserer Gesellschaften zu sorgen”, unterstreicht Skujina.

Kein einfaches Kapitel “Somit fokussiert sich meine Tätigkeit auf die Pflege der gemeinsamen Arbeit und Sichtweise zwischen unseren Ländern – vor allem auf die Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, – wie auch die aktuellen Prozessen, der Europäischen Union. Aber auch unsere gemeinsame Geschichte ist für mich von einem besonderen Interesse. So habe ich mich persönlich für die Aktualisierung der deutschbaltischen Themen im aktuellen Diskurs eingesetzt”, betont Skujina. 2019 wurde der 80. Jahrestag seit der Umsiedlung der Deutschbalten aus Lettland begangen. “Ja, dies ist kein einfaches Kapitel in unserer gemeinsamen Geschichte, doch ich bin der Meinung, dass gerade der Mut, miteinander auch über schwierige Themen zu sprechen, die guten Beziehungen ausmacht.” Überhaupt sei das 20. Jahrhundert in der europäischen Geschichte nicht einfach gewesen. “Doch ich erinnere mich mit Freude an die gemeinsamen Veranstaltungen mit deutschen Partnern im Herbst 2019, als

wir nicht nur den 30. Jahrestag und die Bedeutung des Falls der Berliner Mauer begangen haben, sondern uns auch an Prozesse erinnerten, die zu ihrem Fall beigetragen haben”, so die lettische Chefdiplomatin in Berlin. Hierzu gehöre eindeutig auch der Baltische Weg – die einzigartige Menschenkette für die Freiheit, in der sich über zwei Millionen Letten, Litauer und Esten einander die Hände reichten, um eine 600 km lange Menschenkette durch die baltischen Staaten zu bilden und damit ihren Freiheitswillen zu demonstrieren.

Fotos: BS/Dombrowsky

Umfragen zählen wir auch heute zu den europafreundlichsten Nationen der EU und das gleiche gilt auch für die NATO. Diese Tatsache gibt der lettischen Regierung, wie auch uns Diplomaten, die Rückendeckung unsere Arbeit mit der vollen Überzeugung im Sinne der europäischen Solidarität und Einheit auszuführen”, ist Skujina überzeugt.

Geringere Einschränkungen beim Lockdown “Aktuell sehen wir alle uns vorher nicht dagewesenen He­ rausforderungen gegenüber.” Das Leben habe sich durch die Covid19-Pandemie sowohl in Lettland und Deutschland wie auch weltweit grundlegend verändert. Dabei werde allen ohne Frage viel abverlangt. “Ich wünsche mir, dass wir aus diesen Herausforderungen etwas lernen und die EU-Staaten stärker und vereinter aus dieser Krise herauskommen. Diese besonderen Umstände zeigen uns auch, wie wichtig die Digitalisierung ist.

Das tut Inga Skujina (auch) analog und ohne “Infodemie” in ihrem Berliner Job. “Diplomatin zu sein, ist kein Beruf im klassischen Sinne. Das ist ein Lebensstil sowie eine Art des Denkens. Es setzt eine Vorliebe für menschliche Kontakte vo­ raus, wie die Fähigkeit und den Willen, dem Gegenüber zuzuhören. Ein Botschafter ist ganz bestimmt wissensbegierig, etwas neugierig und gut informiert über internationale Fragen. Er muss sich auch gut in vielen anderen Bereichen auskennen, liebt sein Land, ist stolz darauf, respektiert zugleich aber auch andere Kulturen und Traditionen.” Wenn die Botschafterin für einen Tag in einen anderen Beruf wechseln könnte, würde sie gerne in die technologische Zukunft blicken. “Ich finde es spannend ,in zukunftsorientierte Berufe reinzuschauen, weil da schon heute an Technologien gearbeitet wird, die unseren zukünftigen Alltag prägen und beeinflussen werden. So würde ich gerne mal für einen Tag mit den Wissenschaftlern der Technischen Universität in Riga tauschen. Sie arbeiten gerade an einem Gleichstromversorgungssystem, dass Roboterbewegungen in der industriellen Fertigung optimiert – mit dem Ziel, Energieressourcen zu sparen. Diese innovative Technologie wird bereits im neuen Daimler-Autowerk in Sindelfingen verbaut. Sie hat das Potenzial, den Energieverbrauch um zehn bis 15 Prozent zu senken. Auf die gesamte Industrie gerechnet, kann es in der Zukunft einen wirklich bedeutenden Beitrag für die Nachhaltigkeit leisten. Die Wirkkraft solcher Technologien finde ich faszinierend”, sagt Skujina.

Lob für Deutschland Letzte Frage: Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Deutschland denken? “Ich denke vor allem an die unglaublichen Veränderungen, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg bis heute geschafft hat. Hier, im früher geteilten Berlin, sind diese besonders gut spürbar. Mit der unermüdlichen Aufarbeitung der eigenen Geschichte und klugen Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik ist Deutschland

Anhaltende Europa-Begeisterung “Ob auch in Lettland die Strahlkraft der EU nachgelassen hat, wie in manchen anderen Teilen Europas – diese Frage kann ich ganz klar mit “nein” beantworten. Wir haben uns gleich nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit im Jahr 1990 als Ziel definiert, Mitglied der NATO und der EU zu werden. Uns ist es bewusst, dass wir nur in einer engen Zusammenarbeit mit unseren EU-Partnern unsere gemeinsame Sicherheit und die wirtschaftliche Entwicklung garantieren sowie für unsere Zukunft sorgen können. Diesen Zusammenhang haben wir sehr schnell verstanden und uns mit großen Schritten in Richtung unserer Ziele bewegt. Seit unserem EU-Beitritt hat die Europabegeisterung nie abgenommen. Laut

Symbol der Einigkeit und Eigenständigkeit: Die aufgehende Sonne auf blauem Grund steht für die nationale Eigenständigkeit Lettlands, die drei goldenen Sterne über dem Wappenschild stehen für die drei historischen Landschaftsgebiete: Kurland einschließlich Semgallen einerseits und die beiden Regionen Livland und Lettgallen andererseits, deren heraldische Gestalten sich im unteren Teil des Wappens wiederfinden.

Hier können die EU-Staaten viel voneinander lernen. Wir haben uns beispielsweise besonders auf die Digitalisierung der Schulen und Behörden spezialisiert. Für viele Lettinnen und Letten bedeutete dies wesentlich geringere Einschränkungen beim Lockdown”, so die Botschaferin. “Mit Freude stelle ich fest, dass wir derzeit weltweit eine zunehmende Beschleunigung der Digitalisierung wichtiger

zu einem Grundstein und Stabilitätsfaktor der Europäischen Union geworden. Ich muss auch an die Bundeskanzlerin Angela Merkel denken, die in den letzten 15 Jahren wie keine andere europäische Politikerin die Welt geprägt und zusammengehalten und Europa durch schwere Krisen gelotst hat. Mit seiner Transformation ist Deutschland heute für viele ein Vorbild und eine Inspiration.”


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2020

Notbremse wird nicht gezogen

KNAPP Kommunal­wahlen

Umgang mit Corona-Neuinfektionen in den Kommunen (BS/Katarina Heidrich) Landkreise und kreisfreie Städte sollen bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern die vollzogenen Lockerungen – zumindest teilweise – wieder zurücknehmen. Eigentlich. Denn die Fälle, bei denen dieser Referenzwert überschritten wird, mehren sich. Kaum eine Kommune aber zieht die Konsequenzen, auf welche sich Länder und Bund geeinigt hatten. Argumentiert wird das mit der kommunalen Beinfreiheit. Einheitliche Regelungen wären aber gerade bei potenziellen Hotspots nötig. Im Landkreis Leer in Niedersachsen steigen die CoronaNeuinfektionen seit einigen Tagen wieder stark an. Auslöser waren Regelverstöße bei der Wiedereröffnungsfeier eines Restaurants in Jheringsfehn nach den Corona-Beschränkungen. Die Zahl der Infizierten, die mit dem Ausbruch in Verbindung stehen, lag am 26. Mai bei insgesamt 27. Landrat Matthias Groote (SPD) ist sich sicher, “dass schon einzelne Zusammentreffen eine RiesenKettenreaktion auslösen können”. Dennoch hat der Kreis am 25. Mai in einer Allgemeinverfügung weitere Ausnahmen von der Landesverordnung über infektionsschützende Maßnahmen beschlossen. Auch in den Landkreisen Lichtenfels und Coburg in Bayern stiegen die Zahlen stetig und überstiegen den Grenzwert für die Sieben-Tage-Inzidenz. Hier jeweils zurückzuführen auf Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen. Diese punktuellen Ausbrüche werden auch als Grund angebracht, warum keine allgemeinen Konsequenzen gezogen wurden. Maßnahmen wurden lediglich innerhalb der Einrichtungen umgesetzt. Der Coburger Landrat Sebastian Straubel (CSU) betont: “Es geht immer darum, mit Maß und Ziel zu handeln. Ein neuer “Lockdown” unseres gesamten gesellschaftlichen Lebens wäre eine Reaktion ohne Maß und Ziel.” Diesem Vorgehen pflichtet auch Hans-Günter Henneke, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistages, bei: “Wichtig ist, dass das System nicht an Flexibilität und Handlungsfähigkeit einbüßt und außerdem nicht zu schematisch wird. Denn wenn beispielsweise eine hohe Zahl an Neuinfizierten nahezu ausschließlich in einem Altenheim oder in einer einzigen

künften nicht gewährleistet und hier drohen Corona-Hotspots.”

Weitere Hotspots verhindern

Trotz neuer Infektionsketten in verschiedenen Regionen wird kaum die verabredete Reißleine gezogen. Foto: BS/Оксана Осипенко, pixabay.com

Gemeinde auftritt, sollte man darauf nicht mit Maßnahmen für die Allgemeinheit oder der Schließung von Einzelhandelsgeschäften im gesamten Landkreis reagieren.”

Problem: Sammelunterkünfte Berlin und Bayern haben die Inzidenz sogar noch herabgesetzt. Bayern auf 35 Fälle, Berlin auf 30 Fälle in Verbindung mit einem Ampelsystem, das nicht nur die Inzidenz, sondern ebenfalls die Reproduktionszahl sowie die verfügbaren Intensivplätze berücksichtigt. Erst wenn zwei der drei Werte “auf Rot stehen”, müssen Maßnahmen umgesetzt werden. Welche, lässt der Senat offen. Ne-

ben den Pflege- und Altersheimen rücken nun die fleischverarbeitenden Betriebe in den Fokus, da auch hier immer wieder Infektionsketten nachgewiesen werden. Die Politik reagierte darauf mit Diskussionen über die Unterbringung der Beschäftigten und über ein Verbot von Werkverträgen. Wer aber bisher kaum eine Rolle in der öffentlichen oder politischen Debatte spielt, sind Geflüchtete. Das, wovor Hilfsorganisationen schon seit Monaten bezüglich der Lage in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln warnen, ist innerhalb Deutschlands längst eingetroffen. Corona-Ausbrüche in den Flüchtlingsunterkünften mehren

sich bundesweit, drei Geflüchtete sind in Bayern bereits gestorben. Im unterfränkischen Anker-Zentrum Geldersheim bei Schweinfurt etwa wurde im März eine Quarantäne für die gesamte Einrichtung verhängt, nachdem positiv getestete Fälle aufgetreten waren. Die Quarantäne musste immer wieder wegen neuer Infektionsfälle verlängert werden. Nun wurde sie aufgehoben, der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert allerdings seit Beginn der Pandemie den Umgang mit Geflüchtetenunterkünften: “Hygienemaßnahmen wie Masken, ausreichende Desinfektion, Sicherheitsabstände und Social Distancing sind in Massenunter-

Gleichzeitig werde aber auf Anweisung der Bayerischen Staatsregierung der Zutritt der Asylsozialberatung zu allen staatlichen Unterkünften massiv eingeschränkt oder komplett verweigert – unter Berufung auf einen “adäquaten Infektionsschutz” in den Unterkünften. “Dabei wird jedoch vernachlässigt, dass das größte Infektionsrisiko die derzeitige Form der Massenunterbringung ist”, heißt es vom Flüchtlingsrat. Der Dachverband fordert daher eine dezen­trale Unterbringung, die Nutzung von Hotels und Jugendherbergen und dass Angehörige von Risikogruppen umgehend aus den betroffenen Unterkünften genommen werden. Auch eine Studie der Universität Bielefeld kommt zu dem Schluss, dass eine Corona-Infektion in einer Flüchtlingsunterkunft dasselbe Risiko einer Ansteckung trägt wie auf einem Kreuzfahrtschiff. In Regensburg wurde die “Obergrenze” der Neuinfektionen mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von 77 (Stand 26. Mai) gerissen. Durch den Ausbruch in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende. Trotz der deutlichen Überschreitung sieht das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) keine Notwendigkeit für Konsequenzen, denn das Geschehen sei eingrenzbar. Die Politik argumentiert nicht vollzogene Maßnahmenverschärfungen nach erneuten Infektionswellen damit, nicht die Mehrheit leiden zu lassen, nur weil sich eine Minderheit angesteckt habe. Für Geflüchtete scheint das nicht zu gelten.

(BS/kh) In Nordrhein-Westfalen haben die Regierungsparteien CDU und FDP zusammen mit der SPD einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den reibungslosen Ablauf der Kommunalwahlen 2020 im Herbst gewährleisten soll. Der Städte- und Gemeindebund in NRW begrüßt, dass sich das Land nun für den Termin am 13. September entschieden hat. “Die Städte und Gemeinden in NRW finden es gut und richtig, dass Land und Landtagsfraktionen die Debatte um den Wahltermin beenden”, so Roland Schäfer, Präsident des Deutschen Städte und Gemeindebundes NRW. “Nun können sich die Kommunen gezielt vorbereiten.” Die kommenden Wochen des Wahlkampfs seien für alle Parteien eine große Herausforderung, die noch mehr Ideenreichtum und Durchhaltevermögen erfordere als normalerweise.

Fördermittel abgelehnt (BS/kh) Mehr als 70 Kommunen haben bundesweit auf insgesamt rund 166 Millionen Euro Fördergelder für den Breitbandausbau verzichtet, die ihnen bereits zugesagt waren. Das geht aus der Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Oliver Krischer hervor. Demnach haben insgesamt 213 potenzielle Zuwendungsempfänger den Zuwendungsbescheid zurückgegeben, davon 68 Infrastrukturprojekte, drei aus dem Sonderprogramm zur Förderung von Gewerbeund Industriegebieten. Krischer moniert: “Da wird geschenktes Geld von den Kommunen liegen gelassen. Viele Kommunen fühlen sich überfordert mit den bürokratischen Ansprüchen des Förderprogramms, zum anderen spielt insbesondere die Telekom eine unrühmliche Rolle.” Das Unternehmen rüste nachträglich ihr Kupfernetz minimal auf, sodass dann die Voraussetzung für die Bundesförderung in diesem Gebiet entfalle.

Fotos: Toby Giessen, Behörden Spiegel;

Neue Mobilität

Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhrparks 7. Oktober 2020, Stuttgart

Top-Referenten:

THEMEN DER KONFERENZ, u. a.:

► Moderne Mobilitätskonzepte für die Kommunen ► Elektromobilität in BaWü

► Nachhaltige Mobilitätsstrategien und klimafreundliche Verkehrsentwicklung Michael Schramek Vorstandsmitglied Netzwerk intelligente Mobilität e. V., Fachlicher Leiter der Tagung Eine Veranstaltung des

Michael Hagel Koordinierungsstelle Elektromobilität, Landeshauptstadt Stuttgart

Christoph Erdmenger Abteilungsleiter Nachhaltige Mobilität, Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg

► Flächendeckende Infrastrukturen für Elektromobilität ► E-Busse: viel Potenzial für deutsche Innenstädte

► Intermodalität: ÖPNV und Individualverkehr integrieren

www.kommunale-mobilitaet.de


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Behörden Spiegel / Juni 2020

Zukunft gewinnen

sonst diese Projekte nicht gegeben hätte. Langfristig wollen wir unsere Stadt mit verschiedenen Projekten in eine Art Smart-CityTestlabor verwandeln.

t riva Foto: BS/p

Kommunalpolitik

Vier Fragen – vier Antworten mit Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg

B

ehörden Spiegel: Nicht zu­ letzt durch Corona stehen viele Kommunen vor enormen fi­ nanziellen Schwierigkeiten. Wie lassen sich da Digitalisierungs­ vorhaben weiter verfolgen? Neubauer: Wir versuchen das mit allen Mitteln, aber das große Problem ist die Finanzierung. Ein Game Change in dieser Dimension würde erhebliche Investitionen nach sich ziehen, die wir als kleine Stadt nicht stemmen können. Das gibt der Haushalt nicht her, in der jetzigen Situation schon gar nicht. Ich muss mich dem alten Mantra leider anschließen, seit ich die innere Ansicht kenne: Wir sind als Kommunen schlecht finanziert und das muss sich ändern. Das geht an die Adresse des Bundes und der Länder gleichermaßen. Wir haben das Glück, dass wir relativ niedrig verschuldet sind. Wir haben uns in eine freiwillige Haushaltssperre begeben, weil uns unsere Einnahmen wegbrechen. Wir stellen uns gerade neu auf und denken auch über Kreditaufnahme nach. 90 bis 95 Prozent unseres Haushaltes sind fix, die kann ich nicht einfach wegsparen. Ich bin hoffnungsvoll gestimmt, denn ich glaube, die Mehrheit im Stadtrat stimmt zu,

Augustusburg setzt auf Digitalisierung

(BS) Schrumpfende Kleinstadt, Altersdurchschnitt bei etwa 50 Jahren, klamme Kassen – nicht die besten Voraussetzungen für die Digitalisierung. Behörden Spiegel: Warum Warum aber ein passioniertes Engagement der Verwaltung und letztlich auch der Demokratie hilft, erläutert Dirk Neubauer (SPD), Bürgermeister ist Ihnen persönlich das Thema Digitalisierung so ein wichtiges der sächsischen 4.500-Einwohner-Stadt Augustusburg, im Gespräch mit dem Behörden Spiegel. Die Fragen stellte Katarina Heidrich. dass wir als öffentliche Auftraggeber nicht wegbrechen dürfen. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn Digitalisierung würde uns tatsächlich die Möglichkeit geben, effizienter zu sein und uns vor übermäßigen Kosten in der Zukunft bewahren. Behörden Spiegel: Neben den finanziellen Mitteln – woran fehlt es noch? Neubauer: Digitalisierung wird einfach vernachlässigt. Der Freistaat Sachsen sieht diese Priorität anscheinend nicht. Es gibt wenige Dinge, die man machen muss, aber das gehört dazu im Jahr 2020. Digitalisierung ist keine Revolution, es ist Evolution. Sie wird mehr und mehr Hauptschlagader und Impulsgeber für alles, was wir machen. Dazu brauchen wir nicht nur die Hardware, sondern auch Know-

how. Aber auch die Chancen werden übersehen. Offensichtlich machen nicht viele in der Verwaltung eine Vollkostenrechnung. Für viele Prozesse zahlen wir drauf, wenn wir die nicht digitalisieren. Abgesehen davon, dass wir immer mehr Probleme haben werden, geeignete Leute zu finden. Wenn der Freistaat nun argumentiert, dass man ja schon pro Jahr drei Millionen Euro gibt, um diese Online-Cases zur OZG-Umsetzung zu entwickeln, sage ich: Wunderbar, aber das hilft mir kein Stück weiter. Weil ich am Ende an einem Prozess hänge, der zwar in sich digitalisiert ist, bei mir im Haus aber Papier ausspuckt, weil ich die Anbindung an meine Systeme nicht habe. Da kann ich auch einen Briefkasten draußen hinhängen, der kostet keine drei Millionen.

Gebot 3: Immer mehr Aufgaben – und immer weniger Leute Ob Wirtschaft oder öffentlicher Sektor – beide stehen vor der gleichen Herausforderung, die demografischer Wandel und Überalterung stark beeinflussen: Es zeichnet sich schon jetzt ab, dass in Zukunft Arbeitskräfte fehlen werden und Stellen unbesetzt bleiben. Das wird sich noch verstärken, wenn ein Großteil der Generation “Babyboomer” in den Ruhestand geht. Gleichzeitig wachsen aber auch die Aufgaben, und das aus den verschiedensten Gründen. Im Gegensatz zur Privatwirtschaft hat der öffentliche Sektor einen hohen Altersdurchschnitt im Personalstamm. Das bedeutet, hier werden sich künftig gravierende Lücken auftun, die jetzt schon vielerorts offensichtlich sind. Denn auslaufende Stellen werden – oft aus Kostengründen – nicht nachbesetzt. Hinzu kommt, dass es in absehbarer Zeit weniger Bewerbungen und weniger qualitative Nachfolger

Dominic Multerer ist Marketingexperte und Gründer des Instituts für Wachstumschancen und Innovation (IWCI).

Foto: BS/privat

geben wird. Also müssen die stetig wachsenden Aufgaben von immer weniger werdendem Fachpersonal erfüllt werden. Die Lösung lautet: Digitalisierung. Und das ist für viele im öffentlichen Bereich ein Buch mit sieben Siegeln, wenn nicht gar ein Schreckgespenst. Doch ohne den Einsatz von Technologie wird das Arbeitspensum auch vor dem Hintergrund von Wettbewerb, Marktorientierung, Marketing und bürgerfreundlichen Services künftig nicht zu schaffen sein. Der OnlineHändler Amazon wäre ohne Digitalisierung nicht in der Lage, sein vielseitiges Angebot vorzuhalten und könnte die täglich anfallenden millionenfachen Bestellungen nicht bewältigen. Die Automatisierung ermöglicht es ihm, quasi jeden Winkel auf der Welt binnen kürzester Zeit zu bedienen – gleich, ob es dabei um die Bearbeitung von Anfragen, Reklamationen, um die Fakturierung, den Versand, um Rücksendungen oder Services geht. Nicht dass Kommunen Amazon eins zu eins kopieren

sollen. Doch man kann sich durchaus anschauen, wie der IT-Riese die vielfältigen Ansprüche der Kunden für sich löst und sich überlegen, wie man daraus eine individuelle Lösung für den eigenen kommunalen Bereich ableiten kann. Leider fehlt häufig im öffentlichen Sektor das Bewusstsein und auch das Know-how für die Digitalisierung. Aus diesem Grund müssen sowohl Mitarbeiter als auch Entscheider fit gemacht werden. Das reicht vom Bürgermeister über den Gemeinderat, die Abteilungsund Ressortleiter und hört beim Hausmeister nicht auf. Es betrifft erfahrene und junge Mitarbeiter gleichermaßen. Zwar kennen sich die jungen Generationen mit YouTube, Netflix, Instagram und ihrem Smartphone aus. Das reicht aber nicht. Sie müssen auch die Digitalisierung verstehen und wissen, wie man diese Technologien sinnvoll einsetzen kann. Darauf kommt es an! Wichtig ist dabei, verständlich zu machen, dass es nicht um Stellenabbau geht, sondern dass mithilfe der Technik Arbeitsprozesse vereinfacht, verbessert und effizienter gestaltet werden können. Davon profitieren alle in einer Kommune – nicht nur die Mitarbeiter und Verantwortlichen. Mehr zu den zehn Geboten für Kommunen, mit denen Städte und Gemeinden die Zukunft als Chance nutzen können, unter www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “10 Gebote”.

MELDUNG

Anliegen?

Neubauer: Es gibt einen unbedingten Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Demokratie. Wir als Stadt wollen als Vertrauensgeber auftreten. Beispielsweise kann die Stadtbevölkerung über unsere Bürgerbeteiligungsplattform meinaugustusburg.de Projektvorschläge einreichen und bewerten. Die besten werden finanziert mit jährlich 50.000 Euro. Dafür haben wir 2018 den Politik Award gewonnen. In diesem Jahr werden wir das Geld dafür leider nicht haben, aber für den nächsten Doppelhaushalt ist es wieder eingeplant. Die Menschen direkt miteinzubeziehen, führt sie zusammen und das macht Heimat aus. Für all das braucht es digitale Kompetenzen. Es gibt aber bisher keinen einheitlichen und konsequenten Plan dafür.

einer Rentenkürzung führen, bis zum Jahr 2022 zu verlängern. Verbunden mit der Verlängerung ist der Einsatz einer Arbeitsgruppe, die eine dauerhafte Lösung erarbeiten soll. Dass es die noch nicht gibt, bedauert der kommunalpolitische Sprecher der

Social Intranet der Stadtverwaltung Augsburg (BS/ Isabel Bleyhl*) Stellen Sie sich vor, ein Stadtdirektor will seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Mitteilung machen, die den Arbeitsalltag drastisch verändert, und der einzige Kommunikationsweg führt über: eine klassische Mail. Was vor einigen Monaten in der Augsburger Stadtverwaltung noch als verbesserungswürdig angesehen wurde, stellte in Corona-Zeiten plötzlich ein echtes Problem dar. Wichtige interne Entscheidungen, die schnell verbreitet werden mussten, standen nun an der Tagesordnung. Der klassische Weg, diese per Mail zu versenden, erschien nicht mehr nur überholt, sondern einfach nicht mehr tragbar. Viele Jahre wünschte sich die Stadtverwaltung Augsburg eine Plattform, mit der der Austausch der knapp 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vereinfacht wird. Vor zwei Jahren begann die Hauptabteilung Kommunikation gemeinsam mit weiteren Dienststellen wie der IT, dem Gesamtpersonalrat und dem Datenschutz, ein neues Intranet zu planen. Nachdem der Stadtrat dem Vorschlag zugestimmt hatte, erfolgte im Frühjahr 2019 eine europaweite Ausschreibung, um die geeignete Plattform zu finden. Schließlich ging der Zuschlag an das Social Intranet der Firma Coyo, ein Produkt ,für das sich auch Unternehmen wie die Deutsche Bahn, die Metro AG und die Stadt München entschieden haben. Um das Großprojekt umzusetzen, engagierten die Coyo GmbH ihre Hamburger Partneragentur Hirschtec. Im Juni 2019 erweiterte sich die Hauptabteilung Kommunikation der Stadt Augsburg um das zweiköpfige Team der Internen Kommunikation. Damit eine Verwaltung von Augsburger Größe funktioniert, ist es wichtig, an einem zentralen Ort Informationen austauschen und zwischen unterschiedlichen Standorten einfach und schnell kommunizieren zu können. Der Fokus eines Social Intranets wie Coyo liegt auf eben diesen Funktionen.

Vorgezogener Launch

Kommunales Ehrenamt gestärkt (BS/kh) Im Zuge der Beratungen des Siebten Gesetzes zur Änderung des SGB IV verständigten sich CDU/CSU und SPD darauf, die Ausnahmeregelungen, mit denen Aufwandsentschädigungen aus kommunalem Ehrenamt bei vorzeitigem Rentenbezug nicht zu

Neubauer: Corona hat uns gezeigt, dass es auch anders geht. Wir machen hier viel mit sehr wenig und haben innerhalb von 48 Stunden mit einem Partner eine komplette Stadt-Informations-App aus dem Boden gestampft. Mittlerweile sind über 740 Menschen aktiv registriert, die in Echtzeit informiert werden wollen, etwa über die Allgemeinverfügungen. Außerdem haben wir auf YouTube das Format #diStadtTV ins Leben gerufen, mit zahlreichen Erklärvideos. Die Leute wollen mitgenommen werden. Genau wie mit unserem Tablet-Verleih. Wir haben 15 Geräte beschafft, konfiguriert und sobald wir wieder Veranstaltungen durchführen

können, bieten wir zunächst eine Digital-Schulung an. Dann können sich Bürger die Tablets ausleihen und zu Hause ausprobieren. Wir möchten auch der nicht-klassischen Zielgruppe solche Dinge zur Verfügung stellen und somit die Digitalisierung ohne kommerziellen Druck näherbringen. Das geht aber wieder nur, weil wir ein Preisgeld gewonnen haben in Höhe von 450.000 Euro, um das und ähnliche Projekte zu finanzieren. Damit haben wir ein Stück Zukunft gewonnen. Dann fangen wir in diesem Jahr an, Glasfaser zu verlegen und bis 2022 600 Haushalte anzuschließen. Kostenpunkt hierfür sind 5,5 Millionen Euro, die Bund und Land zu 100 Prozent übernehmen. Eigentlich sollten die Kommunen in Sachsen zuzahlen, was wir Bürgermeister aber verhindern konnten, weil es

Interner Austausch in Corona-Zeiten

ZEHN GEBOTE FÜR KOMMUNEN Der öffentliche Sektor ist zu ei­ nem freien Markt geworden. Altes Denken ist da wenig hilf­ reich. Die Kommunen haben es inzwischen mit Kunden und nicht mehr mit Einwohnern zu tun. Es geht um Zielgruppen und Erlöse. Schrumpfen diese, hat das weitreichende Folgen, und das vor dem Hintergrund ange­ spannter Haushalte, steigender Verwaltungsaufgaben und vora­ nschreitender Digitalisierung. Zehn Gebote liefern Lösungs­ ansätze für Kommunen.

Behörden Spiegel: Welche Di­ gitalisierungsprojekte bearbeiten Sie derzeit und welche sind noch in Planung?

Unions-Fraktion im Bundestag, Christian Haase. Dennoch sei es ein wichtiges Signal an die ehrenamtlichen Amts- und Mandatsträger in den Kommunen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt und nicht durch das Rentenrecht unattraktiv gemacht werde.

Da das neue Intranet mit gängigen Kommunikationsmustern brechen und damit nicht nur auf Verständnis stoßen würde, entschied sich das Projektteam, den Kolleginnen und Kollegen die neue Plattform und ihre Vorteile bei rund 50 Terminen, sowie 20 zusätzlichen Intensivschulungs-

Augsburg setzt mit dem Social Intranet isa auf schnellen Austausch. Foto: BS/Screenshot Stadt Augsburg

terminen persönlich vorzustellen. Und dann kam Corona und alles anders als geplant. Wie so viele Stadtverwaltungen sahen wir in Augsburg die Pandemie wie eine Welle auf uns zurollen und erkannten, dass unsere Schwachstellen in der internen Kommunikation nun zum kompletten Erliegen unserer Arbeit führen könnten. Gemeinsam mit der Stadtspitze beschloss die Hauptabteilung Kommunikation, isa (Intranet Stadt Augsburg) Mitte März, knapp zwei Monate vor dem geplanten Launch, freizuschalten. Da die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen die Vorstellung noch nicht gesehen hatten, produzierte die Hauptabteilung Kommunikation schnellstmöglich Handbücher und Erklär-Videos. Parallel erstellte sie eine interne Informationsseite zum Coronavirus und konnte endlich Videobotschaften der Führungskräfte unkompliziert für alle zugänglich machen. Auch für die Bürgerinnen und Bürger verbesserte sich dank isa der Service: Über die virtuelle Arbeitsgruppe der Corona-Hotline war ein schneller Austausch und damit eine einheitliche Kommuni-

kation nach außen möglich. Zu Beginn wurde neben isa noch das “alte” Intranet bespielt, aber nach kurzer Zeit war das nicht mehr nötig: Ein Großteil der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist heute in isa aktiv, knapp 200 Arbeitsgruppen wurden gegründet und die Informationsseiten nach und nach mit Inhalten gefüllt. Derzeit plant das Projektteam die Einführung der mobilen Version für Smartphones. Nach wie vor erreichen die Kommunikationsabteilung viele Fragen zur Nutzung, konstruktive Kritik, aber auch viel Dank und Lob. Obwohl der Start ganz anders war als geplant, kann darin auch etwas Positives gesehen werden: Durch die Notwendigkeit, auf alternative Austauschmöglichkeiten umzusteigen, wurde für viele Skeptikerinnen und Skeptiker der Nutzen der neuen Plattform offensichtlich. Vor allem aber war eine Sache deutlich spürbar: Die positive Energie, die entsteht, wenn ein ganzes Team an einem Strang zieht. *Isabel Bleyhl ist Kommunikati­ onsstrategin der Stadt Augsburg.


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Juni 2020

“W

ir gehen von über 13 Milliarden direkten Ein­ nahmeverlusten aus und von Mehrausgaben, so dass wir von einem Paket von etwa 20 Milliar­ den Euro sprechen, das wir ak­ tuell schlucken müssen”, machte Städtetagspräsident Burkhard Jung die Auswirkungen für die Kommunen deutlich. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz betonte: “Wir brau­ chen starke Kommunen, um die Daseinsvorsorge aufrecht zuer­ halten und Investitionen wieder hochzufahren.” Sein Ministeri­ um hat deshalb Ende Mai den “Kommunalen Solidarpakt 2020” vorgeschlagen. Dieser umfasst zwei Punkte: Bund und Länder sollen je zur Hälfte den Kommu­ nen die Gewerbesteuerausfälle des Jahres 2020 ersetzen. Au­ ßerdem sollen sie je zur Hälfte die Altschulden der besonders

Bund plant Solidarpakt für Kommunen Länder können, müssen aber nicht mitmachen (BS/lkm) Die Corona-Pandemie hat massive Auswirkungen auf die Wirtschaft und die öffentlichen Haushalte. Experten in aller Welt erwarten, dass die Corona-Pandemie deutlichere Einschnitte für die Konjunktur haben wird als die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009. Auch die aktuellen Ergebnisse der Steuerschätzung vom Mai 2020 zeigen: Städte und Gemeinden müssen in Corona-Zeiten mit erheblichen Mindereinnahmen rechnen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant, den Kommunen daher zusammen mit den Ländern unter die Arme zu greifen. belasteten Kommunen über­ nehmen. Bei den Altschulden plant Scholz einen einmaligen Schuldenschnitt von insgesamt 45 Mrd. Euro. Im ersten Schritt sollen die Länder die Schulden der Kommunen übernehmen, in denen die übermäßigen Kredite mehr als 100 Euro pro Einwoh­ ner betragen. Davon werde der Bund die Hälfte schultern. Be­ reits laufende Altschuldenpro­ gramme in den Ländern sollen dabei berücksichtig werden.

Alle Bundesländer haben dabei die Möglichkeit der Teilnahme. “Niemand muss mitmachen”, so Scholz. Kein Land müsse für ein anderes zahlen. Im Vorfeld gab es aus den Ländern deut­ liche Kritik an der anteiligen Schuldenübernahme. So zeigte sich Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann wenig be­ geistert von der Idee. Gerade für die ostdeutschen Kommunen sei das “ein Schlag ins Gesicht”. Sie hätten in den vergangenen

Chance für Bürokratieabbau Mit den Änderungen der kom­ munalhaushaltswirtschaftlichen Regelungen soll die Möglichkeit geschaffen werden, auch im Fall von unerwarteten Minderungen der Einzahlungen oder Erträge mit einer Verwaltungsvorschrift schnell Änderungen von haus­ haltsrechtlichen Bestimmungen der Sächsischen Gemeindeord­ nung zu ermöglichen. Zudem sollen die Erleichterungen auch auf den Einnahmegrundsatz er­ streckt werden, wonach Kredite grundsätzlich nur aufgenommen werden können, wenn eine ande­ re Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmä­ ßig wäre sowie auf weitere Rege­ lungen betreffend die Aufnahme von Krediten. Daneben soll den Kommunen die Aufstellung von Jahresabschlüssen erleichtert werden. “Die Corona-Krise ist auch eine Chance, Regelungen auf den Prüfstand zu stellen und konsequent Bürokratie abzubau­ en”, ergänzte Wöller.

Der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Oberbürgermeister Bert Wendsche, begrüßte die pandemie­ bedingten haushaltsrechtlichen Erleichterungen: “Die sächsi­ schen Kommunen haben da­ mit einen haushaltsrechtlichen Begleitschutz zu dem mit der Staatsregierung vereinbarten kommunalen Schutzschirm erhalten. Er ermöglicht es den Kommunen, trotz deutlich sin­ kender Steuereinnahmen und pandemiebedingter Mehrausga­ ben auf zeitaufwendige Nach­ tragssatzungen zu verzichten und die für 2020 vorgesehenen Investitionsmaßnahmen wie ge­ plant durchzuführen.”

Landesrechnungshof ist kritisch In Rheinland-Pfalz hat man für die Kommunen ebenfalls Erleichterungen im Haushalts­ recht beschlossen. So sollen die Kommunalaufsichtsbehörden von Forderungen zur Verbes­ serung der Einnahmeseite bei Gemeinden absehen. Zudem soll die Rechtsaufsicht ein Auge zu­ drücken, wenn Kommunen bei absehbaren Fehlbeträgen, die durch die Corona-Krise verur­ sacht werden, der Verpflichtung zur Aufstellung eines Nachtrags­ haushaltes bis auf Weiteres nicht nachkommen. Auch sollen die Kommunalaufsichtsbehörden von Maßnahmen absehen, wenn durch die Folgen der CoronaPandemie der gesetzlich gebo­ tene Haushaltsausgleich nicht erreicht werde, erläuterte Roger Lewentz, Innenminister von Rheinland-Pfalz. Zudem sollen die Aufsichtsbehörden von For­ derungen zur Verbesserung der Einnahmeseite, wie sie vor der Corona-Krise kommuniziert wor­ den seien, für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 absehen. In Rheinland-Pfalz reagierte der Landesrechnungshof je­ doch kritisch. Lockerungen der kommunalaufsichtlichen Praxis würden nichts an der Geltung der gesetzlichen Vorschriften über den Haushaltsausgleich ändern. “Verstöße gegen diese Vorschriften bleiben auch dann rechtswidrig, wenn sie von der Aufsicht nicht geahndet werden”, betonte der Rechnungshof. Auch in der Krise sei der Haus­ haltsausgleich gesetzlich vor­ geschrieben. Es seien daher Maßnahmen zu ergreifen, um die “zusätzlich drohenden De­ fizite auf das Unabweisbare zu begrenzen”.

Bund und Länder, in denen die Kommunen liegen, sollen jeweils die Hälfte der Belastun­ gen übernehmen. “Die Ausfälle der Gewerbesteuer werden durch Zuweisungen kompensiert. Kein Land zahlt für eine Kommune aus einem anderen Land”, so Scholz. Der Deutsche Städte- und Ge­ meindebund (DStGB) und Verdi begrüßen den Rettungsschirm. Sie sehen aber auch noch weitere kommunale Bedarfe. So sollen

Prüfung macht Schulumlage gerechter

Corona-bedingte Erleichterungen (BS/lkm) Von vielen Seiten werden für die Kommunen Rettungsschirme zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Haushalte gefordert. Neben finanziellen Rettungsschirmen sind auch Anpassungen am Haushaltsrecht notwendig. Denn nach aktuellem Haushaltsrecht müsste demnächst ein substanzieller Teil der Kommunen in die Haushaltssicherung gehen.

30 Jahren gut gewirtschaftet. Jetzt werde solide Haushaltspo­ litik und bei nicht wenigen auch ein schmerzlicher Sparkurs ad absurdum gestellt, kritisierte Vorjohann. Um dieser Kritik zu begegnen, hat Scholz dann auch die Opt-in-Option für die Länder geschaffen. Auch bei den Hilfen zur Gewerbesteuer will Scholz sicherstellen, dass sich keiner ungerecht behandelt fühlt. Alle Kommunen sollen die Ausfälle pauschal ersetzt bekommen.

die Kommunen auch von den Mehrausgaben entlastet werden, die pandemiebedingt für Kosten der Unterkunft und Leistungen nach SGB II anfallen. Zudem sollen die Länder die Mittel­ zuweisung im kommunalen Finanzausgleich erhöhen und den Kommunen die zur Bewäl­ tigung der aktuellen Situation benötigten Mittel zuzuweisen. Für das Wiederhochfahren der Wirtschaft seien Kommunen ein wichtiger Investitionsmo­ tor. Investitionen in die öffent­ liche Infrastruktur seien daher notwendig. Bund und Länder müssten dafür Investitionsmittel bereitstellen. “Für Zukunftsin­ vestitionen und die Sicherung der Daseinsvorsorge ist eine hö­ here Staatsverschuldung vertret­ bar und jetzt auch notwendig”, betonte der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke abschließend.

Schulumlage

Haushaltsrecht wird gelockert

Das für Normalzeiten konstruierte Haushaltsrecht kann in dieser Rezession die Kommunen in cha­ otische Zustände stürzen, warnen Finanzexperten. Es müsse verhin­ dert werden, dass die Kommu­ nen den schädlichen Weg harter Sparprogramme beschreiten. Die Kreditfinanzierung des kommu­ nalen Haushaltes müsse in diesen Krisenzeiten möglich sein. In NRW ist ein Erlass in Arbeit, der es den Kommunen erlaubt, die durch Corona verursachen Finanzschäden im Haushalt zu isolieren und damit eine Grundla­ ge für Mehrausgaben geschaffen. Zudem dürfen die Kommunen in Zukunft für festverzinsliche Liquiditätskredite Laufzeitverein­ barungen von bis zu 50 Jahren abschließen. Auch die kommu­ nale Vergabe öffentlicher Aufträge soll erleichtert werden. Auch in Sachsen hat man das kommunale Haushaltsrecht er­ leichtert. Am 27. Mai trat ein ent­ sprechender Erlass in Kraft, der zunächst bis Ende des Jahres gilt. Haushaltsrechtliche Regelungen können von den Kommunen da­ mit flexibler angewendet werden. “Trotz der auf Bundes- und Lan­ desebene beschlossenen finanzi­ ellen Unterstützungsmaßnahmen wirken sich die Alltagsbeschrän­ kungen, die Mehrausgaben und vor allem die Mindereinnahmen erheblich auf die Haushaltssi­ tuation sächsischer Kommunen aus”, erklärte Sachsens Innen­ minister Prof. Dr. Roland Wöller.

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von Dr. Ulrich Keilmann Wie genau eine Schulumlage zu ermitteln ist, ist nicht immer allen klar. In Hessen sind – von historisch bedingten Ausnah­ mefällen abgesehen – die Land­ kreise und kreisfreien Städte Schulträger. Die Landkreise erheben von den Kommunen, die nicht Schulträger sind, eine kostendeckende Schul­ umlage, um Auswirkungen auf den Haushalt, der über die Kreisumlage zu finanzie­ ren ist, zu vermeiden. Doch welche Aufwandspositionen genau der Ermittlung des He­ besatzes für die Schulumlage zugrunde zu legen sind, wurde uneinheitlich gehandhabt, war intransparent und führte so auch zur Ungleichbehandlung der Kommunen untereinander. Deswegen untersuchten wir bereits im Kommunalbericht 2016, wie die geprüften Land­ kreise die kostendeckende Schulumlage ermittelten. Aus den Erkenntnissen der Prü­

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche­ Prü­fung kommunaler Körper­schaf­ten beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

fung entwickelten wir damals Empfehlungen an das Land Hessen. Auf die Empfehlungen hat das Hessische Ministeri­ um des Innern und für Sport mit Hinweisen zu § 4 GemHVO reagiert und bisherige Unbe­ stimmtheiten bei der Ermitt­ lung der Schulumlage per Er­ lass geregelt. Im aktuellen Kommunalbe­ richt 2019 untersuchten wir, wie die Landkreise 2017 un­ ter alter Erlasslage und 2018 unter Beachtung der neuen Erlasslage die kostendeckende Schulumlage ermittelten. Die Handhabungen der Pro­

blembereiche für 2017 sind in Abbildung 1 dargestellt. Insgesamt bestätigte sich für 2017 das heterogene Bild. Sechs der sieben geprüften Landkreise berücksichtigten die Schulsozialarbeit nicht. Un­ terschiede gab es ebenso bei der Berücksichtigung von Fremd­ kapitalzinsen, der Überlassung von Sportanlagen für Vereine und der Berücksichtigung von Verwaltungskosten durch inter­ ne Leistungsverrechnung. Die Betreuungs- und Ganztagsan­ gebote berücksichtigte nur der Landkreis Darmstadt-Dieburg nicht. Als einziger Landkreis

Hebesätze Schulumlage 2017

Ermittlung der Schulumlage 2017 und 2018 Hochtaunus 2017

2018

Lahn-Dill 2017

DarmstadtDieburg

HersfeldRotenburg1

LimburgWeilburg

Kassel

MarburgBiedenkopf

2018

2017

2018

2017

2018

2017

2018

2017

2018

2017

2018

Zu berücksichtigende Aufwendungen Fremdkapitalzinsen

Schulsozialarbeit

Schülerbeförderung

Betreuungs- und Ganztagsangebote

Schülerversicherung

Geleistete Gastschulbeiträge

Nicht zu berücksichtigende Aufwendungen Überlassung von Sportanlagen für Vereine

Volkshochschulen

Kassenkreditzinsen

Berücksichtigung erhaltener Gastschulbeiträge

Berücksichtigung Verwaltungskosten / interne Verrechnungen

Abb. 1: Ermittlung der Schulumlage 2017 und 2018  = erfüllt,  = nicht erfüllt,  = teilweise erfüllt

1)

hatte der Landkreis LimburgWeilburg auch Kassenkre­ ditzinsen in Höhe von zehn Prozent der Schulfinanzierung zugerechnet. Die unterschiedliche Berech­ nung der Schulumlage führte auch dazu, dass die Schul­ umlagehebesätze stark diffe­ rierten. Abbildung 2 zeigt die starke Spreizung im Jahr 2017 von 13,3 Prozent bis 20,3 Pro­ zent. Für 2018 ergab sich im Vergleich zu 2017 dagegen ein insgesamt homogeneres Bild, wie Abbildung 1 zeigt. 2018 hatten alle Landkreise die Berechnung aufgrund der Änderung der Hinweise zur Ge­ meindehaushaltsverordnung angepasst. Es gab es nur noch geringe Unterschiede bei der Berechnung der kostendecken­ den Schulumlage, da das Hes­ sische Ministerium des Innern und für Sport den Empfehlun­ gen der Überörtlichen Prüfung gefolgt ist und durch die Ände­

Angaben für 2019 (wegen Doppelhaushalt 2017 / 2018) Quelle: BS/eigene Erhebungen; Stand: Oktober 2018

Hochtaunus

13,34 %

Lahn-Dill

14,49 %

Darmstadt-Dieburg

17,59 %

Hersfeld-Rotenburg

16,25 %

Limburg-Weilburg

19,94 %

Kassel

19,74 %

Marburg-Biedenkopf

20,25 %

Minimum

13,34 %

Median

17,59 %

Maximum

20,25 %

Abb. 2: Hebesätze Schulumlage 2017 Quelle: BS/eigene Erhebungen

rung der Hinweise zur GemHVO entsprechende Regelungen zur Klärung von Unbestimmtheiten bei der Ermittlung der Schul­ umlage aufgenommen hat. Zudem hatte sich auch die Spanne der Hebesätze von 16,5 Prozent bis 20,3 Prozent merk­ lich verringert. Lesen Sie mehr zum Thema “Ermittlung der Schulumlage” im Kommunalbericht 2019, Hessischer Landtag, Drucksache 20/1309 vom 8. November 2019, S. 71 ff. sowie Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/3908 vom 2. Dezember 2016, S. 67 f. Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rechnungshof.hessen.de abrufbar.


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Personelles

Behรถrden Spiegel / Juni 2020


Behรถrden Spiegel / Juni 2020

Personelles

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Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Gemeinsame digitale “Sprache”

Ausgekohlt

Kooperation der städtischen Gebäudewirtschaft mit der TH Köln

Entwurf zum Kohle-Ausstiegsgesetz in der Kritik

(BS/Petra Rinnenburger) Seit 2015 können Studierende der TH Köln unter der Leitung von Prof. Dr. Jochen (BS/Katarina Heidrich) Während der letzten Wochen wurde es still um die Kohle, nun steht der Entwurf für Müller von der Fakultät für Anlagen, Energie- und Maschinensysteme ihre Praxisphasen in der Abteilung ein Kohleausstiegsgesetz wieder auf der politischen Agenda und war Thema einer öffentlichen Anhörung des “Energiemanagement” der Gebäudewirtschaft absolvieren. Ausschusses für Wirtschaft und Energie. Laut Bundesregierung werden mit dem Gesetzentwurf die Empfehlungen der Kohle-Kommission umgesetzt, Experten sehen dies allerdings anders. Sie analysieren in ihren Bachelor- oder Master-Arbeiten Optimierungspotenziale von technischen Gebäudeausrüstungen im Bereich Gebäudeautomation und Instandhaltungsmanagement, die durch Mitarbeitende der Gebäudewirtschaft betreut und an realen Gebäuden der Stadt durchgeführt werden. In Forschungsprojekten untersuchen die Studierenden darüber hinaus für die städtische Gebäudewirtschaft bestimmte Innovationen am Markt. So wurde 2016 unter anderem die Entwicklung eines Prüfstands zur automatischen Überprüfung von Automationskomponenten für den Einsatz in städtischen Gebäuden entwickelt. Hier werden Standardanforderungen, die die Gebäudewirtschaft im Bereich Energieleitlinien formuliert hat, automatisiert an neuen Systemen überprüft, wie etwa an Steuerungs- und Regelungssystemen, die das Zusammenspiel von Lüftungs- und Heizungstechnik in Gebäuden automatisieren. Um reibungslos miteinander zu funktionieren, müssen die Systeme, die oft von verschiedenen Herstellern stammen, eine gemeinsame digitale “Sprache” sprechen. Dazu werden die unterschiedlichen Sprachen an der gemeinsamen Schnittstelle automatisch übersetzt. Nahezu alle technischen Einbauten kommunizieren inzwischen elektronisch miteinander. Programmfehler, die eine Fehlfunktion der Lüftungs- und Heizungsanlagen verursachen, fallen häufig erst im Betrieb des Gebäudes auf. Das führt dazu, dass es mitunter das ganze erste Jahr der Nutzung dauert, bis das Gebäude komplett eingesteuert ist. Durch automatisierte Prüfverfahren, die gemeinschaftlich mit der TH Köln entwickelt werden, können diese Fehler schneller entdeckt und behoben werden.

Heizungssteuerungsprogramme optimieren Zurzeit wird nach der Inbetriebnahme und Abnahme technischer Anlagen die Funktionalität der Gebäudeautomation überprüft, die zum Betreiben der

auf dem Gebiet der Digitalisierung der öffentlichen Bauwirtschaft zusammen. Köln Petra Rinnenburger ist Techist zu diesem Thenische Betriebsleiterin der Gebäudewirtschaft der Stadt ma auch Mitglied Köln. Foto: BS/Martina Goyert im Wissenszirkel des Landes NRW. Im Schwerpunkt geht es dabei darum, dass die InAnlagen eingesetzt wird. Dieses strumente in und um Building dauert mindestens zwei Heizpe- Information Modeling (BIM) so weiterentwickelt und standarrioden lang. Deutlich besser ist es, wenn disiert werden, dass sie für alle die Einrichtungen der Gebäu- Marktteilnehmer einen Mehrwert deautomation zur Steuerung bilden. Die Informationen dienen und Regelung der Heizungs- und als Grundlage – von der Planung Lüftungsanlagen bereits vor der über die Realisierung bis hin zum Inbetriebnahme beziehungswei- Betrieb und der Erhaltung von se Abnahme überprüft werden. Bauwerke, einer guten Basis für Hierzu wurde mit der TH Köln Umbauplanungen sowie am Ende bereits ein Simulationsprogramm auch für optimierte Abbruchplaentwickelt, mit dem in wenigen nungen (Schadstoffe etc.) Die TH Köln befasst sich in Tagen ein komplett realistischer Jahresbetrieb simuliert werden ihrem Lehrgebiet “Baubetrieb, und die Funktionalität der ein- Bauwirtschaft und Baumanagegebauten Anlagen somit vorab ment” an der Fakultät für Bauüberprüft werden kann. Auch ingenieurwesen und Umweltbereits existierende Bestands- technik, unter der Leitung von anlagen mit unerwartet hohem Prof. Dr. Jürgen Danielzik, seit Energieverbrauch können mit vielen Jahren mit dem Thema diesem Programm nach einigen BIM. Die Gebäudewirtschaft setzt Betriebsjahren einer nachträg- bei der Planung, Ausführung lichen Optimierung unterzogen und Bewirtschaftung ihres Immobilienbestandes künftig verwerden. Mit der im Dezember 2019 ge- stärkt auf dieses Verfahren und schlossenen Erweiterung der be- treibt damit auf lokaler Ebene stehenden Kooperation mit Prof. eine Entwicklung voran, die die Dr. Müller soll die Anwendungs- Bundes- und Landesregierung tauglichkeit der Simulationssoft- als strategisches Ziel definiert ware analysiert werden, indem haben. Die Planungsmethode wird beweitere städtische Gebäude mit ihr überprüft werden. Vor allem reits erprobungsweise erfolgreich neu erstellte betriebstechnische bei einem Modellprojekt im KölAnlagen, bei denen kein Fernzu- ner Schulbau (Generalinstandgriff möglich ist und die somit setzung Bestandsgebäude sowie bisher nicht überprüft werden Neubauten eines Gymnasiums) können, stehen hierbei im Fo- angewendet. Bereits jetzt hat der kus. Damit kann die Stadt Köln Einsatz von BIM zu vielen neueinen erheblichen Beitrag zum en Schnittstellendiskussionen Klimaschutz leisten. geführt, die üblicherweise viel Nach fünf Jahren werden die später in Projekten erkennbar Funktionalität der betriebstech- werden. Ziel ist die Übernahme nischen Anlagen und die tatsäch- von mit BIM-Daten hinterleglich erzielte Einsparung nachge- ten Neubauten in das Facility wiesen und über die Fortführung Management und das dortige des Modells entschieden. Prüfungs- und Instandhaltungsmanagement. Auch aus Digitales Planen für effizien- Bestandssicht werden aktuell tere Prozesse Gebäude unter der PlanungsmeInhaltlich arbeiten die städti- thode BIM betrachtet, um auch sche Gebäudewirtschaft und die hier entscheidende Standards TH Köln seit November 2017 auch definieren zu können.

Eine der drei wichtigen Kohleregionen ist NRW. Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hält die Energiewende für einen Wachstumsmotor. Diese müsse ins Zentrum aller künftigen Investitionen gestellt werden, wobei die Vorschläge der Kohlekommission zeitnah umgesetzt werden müssten. “Leider weicht das Gesetz aber in zentralen Punkten von den Empfehlungen ab”, moniert er. Besonders bezüglich der Regelungen zur Abschaltung der Steinkohle-Kraftwerke müsse “die Bundesregierung unbedingt nachbessern”, so Pinkwart im Rahmen des Stadtwerke Forums der NRW.Bank. Michael Wübbels, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter der Abteilung Energiewirtschaft beim Verband Kommunaler Unternehmen (VKU), pflichtet dem bei: “Die Steinkohle-Regelungen sind völlig unverständlich.” Viele der Anlagen seien neu und modern und sollen nun entschädigungslos stillgelegt werden, dabei sei oft die Refinanzierung noch gar nicht abgeschlossen. Wenigstens die müsse ausgeglichen werden, fordert Wübbels. Pinkwart warnt, dass ansonsten Investitionen entwertet würden und das Vertrauen in den Energiestandort Deutschland langfristig zerstört würde. Joachim Rumstadt, Vorsitzender der Geschäftsführung des fünftgrößten deutschen Stromerzeugers Steag, geht noch einen Schritt weiter in der Kritik. Seiner Meinung nach ist es nicht sinnvoll, eine zu schnelle CO2Neutralität anzustreben, insbesondere vor dem Hintergrund eines wachsenden Strombedarfs. Die Steag selbst verzeichnete im März einen coronabedingten Nachfrageverfall von 20 Prozent. Vor dem Hintergrund des damit verbundenen Marktpreisverfalls lässt sich seine generelle Kritik an der Umweltpolitik erklären. Rumstadt fordert, dass der Staat sich nicht nur auf Klimapolitik, sondern ebenfalls auf die Energiepolitik fokussieren solle. Doch auch der Energiekonzern hat die Richtung erkannt und betreibt neben Kohle- und

Braun- und Steinkohle machten im ersten Quartal 2020 nur noch knapp 20 Prozent der Nettostromerzeugung zur öffentlichen Stromversorgung aus.

Gasgroßkraftwerken direkt oder mittels Contracting-Verträgen mehrere kleinere Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).

KWK und EEG Beides komme aber ebenfalls im Kohleausstiegsgesetz zu kurz, meint Wübbels. Dabei sei gerade die KWK wichtig für die Versorgungssicherheit im Strom- und Wärmebereich, wenn auf Kohle verzichtet werde. “Das Bundeswirtschaftsministerium blockiert hier weiterhin massiv”, so der stellvertretende VKU-Hauptgeschäftsführer. Der Kohleausstieg müsse insgesamt als Einstieg in andere Energiearten verstanden werden. Prognostiziert werde ein benötigter Zubau neuer Erzeugungsanlagen mit einer Leistung von 17.000 MW ab Mitte der 20erJahre. Für eine gesicherte Erzeugungsleistung brauche es die entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Gesetz. Die Grundförderung nach dem KWK-Gesetz sei nicht ausreichend, so Wübbels. Das Bundeswirtschaftsministerium berufe sich auf Berechnungen zur Förderhöhe, die aus dem Jahr 2016 stammten. Auch sei der verzögerte Ausbau der großen Stromtassen ein großes Problem, wobei der Fokus aber auch mehr und mehr auf dezentralen Verteilernetzen der kommunalen Unternehmen liege. Aus Sicht von Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerks-

Foto: BS/AlbanyColley, pixabay.com

anlagen und Energieumwandlung, fehlt nach wie vor ein Masterplan für den Kohleausstieg. Ebenso wie es beim Atomausstieg an einem Drehbuch gefehlt habe, sei das auch hier der Fall, kritisiert er und betont, das Kohleausstiegsgesetz sei nicht mit dem ErneuerbareEnergien-Gesetz (EEG) kompatibel. Pinkwart plädiert: “Aus meiner Sicht muss man das EEG gänzlich überarbeiten und sich auf ein anderes System in Zukunft stützen.” Er fordert eine Senkung der Stromsteuer und der EEG-Umlage auf zwei Cent je Kilowattstunde, denn die Entlastung der Stromverbraucher sei ein wichtiges Handlungsfeld in NRW. “Wir können das Geld der Steuerzahler letztlich nur einmal ausgeben, deshalb müssen wir die Versorgung so nachhaltig und verantwortungsvoll wie möglich gestalten”, betont der Wirtschaftsminister. Ungeachtet dessen nahm nun das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in der Nähe von Dortmund den regulären Betrieb auf. Jahrelange wurde das Projekt durch Klagen verzögert, 2017 wurde eine Sondererlaubnis zum Betrieb des vierten Blocks erteilt. Eine Studie des Deutschen In­ stituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat nachgewiesen, dass Datteln 4 in Deutschland zu Mehremissionen in Höhe von 40 Millionen Tonnen CO2 führen wird. Die vorgeschlagene Abschaltung alter Kohlekraftwerke als Ausgleich ist da bereits eingerechnet.

Foto: Yvonne Bogdanski, stock.adobe.com

WEBKONFERENZ:

Beihilfenrechtstage 2020 Herausforderungen des EU-Beihilfenrechts im öffentlichen Sektor

22. – 23. Juni 2020 THEMEN UND REFERENTEN, U. A.: Tag 1, 13:00-16:00 Uhr ► Auswirkungen des Europäischen Beihilfenrechts auf die Kommunalwirtschaft in Deutschland ► Abgrenzung wirtschaftlicher und nicht wirtschaftlicher Tätigkeit (inkl. Handelsbeeinträchtigung und Binnenmarktrelevanz) ► Die Trennungsrechnung der Beihilfen empfangenden Stelle ► Die Überkompensationskontrolle der Beihilfen gewährenden Stelle ► Defizitabdeckung und EU-Beihilfen – formale Betrauung oder AGVO Lars Scheider, Abteilungsleiter Beteiligungsmanagement der Stadt Frankfurt a. M. Tag 2, 09:00-16:00 Uhr ► Die Wiederentdeckung der beihilfenrechtlichen Zwischenstaatlichkeitsklausel – was hat nur lokale Bedeutung? Prof. Dr. Joachim Erdmann, Uni Osnabrück und viele Jahre Ministerialrat im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.beihilfenrechtstag.de

► Folgen der Corona-Krise und beihilfenrechtliche Spielräume Jan Philipp Otter, Partner, Rechtsanwalt, Praxisgruppe Beihilfenrecht, PwC Dr. Michael Bierle, Partner, Rechtsanwalt und Steuerberater, PwC ► Förderung öffentlicher Unternehmen in und nach der Corona-Krise Dr. Tobias Traupel, Abteilungsleiter für Standortmarketing und -entwicklung, Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW ► Irrungen und Wirrungen bei staatlichen Grundstücksgeschäften Dr. Christian Kahle, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, Kanzlei BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN ► Tour d‘ Horizon – aktuelle Entwicklung und Herausforderungen für die neue Kommission Dr. Karl Soukup, Direktor Beihilfekontrolle in der Generaldirektion Wettbewerb, Europäische Kommission ► EU-Beihilfenrecht ist Richterrecht – Auswirkung der aktuellen Rechtsprechung auf den staatlichen Sektor in Deutschland Dr. Hanns Peter Nehl, Rechtsreferent, Kabinett von Richter Dr. Viktor Kreuschitz, Gericht der Europäischen Union


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Juni 2020

Digitale Bildung für alle

D

er souveräne Umgang mit der Digitalisierung und ihre kompetente Vermittlung in der Ausbildung gehören somit zu den zentralen Aufgaben unserer Zeit. Darüber sind sich Bildungspolitiker/-innen und Pädagog/-innen weitestgehend einig. Die vergangenen Monate haben diese Bedarfe noch einmal deutlich vor Augen geführt: Neben der Ausstattung bedarf es besonders auch pädagogisch-didaktischer Konzepte. Dabei geht es weniger um den viel bemühten Informatikunterricht ab der Grundschule, sondern um einen klugen Einsatz digitaler Möglichkeiten in jedem Fachunterricht. Die Frage stellt sich daher weniger nach dem Ob als nach dem Wie der digitalen Bildung für alle.

Der Anfang ist gemacht: ­Digitalstrategie der KMK Bereits Ende 2016 formulierte die Kultusministerkonferenz in ihrem Strategiepapier “Bildung in der digitalen Welt” grundlegende Medienkompetenzen. In diesem legte sie fest, dass Schüler/-innen einen Anspruch auf digitale Bildung im gesamten Fächerkanon haben – von Sport bis Mathematik. Es geht darum, sich mithilfe digitaler Medien zu informieren, aber auch zu recherchieren und zu kommunizieren. Sicherheitsaspekte vom Datenschutz bis zum Urheberrecht sollen bekannt sein. Digitale Medien sollen auch selbst produziert und präsentiert werden. Alle Bundesländer haben diese

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Ziele und Lösungsansätze aus der Praxis (BS/Dr. Elisabeth Maria Hofmann/Udo Lihs*) Über 30 Prozent der Jugendlichen in Deutschland sehen sich nicht in der Lage, Fake News zu erkennen. Zwei von drei Schüler/-innen haben im Unterricht noch nichts zur Sicherheit im Internet erfahren. Das zeigt unter anderem die ICILS-Studie, die im November an der Universität Paderborn vorgestellt wurde. Diese Ergebnisse bestätigen fast 200 Partnerschulen im Programm “DigiBitS – Digitale Bildung trifft Schule” des Vereins Deutschland sicher im Netz e. V. (DsiN), die sich eine stärkere Integration digitaler Bildung in ihre Schulfächer wünschen. Medienkompetenzen bereits in ihren Bildungsplänen als Lernziele verbindlich anerkannt. Seitdem sind Schulen zur Umsetzung verpflichtet – jeder Schüler und jede Schülerin in Deutschland hat ein Recht auf die Förderung von Medienkompetenzen. Mit dem Beschluss des DigitalPakts der Bundesregierung 2019 werden insgesamt fünf Milliarden Euro an Bundesmitteln auf die 16 Bundesländer verteilt und stehen Schulen für die Anschaffung von Hard- und Software zur Verfügung. Seitdem ist die öffentliche Debatte von der technischen Ausstattung geprägt. Demgegenüber steht die Erkenntnis, dass erst der kompetente Einsatz dazu führt, Urteilsfähigkeit, Kreativität und Verantwortungsbewusstsein junger Menschen zu fördern und die Teilhabe an der digitalen Gesellschaft bestmöglich vorzubereiten und zu begleiten.

Aktuelle Herausforderungen: digitale Bildung in der Praxis Heute stehen nun jedes Schulkollegium und jede einzelne Lehrkraft vor der Aufgabe, die digitale Bildung im schulischen Alltag

Beim Einsatz von digitalen Medien im Unterricht kann es heutzutage nicht mehr wirklich um ein Ob gehen, sondern vielmehr um das Wie. Statt spezielle Fächer anzubieten, kann es mehr bringen, in allen Fächern gezielt digitale Übungen mit in den Unterricht einzuflechten. Foto: BS/Deutschland sicher im Netz

umzusetzen – das heißt neben den alltäglichen Herausforderungen des Schulalltags. Die Rückmeldungen von teilnehmenden Schulen im Projekt DigiBitS zeigen: Es fehlt besonders an Orientierungsangeboten, die im Schulalltag wirklich weiterhelfen. Entstanden ist ein Aktionsplan, der dazu beiträgt, Digitalisierung als Bereicherung zu verstehen und im schulischen Alltag zu etablieren:

Aufwertung oder unnötige Mehrbelastung? Rheinland-Pfalz will ÖPNV zur kommunalen Pflichtaufgabe machen

Ängste abbauen und durch Motivation ersetzen: Leitfäden, Fortbildungsprogramme und Best Practices geben Schulen und Lehrkräften eine klare Perspektive. Es geht um die Entwicklung einer Haltung des lebenslangen Lernens. Schulleitungen und Politik sind gefordert, Lehrkräften diesen Freiraum des Ausprobierens zur Verfügung zu stellen. Skepsis durch Aufklärung im Kollegium überwinden: Mögliche Zweifel an der Notwendigkeit der digitalen Bildung oder Sorgen hinsichtlich der IT-Sicherheit, (Datenschutz, digitale Risiken wie Cyber-Mobbing und Hate Speech) können durch offenen Austausch bewältigt werden. Es gilt, mithilfe von Expert/-innen eine Akzeptanz für digitale Bildung herzustellen. Vorbereitung über Kooperation erleichtern: Das Teilen von Wissen, Erfahrungen und Materialien im Kollegium reduziert den Aufwand für Recherche und Unterrichtskonzeption. Auch eine schulübergreifende Vernetzung trägt zur Entlastung bei. Die Zusammenarbeit mit externen Akteuren und Angebote der Medienbildung unterstützen Lehrkräfte darüber hinaus mit zusätzlicher Expertise. Ressourcenverlust durch Medienkonzept vorbeugen: Die

Förderung der Medienkompetenzen ist nachhaltig, wenn sie in die Schulentwicklungsplanung integriert wird. Ein schulinternes Medienkonzept zeigt auf, wie IT-Infrastruktur sinnvoll zum Einsatz kommt. Zuständigkeiten sollten geklärt und Lernziele der Medienbildung für die einzelnen Fachbereiche gemeinsam formuliert werden. Fehlender IT-Infrastruktur mit Kreativität begegnen: Mangelndes WLAN oder fehlende Endgeräte können teilweise durch kreative Alternativen ausgeglichen werden. Angebote wie DigiBitS zeigen die Vielzahl an Möglichkeiten auf: von Apps, die offline funktionieren, bis hin zum datenkonformen Einsatz privater Geräte (BYOD).

Die wichtigsten Ressourcen: Zeit und Kompetenz Um die Bedarfe an Schulen aufzugreifen, geht es um die kluge Bündelung und Präsentation von bestehenden Angeboten, um sie anhand der konkreten Lehrpläne sinnvoll im Unterricht einzusetzen. Diesen Ansatz verfolgt der frei zugängliche OnlineMaterialpool von DigiBitS, in dem Lehrkräfte rund 500 geprüfte und weitestgehend kostenfreie Unterrichtsmaterialien zur Medienbildung finden.

Schulen in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, NRW, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und dem Saarland können sich außerdem als Partnerschule im Programm bewerben. Sie erhalten einen Materialkoffer mit allen Unterrichtseinheiten, Checklisten und Tooltipps sowie einem Tablet und können an regionalen Vernetzungstreffen und bundesweiten Aktionstagen teilnehmen. Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen im schulischen Alltag wie Cyber­-Mobbing und Hate Speech werden aufbereitet und als Lernmaterial zur Verfügung gestellt. Im Kern geht es stets darum, Lehrkräfte zu motivieren, um Schüler/-innen in der Entwicklung ihrer digitalen Kompetenzen zu fördern. Um gerade auch regional unterschiedliche Ansätze und Initiativen hinreichend abzubilden, kann auch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern und Akteuren der Medienbildung dazu beitragen, digitale Inhalte im Unterricht aufzugreifen. Auf diese Weise findet schulisches Lernen im Zentrum eines gesamtgesellschaftlichen Transformationsprozesses statt und gestaltet diesen Prozess der Digitalisierung mit. *Dr. Elisabeth Maria Hofmann ist Projektkoordinatorin bei Deutschland sicher im Netz; Udo Lihs ist Bildungsreferent bei Deutschland sicher im Netz.

(BS/Wim Orth) Die Organisation und Ausstattung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ist gerade in ländlich geprägten Regionen immer ein zweischneidiges Schwert. Einerseits dient ein engmaschiges Netz als ein zentraler Aspekt der Daseinsvorsorge, mit dem die Bürger in die Schule, zur Arbeit oder zu Freizeitaktivitäten fahren können. Andererseits ist der ÖPNV eine teure Angelegenheit, der sich durch den reinen Erlös durch Baustellenatlas als Software as a Service bietet Lösung Fahrscheine nicht annähernd trägt und in finanziell angeschlagenen Kommunen durch die Freiwilligkeit dieser kommunalen Leistung am Ende der Kette der Haushaltsleistungen stehen kann. Um an dieser Stelle für mehr (BS/Jürgen Besler*) Schlecht koordinierte Tiefbauarbeiten im Netzbereich, die oft ganze Straßenzüge und Sicherheit zu sorgen, plant die Landesregierung von Rheinland-Pfalz eine Novelle des Nahverkehrsgesetzes, Stadtgebiete langfristig lahmlegen, sind in vielen Städten und Kommunen ein Problem. Und sie verursachen um den ÖPNV zur kommunalen Pflichtaufgabe zu machen. oft unnötige Kosten, wenn verschiedene Betreiber öffentlicher Energieversorgungsnetze und private Telekommunikationsnetze unkoordiniert zeitnah Aufgrabearbeiten realisieren. Eine innovative Webanwendung Mit dem neuen Nahverkehrsge- ein durchgehend koordiniertes bis zur “Milchkanne””, die alle kann Abhilfe schaffen.

Synergien bei Tiefbauarbeiten nutzen

setz (NVG) will das Land dafür sorgen, dass der Nahverkehr flächendeckend aufeinander abgestimmt ist und mit landesweiten Tickets eine spürbar gesteigerte Nutzerfreundlichkeit erzielt wird. Seit der letzten Novelle im Jahr 1995 habe sich bei Verkehr, Reisebedürfnissen und den technischen Möglichkeiten so viel verändert, dass das aktuell bestehende Gesetz nicht mehr zeitgemäß sei. Zukünftig soll nun gelten: “Alles aus einer Hand”. Statt einem ÖPNV, der sich aktuell auf fünf Verkehrsverbünde für den Nahverkehr auf der Straße und zwei zusätzlichen Zweckverbände für den Schienennahverkehr verteilt, soll es künftig nur noch zwei “Zweckverbände Öffentlicher Personennahverkehr Rheinland-Pfalz” geben, die sich auf Nord- und Südteil verteilen. Diese sind für Bus- und Schienenverkehr gleichermaßen zuständig, um landesweit geltende Standards schneller konzipieren und umsetzen zu können. Um die kommunale Kompetenz hervorzuheben, wird das Stimmrecht für die kommunalen Vertreter einen Anteil von 60 Prozent betragen. Als zentrales Dach wird von den beiden Zweckverbänden ein gemeinsamer “Ständiger Ausschuss” eingerichtet, in dem die landesweit relevanten Themen koordiniert werden. Zudem werden die Zweckverbände, deren Mitglieder sich aus den Landkreisen, kreisfreien Städte und dem Land zusammensetzen, jeweils in zwei Regionalausschüsse unterteilt, um die drängenden Fragen auf regionaler Ebene anzugehen. Um den gesamten Nahverkehr im Land zentral ausarbeiten und steuern zu können, wird direkt aus der Landesregierung ein Landesverkehrsplan erstellt, der

Mindestsangebot für den ÖPNV in Rheinland-Pfalz enthalten soll. Anschließend steht es den Kreisen bzw. kreisfreien Städten offen, zusätzlich eigene Nahverkehrspläne zu erstellen. Dabei können auch regionale Verkehrspläne ausgearbeitet werden, die kommunale Grenzen überschreiten. Um die Finanzierung des ÖPNVs zu vereinfachen, wird diese “unter Berücksichtigung eines Besteller-Ersteller-Systems neu strukturiert”, erklärt die Landesregierung. Dabei vergeben die kommunalen Aufgabenträger die geforderten Verkehrsleistungen in wettbewerblichen Verfahren, die Zuständigkeit der Finanzierung teilen sie aber mit dem Land.

Finanzierung nicht klar Trotz der versprochenen Unterstützung aus der Mainzer Landesregierung sind die kommunalen Vertreter zwiegespalten, ob die Novelle eine Chance oder eine Mehrbelastung darstellt. Kritisch ist der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. Für dessen Geschäftsführendes Vorstandsmitglied Dr. Karl-Heinz Frieden “hängt das Zukunftsprojekt nicht davon ab, ob es sich um eine kommunale Pflichtaufgabe oder um eine freiwillige Leistung handelt”, wenn schlicht das Geld fehle. Statt einer Diskussion über die behördliche Einordnung bestimmter Aufgaben brauche es einen vollumfänglich gedachten “Masterplan Verkehrswende”. Um den Bürgern “die Möglichkeit zu geben, möglichst ortsnah auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, um die Ballungsräume zu erreichen”, brauche es eine Abkehr vom reinen Fokus auf Bus und Bahn und stattdessen “öffentliche Mobilitätskonzepte

Aspekte des heutigen Verkehrs mit einbeziehen. Vor dem Hintergrund dieser Forderung sieht Frieden es als schädlich für die Kommunen in Rheinland-Pfalz, diese neue Pflichtaufgabe ohne neue Finanzmittel erfüllen zu müssen: “Erfolgt die Aufstufung zur Pflichtaufgabe, ohne dies finanziell zu hinterlegen, besteht die große Gefahr, dass das Geld an anderer Stelle fehlen oder die Kreisumlage zulasten der kreisangehörigen Gemeinden und Städte angehoben wird.” Deutlich positiver steht der Städtetag Rheinland-Pfalz den Planungen der Landesregierung gegenüber. “Wir sehen in der Aufwertung des ÖPNV zur Pflichtaufgabe ein wichtiges Signal des Landes angesichts der bevorstehenden Verkehrswende”, erklärt Michael Ebling, Vorsitzender des Städtetages RLP sowie Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Mainz. Um den Klimawandel weiter aufhalten sowie den Rückbau der autogerechten Städte umsetzen zu können, müsse ein Großteil des heutigen Individualverkehres von der Straße verschwinden. Auch betrachtet man das gemeinschaftliche Finanzierungsmodell beim Städtetag als Zeichen der Unterstützung, so Ebling: “Unsere Städte benötigen die finanziellen Möglichkeiten, um die Verkehrswende nachhaltig und an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet voranzubringen. Der von der Landesregierung vorgelegte Entwurf leistet dazu einen guten und auch dringend erforderlichen Beitrag.” Durch den Entwurf der Novelle entstehe den Kommunen kein finanzieller Schaden, sondern die Finanzierung des ÖPNV werde im Gegenteil auf eine ganz neue Basis gestellt.

Mit unserem webbasierte Baustellenatlas (BSA) haben wir eine leistungsfähige Lösung entwickelt, die sich die Netzbetreiber und die Verantwortlichen in Städten und Kommunen schon lange gewünscht haben. Der mit dem Green Buddy Award in der Kategorie “Smart Cities Lösungen” ausgezeichnete BSA ermöglicht die wirtschaftliche Koordinierung von Bauvorhaben, gibt einen einfachen Überblick über alle öffentlichen Baumaßnahmen und diese werden somit transparent, nachvollziehbar und koordinierungsfähig. Damit können Kosten gespart und die Umwelt durch weniger CO2- und Lärm­ emissionen besser geschützt werden. Der BSA wird als Software as a Service (SaaS) ohne aufwendige und kostenintensive Software-Installation und -administration bereitgestellt. Der Atlas ermöglicht den berechtigten Nutzern so ohne großen Vorlauf einen direkten und schnellen Zugang zu allen im BSA hinterlegten Bauinformationen aus verschiedenen Datenquellen. Die Daten zu den geplanten Baumaßnahmen können von den teilnehmenden Netzbetreibern und Kommunen dabei entweder On-Screen oder problemlos per WFS-Schnittstelle aus den im Einsatz befindlichen Geoinformationssystemen (GIS) oder als Shape-Daten für mehrere Jahre vorausschauend in das System überführt werden. Auch ein späterer Reimport über die WFS-Schnittstelle mit den Planungsdaten anderer Netz- bzw. Baustellenbetreiber in das hauseigene GIS-System ist jederzeit möglich.Doch nicht nur die direkte Zusammenarbeit zwischen

den Netzbetreibern wird durch den Einsatz des Baustellenatlas erleichtert. Auch die Kommunen können bei Aufbrüchen von Straßen bspw. bei Abwasserverlegungen die verbleibende Oberfläche miterneuern lassen und so Synergie im Straßenerhalt schaffen. Zudem können Kommunen im System wichtige Informationen hinterlegen. So erlassen viele Kommunen nach z. B. Baumaßnahmen mit EUFördergeldern zeitlich begrenzte Aufgrabeverbote, in denen Straßenbauarbeiten untersagt sind. Aber auch andere Detailinformationen zum Straßennetz sowie Angaben zu Wasser- und Naturschutzgebieten können von den Verantwortlichen der öffentlichen Verwaltungen in den BSA eingespeist werden. Das gleiche gilt für wiederkehrende Nutzungen des öffentlichen Straßenraums, etwa durch Märkte, Straßen- und Stadtteilfeste sowie bei Fanmeilen und anderen Großveranstaltungen. Die genauen Termine und Zeiträume können im System hinterlegt werden und sind so jederzeit für alle Nutzer direkt ersichtlich. Neben den Kommunen profitieren auch die Betriebe des öffentlichen Nahverkehrs von den im Baustellenatlas hinterlegten Informationen. Sie können anhand der eingetragenen Straßenbaumaßnahmen ihre Fahrpläne leichter anpassen. Gleichzeitig erhalten die Unternehmen auch bei der Einrichtung von Umleitungen mehr Transparenz, wenn sie frühzeitig über verlässliche Informationen zu angrenzenden Baumaßnahmen verfügen. Auch für die von den Baumaßnahmen betroffenen Bürger können die im BSA hinterlegten In-

formationen auf Internetseiten nutzbar gemacht werden. Städte und Gemeinden, die zusätzlich das BaustellenInformationsSystem (BIS) der infrest nutzen, können “abgespeckte Daten” aus dem BSA direkt in das BIS übernehmen. Über eine kostenlos herunterladbare App können die Bürger dann, indem sie einfach eine genormte Bake im Baustellenbereich ad-hoc einscannen, direkt vor Ort Informationen zur Baumaßnahme und ihrer Dauer angezeigt bekommen. Darüber hinaus bietet die App die Möglichkeit, gezielt einen der an den Arbeiten beteiligten Infrastrukturbetreiber direkt zu kontaktieren und Hinweise bzw. Fragen zur Baustelle zu übermitteln.

Weitere Ausbaustufen ­geplant Durch eine umfangreiche Suchmaske, die einfach zu bedienenden Koordinierungsfilter und komfortable Im- und Exportfunktionen bietet unser Baustellenatlas schon jetzt eine leistungsfähige Komplettlösung, die ohne großen administrativen Aufwand von Kommunen und Netzbetreibern in Betrieb genommen werden kann. Doch beim bereits Erreichten soll es nicht bleiben. Wir planen bereits weitere Ausbaustufen der Lösung. So ist ein Umleitungskataster in Planung, das im Laufe des Jahres fertiggestellt werden soll und die Planungen und Koordinierungen der Umleitungen erleichtern. Weitere Informationen unter www.infrest.de *Jürgen Besler ist Geschäftsführer der infrest GmbH.


Kommunale Infrastruktur

Seite 18

Behörden Spiegel / Juni 2020

Erst die Autos, jetzt die Säulen

D

enn gerade in jenen Fuhrparks, in denen die Fahrzeuge nur regional begrenzt unterwegs sind, also wie in fast allen Bauhöfen, Stadtwerken und sonstigen kommunalen Einrichtungen, macht es für Umwelt und Stadtkasse gleichermaßen Sinn, den Wagen abends “einfach an die Steckdose hängen” zu können, statt regelmäßig für viel Geld umweltschädlichen Diesel in die Fahrzeuge tanken zu müssen. Da Lademöglichkeiten mit hohen Stromstärken im öffentlichen und privaten Raum jedoch immer noch rar gesät sind, fördern einige Länder sowie der Bund nun gezielt den Ausbau der Infrastrukturen. Voran geht an dieser Stelle die nordrhein-westfälische Landesregierung, wo das Thema im Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) angesiedelt ist und hohe Priorität genießt. Aus dem Ministerium sollen allein in

Bund und Länder fördern mehr und mehr Infrastrukturprojekte (BS/Wim Orth) Die Elektromobilität hat sich in den letzten Jahren langsam, aber sicher aus dem Nischendasein verabschiedet und dringt seitdem stetig weiter in den Markt vor. Daran haben nicht nur die Automobilhersteller einen Anteil, sondern vor allem auch die Kommunen und sonstigen Behörden quer durch die Republik, die bereits früh die Potenziale der inzwischen gar nicht mehr so neuen Technologie erkannt haben. Was häufig aber noch fehlt, sind schnelle Lademöglichkeiten mit hoher Stromversorgung. Darum werden diese von Bund und Ländern gezielt gefördert. diesem Jahr rund 35 Millionen Euro in die Förderung der Elektromobilität im bevölkerungsreichsten Bundesland fließen; 25 Millionen Euro dieser Förderung, die erneut unter dem etablierten Titel “Emissionsarme Mobilität” läuft, sind dabei explizit für die Anschaffung von Ladesäulen und die sogenannten Wallboxes festgeschrieben. Laut Ministerium ist die Nachfrage für die Förderung auch in diesem Jahr unvermindert hoch. So wurde im ersten Quartal die Förderung von mehr als 2.500 neuen Ladepunkten im

deutlich vorangekommen”, so Wirtschafts- und Energieminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart. “Seit dem Start des Programms Emissionsarme Mobilität im Oktober 2017 Bund und Länder legen ihren Fokus bei der Förde- bis Dezember 2019 rung von Mobilitätskonzepten zunehmend auch auf wurden mehr als infrastrukturelle Aspekte. Foto: BS/AKrebs60, pixabay.com 16 Millionen Euro für den Aufbau von Bundesland bewilligt. Mit den 9.150 Ladepunkten bewilligt. Bei Investitionen sei das Land “beim der Zahl der halb-öffentlichen Ausbau der Ladeinfrastruktur und öffentlichen Ladepunkte

Desinfektionsaufbau und Plane für E-Transporter Neue Möglichkeiten für Nutzfahrzeuge von Tropos Motors (BS/Gordon Krug*) Die Elektromarke Tropos Motors Europe aus Herne präsentiert für ihre kompakten elektrischen Nutzfahrzeuge neue Aufbauten, die in Deutschland speziell für den Tropos ABLE entwickelt wurden. Interessant ist, dass sich die Aufbauten innerhalb kurzer Zeit wechseln lassen. Trotz seiner kompakten Abmessungen von 1,40 Meter Breite und 3,70 Meter Länge verfügt der Tropos ABLE über eine Ladefläche von 2,20 Metern und damit über die größte Ladefläche seiner Klasse. Aufbauten mit bis zu 4,5 m³ Volumen stehen zur Verfügung. Der kleine Elektrotransporter kommt aufgrund seiner kompakten Abmessungen nahezu überall hin und kann damit sehr flexibel eingesetzt werden – lokal emissionsfrei und nahezu geräuschlos.

Intralogistik, Facility Management, Galabau oder Handwerk gerecht werden. Den Kern bildet eine 18 mm Siebdruckplatte, die nach BFU

integrierte Befestigungspunkte, um ein Ladungssicherungsnetz oder Expanderband mit einzuhängen. Planhaken an den Bordwänden müssen dadurch

Pritsche, Laubgitter, Plane Gleich zwei neue Aufbauten gibt es von Tropos für die kürzlich vorgestellte Pritsche: ein Laubgitter sowie ein Planegestell. Um die multivariable Pritsche mit Laubnetz oder Plane zu erweitern, wird lediglich ein Transportgestell benötigt, welches die Basis für beide Erweiterungen bildet. Dadurch kann die Pritsche zu einer Drei-ineins-Lösung ausgebaut werden und so unterschiedlichsten Ansprüchen von Kommunen, Städten, Zoos, Freizeitparks, Hotelanlagen, Campingplätzen,

Tropos ABLE mit Desinfektionsaufbau.

100 wetterfest verleimt ist. Die Bordwände können nach unten abgeklappt und bei Bedarf ohne Werkzeug ausgehängt werden. Auf der Ladefläche befinden sich vier aufgebaute Zurringe, die mit der Siebdruckplatte und dem ALU-Sonderprofil verschraubt sind. Die Scharnierbolzen und Drehlager sind aus Edelstahl. Der Clou: An den Scharnierbolzen befinden sich

Foto: BS/TROPOS MOTORS EUROPE

nicht mehr aufgebracht werden und mindern das Verletzungsrisiko sowie das Risiko von Beschädigungen zum Beispiel an der Bekleidung.

Flächenreinigung und Desinfektion Ein weiterer Aufbau wurde für die Flächenreinigung und Desinfektion entwickelt. Damit kann der Tropos ABLE in öffent-

lichen Bereichen zur Reinigung und Desinfektion von Kontaktflächen und Gegenständen sowie zur Stadtbildpflege eingesetzt werden. Die Beseitigung von Viren, Bakterien und Pilzen ist mittels dieses Trockendampfgeräteaufbaus möglich. Laut WHO tötet Hitze ab 56 °C auch das SARS-Coronavirus ab. Je höher die Hitze, desto schneller lässt sich das Virus inaktivieren. Das im Tropos ABLE eingesetzte Gerät leistet bei einer Boilertemperatur von 178 °C eine Temperatur an der Lanzenspitze von 135 °C. Bei Abständen von fünf cm bzw. zehn cm von der Lanzenspitze entfernt beträgt die Temperatur zwischen 125 bis 85 °C bzw. 90 bis 74 °C. Der elektrisch angetriebene Tropos ABLE ist flexibel nutzbar und kommt aufgrund seiner schmalen Abmessungen an viele Einsatzorte direkt hin. Weitere Informationen finden sich unter www.tropos-motors.de . *Gordon Krug ist Leiter Marketing beim Mutterkonzern von Tropos Motors, der Mosolf SE & Co. KG.

liegt Nordrhein-Westfalen im Bundesländervergleich in der Spitzengruppe hinter Bayern und Baden-Württemberg. Bei den Ladepunkten pro 1.000 km² wird Nordrhein-Westfalen nur von den Stadtstaaten übertroffen und steht an erster Stelle der Flächenländer. Auf diese erfreuliche Entwicklung wollen wir aufbauen und die Elektromobilität weiter vorantreiben.”

Aktive und passive Unterstützung für Kommunen Auf diese Weise wolle man das Klima besser schützen und im selben Zuge auch die Kommunen des Landes bei ihrem Kampf gegen schadstoffbelastete Luft unterstützen. Weitere Entlastung soll geschaffen werden, indem nicht nur der Aufbau einer Wallbox oder Ladesäule, sondern insbesondere auch die Schaffung von Ladepunkten für Flottenund Mitarbeiterfahrzeuge in voller Breite gefördert werden, also auch inklusive des benötigten Netzes und der dazugehörigen Tiefbauarbeiten. Kommunen können vom Land beim Aufbau von stationärer Ladeinfrastruktur mit bis zu 50 Prozent der Ausgaben unterstützt werden. Eine Voraussetzung gibt es allerdings: Der Ladestrom muss entweder aus erneuerbaren Energiequellen oder aber aus direkt vor Ort erzeugtem, regenerativem Strom stammen. Zudem muss die Ladestation mit einer Steckdose bzw. einem Stecker der Norm “Typ 2” ausgestattet sein. Um bei den gebotenen Möglichkeiten des Marktes nicht auf sich allein gestellt zu sein, fördert das Land neben konkreten Anschaffungen auch Beratungsangebote mit bis zu 80 Prozent.

Auch im Norden wird die Infrastruktur weitergebaut Aber nicht nur in NRW wird der weitere Aufbau der Ladeinfrastruktur vorangetrieben. So gibt es beispielsweise auch in Niedersachsen eine millionenschwere Förderung für die kommenden Jahre, um zukunftssicher aufgestellt zu sein, wie Wirtschafts-

und Verkehrsminister Dr. Bernd Althusmann erklärt: “Wir wollen die Grundlage dafür schaffen, dass niemand in Niedersachsen mehr lange suchen muss, bis er die nächste E-Ladesäule gefunden hat. Hier steht Niedersachsen als Flächenland zwar schon gut da, aber wir müssen noch besser werden, um die Klimaziele zu erreichen. Daher gehen wir das Thema offensiv an.” Im Rahmenbudget von insgesamt rund 5,7 Millionen Euro sind Einzeletats für Ladeinfrastrukturmaßnahmen mehrerer Gruppen vorgesehen: So sollen 2,7 Millionen Euro für Projekte in Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU) investiert werden sowie eine Million Euro, “um an Behördenstandorten im eigenen Geschäftsbereich die Ladeinfrastruktur auszubauen und Fahrzeuge auf emissionsarme Antriebe umzustellen”, wie es das Ministerium formuliert. Weitere zwei Millionen Euro fließen in den Ausbau der Schnellladeinfrastruktur. Ziel des Landes ist es dabei, bis 2023 ein flächendeckendes Schnellladesäulennetz mit mindestens 100 kW aufzubauen. Hierfür nutzt Niedersachsen eine Länderöffnungsklausel der neuen Bundesförderrichtlinie “Ladeinfrastruktur”. Diese Förderung soll zum 1. Januar 2021 starten. Diese Öffnung hatte der Bund eingerichtet, um den Wert von aktuell rund 25.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten in Deutschland so schnell wie möglich zu verdreifachen. Bei der Bestimmung der optimalen Standorte für öffentlich verfügbare Lademöglichkeiten hilft den Niedersachsen, aber potenziell der gesamten deutschen Behördenlandschaft, das neue StandortTOOL des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Mit dem 2019 gestarteten Tool können die Bedarfe für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland zentral geplant werden, indem für private Investoren und Kommunen gleichermaßen Lösungen angeboten werden, wo Ladepunkte realisiert werden könnten und sollten. Bei der Ergebnisfindung analysiert das Tool nicht nur den aktuellen Status quo und die projizierte Entwicklung, sondern übernimmt zusätzlich breit gestreute Daten aus Verkehrsströmen, sozioökonomischen Aspekten sowie Nutzer- und Raumstrukturen, so das BMVI. Die Ergebnisse werden anschließend in einer Karte präsentiert.



Kommunale Sicherheit

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Kühlung ist das Gebot der Stunde

Poser – Liker – Selbstdarsteller

Brandbekämpfung bei E-Autos

Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer werden in Kauf genommen

(BS/Bennet Klawon) Mit neuen Technologien kommt auch immer das Unbekannte. Dies lässt sich bei der Verbreitung von E-Autos beobachten. Zu den Fragen der Effizienz, der Infrastruktur oder der Klimaverträglichkeit gesellt sich auch die Frage nach der Sicherheit. Die Einsatzkräfte der Feuerwehren stehen vor einem neuen Einsatzszenario, falls ein solches Fahrzeug verunglückt und in Brand gerät. Aber was ist bei der Brandbekämpfung zu beachten? Welche Gefahren gibt es bei Bränden von E-Autos?

(BS/Dieter Schäfer) Poser sind überwiegend sehr junge Männer. Der Großteil hat Migrationshintergrund, meist südosteuropäisch oder arabisch, aber überwiegend türkisch/kurdisch. Man sieht sie oft zu zweit oder zu dritt im Poser-Fahrzeug. Allen gemein ist ein hohes Geltungsbedürfnis. Sie brauchen ihre Bühne: am besten gut frequentierte Cafés mit Außenbewirtschaftung.

Brände bei E-Autos entwickeln sich hauptsächlich im Inneren der Batterie. Hierbei entstehen in den einzelnen Zellen des Speichermediums sehr hohe Temperaturen. Zudem besteht die Gefahr des sogenannten “thermal runaway”: Der Brand springt von einer Zelle in die nächste. Deshalb werden E-Autos durch Runterkühlen der Batterie gelöscht, um ein Überspringen zu verhindern. Die Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren (AGBF) und der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) empfehlen deshalb, mit Wasser zu löschen, da dieses am besten zur Kühlung geeignet sei. Andere Löschmittel wie Metallbrandpulver, ABC-Pulver oder CO2 würden dabei nicht genügend Kühlwirkung entfalten. Dennoch ist dabei zu beachten, dass beim E-Autobrand mehrere Tausend Liter Wasser benötigt werden. Im Vergleich dazu reichen bei den Löscharbeiten von Autos mit Verbrennungsantrieb meistens mehrere Hundert Liter Wasser. Schwierig bei Bränden von EAutos ist die Feststellung, wann das Feuer erloschen ist. Deshalb sollte die Temperaturentwicklung mittels Wärmebildkamera beobachtet werden. Ein Temperaturanstieg kann auf ein erneutes Aufflammen innerhalb der Batterie hindeuten. Deshalb ist die Kühlung der Batterie besonders wichtig. Auch beim Abtransport sollte der zuständige Abschleppdienst über den Brand informiert werden, damit dieser Vorsichtsmaßnahmen treffen kann. Grundsätzlich gehe je-

doch von Fahrzeugen mit Elektro-Antrieb eine vergleichbare Gefahr wie von Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor aus, so Karl-Heinz Knorr, Vizepräsident des DFV. Grund dafür seien die Fertigungsstandards, die zertifizierten Ladeeinrichtungen sowie Zellenüberwachung der Autos. Bei fachgerechter Handhabung sei das Gefahrenpotenzial als minimal einzustufen, so die Risikoeinschätzung von AGBF und DFV. Zudem hätten Brandversuche gezeigt, dass auch die Brände von Elektrofahrzeugen mit denen von Fahrzeugen mit konventionellen Verbrennungsantrieb vergleichbar seien. Das bedeutet, dass für die hauptsächliche Rauch- und Wärmeentwicklung die verbauten Kunststoffteile verantwortlich sind. Bei diesen Bränden können, wie bei anderen Autobränden auch, karzinogene Stoffe und Schwermetallablagerungen entstehen. Eine besondere Gefahr geht natürlich von der spannungsgeladenen Batterie und den Bauteilen aus.

Besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich Dies bedeutet, dass bei einem E-Autobrand besondere Maßnahmen zu ergreifen sind. So ist das Anlegen von Schutzausrüstung mit der europäischen Norm EN 469 und von Atemschutz erforderlich. Bei Auslaufen von größeren Mengen von Chemikalien aus der Batterie sollten die Einsatzkräfte nach der Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV 500) zur Gefahrengruppe II Chemie (GG II C) vorgehen. Das

heißt, dass Maßnahmen, wie die Verhinderung der Ausbreitung von freigesetzten Stoffen und die Verständigung der zuständigen Umweltbehörden, zu ergreifen sind. Um der Gefahr des elektrischen Stroms zu begegnen, ist Abstandhalten geboten. Damit es nicht zur Ableitung des Stroms über den Wasserstrahl auf die Einsatzkraft kommt, sind Mindestabstände zwischen dem Strahlrohr und dem brennenden Auto einzuhalten. Die Abstände sind in der DIN VDE 0132 zur “Brandbekämpfung im Bereich elektrischer Anlagen” geregelt. Nach der Norm sollen bei Löscharbeiten mit einem Mehrzweckstrahlrohr von einem Brand mit Hochspannung mindestens zehn Meter Abstand gehalten werden. Erst nach diesem Abstand hat sich der Strahl so entfaltet, dass keine geschlossene Leitungsbahn mehr entsteht. Bei neueren Hohlstrahlrohren sind ähnliche Abstände einzuhalten.

Bisher niedriger Anteil Doch noch ist die Verbreitung von Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb nicht besonders hoch. Am 1. Januar 2020 waren laut dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) rund 136.000 E-Autos auf deutschen Straßen zugelassen. Damit nehmen diese Kraftfahrzeuge nur einen Anteil von 0,3 Prozent der insgesamt zugelassenen Fahrzeuge in Deutschland ein. Dennoch kann bei dem rasanten Wachstum von 64 Prozent im Vergleich zum Vorjahr damit gerechnet werden, dass dies nicht mehr lange so bleiben wird.

Richtige Entscheidung in Bayern Auch Kommunen dürfen stationäre Geschwindigkeitsmessungen durchführen

In nahezu allen sportiven Modellen höherwertiger Automarken gehören digital steuerbare Klappenauspuffanlagen mit Sportund Race-Einstellungen zum Markenrenommee und werden serienmäßig verbaut. So werden Gasstöße abgegeben, um im programmierten Race-Modus der Klappenauspuff-Anlage das sogenannte Backfire, also Fehlzündungen, zu erzeugen. Im weiteren Verlauf lässt man 20 bis 30 Meter Abstand zum Vorausfahrenden, um dann kurzzeitig bei voller Motorkraft zu beschleunigen. Die Rundfahrt auf der Poser-Meile kann dann schon mal zwei bis drei Stunden andauern.

Anschreiben verschickt Die Poser nehmen dabei in den belebten Innenstädten erhebliche Gefahren in Kauf. In Mannheim ereigneten sich innerhalb von zwei Jahren vier schwere Raserunfälle mit Poserbezug. Wer nun aber aus Geltungsdrang die Gefährdung von Menschenleben in Kauf nimmt, zeigt erhebliche charakterliche Mängel und sollte bei einer Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) seine Eignung nachweisen. Die Mannheimer Verkehrspolizei versendet deshalb an die verhaltensauffälligen Männer sogenannte Gefährderanschreiben. In diesen ist die Option der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) erfasst. Problematisch erscheint hier noch der Grad der Erheblichkeit im Sinne der Fahrerlaubnisverordnung zu sein. Unstrittig sollte die Einordnung bei Vorliegen eines Raserunfalles oder einer Verurteilung nach dem Rasertatbestand sein. Durch Aufnahme eines Bußgeldtatbestandes für

der Betriebserlaubnis vor und das Fahrzeug wird sichergestellt und einem Gutachter vorgeführt. Das Dieter Schäfer hatte eine leitende Funktion im PoliF a h rzeu g wi rd zeipräsidium Mannheim inne, entstempelt und unter anderem im Bereich der der Besitzer muss Verkehrspolizei. F oto: BS/privat eine vierstellige Summe aufbringen, um die Kosaggressives Posen in die Emp- ten zu decken und die Wiederfehlungen des AK III beim 58. zulassung zu erwirken. Deutschen Verkehrsgerichtstag Verursacht der Fahrer durch ist hierzu ein weiterer Schritt sein Fahrverhalten den Lärm vollzogen. Die Polizei kann Pro- mit zugelassenen Klappenausbleme dieser Intensität allein puffanlagen, so macht er unnur schwer schultern und schon nötigen Lärm. Paragraf 30 der gar nicht nachhaltig lösen. Sie Straßenverkehrsordnung (StVO) braucht die unbedingte Unter- sah hierfür ein Verwarnungsgeld stützung der Bürgerschaft und in Höhe von 15 Euro vor. Im Wieinsbesondere die enge Zusam- derholungsfall war ein Bußgeld menarbeit mit der Kommunalver- in Höhe von 50 Euro und ein waltung. Anzeigen und Sanktio- Punkt in Flensburg fällig. nierungen allein bringen keinen Ganz Hartnäckigen wurde von dauerhaften Erfolg – eine Ver- der Polizeibehörde eine Unterknüpfung mit Maßnahmen aus lassungsverfügung erteilt und der Verwaltungsvollstreckung ein Zwangsgeld in Höhe von aber sehr wohl. 1.000 Euro angedroht. Zwei Poser mussten letztlich bezahlen. Auch Bürger gefragt Einer der beiden strengte eine Durch ein offensives und kre- Verwaltungsklage an und veratives Maßnahmenbündel zur lor in der Revisionsinstanz des Eindämmung der Störungen Verwaltungsgerichtshofs Badenkönnen die Bürger mitwirken. Württemberg. Das Mannheimer Fällt ein Fahrzeug an mindestens Maßnahmenbündel trägt damit zwei Tagen auf, erhält zunächst den gerichtlichen Stempel der der Halter ein Anschreiben. Er Rechtmäßigkeit. Mit der StVOwird aufgefordert, aktiv daran Novelle wurde der Bußgeldrahmitzuwirken, dass solche so- men für Verstöße gegen Paragraf zialwidrigen Belästigungen mit 30 StVO für unnützes Umherfahseinem Fahrzeug unterbleiben. ren und vermeidbaren Lärm nun Beigefügt wird die Gelbe Karte auf 80 bis 100 Euro angehoben. “STOP POSING” als Warnung. Dieter Schäfer ist auch RefeDie Betroffenen werden aus der Anonymität gerissen. Der Erfolg rent auf dem “Bundeskongress der Halteranschreiben liegt bis Kommunale Verkehrssicherheit” heute bei nahezu 100 Prozent. des Behörden Spiegel. Weitere Wurde an der Auspuffanlage Informationen: www.kommunalemanipuliert, liegt ein Erlöschen verkehrssicherheit.de .

Videobeobachtung in Dortmund unzulässig

(BS/Wolfgang Blindenbacher) Auf Bayerns Straßen kamen im vergangenen Jahr 541 Menschen ums Leben, 12,5 Prozent weniger als 2018. 67.079 Personen wurden verletzt, 4,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch 2019 Behörde muss juristische Niederlage einstecken war überhöhte und nicht angepasste Geschwindigkeit die Hauptunfallursache für tödliche Verkehrsunfälle. Rund 27 Prozent waren darauf zurückzuführen. (BS/mfe) Die vom Dortmunder Polizeipräsidium geplante Videoüberwachung eines Straßenbereichs im Stadtteil Dorstfeld ist vorläufig untersagt worden. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Verwaltungsgericht Geschwindigkeits- Gelsenkirchen (Aktenzeichen 17 L 88/20). Die Maßnahme sollte im September beginnen. 141 Menschen wurden dabei getötet. “Zu schnelles Fahren ist der Killer Nummer eins auf unseren Straßen”, stellte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fest. Verkehrsexperten sind sich darin einig, dass die Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, insbesondere auch die der Geschwindigkeitsüberwachung, dann am wirkungsvollsten sind, wenn die jeweilige Sanktionshöhe und die Entdeckungswahrscheinlichkeit in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Hinsichtlich der Sanktionshöhe verschärfte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aktuell mittels einer StVO-Novelle zahlreiche Sanktionen. Zur Steigerung der Entdeckungswahrscheinlichkeit auf den Straßen des Freistaates hat zudem das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration in einer Richtlinie die Einsatzmöglichkeiten von Geschwindigkeitsüberwachungstechnik erweitert. Die Vorgaben für den Einsatz stationärer Geschwindigkeitsmessanlagen durch Gemeinden, Zweckverbände und gemeinsame Kommunalunternehmen wurden dabei flexibilisiert. Diesen Institutionen soll auf diese Weise ein umfassendes Instrumentarium, bestehend aus mobiler, teilstationärer und stationärer Geschwindigkeitsüberwachung, zur Verfügung gestellt werden, um den jeweiligen örtlichen Verhältnissen entsprechen zu können. Die Ge-

messanlagen ist nur denjenigen Gemeinden und Zweckverbänden sowie gemeinsamen Kommunalunternehmen gestattet, die GeschwindigkeitsFoto: BS/privat verstöße verfolgen und ahnden. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass die Gemeinden und Zweckverbände über die erforderlichen personellen und organisatorischen Ressourcen sowie Kompetenzen und Erfahrungen verfügen. Den Gemeinden und Zweckverbänden wird ergänzend empfohlen, aktiv Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um größtmögliche Akzeptanz der jeweils gewählten Geschwindigkeitsüberwachung zu erreichen. Der Vorstand des Bundesverbandes Verkehrssicherheitstechnik (BVST) stellt dazu fest, dass der gewählte Ansatz, die Vorgaben für den Einsatz stationärer Geschwindigkeitsmessanlagen durch Gemeinden, Zweckverbände und gemeinsame Kommunalunternehmen zu flexibilisieren, ausgesprochen zielführend zur weiteren Reduzierung der Zahl der Verkehrsunfallopfer auf bayerischen Straßen ist. Die neben der Sanktionshöhe für eine wirkungsvolle Verkehrsüberwachung erforderliche Entdeckungswahrscheinlichkeit kann auf diese Weise erhöht werden.

Wolfgang Blindenbacher ist Mitglied der Kommission Verkehr der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) sowie Mitglied des Beirates des Bundesverbandes Verkehrssicherheitstechnik (BVST).

meinden, Zweckverbände sowie gemeinsamen Kommunalunternehmen sollen vor der Errichtung einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage in enger Abstimmung mit der Polizei mittels Verkehrszähl- und -messgerät über einen aussagekräftigen Zeitraum prüfen, ob signifikante Geschwindigkeitsüberschreitungen (Beanstandungsquoten um circa zehn Prozent oder mehr) vorliegen und ob gegebenenfalls eine mobile oder teilstationäre Geschwindigkeitsüberwachung zur Verringerung des Geschwindigkeitsniveaus ausreichend ist.

Nicht allen erlaubt Die Richtlinie bezieht sich auf Innerortsstraßen (nicht auf Kraftfahrstraßen), die vorrangig als Unfallbrennpunkte, Unfallgefahrenpunkte sowie als Straßen(abschnitte), an denen die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit die Belästigung der Anwohner durch Verkehrslärm und/oder Abgase steigert, identifiziert worden sind. Der Einsatz stationärer

Geklagt hatten mehrere Anwohner des betroffenen Gebiets, die der Dortmunder Neonazi-Szene zugerechnet werden. Sie sehen ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Dortmunder Polizeipräsidium hielt dem entgegen, dass mithilfe der Videobeobachtung Straftaten verhindert würden und dem Image des Stadtteils als “Nazi-Kiez” und Angstraum entgegengewirkt werde. Das Gericht entschied nun im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedoch, dass die im nordrhein-westfä-

lischen Polizeigesetz (Paragraf 15a) vorgesehenen Bedingungen für eine Videoüberwachung im konkreten Fall nicht erfüllt seien. Weder stelle der zu überwachende Bereich einen Kriminalitätsschwerpunkt dar noch seien hier Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erwarten. Den vom Polizeipräsidium angegebenen Sachbeschädigungen in Form von Graffitis mit teilweise nationalsozialistischem Inhalt – seit 2018 gab es davon fünf Fälle – komme diese erhebliche Bedeutung nicht zu. Auch sei

die geplante Maßnahme unverhältnismäßig. Von der Dortmunder Polizei ist zu vernehmen, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seiner Entscheidung ausdrücklich das berechtigte Interesse der Polizei anerkenne, mit Präsenz- und Schutzmaßnahmen gegen einen Angstraum in Dortmund-Dorstfeld vorzugehen. Dies schließe explizit auch die Gefahrenabwehr eines gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichteten Rechtsextremismus ein.

Kritik an neuer Regelung StVO-Novelle könnte zurückgenommen werden (BS/mfe) An der erst kürzlich novellierten Straßenverkehrsordnung und dem ebenfalls überarbeiteten Bußgeldkatalog wird Kritik laut. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zeigt sich bereits gesprächsbereit über eventuell erforderliche neue Anpassungen oder sogar eine Reform der Reform. Mehrere Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag verlangen eine Rücknahme der Novelle. Den Abgeordneten von FDP und AfD geht es dabei insbesondere um die Strafverschärfungen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Freien Demokraten bemängeln unter anderem, dass die neuen Sanktionen für zu hohe Geschwindigkeit eine “echte Führerscheinfalle” darstellten. Es drohe nun zu schnell ein Fahrverbot, das für Bürger, die beruflich

auf ihr Auto angewiesen seien, einem stets drohenden temporären Berufsverbot gleiche, kritisieren sie. Die deutlichen Bußgelderhöhungen für das Nichtbilden von Rettungsgassen sowie die Pflicht zur Schrittgeschwindigkeit bei Rechtsabbiegevorgängen von Lastkraftwagen hingegen finden Zustimmung bei der FDP. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt eine von Scheuer zumindest nicht gänzlich ausgeschlossene zeitnahe Reform der Reform ab.

Ihr stellvertretender Bundesvorsitzender Dietmar Schilff sagte: “Überhöhte, nicht angepasste Geschwindigkeit ist mit das größte Todes- und Verletzungsrisiko auf den Straßen hierzulande. Dafür die Bußgelder konsequent zu erhöhen sowie Punkte anzudrohen und damit das Unfallgeschehen aufgrund des höheren Risikos eines Führerscheinverlusts zu verringern, ist weiterhin der richtige Weg.” (Mehr dazu finden Sie auch auf Seite 7.)


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2020

Gemeinsam zum digitalen Vorzeigestaat

KNAPP Kommunaler IT-Dienstleister in Thüringen

Bundesweit erstes Digitalministerium setzt auf Austausch und Kooperation (BS/Wim Orth) Nachdem Bayern beim Thema Digitalisierung schon immer vorn dabei war, ist seit der letzten Landtagswahl im Herbst 2018 durch eine Reihe von Umstrukturierungen noch mal frischer Wind in die Sache gekommen. Statt sämtliche Digitalthemen weiterhin als Teilaspekt im Finanzministerium unter Minister Albert Füracker zu behandeln, entschied man sich im Zuge der Ressortverteilung in Bayern dafür, einen neuen Weg zu gehen. Mit der Einrichtung eines eigenen Staatsministeriums für Digitales (StMD) setzte man die Umsetzung der Digitalen Agenda mit gleichwertigem Stimmrecht an den Kabinettstisch und wurde so zum Beispiel für weitere Länder – und den Bund, denn der hatte sich ein halbes Jahr zuvor noch gescheut, der Thematik ebenjene Wichtigkeit auch nach außen zu verleihen.

Staatsregierung / Digitalkabinett des Freistaates Bayern

Landtags-Gremien IuK-Beirat

Staatsminiterium für Digitales Judith Gerlach, MdL

(weitere Aufgaben: Lades-CIO sowie IT-Beauftragte der Staatsregierung)

An der Spitze des bundesweit ersten Digitalministeriums steht Judith Gerlach, die auch als ITBeauftragte der Staatsregierung und CIO des Freistaats agiert. So vertritt sie den Freistaat auf Bundesebene in den länderübergreifenden IT- und E-GovernmentGremien, vor allem natürlich im IT-Planungsrat. Nach innen gestaltet und koordiniert die Ministerin alle Themen rund um die Digitalisierung im Rahmen verschiedener Gremien, denen sie in ihrer Funktion als IT-Beauftragte in führender oder teilnehmender Rolle zugehört. Das Landesministerium für Digitalisierung an sich ist in vier Abteilungen untergliedert: die Abteilung A arbeitet an der “digitalen Strategie” des Landes sowie an Innovationen und audiovisuellen Medien; Abteilung B kümmert sich um “IT-Strategie, IT-Recht und Digitale Verwaltung”, Abteilung C ist für die “Digitale Koordinierung” zuständig und die obligatorische Abteilung Z koordiniert wie üblich das Themenfeld “Zentrale Angelegenheiten, Recht”. Die landesweite Strategie für die Digitalisierung wird aber nicht völlig autark aus dem StMD bestimmt, sondern erfolgt unter Einbeziehung aller Ressorts. Zweimal jährlich tagt ein Digitalkabinett, das die Handlungsfelder und Zielsetzungen für die digitale Verwaltung festlegt. Außerdem gibt es im Landtag einen sogenannten IuKBeirat, der grundsätzliche Fragen des Einsatzes von digitaler Technik in der Verwaltung diskutiert und Vorschläge an Regierung und Parlament weitergibt. Die strategische Gesamtsteuerung des IT-Einsatzes sowie die digitale Entwicklung in der staatlichen Verwaltung wird hingegen über den Rat der Ressort-CIOs

in stetem Austausch

Amtschef: Ministerialdirektor Dr. Hans-Michael Strepp

Abteilung 2

Abteilung A

Abteilung B

Abteilung C

Zentrale Angelegenheiten, Recht

Digitale Strategie und Innovationen, audiovisuelle Medien

Digitale Verwaltung, IT-Strateigie und IT-Recht

Digitale Koordinierung, Planungsstab, Ministerrat

Ressortübergreifende Gremien Rat der Ressort-CIOs

Internationale Arbeitsgruppe Mobile Kommunikation

OZGUmsetzungsgremium

Staatsminister der Finanzen und für Heimat, Albert Füracker, MdL Landes-CISO und allg. IT-Sicherheit

LSI-Bayern

Rechenzentren (Bayern Server)

Netze und Infrastrukturen

Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung (LDBV)

Novelle des E-Government-Gesetzes in M-V

Smart Bavaria Hub Bay. Zentrum für BlockChain [bc]2

Smart Gov't – Dig. Verw. – OZG – Mobile Gov't – Digitallabore – u. v. m. Grafik: BS/Orth, Hoffmann / BStMD

gestaltet. Die Sitzungen dieses Rats werden unter Hinzunahme externer Meinungen aus einem breiten Spektrum damit befasster, öffentlicher Akteure vorbereitet. Ausgehend von Initiativen aus dem StMD und von Ministerin Gerlach selbst gibt es zudem einige weitere Instrumente zur besseren Realisierung der Staatsdigitalisierung und des bayerischen E-Government. So gibt es einen Masterplan für die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sowie ein Zwölf-Punkte-Programm für

die Verwaltungsdigitalisierung, einen E-Government-Pakt mit den kommunalen Spitzenverbänden zur engen Zusammenarbeit und ein IT-Controlling zur rückblickenden Analyse sowie ein vorausblickendes Vorhabensmanagement.

Ex-Digitalressort weiterhin mit am Ball Und auch die Entwicklung von mobilen Angeboten wird vorangetrieben. So gibt es direkt an das StMD angegliedert den sogenannten “Smart Bavaria Hub”, der Innovationen

(BS/stb) Der Freistaat Thüringen, der Gemeinde- und Städtebund Thüringen sowie die Körperschaft eKom21 gründen einen kommunalen IT-Dienstleister. Der KIV Kommunale Informationsverarbeitung Thüringen GmbH sollen die Kommunen als Gesellschafter beitreten können. Mit dem hessischen ITDienstleister ekom21 als Partner sollen zügig Infrastrukturen und Personal für die Digitalisierung in den Thüringer Kommunen bereitgestellt werden. Der Dienstleister soll Rechenzentrumskapazitäten zentral vorhalten und Software entwickeln. Dienste und Fachverfahren sollen so schnell, sicher und kostengünstig zur Verfügung stehen und die Kommunen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes unterstützt werden. Mehr zu den Handlungsfeldern des neuen IT-Dienstleisters findet sich auf Seite 37.

befördern, den Fachverwaltungen beratend zur Seite stehen, das Anforderungsmanagement an die IT-Infrastruktur koordinieren und Projekte operativ begleiten soll. Gleichzeitig gibt es für dieselbe Thematik eine “Interministerielle Arbeitsgruppe Mobile Kommunikation”, kurz IMAG. Diese wird ebenfalls durch das StMD koordiniert und soll nutzerzentrierte Angebote für Mobilgeräte unter Nutzung von Synergieeffekten erarbeiten. Der Hub als agiler und innovativer Akteur spielt sich dabei mit der IMAG die Bälle zu und soll einer-

seits Impulse der Ministerrunde aufgreifen, andererseits aber auch innovative Ideen in diese Runde hineintragen.Das neue Digitalministerium ist also sehr breit aufgestellt und versucht, den Puls der Zeit mitzunehmen, aber auch das Staatsministerium der Finanzen und für Heimat (StMFH) als “altes” Digitalressort ist noch in federführender Rolle in einige Prozessen involviert. So wird nicht nur das gesamte Thema IT-Sicherheit, inklusive des IT-Sicherheitsbeauftragten (CISO) sowie des nachgeordneten Fortsetung auf Seite 22 ...

Der Fachkongress Deutschlands für IT- und Cyber-Sicherheit bei Staat und Verwaltung

(BS/pet) Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns plant eine Reform des 2016 in Kraft getretenen E-Governments-Gesetzes, um Änderungen in EU- und Bundesgesetzen für das Land zu adaptieren. Der Entwurf wurde dem Landtag übergeben und soll bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Rechtliche Justierungen betreffen u. a. die elektronische Rechnungsstellung sowie das Onlinezugangsgesetz bzw. die Portallösung, deren Umfang und Öffnung für die Mitnutzung durch die Kommunen im Detail geregelt wird. Weitere Änderungen betreffen die E-Akte, die künftig allen Landesbehörden zur Verfügung stehen soll. Zudem enthält die Novelle eine Experimentierklausel, durch die Behörden für maximal vier Jahre von landesrechtlichen Standards abweichen dürfen.

Public-IT-Security

11.–12. November 2020, Hotel Adlon, 10117 Berlin

2020

Eine Veranstaltung des

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Informationstechnologie

Seite 22

... Fortsetzung von Seite 21 Landesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI), sondern es werden auch die staatlichen Rechenzentren und die Kommunikationsnetze weiterhin aus dem Finanzressort gesteuert. Zentraler Akteur bei Breitbandausbau sowie der Digitalisierung von Daten, Prozessen und Infrastrukturen ist dabei das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung

Behörden Spiegel: Herr Staatssekretär, wo liegen die Schwerpunkte Ihrer zukünftigen Arbeit? Dr. Richter: Ich verfolge in den drei Themenbereichen digitale Gesellschaft, digitale Verwaltung und Sicherheit insgesamt acht Schwerpunkte. Da ist vieles Bekanntes dabei, etwa das Onlinezugangsgesetz als eine der zentralen Aufgaben. Dort müssen wir ergebnisorientiert gemeinsam mit den Ländern, die ich hier als Motor der Digitalisierung wahrnehme, die Dinge nach vorne bringen. Denn die Menschen in Deutschland erwarten, gerade mit den Erfahrungen der Corona-Pandemie, dass sie sämtliche Behördengänge digital erledigen können. Es sind aber auch Punkte dabei, wo wir noch ein bisschen nachschärfen müssen. Dazu gehört z. B., dass wir die digitalen Kompetenzen in der Bundesverwaltung weiter verbessern wollen. Hier bin ich aktuell unter dem Stichwort Digital Akademie dabei, gemeinsam mit der Bundesakademie für öffentli-

(LDBV). Damit diese Teilaspekte der digitalen Landespolitik und -verwaltung in Einklang mit der gesamtstrategischen Ausrichtung des StMD laufen, gibt es einen regelmäßigen Austausch zwischen beiden Häusern. Wie in allen Ländern und dem Bund ist auch in Bayern die möglichst zeitgerechte und vollumfängliche Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ein zentraler Kern der Arbeit, wenn

es um die Digitalisierung geht. Da das OZG nicht nur für die Politik und die Verwaltung relevant ist, sondern ein gesamtgesellschaftliches Projekt darstellt, arbeitet man mit einem breit aufgestellten Feld an Stakeholdern, um die im Alltag wirklich wichtigen Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen so schnell wie möglich, und nicht erst zum Fristende in zweieinhalb Jahren, auf dem zentralen BayernPortal

aus den OZG-Verantwortlichen der einzelnen Landesressorts sowie aus dem IT-Dienstleistungszentrum zusammen und tagt alle zwei Monate. Neben dem zentralen Umsetzungsgremium kümmert sich das StMD zudem um den Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden, der im Rahmen des bayerischen EGovernment-Pakts festgelegt wurde. Weitere Partner für den Austausch zur OZG-Umsetzung

Digitalisierung geht nur mit Kooperation Einzelplayer werden das große Rad nicht bewegen

sind die übrigen Bundesländer und der Bund sowie der ITPlanungsrat und die FITKO. Abschließend übernimmt das Ministerium das Informations-, Wissens- sowie Akzeptanzmanagement im Freistaat, damit alle aktiv beteiligten Akteure, aber auch Bürgerschaft und Unternehmen immer wissen, wie der aktuelle Stand bei der Umsetzung von OZG und digitaler Verwaltung gerade aussieht.

verfahren digitalisiert und in der Folge wurde das BAMF zu einem der Vorreiter der Digitalisierung in der Bundesverwaltung. Inwieweit kann das, was damals beim BAMF gelang, auch in der jetzigen Krise funktionieren?

(BS) Staatssekretär Dr. Markus Richter ist seit Anfang Mai Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, kurz Bundes-CIO. Richter gehörte schon zu seinen Zeiten als Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie als ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Netzwerks NExT zu den aktivsten Akteuren der staatlichen Digitalisierungsszene. Auch zukünftig setzt der gebürtige Westfale für die Umsetzung Dr. Richter: Wir müssen solche von Innovation auf eine starke Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Mit ihm sprach Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt. Situation nutzen, um grundleche Verwaltung BAKÖV verschiedene Maßnahmen auszuarbeiten, die bis Ende des nächsten Jahres umgesetzt werden können. Ein weiteres Kernthema sind digitale Identitäten. Ich bin davon überzeugt, dass wir nicht nur für den Kontakt zu den Behörden, sondern auch im Bereich der Wirtschaft eineindeutige Identitäten brauchen, wenn wir Digitalisierung ernst nehmen. Das sind einige Beispiele aus dieser Agenda, die wir im BMI ebenfalls als Motor der Digitalisierung vorantreiben wollen. Klar ist aber auch, dass wir die Digitalisierung nicht allein vorgeben und umsetzen können. Entscheidend ist daher, dass wir

hier in einem gemeinsamen Verständnis mit den anderen Treibern agieren. Behörden Spiegel: Sie haben Anfang Mai, also mitten in der “Corona-Zeit” Ihr Amt angetreten. Das ist sicherlich kein einfacher Zeitpunkt. Dr. Richter: Durch die Corona-Situation und -Aktivitäten, wie z. B. die Corona-Warn-App, war ich sehr schnell in konkrete Projekte involviert. Wenn ich bei diesem Beispiel bleibe, bin ich beeindruckt, wie hier im BMG als federführendem Ressort, im Bundeskanzleramt und im BMI

Digitalisierung geht nur mit Kooperation AA-CTO ist neuer Vorstandsvorsitzender von NExT (BS/wim) Der bisherige stellvertretende Vorstandschef Dr. Sven-Stephen Egyedy ist neuer Vorsitzender des Behördennetzwerks NExT e. V. Damit folgt er auf seinen Vorstandskollegen Dr. Markus Richter, der Anfang Mai aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ins Bundesinnenministerium (BMI) gewechselt war und dort den Posten als Bundes-CIO übernommen hatte. Mit dem Wechsel von der Nürnberger Migrationsbehörde, deren Vizepräsident er zuletzt war, in die Berliner BMI-Hauptstelle hatte Richter den Vereinsvorsitz in dem von ihm mitgegründeten Behördennetzwerk niedergelegt. Bis zur turnusmäßigen Neuwahl des Vorstandes im November dieses Jahres wird aus dem Dreierteam zunächst ein Duo. Während Egyedy, im Hauptberuf Chief Technical Officer (CTO) des Auswärtigen Amtes, den Vorsitz des Gremiums übernimmt, wird Dr. Hans-Günter Gaul, IT-

online stellen zu können. Um die Strategie direkt aus dem Ministerium vorgeben und gleichzeitig die Koordinierung der Umsetzung möglichst gut koordinieren zu können, hat Ministerin Gerlach ein sogenanntes OZGUmsetzungsgremium ins Leben gerufen, um den OZG-Masterplan Bayern gezielt umsetzen zu können. Das direkt dem Digitalministerium unterstehende Umsetzungsgremium setzt sich

Behörden Spiegel / Juni 2020

Direktor bei der Bundesnotarkammer sowie Werkstattleiter “Neue Technologien” bei NExT, als Stellvertreter des Vorsitzenden agieren. Das Netzwerk NExT ist eine gemeinnützige Plattform aus der Verwaltung für die Verwaltung und damit für die Gesellschaft. Als politisch unabhängiges Netzwerk im Öffentlichen Dienst bringt NExT Beschäftigte aus Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden über föderale Grenzen hinweg zusammen. Mehr Infos: www.next-netz.de

Der CTO des Auswärtigen Amtes, Dr. Sven-Stephen Egyedy, hat nach dem Wechsel von Dr. Markus Richter ins Amt des Bundes-CIOs den Vorstandsvorsitz des NExT-Netzwerks übernommen.

Foto: BS/Auswärtiges Amt

gemeinsam agiert wird, um dieses Projekt schnellstmöglich umzusetzen. Insofern war die Situation dadurch geprägt, dass ich viele handelnde Personen sehr kurzfristig kennenlernen musste und durfte und ohne große Einarbeitungszeit gleich ins Wasser geworfen wurde. Das ist nur dann erfolgreich zu bewältigen, wenn man ein gutes Team hinter sich weiß und das ist hier im BMI gegeben. Behörden Spiegel: Sie sind in der Vergangenheit auch als Vorstandsvorsitzender des Netzwerkes NExT sehr stark für die kooperative Innovation in der öffentlichen Verwaltung eingetreten. Inwieweit werden Sie diesen Gedanken auch zukünftig weiter nach vorne treiben? Dr. Richter: Digitalisierung geht nur mit Kooperation. Digitalisierung ist eigentlich Kooperation. Insofern bin ich dankbar, dass bereits in den ersten Tagen nach meiner Amtsübernahme Länder, Kommunen, Städtetag und andere auf mich zugekommen sind und eine Zusammenarbeit angeboten haben. Denn meine Erfahrung ist, dass man als Einzelplayer das große Rad nicht bewegen wird, sondern nur dann, wenn man den Schulterschluss sucht. Natürlich gibt es auch mal unterschiedliche Interessen, aber dafür gibt es Abstimmungsrunden. Mir ist wichtig, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen und die Gremienarbeit nicht der Gremien wegen betreiben, sondern mit einer klaren Agenda hinterlegen und Zeitziele setzen. Ich bin froh, dass ein

DIGITALER STAAT Online

Mit Digitaler Staat Online bietet der Behörden Spiegel in attraktiven Online-Formaten eine neue ständige Plattform für den kontinuierlichen Austausch zu den vielfältigen Aspekten der Digitalisierung von Staat und Verwaltung.

Staatssekretär Dr. Markus Richter ist seit Anfang Mai Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik, kurz Bundes-CIO. Richter Foto: BS/ BMI, Henning Schacht

großes Interesse daran besteht, genau diesen Weg gemeinsam zu gehen und freue mich auf die Zusammenarbeit. Prinzipien wie “Einer für alle” sind hier aus meiner Sicht völlig richtig und müssen weiter gestärkt werden. Behörden Spiegel: Sie haben mit Krisensituationen im BAMF schon Erfahrungen gesammelt. Im Zuge des Flüchtlingsansturms 2015 wurde sehr rasch das Asyl-

Neue Abteilung “Digitale Verwaltung” im BMI (BS/pet) Seit Beginn des Monats hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) eine zentrale Anlaufstelle für die Digitalisierung. Aus fünf Organisationseinheiten bestehend, bündelt die neu eingerichtete Abteilung “Digitale Verwaltung” fortan alle Kompetenzen und verfügt über einen Stab von rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Entsprechend breit gestreut ist das Themenportfolio, das vom elektronischen Identitätsmanagement über die Infrastruktur bis hin zu Online-Verfahren reicht; weitere Schwerpunkte liegen bei der Verwaltungsmodernisierung und -organisation. Mit der Leitung wurde Ernst Bürger betraut, der, seit 1998 für das BMI tätig, die Digitalisierung bereits in anderer Funktion vorangetrieben hat.

w w w. d i g i t a l e r- s t a a t . o n l i n e

10. Juni 2020: Digitalisierung in und nach der Krise 08:30 Uhr: Grußwort Dorothee Bär, Staatsministerin im Bundeskanzleramt, Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung 08:45 Uhr: Diskussionsrunde Dr. Markus Richter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik

17. Juni 2020, 10:00–11:00 Uhr: Drei ultimative Strategien zum Schutz vor Ramsomware

23. Juni 2020, 10:00–11:00 Uhr: Rundum geschützt – wie Behörden Trojaner und Ransomware abwehren können

www.facebook.com/digitalerstaat

gende Dinge nach vorne zu bringen. Das trifft letztendlich auf alle Bereiche zu. Ich meine hier nicht nur das Onlinezugangsgesetz, sondern auch den Bereich der Cyber-Sicherheit und Datensouveränität. Hier ist ein neuer Fokus durch die CoronaKrise aufgemacht worden ist, weil wir dort gesehen haben, was es heißt, wenn wir von einzelnen Herstellern im Ausland abhängig sind und diese zunächst einmal andere Märkte bedienen. Es ist die eigentliche Erfahrung aus Krisen, dass es uns in Friedenszeiten gelingen muss, den Digitalisierungsdruck hochzuhalten. Ich bin froh und ein Stück weit stolz darauf, Teil einer Behördenlandschaft zu sein, die hier hervorragende Beispiele liefert. Dabei denke ich nicht nur an das BAMF, sondern auch an das Bundesverwaltungsamt, die BDBOS oder das Statistische Bundesamt. Das sind nur einige Akteure aus meinem Zuständigkeitsbereich, die jeweils für sich Leuchttürme der Digitalisierung darstellen.

NEUES FORM AT des Behörde n Spiegel

Dr. Annette Schmidt, Präsidentin FITKO (Föderale IT-Kooperation) Stefan Krebs, Beauftragter der Landesregierung für Informationstechnologie des Landes Baden-Württemberg Dr. Ariane Berger, Referentin für eGovernment und Verwaltungsorganisation, Deutscher Landkreistag Florian Breger, Vice President & Leiter Geschäftsbereich Öffentliche Auftraggeber, IBM Moderation: Guido Gehrt, Leiter der Bonner Redaktion des Behörden Spiegel

24. Juni 2020, 10:00–11:00 Uhr: BCM – Betriebliches Kontinuitätsmanagement – wie lässt sich Notfallmanagement im Behördenumfeld konkret umsetzen?

twitter #digistaat

7. Juli 2020, 11:00–12:30 Uhr: Gewährleistung umfassender CyberResilienz von Regierungsbehörden in Homeoffice-Umgebungen

www.instagram.com/digitaler_staat


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2020

I

m Zuge der Einführung des Angebots zum kostenfreien Bahn fahren in Uniform hat das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) u. a. bei regionalen Informationsveranstaltungen, per LiveChat und in Umfragen mit den Soldatinnen und Soldaten Ideen zur Verbesserung des Angebots gesammelt. Immer wieder ist hierbei der Wunsch nach einer Bezugsmöglichkeit von eToken auch über das Internet geäußert worden, bspw. über eine Smartphone-App, die es Nutzenden erlaubt, rund um dir Uhr und auch kurzfristig unterwegs oder von zu Hause die benötigten eToken herunterzuladen und Bahnfahrten elektronisch zu buchen. Der Wunsch wurde gehört: Am 18. Mai 2020 ging die Bw-eTokenApp an den Start. Innerhalb einer Woche erfolgten bereits mehr als 10.000 Downloads durch Bundeswehrangehörige. Auf Initiative der Personalabteilung des BMVg hat der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBw, eine Innovationseinheit der BWI)

Kostenfrei Bahn fahren in Uniform Bundeswehr bietet App für private Geräte (BS/Dr. Sebastian Clauß) Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr können seit dem 1. Januar 2020 für private Reisen in Uniform kostenfrei innerdeutsche Fernzüge der Deutschen Bahn nutzen. Das Angebot zur Steigerung der Sichtbarkeit der Bundeswehr in der Öffentlichkeit erfreut sich großer Beliebtheit. Für die Buchung der Bundeswehrtickets werden digitale Zugangscodes, sogenannte eToken, benötigt, die im Buchungsportal der Deutschen Bahn eingelöst werden können. Diese eToken wurden zunächst nur über das Intranet der Bundeswehr bereitgestellt und waren somit nur über dienstliche Endgeräte verfügbar.

und Android oder alternativ über den Web-Browser (https://bahnfah ren.bundeswehr. Hauptmann Dr. Sebastian de) beziehen. ZeitClauß ist Projektleiter für nah wird die App die Bw-eToken-App im Cyber auch für dienstInnovation Hub der Bundesliche Endgeräte wehr. Foto: BS/CIHbw ausgerollt. Der bisherige Zugang über das Intranet kurzfristig eine innovative Smart- der Bundeswehr auf dienstlichen phone-App in Zusammenarbeit Endgeräten bleibt dabei weiterhin mit mehreren Stellen der Bun- bestehen. “Gemeinsam mit der Bundesdeswehr entwickelt. Auf privaten Endgeräten können unsere wehr hat der CIHBw in kurzer Soldatinnen und Soldaten nun Zeit eine Lösung in die Truppe die eToken mittels App für iOS gebracht”, so Martin Kaloudis, Chief Executive Officer der BWI. Es sei die erste App, die seit der Verstetigung des CIHBw im JaMELDUNG nuar dieses Jahres unter dem Dach der BWI entstanden ist und NEGZ-Studie zu KI-Nutzung im Sozialwesen in den Kundenbetrieb geht. “Das (BS/wim) Das Nationale E- Studie KI-Potenziale bei zwei Projekt ist nicht nur ein schöner Government Kompetenzzentrum Massenverfahren unter die Lu- Beleg für die Zusammenarbeit (NEGZ) hat eine Kurzstudie zu pe genommen: der Schwerbe- mit der Bundeswehr. Es ist auch den Potenzialen Künstlicher In- hindertenfeststellung und der ein gutes Beispiel für Geschwindigkeit und Kundennutzen, die telligenz (KI) zur Unterstützung Eingliederungshilfe. von Sachbearbeitungsprozes- Die Studie steht auf der NEGZ- wir als Digitalisierungspartner sen im Sozialwesen veröffent- Homepage (negz.org) zur Ver- heute schon realisieren.” Die App ist ein greifbares Beilicht. Konkret wurden in der fügung. spiel für den konkreten Mehrwert digitaler Lösungen, die sich direkt am Alltag der Soldatinnen und Soldaten orientieren. Denn die

Ausgezeichnet

Preise für gute Verwaltung 2020 verliehen (BS/gg) Vor rund einem Jahr hat die Initiative “Gute Verwaltung” – Prof. Daniela Hensel, HTW Berlin; Simone Carrier vom Public Service Lab und Johanna Götz – den Verwaltungspreis ins Leben gerufen. Der “Preis für gute Verwaltung” unterstützt bürgerzentrierte Verwaltungsarbeit. Verwaltungsdienstleistungen sollen sich konkret an den Bedürfnissen der Bürger ausrichten und diese in die Überarbeitung von Services einbeziehen. Die drei Gewinner des diesjährigen Preises wurden in einer digitalen Jurysitzung ermittelt. Die Kommune Herrenberg stach mit einem überarbeiteten Baugenehmigungsverfahren hervor, das ganzheitlich die Antragsstellung und Beratung in den Blick nahm und mit überarbeitetem Service sowie räumlicher Umgestaltung im Servicebüro Bauen zusammenführte. Ausgangspunkt war die zu lange Bearbeitung der Bauanträge und die Unzufriedenheit der Mitarbeiter/-innen. Beratung und Genehmigung konnten vor der Umstellung nur gekoppelt von Bausachverständigen vorgenommen werden – die zeitliche Belastung war aufgrund der vielen Anfragen enorm hoch. Die anderen Beschäftigten des Amts waren zudem frustriert, da sie zwar informell Teile der Beratungsleistung erbrachten, letztlich aber aufgrund der TVöDEingruppierung weder den Lohn dafür erhielten noch selbst Verantwortung übernehmen konnten. Mit wissenschaftlicher Unterstützung wurde ein vorbildlicher Arbeitsprozess mit zahlreichen kreativen und analytischen Methoden und hervorragendem Ergebnis initiiert: Die gesetzlichen Fristen werden jetzt unterschritten, die Servicequalität ist enorm gestiegen. Eine emphatische Grundhaltung ist essenziell für einen nutzerorientierten Arbeitsprozess. Das Jobcenter in Heppenheim hat sich das zu Herzen genommen und in einem Design-Thinking-Workshop mit Kunden das Verfahren der Hartz-IV-Antragsstellung digitalisiert: Das Kundenportal NWdigital ist die Antwort auf das vormals langwierige und unangenehme Verfahren, das von unnötigen Wege- und Wartezeiten und großem Aufwand

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bei der Einreichung der Unterlagen gekennzeichnet war. Über NWdigital können jetzt fehlende Formulare einfach abfotografiert und hochgeladen werden. Die Kunden haben eine Übersicht, welche Dokumente online sind. Ebenso steht der fertige Bescheid digital zur Verfügung. Die dritte Auszeichnung des Verwaltungspreises ging an die österreichische Initiative “aha plus”. Das Vorarlberger Zukunftsbüro suchte nach einem Weg, Ehrenamt zu stärken und dabei die bisher unterrepräsentierte Gruppe der Jugendlichen anzusprechen. Diese sind mit ihrem Lebenswandel oft für Vereine unerreichbar, sie wollen keine Ämter auf Lebenszeit. Mit “aha plus” wurde ein Online-Portal entwickelt, in dem Jugendliche sich für konkrete Angebote engagieren und dabei Punkte sammeln, die sie gegen “Dankeschöns” wie Trainings mit Sportprofis eintauschen können. Es fanden zwei Workshops zu den Themen Funktionalität und Punktevergabe mit zwölf unterschiedlichen Institutionen statt, fünf Workshops mit Jugendlichen zum Konzept, drei weitere Workshops mit Pilotorganisationen zur Anwendungsfreundlichkeit. Projektleiter Christoph Kutzer sagt: “Wir haben etwas Kompliziertes einfach gemacht. Es sind über 2.500 Mitmach-Möglichkeiten angeboten und mehr als 8.000 Freiwilligeneinsätze über die App geleistet worden.” Die interdisziplinäre Jury aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft blickt positiv auf die bisherige Entwicklung. “Obwohl der noch junge Preis erst zum zweiten Mal verliehen wird, zeigen die Einreichungen einen bemerkbaren qualitativen Sprung”, so Jurymitglied Jan-Ole Beyer aus dem Bundesinnenministerium.

Maßgabe für die im Januar 2020 begonnene Umsetzung war, in möglichst kurzer Zeit eine zeitgemäße und benutzerfreundliche Lösung für möglichst viele Soldatinnen und Soldaten bereitzustellen. In Folge wurde die Bw-eToken-App zur Verwendung auf privaten Smartphones und Tablets entwickelt – “Bring Your Own Device” (BYOD) lautet dieser Ansatz. Trotz enger zeitlicher Vorgaben und des komplexen organisatorischen Kontextes wurden keine Kompromisse hinsichtlich IT-Sicherheit, Datenschutz und der Betreibbarkeit der App gemacht. So verzichtet z. B. der Applikations-Server gänzlich auf die Verwendung personenbezogener Daten der Soldatinnen und Soldaten sowie auf eine Anbindung an das Intranet der Bundeswehr. Über einen bundeswehrinternen Registrierungsprozess wird dabei sichergestellt, dass nur aktive Soldatinnen und Soldaten Zugriff auf den eToken-Download erhalten. Für den Erfolg des Projekts gibt es mehrere Gründe. An erster Stelle steht sicherlich die Zusammensetzung des hochmotivierten Projektteams, das eine realistische Lösung für den vielfachen Nutzerwunsch im Blick hatte. Organisationsübergreifend zusam-

Anbindung externer Stellen, ermöglichten es, die engen zeitlichen Vorgaben einzuhalten. Das Projekt zeigt, was möglich ist, wenn starke Partner kollaborieren und nah dran an den Nutzenden die Adaption digitaler Innovationen in der Bundeswehr vorantreiben. Die neue Bw-eToken-App ist eine echte Erleichterung im Alltag unserer Soldatinnen und Soldaten und kann hinsichtlich ihrer Architektur und der Projektdurchführung als Vorbild für weitere digitale Lösungen in der Bundeswehr dienen.

mengestellt, konnte das Team durch die komplementären Erfahrungen, das Wissen und das Netzwerk erfahrener Experten aus CIHBw, BMVg, Bundeswehr und BWI profitieren. Der besondere Management-Fokus im Projekt war ebenfalls hilfreich, um Hürden abzubauen und externe Stellen zeitnah einzubinden. Weitere Erfolgsfaktoren waren hohe Flexibilitätsund Freiheitsgrade, Kreativität und die Fähigkeit des Projektteams, parallel zu arbeiten und sich zu koordinieren. Intensive Kommunikation über mehrere Kanäle im Team, mit der Zeitgemäße und benutzerfreundliche Oberfläche: Mit der “Projektgrup- Bw-eToken-App können Soldatinnen und Soldaten nun pe Bahnfah- jederzeit schnell und einfach digitale Zugangscodes für ren” und zur kostenlose Bahnreisen erhalten. Abbildung: BS/CIHbw


Neustaat

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…W

ill man sich weiterentwickeln, braucht man ein Ziel. Im zweiten Kapitel haben wir ein neues Leitbild beschrieben, von dem wir überzeugt sind, dass es uns hilft, mit der Dynamik Schritt zu halten: den Lernenden Staat. Sein zentrales Instrument ist die datenbasierte Entscheidungsfindung. Sie sorgt dafür, dass sich politische Entscheidungen nicht mehr nur auf persönliche Meinungen oder Ideale, sondern vor allem auf Daten stützen. Der Staat muss evidenzbasiert agieren und darf nicht nur nach politischem Gusto entscheiden. Der Lernende Staat überprüft so sein Handeln permanent und in häufigen Zyklen. Was nachweislich geklappt hat, wird beibehalten. Strukturen und Maßnahmen, die behindern oder ihr Ziel verfehlen, werden angepasst. Dabei geht der Blick nicht nur zurück, sondern auch nach vorn: Wenn die Welt schnelllebiger wird, müssen wir Veränderungen auch schneller antizipieren, müssen wir uns schneller auf sie vorbereiten. Wir lernen also in doppelter Hinsicht: aus der Vergangenheit und aus der Zukunft. Der Lernende Staat muss gründlich und abwägend bleibend. Anhörung, Sorgfalt, Pluralismus, Ermessen und Verhältnismäßigkeit kennzeichnen unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat. Wir plädieren hier nicht für spontane Ad-hocEntscheidungen, sondern für zuverlässige und regelbasierte Prozesse mit Gehör für alle. Demokratische Prozesse brauchen eine gewisse Entschleunigung gerade im Vergleich zum Tempo der wettbewerbsorientierten Wirtschaft. Doch Gründlichkeit kann auch zur Entscheidungsschwäche verkommen. Rechtsschutz, der zehn und mehr Jahre braucht, verfehlt seinen Zweck. Planungen, die eine ganze Generation dauern, dienen nur Bedenkenträ gern. Außerhalb von extremen Krisenlagen sind wir inzwischen so langsam und entscheidungsschwach geworden, dass wir die Vorteile von Abwägung und Gründlichkeit wieder verlieren. Im Lernenden Staat wollen wir wieder mehr Entscheidungsfreude schaffen, auch aus dem Wissen, dass wir jederzeit bereit und in der Lage sind, nachzubessern. In diesem Teil des Buches machen wir Reformvorschläge für alle relevanten Bereiche des Staates und bauen so ein Grundgerüst, das den Lernenden Staat möglich macht. Dabei gilt zuallererst: Ohne eine Änderung der Kultur kann es keine grundlegende Reform des Staates geben. Hier beginnt allerdings auch schon ein kleines Dilemma: Denn wir Politiker können einen Kulturwandel natürlich nicht einfach verordnen. Es ist nicht wie beim Start des Farbfernsehens: Einmal auf den roten Knopf drücken, und alles wird bunt. Aber wir können Rahmenbedingungen schaffen, die eine Änderung der Kultur möglich machen. Und um sie richtig zu gestalten, muss man verstehen, welche kulturellen Hindernisse es heute in der Verwaltung gibt. Vier haben wir gefunden, alle vier wollen wir überwinden:

1. kulturelles Hindernis: von oben nach außen Das erste Hindernis kann man schon aus dem Organigramm ablesen: Hierarchien werden mit Linien visualisiert. Diese Linienstruktur ist auch eine Kulturfrage. Im täglichen Geschäft und mehr noch bei neuen Ideen und Vorschlägen geht der Blick meist nach oben – das Auge darauf gerichtet, was die nächst vorgesetzte Ebene tut oder nicht tut, was sie sagt oder nicht sagt. Die Laufmappen der Ministerien veranschaulichen schon auf dem Deckblatt, wie Entscheidungswe-

Behörden Spiegel / Juni 2020

Kein Staatswandel ohne Kulturwandel Auszug aus dem Buch “Neustaat – Politik und Staat müssen sich ändern.” (BS) Dieser Tage erschien das Buch “Neustaat – Politik und Verwaltung müssen sich ändern.” der Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann und Nadine Schön (beide CDU). In dem Werk machen insgesamt 64 Abgeordnete und Experten – zumeist aus der öffentlichen Verwaltung – über 100 Veränderungsvorschläge für politisches und staatliches Handeln. Getragen werden diese vom Leitbild des “Lernenden Staates”. Lesen Sie im Folgenden einen Auszug aus dem gleichnamigen Kapitel (S. 200-208). ge laufen: über den Dienstweg. Aufgaben gehen von oben nach unten, Antworten von unten nach oben. Vorschlage und Initiativen werden auf jeder Stufe ein bisschen mehr abgeschwächt. Was oben ankommt, hat schon fünfzig Prozent seines Innovationspotenzials eingebüßt. Raum für Kreativität und Flexibilität gibt es zu wenig. Lösungsräume werden von Anfang an eingeengt. Denn: Was “von oben” kommt, wird als Gebot wahrgenommen. Der für unseren Staat destruktivere Effekt liegt jedoch auf der anderen Seite der Medaille. Denn das, was die höhere Ebene nicht ausdrücklich sagt, wird allzu oft als Verbot aufgefasst. Für eine produktive und innovative Arbeitskultur ist diese Angst vor dem Unausgesprochenen jedoch Gift. So versanden viele wertvolle Ideen, viele gute Initiativen und Impulse, die nicht weiterverfolgt werden – aus Respekt vor dem scheinbaren, schweigenden Nein. Während der Recherche zu diesem Buch sind wir auf viele gute Ideen zu verschiedensten Lösungsansätzen gestoßen, die quasi fertig ausgearbeitet und ausgereift in der Schublade lagen. Manche Ideeninhaber haben vergeblich versucht, für ihre Lösung Gehör zu finden. Die mittlere Führungsebene könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Sie könnte neue und gute Ideen fördern und an die Spitze bringen, tut es aber zu selten. Zu oft herrscht Verunsicherung unter der Annahme, dass die Förderung neuer Ideen nicht erwünscht sei. Zum Glück ist das nicht immer so. Es gibt immer wieder Beispiele, in denen es auch anders geht, in denen Mitarbeiter eigene Impulse und Ansätze entwickeln, die von oben gehört und gefördert werden. Was unterscheidet diese Erfolgsgeschichten von den anderen? Die Kommunikation. Wir müssen lernen, häufiger und offener zu sagen, was erlaubt und erwünscht ist. Vielleicht müssen wir Erlaubnisse sogar häufiger und bewusster ausdrücken, als wir es mit Verboten tun: Innovation erwünscht! Eigenverantwortung erwünscht! Ideen erwünscht! Schon der Minister oder die Ministerin könnte eine neue Art der Kommunikation pflegen und so die Führungskräfte auf jeder Ebene ermutigen, es ihm/es ihr gleichzutun. Wenn das gelingt, kann es einen Trickle-down-Effekt des Muts geben, aus der “Nach-obenOrientierung” wird eine “Nachaußen-Orientierung”: Mitarbeiter trauen sich ins Feld, wagen es, neue Dinge auszuprobieren und über den Tellerrand zu schauen. Gelänge das, hätte es eine doppelte Wirkung: einerseits für die Mitarbeiter, die mehr initiativ gestalten können, und andererseits für die Behörde, die sich an einen neuen Reichtum der Ideen gewöhnen darf. Denn Innovation kommt oft von unten, viele Augen sehen mehr als zwei.

2. kulturelles Hindernis: der richtige Umgang mit Fehlern Die Skepsis davor, Neues auszuprobieren, entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern ist aus der Individualperspektive oft rational: Denn etwas zu unterlassen, ist in der deutschen Verwaltung ein viel geringeres Risiko, als etwas zu unternehmen. Niemand wird dafür gerügt, wenn er Urlaubsanträge und Stundenzettel weiterhin per Fax

Staat wie bei Schulkindern: Lernen kann man nur, wenn auch mal etwas schief geht. Es ist für den einzelnen Beamten und den einzelnen Fall mitunter vernünftig, Fehler zu minimieren – für unsere Verwaltung als Ganzes ist diese Strategie jedoch lähmend, sie zerstört potenzielle Lerneffekte. Die neue Maxime muss heißen: So viel wagen wie möglich, so viele Fehler machen wie nötig.

3. kulturelles Hindernis: von zentral zu dezentral

Grafik: BS/Finanzbuch Verlag

von Stelle zu Stelle sendet. Wer sich traut, ein teures digitales System einzurichten, das am Anfang womöglich Fehler macht, könnte hingegen ein Problem bekommen. Der Mut, eine Entscheidung zu treffen, wird häufig nicht belohnt. Fehlerkultur? Fehlanzeige. Junge Beamte, die motiviert und idealistisch die Arbeit im Staatsdienst antreten, lernen schnell, dass der sicherste und einfachste Weg durch ihr Berufsleben darin besteht, sich streng an alle Regeln zu halten. Die Vorsicht, keine Risiken einzugehen, hat auch rechtliche Hintergründe: Denn für Beamte besteht die Pflicht zur “Remonstration”, also die Pflicht, ihre dienstlichen Handlungen auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen und Bedenken oder Einwände beim Vorgesetzten vorzubringen. Nach dem Motto “Melden macht frei” werden so im großen Umfang Probleme gemeldet, für deren Lösung keine vergleichbare Nachfrage besteht. Das merken auch die “Kunden”: Behörden sagen Bürgern und Unternehmen gerne, was nicht geht, ohne zu sagen, was stattdessen geht. Oder nach Sebastian Muschter, dem ehemaligen LAGeSo-Chef in Berlin: “Jede erstarrte Organisation kennt “Killerphrasen” wie “dafür sind wir nicht zuständig”, “das würde uns nicht gestattet” oder “damit kämen wir nicht durch”. Mangelnde Lösungsorientierung zeigt sich an Phrasen wie “ich gebe zu bedenken”, “ich möchte noch auf folgende Risiken hinweisen” oder “das wird nicht gehen”.” Nach der Maxime der rechtlich gebotenen Risikominimierung zu handeln, führt jedoch keineswegs zu den besten Ergebnissen. Stellen Sie sich vor, ein Kleinkind würde aus Angst, das Gleichgewicht zu verlieren und hinzufallen, nie versuchen, aufzustehen und erste Schritte zu machen. Es würde seine nächste motorische Entwicklungsstufe wahrscheinlich nie erreichen. Fehler um jeden Preis zu vermeiden, heißt auch für den Staat, weiter auf bekannten Pfaden zu wandeln. Da die Herausforderungen und Aufgaben der Zukunft aber radikal neu und wesentlich vielfältiger sein werden als heute, kann uns diese Strategie nicht zum Erfolg führen. Das gilt umso mehr, wenn sich die Verwaltung wie bei der Flüchtlings- oder jetzt in der Corona-Krise im Ausnahmemodus befindet. Dazu noch

einmal Sebastian Muschter: “Das Rechtmäßige ist nicht immer auch schon das Richtige – in der Flüchtlingskrise beispielsweise dauerten ordnungsgemäße Prozesse oft zu lange, die Bedürfnisse der Menschen verlangten schnellere Lösungen. Krisen, Veränderungen und Reformen erfordern das Eingehen von Risiken und das Ausloten von Spielräumen.” Wie schaffen wir nun eine neue Fehlerkultur, die Innovationen fördert, Spielräume für Neues bietet und gleichzeitig die Grenzen des rechtlich Möglichen nicht überschreitet? Wie bei allen kulturellen Änderungen hängt vieles von der Art der Führung ab. Führungskräfte müssen glaubhaft vorleben, dass neue Wagnisse inklusive der drohenden Fehler erlaubt sind. Sebastian Muschter beschreibt den dafür wichtigen Aspekt der Verantwortungsübernahme: “Eine Führungskraft, oft auch bis in die politische Ebene hinein, muss bereit sein, mit persönlicher Unterschrift kritische Einzelentscheidungen mitzutragen – ob es da um ein großzügiges Ermessen im Einzelfall, veränderte Aufgabenprofile, die Beförderung von Mitarbeitern mit ungewöhnlichen Karrierepfaden, die Auswahl von Lieferanten oder Ausnahmeregelungen in einer Notsituation geht.” Eine Führungskraft kann den Spielraum, den die Verwaltung auch rechtlich hat, mutiger auskosten und den Mitarbeitern Möglichkeiten für neue, eigenständige Ideen und deren Umsetzung aufzeigen. Gleichzeitig sollte sie die Konsequenzen für mögliche Fehler mittragen und die Mitarbeiter so in ihrem Handeln ermutigen. Eine neue Fehlerkultur kann die Verwaltung nicht von alleine etablieren. Sie braucht Rückendeckung aus der Politik. Letztlich ist die Schaffung einer neuen Fehlerkultur im öffentlichen Raum sogar eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Medien und Oppositionsparteien, eigentlich alle Bürger sind hier in der Verantwortung: Denn wir können nicht einerseits fordern, Neues zu wagen und Innovationen zu fördern, und andererseits jeden Fehler samt Verursacher öffentlichkeitswirksam an den Pranger stellen. Wenn wir den Lernenden Staat verwirklichen wollen, brauchen wir eine lernende Verwaltung. Und in diesem Fall ist es beim

Diese Erkenntnis ist essenziell für einen Kulturwandel der Verwaltung: Innovation und Initiative müssen zwar zentral gewollt, können aber nicht nur zentral umgesetzt werden. Sie müssen vielmehr die ganze Organisation mitnehmen, und die starre Hierarchie ist dabei ein Hindernis: Initiativen und deren Umsetzung kommen von oben und werden von dort gesteuert. Zentrale Umsetzung bedeutet zentrale Kontrolle. Wir beobachten die Tendenz – und das nicht nur in der Verwaltung –, dass Mitarbeiter die Verantwortung für Projekte ungern abgeben, aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Die Angst mag verschiedene Ursachen haben, die “Nach-obenOrientierung” und die Angst vor Fehlern sind zwei mögliche Erklärungen. Bleiben Kontrolle und Verantwortung jedoch immer an derselben Stelle oder bei derselben Person, dämpft das die Entstehung neuer Ideen und Innovationen. Statt einer zentralen brauchen wir darum eine dezentrale Umsetzungskultur. Das gelingt auch hier wieder mit besserer Kommunikation: Wie würden Sie es machen? Probieren Sie es aus! Übernehmen Sie mal das Ruder! Ein Mitarbeiter, der einzelne Projekte in Eigenregie vorantreiben darf, fühlt sich wertgeschätzt und wirksam. Seine Motivation hat, glauben wir, einen positiven Effekt auf die gesamte Behörde. Probieren wir es aus.

4. kulturelles Hindernis: aus dem Silo in die Vernetzung Das vierte kulturelle Hindernis manifestiert sich in einem Satz, den wohl jeder schon gehört hat: “Dafür bin ich nicht zuständig.” Wer öfter mit dem Öffentlichen Dienst zu tun hat, weiß: In der deutschen Verwaltung ist es ein wenig wie im griechischen Pantheon – jeder hat seinen eigenen Bereich, über den er wie ein Gott herrscht. Die Versäulung von Zuständigkeiten hemmt Kooperation und Innovation innerhalb von Behörden. Um innovativ zu sein, muss man vernetzt vorgehen, man braucht verschiedene Sichtweisen auf ein Problem. Um Kompromisse zu finden, muss man sich gegenseitig zuhören. Der Schutz der eigenen Zuständigkeit macht uns engstirnig und verhindert, dass wir voneinander lernen. Wir erfinden das Rad immer neu, statt es von anderen zu übernehmen, das ist nervenaufreibend und ineffizient. Silodenken beobachten wir nicht nur innerhalb, sondern

auch zwischen Behörden. Ein Beispiel: Zahlreiche öffentliche Stellen haben Einfluss auf Jugendliche mit schwierigem Werdegang. Werden sie straffällig, müssten die Schule, die Justiz und die Ämter für Jugend, Soziales, Familie und Gesundheit eigentlich eng zusammenarbeiten, um zu einer angemessenen Entscheidung zu kommen. Jedoch bringen häufig lediglich einzelne Prozesse die unterschiedlichen öffentlichen Stellen zum Austausch – so muss beispielsweise die Jugendgerichtshilfe eine Stellungnahme des Jugendamts vor der Verurteilung eines Jugendlichen abgeben. Falls die Jugendlichen jedoch unter 14 und somit nicht strafmündig sind, gibt es ohne die prozeduralen Vorgaben der Justiz nur wenig systematische Zusammenarbeit der verschiedenen öffentlichen Stellen. Einige Beteiligte kooperieren gar nicht, sondern achten allein auf ihre Zuständigkeit und den Datenschutz. Informationen werden nur auf ausdrückliche Anordnung geteilt. Über die Zuständigkeitsfrage werden schwierige Fälle gerne wie heiße Kartoffeln hin- und hergeschoben. Das ist für den Staat nicht effizient und extrem nachteilig für die betroffenen Jugendlichen, die von einer guten Zusammenarbeit nur profitieren würden. In Silos wird die Zukunft begraben. Das gilt für alle Ebenen. Eine Unterabteilungsleiterin formuliert treffend zu den Prozessen innerhalb der Bundesregierung: “Wir stimmen uns ab, aber wir arbeiten nicht zusammen.” Dass diese Kultur nicht produktiv ist, haben Unternehmen bereits gelernt – und das One Firm Concept entwickelt. Das Konzept ist einfach und bedeutet für den Angestellten: Ich bin Teil eines großen Ganzen, weit über die Grenze meines Teams oder meiner Abteilung hinaus. Der langjährige CEO von General Electric, Jack Welch, hat das One Firm Concept in eine glasklare Anreizstruktur umgesetzt: Der Bonus des einzelnen Angestellten wird nur ausgezahlt, wenn er einen eigenen Erfolg vorweist und gleichzeitig der ganze Konzern seine Ziele erreicht. Denn nur so, sagt Welch, werde wirklich kooperiert, die besten Mitarbeiter weiterempfohlen, sich offen informiert und schnell geholfen. So wird klar: Nur wenn die ganze Firma erfolgreich ist, bin auch ich erfolgreich. Man kann sich vorstellen, welchen Einfluss das auf die Arbeitsmoral und die Zusammenarbeit der Teams hat. Von diesem Konzept können auch wir lernen. Was derzeit nur in Krisen deutlich sichtbar wird, sollte uns jeden Tag bewusst sein: Wir sind ein Staat und ein Öffentlicher Dienst mit einem gemeinsamen Ziel. Wir brauchen in Deutschland ein One Administration Concept: Jeder Mitarbeiter wäre Teil des großen Ganzen, jede Behörde für den Erfolg der gesamten Verwaltung mitverantwortlich. Vorher einander abgeneigte Verwaltungen hätten plötzlich Interesse am gegenseitigen Erfolg. Zusammenarbeit sähe ganz anders aus, Vernetzung, Austausch und Kooperation wären die Realität…. Das Buch “Neustaat – Politik und Verwaltung müssen sich ändern.” (316 Seiten, 24,99 Euro) von Thomas Heilmann und Nadine Schön ist im FinanzBuch Verlag erschienen.

Neustaat Auf der Plattform “Digitaler Staat Online” wollen wir in den kommenden Monaten tiefer in diese Materie einsteigen. Mit der sechsteiligen Webinar-Serie “Der Lernende Staat” denken wir Politik und Verwaltung neu. Start der Reihe ist der 30. Juni 2020. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit unter digitaler-staat. online


SONDERBEILAGE des Behörden Spiegel

zum 60-jährigen Bestehen des Bundesverwaltungsamtes Berlin und Bonn / Juni 2020

Wo wir herkommen, wo wir hinwollen Das Bundesverwaltungsamt feiert sein 60. Jubiläum (BS/Christoph Verenkotte) Von der Bündelung verteilter Behördenaufgaben bis zur Digitalisierung öffentlicher Dienstleister – seinem Gründungsauftrag ist das BVA stets treu geblieben: Verwaltung zukunftsfähig machen!

M

ehr Effektivität in die Verwaltung bringen – das ist seit dem 14. Januar 1960 unser Auftrag. Aufgaben aus dem Bundesministerium des Innern (BMI) – zuvor auf zahlreiche Behörden verteilt – sollten von der neuen, selbstständigen Bundesoberbehörde BVA gebündelt und erheblich effizienter als zuvor erledigt werden. Das zeigt: Die “effiziente Verwaltung” ist keineswegs eine Erfindung der 2000er-Jahre. Schon in der jungen Bundesrepublik war der Ruf nach schnelleren, reibungslosen Verwaltungsabläufen deutlich zu hören.

Bürgerorientierung – nicht nur in der Krise In den folgenden sechs Jahrzehnten hat das Bundesverwaltungsamt die öffentliche Verwaltung stark geprägt. Es hat innovative Konzepte zur Verwaltungsmodernisierung aufgestellt, moderne IT-Anwendungen entwickelt, schwierige Fachaufgaben übernommen und immer wieder neue Ad-hoc-Aufgaben im Auftrag der Bundesregierung erledigt (siehe Info-Kasten unten und S. 30). Jüngstes Beispiel: Seit März unterstützt das BVA das Robert Koch-Institut in der Corona-Krise. Wir haben die Auswahl, Einstellung und Betreuung von 525 “Containment Scouts” übernommen. Diese helfen jetzt den Gesundheitsämtern bei der telefonischen Befragung von Covid19-Infizierten und Kontaktpersonen. Der heutige Königsweg zu mehr Effizienz in der Verwaltung heißt “Digitalisierung”, die damit auf der BVA-Agenda ganz oben steht. Zum einen bedeutet dies, im eigenen

Haus das flächendeckende papierlose Arbeiten konsequent umzusetzen sowie interne Prozesse und Fachverfahren dem Stand der Technik und Methodik anzupassen. Zum anderen stellen wir die öffentliche Verwaltung insgesamt auf den Wandel ein, der die gesamte Gesellschaft erfasst hat – privat, wirtschaftlich und politisch. Jeder von uns hat sich daran gewöhnt, Dienstleistungen digital, mobil, standortunabhängig und mit zeitnaher Rückmeldung zu nutzen. Und diese Dienstleistungsqualität muss auch für die Verwaltung der Maßstab sein! Sollte es noch eines Beweises bedurft haben, wie nötig digitalisierte öffentliche Dienstleistungen sind – die aktuelle Corona-Krise liefert ihn: Je digitaler eine Behörde oder Einrichtung derzeit aufgestellt ist, desto besser gelingt es ihr, ihre ArBVA-Präsident Christoph Verenkotte beitsstrukturen aufrechtzuerhalten Foto: BS/BVA und die Dienstleistungen zu erbringen, die von ihr erwartet werden. Doch auch jenseits solcher Krisen gilt: Die öffentliche Verwaltung muss behörden-, ressort- und ebenenübergreifend zusammenarbeiten, um den Anforderungen moderner Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Dienstleistungen müssen einfach, verständlich, schnell, ortsund zeitunabhängig sowie sicher sein. Bürger brauchen schnelle Lösungen und wollen nicht lange nach Zuständigen suchen. Umsetzung der Vorgaben entschei- und operativer Umsetzung, die zu dend. Zu den Ressourcenfragen, Einschränkungen und Konflikten Auf die Umsetzung der die dabei geklärt werden müssen, führt. Gesetze kommt es an Behörden brauchen eindeutige kommen allerdings auch rechtliche Die Gesetze zur Digitalisierung Hindernisse, die zu beseitigen sind. und leicht umsetzbare Regelunhaben ein Fundament gelegt. Nicht Ein solches Hindernis ist die klassi- gen. Ministerien und Gesetzgebung mehr und nicht weniger. Jetzt ist die sche Trennung von Gesetzgebung aber schaffen komplexe Regelwerke,

Der heutige Königsweg zu mehr Effizienz in der Verwaltung heißt “Digitalisierung”, die damit auf der BVA-Agenda ganz oben steht.

um politischen Willen rechtssicher sowie möglichst differenziert auf individuelle Sachverhalte umzusetzen. Der Blick auf Machbarkeit und Aufwand kommt dabei oft zu kurz. Um zu bürgernahen und praxisgerechten Lösungen zu kommen, muss die Verwaltung stärker in die Gesetzgebung eingebunden werden. Gesetze sollten in einem vollkommen neu zu konzipierenden Prozess erarbeitet werden. Ministerien sollten in Digitalisierungslabore gehen – gemeinsam mit den vollziehenden Behörden und Betroffenen der angedachten Gesetze! Auch die Verwaltungsabläufe selbst müssen neu gedacht werden. Digitalisieren bedeutet, eine tiefgreifende und grundsätzliche Veränderung des Verwaltungshandelns herbeizuführen. Das Knowhow der gesamten Verwaltung gilt es zu bündeln, um durch zielgerichtete Modernisierung effizientes, wirtschaftliches und qualitativ hochwertiges Verwaltungshandeln zu erreichen.

ich auch Analytik und Künstliche Intelligenz. Denn die Zukunftsfähigkeit der Verwaltung hängt maßgeblich davon ab, wie schnell, flexibel, digital und effizient sie agieren kann. Natürlich gilt das auch für das BVA selbst. Deshalb stellen wir unsere Arbeitswelt auf “Arbeit 4.0” um – mit noch mehr eigenverantwortlichem und ortsunabhängigem Arbeiten. Und wir optimieren unsere Personalgewinnung, um für die demografischen Herausforderungen gut aufgestellt zu sein. Doch wir wissen auch: Der Personalmangel, der aus der veränderten Bevölkerungsstruktur folgt, wird es notwendig machen, Verwaltungsaufgaben wieder verstärkt in Dienstleistungszentren zu bündeln, um sie effizient erledigen zu können. Schon deshalb wird es auch nach 60 spannenden Jahren nicht ruhig werden im Bundesverwaltungsamt.

Den Blick über den Tellerrand hinaus wagen

“Wir wissen, wie Verwaltung geht” – damit dieser Satz auch in Zukunft Von den Besten lernen, um auf das BVA zutrifft, muss es seine die Zukunft zu meistern wichtigsten Stärken wahren: die BeAus nunmehr sechs Jahrzehnten reitschaft zum dynamischen Wandel, verfügt das BVA über einen reichen die Übernahme neuester Methoden Erfahrungsschatz bei der Umsetzung und Lösungsansätze aus Wirtschaft von Programmen und komplexen und Forschung, eine ausgeprägte Modernisierungsprojekten. Mit Projekt- und IT-Kompetenz und unserem Praxis-Know-how in den die Offenheit seiner engagierten Bereichen Register, Standardisie- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um von den Besten zu lernen, rung, Projektmanagement, Prozessmanagement und Beratung unter- wie es das Ziel des BVA ist, werden stützen wir den digitalen Wandel wir weiterhin den Blick über den der öffentlichen Verwaltung aktiv. Tellerrand wagen und gute LösunUnd wenn ich von der Steigerung gen übernehmen, wo immer wir sie digitaler Kompetenz spreche, meine entdecken.

60 Jahre BVA – eine Erfolgsgeschichte (1960 bis 1990) (BS) Viel hat sich bewegt seit Gründung des BVA am Rudolfplatz in Köln – und das BVA hat viel bewegt. Zwischen Kriegsgräberfürsorge und E-Government lag eine Vielzahl wechselnder Aufgaben. Das Kernziel aber ist geblieben: Effektivität.

14. Januar 1960

Staatsangehörigkeitsfragen sowie die Auslandsfürsorge für hilfsbedürftige Deutsche im Ausland zuständig.

1968

Der erste Sitz des BVA befand sich in einem Gebäude am Kölner Rudolfplatz. . Foto: BS/BVA Am 14. Januar 1960 wurde das Bundesverwaltungsamt gegründet. Sein erster Hauptsitz war ein Gebäudekomplex am Rudolfplatz, der heute als Hotel dient. Der Auftrag an das BVA: Erst dem Bundesministerium des Innern, später auch anderen Ministerien administrative Aufgaben abnehmen und mehr Effektivität in die Bundesverwaltung bringen. In seinen Anfangsjahren leistete das BVA unter anderem Entschädigungszahlungen an ehemalige Bedienstete jüdischer Gemeinden, betreute die Kriegsgräberfürsorge und war für

wurde die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des BVA gegründet, die deutsche Schulen im Ausland organisatorisch, pädagogisch und finanziell betreut. Die deutsche Auslandsschularbeit bildet bis heute eine wichtige Säule der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Mehr als 1.200 Schulen in 95 Ländern, davon 140 Deutsche Auslandsschulen, werden aktuell von dieser Abteilung des Bundesverwaltungsamtes gefördert. Bereits Ende der 60er-Jahre war klar: Das BVA brauchte ein größeres Dienst-

gebäude, denn die kräftig wachsende Behörde platzte aus allen Nähten. Nicht nur an den zahlreichen Standorten, auch in Köln waren die BVA-Beschäftigten auf verschiedene Gebäude und Stadtteile verteilt. So entstand auf dem Gelände der Barbara-Kaserne im Kölner Stadtteil Riehl ein Neubau, den die Beschäftigten 1983 bezogen.

1970

In den 70ern übernahm das BVA eine Reihe neuer Aufgaben. Die größte davon: BAföGDarlehen. Seit 1971 unterstützt das BVA die Ausbildungsförderung und leistet damit einen wichtigen Beitrag dazu, dass viele junge Menschen eine gute Ausbildung genießen oder Hochschulen besuchen können. In den Händen des BVA liegt es, Ausbildungskredite wieder einzuziehen, damit auch die folgenden Generationen davon profitieren können.

1980

In den frühen Jahren kamen noch Lochkarten-Auswerter zum Einsatz. Foto: BS/BVA

Besonders spannend wurde es Ende der 80er-Jahre: In den Wochen, bevor die Berliner Mauer fiel, siedelten tausende von DDR-Bürgerinnen und -Bürgern in die Bundesrepu-

1990

Am BVA-Standort Friedland werden die Spätaussiedler registriert und auf die Bundesländer verteilt. Foto: BS/BVA

blik über und mussten schnell versorgt werden. Gleichzeitig erreichte die Einreise von Aussiedlerinnen und Aussiedlern aus den ehemaligen Ostblockstaaten ihren Höhepunkt. Die Spätaussiedler-Aufnahme war eine enorme Herausforderung: Bis zu 397.000 Menschen pro Jahr kamen damals in zehn Erstaufnahmeeinrichtungen unter, bevor sie auf die Bundesländer verteilt werden konnten. Ab Mitte der 90erJahre nahm sich das BVA auch der Integration der Spätaussiedler an, etwa mit Sprachkursen und -tests vor der Einreise nach Deutschland.

Die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1990 wirkte sich auf sämtliche Strukturen des Staates aus. In dieser Zeit übernahm das BVA zahlreiche Funktionen, etwa die Abwicklung von Vermögen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und des Amtes für nationale Sicherheit (AfNS) der ehemaligen DDR, die Überleitung der Rente ehemaliger Staatsbediensteter des MfS, die Organisation einer neuen Ausbildungskultur nach westdeutschem Recht und die Zusammenführung von zwei unterschiedlichen Sportsystemen. Die 90er-Jahre waren zudem von einer rasanten technischen Entwicklung gekennzeichnet. Das BVA setzte dabei früh auf moderne Technologien und gehörte zu den Vorreitern des papierlosen Büros: 1998 schlug die Geburtsstunde der elektronischen Vorgangsbearbeitung durch ein vom BVA konzipiertes Dokumentenmanagementsystem. Ein weiterer wegweisender Schritt war die Gründung des Dienstleistungszentrums (DLZ), in dem das BVA erstmals Personalaufgaben für verschiedene Behörden zentralisierte.


60 Jahre BVA

Seite II

Behörden Spiegel / Juni 2020

Vom Einzelantrag bis hin zur App Die Beihilfebearbeitung im Wandel der Zeit (BS/Dr. Manfred Schmidt) Vor 20 Jahren gewährte beinahe jedes Ressort, jede Behörde und manchmal sogar jede Institution die Beihilfe für ihre Mitarbeiter individuell – mit einem hohen manuellen Aufwand. Heute bearbeitet das Bundesverwaltungsamt rund 90 Prozent aller Beihilfen für Bundesbedienstete. Pro Jahr werden rund 1,3 Millionen Beihilfebescheide erteilt. Das BVA ist der größte Beihilfe-Dienstleister des Bundes.

A

nspruch der Beihilfebearbeitung ist es, an unseren 16 von insgesamt 22 BVAStandorten für unsere Kunden eine moderne, qualitativ hochwertige und effiziente Dienstleistung zu erbringen, die gleichzeitig aber auch den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnet. Das kann nur in dem Maße gelingen, wie wir die Möglichkeiten der Digitalisierung, Automatisierung und Standardisierung unserer internen Arbeitsprozesse nutzen und neue Kommunikationswege realisieren. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, haben wir das Leuchtturmprojekt “Beihilfe.digital” ins Leben gerufen. In Interviews mit Beihilfeberechtigten zu Beginn des Projekts wurde vielfach der Wunsch nach einer unkomplizierten und schnellen Möglichkeit der Antragstellung geäußert. Der Fokus in diesem Projekt lag daher zunächst auf der Entwicklung und Einführung der App “Beihilfe Bund”. Mit der Anwendung können Beihilfeberechtigte ihre Anträge digital über ihr Smartphone einreichen. Die Kurzanträge und Rech-

ehörden Spiegel: Das BVA und dessen Beschäftigte waren in den vergangenen 60 Jahren vielfältigen Veränderungsprozessen ausgesetzt. Was ist grundlegend zu beachten, um einen solchen Wandel erfolgreich zu bestreiten? Bechtold: Das Wichtigste, das wir im BVA gelernt haben, ist: Wir können und wollen Veränderungen nicht aufhalten. Wir wollen sie vielmehr gestalten und managen. Ein stringentes Veränderungsmanagement – und zwar mit Transparenz, Sozialkompetenz sowie Mitarbeiterorientierung – ist für uns eine notwendige Voraussetzung. Die offene, rechtzeitige Information der Mitarbeitenden sowie die Kommunikation mit allen Beteiligten und Betroffenen über die Auslöser, Ziele und Fortschritte sind zwingend, um die Veränderung erfolgreich steuern zu können. Zudem gilt nach wie vor, dass unsere Beschäftigten weitmöglichst in die Gestaltung der Veränderungen einzubeziehen und daran zu beteiligen sind. Geschieht dies nicht oder nicht rechtzeitig, setzen vorprogrammierte, natürliche Abwehrmechanismen wie Ängste, Beharrungskräfte und Widerstand ein. Einbeziehung und Kommunikation sind die maßgeblichen Erfolgsfaktoren.

B

Behörden Spiegel: Inwieweit hat die insbesondere durch die Digitalisierung getriebene Verwaltungsmodernisierung der vergangenen 20 Jahre die Anforderungen an das Change Management in Ihrem Hause verändert? Bechtold: Nicht nur die Digitalisierung, auch Konsolidierungen, der Fachkräftemangel, die demografische Entwicklung und viele weitere Herausforderungen treiben das Veränderungsmanagement an, sich selbst zu verändern. Im BVA hat sich das Veränderungsmanagement vor allem den gestiegenen Anforderungen der Mitarbeitenden nach Information, Kommunikation und Beteiligung angepasst. Zudem haben wir aufgehört, unreflektiert seit Jahren gleiche Fragenkataloge und Managementwerkzeuge in Veränderungsprozessen abzuarbeiten. Wir suchen nicht den allgemein gültigen

nungsbelege müssen nicht kopiert, gedruckt oder per Post verschickt werden. Fotos der Dokumente reichen. Inzwischen haben sich weit mehr als 90.000 Kundinnen und Kunden registriert und über 400.000 Anträge per App an das BVA übermittelt – mit steigender Tendenz. Noch in diesem Jahr, im Sommer 2020, möchten wir unseren Kunden die Möglichkeit geben, auch ihren Bescheid per App zu empfangen und sukzessive auf die Versendung per Post zu verzichten. Damit ist ein erster, wichtiger Baustein der Digitalisierung erfolgreich gesetzt. Wobei zu betonen ist, dass Anträge selbstverständlich auch weiterhin im Papierformat eingereicht werden können.

Eine vom BVA entwickelte App vereinfacht die Bearbeitung von Beihilfen. Foto: BS/BVA

Der zweite wesentliche Baustein ist die Ablösung der zwischenzeitlich veralteten Software zur Festsetzung der Beihilfe. Unser Gesundheitssektor ist äußerst dynamisch mit

Alle müssen umdenken. Auch den Kunden, den Beihilfeberechtigten, verlangen die Innovationen einiges ab.

neuen Behandlungsmethoden, neu zugelassenen Medikamenten, aber auch neuen rechtlichen Rahmenbedingungen wie der sogenannten Krankenhaus-Direktabrechnung. Um hiermit Schritt zu halten und eine zügige und korrekte Abrechnung der geltend gemachten Aufwendungen sicherzustellen, ist ein modernes und zukunftsfähiges Abrechnungssystem von elementarer Bedeutung, das auch die Automatisierung einzelner Prozess-Schritte ermöglicht. Das BVA hat sich daher bewusst gegen eine Weiterentwicklung der bestehenden Software und für die Beschaffung einer am Markt erprobten Standardsoftware entschieden. Die zwischenzeitlich durchgeführte Ausschreibung konnte vor Kurzem positiv mit dem Zuschlag abgeschlossen werden. Gemeinsam mit dem Hersteller und dem IT-Dienstleister werden in den kommenden Monaten die für den Einsatz der Software notwendigen Anpassungen und Voraussetzungen identifiziert und umgesetzt. Erklärtes Ziel ist es, die neue Software im Jahr 2022 flächendeckend an allen BVAStandorten einzuführen.

Dr. Manfred Schmidt, Vizepräsident beim BVA. Foto: BS/BVA

Diese scheinbar lange Vorlaufzeit lässt sich leicht erklären: Allein die Schulung eines Personalkörpers von rund 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern muss gut vorbereitet sein, um den Kunden auch während dieser Zeit zuverlässige Bearbeitungszeiten und gute telefonische Erreichbarkeit bieten zu können. So ein grundlegender Wandel von Prozessen und Arbeitsabläufen stellt jedes größere Haus vor Herausforderungen. Das Einsetzen einer neuen Technik erscheint zunächst einfach. Bei der Umstellung der Prozesse, der Standardisierung und natürlich auch der Auflösung traditioneller “Fürstentümer” wird es schon schwieriger.

“Wir wollen Veränderungen gestalten” Interview mit BVA-Vizepräsidentin Silvia Bechtold (BS) In den 60 Jahren seines Bestehens hat das Bundesverwaltungsamt mancherlei Veränderung durchlebt: personelle, organisatorische und nicht zuletzt auch technologische. Auf Kartei- folgte Lochkarte, auf Lochkarte die Archivierung via Bits und Bytes. Über 60 Jahre Transformation sowie Herausforderungen der digitalen Zukunft sprach Guido Gehrt mit der Vizepräsidentin des BVA, Silvia Bechtold. Königsweg oder eine Blaupause, die eins zu eins in jedem Prozess abzuhaken ist. Viel wichtiger ist es uns heute, mit gesundem Menschenverstand, Empathie und Mut an Veränderungsprozesse situativ heranzugehen. Mit neuem, oft agilem Organisationsvorgehen und mit zunehmender Komplexität hat sich auch unser Veränderungsmanagement verändert. Es ist ebenfalls beweglicher und agiler geworden. Behörden Spiegel: Ihre Behörde gilt als eine der innovativsten in der Bundesverwaltung. Was zeichnet das BVA im Jahre 2020 als moderne Behörde aus – insbesondere auch mit Blick auf die Beschäftigten? Bechtold: Dass wir immer wieder Flexibilität und Gespür für innovative und zugleich pragmatische Lösungen beweisen konnten, macht das BVA zu einem begehrten Problemlöser. Wir sind so etwas wie das Multifunktionswerkzeug der Bundesverwaltung. Dabei ist die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung zugleich Chance und Herausforderung für uns alle. Wenn die Halbwertzeit des Wissens in vielen technischen Berufen bei ein bis drei Jahren liegt, müssen wir vor allem auch das Verlernen lernen, also das Loslassen von bisherigen Arbeitsweisen, Prozessen und Lösungen. Neue Erwartungen an die Arbeitswelt junger Talente treffen dabei auf gelebte Verwaltungstradition. Den Austausch zwischen den Generationen gestalten wir schon heute aktiv. Das geht am besten in interdisziplinär und divers aufgestellten Teams. Und mit konsequenter Ausrichtung auf die Bedürfnisse der internen und externen Nutzer. Nur dank dieser Einstellung kann es gelingen, die Anforderungen an uns zu bedienen. Wir sind offen für neue Arbeitsweisen und Technolo-

Wir wollen selbstbestimmte Arbeitsweisen etablieren, hierarchische Strukturen aufbrechen.

Silvia Bechtold, Vizepräsidentin des BVA. Foto: BS/BVA

gien, ob in bestehenden Tätigkeitsbereichen oder bei der Übernahme neuer Aufgaben. So konnten wir zum Beispiel auch den Herausforderungen an die Personalgewinnung in der Corona-Pandemie begegnen. Auswahlgespräche führten wir per Videochat, um Gesundheitsrisiken für Bewerber und Recruiter zu vermeiden. Behörden Spiegel: Das Thema Agilität bzw. die agile Organisation ist momentan in aller Munde. Kann und sollte ein so großer “Tanker” wie das BVA überhaupt jemals in Gänze eine agile Organisation sein? Gibt es hier Grenzen des Denk- und Machbaren bzw. des Sinnvollen? Bechtold: Das BVA setzt schon lange auf agile Methoden in der Softwareentwicklung. Ein Beispiel ist die Beihilfe-App, die mithilfe agiler Methoden nutzerfreundlich gestaltet wurde, sowohl für Antragsstellenende als auch für Bearbeitende. Die zentrale Herausforderung besteht darin, in Projekten vielgeübte Vorgehensweisen und Erfahrungen auf Linienaufgaben und Fachbereiche zu

übertragen. Durch die Einrichtung des Digitallabors und dezentrale Agilitätsräume fördern wir Agilität auch außerhalb der IT. Wir stellen uns dem gesellschaftlichen Wandel, den politischen Entscheidungen sowie der technologischen und demografischen Entwicklung, um durch agile Veränderungsprozesse kurzfristig handlungs- und wandlungsfähig zu sein. Man muss aber im Auge behalten, dass wir nicht immer und

überall agil sein müssen: In unserem Kerngeschäft, also den Leistungen für Bürger und Unternehmen, ist der Spielraum für Agilität geringer, da diese primär transparent, rechtskonform und reproduzierbar erbracht werden müssen. Wir fragen uns immer: Wie viel Agilität ist in der jeweiligen Situation erforderlich und verkraftbar? Und in welchen Bereichen wird aktuell vorrangig Agilität und in welchen Bereichen Stabilität benötigt? Behörden Spiegel: Welche sind die Haupthandlungsfelder, die in den kommenden fünf Jahren den weiteren Wandel des BVA maßgeblich prägen werden? Bechtold: Wir wollen den Digitalisierungsprozess in unserer Behörde

Das BVA in Zahlen Ausbildung: Für 274 Einrichtungen des Bundes ist das BVA “zuständige Stelle” nach dem Berufsbildungsgesetz. In diesen Dienststellen werden rund 2.700 junge Menschen in 58 Berufen des Öffentlichen Dienstes, der Wirtschaft und des Handwerks ausgebildet. Als zuständige Stelle ist das BVA Ansprechpartner in allen Fragen der beruflichen Bildung. Ausbildungsförderung: 1971 trat das Bundesausbildungsförderungsgesetz in Kraft. Seitdem haben 5,1 Millionen Studierende BAföG-Darlehen erhalten. Das Bundesverwaltungsamt ist für die Einziehung der Staatsdarlehen zuständig. Aktuell werden 523.000 BAföG-Darlehen zurückgezahlt.

Illustration: BS/© aklionka , stock.adobe.com

Alle müssen umdenken. Auch den Kunden, den Beihilfeberechtigten, verlangen die Innovationen einiges ab. Und viele fragen, warum wir das alles tun? Mancher bevorzugt den Prozess auf Papier, anderen geht der digitale Wandel nicht schnell genug. Doch gerade die heterogene Kundenlandschaft, die wir bedienen müssen, macht die Beihilfe-Abteilung zu einer der spannendsten im BVA. Unser Ziel ist es, die Vorteile und Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um die Gewährung von Beihilfe für alle Beteiligten so einfach und so schnell wie möglich zu gestalten. Und die Beihilfe-App wird nicht der letzte Baustein auf diesem Weg sein.

massiv vorantreiben. In fünf Jahren sollen alle relevanten Verwaltungsverfahren des BVA für unsere Kunden digital erreichbar und Papier in allen Bereichen als primäres Bearbeitungsmedium abgelöst sein. Die Digitalisierung führt zu einem kompletten Neudesign hergebrachter behördlicher Strukturen. Bislang individuell gelebte Prozesse werden z. B. durch IT-Einsatz zunehmend standardisiert werden. Eng damit verbunden ist die Erschließung einer zeitgemäßen, zukunftsfähigen Arbeitswelt im BVA. Plattformen für optimale Bürgerservices nach außen und die elektronische Personalakte nach innen machen mobiles Arbeiten und neue Arbeitsformen nicht nur möglich, sondern erheben sie zum Standard. Wir wollen selbstbestimmte Arbeitsweisen etablieren, hierarchische Strukturen aufbrechen und uns dem Werkstattgedanken öffnen. Mobile Arbeitsformen als Selbstverständnis, flachere Hierarchien, schlankere Strukturen und Entscheidungsprozesse insgesamt machen nicht nur ein organisatorisches Umdenken erforderlich, sondern sie setzen die innere Bereitschaft und mentale Beweglichkeit von allen Beschäftigten jedweder Ebene und jedweden Alters voraus. Das intern zu initiieren, zu fördern und zu steuern, ist und wird Kernthema in unserem Haus sein und bleiben. Bis 2030 werden darüber hinaus mehr als 40 Prozent der BVA-Beschäftigten altersbedingt ausscheiden. Wir arbeiten daher an einem zukunftsweisenden Personalmanagement, das die Bereiche Personalgewinnung, Personalbindung und Personalentwicklung neu denkt. Hier geht es zum einen ebenfalls um IT-Ausstattung und IT-Infrastrukturen wie z. B. die Einführung der elektronischen Personalakte. Damit ist es aber nicht getan. Es geht auch um unsere Attraktivität als Arbeitgeber, um die Ermöglichung von eigenverantwortlichem Arbeiten, um ein wertschätzendes Miteinander von Jung und Alt und divers, die Ermöglichung von WorkLife-Balance, eine fokussierte Personalentwicklung nach Fähigkeiten, Begabungen und Interessen sowie um transparente Karrierepfade.


60 Jahre BVA

Behörden Spiegel / Juni 2020

Seite III

Anerkennung für ehemalige deutsche Zwangsarbeiter

Amtshilfe für das Robert Koch-Institut

Ad-hoc-Hilfe nach Naturkatastrophen

eit März 2020 unterstützt das Bundesverwaltungsamt das Robert KochInstitut in der Corona-Krise. Das BVA hat die Abwicklung des Auswahl- und Einstellungsverfahrens sowie die Betreuung von 525 sogenannten “Containment Scouts” übernommen. Diese helfen den Gesundheitsämtern bei der telefonischen Befragung von Covid-19-Infizierten und Kontaktpersonen.

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ehrfach in seiner Geschichte hat das BVA bei kurzfristigen Problemstellungen schnelle unbürokratische Hilfe geleistet. Ein Beispiel dafür waren die Entschädigungszahlungen nach der Flutkatastrophe an Elbe und Donau im Jahr 2002.

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beschloss der Bundestag, Menschen, die wegen ihrer deutschen Staatsangehörigkeit zwischen 1939 und 1956 als Zwangsarbeiter im Ausland arbeiten mussten, mit einer einmaligen symbolischen Anerkennungsleistung von 2.500 Euro zu würdigen. Den Auftrag zur Umsetzung der Richtlinie erhielt das BVA. Seit August 2016 hat es mehr als 46.000 Anträge bearbeitet; über 80 Prozent der Gesuche wurden positiv beschieden.

2015

Apostillen und Beglaubigungen

Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit

as BVA beglaubigt Unterschriften auf deutschen öffentlichen Urkunden zum Zweck der Legalisation im Ausland und erteilt Apostillen auf Bundesurkunden für die Verwendung in Beitrittsländern des Haager Übereinkommens.

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eutsche, die sich in einem anderen Staat einbürgern, verlieren in der Regel ihre deutsche Staatsangehörigkeit. Der Weg zur doppelten Staatsbürgerschaft ist für deutsche Staatsbürger nur über die Beibehaltungsgenehmigung möglich. Diese muss beim Bundesverwaltungsamt beantragt werden.

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Arbeitsplatzbewertung ine einzigartige Dienstleistung ist die tarifgerechte Bewertung von Arbeitsplätzen nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) und die Beratung in Eingruppierungsfragen. Im Auftrag der Bundesbehörden bewertet das BVA spezielle Arbeitsplätze, etwa von Restauratoren, Fotografen, Daktyloskopen, Gondolieri, Museumspädagogen, Apothekern, Ärzten, IT-Fachleuten, Bibliothekaren oder Archivaren.

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Breit gestreute Aufgaben Corona-Pandemie: Vertragsabwicklung für Schutzausrüstung ie Bundesregierung strebt an, dass Schutzkleidung für Ärzte und medizinisches Personal zur Behandlung von Covid-19-Patienten verstärkt aus deutscher Herstellung kommt. Deshalb hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Rahmenverträge mit Firmen geschlossen, die in Deutschland gefertigte persönliche Schutzausrüstung wie Atemmasken, OP-Masken oder Schutzkittel liefern werden. Ab Mitte August sollen pro Woche bis zu 50 Millionen Masken und eine Million Schutzkittel ausgeliefert werden. Das BVA unterstützt das BMG bei der Mittelbewirtschaftung und Rechnungslegung; es bearbeitet im Auftrag des BMG die Rechnungen für gelieferte Schutzkleidung und ordnet die Zahlungen an.

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Das Servicespektrum des BVA ist einzigartig: In zahlreichen Verwaltungs- und Fachaufgaben vertrauen die Bundesministerien auf Kompetenzen des BVA.

Münzwesen des Bundes eit 2017 unterstützt das BVA das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Münzwesen. Zu den Aufgaben zählen die Gestaltung, Herstellungsbeauftragung, Ausgabe und Vertrieb von Umlauf-, Gedenk- sowie Sammlermünzen.

as BVA verwaltet die Personalakten von ehemaligen Angehörigen und Zivilbeschäftigten der Nationalen Volksarmee sowie des Ministeriums des Inneren und des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen DDR. Es beantwortet Anfragen zu Dienstzeiten, Entgelten, Dienstverhältnissen, Versorgungsleistungen, beruflichen Werdegängen und Rehabilitierungen.

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Entschädigung für verstrahltes Wild ls Folge des Reaktorunglücks in Tschernobyl im Jahr 1986 liegt die Strahlenbelastung von Wildtieren zum Teil noch immer über dem zulässigen Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm. Vor allem bei Wildschweinen wird dieser Wert oft überschritten. Vom BVA erhalten Jäger für das nicht mehr verwertbare Wildbret einen “Schadensausgleich nach dem Atomgesetz”.

Spätaussiedler ür den Bund übernimmt das BVA die Aufnahme und Steuerung des Zuzugs von Spätaussiedlern. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens überprüft das BVA die gesetzlichen Voraussetzungen. Bei einem Aufnahmebescheid registriert der Standort Friedland die Personen nach ihrem Eintreffen und leitet das Bescheinigungsverfahren ein.

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Erstattung nach dem Gräbergesetz as BVA leistet Ausgleichzahlungen für die Pflege und Erhaltung von Kriegsgräbern. Die Kriegsgräberfürsorge gehörte in den 1960er-Jahren zu den ersten Aufgaben des Bundesverwaltungsamtes.

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Waffenrechtliche Erlaubnisse

Sekten und Psychogruppen as BVA unterstützt die Bundesregierung bei der Dokumentation, Analyse und Evaluation zum Thema “So genannte Sekten und Psychogruppen”. Bei Bedarf werden Berichte und Stellungnahmen erstellt, die als fachliche Grundlage für Gesetzes­initiativen dienen und Hinweise auf Konfliktpotenziale geben.

Einigungsbedingte Sonderaufgaben

as BVA stellt Waffentrageerlaubnisse für die Personenschützer ausländischer Staatsgäste aus, beispielsweise beim Besuch von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Großbritanniens Premier Boris Johnson während der Libyen-Konferenz in Berlin im Januar 2020.

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Siebtes Kind – der Bundespräsident als Ehrenpate usammen mit Städten und Gemeinden leistet das BVA die Vorarbeit für Ehrungsaufgaben des Bundespräsidenten bei Alters- und Ehejubiläen sowie Patenschaften: Auf Wunsch der Eltern übernimmt der Bundespräsident die Ehrenpatenschaft für das siebte Kind einer Familie.

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Illustration: BS/B. Dach unter Verwendung von macrovector, freepik.com


60 Jahre BVA

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Ein dynamisches Haus Als Arbeitgeber ist das BVA maximal flexibel (BS/Thomas Petersdorff) 6.000 Beschäftigte, 22 Standorte, 150 Aufgaben – welche Behörde bietet eine vergleichbare Vielfalt? Das Bundesverwaltungsamt wirbt mit einzigartigen Berufsperspektiven.

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ie Vielfalt der Aufgaben ist ein Markenzeichen des BVA, das so gut wie jeden Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich abdeckt. “Wir sorgen mit dafür, dass Deutschland funktioniert”, sagt Dr. Christian Schulz, Leiter der Referatsgruppe Personal und Justiziariat. Das BVA ist das Beratungszentrum des Bundes für Verwaltungsmodernisierung, zahlt Bezüge, Entgelt und Beihilfe an rund 90 Prozent der Bundesbeschäftigten, verwaltet jährlich bis zu 23 Milliarden Euro für andere Institutionen und entlastet oberste Behörden sowie Ministerien bei zahlreichen Fach- und Serviceaufgaben. “Dabei sind wir auch international tätig, wie bei der Betreuung der deutschen Schulen im Ausland oder der Vernetzung der deutschen Auslandsvertretungen mit dem VISA-Informationssystem”, erklärt Dr. Schulz.

ca. 40 Prozent der derzeit im BVA tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand bzw. in Rente gehen. In verdichteten Ballungsgebieten wie Köln-Bonn, Berlin, Stuttgart oder München ist die Konkurrenz mit anderen Behörden und Wirtschaftsunternehmen bei der Mitarbeitergewinnung groß. Anderswo, außerhalb der großen Ballungsregionen, fällt die Personalgewinnung leichter. Hier zeigt sich der Vorteil einer Flächenbehörde, die über das gesamte Bundesgebiet verstreut ist. Seit der Übertragung ziviler Aufgaben von der Bundeswehr im Jahr 2013 und der Zusammenführung mit dem Dienstleistungsbereich des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) vier Jahre später ist das Bundesverwaltungsamt der größte Dienstleister des Bundes. Inzwischen zählt

es rund 6.000 Beschäftigte an 22 Standorten von Bonn über Kiel und Neubrandenburg bis Görlitz und München.

Generalisten und Spezialisten gesucht “Wir sind ein dynamisches Haus. Regelmäßige und teils kurzfristige Änderungen im Aufgabenportfolio (z. B. Familiennachzug subsidiär Schutzbedürftiger, Unterstützung des Robert Koch-Instituts etc.) können schon bei der Personalauswahl Berücksichtigung finden”, sagt Dr. Schulz. “Für etliche Arbeitsplätze werden deshalb Generalisten gesucht, die sich im Rahmen ihres Berufslebens in verschiedene Aufgabenbereiche einarbeiten können.” Insgesamt würden aber beide Gruppen gesucht: “Generalisten und Spezialisten”. In einer komplexer werdenden digitalen Welt böten sich

Recruiting-Vorteile in der Fläche Als Erfolgsfaktoren für das BVA nennt Dr. Schulz “die Bereitschaft zum dynamischen Wandel, die Übernahme von Methoden und Lösungsansätzen aus Wirtschaft und Forschung, eine ausgeprägte Projekt- und IT-Kompetenz und sehr engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter”. Der durch den demografischen Wandel bedingte Fachkräftemangel und die zunehmende Konkurrenz mit anderen Arbeitgebern machen allerdings auch den BVA-Verantwortlichen zu schaffen: Bis zum Jahr 2030 werden

Für seine Imagekampagne “Bewirb dich so, wie du bist” wurde das BVA 2018 mit dem ZEIT Karriere Award ausgezeichnet. Die Jury lobte die Idee, echte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Mittelpunkt der Kampagne zu stellen. Foto: BS/DIE ZEIT, ZKA18, FelixMatthies

Der heutige BVA-Hauptsitz im Kölner Stadtteil Riehl Foto: BS/BVA

auch entsprechend hochspezialisierte Arbeitsplätze im BVA an, etwa für Data Scientists, so Dr. Schulz. Da bis zum Jahr 2030 ca. 40 Prozent des heutigen Personals das BVA demografiebedingt verlassen werden, legt die Behörde besonderen Wert auf die Weiterentwicklung der Verbleibenden. Das Fortbildungsangebot bietet Möglichkeiten über alle Laufbahnen, Ausbildungen und Fachkompetenzen hinweg. Von Verwaltungsfachleuten bis hin zu ITSpezialisten hat das Haus eine große Menge von individuellen Berufsprofilen im Einsatz. In den vielfältigen, oft projektbezogenen Einsätzen, die hohe Flexibilität fordern, entwickeln Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfangreiche Kompetenzen. Das BVA unterstützt sie dabei mit einem breiten Schulungsangebot, zumal in der öffentlichen Verwaltung nicht mehr allein juristische und verwaltungsbezogene Kompetenz gefordert sind. Die Beschäftigten sollten auch über ein hohes Maß an Sozialkompetenz verfügen, um sich auf besondere Lebenslagen der Bürger und Unternehmen einstellen zu können.

“DAISY” verbindet weltweit BVA-Fachportal unterstützt die deutsche Auslandsschularbeit (BS/Bennet Klawon) An 140 Deutschen Auslandsschulen, 26 Deutsch-Profil-Schulen und mehr als 1.100 Sprachdiplomschulen absolvieren zahlreiche Schülerinnen und Schüler ihre Abschlüsse und das Deutsche Sprachdiplom (DSD) der Kultusministerkonferenz. Die Organisation und administrative Unterstützung der über den ganzen Erdball verstreuten Schulen kann sich dabei durchaus schwierig gestalten. Abhilfe schafft das “Deutsche Auslandsschularbeit Informations-System” (DAISY) des Bundesverwaltungsamtes.

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AISY bietet als Fachportal eine Plattform für die Organisation und Zusammenarbeit im Auslandsschulwesen, mit der die verschiedensten Verwaltungsaufgaben und Prozesse mit Online-Anwendungen unterstützt werden. Von dem Portal profitieren alle Beteiligten des Auslandsschulwesens, wie die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), die Auslandsschulen selbst, ausländische Bildungseinrichtungen, die ZfAFachberaterinnen und -Fachberater und die Kultusministerkonferenz. Das Portal löst das alte “Informationssystem Auslandsschulwesen” (ISAS) ab, welches aus der Mitte der 90er-Jahre stammt. Dieses entspricht nicht mehr den Anforderungen des 21. Jahrhunderts, was die Fachanwendungen, die Datensicherheit und die Programmiersprache anbelangt.

In fünf Entwicklungsstufen zum neuen System

Edgar Borchers, der IT-Projektgruppenleiter von DAISY. Unter anderem müssten die Prozesse entzerrt werden, damit an einzelnen Funktionen gearbeitet werden könne und diese dann separat online verfügbar gemacht werden könnten. Um das Gesamtrisiko zu vermindern, sei es sinnvoll gewesen, die komplexe Umsetzung der Fachprozesse in Teilschritte aufzuteilen. Die dateibasierten Übermittlungswege des alten Systems werden durch eine webbasierte Anwendung abgelöst. Das bedeutet für die Nutzerinnen und Nutzer, dass keinerlei Software-Installation nötig ist und das Portal unkompliziert über den Browser verwendet werden kann. Einzig: Es muss ein Nutzerzertifikat gespeichert werden, damit ein clientseitiger Zugangsschutz besteht.

Mehr als die Hälfte des Weges bereits geschafft …

Bisher konnten schon drei der fünf Entwicklungsstufen live gehen. Den Die Neuentwicklung und den ersten Stein für den UmstellungsMigrationssprozess startete das prozess legte die eingerichtete BVA im Jahre 2015. Die Beteiligten IT-Projektgruppe zusammen mit entschieden sich für einen stufen- der ZfA nach einer zweijährigen weisen Aufbau der neuen Anwen- Entwicklungsphase 2017 mit der Eindungslandschaft und gliederten die führung einer Fachanwendung zur Umstellung vom alten auf das neue Prüfungsabwicklung des Deutschen System in fünf Entwicklungsstufen. Sprachdiploms (DSD). Das DSD ist Natürlich bringt ein großes Migra- eine gemeinsame Aufgabe von Bund tions- und Neuentwicklungsprojekt und Ländern, das seit über vierzig Herausforderungen mit sich. Es sei Jahren an Deutschen Auslandsschueine komplexe Angelegenheit, so len und an Sprachdiplomschulen

Deutsche Auslandsschule Porto Seguro in São Paulo, Brasilien. Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen des BVA fördert mehr als 1.200 Schulen in 95 Ländern. Foto: BS/Deutsche Schule Porto Seguro – Unidade Panamby

Ein sich rasant verändernder Arbeitsmarkt fordert zudem einen größeren Blick auf mehr kompetenzbasierte Einstellungen und Fortbildungen. Das Wissen und die Erfahrung der Beschäftigten sind als Schatz zu begreifen, aus dem regelmäßig als gelebte Praxis eine Personalentwicklung entsteht. “Gern übertragen wir den leistungsfähigen Beschäftigten in unserem Haus mehr Verantwortung – auch Führungsverantwortung. So wendet das BVA beispielsweise die Zulassung besonders leistungsstarker Beamtinnen und Beamten zu einer höheren Laufbahn nach § 27 BLV in großem Maße an und hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht”, erklärt Dr. Schulz. Ausbildung wird im BVA darüber hinaus auch in einer weiteren Hinsicht großgeschrieben: Das Bundesverwaltungsamt dient 274 Einrichtungen des Bundes als zentrale Aus- und Fortbildungsbehörde. In den eigenen Ausbildungszentren werden rund 1.580 Auszubildende betreut, darunter angehende Verwaltungsfachangestellte, Kaufleute für Büromanagement und Fachinformatiker der Fachrichtung Anwendungsentwicklung. Zudem ist das BVA seit 1971 die “zuständige Stelle” für die Ausbildung in der öffentlichen Verwaltung – es prüft und überwacht die berufliche Bildung in zahlreichen Dienststellen des Bundes.

Neue Zeiten, neue Wege: Personalakquise digital Aufgrund der dargestellten Gesamtsituation hat das BVA seinen Personalgewinnungsprozess grundlegend neu konzipiert. Im Fokus der Betrachtung stehen die Bewerberinnen und Bewerber, die einen unkomplizierten und schnellen Bewerbungsprozess erwarten, möglichst auch auf mobilen Endgeräten. Ziel ist ein weitgehend

automatisierter, medienbruchfreier Bewerbungsprozess – sowohl für die Bewerberinnen und Bewerber als auch für den Personalbereich. Das BVA prüft derzeit den Einsatz eines digitalen Bewerbermanagementsystems, das etwa ein automatisches Auslesen von Lebensläufen oder die Übernahme von LinkedIn oder Xing-Profilen ermöglicht. Auch seine Karriereseite und seine Stellenausschreibungen überarbeitet das BVA derzeit grundlegend und macht sie “google for jobs ready”. Alle Ausschreibungen enthalten Gehaltsangaben und stellen die standortspezifischen Benefits he­raus. Zudem hat das BVA die wichtigsten Arbeitgeberbewertungsplattformen im Auge und ist gerade dabei, ein frühes “Onboarding” einzuführen. Das heißt: Schon vor dem Dienstantritt wird Kontakt zu neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgebaut. “Mit diesen Maßnahmen wollen wir die Bewerberinnen und Bewerber einladen, sich für das BVA zu entscheiden und sich bei uns zu bewerben”, sagt Dr. Schulz.

Beruf und Familie – kein Gegensatz Ein Pfund, mit dem sich schon bei Auszubildenden gut punkten lässt, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf: “Lange bevor Work-Life-Balance zum geflügelten Wort wurde, galt das BVA als ein Vorreiter flexi­ bler Arbeitszeiten in der Verwaltung”, erklärt Dr. Christian Schulz. Seit in den 1990er-Jahren von Kernzeiten auf das Arbeitszeitmodell FAZIT (flexible Arbeitszeit im Team) umgestellt wurde, konnten viele Befragungen zeigen, wie zufrieden die Beschäftigten damit sind. Und die familienfreundlichen Lösungen im BVA werden weiter ausgebaut. Aktuell erlebt die Telearbeit einen kräftigen Schub, auch unabhängig von der Corona-Lage.

Das BVA in Zahlen

weltweit zum Einsatz kommt. Die Fachanwendung umfasst die Erstellung, die Zulassung und die Eingabe der Ergebnisse der Prüfung. Die offiziellen Diplomurkunden werden durch die Kultusministerkonferenz über die Fachanwendung DAISY ausgedruckt. Mit den neuen Fachanwendungen, die in 08/2018 bzw. 12/2019 live gingen, können die Auslandsschulen ihre Stammdaten aktualisieren und die im Auslandsschulgesetz geregelte Förderung beantragen. Bei der finanziellen Betreuung der rund 2.000 durch die ZfA vermittelten Lehrkräfte wird seit 2019 auf das System PVSplus, ein Personalverwaltungssystem des Informationstechnikzentrums Bund (ITZBund), zurückgegriffen. Zusätzlich entwickelten das BVA und das ITZBund eine Erweiterung des Systems, die es

ermöglicht, auslandsbezogene Zuwendungen in PVSplus unmittelbar festzusetzen und zur Auszahlung zu bringen. Die Projektgruppe DAISY als für das Projekt verantwortliche Einheit im BVA prüfe derzeit zudem, ob die Zahlungsdaten der Lehrkräfte automatisiert von DAISY nach ­PVSplus geliefert werden könnten. Eine Herausforderung liege dabei in den Schnittstellen der zwei Systeme, so Udo Schichel aus der Projektgruppe DAISY des BVA. Die vollständige Umstellung auf DAISY soll mit der fünften Entwicklungsstufe Mitte 2021 beendet sein. Dabei werden die noch fehlenden Funktionalitäten, wie beispielsweise die Personalvermittlung, die Stellenverwaltung und Themen des Haushalts, in das Portal integriert. Ein großes Projekt wird damit erfolgreich abgeschlossen.

Auslandsschulen: 140 Deutsche Auslandsschulen und rund 1.100 Sprachdiplomschulen in mehr als 90 Ländern werden von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) des Bundesverwaltungsamtes betreut. Rund 2.000 Auslandslehrkräfte, vom BVA vermittelt, sind dort im Einsatz. Ausländerzentralregister: Das vom BVA betriebene Ausländerzentralregister (AZR) ist eines der größten automatisierten Register der öffentlichen Verwaltung. 29 Millionen Datensätze sind darin gespeichert. Es dient mehr als 16.500 Behörden und Organisationen als Informationsquelle in Fragen der öffentlichen Sicherheit, des Asylrechts und der Migration. Beratungszentrum des Bundes: Das BVA hat für den Bund mehr als 200 Organisationsberatungen durchgeführt. Zu den Kunden zählen oberste Bundesgerichte und Sicherheitsbehörden, Einrichtungen der allgemeinen und inneren Verwaltung sowie wissenschaftliche, politikberatende, internationale und kulturelle Institutionen. Illustration: BS/B. Dach unter Verwendung von mast3r, stock.adobe.com und freepik.com


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rung über den elektronischen Personalausweis (nPA) werden jedoch weitere, exklusive Funktionen freigeschaltet. Nutzer mit erweitertem Konto können ihr Darlehenskonto samt bestehender Fälligkeiten und geleisteter Zahlungen einsehen, (BS/Kilian Recht) Jährlich erstellt das Bundesverwaltungsamt um die 140.000 Erstbescheide. Während die Gewährung der Förderung dezentral durch die Ämter sich ein Angebot zur vorzeitigen für Ausbildungsförderung der Bundesländer organisiert wird, bündelt das BVA die Rückführung der ausgegebenen Darlehen bei sich. Massenverfahren dieser Rückzahlung erstellen lassen oder Art erfordern die Nutzung moderner Technologie. Der Aufgabenbereich BAföG ist somit nicht nur klassisches Territorium des BVA, sondern in derselben TradiWidersprüche online erheben. Äntion auch eines der Modernisierung. derungen der Stammdaten, wie Name und Wohnanschrift, kann als moderne Schnittstelle zur Ver- der Nutzer nur nach der Registrieeginnend mit der flächen- eine Menge Schriftverkehr analog waltung das Online-Tool “BAföG- rung per nPA vornehmen. In naher deckenden Einführung von eingeht. Der Bescheid an sich wird Zukunft soll es über die Anwenonline” zur Verfügung. Computern im Jahr 1987 ebenso weiterhin in Papierform dung möglich sein, den gesamten wurden die Büros in der BAföG- zugestellt, solange es noch kein Elektronischer Personaleigenen Verwaltungsvorgang online Verwaltung bereits Ende der 90er- entsprechendes Bürgerportal gibt. ausweis bringt Vorteile einzusehen und herunterladen zu Jahre papierlos. Erstbescheide wer- In den Schreiben finden sich nach den nach Meldung der jeweiligen wie vor der Regelungsinhalt des Seit dem Jahr 2000 nutzbar, liegt es können. Ein Einblick in das DarleÄmter für Ausbildungsförderung Verwaltungs­aktes sowie die Einzelin der heutigen Form seit 2014 vor. henskonto konnte bereits heute vollautomatisiert erstellt und ver- fallbegründung. Der Arbeitsbereich Das Tool erlaubt es geräteunabhän- realisiert werden. schickt. Auch für die während der BAföG hat das Verfahren allerdings gig Anträge zu stellen, beispielsweiTechnik hat Tradition Rückzahlung möglichen Anträge um eine digitale Komponente erse auf vorzeitige Rückzahlung oder sind Musterbescheide verfügbar. weitert. QR-Codes auf den SchriftFreistellung von der Rückzahlung. Für das Gelingen der DigitalisieLediglich individuelle Besonder- stücken leiten auf Internetseiten Außerdem lassen sich Dokumente rung von BAföG-Rückführungen heiten eines Falles müssen ergänzt weiter, die Erklärungen, rechtliche hochladen, Einkommensänderungen macht die Abteilung nicht zuletzt werden. Eine zentrale Druck- und Hintergründe, Berechnungsbeispiele mitteilen oder Anfragen stellen. Die auch ihre Kultur im Umgang mit BAföG-online: Auch bei BAföG-Rückzahlungen setzt das BVA inzwiKuvertierstraße sorgt für die Fer- und Handlungsoptionen in anschauvon den Nutzern und Nutzerinnen Technologie verantwortlich. ”Das schen auf digital. Foto: BS/CC BY 2.0, Hans-Christian Gruber, flickr.com tiggestellung der Bescheide. Einge- licher Form liefern. bereitgestellten Daten können zum BVA hat seit jeher eine gute Traditihende Schreiben in Papierform lässt Vorteil der Abteilung schlussendlich on mit der Einführung von Technik. Neue Wege zum Kunden die Abteilung durch eine Scanstelle medienbruchfrei in die Fachanwen- Den Mitarbeitern werden bewusst schaffen digitalisieren und dem elektroAbteilung “Ausbildungsdarlehen; nisierung interner Arbeitsabläufe dung übernommen und dem jewei- viele Freiräume zum Entwickeln nischen Vorgang beifügen. Trotz von Ideen gegeben”, betont Abtei“Durch die individuelle Informati- Bundesfamilienkasse” im BVA. Im liegt der Schwerpunkt der Digitali- ligen Vorgang angefügt werden. aller Bemühungen um eine Verla- onsbereitstellung im Internet konnte vergangenen Jahr wurden so al- sierung seit einigen Jahren darauf, Die Registrierung bei “BAföG- lungsleiter Kraus. “In Abstimmung gerung in den digitalen Raum wird der Erstbescheid von drei Blättern lein durch diese Maßnahme circa die Anwendung bürgerfreundlicher online” erfolgt, für ein einfaches mit dem IT-Bereich sorgen wir für diese Stelle zunächst auch weiter- auf ein Blatt verkleinert werden”, 320.000 Blätter Papier eingespart. zu gestalten. Darlehensnehmern Benutzerkonto, per E-Mail-Adresse eine permanente Aktualisierung hin vonnöten sein, da noch immer erläutert Bernhard Kraus, Leiter der Neben der Arbeit an der Moder- und Darlehensnehmerinnen steht und Passwort. Mit einer Identifizie- der Systeme.”

Traditionelle Aufgabe in modernem Gewand Abwicklung der BAföG-Rückzahlungen im Bundesverwaltungsamt

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as Beratungszentrum des Bundes betreute bereits mehr als 1.000 Projekte. Zu den Kunden des BZB zählen Bundesbehörden und Zuwendungsempfänger aller Ressorts. Entsprechend umfangreich fällt das Themenportfolio aus, das von der Strategieberatung über Digitalisierung, Prozessmanagement und Ressourcen bis hin zur Arbeitsplatzbewertung reicht. Methodisch setzt man im BZB neben klassischem Projektmanagement zeitgemäß auch auf agile Vorgehensweisen: alles in Abhängigkeit vom eingehenden Auftrag und in enger Abstimmung mit den projektstellenden Behörden. Denn diesen fehlt es in der Regel nicht an einschlägigem Fachwissen, sie benötigen vielmehr methodische Unterstützung. Dem kommt das BZB – wahlweise in vollem Umfang oder aber auch bloß punktuell – in Form individueller Beratungsleistungen entgegen. Dabei positioniert sich das BZB nicht gegen den Privatsektor, sondern bietet als Teil des eigenen Leistungsspektrums das Drei-PartnerModell an, das Ausschreibungen für Rahmenverträge durchführt, das Matching von Auftraggebern und -nehmern übernimmt, für zuverlässige Vertragsbedingungen sorgt und den Behörden in ihrer Rolle als Auftraggeber beratend zur Seite steht.

Partnerschaft auf Augenhöhe Ob in der Eins-zu-eins-Beratung oder gemeinsam mit externen Partnern, letztlich ginge es darum, den Kunden auf Augenhöhe zu begegnen, betont Meinolf Dieckmann, Abteilungsleiter VM des BVA: “Wir sehen uns als Partner unserer Auftraggeber und fühlen uns der Verwaltung als Ganzes verpflichtet. Gemeinsam mit unseren Auftraggebern stellen wir uns ihren Herausforderungen, erarbeiten praktikable Lösungen und befähigen sie zur Implementierung.” Wichtiger noch als die Realisierung im Einzelfall sei hingegen die Wissensmultiplikation, mit anderen Worten, der Transfer in die gesamte Breite der Verwaltung. Nicht nur Modernisierung als solche, auch Beratung brauche replizierbare Erkenntnisse, schließt Dieckmann: “Nur so können wir als Verwaltung insgesamt vorankommen, indem wir Wissen und Erfahrung auch über Organisationen und Standorte

Gemeinsam durch den digitalen Dschungel Das Beratungszentrum des Bundes unterstützt mit methodischer Kompetenz (BS/Thomas Petersdorff) Technologische und soziale Umwälzungen fordern den Staat heute in einer bisher noch ungekannten Weise. Das trifft nicht zuletzt auch die öffentliche Verwaltung, die, an der Schnittstelle zwischen Bürger und Politik gelegen, die Beschlüsse zur Modernisierung nun innerhalb kurzer Zeit umzusetzen hat: eine Mammutaufgabe. Unterstützung erhält sie vom Beratungszentrum des Bundes (BZB), der bundesinternen Beratung, angesiedelt in der Abteilung für Verwaltungsmodernisierung und -management im Bundesverwaltungsamt (BVA).

Ein starkes Team: das Beratungszentrum des Bundes

ratungszentrum des Bundes unter seinem jetzigen Namen. Erweitert hat sich vor allem das Leistungsportfolio, zum einen infolge des digitalen Wandels, zum anderen aufgrund der Weiterentwicklung von einzelnen Beratungsschwerpunkten hin zur ganzheitlichen Beratung. Das erfordert breitgefächerte Kompetenzen; und so wundert es kaum, dass sich unter den rund 100 Mitarbeitern des BZB neben Experten aus Verwaltung und Wirtschaft auch IT-Fachkräfte und Gesellschaftswissenschaftler wiederfinden.

Foto: BS/BVA

Hilfe durch den “digitalen Dschungel”

Gemeinsam für eine zukunftsfähige und wirtschaftliche Bundesverwaltung, das ist die Vision, die uns antreibt.

auch bereits inhaltlich selbst genutzt. So wird das Vorgehensmodell zur Einführung der E-Akte Bund, das im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) entwickelt wurde, bereits im SIB allen Bundesbehörden zur Verfügung gestellt. Dass Wissensteilung und -multiplikation großgeschrieben werden, schlägt sich aktuell vor allem im Projekt Neukonzeption des Organisationshandbuches (OHB) nieder (www.orghandbuch.de). Das OHB gilt schon seit jeher als das Standardwerk für Organisatorinnen und Organisatoren. Nun beteiligen sich mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen aus Verwaltung, Wissenschaft und Beratung mit ihrem Know-how und ihren Erfahrungen unter der Federführung von BMI und BZB an dessen umfassender Neuauflage. Das Projekt läuft noch bis zum Ende des Jahres. Auch darüber hinaus wird das OHB kontinuierlich um neue Erkenntnisse und Praxisbeispiele aktualisiert werden und soll von der reinen Bereitstellung von Inhalten zum interaktiven Medium weiterentwickelt werden.

hinweg teilen, voneinander lernen und nicht jedes Mal wieder zurück auf Start gehen.” Dieser Grundgedanke hat sich inzwischen auch im Digitalen niedergeschlagen. Das Social Intranet des Bundes (SIB) ist die zentrale Kollaborationsplattform der Bundesverwaltung und dient dem behörden- und ressortübergreifenden Austausch – unter maßgeblicher Mitwirkung des BZB. Als Konzeptinstanz bzw. Product Owner unterstützt das BZB den Mehr als 20 Jahre Erfahrung Maßnahmenverantwortlichen, das Bundeskanzleramt, beim Aufbau Dabei fallen die Anfänge des BZB und der Weiterentwicklung des SIB. in Zeiten, in denen die DigitalisieDie Plattform wird durch das BZB rung noch nicht zu den beherr-

schenden Themen der Tagespolitik zählte. Kurz vor der Jahrtausendwende, im Jahr 1997, ließ das BMI eine kleine Gruppe zu Beratungszwecken einrichten. Anfangs mit gerade einmal zehn Mitarbeitern ausgestattet, wuchs das Team über die Folgejahre kontinuierlich an. 2010 hatten sich die Kapazitäten mit insgesamt 30 Beraterinnen und Beratern bereits mehr als verdreifacht. Der größte Entwicklungssprung erfolgte sieben Jahre später, als zum ersten Mal eine Gesamtstrategie definiert und das BZB als organisatorische Klammer für alle Beratungsaufgaben festgelegt wurde. Seither firmiert das Be-

Eine derart vielfältige Expertise braucht es auch, um eine Mammutaufgabe wie die Digitalisierung zu bewältigen. Das belegt nicht zuletzt ein Blick in die Praxis: Seit 2016 begleitet das BZB das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf seinem Weg durch den “digitalen Dschungel”. Zwar habe man sich bereits vor der Kooperation mit dem BZB an die Digitalisierung begeben, sagt Michael-Georg Ruttorf, Leiter des Koordinierungsbüros eGovernment des BIBB, gefehlt habe jedoch eine ganzheitliche Vision. Eine solche habe erst im Laufe der Kooperation und infolge intensiver Gespräche Konturen angenommen. “Aufgrund

seiner Dimensionen war das Vorhaben für alle Beteiligten zunächst Neuland,” sagt Ruttorf. “Durch kompetente und zielgerichtete Beratung des BZB löste sich aber nach und nach der Knoten, sodass wir mit der eigentlichen Arbeit beginnen konnten.” Der Prozess selbst verlief in drei Stadien: Nachdem das digitale Selbstbild in seinen Grundzügen stand, einigte man sich auf erste Ziele, die anschließend zu konkreten Maßnahmen ausformuliert wurden. Das war 2019. Inzwischen – mehr als ein Jahr später – ist die Entwicklung so weit gediehen, dass über die EAkte hinaus ein volldigitales Modell zur elektronischen Vorgangsbearbeitung erarbeitet werden konnte und eingeführt wird. Ebenso groß ist der Fortschritt im Bereich der mobilen Arbeit: Für 100 Prozent der knapp 750 Mitarbeitenden des BIBB wurden die Voraussetzungen geschaffen, bei Bedarf ins Homeoffice zu wechseln. Damit war das BIBB eine der wenigen Behörden auf Ebene des Bundes, die in den Stand versetzt wurde, ihren Betrieb während der Covid-19-Pandemie uneingeschränkt fortzuführen. Weitere Herausforderungen stehen schon ins Haus: das Onlinezugangsgesetz (OZG), dem sich das BZB und das BIBB nun gemeinsam widmen werden.

Das BVA in Zahlen Bezüge-Angelegenheiten: Für 189 Behörden und öffentliche Einrichtungen berechnet das BVA die Bezüge und zahlt diese aus. So beziehen 90 Prozent der Bundesbediensteten ihre Gehälter vom BVA.

Bildungskredit: Seit 2001 haben rund 427.000 Schülerinnen, Schüler und Studierende den Bildungskredit genutzt. Das BVA entscheidet über die Vergabe.

Fahrgelderstattung: Das BVA erstattet 94 Verkehrsunternehmen im Nah- und Fernverkehr sowie 74 Verkehrsverbünden die Fahrgeldausfälle für die kostenfreie Beförderung von schwerbehinderten Menschen. Das Mittelvolumen liegt derzeit bei 265 Millionen Euro.

Illustrationen: BS/freepik.com


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Das BVA von A bis Z

“Reisebüro” für den Bund

Förderungen und Zuwendungen:

BVA bietet professionelles und zentrales Travel Management (BS/Guido Gehrt) Die Bundesverwaltung ist mobil. Dienstreisen und auch Umzüge gehörten vor der Corona-Pandemie zum Arbeitsalltag und -leben der Beschäftigten und werden absehbar auch nach der Krise wieder ein fester Bestandteil der bundesbehördlichen Abläufe sein. Das Travel Management (TM) beim Bundesverwaltungsamt unterstützt seit über 20 Jahren Einrichtungen des Bundes bei der effizienten Vorbereitung und Abwicklung ihrer Dienstreisen sowie bei Trennungsgeld und Umzugskosten.

Für fast alle Bundesressorts organisiert das BVA das Zuwendungsmanagement, z. B. in der Sport-, Kultur-, Jugend- und Sozialförderung. Es sorgt dafür, dass Zuwendungen zweckentsprechend ausgezahlt und verwendet werden. Das Bewilligungsvolumen stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an – auf über 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2019.

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ie Ursprünge des Travel Managements beim Bundesverwaltungsamt reichen zurück in die Zeit des Bonn-BerlinUmzugs des Bundesinnenministeriums (BMI) in den neunziger Jahren. Vor dem eigentlichen Umzug wurden dem BVA im Jahre 1997 die Abrechnung der Umzüge des vom Dienstsitzwechsel betroffenen Personals sowie die Abrechnung der damit verbundenen Trennungsgeldverfahren übertragen. Für die Umsetzung dieses Vorhabens wurde auch das bislang im BMI eingesetzte Personal zum BVA versetzt. In der neu geformten Organisation entstand rasch die Idee, beim BVA ein zentrales Dienstleistungsangebot für das Dienstreisewesen anzusiedeln, auf das alle Ressorts des Bundes Zugriff haben sollten. Durch konsequenten IT-Einsatz und Bündelung gleichförmiger Aufgaben wollte man Skaleneffekte für effiziente und effektive Services erzielen. Zudem sollten dadurch bei den Kundenbehörden Kräfte für die eigentlichen Fachaufgaben frei werden. Von diesem Angebot sollten nicht nur sämtliche Bundesressorts profitieren, sondern auch deren nachgeordnete Behörden sowie bundeseigene Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Umfangreiches Kunden- und Partnernetzwerk Diese Idee wurde in die Tat umgesetzt und trug Früchte. Von 1999 bis heute ist die Zahl der Kunden beachtlich gewachsen. So betreut das Travel Management des BVA derzeit an den drei Standorten in Hamm, Osnabrück und Berlin mit insgesamt über 250 Beschäftigten 34 Kunden in elf Ressorts bei der Reisevorbereitung und sogar 84 Kunden in siebzehn Ressorts bei Trennungsgeld, Reise- und Umzugskosten. Bei der Erledigung dieser Aufgaben kann das Travel Management mittlerweile auf ein umfangreiches Netzwerk von Partnern in der Reise- und Verkehrsbranche zurückgreifen. Entsprechend hoch sind auch die Fallzahlen: Im vergangenen

Nationales Waffenregister:

Das BVA organisiert für zahlreiche Einrichtungen des Bundes die Dienstreisen – von der Planung bis zur Abrechnung. Etwa bei der Buchung der Reisemittel kann das BVA ... Foto: BS/Lars_Nissen, Pixabay.com

Jahr wurden insgesamt 367.564 Reisekosten-Vorgänge bearbeitet, 173.247 Buchungen von Reisemitteln und Hotels vorgenommen, 28.739 Verfahren zum Trennungsgeld sowie 5.190 zu Umzugskosten abgewickelt.

Durchgängiger Workflow mit E-Akte Kernstück des Dienstleistungsangebots ist das Travel Management System (TMS) – ein vom Dienstreiseantrag über die Buchung der Reisemittel in der Reisevorbereitung bis zur Abrechnung der Dienstreise durchgängiger Workflow. Mit dem

Ca. 370.000 Reisekosten-Vorgänge, über 170.000 Buchungen von Reisemitteln und Hotels wurden 2019 bearbeitet. TMS lassen sich die komplexen Verfahrensschritte so standardisieren und papierlos verarbeiten, dass die Prozesskette von der Reiseplanung bis zur Abrechnung nahtlos und ohne Zeitverzug durch verschiedene Stellen in einem IT-System zusammengeführt und mittels elektroni-

scher Akte dokumentiert werden kann. An der Entwicklung des TMS hat das BVA maßgeblich mitgewirkt. Mittlerweile wird das Produkt von allen anderen Dienstleistungszentren im Bund und zahlreichen anderen Bundesinstitutionen als “Eine-für-Alle”-Anwendung erfolgreich genutzt.

Hohe Professionalität erbringt Einsparungen

...auf ein großes Partnernetzwerk zurückgreifen. F oto: BS/holzijue, Pixabay.com

Ein weiteres zentrales Merkmal des TM ist das modulare Dienstleistungsangebot. Die Kunden können wählen, ob sie die Services des BVA nur für die Abrechnung ihrer Dienstreisen oder auch für die Reisemittelbuchung (Flüge, Bahn, Mietwagen) inklusive der Buchung von Hotelunterkünften nutzen wollen. Aufgrund der Professionalität der Beschäftigten und der eingesetzten Technik lassen sich bei der zen­

tralen Buchung von Reisemitteln besonders effektive und effiziente Ergebnisse erzielen, die früher ein spezialisiertes Reisebüro hätte übernehmen müssen. Diese Prozessschritte können nun ohne Qualitätsverlust eingespart und durch den zentralen Einkauf zusätzliche Einsparungen erzielt werden.

Die Zukunft ist mobil und nachhaltig Für die nähere Zukunft hat man sich beim TM den Ausbau des mobilen Angebots vorgenommen, der die Dienstreisenden über ihr Smartphone in eine neue Buchungslandschaft einbinden soll. “Bei all dem haben wir immer im Fokus: Technik muss einfach, beherrschbar und prozessual eingesteuert sein“, erklärt Rainer Hyzak, Leiter der Referatsgruppe Travel Management des Bundesverwaltungsamtes in der Außenstelle Hamm. Zudem würden Umweltaspekte und Nachhaltigkeit zukünftig bei der Planung und Durchführung von Dienstreisen enorm an Bedeutung gewinnen. “Dem wird sich das BVA als zentraler Player im Travel Management des Bundes mit ganzer Kraft widmen”, so Hyzak.

Im NWR sind 5,5 Millionen legale Waffen gespeichert, die sich aufgrund einer waffenrechtlichen Erlaubnis im Privatbesitz und bei Vereinen befinden. 550 Waffenbehörden arbeiten dazu mit dem BVA zusammen.

Familienfreundlichkeit:

Das BVA bietet aktuell 1.330 Telearbeitsplätze und vier ElternKind-Zimmer.

Visa-Antrag: Für das Auswärtige Amt und die deutschen Auslandsvertretungen verarbeitet das BVA 2,5 Millionen VisaAnträge pro Jahr aus aller Welt – rund um die Uhr und im Sekundentakt. Die Bearbeitungszeit inklusive Datentransfer beträgt ca. 15 Minuten. Illustrationen: BS/B. Dach unter Verwendung von macrovector, freepik.com

60 Jahre BVA – eine Erfolgsgeschichte (2000 bis heute) 2000

Mit BAföG-online startete das BVA im Jahr 2000 eines der ersten Internetangebote der Bundesverwaltung. Und mehr als das: Nie zuvor hatte es einen derart lückenlosen elektronischen Ablauf gegeben – von der Antragstellung über die Beantwortung von Anfragen bis hin zum elektronischen Archiv. Auch für die BAföG-Rückzahler vereinfachte sich das Verfahren deutlich.

schen Ereignissen. Viele Betroffene erinnern sich dankbar an die Unterstützung nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl 1986, dem Hochwasser an Elbe und Donau im Jahr 2002, dem Flugunglück am Bodensee 2002 oder der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean 2004/2005.

2013

Vor einer gewaltigen Herausforderung stand das Bundesverwaltungsamt im Jahr 2013: Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) übertrug dem BVA einen großen Teil der zivilen

2017

Ein weiterer Wachstumsschub folgte 2017: Das BVA übernahm eine Reihe von Aufgaben vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), darunter die Abrechnung von Personalkosten, die Kunstverwaltung sowie das Münzwesen des Bundes mit Herstellung und Vertrieb von Euro-, Umlauf-, Gedenk- und Sammlermünzen. Damit stieg die Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im BVA auf rund 5.500 – das BVA wurde zum größten Dienstleister des Bundes.

Heute

Das BVA leistete finanzielle Hilfe für Betroffene des “Jahrhundert-Hochwassers” 2002. Foto:BS/distelAPPArath, Pixabay.com Mehrfach in seiner Geschichte übernahm das BVA eine tragende Rolle als finanzieller Soforthelfer nach tragi-

Aufgaben der Bundeswehr. Damit wechselten rund 1.400 Beschäftigte der Bundeswehrverwaltung zum BVA, neun zusätzliche Standorte kamen hinzu.

Der Übergang ins Computerzeitalter erfolgte im BVA vor den meisten anderen Behörden. Foto: BS/heladodementa, Pixabay.com

Bei allem Wandel füllt das BVA noch heute einen Großteil seiner Gründungsaufgaben aus. Denn am Prinzip, Ministerien die Verwaltungsarbeit abzunehmen und effizient und professionell zu bearbeiten, hat sich nichts geändert.

Das BVA 2020 leistet umfassende Verwaltungs- und Beratungsdienste für andere Bundesbehörden und treibt die digitale Modernisierung voran. Durch intelligenten Einsatz von Informationstechnologie gelingt es dem Amt, Aufgaben, Datenbestände und Verfahren zu systematisieren und zusammenzufassen. Ein anderes Arbeitsfeld der Gegenwart ist die öffentliche Sicherheit. So betreibt das BVA nationale und europäische Informationssysteme für verschiedene Sicherheitsund Migrationsbehörden. Mit dem Nationalen Waffenregister und der VisaWarndatei wurden 2013 zwei wichtige Verfahren vom BVA entwickelt und umgesetzt. Auch der Ausbau des Ausländerzentralregisters zu einer digitalen Plattform für sämtliche Stellen ist ein Meilenstein. Im E-Government-Wettbewerb gewann das Bundesverwaltungsamt damit die Kategorie “Bestes Infrastrukturprojekt 2017”. Ein konti-

nuierlicher und effizienter Datenaustausch zwischen dem Ausländerzentralregister und den Meldebehörden – die Lösung des BVA macht’s möglich.

Karte: BS/BVA



60 Jahre BVA

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Behörden Spiegel / Juni 2020

“Wir schaffen das!”

Software in Betrieb genommen”, so Stefan Salz, Abteilungsleiter IT im BVA.

Mit dem AZR unterstützte das BVA Behörden während der Flüchtlingskrise

Ausgezeichnetes Projekt

(BS/Jakob Boos/Dr. Markus Hellenthal/Tobias Kunze*) Das Bundesverwaltungsamt (BVA) ist seit vielen Jahren der Digitalisierungstreiber der Bundesverwaltung. Eines der wichtigsten Digitalisierungsvorhaben der letzten Jahre entstand im Kontext der Flüchtlingskrise 2015: Das vom Bundesverwaltungsamt gelieferte neue Kerndatensystem trug maßgeblich zur Verbesserung der Situation bei. Als langjähriger Partner unterstützt Capgemini die Projekte des BVA vor allem im Projektmanagement und in der Softwareentwicklung – so auch dieses.

B

ei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland spielen Register eine zentrale Rolle. Neben einer stetigen Weiterentwicklung ist hierbei besonders wichtig, auf gesellschaftliche Herausforderungen sehr schnell reagieren zu können. Eine solche Herausforderung stellte der enorme Anstieg der Flüchtlingszahlen in der Zeit von 2015 bis 2016 dar – bereits die Erfassung der Flüchtlinge scheiterte an unzureichender Datengrundlage, mangelnder Vernetzung der Systeme und einer fehlenden Möglichkeit der eindeutigen Identifikation. Das im Jahr 2016 verabschiedete Datenaustauschverbesserungsgesetz (DAVG) sollte daher die Asylprozesse beschleunigen, indem die Daten der Geflüchteten bei ihrer Registrierung medienbruchfrei und ohne Redundanzen erfasst werden. Ansonsten wären die ansteigenden Fallzahlen kaum noch zu bewältigen gewesen. Es wurde entschieden, dass ein zentrales Kerndatensystem geschaffen werden soll, um künftig allen beteiligten Behörden die notwendigen Daten stets aktuell bereitstellen zu können. Einen guten Ausgangspunkt bot dazu das Ausländerzentralregister (AZR).

Kerndatensystem für behördenübergreifenden Datenaustausch Das vom BVA entwickelte und betriebene AZR ist bereits seit vielen Jahren als zentrales System etabliert, um Ausländerdaten über alle föderalen Ebenen hinweg zu verwalten und zu nutzen. Diese Eigenschaften machten es zur idealen Basis für den Ausbau zu einem zentralen Kerndatensystem – eine Herausforderung, die das BVA in enger Abstimmung mit den anderen beteiligten Behörden annahm. Damit verbunden waren zentrale Aufgaben: die Erweiterung des Ausländerzentralregisters um zusätzliche Daten für die Erfassung von Flüchtlingen, der Aufbau der Schnittstellen für die dezentralen Registrierungssyste-

B

ei der Durchführung von Organisationsuntersuchungen begegnen Behörden in der Praxis immer wieder zwei Herausforderungen. Erstens: dem Zeitbedarf für die Erhebung und Validierung von Informationen. Und zweitens: den Kapazitäten, die eine Organisationsuntersuchung beansprucht und die an anderer Stelle genutzt werden könnten. Ein Zeitfresser ist die manuelle Durchführung. Die Daten für die Untersuchung werden in der Regel in manuellen Prozessen erhoben, zusammengeführt und ausgewertet. Das Vorgehen ist nicht nur zeitaufwendig und mühsam, sondern darüber hinaus fehleranfällig. Dazu kommt: Die Kommunikation zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Führungskräften und Untersuchungsteam gestaltet sich bei klassischen Organisationsuntersuchungen in der Regel als komplexe Angelegenheit. Die Beteiligten tauschen Informationen häufig über verschiedene Kanäle aus und legen Daten an verschiedenen Orten ab. Die Datenqualität leidet, die Abstimmung ist kompliziert.

Auf dem Zukunftskongress Staat & Verwaltung wurde das Projekt “Digitalisierung des Asylverfahrens” des Bundesministeriums des Innern, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, des Bundeskriminalamtes und des Bundesverwaltungsamtes beim EGovernment-Wettbewerb als “Bestes Digitalisierungsprojekt 2016” ausgezeichnet. Nur ein Jahr später wurde das Bundesverwaltungsamt erneut in der Kategorie “Bestes In­ frastrukturprojekt 2017” ausgezeichnet, und zwar für die Anbindung der Meldebehörden an das digitale Asylverfahren. Die Lösung des BVA ermöglicht einen kontinuierlichen und effizienten Datenaustausch zwischen dem Ausländerzentralregister und den Melde- sowie Sicherheitsbehörden.

Neue Herausforderungen

Als behördenübergreifender Partner fungiert das BVA als Schnittstelle im europäischen Datenverkehr. Foto: BS/BVA

me, die Anbindung von mehr als 5.000 Meldebehörden und weiteren am Asylprozess beteiligten Verwaltungsbehörden; plus die Bereitstellung asylrelevanter Informationen für die Sicherheitsbehörden. Dabei war stets wichtig, dass jeglicher Datenimport und Abruf einem sehr strengen, gesetzlich legitimierten Rollen- und Rechtekonzept folgen. Capgemini unterstützt das BVA als leistungsfähiger und verlässlicher Dienstleister bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. Vor dem Hintergrund der damaligen Flüchtlingssituation beriet Capgemini die Beteiligten aus unterschiedlichen Behörden auf Bundes- und Länderebene bei der Lösungsfindung und Umsetzung eines zielgerichteten Prozesses. “Die Aufgabe war komplex, da mehrere Behörden aller föderalen Ebenen zu involvieren waren. Unsere Erfahrung und vertrauensvollen Beziehungen zu den jeweiligen Akteuren konnte einen wichtigen Beitrag leisten, denn gerade im Public Sector heißt Erfolg auch, dass sich alle Beteiligten wiederfinden und mitgenommen werden”, sagt Marc Reinhardt, Leiter Public Sector bei Capgemini. Mit dem Austausch von Adressda-

ten zwischen den Meldebehörden und dem AZR wurde ein wichtiger Baustein des DAVG etabliert. Seitdem stehen allen berechtigten Behörden die Adressdaten der Geflüchteten sofort nach der Regis­ trierung und fortlaufend aktualisiert zur Verfügung. Hierdurch entfallen die vorher notwendigen schriftlichen Anfragen und der Verwaltungsaufwand wird deutlich reduziert. Das hat auch Vorteile für die Geflüchteten: Der zusätzliche Behördengang zur zuständigen Melde­ behörde entfällt, da die bereits bei der Registrierung erfassten Daten automatisch an diese weitergegeben werden. Zugleich wird eine geänderte Anschrift von den Meldebehörden an das AZR weitergeleitet, sodass schließlich beide Systeme und alle daran angeschlossen Aufgabenträger immer einen aktuellen Datenstand haben.

Kurze Implementierungszeit Nur knapp zwei Monate nach Inkrafttreten des DAVG zum 05.02. 2016 konnten alle Nutzer des AZR auf zusätzliche, behördenübergreifend relevante Informationen digital zugreifen, wie zum Beispiel auf Informationen des damals neu-

en Ankunftsnachweises als Identitätsnachweis und Entscheidung zur Unterbringung. Schon Ende Juni konnten die zuständigen Behörden Informationen zu Sprachkenntnissen, Beruf und Bildung für die Integration der Flüchtlinge nutzen – unter konsequentem Schutz der persönlichen Daten. Durch ein umfangreiches Regelwerk von Prüf- und Plausibilitätsregeln wird sichergestellt, dass jeder Nutzer des AZR nur zu den Informationen Zugang erhält, die für ihn freigegeben sind. Zur Nachvollziehbarkeit von Bearbeitungsvorgängen stellt das BVA Funktionalitäten für Protokollierung inkl. Recherche bereit. Die Implementierung erforderte ein breit angelegtes Fachwissen über verschiedene Fachgebiete hinweg. So waren neben dem Verarbeitungsprozess für Personendaten auch die Anbindung an ein automatisiertes Fingerabdrucksystem und anonyme Kennzahlen zur Prozessqualität zu erstellen. Mit einem multidisziplinären Team aus Frankfurt, Köln und Wrocław unterstützte Capgemini das BVA bei der IT-Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des DAVG. Methodisch wurde eine agile Vorgehensweise angewandt. So wurden

alle drei Wochen die Anforderungen an einen Sprint definiert, umgesetzt, ausgeliefert und getestet. Dank dieser Vorgehensweise konnten sehr kurzfristig die notwendigen Erweiterungen erfolgreich und termingetreu umgesetzt werden – ein sehr wichtiger Erfolg für das BVA und für Capgemini als Partner des BVA. “Zum Erfolg des Projektes haben viele Partner beigetragen, zu denen Capgemini mit seinen erfahrenen und kompetenten Experten gehörte. Unverzichtbar war auch die enge Abstimmung zwischen Fachlichkeit und IT im BVA”. sagt Heinrich Ringkamp, Abteilungsleiter im BVA. “Das BVA setzt seit Jahren auf den praktischen Einsatz agiler Methoden, wie z. B. Scrum. Diese, gepaart mit einer digitalen, behördenübergreifenden Herangehensweise und dem Einsatz modernster Technologien, sind neben der Managementattention und dem Engagement der Mitarbeitenden die Erfolgsfaktoren der Projekte. So ist in einem aktuell laufenden Mega-Projekt (gemäß SO-S-Methodik) mithilfe modernster Technologien wie Containerisierung erfolgreich “Continuous Delivery” umgesetzt, d. h. alle drei Wochen wird eine Weiterentwicklung der

Die Digitalisierung des Asylverfahrens ist nur ein Beispiel für die herausragende Leistungsfähigkeit des BVA als Dienstleister der öffentlichen Verwaltung in Deutschland in den letzten 60 Jahren. Mit der Umsetzung der EU-Initiative “Stronger and Smarter Information Systems for Borders and Security” steht, neben vielen anderen, bereits das nächste große Thema im Fokus, das unter anderem auch das Asylverfahren tangiert. “Auch da spielt das BVA wieder seine Paraderolle als behördenübergreifender Kooperations- und Digitalisierungspartner, ohne den so überaus komplexe Programme nicht funktionieren können. Wir sind stolz darauf, dabei ein Partner sein zu dürfen, der in allen hier beteiligten Behörden zum gemeinsamen Erfolg beitragen darf,” sagt Dr. Markus Hellenthal, Executive Vice President Public Sector Capgemini. Capgemini gratuliert dem BVA herzlich zum 60. Jahrestag seiner Gründung. Gerne begleiten wir das BVA auf dem weiteren Weg zur Digitalisierung der Öffentlichen Verwaltung in Deutschland – wir freuen uns auf spannende Projekte! *Jakob Boos ist Chefarchitekt Öffentlicher Sektor, Dr. Markus Hellenthal Vice President Öffentlicher Sektor und Tobias Kunze Delivery Executive Öffentlicher Sektor beim IT-Dienstleister Capgemini.

Das “New Normal” der Organisationsuntersuchung Aufgaben, Prozesse und Personal mit digitalen Mitteln effektiv steuern (BS/Maciej Dabrowski) Organisationsuntersuchungen gehören zum behördlichen Alltag. Die Entscheider erhalten durch das Instrument wichtige Erkenntnisse, wie sie auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren können. Die Untersuchungen sind oft dringend notwendig, meistens planen sie Behörden jedoch als einmalige Aktivität. Dadurch sind die Erkenntnisse manchmal schneller überholt als umgesetzt. Deutlich effektiver sind fortlaufende, in den Arbeitsalltag integrierte Organisationsuntersuchungen.

Output zu steigern, hat Sopra Steria eine digitale Plattform für Organisationsuntersuchungen entwickelt: die OrgApp. Die Lösung liefert fortlaufend Daten. Abdeckung, Bedarfe und Kapazitäten sind auf Knopfdruck einsehbar. Datenerhebung, Validierung, Freigabe, Dokumentation von AufgabenkritikWorkshops und Hilfestellung bei der Projektdurchführung lassen sich automatisieren. Die Datenqualität verbessert sich damit signifikant. Die OrgApp unterstützt die Kollaboration und Remote-Arbeit auf dieser Plattform – in der aktuellen Zeit ein wichtiges Feature. Alle Beteiligten arbeiten nun an einem gemeinsamen und im Rahmen der gesetzten Berechtigungen transpaOrgApp: Organisationsunterrenten Datenbestand. Verschlüssesuchung als digitale Plattform lung und Freigabeprozesse erlauUm Behörden die Durchführung ben eine verteilte Erhebung bei zu erleichtern und den Erkenntnis- Beibehaltung der erforderlichen

Datenschutz- und Informationssicherheitsstandards.

“Situation:Mapper:” in Krisenzeiten Herr der Lage bleiben Das “New Normal” der Coronakrise zeigt in besonderem Maße den Nutzen auf, den eine verstetigte,

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen Behörden Prozesse, Projekte und Kapazitäten reaktionsschnell steuern. Sopra Maciej Dabrowski ist Steria hat die OrgApp zu diesem Senior Manager Public Zweck um eine Komponente erSector bei Sopra Steria weitert: den Situation:Mapper. und verantwortlich für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Entwicklung der können Status und Bedürfnisse akOrgApp. Foto: BS/Sopra Steria tiv melden. Führungskräfte erhalten auf Knopfdruck einen Überblick, können so die richtigen Entscheidungen treffen und diese Informationen teilen. Prognosen und Benachrichtigungen warnen vor personellen Engpässen und weisen digitalisierte Organisationsunter- auf Weiterbildungen hin, die nötig suchung haben kann. Die Situation sind, um die neuen Aufgaben zu ändert sich täglich. In bestimmten bewältigen. So entsteht täglich ein aktuelles Einheiten können einige Aufgaben kaum mehr bewältigt werden. An- Lagebild der Organisation. Künftig derswo sind wiederum Aufgaben wird der Situation:Mapper mithilfe zeitweise nicht durchführbar, sodass von Künstlicher Intelligenz in der Lage sein, Behörden bei der OpKapazitäten ungenutzt bleiben.

timierung von Aufgabenbeschreibungen und Zuweisungen noch stärker zu unterstützen. Die Kommunikationsplattform, die durch eine Organisationsuntersuchung aufgemacht wird, bleibt somit permanent offen. An die Stelle einer mittelfristigen Personalbedarfsplanung tritt die kurzfristige, reaktionsschnelle Steuerung. Gleichzeitig treten Menschen mit ihren vielfältigen Bedürfnissen – als die wichtigste Ressource einer jeden Organisation – in den Mittelpunkt. Akzeptanz und Zufriedenheit werden genauso gesteigert wie Produktivität und Effizienz. Die Privatwirtschaft hat es vorgemacht: Die digitalen Mittel für eine transparente, evidenzbasierte und datengetriebene Entscheidungsfindung sind vorhanden. Die öffentliche Verwaltung kann hiervon profitieren.


60 Jahre BVA

Behörden Spiegel / Juni 2020

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Hilfe zur Selbsthilfe

Schlüsselfaktor Zusammenarbeit

Den Nutzer befähigen, eigene Entscheidungen zur Datensicherheit zu treffen (BS/Marco Wienrich) Die vergangenen 60 Jahre waren unter anderem geprägt von der zunehmenden Digitalisierung aller Lebensbereiche – so auch der öffentlichen Verwaltung. Daraus entstehen zahlreiche Potenziale, leider aber auch Risiken. Deshalb ist es wichtig, bei allen Digitalisierungsinitiativen die Sicherheit mit zu bedenken. Dies gilt besonders für so sensible Bereiche wie die Verwaltung von Behörden und öffentlichen Einrichtungen.

A

ls Spezialist für IT-Sicherheit mit über 30 Jahren Erfahrung unterstützt Trend Micro Bundes-, Landes-, und Kommunalbehörden bei der Absicherung ihrer IT-Systeme. Wir entwickeln bereits seit 1988 innovative Technologien und Services zum Schutz von Anwendern, Geräten, Servern und Netzwerken vor Bedrohungen, mit denen Angreifer die wachsende Menge sensibler digitaler Daten ins Fadenkreuz nehmen. Trend Micro gehört zu den Pionieren der IT-Sicherheit und hat als erster Hersteller den Bedrohungsschutz vom Desktop auf Server und Internet-Gateways erweitert. Dabei investieren wir seit über 30 Jahren kontinuierlich in die Bedrohungsforschung und die Weiterentwicklung unserer Technologien, Produkte und Services, damit wir Angreifern immer einen Schritt voraus sind. Unser Ziel ist es, Bedrohungen schneller zu stoppen und unseren Kunden alle nötigen Informationen bereitzustellen, damit sie bestmögliche Entscheidungen über ihre Datensicherheit treffen können.

Seit 30 Jahren stets aktuell Mit dem Wissen um aktuelle Bedrohungen können wir unsere Kunden vor diesen schützen. Der bedeutendste Einfallsvektor, über den solche Angriffe in IT-Systeme gelangen, sind seit vielen Jahren E-Mails. Über 90 Prozent aller Cyber-Bedrohungen, die Trend Micro im vergangenen Jahr blockierte,

Mit Trend Micro Deep Security können diese Umgebungen auf Schwachstellen gescannt und diese abgeschirmt werden, bevor sie ausgenutzt werden können. Somit beseitigt die Lösung Probleme im Betriebsablauf, die durch NotfallPatching, regelmäßige Patch-Zyklen und kostenintensive Systemausfälle verursacht werden. Sollte doch einmal Schadsoftware ins System gelangen, kann Deep SeMarco Wienrich ist Major Account curity diese mittels mehrschichtiger, Manager Public & Government sich gegenseitig ergänzender Techbei Trend Micro. nologien erkennen und blockieren. Foto: BS/Trend Micro Dazu zählen Reputationsdienste ebenso wie Verhaltenserkennung, erreichten Unternehmen und Be- maschinelles Lernen und Sandhörden mittels bösartiger E-Mails. boxing. Eine der wirkungsvollsten SchutzBereit für die nächsten technologien in diesem Bereich stellt (60) Jahre Sandboxing dar. Bei einer Sandbox handelt es sich um einen vom Alle Technologien und Funktionen restlichen System abgeschotteten können neben On-Premise auch in Bereich, in dem Software geschützt hybriden Cloud-Umgebungen einausgeführt werden kann. Damit lässt gesetzt werden und bieten dort dassich das Verhalten eines Programms selbe Schutzniveau wie im eigenen beobachten, ohne die restliche Rechenzentrum. Damit sind sie auch Systemumgebung zu gefährden. für zukünftige DigitalisierungsschritTrend Micro bietet mit der Deep- te bereit – ohne Einbußen bei der Discovery-Produktserie leistungs- Sicherheit. Und dank der beständifähige Sandboxing-Lösungen, die gen Arbeit unserer Forschungs- und die Anforderungen von Behörden Entwicklungsteams wird Trend Micro voll erfüllen. auch darüber hinaus die passenden Lösungen für eine sichere digitale Schutz für Rechenzentrum Welt bereitstellen. und Netzwerk Trend Micro gratuliert dem BunNeben bösartigen E-Mails stehen desverwaltungsamt zum 60-jährigen auch Angriffe auf Sicherheitslücken Bestehen. Wir sind stolz darauf, als in Servern und Netzwerken bei Partner für IT-Sicherheit an der Seite Cyber-Kriminellen hoch im Kurs. des Bundes zu stehen.

Weitere Impressionen

Beim digitalen Wandel gehen ITZBund und BVA gemeinsame Wege (BS/Dr. Alfred Kranstedt) In den letzten Jahren hat das BVA durch die kontinuierliche Weiterentwicklung seiner Aufgaben überzeugt und permanente Innovations- und Veränderungsbereitschaft gezeigt. Das BVA und das ITZBund sind eng miteinander verknüpft und in hohem Maße voneinander abhängig.

S

o ist zum 01.01.2016 die ehemalige Bundesstelle für Informationstechnik aus dem BVA in das ITZBund übergegangen. Die weiterhin intensive Zusammenarbeit basiert darauf, dass das BVA eigene IT-Fachverfahren für seine Aufgaben entwickelt, die in den modernen und sicheren Rechenzentren des ITZBund betrieben werden und darüber hinaus die durch das ITZBund angebotenen Basis- und Querschnittsdienste nutzt. Wie das BVA unterliegt auch das ITZBund einem steten Wandel mit zunehmender Komplexität. Je mehr innovative und mobile Anwendungen in alle Lebensbereiche Einzug halten, desto mehr verändert sich die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger an die digitalen Angebote der Bundesverwaltung.

Kooperation in mehreren Bereichen Für mehr Effizienz und die digitale “Öffnung” der Verwaltung ist die Zusammenarbeit der beiden Behörden daher ein Gewinn. Das ITZBund deckt mit seinem Leistungsportfolio das gesamte Spektrum an IT-Leistungen für die öffentliche Verwaltung ab. Unter anderem erfolgen der Betrieb der IT-Verfahren und die technische Weiterentwicklung von Basis- und Querschnittsdiensten wie PVSplus durch das ITZBund. Auch das BVA nutzt die Komponenten von PVSplus. Für eine moderne

und Informat

Dr. Alfred Kranstedt ist Direktor des Informationstechnikzentrums Bund. Foto: BS/Christian Daitche

Personalverwaltung ist ein übergreifender Querschnittsdienst mit einheitlicher IT-Unterstützung im Rahmen der von der Bundesregierung beschlossenen Dienstekonsolidierung unverzichtbar. Neben der E-Akte ist PVSplus der Inbegriff für Basis- und Querschnittsdienste, die alle benötigen und ohne die die Verwaltung nicht mehr effizient arbeiten kann. Auf große Akzeptanz stößt zudem die App “Beihilfe Bund”: 61.000 Beihilfeberechtigte – Tendenz steigend – nutzen die digitalen Möglichkeiten der App. Sie steht seit August 2019 im Rahmen des umfassenden Digitalisierungsprojekts “Beihilfe. digital”, in dem das ITZBund das BVA unterstützt, zur Nutzung bereit. Rechnungsbelege können unkompliziert mit dem Smartphone oder

ler-staat.org oder ww ionen unter www.digita

Tablet abfotografiert und an die Beihilfestellte gesendet werden – ohne lange Postlaufzeiten. Weitere gemeinsame Großprojekte im Bereich der Öffentlichen Sicherheit sind ebenfalls Beispiele, die beweisen, dass beide Behörden beim digitalen Wandel auf Bundesebene eine wichtige Schlüsselrolle spielen. Der Jubilar BVA ist auch zukünftig ein bedeutender Partner des ITZBund und ich wünsche seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dass sie die Potenziale der Digitalisierung weiterhin zum spürbaren Nutzen aller gestalten. Das ITZBund unterstützt das BVA dabei in allen Digitalisierungs- und Modernisierungsvorhaben. Zum 60-jährigen Jubiläum gratuliere ich dem BVA und seinen Beschäftigten recht herzlich.

w.digitaler-staat.onlin

e

Um herauszufinden, was Bürgerinnen und Bürger in Zeiten des digitalen Wandels von uns wollen, müssen wir die eigene Rolle neu definieren. Digitalstaatsministerin und Schirmherrin Dorothee Bär auf Digitaler Staat 2020

www.facebook.com/digitalerstaat

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Besuchen Sie unsere Top-Events 2020/2021

mit Fokus auf Digitalisierung und E-Government Okt. 2020

Baden-Württemberg 4.0 1. Oktober 2020, Stuttgart

e-nrw: Zukünftige IT-Strategien in NRW 5. November 2020, Neuss

Nov. 2020

> www.bw-4-0.de > www.e-nrw.info PITS 11.–12. November 2020, Berlin

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Digitale Verwaltung RLP 24. November 2020, Mainz

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2020

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Dez. 2020

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Zukunftskongress Bayern 25. Februar 2021, München

Febr. 2021

Zukunftskongress Bayern > www.nordlaender-digital.de

März 2021

Digitaler Staat 23.–24. März 2021, Berlin > www.digitaler-staat.org

Ansprechpartner Informationen zu Beteiligungsmöglichkeiten erteilt: Benjamin Bauer Mitglied der Geschäftsleitung Tel.: 0228/970 97-0 E-Mail: benjamin.bauer@behoerdenspiegel.de

> www.zukunftskongress.bayern

NEUES FORM AT des Behörden Spiegel

ab 10. Juni 2020 Digitaler Staat ONLINE

www.digitaler-staat.online


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2020

A

lexeeva: Herr Čivilis, im aktuellen EU-Ranking “eGovernment Benchmark 2019” nimmt Litauen einen der Spitzenplätze ein. Wie haben Sie das geschafft? Čivilis: Viel kommt auf den nationalen Background an, die Strukturen und Verwaltungskultur. Wir in Litauen haben eine schlanke Verwaltung, sind aber auch eine kleine Nation mit etwa 2,9 Millionen Einwohnern. Mit weniger Personal müssen wir die gleichen Aufgaben wie andere Staaten bewältigen. Das zwingt uns, effizient zu sein. Alexeeva: Was halten Sie von der Idee eines Digitalministers mit einem eigenen Ressort? Čivilis: Der Titel ist nicht entscheidend – der Impact, den der Digitalbevollmächtigte des Staates zu entfalten vermag, schon. So hat mein Amt eine Querschnittsrolle. Wenn beispielsweise das Gesundheitsministerium die Fachprozessebene digitalisieren will, gewährleisten wir in diesem Fall die technische Infrastruktur, die Plattformintegration und den reibungslosen Datenfluss. Alexeeva: Wann und wie begann die Digitalisierungsoffensive in der litauischen Verwaltung? Čivilis: Das war vor etwa 20 Jahren mit den ersten staatlichen Informationssystemen. Schon bald stellte sich heraus, dass wir mit E-Health, E-Justice und dergleichen Informationssysteme hatten, die voneinander isoliert waren und die physische Welt lediglich replizierten. Alexeeva: Es leuchtet ein, dass ein Copy-Paste-Design der behördlichen Wirklichkeit kein zeitgemäßer Ansatz ist. Doch wie schafft man es aber, das System selbst zu transformieren?

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Teil der Bewegung sein Interview mit dem litauischen Vizeminister für Wirtschaft und Innovation (BS) Mit Digital Government, GovTech Lab, bald auch Realtime-Economy gehört Litauen zu digitalen Spitzenreitern in Europa. Was ist das Geheimnis des litauischen Wegs? Svetlana Alexeeva, Inhaberin von DIGITAL INSIGHT CIS, befragte hierzu Elijus Čivilis, Vizeminister für Wirtschaft und Innovation der Republik Litauen und Governmental CIO Digital Lithuania. Das Interview fand in Vilnius statt. Čivilis: Unsere Lösung heißt “Digital Government”. Damit experimentieren wir seit ungefähr zehn Jahren. Alexeeva: Was ist der Unterschied zum E-Government? Čivilis: E-Government im engeren Sinn ist für uns nur die elektronische Form der Leistungserbringung. Beim Digital Government geht es um die Umkonfiguration interner Verwaltungsprozesse und innovative Wege der Interaktion mit Bürgern.

Namen und weisen sich per eID aus. Das System funktioniert aber nur, wenn man Anreize richtig setzt und nicht nur die Lage des Patienten im Blick hat, sondern auch jene des Arztes. Alexeeva: Gibt es eine übergeordnete Strategie hinter den einzelnen Digitalisierungsschritten?

Čivilis: Ja, bestehend aus drei Säulen: Smart Society, Digital Government und Digital Economy. Smart Society ist stark vom Inklusionsgedanken und dem Aufbau digitaler Kompeten“Beim Digital Government geht es um die Umkonfiguration interner Verwaltungsprozesse und zen getragen – vor allem bei innovative Wege der Interaktion mit Bürgern.” Erwachsenen, Lehrern, SeniAlexeeva: Dies setzt neuarti- oren. Für Verwaltungsangestellte ge Denk- und Handlungsweisen haben wir eine Digitalakademie, bei allen Beteiligten voraus. Wie wo sie lernen, Technologien einzusetzen. Digitale Fertigkeiten gelingt der Mentalitätswandel? sind essenziell, denn sie versetzen Čivilis: Wir nutzen die Methode Menschen in die Lage, nicht bloß Digital by Default – und beob- Konsumenten, sondern Kreative achten, dass die Menschen den zu sein. Digital ist mittlerweile Digitalkanal gern nutzen, weil “the new black”: Jeder, ob Misie Leistungen schneller, beque- nister oder Start-Up-Gründer, mer und in besserer Qualität be- will dazu gehören und Teil der kommen. Die eID-Karte reicht Bewegung sein. meistens aus, zum Beispiel bei Alexeeva: Wie ist der Stand E-Presription, der papierlosen Verschreibung von Medikamen- beim Digital Government? ten. 91 Prozent aller Rezepte Čivilis: Momentan richten wir werden heute in Litauen digital einen gemeinsamen barriereausgestellt. freien Datenpool ein. Das VorhaAlexeeva: Mittels einer E-Health- ben wird aber nur funktionieren, wenn die Behörden bereit sein Karte? werden, auf ihr Datenvorrecht Čivilis: Sie ist nicht nötig. Sie zu verzichten und sich gegenüber nennen in der Apotheke Ihren Startups und Unternehmen zu

einen physischen Sitz, wenn sie Geschäftsdaten und Verträge in einem Dataspace speichern? Auch Bürger können bald auf Steuerdeklarationen verzichten, weil ihre Einkünfte real-time ans Finanzamt übermittelt werden. Das alles ist Gegenstand von GovTech Lab, einer Initiative unseres Ministeriums, die heute die litauische Innovationsagentur MITA fortführt. Alexeeva: Was halten Sie von Digitalisierungsinitiativen der EU, zum Beispiel den jüngsten Strategien im Bereich des Daten-Binnenmarktes und der Künstlichen Intelligenz?

Čivilis: Ich bin ein Proeuropäer und halte die Prioritätensetzung der EU-Kommission mit Fokus auf Klima und Digitalisierung für richtig. Leider sprechen die dafür vorgesehenen Fördermittel eine völlig andere Sprache. Damit lässt sich kein Wandel einleiten. Es gab in der Vergangenheit gute EU-Vorhaben, zum Beispiel das eIDAS, das Identifizierungssystem Der 38-jährige Elijus Čivilis ist seit 2018 Vizeminister für Wirtschaft und Inno- für elektronische Transaktionen. vation der Republik Litauen. Foto: BS/Svetlana Alexeeva Manche Mitgliedsländer haben diese Verordnung bis heute nicht öffnen, damit diese auf der Ba- haben wir zuerst die Methodik oder nur mangelhaft umgesetzt. sis öffentlich verfügbarer Daten der statistischen Erfassung der Alexeeva: Wie kann die EU die neue Services zum Wohle der Digitalwirtschaft angepasst. Heute Gemeinschaft entwickeln kön- nimmt dieser Sektor Platz vier in digitale Integration und den diginen. Wir hatten früher fast 700 der Wirtschaftsstruktur Litauens talen Binnenmarkt konkret vorE-Services, aber die Menschen ein und ist in den letzten drei antreiben? haben sie wegen fehlender Benut- Jahren um 40 Prozent gewachČivilis: Ich halte die Interopezerfreundlichkeit kaum genutzt. sen. Momentan arbeiten wir auf Heute streben wir die Kommu- das Ziel einer Realtime-Economy rabilität für fundamental. Wie (Echtzeitökonomie) hin. Das heißt: soll das autonome Fahren ohne nikation Digital by Default an. Automatische freien Datenfluss sonst funktioDatenübertra- nieren? In der baltischen Region “Wozu brauchen Unternehmen im Digitalzeitgung, Trans- testen wir derzeit zusammen mit alter zwingend einen physischen Sitz, wenn sie a k t i o n e n i n Finnland, Schweden, Dänemark Geschäftsdaten und Verträge in einem DataEchtzeit, eine und Norwegen ein Pilotprojekt für vernetzte tech- grenzüberschreitende Transaktispace speichern?” nische Umge- onen. So etwas brauchen wir in Alexeeva: Kommen wir zur Di- bung. E-Invoice und E-Delivery ganz Europa. Übrigens kann ich gital Economy. Welche Agenda werden bereits praktiziert. “Digital der deutschen Initiative GAIA-X verfolgt das Ministerium hier? Enterprise” kommt bald, das Ge- für eine europäische Cloud viel setz liegt dem Parlament vor. Die abgewinnen. Sie hat wie die DSČivilis: Da wir eine datenge- Idee: Wozu brauchen Unterneh- GVO das Potenzial, eine echte triebene Politik machen wollen, men im Digitalzeitalter zwingend Benchmark zu werden.

Digitalvorreiter Hansestadt Lüneburg

Attraktivität erhöhen

Der Umstieg, der beinahe nicht gelingen wollte

Ein Imagewechsel für den Öffentlichen Dienst

(BS) Jens Sporleder hat ein Ziel. Der Bereichsleiter verantwortet unter anderem das Beteiligungsmanagement der Hansestadt Lüneburg und er und seine beiden Kollegen haben alle Hände voll zu tun. Allein die Entwicklungen der 24 mittel- und unmittelbaren Beteiligungen halten ihn und sein Team gehörig auf Trab. Lange nutzten er und seine Mannschaft für das Management der Beteiligungen Excel und Word. Doch Sporleder wünscht sich ein zentrales Verfahren, das Daten revisionssicher bündelt und die händische Arbeit insbesondere beim Erstellen des Beteiligungsberichts reduziert.

(BS/Jana Wendig*) Interamt vereint Stellenportal, Interessentendatenbank und Bewerbermanagement in einem System. Das erklärte Ziel der Marke ist zudem, die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber zu erhöhen.

Bei der Suche nach einer passenden Software stößt er auf einen Anbieter, der mit einfacher Pflege von Stammdaten und mit dem automatisierten Verarbeiten der Finanzkennzahlen wirbt. Auch wenn er weiß, dass die angebotene Lösung gemeinsam weiterentwickelt werden muss, um den eigenen Ansprüchen zu genügen, entscheidet er sich für das System. Doch dann der Schock. Kurz nach Einführung der Software meldet sich das Unternehmen und gibt die Insolvenz bekannt. Sporleders Wunsch nach einem Loslösen von Office und den damit verbundenen Einschränkungen rückt in weite Ferne. Was der 51-Jährige zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnt: Die Kommunalsparte des insolventen Anbieters wurde aufgekauft. Die Leipziger Saxess AG entwickelt ebenfalls eine Software für das kommunale Beteiligungsmanagement und setzt sich mit Lüneburg in Verbindung, um die eigene Fachanwendung vorzustellen. Sporleder atmet auf. Sofort hat er den Eindruck, dass die webbasierte Anwendung der Saxess AG Hand und Fuß hat und die Qualität von fidas Software im Vergleich zum Altsystem auf einem anderen Niveau liegt.

Lüneburg nutzt für das kommunale Beteiligungsmanagement die SoftwareLösung fidas der Leipziger Saxess AG. Foto: BS/Saxess AG

Sporleders wichtigstes Anliegen ist es zunächst einmal, die vorhandenen Daten in einem funktionierenden System zusammenzuführen. Schnell stellt er jedoch fest, dass neben der vereinfachten Stammdatenpflege vor allem die Funktionen bei der Erstellung des Beteiligungsberichts seine Arbeit sehr erleichtern. Mehr noch erlaubt die neue Anwendung, das bereits zuvor etablierte Quartalscontrolling aus der Software heraus aufzubauen. Zwar ist die Einführung parallel zum Tagesgeschäft eine echte Herausforderung. Aber dank der vorhandenen Schnittstellen zur Übernahme von Altdaten, der schnellen Umsetzung von Änderungswünschen und der Tatsache, dass bei Fragen immer jemand erreichbar ist, verläuft alles reibungslos.

Jens Sporleder und sein Team arbeiten mit Zufriedenheit im neuen System. Sie sind froh, dass der revisionssichere Zugriff auf Beteiligungsdaten und Leserechte für Dritte nun möglich ist. Seiner Vision für ein umfassendes Beteiligungsmanagement ist Sporleder trotz aller Widerstände nun ganz nah. Für die Zukunft wünscht er sich für die Quartalsberichterstattung einen Forecast, der es ermöglicht, den Zustand der jeweiligen Gesellschaft in einem Ampelsystem abzubilden. Eine Anforderung, die gemeinsam mit der Saxess AG umgesetzt wird und Sporleder zu seinem Credo veranlasst: “Wenn eine Kommune vorhat, mehr als nur Stammdaten zu verwalten, ist die Entscheidung für eine professionelle Software genau der richtige Weg.”

Zu Beginn des Jahres hat die Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH (DVZ M-V) Interamt, das Stellenportal des Öffentlichen Dienstes, komplett von der Deutschen Telekom AG übernommen. Ob Vertrieb, Produktmanagement oder Implementierung – alles erfolgt nun aus einer Hand. Ein wesentliches Ziel in diesem Jahr ist die Weiterentwicklung und Optimierung der Anwendung. “Wir sind ehrgeizig und wollen Interamt noch das i-Tüpfelchen, zum Beispiel in puncto Barrierefreiheit aufsetzen”, erklärt Interamt-Leiter Marco Prill.

Hohe Standards für mehr Qualität Zusätzlich zur Webseite präsentieren aktuell drei Außendienstmitarbeiter Interamt in ganz Deutschland. “Die Nachfrage steigt stetig an”, so Prill. “Unsere Kollegen fahren jede Woche zu einem anderen Kunden, um Interamt einzuführen.” Als Grund für die hohe Nachfrage nennt er das Alleinstellungsmerkmal der Anwendung: “Es vereint Stellenportal, Interessentendatenbank und Bewerbermanagement in einem System.” Zudem ist Interamt eine sehr effektive Plattform für Bewerber. Durch sehr feine Suchkriterien können genau die Jobs gefunden werden, die zu den eigenen Wünschen passen. Für die Behörden bedeutet dies zwar einen etwas höheren Pflegeaufwand für ihre Stellenausschreibungen, im Gegenzug erhalten sie dafür mehr Be-

Die Nähe zum Wohnort, die Vielfältigkeit der Aufgaben und nicht zuletzt die ausgewogene Work-Life-Balance machen den Öffentlichen Dienst als Arbeitgeber für junge Menschen zunehmend attraktiver. Foto: BS/DVZ M-V GmbH

werbungen von interessierten und geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern. So profitieren beide Seiten von den hohen Standards.

Gemeinsam neue Wege gehen Dass sich immer mehr Menschen für einen Job im Öffentlichen Dienst begeistern, ist ein Trend, den Marco Prill nur zu gerne beobachtet. “Wohnortnähe, Vielfältigkeit und nicht zuletzt WorkLife-Balance sind Benefits, die gerade jungen Menschen immer wichtiger werden”, weiß er. Und genau diese Stärken gelte es auch zu kommunizieren. Denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass es in den kommenden Jahren eine immer größer werdende Personallücke im Öffentlichen Dienst geben wird, die längst nicht allein durch Nachwuchs-Personal aus den eigenen Reihen geschlossen werden kann. “Wir brauchen zusätzlich die Erfahrungen von Quereinsteigern”, weiß er und betrachtet Interamt

dabei als einen wichtigen Teil der Lösung. “Der Öffentliche Dienst steht nicht nur im Wettbewerb mit der Wirtschaft, sondern zusätzlich mit sich selbst. Wenn die Häuser anfangen, sich gegenseitig das Personal abzuwerben, ist niemandem damit geholfen.” Für die Zukunft wünscht er sich deshalb, mithilfe von Interamt weiter zur Stärkung des Öffentlichen Dienstes als Arbeitgebermarke beizutragen. Mit seinen jährlich mehr als 22 Millionen Aufrufen habe das Portal nämlich genug Strahlkraft, um dem in die Jahre gekommenen Image entgegenzuwirken, ist sich Marco Prill sicher: “Wenn wir von Interamt und der Öffentliche Dienst hier an einem Strang ziehen, finden wir für den Personalengpass gemeinsame Lösungen.” *Jana Wendig ist Marketingkoordinatorin Interamt bei der DVZ M-V GmbH.


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BMI sorgt für Transparenz

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assend zum Halbzeitpfiff lohnt sich ein Blick auf die OZG-Informationsplattform. Der Stand der Verwaltungsmodernisierung in Deutschland kann von jedem Bürger und jeder Bürgerin eingesehen werden. Die Plattform bietet Nutzerinnen und Nutzern eine Übersicht nach verantwortlichen Bundesländern, Digitalisierungslaboren, zuständigen Ressorts oder Themenfeldern. Ob ein Onlinezugang im Sinne des Gesetzes gegeben ist, geht aus dem jeweiligen Reifegrad hervor. Fünf Stufen definieren den Digitalisierungsstand. Leistungen der Reifegrade 0 bis 1 sind entweder gänzlich offline oder zeigen Informationen auf der Homepage an. Leistungen des Reifegrades 2 bieten einen Formular-Assistenten, der unter anderem beim Ausfüllen analoger Formulare unterstützt. Bei allen 3 Reifegrade gilt: Onlinezugang nicht erfüllt. Online verfügbare und somit dem Gesetz nach erfüllte Services werden mit Reifegraden drei und 4 klassifiziert. Die Beantragung bis Einreichen von Nachweisen ist digital möglich. Nachweise in Vorhaben der Kategorie 4 – der Online-Transaktion – können zudem per Once-Only-Prinzip erbracht werden. Flächendeckend ist ein Vorhaben dieser Stufe noch nicht verfügbar.

Planungsphase beendet Den auf der Informationsplattform abgebildeten Umsetzungsstand nun in Relation mit dem zeitlichen Verlauf zu setzen, greift laut Bundesinnenministerium jedoch zu kurz. Ernst Bürger, seit dem 1. Juni Leiter der neuen Abteilung “Digitale Verwaltung”, und Dr. Stephanie Grüger, stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Digitalisierungsprogramm Bund und Föderal, ordnen die aktuellen Zahlen in den Zeitverlauf ein. Während der ersten Hälfte des Zeitplans habe man sich in der Planungsphase befunden. Die Einführung des OZGs 2017 mit einer straffen Zeitbegrenzung, also der Abschlussverpflichtung bis 2022, sei herausfordernd gewesen. So habe man sich zunächst einen Überblick über den Digitalisierungsstand Deutschlands verschaffen müssen. Die planerischen Prozesse seien bis Ende letzten Jahres abge-

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Bürger relevanten Vorhaben heraus. 77 Prozent der Befragten berichten von Online-Verwaltungsangeboten, welche jedoch nur ansatzweise fertig sind. 16 Prozent können komplett fertige OZG-Leistungen vorweisen.

Informationsplattform bietet Einblicke in Umsetzungsstand

(BS/Kilian Recht) Mit der OZG-Informationsplattform sorgt das Bundesinnenministerium für Transparenz beim Onlinezugangsgesetz. Umsetzungsstände aller Vorhaben lassen sich nach verschiedenen Kategorien filtern und einsehen. Bis Ende 2022 sollen Services des gesamten Kataloges flächendeckend online verfügbar sein. Das BMI ist im Angesicht der ablaufenden Frist optimistisch und leitet nach der Planungs- nun die Umset- Neue OZG-Abteilung im BMI geht an den Start zungsphase ein. Die Abteilung “Digitale Verwaltung“ im BMI gibt ein Versprechen für das laufende Jahr ab.

Umsetzungsstandard nach Themenfeldern

Themenfeld Arbeit & Ruhestand

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Bauen & Wohnen

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Bildung

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Ein- & Auswanderung

(19)

Engagement & Hobby

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Familie & Kind

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Forschung & Förderung

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Gesundheit

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Mobilität & Reisen

(89)

Querschnitt

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Recht & Ordnung

(19)

Steuern & Zoll

(30)

Umwelt

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Unternehmensführung & -entwicklung

(76)

70 57 42 61 30

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Reifegrad 3-4: Online-Leistung oder Online-Transak on

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Reifegrad 2: Formular-Assistent

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Umsetzungsphase eingeleitet “Jetzt kommt der Zeitpunkt, wo der Hebel umgelegt wird”, so Ernst Bürger. Dr. Stephanie Grüger bringt den Verlaufsplan auf den Punkt: “Die erste Halbzeit haben wir genutzt, um Strukturen aufzubauen, die zweite, um Tore zu schießen.” Die Devise sei es, schnell in die Fläche zu kommen. Im föderalen Kontext müsse nun Referenzimplementierung angeboten werden. Dabei müsse aber stets die Länderautonomie gewahrt werden. Projekte würden überwiegend in den Kommunen umgesetzt, der Bund agiere eher in der Rolle des Koordinators. Man stelle bei zunehmender Zusammenarbeit aber fest: Die Bereitschaft zur Nachnutzung nehme deutlich zu. Dennoch: Services würden mandantenfähig sein, auch wenn sie zentral betrieben würden. Die Rechtsverantwortlichkeit für einzelne

Services werde nicht verändert und liege überwiegend bei den Kommunen. Ernst Bürger verspricht: “Mindestens 30 größere, bedeutungsvollere Verfahren werden noch in diesem Jahr referenzimplementiert.” Auch schon während der Planungsphase sei an die Bürger gedacht worden.

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BS/Hoffmann

zung an. Derzeit arbeite man mit Nordrhein-Westfalen daran, den Service dort gemeinsam mit Dataport anzubieten und eine “Einer-für-alle-Lösung” umzusetzen. Weitere Bundesländer würden dann folgen.

Corona- Krise hat Umsetzung befeuert

Wohngeldverfahren soll nach- Besonders stolz ist man im BMI genutzt werden auf die Arbeit, die bisher während

So konnte im Digitallabor ein Online-Service zum Wohngeldverfahren entwickelt werden. Der Prozess, den ein OZG-Verfahren durchlaufen muss, wird hier deutlich: Unter Einbezug aller in das Vorhaben involvierten Stakeholder wurde zunächst eine erste Referenzimplementierung entwickelt. Diese ist im Dezember 2019 in Schleswig-Holstein online gegangen. Betrieben wird sowohl das Onlineverfahren wie auch das Fachverfahren vom IT-Dienstleister Dataport. Acht weitere Bundesländer meldeten bereits während der Entwicklung Interesse zur Nachnut-

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Reifegrad 0-1: offline oder Informa onen verfügbar

Der Stand der OZG-Umsetzung ist abrufbar unter: informationsplattform.ozg-umsetzung.de Grafik:

schlossen worden. Die Werkzeuge lägen nun alle vor.

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der Corona-Pandemie geleistet wurde. Ohne Unterbrechung habe man weiter an der Umsetzung des OZG gearbeitet sowie in der Krise unterstützt werden. So konnte in einem Expressdigitalisierungslabor innerhalb weniger Wochen den Service zur Erstattung von Verdienstausfällen aufgrund von Quarantäne oder Kita- und Schulschließung digitalisiert und online nutzbar gemacht. Das entsprechende Gesetz, das Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung verpflichtet und ihnen staatliche Erstattung zusicherte, trat am 01.04.2020 in Kraft. In Tag- und Nachtarbeit

wurde eine einheitliche Lösung entwickelt, die Anfang Mai online ging.

Zu wenig echte Angebote Die Studie “Branchenkompass Public Sector 2020” der Beratungsagentur Sopra Steria und des F.A.Z.-Instituts kommt hingegen zu dem Schluss, dass der Umsetzungsstand dem Zeitplan hinterherhinke. 100 Entscheider aus 100 Behörden wurden zum hauseigenen Digitalisierungsstand befragt. In CoronaZeiten habe die Nutzung bereits vorhandener Online-Angebote stark zugenommen. “Die Behörden bekommen nun konkret vor Augen geführt: Es gibt noch zu viele reine Informationsangebote und zu wenige echte digitale Verwaltungsdienstleistungen. Das werden viele nun schnell ändern wollen”, so Bernd Baptist von Sopra Steria. Neben Erfolgen bei internen Prozessen, wie der digitalen Vergabe öffentlicher Aufträge, stellt sich ein großer Nachholbedarf bei für die

Eine am 01.06.2020 gegründete Abteilung im BMI soll der OZG-Umsetzung und der Verwaltungsmodernisierung noch mehr Bedeutung und Dynamik geben. Neben den Digitalisierungsprogrammen (Bund und Föderal), den Infrastrukturthemen Portalverbund, dem Bundesportal, Nutzerkonto und der Rufnummer 115 werden die Themen eID, Identitätsmanagement und Personalausweiswesen in der neuen Abteilung angesiedelt. Die eID-Komponente des Personalausweises auf’s Smartphone zu bringen, wird eines der Ziele sein. Aber auch die Registermodernisierung soll durch die neu gegründete Einheit eine Aufwertung erfahren. Man wolle die in der Verwaltung vorhandenen Datenschätze nun zugunsten der Antragsteller durch datenschutzkonforme Vernetzung nutzbar machen. Zentralregister seien nicht geplant. Die Datenweitergabe erfolge nach Einwilligung des Antragstellers. In einem persönlichen Datencockpit könne nachvollzogen werden, welche Behörde wann welche Daten genutzt habe. So wolle man Vertraulichkeit garantieren.

Unterm Strich zählt der Bürger Ernst Bürger hält fest: nicht jeder Service des OZG-Kataloges sei für die Bürger im Alltag gleich relevant. Deshalb priorisiere man die Digitalisierung der Leistungen mit hohem Nutzungspotenzial. Über den Erfolg würden schließlich nicht Zahlen, sondern Nutzer entscheiden. Und der Nutzer müsse im Mittelpunkt stehen. Man müsse daher jetzt Services nach draußen bringen, die einen Mehrwert für die Bevölkerung bedeutenen. Dann müsse man sie sukzessive anhand des Bedarfs weiterentwickeln, “wie es die großen Plattformen halt auch machen”. Das zeitliche Ziel im OZG sei zwar gut, um Druck und Aufmerksamkeit zu generieren, aber mit dem Jahr 2022 sei die Digitalisierung der Verwaltung nicht plötzlich vorbei. Man werde Ende 2022 aber einen qualitativ neuen Stand des E-Governments in Deutschland erreicht haben.

1. Oktober 2020 in Stuttgart

Baden-Württemberg 4.0 Der Ball rollt – – –

– – – Das Endspiel um die Digitalisierung der Verwaltung von Staat und Kommunen hat begonnen !

Eine Veranstaltung des

››› www.bw-4-0.de ‹‹‹

#bw40

in Zusammenarbeit mit


OZG

Behörden Spiegel / Juni 2020

A

ngesichts der sommerlichen Temperaturen mag eine botanische Metapher erlaubt sein: Es finden sich viele bunte Blumen. Die Länder betreiben die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes zunächst innerhalb ihrer eigenen IT-Landschaft und entwickeln und betreiben in diesem Rahmen ihre je eigenen Online-Services in ihrer je eigenen Portallandschaft. Es entstehen also verschiedene IT-Gärten, in denen die bestehenden IT-Strukturen gehegt und gepflegt werden. Darüber hinaus zeichnen sich Länder als Federführer im OZG-Umsetzungsprogramm des IT-Planungsrats für einzelne Leistungsbündel verantwortlich, die im Rahmen der Digitalisierungslabore umgesetzt werden sollen. Diese Labore produzieren einzelne Blütenträume, deren Saat zunächst einmal nur im Garten des jeweiligen Federführers aufgehen kann. Nicht zum ersten Mal in der Geschichte des E-Governments stellt sich daher die Frage der Nachnutzbarkeit.

Zielbild “Einer für Alle” Sowohl der IT-Planungsrat als auch die Ministerpräsidenten und das Kanzleramt bekennen sich zum Zielbild “Einer für Alle”: Bund, Länder und Kommunen sollen arbeitsteilig kooperativ vorgehen und sich in die Lage versetzen, die jeweils entwickelten Software-Produkte wechselseitig zu nutzen. Die Standardisierung von Software ist hier das Mittel der Wahl. Neben der Definition unterschiedlicher Datenstandards werden weitergehende kooperative Instrumente diskutiert, so z. B. die gemeinsame Entwicklung und der gemeinsame Betrieb

Von bunten Blumen und Graswurzeln Die OZG-Umsetzung und die Kommunen (BS/Dr. Ariane Berger) Jüngst wurde an dieser Stelle bemerkt, dass Bund und Länder von der Erreichung des OZG-Umsetzungsziels noch rund 1.000 Tage trennen. Diese 1.000 Tage müssen genutzt werden, um die in den Digitalisierungslaboren entworfenen Prototypen, Minimal Viable Products (MVPs) oder die FIM-basierten PDF-Dokumente in nachnutzbare Software umzusetzen und diese dem Nutzer zur Verfügung zu stellen. Wie stellt sich das aktuelle Szenario dar? von Software (Software as a Service) oder – so der Vorschlag des Deutschen Landkreistages – die Entwicklung von Software mit hoher Kompatibilität, die in sehr unterschiedlichen IT-Umgebungen lauffähig ist (Microservices). 1. Von Entwicklungsgemeinschaften und Austauschplattformen Zur Umsetzung dieser Nachnutzungsmodelle sollen sich Entwicklungsgemeinschaften und Umsetzungsallianzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen formieren. Die kommunalen Spitzenverbände, Federführer im Themenfeld “Engagement und Hobby”, befördern eine länder­ übergreifende “Entwicklungsgemeinschaft eWaffe”, d. h. eine länderübergreifend kooperative Entwicklung und einen einheitlich übergreifenden Betrieb der im Waffenwesen erforderlichen Online-Anträge. Einzelne Umsetzungsallianzen, die zumeist aus zwei Bundesländern bestehen, formieren sich – in Ansätzen – in anderen OZG-Themenfeldern. Die FITKO AöR ergänzt diese Überlegungen mit dem Vorschlag eines sog. FIT-Store, eines zunächst rechtlichen Nachnutzungsrahmens, der es Bund und Ländern ermöglichen soll, über die FITKO AöR und damit befreit von vergaberechtlichen Herausforderun-

lerdings bislang auf kühle wirtschaftliche Kalkulationen. Für die Länder stellt sich Dr. Ariane Berger ist Leiterin des Bereichs Digitalisierung die Frage, ob eine beim Deutschen LandkreisUmsetzung allein tag. im eigenen Garten in der Summe Foto: BS/privat nicht günstiger ist als eine länderübergreifende Kogen Online-Services wechselseitig operation. Bislang herrscht die auszutauschen und zu nutzen. deutliche Tendenz vor, die geplanDie technische Grundlegung für ten Online-Services im jeweiligen diesen FIT-Store, d. h. eine tech- Land oder doch zumindest mit nische Austauschplattform, ist in dem bekannten und bewährten diesen Vorschlägen zumindest jeweiligen IT-Dienstleister umangedacht, wenn auch noch nicht zusetzen. Übergreifende Ansätze unterlegt. Auch die Anregun- entwickeln sich lediglich dort, wo gen des BMI, eine föderale Cloud die beauftragten IT-Dienstleister für Open Source und andere, über ein entsprechend übergreinicht proprietäre Software-An- fendes Geschäftsgebiet verfügen. wendungen zu schaffen, um die Länder-Kooperationen folgen, so nationale digitale Souveränität scheint es, der Logik des Marktes, zu stärken, lassen sich als ei- nicht dem Primat der Politik. nen ersten Schritt in Richtung Austauschplattform verstehen. Durchlässigkeit, Modularität und Bündelung Zwingend ist hier, dass keine exklusiven Bund-Länder-StrukUnd die Kommunen? Die turen entstehen, sondern dass Kommunen haben ein großes die Kommunen mit ihren vielen Interesse daran, dass IT-LandAnwendungen und Applikationen schaften durchlässiger werden. einen unmittelbaren Zugang zu Gute IT-Lösungen dürfen nicht dieser Infrastruktur erhalten. auf Landes-Silos beschränkt 2. Beharrungstendenzen und sein, sondern müssen bundesWirtschaftsinteressen weit zur Verfügung stehen: Die Diese Blütenträume treffen al- Kommunen wünschen sich ei-

MELDUNG novation und Regulierung”, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ausgeschrieben hatte. Preisträger ist die Regionalent-

wicklungsgesellschaft Metropolregion Rhein-Neckar GmbH für ihr Konzept zum Aufbau eines Reallabors “Digitales Planen und Bauen”.

Digitale Souveränität im E-Government Lösungen in einer komplex vernetzten Welt (BS/Petra Waldmüller-Schantz*) Das Onlinezugangsgesetz, das E-Rechnungsgesetz, das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, Multikanal, Plattformen und Gateways, Interoperabilität sowohl im Bereich von E-Delivery als auch bei eID: Nicht zuletzt die aktuelle Krise zeigt, dass die Digitalisierung im E-Government eine unausweichliche Notwendigkeit ist. Etliche Gesetze und Vorhaben zur Förderung der Digitalisierung wurden in den vergangenen Jahren verabschiedet bzw. ins Leben gerufen und der Einfluss aus Brüssel hat nicht zuletzt durch die eIDAS-Verordnung zugenommen. Interoperabilität und Standardisierung gewinnen weiter an Bedeutung. Basisdienste und Webservices, in wachsende und vernetzte Infrastrukturen integriert und den vielen einzelnen ProzessWorkflows gebündelt “vor der Klammer” zur Verfügung gestellt, sind wichtige Bestandteile auf dem Weg in die digitale Zukunft der Verwaltung. Das Governikus-Portfolio liefert viele solcher Dienste und Services, die in vorhandene Infrastrukturen integriert werden können. Ein Großteil davon steht über die Anwendungen des IT-Planungsrates Governikus und Governikus MultiMessenger zur Nutzung zur Verfügung.

Herausforderung elektronische Identitäten Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes mit den dazugehörigen Service- bzw. Organisationskonten ist nach wie vor ein zentrales Thema. Die Einbindung unterschiedlicher elektronischer Identitätstoken in die Servicebzw. Organisationskonten, von der Online-Ausweisfunktion bis hin zu Identitätsplattformen, ist essenzieller Bestandteil, wenn man das Gebot von Nutzerfreundlichkeit beachten, gleichzeitig aber auch den hohen Anforderungen an Sicherheit gerecht werden will. Im Kontext der eIDAS-Verordnung und

der Anforderungen, die sich aus den Vorgaben der europäischen Kommission hinsichtlich des Single Digital Gateways ergeben, sind Interoperabilität, Konnektivität und Standardisierung wesentliche Bestandteile, die zwar einerseits mit Herausforderungen einhergehen, andererseits aber unerlässlich sind.

Authentisierungen auf allen Leveln Die Identitätslösungen der ITPlanungsratsanwendung Governikus bieten sämtliche Bausteine, um die unterschiedlichsten eID-Token auf unterschiedlichen Leveln einzubinden. Neben dem eID-Server, mit dem sämtliche Online-Ausweis- und eIDAS-Token-Szenarien realisiert werden können, fungiert eine weitere Komponente als sog. Authentisierungsbroker. Online-Verfahren und -portale können über eine Anbindung unterschiedliche Authentifizierungen abfragen. Je nach angebotenen Verfahren – ob Benutzername/Passwort, Online-Ausweis oder Identitätsplattformen wie yes.com oder Verimi, wird das entsprechende Vertrauensniveau geliefert. Daneben ergeben sich aber auch Chancen, den europäischen Binnenmarkt gleichzeitig mit der nationalen Bestrebung

nen Marktplatz guter Lösungen. Konkurrenz belebt das Geschäft, sichert Qualität und Preiskon­ trolle. Deshalb fordert der Deutsche Landkreistag Microservices als Standard für neue Software, deswegen unterstützen die Kommunen Ideen länderübergreifender Austauschplattformen für Online-Services. Und deswegen unterstützt der Deutsche Landkreistag alle Bemühungen um eine stärkere Konvergenz der Verwaltungsportale. Angesichts der Widerstände und Beharrungskräfte der bestehenden IT-Landschaften stellt sich die Frage, was selbstbewusste Kommunen tun können, um der geschilderten Marktlogik zu entkommen. Das Ziel muss eine sehr viel stärkere Bündelung der kommunalen Online-Services

sein – und dies jenseits der bestehenden föderalen Grenzen und jenseits der existierenden Marktgrenzen. Nichts spricht dagegen, einen eigenen kommunalen Marktplatz guter Lösungen aufzubauen und sich so ein Stück weit kommunale Souveränität zu erkämpfen. Das wäre dann eine echte Graswurzelbewegung.

Fazit Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in den Kommunen wird nur mit einer angemessenen Finanzausstattung realisiert werden können. Hier sind Bund und Länder gefordert – das Digitalisierungsbudget muss substanziell erhört und auch zur konkreten Anbindung kommunaler Fachverfahren nutzbar sein. Darüber hinaus gilt es, das Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass Geografie im digitalen Staat relativ ist und eine Bündelung von IT auf kommunaler Ebene einen echten Beitrag zur Umsetzung des Zielbildes “Einer für Alle” darstellen kann. Als öffentlicher Auftraggeber sollten die Kommunen sehr viel stärker als bisher auf Modularität und Nachnutzbarkeit drängen.

Smart Country Convention Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ist eines der zentralen Themen der “Smart Country Convention”, die der Bitkom und die Messe Berlin vom 27.–29. Oktober 2020 im CityCube Berlin veranstalten. Der Behörden Spiegel ist Partner dieser Veranstaltung. Weitere Informationen unter: www.smartcountry.berlin

Kommunen in der OZG-Umsetzung

MRN-Reallabor ausgezeichnet (BS/gg) Die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) zählt zu den Gewinnern des nationalen Wettbewerbs “Innovationspreis Reallabore: Testräume für In-

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hin zu mehr Digitalisierung zu stärken. Mit den vorhandenen Lösungsbausteinen rund um Governikus Autent, die zum Leistungsumfang der Anwendung Governikus des IT-Planungsrates gehören und somit Bund, allen Ländern und ihren Kommunen zur Verfügung stehen, können die genannten Anforderungen umgesetzt und realisiert werden. Basierend auf Standards und unter Interoperabilitätsgesichtspunkten entwickelt, sind die einzelnen Lösungsbausteine modular aufgebaut und können – je nach Einbindungsgrad – in unterschiedlicher Intensität in die vorhandene bzw. im Aufbau befindliche Infrastruktur eingebunden werden. Die im Zuge der künftigen Registerabfragen notwendigen Freigabemechanismen im Sinne der informationellen Selbstbestimmung im Hinblick auf personenbezogene Daten und die damit einhergehende sichere Datenübertragung und Protokollierung sind die Grundpfeiler der Anwendung Governikus und können auch hier mit entsprechenden Lösungsansätzen und -bausteinen unterstützen. *Petra Waldmüller-Schantz ist Director Communications bei Governikus.

Eindrücke aus dem Freistaat Thüringen (BS/Christian Synold*) Das Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet auch die kommunale Ebene, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2020 online anzubieten. Während die strategischen Entscheidungen zwischen Bund und Ländern verhandelt werden, sind es die Kommunen, die den Hauptteil der Online-Verwaltungsleistungen bereitstellen und vollziehen müssen. Das OZG kann nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn die kommunale Ebene einbezogen wird. Das OZG soll die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung forcieren und harmonisieren. Es gilt, den Rückstand der Bundesrepublik im Bereich E-Government aufzuholen. Im Fokus steht die benutzerfreundliche Interaktion der Bürger und Unternehmen mit der Verwaltung. Die Verwaltung generiert durch medienbruchfreie und automatisierte Verfahren zusätzlich Effizienzvorteile. Die Corona-Pandemie zeigt zudem anschaulich, wie mittels EGovernment in Krisenzeiten die Handlungsfähigkeit des Staates gesichert werden kann. Der Freistaat Thüringen strebt mit der “Strategie für E-Government und IT” eine umfangreiche Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung an. Land und kommunale Spitzenverbände arbeiten aufgrund einer Rahmenvereinbarung und in einem “Beirat Kommunales E-Government” zusammen.

Antrag as a Service Zentrale Drehscheibe ist das “Thüringer Antragssystem für Verwaltungsleistungen (ThAVEL)”. Über dieses Portal können Kommunen kostenlos Antragsverfahren definieren. Dazu stellen sie dem Nutzer Informationen zum Verfahren bereit und erhalten von diesem die benötigten Antragsdaten. Der vollständige Antrag wird dann im standardisierten “XFall”-Format an die Behörde geleitet. Dort kann er in das Dokumentenmanagementsystem (DMS) bzw. in ein Fachverfahren überführt oder ausgedruckt werden. Bereits entwickelte Verfahren können nachgenutzt werden. Dies gilt auch für niedersächsische Antragsverfahren, da deren Verwal-

tungsportal NAVO auf demselben System aufbaut. Mit ThAVEL können Kommunen die Anforderungen des OZGs erfüllen. Bei der Vorstellung des Portals sagte der Thüringer CIO, Dr. Helmut Schubert: “Bisher haben wir nur davon erzählt, wie das mal sein könnte, […] jetzt ist es nur noch eine Umsetzungsfrage. Es gibt eigentlich keine Ausreden mehr.” Tatsächlich stehen den Kommunen bereits heute mit ThAVEL und weiteren Basisdiensten (E-Rechnung, E-Vergabe, Datenaustauschplattform…) umfangreiche Instrumente für das E-Government zur Verfügung. Auch unterstützen das “Kompetenzzentrum Verwaltung 4.0”, die Digitalagentur Thüringen GmbH und die kommunalen Spitzenverbände die Kommunen mit Beratungsleistungen.

Kommunal-Gateway Betrachtet man jedoch auch das “Backoffice”, zeigen sich echte “Digitalisierungs-Hemmer”. Beispielsweise ergeben sich Medienbrüche, wenn noch kein DMS eingeführt wurde oder die genutzten Fachverfahren keine XFall-Schnittstelle bereitstellen. Daher entwickelt der kommunale IT-Dienstleister KIV Thüringen GmbH ein sogenanntes Kommunal-Gateway. Dieses soll die Antragserstellung über ThAVEL und die Antragsbearbeitung in der Kommunalverwaltung besser miteinander vernetzen. Durch die Entwicklung von Schnittstellen an zentraler Stelle können die Kommunen Antragsverfahren zukünftig schneller an ihre Fachverfahren anbinden. Egal ob sie diese selbst betreiben oder zen­ trale Verfahren des kommunalen

IT-Dienstleisters bzw. des Thüringer Landesrechenzentrums nutzen. Eine weitere Funktion des Kommunal-Gateways ist die Clearing-Stelle. Diese ermöglicht es, Antragsvoraussetzungen bereits im Antragsverfahren von ThAVEL automatisiert zu prüfen, ohne dafür zentrale Personenregister schaffen zu müssen. Stattdessen werden aus den Datensätzen, die in den Kommunen vorliegenden, die notwendigen Informationen extrahiert und an ThAVEL übermittelt. Die Datenübertragung wird dabei auf das notwenige Maß begrenzt und die Datenhaltung verbleibt dezentral bei den Kommunen.

Angebote nutzen, Angebote bereitstellen Zurzeit plagt die Kommunen noch der berüchtigte Teufelskreis: Das geringe Angebot von Onlineverwaltungsleistungen und die mangelnde Nachfrage seitens der Bürger verstärken sich gegenseitig. Mit den zentral bereitgestellten Basisdiensten und der Anbindung der kommunalen Fachverfahren über das Kommunal-Gateway an ThAVEL können die Thüringer Kommunen nun mit zunehmender Geschwindigkeit Online-Verfahren bereitstellen und auch medienbruchfrei bearbeiten. *Christian Synold ist Master-Student an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Dort verfasst er, betreut von Prof. Dr. Gisela Färber, seine Master-Arbeit über die OZG-Umsetzung auf kommunaler Ebene in Thüringen. Erste Ergebnisse stellte er auf dem Kongress “Digitaler Staat 2020” vor.


OZG / IT-Sicherheit

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as Onlinezugangsgesetz schreibt vor, dass bis 2023 insgesamt 575 Verwaltungsservices online verfügbar sein müssen. Auf den ersten, rein formularbasierten Blick drängen sich hier Themen wie Nutzerfreundlichkeit, Barrierefreiheit und UX-Design in den Vordergrund. Aber erst durch die Integration in Fachverfahren, Basiskomponenten und die Einbettung in durchgängig digitalisierte Verwaltungsprozesse entsteht eine nachhaltige OZGLösung. Dazu passt das Bild eines Eisberges: Zehn Prozent der OZG-Umsetzung betreffen die auf Schnelligkeit fokussierte Formularerzeugung, die restlichen 90 Prozent, unsichtbar unter der Wasseroberfläche, betreffen nachhaltige Aspekte. Viele Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen stehen jetzt vor der Frage: Schnelligkeit vor Nachhaltigkeit oder umgekehrt? Oder geht auch beides? Ja: Es geht auch beides. Schnelligkeit bedeutet also: Formulare ermöglichen den Zugang zu Online-Verwaltungsdienstleistungen. Formulare sind quasi das Schaufenster für Bürger und Unternehmen bei ihrer Interaktion mit Behörden. Wem es ausreicht, vorhandene Pa-

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as Virus hat sich als eine Art Katalysator der Digitalisierung erwiesen. Es hat zur Verlagerung von vielen Arbeitsplätzen ins Homeoffice geführt. Die Beantragung der kurzfristig beschlossenen Soforthilfemaßnahmen für Unternehmen ist über eilig eingerichtete Internetplattformen erfolgt. Und zur Identifizierung und Unterbrechung von Infektionsketten wird eine Tracing-App für Smartphones entwickelt. Die Beispiele haben zwei Dinge gemeinsam: Zum einen basieren sie auf moderner Informationsund Kommunikationstechnik. Zum anderen wurden die bereits implementierten Systeme und Prozesse extrem schnell entwickelt und mit der sprichwörtlichen “heißen Nadel” gestrickt. Dieser Umstand birgt einige Risiken.

Krisenbewältigung auf Kosten der Sicherheit Die Bedrohungslage durch Cyber-Angriffe hat sich deutlich verschärft. Am Beispiel der großflächigen Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen wird die Problematik besonders deutlich. Behörden, die bislang Remote-Zugriffe auf ihre ITSysteme und Daten restriktiv gehandhabt haben, sind nun Risiken eingegangen, die unter anderen Umständen wohl niemals genehmigt worden wären:

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ehörden Spiegel: Wie positioniert sich Ihr Unternehmen zum Thema digitale Souveränität? Schulz: Digitale Souveränität ist ein kontrovers diskutiertes Thema im Hinblick auf die verschiedenen Ansichtsweisen sowie die Fragen, wie weit digitale Souveränität greift und was die Zielvorstellung sein sollte. Eines lässt sich hierbei aber ganz klar sagen: Die Datensouveränität ist das höchste Gut und die Sicherheit der Daten sollte an erster Stelle stehen. VMware sieht sich bei der Diskussion klar als Teil der Lösung. Auf das Thema Sicherheit möchte ich gerne näher eingehen: Die Digitalisierung bringt immer größere Datenmengen mit sich. Außerdem liefern neue Gerätegattungen, die alle mit dem Internet verbunden sind, eine Menge an neuen Gefahrenquellen. Eine Folge davon ist, dass sich durch die größer werdende Angriffsfläche auch die Anzahl

Behörden Spiegel / Juni 2020

Nur die Spitze des Eisbergs OZG ist nicht gleich Online-Formular (BS/Johannes Rosenboom*) Die Basiskomponenten des Bundes können zur Umsetzung von Verwaltungsprozessen im Kontext des Onlinezugangsgesetzes (OZG) entscheidend beitragen. Materna empfiehlt hierbei einen ganzheitlichen Blick: Prozesse müssen vom Antrag bis zum Bescheid durchgängig Ende-zu-Ende gedacht und aufgesetzt werden. pierformulare zu elektrifizieren oder Prozess-Skizzen aus LaborWorkshops zu digitalisieren, also lediglich auf “Quick Wins” zu setzen, verpasst wichtige Aspekte der Digitalisierung und wird sie nachholen müssen: Formulare müssen einfach zu verstehen sein. Es sollte keine motivatorischen und zeitintensiven Hürden beim Ausfüllen geben, wie sie leicht bei “EndlospapierFormularen” entstehen. Weitere wichtige Argumente sind ein ansprechendes und barrierefreies UX-Design, Mechanismen, die Eingaben zu plausibilisieren und zu validieren, Datenqualität und Datensicherheit, durchgängige Prozesse innerhalb des Formulars und unterstützende Chatbots, also digitale Bürger­ assistenten für ein leichteres und schnelleres Ausfüllen. Diese Aspekte werden als an Formulare anschlussfähig gefordert sein und sind bei reinen Quick-Win-

Ansätzen, wenn überhaupt, nur teuer umsetzbar. Ist die digitale Auslage des Angebotes nicht ansprechend oder funktioniert womöglich nicht, werden Bürger und Unternehmen die OZG-Servicedienstleistungen gar nicht erst annehmen.

Nachhaltiger Ansatz Die OZG-Verpflichtung erfordert eine ganzheitliche Betrachtung: Die Prozesse müssen vom Antrag bis zum Bescheid durchgängig Ende-zu-Ende gedacht und aufgesetzt werden. Auch im BackEnd müssen die Daten digital an die Fachverfahren und E-AkteSysteme angebunden werden. Relevant sind Schnittstellen zu den digitalen Querschnittsservices der Verwaltung, wie zum Beispiel E-Payment bzw. E-Rechnung, zu Nutzerkonten für Bürger und Unternehmen, zur elektronischen Siegelung und Signatur und zu den digitalen

Personalausweisfunktionen. Eine enge Integration in Portale und Registerverfahren ist notwendig, um eine hohen OZG-Reifegrad zu erzielen. Erst damit werden nachhaltige und durchgängige Online-Transaktionen etabliert, die OZG-Dienstleistungen vollständig digital abwickeln und für etwaige Nachweise das Once-Only-Prinzip anwenden. Im Back-End sind daher Rückkanäle zwischen den einzubindenden Fach- und Registerverfahren und der OZG-Formularwelt entscheidend.

Erprobte Basiskomponenten Wie wird der scheinbare Zwiespalt zwischen schnell und nachhaltig aufgelöst? Als gemeinsame Grundlage für beide Ziele dienen die Vorgaben aus dem Föderalen Informationsmanagement (FIM) in Form standardisierter Formulare, die Behörden zur Verfügung stehen. Dies gilt sowohl für den

Inhalt der Formulare im Front­ end als auch für ihre prozessuale Verarbeitung im Back-End. Im nächsten Schritt sollten OZGLösungen in der Lage sein, die FIM-Vorgaben zu importieren, Formulare automatisiert zu generieren und die Datenfelder und Prozessbeschreibungen weiterzuverarbeiten. Solche OZG-Lösungen stehen bereits durch langjährig und vielfältig erprobte Basiskomponenten mit den erforderlichen Schnittstellen zur Verfügung: der Government Site Builder (GSB) als Portal- und ContentManagement-Lösung und das Formular-Management-System (FMS) auf Basis der Lucom Interaction Plattform. Diese Lösungen bieten einen hohen Reife- und Integrationsgrad für eine OZGInfrastruktur und garantieren eine nachhaltige, in die Behörde hineinwirkende digitale Weiterverarbeitung, auf der auch

Krisenmanagement und Cyber-Bedrohungen Anpassungen der Maßnahmen zur Informationssicherheit dringend erforderlich (BS/Moritz Huber/Jens Westphal) Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mussten sich Gesellschaft, Wirtschaft, aber auch die Institutionen der öffentlichen Verwaltung in kürzester Zeit einschneidenden Veränderungen beugen. Wirtschaft und Verwaltung haben mit Hochdruck pragmatische Lösungen für die immer neuen Herausforderungen gefunden. Jetzt muss eine Zeit der Konsolidierung und Optimierung folgen. Denn die in Rekordzeit implementierten Systeme und Prozesse werden Grundlage für weitere Maßnahmen im Umgang mit der Krise sein. Die Nutzung privater Rechner zu dienstlichen Zwecken, Kommunikation über unverschlüsselte Leitungen oder schwach abgesicherte Zugriffsverfahren an der Schnittstelle zwischen den Verwaltungsnetzen und dem Internet sind nur einige, besonders kritische Schwachstellen.

Wenn es schnell gehen muss, wird Informationssicherheit oftmals vernachlässigt. Die Folge sind Schäden aufgrund von kriminellen Cyber-Angriffen, die unter Umständen ganze Behörden lahmlegen und deren Beseitigung dann viel Zeit und Geld kostet. Was also tun?

Unsichere Systeme treffen auf skrupellose Täter

Für mehr IT-Sicherheit ist die Risikoanalyse unverzichtbar

Dass Hacker und Cyber-Kriminelle bereit sind, diese neuen Schwachstellen auszunutzen, betonen die Lageberichte der Sicherheitsbehörden. Europol kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen von Covid-19 in keinem anderen Kriminalitätsfeld so spürbar sind wie im Cyber-Bereich. Neue Verschlüsselungstrojaner, Phishing-Kampagnen und eine Neuausrichtung der Underground-Economy sind Schattenseiten der Digitalisierung. Der erhöhten Verwundbarkeit der öffentlichen IT-Systeme stehen global agierende Cyber-Kriminelle und nachrichtendienstliche Akteure gegenüber.

Wenn an bestehenden Systemen Veränderungen vorgenommen oder neue Systeme entwickelt werden, dann müssen die dabei neu oder zusätzlich entstehenden Risiken identifiziert und zumindest sehr zeitnah gezielt behandelt werden. Das ist eine Aufgabe für erfahrene Spezialisten, die um die Bedrohungsszenarien wissen, sämtliche Schwachstellen erkennen und in einem dynamischen Prozess die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Externe Experten aus spezialisierten Beratungshäusern, Organisationen, CERTs o. Ä. überblicken die technischen und organisatorischen Folgen, können sie einordnen und bewerten und den Prozess

(UP) Bund in der Neufassung von 2017. Er setzt verbindliche Rahmenbedingungen Moritz Huber ist als Kriminalbeamter, Wirtschaftsinformafür den Schutz der tiker und Dozent in Badenin der BundesverWürttemberg tätig. waltung verarbei teten InformatioFoto: BS/privat nen und der dazu genutzten Systeme, Dienste und Infrastrukturen. Der UP Bund verpflichtet die Behörden zu eiJens Westphal arbeitet als Bereichsleiter Security, Governem nachhaltigen nance, Risk & Compliance bei und standardimsg für den Public Sector. sierten Informationssicherheits Foto: BS/msg management und zur Sicherstellung eines angemessebis zur Implementierung eines nen Sicherheitsniveaus. Solche Informationssicherheits-Manage- ISMS sind heute in der Bundesmentsystems (ISMS) begleiten. verwaltung noch nicht überall vorhanden bzw. wirksam.

Basis ist ein maßgeschneidertes ISMS

Anpassung des ISMS auf dynamische Situationen Die heute gültige Richtlinie zur

IT-Sicherheit in der Bundesverwaltung ist der Umsetzungsplan

Ein wesentliches Merkmal eines ISMS ist die Fähigkeit zur

Wir müssen über Open Standards reden! Anwendungsmodernisierung bei digitaler Souveränität (BS) Die digitale Souveränität ist derzeit eines der Topthemen in der öffentlichen Verwaltung. Sie war auch Gegenstand eines Gesprächs, das Behörden Spiegel-Redakteur mit dem VMware-Experten Dr. André Schulz führte. der Cyber-Angriffe vermehrt hat – der Schaden hat sich seit 2013 verfünffacht. Und genau dieser Sachverhalt zeigt die aktuelle Herausforderung: Es geht nicht nur um IT-Sicherheit. Es geht um die Schaffung eines geeigneten Rahmens für Datenschutz und Selbstbestimmung über die Daten. Deutschland übernimmt im Bereich der digitalen Souveränität des Staates hinsichtlich Kritischer Infrastrukturen bereits eine Vorreiterrolle. Dennoch sind vor allem Kunden aus dem öffentlichen Bereich stark verunsichert, wenn es um die Frage geht, wo die Daten am besten aufgehoben sind: Im eigenen Rechenzentrum, das mit hohen Investitionen sicher gemacht

über die Mehrwertdienste etc. Im Kern stehen dabei die “Es geht um die Schaffung eines Anwendungen und geeigneten Rahmens für Datenschutz Verfahren. Mit den heutigen Technolound Selbstbestimmung über die gien können Daten Daten.” und Anwendung sehr strikt voneinander getrennt werden. Man spricht Dr. André Schulz ist als Strategic Account Executive Government beim Unternehmen VMware tätig. hier von Multi-TierAnwendungen. Und Foto: BS/VMware diese Trennung ermöglicht dann, werden muss, oder bei einem Schulz: Beim Thema der digi- die schützenswerten Daten externen Cloud-Anbieter. talen Souveränität geht es größ- beispielsweise im eigenen Retenteils darum, die Kontrolle zu chenzentrum zu halten und die Anwendung und weitere Services Behörden Spiegel: Wie kann behalten. eine Lösung für die digitale SouDamit meine ich die Kontrolle von externen Dienstleistern zu veränität aussehen? über die Daten, die Kontrolle beziehen. Der Anwendungsmo-

eine schnelle Formularbereitstellung gelingt. Das sorgt für eine schnelle Sichtbarkeit über der Wasserlinie und besitzt eine nachhaltige Basis. Die OZG-Umsetzung sollte wie jedes größere Digitalisierungsprojekt durch einige Maßnahmen flankiert werden: ganzheitliche Organisationsentwicklung, Akzeptanz- und Veränderungsmanagement, Datenschutz und IT-Sicherheit sowie Betriebskonzepte.

Fazit Bei der OZG-Umsetzung springen rein auf das Front-End fixierte Ansätze zu kurz. Nachhaltige Realisierungen, die neben “intelligenten” Formularen auch OZG-Prozesse durchgängig in das Back-End integrieren, sind notwendig. Sie stehen auch einer schnellen Umsetzung durch Formulare nicht im Weg: Die konsequente Nutzung vorhandener, zentraler Basiskomponenten kombiniert eine schnelle und gleichzeitig nachhaltige Umsetzung. Das lässt den OZG-Eisberg deutlich schmelzen. *Johannes Rosenboom ist Leiter Vertrieb, Marketing und Geschäftsfeldentwicklung im Bereich Public Sector bei Materna.

Erneuerung und zur Berücksichtigung von Entwicklungen, die bei seiner initialen Definition noch nicht abzusehen waren. Die grundlegenden Paradigmen des ISMS müssen darum regelmäßig überprüft werden. Die vergangenen Monate haben die Notwendigkeit einer Nachjustierung besonders deutlich gemacht. Für eine dynamische Reaktion auf Bedrohungen können beispielsweise Krisenreaktionsteams aufgebaut oder Equipment für sicheres RemoteArbeiten vorgehalten werden. Zumindest müssen Pläne erstellt und geprobt werden, um in der Krise die Verfügbarkeit operativer Prozesse zu erhalten oder schnell wiederherzustellen.

Empfehlung: an ISO 31000 orientieren Empfehlenswert ist ein standardisiertes Vorgehen zum Umgang mit Risiken, das sich an der ISO 31000 orientiert, aber mit notwendigen Abkürzungen innerhalb der Norm. Die ISO 31000 legt Wert auf Vollständigkeit, lässt aber auch Freiräume. Darüber hinaus sieht sie im Unterschied zu rein IT-basierten Normen eine Betrachtung generalisierter unternehmerischer Risiken vor, bei der die IT-Sicherheit von einer ganzheitlichen Sicht und Erkenntnissen aus anderen Feldern profitiert.

dernisierung kommt daher eine Schlüsselrolle für die digitale Souveränität zu. Und erfolgreiche Anwendungsmodernisierung setzt offene Standards voraus. Wieso? Oft wird über Open Source gesprochen, also über das Ersetzen von SoftwareProdukten durch Open-Source Produkte. Für uns ist dieser Weg bei Weitem nicht ausreichend, denn Open Source allein ist nicht genug für die Anwendungsmodernisierung – wir müssen über Open Standards reden. Mit unserer Infrastruktur liefern wir sehr offene Standards. Denn wir legen alle unsere Schnittstellen frei, sodass viele Anbieter von Legacy-Applikationen bis hin zum containerisierten Service auf einer Plattform arbeiten können. Für alles, was auf der Applikationsebene passiert, wird eine robuste Infrastruktur geschaffen, die durchgängig genutzt werden kann.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2020

Seite 29

Business Continuity Management nicht nur in Zeiten von Corona

MELDUNG

Modernisierung des BSI-Standards 100-4

Hacker veröffentlichen

(BS/Holger Schildt*) Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Szenarien, wie eine vermeintlich unwahrscheinliche Pandemie, binnen kürzester Zeit real werden und nahezu die Gemeindedaten gesamte Welt zum Stillstand bringen können. Wirtschaft und Behörden sahen sich bei der Verbreitung des Coronavirus gleichermaßen vor immensen Herausforderungen: Wie lassen sich in der Krisensituation die Geschäftsprozesse aufrechterhalten und die Produktion fortführen? Wie können angesichts des Risikos einer Covid-19-Infektion die Mitarbeiter geschützt (BS/stb) Die österreichische Gewerden? Mit Blick auf die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs müssen kurzfristig Lösungen gefunden werden, unter denen die Mitarbeiter weiterarbeiten können. Ein Business meinde Weiz war Ende Mai von Continuity Management (BCM) stellt und beantwortet solche Fragen im Vorfeld. einem Cyber-Angriff betroffen. Das oberste Ziel eines BCM ist, die Kontinuität des Geschäftsbetriebs in einer Behörde oder einem Unternehmen sicherzustellen und dies im Vorfeld vorzubereiten. Schließlich müssen die wichtigsten Aufgaben auch im Notfall erledigt werden können.

Reaktionsfähigkeit ausbauen und Schäden vermeiden Im Fokus des BCM steht somit, Institutionen dazu zu befähigen, eine bessere Resilienz gegenüber Schadensereignissen aufzubauen. Dies umfasst zum einen, im Vorfeld zu vermeiden, dass Schadensereignisse überhaupt eintreten. Zum anderen bedeutet das aber auch, im Schadensfall handlungsfähig zu bleiben. Ein etabliertes BCM bietet für eine Institution folgende Vorteile: • angemessene Reaktionsfähigkeit im Notfall, • gute und angemessene interne und externe Kommunikation im Notfall bzw. in der Krise, • Vermeidung erheblicher evtl. sogar existenzbedrohender Kosten und Auswirkungen im Notfall oder in der Krise sowie • Verhinderung von Notfällen durch wirkungsvolle Vorsorgemaßnahmen. Ähnlich wie bei einem Managementsystem für Informationssicherheit (ISMS) werden diese Vorteile häufig leider erst dann erkannt, wenn ein Notfall eintritt. Eine Institution, die ein BCM aufsetzen möchte, muss dafür gewisse Kosten einkalkulieren. Während die Schäden eines Notfalls sehr schnell bis zum Ruin führen können, sind die

Krisen bewältigen, Notfälle verhindern, Schäden eindämmen. Das sind die Ziele des Business Continuity Management Systems (BCMS). Den Aufbau unterstützt der BSI-Standard 100-4. Den Community Draft für die Modernisierung will das BSI im Spätsommer veröffentlichen. Abbildung: BS/BSI

laufenden Kosten für ein BCM überschau- und kalkulierbar. Ein BCM ist daher in jedem Fall eine lohnende Investition.

Von Notfallmanagement zu BCM Das BSI hat bereits im Jahr 2008 den BSI-Standard 100-4 zum Notfallmanagement veröffentlicht, der hierfür eine gute Anleitung bietet und bis zum Erscheinen des neuen Standards 200-4 weiterhin verwendet werden kann. Ziel des BSI Standards 200-4 ist es, ein auf Best-PracticesAnsätzen basierendes Werkzeug zu entwickeln, mit dem sich die betriebliche Kontinuität nachhaltig und bedarfsgerecht gestalten lässt. Da der Begriff Notfallmanagement in der Vergangenheit zu vielen Verwirrungen geführt

hat, wird der neue BSI-Standard 200-4 in den international etablierten Begriff “Business Continuity Management (BCM)” umbenannt.

Von der Einstiegsstufe zum Managementsystem Um den Einstieg in das Thema BCM sowohl großen als auch kleineren Institutionen zu erleichtern, ist ein Stufenmodell vorgesehen, das einen schrittweisen Aufbau zur Etablierung eines Business Continuity Management Systems (BCMS) ermöglicht. Dies mündet schnell in einer besseren Reaktionsfähigkeit, sodass zeitnah Ergebnisse sichtbar werden, zum Beispiel eine besondere Aufbauorganisation wie ein Krisen- oder Notfallstab. Danach sollte das Ziel immer in

einer Etablierung eines vollumfänglichen BCMS bestehen. Ein weiterer Fokus des überarbeiteten BSI-Standards 200-4 ist es, Synergien zu weiteren relevanten Standards zu nutzen. Ein Schwerpunkt hierbei ist, Bezüge zu den BSI-Standards 200-2 und 200-3 aufzubauen, damit Anwender sich leichter im BCM zurechtfinden und umgekehrt einfacher in die IT-GrundschutzMethodik einsteigen können. Zudem ist angedacht, weitere Synergien zum IT-Service Continuity Management (ITSCM), das als BCM des IT-Betriebs verstanden werden kann, aufzubauen.

Kontinuierlicher Austausch mit Anwendern Die Herangehensweise des Standard 200-4 ähnelt dem bestehenden Standard 100-4, sodass

Institutionen, die bereits den Standard 100-4 umsetzen, mit wenig Aufwand zum Nachfolger migrieren können. Von zentraler Bedeutung ist hierbei, dass die Methodik aus dem BSI-Standard 100-4 prinzipiell bestehen bleibt, sodass die Anwender, die den BSI-Standard 100-4 bereits umsetzen, sich im BSI-Standard 200-4 leicht zurechtfinden. Auch die Dokumentenstruktur des 100-4 bleibt genauso bestehen. Diese wird um ein Mapping zu den von der ISO 22301:2019 geforderten Dokumenten ergänzt, sodass die Kompatibilität des BSI-Standards 200-4 mit der ISO 22301:2019 direkt nachvollzogen werden kann. Der neue Standard wird künftig allen Anwendern dabei helfen, zeitnah und angemessen reagieren zu können und die Auswirkungen zu minimieren, wenn eine Krise droht – und das wird hoffentlich nicht so bald wieder eine weltweite Pandemie sein. Das BSI erarbeitet den neuen Standard 200-4 gemeinsam mit BCM-Experten aus Verwaltung und Wirtschaft. Interessierte können den E-Mail-Newsletter “Info-Gruppe BCM” abonnieren und sich in das Projekt einbringen. Im Spätsommer soll der BSIStandard 200-4 als Community Draft auf der BSI-Website zur Kommentierung durch die Anwender veröffentlicht werden. *Holger Schildt ist Referatsleiter BSI-Standards und ITGrundschutz beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

Kriminelle Hacker verschlüsselten Systeme mit Ransomware. Außerdem veröffentlichten sie gestohlene Daten. Darunter Bauanträge und Aktennotizen aus dem Bauamt. Veröffentlicht wurden die Daten von der Hacker-Gruppe NetWalker. Die soll auch hinter Ransomware-Angriffen auf eine Gesundheitsbehörde in Illinois/ USA sowie auf ein australisches Transportunternehmen stehen. Nach dem Angriff auf die Weizer Gemeindeverwaltung ist bis Redaktionsschluss aber noch nichts über eine Lösegeldforderung bekannt geworden. Zuvor hatten andere Cyber-Kriminelle Kundendaten der Technischen Werke Ludwigshafen (TWL) im Darknet veröffentlicht. Das Stadtwerk hatte sich geweigert, ein Lösegeld in zweistelliger Millionenhöhe zu zahlen. Der Angriff hatte bereits im Februar dieses Jahres begonnen. Im Verlauf von Wochen konnten die Täter sich im Netzwerk ausbreiten und mehr als 500 Gigabyte Daten entwenden. Die Erpressung von Organisationen unter Androhung der Veröffentlichung sensibler Daten setzt sich zunehmend als Ergänzung zum bekannten Ransomware-Geschäftsmodell durch. Die Masche wird seit November vergangenen Jahres schon verstärkt in der Fertigungsbranche beobachtet. So traf es den Zulieferer für Rüstungs- und Raumfahrtindustrie Visser Precision. Weil das Unternehmen kein Lösegeld zahlte, veröffentlichten die Erpresser vertrauliche Papiere der Kunden Boing, Lockheed Martin und SpaceX.

NEUES AUS DER CYBER AKADEMIE

Save-the-Date: Münchner Cyber Dialog 2020 (CAk) Der Münchner Cyber Dialog (MCD) fand seit der ersten Ausgabe 2014 bereits vier Mal statt und hat sich als eine Plattform für den Dialog und Wissensaustausch zwischen Verantwortlichen der IT- und Unternehmenssicherheit, Know-how-Trägern und Gestaltern des öffentlichen Sektors etabliert. Der fünfte MCD ist für Mittwoch, den 21. Oktober 2020 im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München terminiert. Die Masse verfügbarer Daten wächst kontinuierlich und rasant an. Deren Erhebung, Auswertung sowie Verarbeitung stellt alle Akteure des Cyber-Raums vor die gleichen Herausforderungen: Welche IT-Infrastrukturen eignen sich für meine Organisation? Wie schütze ich diese Infrastruktur und meine Daten vor Angriffen? Wie sichere ich meinen Anteil am Datenschatz ohne Datenschutzverstöße? Und welche regulierenden Maßnahmen und Hilfestellungen sind seitens des Staates zu erwarten? Diese und weitere Fragestellungen stehen zusammengefasst für

Münchner

CYBER Dialog Der MCD ist auf etwa 200 Teilnehmende ausgelegt und richtet sich an die Führungsebenen der Wirtschaft und Industrie, Wissenschaft, Gesellschaft und Verwaltung.

das Leitmotiv des diesjährigen MCD: “Datensouveränität in IT-kritischen Zeiten”. Das Programm setzt sich am Vormittag aus Keynotes und

Business-Continuity-Webinare (BS/CAk) Mit einem effektiven Business Continuity Management (BCM) können selbst im unvorhersehbaren Krisenfall Unternehmen ihre Produktions- und Lieferketten und Behörden ihre Funktionsfähigkeit aufrechterhalten. Die neuen Business-Continuity-Webinare der Cyber Akademie vermitteln einen Einstieg in das BCM, die Business-Impact-Analyse als Soforthilfe in der Krise und den Business Restart aus dem Notfallmodus heraus. Angesichts der aktuellen Krisenlage ist dieses Know-how wichtiger denn je. Dabei ist das BCM keinesfalls nur für Unternehmen geeignet. Auch Behörden steigern durch die Implementierung ihre Resilienz und können einem Funktionsausfall mit möglicherweise verheerenden Folgen für Staat und Gesellschaft aufgrund eines unvorhersehbaren Katastrophenfalls entgegenwirken.

einem interaktiven Podiumsdialog, am Nachmittag aus Werkstätten, Erfahrungsberichten und einer abschließenden Paneldiskussion zusammen. Der hochrangige Charakter der Tagesveranstaltung wird durch die bereits bestätigten Inputgebenden unterstrichen. Dazu gehören unter anderem Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Dr. Julia Zirfas, Head of Legal Privacy und Datenschutzbeauftragte der 1&1 Drillisch AG, und Armin Barbalata, Chief Digital Officer der IHK München und Oberbayern. Ganz im Zeichen des Dialogs zwischen Wirtschaft, Industrie und Politik haben zudem Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landes-

entwicklung und Energie sowie stellvertretender Ministerpräsident, sowie Dr. Eberhard Sasse, Präsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern und Mitglied des Vorstands des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, als Schirmherren zugesagt. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft sowie die IHK München und Oberbayern sind somit auch gleichzeitig Kooperationspartner. Der MCD richtet sich an die Führungsebenen der Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Verwaltung. Im Vordergrund steht der Gedanke des Dialogs und der Diskussion. Kontroverse Standpunkte sind erwünscht, um allen Teilnehmenden neue Perspektiven sowie Ansätze aufzuzeigen. Auch das Networking kommt nicht zu kurz: Neben ausreichend Gelegenheiten für den persönlichen Austausch können auf der Fachausstellung Anbieter Produkte und Dienstleistungen für digitale Souveränität vorstellen. Anmeldung und weitere Informationen auf www.muenchnercyber-dialog.de. Bei weiteren Rückfragen melden Sie sich unter info@cyber-akademie.de .

Unsere Webinare Highlights im Juni ■ Fake Shops – Internetbetrug erkennen und vermeiden 8. Juni, 15:30–17:30 Uhr ■ Datenleck-Check: Sind Ihre Interna schon online verfügbar? 9. Juni, 9:30–12:30 Uhr ■ Business-Continuity-Basics – Einstieg in das BCM 15. Juni, 9:30–12:00 Uhr ■ Praxiswebinar: die Datenschutz-Folgeabschätzung 19. Juni, 9:30–11:30 Uhr ■ Künstliche Intelligenz – verstehen und compliant anwenden 23. Juni, 9:30–11:30 Uhr ■ Soforthilfe-Business-Impact Analyse – Schätze finden und schützen (BCM) 23. Juni, 13:30–15:00 Uhr ■ Datenschutzverstöße durch Beschäftigte verhindern 25. Juni, 13:30-16:00 Uhr ■ Notfallplanung und Business Restart (BCM) 30. Juni, 9:30–12:00 Uhr ■ Phishing-Simulation: Testen Sie das Awareness-Level Ihrer Mitarbeitenden Anfragen unter info@cyber-akademie.de

Anmeldungen und komplettes Programm: www.webinare.cyber-akademie.de Grafik: BS/Dach unter Verwendung von ribkhan, stock.adobe.com


IT-Sicherheit

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Versionsnummer Zwei-Punkt-Null

Privacy Shield vor dem Aus

Update für das IT-Sicherheitsgesetz kommt mit Verspätung

Ungewissheit für Kunden von US-Cloud-Diensten

(BS/Benjamin Stiebel) Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat einen Referentenentwurf des IT-Sicherheitsgesetzes 2.0 in die Ressortabstimmung gegeben. Ursprünglich sollte es in der ersten Jahreshälfte 2019 stehen. Für Verzögerung sorgte Streit um zentrale Punkte, allen voran der Umgang mit dem Mobilfunkzulieferer Huawei. Die Lösung: ein Vetorecht für das BMI. Andere viel diskutierte Themen lässt der Entwurf aber außen vor. Mit dem Zweiten Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-SiG 2.0) soll der mit dem Vorgänger eingeführte Ordnungsrahmen erweitert werden. Die Pflichten für Betreiber Kritischer Infrastrukturen (KRITIS) werden auf weitere Teile der Wirtschaft ausgedehnt. Sicherheitsbehörden bekommen neue Befugnisse. Der digitale Verbraucherschutz wird explizit verankert. Der Erfüllungsaufwand liegt in erster Linie beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Das bekommt neue oder erweitere Aufgabenfelder: Cyber-Abwehr in der wachsenden Kommunikationstechnik des Bundes, Krisenbewältigung, Beratung und Unterstützung für Bund und Länder, Zertifizierungen und Überprüfungen, Meldewesen, Einführung eines IT-Sicherheitskennzeichens. Dafür sieht der Entwurf insgesamt 583 neue Planstellen vor. Das sind 281 weniger als in einer früheren Textfassung vom Frühjahr 2019. Besonders wichtig für die gesamtstaatliche Sicherheitsarchitektur ist die vorgesehene Möglichkeit des BSI, die Länder operativ zu unterstützen. Bisher beschränkte sich die Kooperation im Wesentlichen auf Informationsaustausch. Nun soll das Bundesamt auf Ersuchen seine Detektions-Lösungen zur CyberAbwehr in den Ländernetzen anwenden können. Darauf warten einige Länder schon länger. Das BSI soll nach Vorstellung des BMI aktiv auf die Suche nach Schadsoftware gehen können. Mit Sinkholes und Honeypots kann es künftig Angreifern Köder vorwerfen, um deren Methoden und Schadprogramme zu analysieren. Außerdem soll das BSI per Portscans gefährdete Geräte im Netz aufspüren dürfen, um die Betreiber zu alarmieren.

Zentrale Fragen offen Interessant ist aber auch, was gerade nicht im Entwurf steht. So sind vorher geplante Passagen zur Änderung von Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung restlos gestrichen geworden. Ei-

(BS/Benjamin Stiebel) Der EU-US Privacy Shield erlaubt die Datenübermittlung aus EU-Ländern in die USA. Noch im Sommer könnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das umstrittene Übereinkommen kippen, genau wie schon den Vorgänger Safe Harbor. Wie es dann für europäiBetreiber müssten dann dem sche Kunden von Cloud-Diensten in den USA weitergeht, ist noch unklar.

Was lange währt, wird gut? Mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 will die Bundesregierung den Ordnungsrahmen für die Cyber-Sicherheit erweitern. Allerdings haben es nicht alle Vorhaben in den Referentenentwurf geschafft. Foto: BS/Marco2811, stock.adobe.com

gentlich sollten neue Straftatbestände für das Betreiben von Handelsplattformen im Darknet und den sogenannten digitalen Hausfriedensbruch geschaffen werden. Über beide Punkte scheiden sich seit Jahren die Geister. Die einen halten sie für notwendig, um bisher juristisch schwer zu fassende Fälle ordentlich zu adressieren. Anderen gehen die Ideen zu weit. Sie fürchten, dass Betreiber legitimer Angebote im Darknet oder alltägliches Verhalten, wie das Ablesen von fremden Bildschirmen, kriminalisiert werden könnten. Für den digitalen Hausfriedensbruch hatte es schon mehrere Anläufe auf Bundes- und Länderebene gegeben. Zuletzt scheiterten 2019 zwei Gesetzesvorschläge im Bundesrat. Andere Themen hatten es von Anfang an nicht in den BMIEntwurf geschafft. So hätte die Möglichkeit bestanden, die sich seit Jahren hinschleppende Aufwertung des Nationalen CyberAbwehrzentrums gesetzlich festzuziehen. Auch für eine Regelung der aktiven Cyber-Abwehr reicht die Entscheidungslage offenbar nicht aus. Im Sommer 2019 hatte sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass der Bundesnachrichtendienst entsprechende Befugnisse erhalten sollte. Bei Cyber-Angriffen, die die Bundesrepublik existenziell bedrohen,

würde der BND als Ultima Ratio auf fremde IT-Systeme zugreifen und Server abschalten dürfen.

Ausschluss aufgeschoben? Gebremst wurde die Arbeit am IT-SiG 2.0 vor allem durch die Debatte um Huawei. Der chinesische Mobilfunkausrüster steht exemplarisch für die Frage, wie mit Abhängigkeiten von ausländischen Anbietern in unseren digitalen Infrastrukturen umzugehen ist. Länder wie die USA, Großbritannien und Australien haben Huawei beim Aufbau der 5G-Mobilfunknetze ausgeschlossen. Sie begründen das mit dem Verdacht der Spionage. Hierzulande wird kein Anbieter von vornherein ausgeschlossen. Das IT-SiG 2.0 soll aber strenge Regeln der Zusammenarbeit einführen. Zukünftig müssen kritische IT-Komponenten für den Einsatz in IT-Systemen der Kritischen Infrastrukturen gesondert zertifiziert werden. Dafür soll das BSI verantwortlich zeichnen. Für den Mobilfunkbereich ist ein Katalog mit konkreten Sicherheitsanforderungen von BSI, Bundesnetzagentur und dem Bundesdatenschutzbeauftragten Grundlage. Einen Entwurf gibt es seit Herbst 2019. KRITIS-Betreiber bekommen Gelegenheit zur Stellungnahme. Darüber hinaus ist eine Anzeigepflicht geplant. KRITIS-

Cross-Update für BSI-Grundschutz-Tool DocSetMinder als Komplettlösung für IT-Sicherheit und Datenschutz (BS/Krzysztof Paschke*) Im Oktober 2017 präsentierte das BSI den modernisierten IT-Grundschutz und leitete damit endgültig den Abschied vom GSTool ein. Seitdem versuchen viele Hersteller, die komplexen Anforderungen der BSI-Standards softwaretechnisch umzusetzen. Nicht immer erfolgreich – ein Rückblick. Auf der Webseite des BSI werden zurzeit 31 IT-Grundschutz-Tools mit dem Prädikat “lizenzierte ITGrundschutz-Inhalte” gelistet. Der Großteil der Anbieter bezeichnet seine Produkte als GRCSuite, jedoch nur wenige werden dem GRC-Ansatz wirklich gerecht. Die Hersteller verfolgen unterschiedliche Konzepte und Softwareentwicklungsstrategien, die nicht immer eine reibungslose Umsetzung der BSI-Standards 200-2 und 200-3 gewährleisten. Zu den häufigsten technischen Problemen zählen vor allem mangelnde Tool-Performance, aufwendige Konfiguration im Rahmen der Inbetriebnahme und umständliche Ausgabe der BSI-Standard-konformen Reports A0-A6. Einige der genannten Probleme lassen sich erst in der Einführungsphase des Tools oder sogar erst im Produktivbetrieb feststellen. Sie verhindern eine effektive und effiziente Umsetzung der IT-Sicherheitskonzepte. Der Zeitdruck und fehlende Ressourcen begleiten oft den

Tool-Auswahlprozess und können zu Fehlentscheidungen und Fehlinvestitionen führen. Für solche Notfälle bietet Allgeier CORE allen enttäuschten Anwendern eine Hilfestellung – ein Cross-Update. Im Rahmen des Cross-Updates können Behörden und andere Organisationen kostenneutral den ungeeigneten GSTool-Nachfolger gegen DocSetMinder austauschen.

Zum Wechsel berechtigt sind Behörden und Organisationen mit einem gültigen Software-Pflegevertrag. Kostenlose Tools sind vom Angebot ausgeschlossen. Allgeier CORE stellt die notwendigen Module ohne Berechnung zur Verfügung und übernimmt lediglich die Softwarepflege. * Krzysztof Paschke ist Geschäfts­ führer der Allgeier CORE GmbH.

BMI melden, welche kritischen Komponenten sie verbauen. Ebenfalls einzureichen wäre eine Vertrauenswürdigkeitserklärung des Zulieferers. Damit ist ein Vetorecht des BMI verbunden. Die Bundesregierung behält sich so einen späteren pauschalen Ausschluss vor, wenn ein Hersteller technische Anforderungen nicht erfüllt oder gegen gegebene Garantien verstoßen hat. In Bezug auf die aktuelle Debatte zum 5G-Aufbau kommt das alles aber ziemlich spät. Die großen deutschen Mobilfunkbetreiber haben längst klargestellt, dass sie ohne Huawei nicht auskommen können oder wollen. Zumal Komponenten des chinesischen Unternehmens schon in der 4G-Infrastruktur verbaut sind, auf der die neue Generation technisch aufsetzt. Fakten sind in diesem Punkt also schon geschaffen, bevor das Gesetz überhaupt verabschiedet ist. Und das kann noch dauern. Nach der Ressortabstimmung geht der Entwurf in die Parlamentsbefassung, voraussichtlich nach der Sommerpause. Weil das Gesetz technische Vorschriften macht und Hemmnisse für den freien Warenverkehr bringen könnte, muss es noch von der EU-Kommission notifiziert werden. Das geht mit einer Stillhaltefrist einher. Die Verabschiedung verschiebt sich dadurch noch einmal um drei Monate. Die Frist verlängert sich, falls die Kommission oder ein Mitgliedsstaat eine ausführliche Erläuterung einfordern. Geht alles gut, könnte das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 frühestens im Herbst stehen.

Mit dem Privacy Shield legte die Kommission fest, dass das Datenschutzniveau der USA angemessen für die Übermittlung von personenbezogenen Daten ist. Die teilnehmenden Unternehmen garantieren die Einhaltung von europäischen Datenschutzregeln. Die US-Regierung hat außerdem wirksame Aufsichtsmaßnahmen, Beschränkungen beim behördlichen Zugriff auf Daten und Rechtsbehelfsmöglichkeiten für EU-Bürger versprochen. Das Aus wird nun mit großer Wahrscheinlichkeit ein im Sommer erwartetes EuGH-Urteil bringen. In seinem Schlussantrag hatte der EU-Generalanwalt sich kritisch zum Privacy Shield geäußert. Ihm fehlen gesetzliche Regelung für die Zusagen der amerikanischen Seite. Außerdem sei die Ombudsperson, die sich um Datenschutzbeschwerden von Europäern kümmern soll, nicht unabhängig. Wird der Privacy Shield gekippt, können sich Unternehmen und Behörden, die Daten bei US-Cloud-Diensten verarbeiten lassen, nicht mehr auf das pauschal anerkannte “angemessene” Datenschutzniveau berufen. Verantwortliche müssten sich fragen, ob und wie sie dann noch sicherstellen können, dass die Datenverarbeitung nach den europäischen Grundsätzen geschieht. Etliche bestehende Vertragsverhältnisse müssten auf den Prüfstand. Die EU-Kommission macht sich deshalb bereits Gedanken, wie es weitergeht. Dazu stehe man bereits in Kontakt mit den US-

Behörden, erklärte Justizkommissar Didier Reynders. “Parallel dazu setzt die Kommission ihre Arbeit an alternativen Instrumenten für die internationale Übermittlung personenbezogener Daten fort.” Das betreffe auch die Überprüfung der bestehenden Standarddatenschutzklauseln. Diese könnten tatsächlich Teil der Lösung sein, wie auch von Datenschützern zu hören ist. Die Klauseln regeln Rechte und Pflichten direkt zwischen Auftraggeber und Datenverarbeiter. Auf dieser Basis können die Aufsichtsbehörden Datenübermittlungen bei Mängeln unterbinden und die Bürgerrechte so schützen. So auch die Argumentation des EU-Generalanwaltes. Allerdings ist stark zu bezweifeln, dass US-Anbieter die Klauseln guten Gewissens unterschreiben können, wenn der Privacy Shield wegfällt. Klausel fünf beinhaltet nämlich eine Garantie des Datenimporteurs, dass er keinen Gesetzen unterliegt, die ihm die Befolgung seiner vertraglichen Pflichten unmöglich machen. Alternativ könnte der Anbieter zusichern, gegen staatliche Zugriffe alle ihm zu Gebote stehenden Rechtsmittel zu ergreifen. Ob das ausreicht, wäre dann fallbezogen von der zuständigen Aufsichtsbehörde zu prüfen. So oder so: Auf Zusagen allein dürfen sich die europäischen Kunden nicht verlassen. Sie müssen mindestens die Erklärungen auf Plausibilität abklopfen. Oder besser noch eine Risikoabschätzung im Rahmen einer Datenschutzfolgenabschätzung vornehmen.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2020

Es braut sich etwas zusammen

KNAPP Weiter verboten

Anti-Corona-Proteste könnten zur Gefahr für die Demokratie werden (BS/Marco Feldmann/Uwe Proll) Auf ihnen schreiten Rechts- wie Linksextremisten, Verschwörungstheoretiker, “Reichsbürger”, Impfgegner, aber auch Politiker – darunter sogar ein Kurzzeit-Ministerpräsident – und teilweise Eltern mit Kindern Seite an Seite. Die Rede ist von den “Hygienedemonstrationen”, die derzeit regelmäßig in verschiedenen deutschen Städten stattfinden. Deren Teilnehmerkreise sind keinesfalls einheitlich. Vielmehr handelt es sich um eine heterogene Szene, deren Sprengkraft keinesfalls unterschätzt werden darf. Denn die Bewegung könnte eine vergleichbare Virulenz wie das Coronavirus selbst haben. Auch für die freiheitlich-demokratische Grundordnung hierzulande stellt sie eine Gefahr dar. Denn um das Virus selbst geht es den Protestierenden schon längst nicht mehr. Sie treibt vielmehr ein dumpfes Gefühl an, die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie seien an jeder individuellen Benachteiligung schuld. Die Verbote sind eine ideale Projektionsfläche für alle Frustrierten und Verzweifelten. Sie bieten aber auch Verführern aus dem links- wie rechtsextremistischen Spektrum eine Möglichkeit, sich unter die Demonstranten zu mischen und sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Außerdem schaffen die Beschränkungen eine Ebene, um in ihnen die Universalität alles Schuldigen zu sehen.

“Gelbwesten” in ­Deutschland? Dieser Eindruck wird nochmals verstärkt, wenn eine offiziell anmutende “Analyse” eines Bundesministeriums zu Corona auftaucht und sich erst später als nicht autorisiert und größtenteils “Fake News” erweist. Wird hier nicht gegengesteuert, besteht die Gefahr, dass auch in Deutschland eine “GelbwestenBewegung” nach französischem Vorbild entsteht. Denn auch die “Gelbwesten” waren gegen die Regierung, gegen die angebliche Elite und die vermeintlichen “AltAkteure” sowie gegen neue Gesetze. Und diese Einheitlichkeit in der Zielsetzung wurde auch nicht dadurch gestört, dass sich dort Personen aus dem gesamten politischen Spektrum versammelten, nicht nur von den extremen Rändern. Dabei existieren zahlreiche Möglichkeiten, um Fälschungen und Manipulationen zu erkennen. Ne-

Wie in der Meteorologie braucht es auch in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung häufig einige Zeit, bis sich Spannungen entladen. Dies könnte nun bei den “Hygienedemonstrationen” passieren. Foto: BS/Rüdiger Manig, DWD

ben einem gesunden Misstrauen gegenüber allen Informationen und Urhebern sowie einer möglichst eingehenden Quellenanalyse gehören zu den nützlichen Instrumenten unter anderem Fake-Name-Identifikatoren, Faktenchecks sowie Karten über widerlegte Gerüchte zu bestimmten Themen, wie etwa vermeintliche Kriminalität von Asylbewerbern. In Deutschland sind die AntiCorona-Proteste derweil noch nicht durch den Verfassungsschutzbehörden bekannte Linksund Rechtsextremisten dominiert. Zwar rufen rechtsextreme Kleinpartien wie “Die Rechte” oder “Der III. Weg” und einige Bundestagsabgeordnete der Alternative für Deutschland (AfD) zur Beteiligung an “Hygienedemonstrationen” auf. Gleiches gilt für die Unterstützung von “Abendspaziergängen”, auf denen gegen die Corona-bedingten Beschränkungen demonstriert

wird. Zu den Protagonisten der Veranstaltungen, etwa ihren Anmeldern, liegen dem Verfassungsschutz aber keine Erkenntnisse vor.

Lagebild erstellen Polizeigewerkschafter plädieren einerseits für eine differenzierte Betrachtung der Szene und andererseits für ein konsequentes Durchsetzen der Corona-Eindämmungsverordnungen. So verlangt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek: “Wir brauchen ein detailliertes Lagebild der Szene.” Er begrüßt es, dass die “Hygienedemonstrationen auf der nächsten Innenministerkonferenz (IMK) behandelt werden sollen”. Zugleich unterstreicht Radek die Notwendigkeit der effektiven polizeilichen Durchsetzung von Corona-Einschränkungen. “Dafür brauchen die jeweiligen Einsatzleiter

dann aber auch die politische Rückendeckung”, mahnt er an. Und warnt zugleich: “Wir dürfen uns hier keine Protestbewegung heranzüchten.” Auch der erste stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, fordert ein konsequentes Durchsetzen der Corona-Beschränkungen. Dies sei nicht nur im Rahmen von Versammlungen erforderlich, sondern generell. Denn: “Die Bürger sind immer weniger bereit, die Einschränkungen hinzunehmen.” Er zeigt sich besorgt, dass es zusehends Probleme bei der Umsetzung staatlicher Bestimmungen geben könnte. So erschwere das derzeitige Gebot zum Tragen eines Mund-NasenSchutzes die polizeiliche Arbeit auf Demonstrationen zusätzlich, berichtet Lenders. Und er warnt vor einer politischen Instrumentalisierung der Polizei im Zusam-

menhang mit Versammlungen. Hinsichtlich der Aussage zu Schutzmasken auf Versammlungen kommt Widerspruch von Prof. Clemens Arzt, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin. Dieser sagt: “Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist auf Demonstrationen grundsätzlich erlaubt, da dort kein absolutes Vermummungsverbot herrscht.” Die Polizei dürfe die Gesichter der Teilnehmenden erst sehen, wenn die Versammlung unfriedlich werde. “Das Vermummungsverbot gilt nur, wenn die Polizei einen Demonstranten rechtmäßig identifizieren darf, etwa weil er eine Straftat begangen hat.” Und, so gibt Prof. Thorsten Ingo Schmidt, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Universität Potsdam, zu bedenken: “Corona-bedingte Beschränkungen bei Demonstrationen können nicht auf das Versammlungsgesetz gestützt werden.” Sie müssten vielmehr spezialrechtlich begründet werden, etwa durch den Rückgriff auf das Infektionsschutzgesetz des Bundes. “Denn das Versammlungsgesetz soll gegen versammlungstypische Gefahren schützen, etwa Agitation oder Steinwürfe”, erläutert der Hochschullehrer. Gesundheitsgefahren würden bisher jedoch noch nicht als versammlungstypische Gefahren gesehen. Das erschwert die Arbeit der Versammlungsbehörden vor Ort. Außerdem bietet es den Demonstrationsanmeldern Raum für juristische Auseinandersetzungen sowie Agitation gegen das Handeln der Verwaltung, die als Teil des verhassten “Systems” betrachtet wird. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen und Rechtssicherheit zu garantieren.

(BS/mfe) Bayerischen Polizisten ist es weiterhin untersagt, sich im beim Tragen der Sommeruniform sichtbaren Körperbereich tätowieren zu lassen. Konkret bezieht sich das auf Kopf, Hals, Hände und Unterarme. Dieses Verbot folge für Polizeibeamte unmittelbar aus dem Bayerischen Beamtengesetz, entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Aktenzeichen: 2 C 13.19). Nach Auffassung der Bundesrichter ist bereits in der Rechtsvorschrift selbst für im Dienst stehende Polizeivollzugsbeamte ein hinreichend vorhersehbares und berechenbares Verbot für Tätowierungen im beim Tragen der Uniform sichtbaren Körperbereich geregelt. Unterdessen darf ein tätowierter Einstellungsbewerber für die Polizei in Nordrhein-Westfalen vorläufig weiterhin am Auswahlverfahren teilnehmen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster.

Bye, Open Skies? (BS/por) Ende Mai kündigte Robert O’Brien, seit vergangenem September Nationaler Sicherheitsberater von Präsident Donald Trump, an, dass die USA aus dem Vertrag über den Offenen Himmel (“Open Skies”) austreten würden. Der Vertrag von 1992 zwischen NATO- und ehemaligen Warschauer-Pakt-Staaten gestattet es den 34 teilnehmenden Nationen, gegenseitig ihre Territorien auf festgelegten Routen zu militärischen Aufklärungszwecken zu überfliegen. “Die Entscheidung der US-Regierung wird nach einer Frist von sechs Monaten wirksam”, so Außenminister Heiko Maas. “Wir werden uns in dieser Zeit zusammen mit unseren gleichgesinnten Partnern intensiv dafür einsetzen, dass die US-Regierung ihre Entscheidung noch einmal überdenkt. Russland rufen wir dazu auf, zur vollen Umsetzung des Vertrages zurückzukehren. Wir werden den Vertrag weiter umsetzen.”


Innere Sicherheit

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Behörden Spiegel / Juni 2020

Ohne Geodaten geht es nicht

EU-Kommission will Ausweitung

Drohnen müssen sicher in den Luftraum integriert werden

Dual-Use-Verordnung soll novelliert werden

(BS/mfe) Mithilfe äußerst präziser Geodaten will die Deutsche Flugsicherung (DFS) Flugverbotszonen für Droh- (BS/Marco Feldmann) Der Streit zwischen der Europäischen Kommission, dem EU-Parlament und den Mitnen erfassen und ausweisen. Dieser Schritt ist von erheblicher Bedeutung, um unbemannte Systeme sicher gliedsstaaten um eine Novellierung der Dual-Use-Verordnung schwelt schon lange. Noch immer konnte und fair in den deutschen Luftraum integrieren zu können. Denn hier ist noch einiges zu tun. Einigung erzielt werden. Die Kommission will deutlich mehr Güter aus dem Telekommunikationsbereich der entsprechenden Kontrolle unterwerfen. Doch bislang kann sie sich mit dieser Idee nicht durchsetzen. Um voranzukommen, hat die DFS – unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Rostock – das Projekt fAIRport gestartet. Das auf drei Jahre ausgelegte Projekt wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen der Forschungsinitiative mFUND (Modernitätsfonds) mit 1,2 Millionen Euro gefördert.

werden. Die Geodaten werden die bei der DFS bereits vorhandenen Informationen über Geländemerkmale und Hindernisse erweitern. Geländemerkmale, die bisher nicht kartografiert sind, werden unter anderem auf Basis hochauflösender Luftbilder mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) erkannt. Dies sind beispielsweise Windkraftanlagen und Hubschrauberlandeplätze.

Verschiedene Quellen zusam- Drohnenflug außerhalb der menführen Sichtweite wird ermöglicht Im Fokus steht die Entwicklung einer auf offenen Standards basierenden Geodaten-Plattform. Daten, die Drohnenflugverbotszonen gemäß der Luftverkehrsordnung bedingen, sollen aus verschiedenen Quellen zusammengeführt und harmonisiert

Die Technologien des Fraunhofer IGD ermöglichen es, Geländemerkmale automatisch in Luftbildern zu identifizieren. Methoden des maschinellen Sehens und Lernens sind in der Lage, Strukturen und Muster zu erkennen und korrekt zu klassifizieren. So

ist es möglich, in kürzester Zeit die Drohnenflugverbotszonen für ganz Deutschland zu ergänzen und in einem aktuellen Geodatensatz bereitzustellen. Über eine Behördenschnittstelle sollen zudem Informationen integriert werden, die zu temporären Flugverbotszonen führen. Städte oder Kommunen können über das neu geschaffene Portal Daten zu Menschenansammlungen, Märkten oder Konzerten, aber auch zu explizit ausgewiesenen Flugzonen eingeben. Bereits vorhandene flugrelevante Geodaten, beispielsweise von Luftfahrthindernissen, werden überprüft und aktualisiert. Aber auch dieses Projekt kann nur ein erster Schritt sein, dem noch mehrere weitere folgen müssen, um Drohnen sicher zu integrieren.

MELDUNG

Kein Ausschluss wegen Löwenkopf (BS/mfe) In Nordrhein-Westfalen darf ein tätowierter Einstellungsbewerber für den Polizeivollzugsdienst vorläufig weiterhin am Auswahlverfahren teilnehmen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster und bestätigte damit eine Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen. Der Bewerber, auf dessen linker Brust sich ein eintätowierter Löwenkopf mit aufgerissenem Maul in einer Größe von etwa 22 mal 18 Zentimeter befindet, hatte das Testverfahren erfolgreich absolviert. Dann jedoch lehnte

das Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) seine Einstellung ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass Zweifel an seiner charakterlichen Eignung bestünden. Der zähnefletschende Löwenkopf wirke angriffslustig und aggressiv auf den Betrachter. Er vermittle einen gewaltverherrlichenden Eindruck, der sich nicht mit dem an einen Polizeivollzugsbeamten gestellten Anforderungsprofil vereinbaren lasse. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts können berechtigte

Europäische Union hier ­federführend Hier komme der europäischen Ebene eine federführende Position zu, da Dual-Use-Güter, bei denen es sich unter anderem um Zentrifugen, Chemikalien, Werkzeugmaschinen oder eben

Telekommunikationsgüter handeln kann, dem europäischen Rechtsrahmen unterstünden. Die Mitgliedsnationen seien dann nur für die Umsetzung der Verordnung, die sich ausschließlich auf Nicht-Rüstungsgüter bezieht, in den jeweiligen Rechtsrahmen verantwortlich, erläutert der BAFA-Abteilungsleiter.

Nicht alles wird bei DualUse-Kontrollen geprüft Ebenfalls in die Zuständigkeit der einzelnen Staaten fallen laut Pietsch sogenannte Post-Shipment-Kontrollen. Diese werden ausschließlich bei Rüstungsgütern, und auch hier nur bei einem kleinen Teil davon, durchgeführt. Sie finden etwa bei kleinen Waffen und Pistolen statt. Möglich sind sie in Deutschland, wo sie das BAFA durchführt, seit Mai 2017. Damals sei ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet worden, das derzeit evaluiert werde, berichtet Pietsch. Seither seien neun derartige Kontrollen durchgeführt worden. Sie seien bislang ausschließlich in Drittstaaten und nur mit ausdrücklichem Einverständnis der dortigen Behörden erlaubt. In EU-Staaten, NATO-Ländern oder gleichgestellten Staaten fänden sie nicht statt. Auch würden Post-Shipment-Kontrollen, bei denen BAFA-Mitarbeiter in die einzelnen Länder reisten, erst nach dem Export durch die jeweiligen deutschen Unternehmen erfolgen. Diese eng gefassten Voraussetzungen erklären laut

EU-Mission “Irini”

S

icher, die gleichen Ziele standen doch schon seit 2011 im Fokus des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und die gleichen Aufgaben waren der ersten, seitdem Jahr für Jahr verlängerten UN-Unterstützungsmission UNSMIL gestellt. Doch trotz der ständigen Verlängerungen und Anpassungen des Auftragsrahmens: So richtig erfolgreich war diese Mission nicht. Bedrückend lesen sich die Berichte der UNSMIL, welche die Erfolglosigkeit der Mission geradezu in Stein meißeln. Nacheinander sollte man diese Berichte lieber nicht lesen. Im Januar 2020 wurde auf der “Berliner Internationalen Konferenz zu Libyen” feierlich als großer Fortschritt verkündet, dass man das Waffenembargo durchsetzen, die Waffenruhe in einen gefestigten Waffenstillstand umwandeln, das Gewaltmonopol des (libyschen) Staates durchsetzen und ein sogenanntes Fünf-plus-Fünf-Militärkomitee (JMC) einrichten wolle, damit der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghassen Samalmé, die weiteren Maßnahmen hierüber koordinieren könne. Zufrieden konstatierte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU), dass “alle einig sind, dass wir das Waffenembargo respektieren” und alle Konferenzteilnehmer zugesagt hätten, keine weiteren Unterstützungsleistungen für die libyschen Konfliktparteien zu geben. Keine zwei Wochen später waren die feierlichen Erklärungen bereits Makulatur. Sprunghaft gestiegene Lieferungen von Waffen und Kriegsgerät per Schiff, per Flugzeug und auf dem Landweg, vor allem von Konferenzteilnehmern, sowie die Einschleusung syrischer, türkischer oder russischer Kämpfer und Söldner sind die Realität. Gleiches gilt für das hundertfache Brechen der Waffenruhe, Luftangriffe auf

Zweifel an der charakterlichen Eignung gegeben sein, wenn Art und Inhalt vorhandenen Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist. Das sei insbesondere der Fall, wenn der Bewerber nicht die Gewähr dafür bietet jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Die Löwenkopftätowierung des Antragstellers lasse jedoch für sich genommen keinen Schluss auf eine derartige Einstellung zu.

Geht es nach den Überlegungen der EU-Kommission und des Europäischen Parlaments, sollen künftig alle Telekommunikationsgüter der Kontrolle unterliegen, mit denen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen möglich sind. Das berichtet Georg Pietsch, Abteilungsleiter im deutschen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Die CoronaKrise habe hier jedoch zu einer “Entschleunigung der Entscheidungsfindung” geführt, weshalb der weitere Zeitplan offen sei. Ursprünglich sei eine Einigung im sogenannten Trilog zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedsländern im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in den zweiten sechs Monaten dieses Jahres vorgesehen gewesen. Ob es dazu nun aber tatsächlich kommt, ist fraglich. Denn Pietsch sagt: “Schon ohne Corona wäre eine Einigung schwierig geworden.” Dabei ist der Handlungsdruck enorm. Schließlich stammt die derzeit gültige Verordnung aus dem Jahre 2009. Die Europäische Kommission sei verpflichtet, regelmäßig zu überprüfen, ob die Vorschrift inhaltlich noch zeitgemäß sei. Dieser Prozess laufe bereits seit 2016, so Pietsch.

Alter Wein in neuen Schläuchen? (BS/Uwe Kranz) Irini, der griechische (weibliche) Vorname, steht für “die Friedliche” oder “die Friedfertige”. Der neuen EU-Mission im Zusammenhang mit Libyen diesen Namen zu geben, ist allenfalls ein frommer Wunsch Europas. Vor allem, wenn man sich deren neue (?) hehre Ziele und Aufgaben anschaut: Kontrolle des UN-Waffenembargos, Verhinderung illegaler Ölexporte und Kampf gegen Flüchtlingsschlepper und Menschenhändler. Ein Déjà-vu? Krankenhäuser und Schulen, Massenvertreibungen, massiven Artilleriebeschuss, den Einsatz von Cluster-Bomben, Belagerungen von Städten sowie Hafenund Ölblockaden.

Nur auf dem Papier Allen Anläufen, allen Bemühungen zum Trotz sind die “Berliner Ziele” heute weit entfernt von jeglicher Realisierung. Dazu mögen auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Ausgangssperren, Kontaktverbote etc.) beigetragen haben. Sie erklären aber nicht die Fortdauer der Luft- und Bodenangriffe, den Zugriff auf die Ölexporte oder den fortdauernden Menschen- und Waffenschmuggel. Diese erklären eher das Wiedererstarken des Terrors sowohl der Daesh-Provinz ISWAP als auch der Al-QaidaFiliale JNIM und partiell auch der Boko Haram.

Serie TERRORZIELE (TEIL 42)

Ausrüstungshilfen) sowie das UN-Waffenembargo durchsetzen. 2019 musste die Mission nach einer geradezu beschämenden Endphase glanzlos eingestellt werden, weil sie sukzessive zu einer Flüchtlingsrettungsmission verkommen war (EU-Spott für die Kriegsschiffe: “Wassertaxis”). Außerdem konnte sich das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) der EU-Mitgliedsländer nicht auf die Verteilung der geretteten Flüchtlinge einigen. Daher mussten die Kriegsschiffe in Gebiete manövrieren, in denen keine Schlepperaktionen auf See stattfanden. Wie konnte man dann auf die Idee kommen, die eigentlich gescheiterte Mission “Sophia” zu reanimieren und als taugliches Mittel zur Gewährleistung der Ziele der Berliner Libyen-Konferenz vorzuschlagen? Der gleichen unerreichten Ziele, wie schon für UNSMIL und EUNAVFOR MED Operation Sophia? Und dennoch mutierte der Vorschlag in der Folge zur EU-Mission “Irini”.

Korruption als großes ­Hindernis Auch die EU-Mission “EUNAV-

FOR MED Operation Sophia” war, trotz des vielversprechenden Namens, nicht der Weisheit letzter Schluss. 2015, übrigens ohne Zustimmung der international anerkannten Regierung Libyens, wurde auch sie mit dem gleichen Auftrag versehen, Schlepper und Schleuser zu bekämpfen. Außerdem soll sie (seit 2016) den libyschen Küstenschutz ertüchtigen (Finanz-, Ausbildungs- und

Vermutlich vor allem, weil die eigentlichen Probleme damit nicht angegangen sind. Menschen-, Drogen- oder Waffenhandel und -schmuggel beginnen nicht auf hoher See. Dort enden diese Verbrechen eher. Die Drahtzieher sitzen in den Führungskadern des globalen islamischen Terrorismus und der häufig damit verwobenen transnationalen Organisierten Kriminalität (TOK) –

oder in Chefetagen von Rüstungskonzernen und (ihren) Regierungen. Verbrechensund Terrorbekämpfung scheitern seit rund einem Jahrzehnt an Kultur, Korruption und dauerdefizitären staatlichen Strukturen. Nirgends wird dies so deutlich wie in Nordafrika, insbesondere in Libyen, und in der Sahelzone. Dort hält der transnationale Waffen-, Zigaretten-, Drogen- und Menschenhandel beziehungsweise -schmuggel den Terrorismus schon seit Dekaden am Leben.

Erfolge schmelzen dahin Ein Vergleich liegt nahe: “Sophia” griff das ab, was in der Drogenkriminalität die Junkies, die Straßendealer, allenfalls die örtlichen Residenten sind. Auf hoher See ist es der korrupte Kapitän eines Frachters, der Steuermann eines Gummibootes, der von einer der kriminellen Schleuser- und Schmuggelbanden allein gelassen wird und sich oft selbst letztlich als einer der illegalen Migranten herausstellt. Bei genauerer Analyse schmelzen die stolz berichteten Erfolge dahin wie die Eisberge in der Antarktis. Wie soll dies auch gemeinsam mit Libyen gelingen? Die von den Vereinten Nationen anerkannte “Einheitsregierung” mit Sitz in Tripolis (West-Libyen) unter Lei-

Der Terrorismusexperte des Behörden Spiegel, Uwe Kranz, sieht die neue EUMission “Irini” kritisch. Foto: BS/Dombrowsky

tung von Premierminister Fayez al-Serraj wird von der “Interimsregierung” mit Sitz in Benghazi (Ost-Libyen) unter Führung von General Chalifa Haftar und dessen Libyan National Army (LNA) nicht anerkannt und bekämpft. Seit Monaten belagern und beschießen LNA-Truppen die Hauptstadt Tripolis. Über 850mal wurde von beiden Parteien die in Berlin gefeierte Waffenruhe gebrochen. Haftar wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Saudi-Arabien unterstützt. Al-Sarraj erhält Unterstützung von den Vereinten Nationen und ganz besonders von der Türkei.

Embargo wird permanent gebrochen Beide Parteien waren zwar ebenfalls nach Berlin eingeladen. Sie waren jedoch nicht Teil der Konferenz und wurden jeweils separat über die Verhandlungsstände und -ergebnisse informiert. Zahlreiche internationale Akteure mischen in Libyen teils offen, teils verdeckt die Karten für jeweils ihre Konfliktpartei. Das Waffenembargo wurde permanent gebrochen, auch von

Pietsch zum einen die noch relativ geringe Anzahl an solchen Überprüfungen und zum anderen den vergleichsweise langen Zeitraum, bis tatsächlich Kontrollen vor Ort stattfinden. Bislang habe das BAFA Post-Shipment-Kontrollen in Indien, Südkorea, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indonesien, Malaysia, Brasilien, Jordanien, Trinidad und Tobago sowie im Oman durchgeführt. Dazu meint Pietsch: “Dabei gab es noch keine Beanstandungen. Wir verstehen diese Überprüfungen als vertrauensbildende Maßnahmen und wollen als Partner, nicht als Kon­trolleure wahrgenommen werden.”

Ausweitung wird derzeit diskutiert Derzeit werde – auch aufgrund des laufenden Evaluierungsprozesses – diskutiert, ob es eine Ausweitung der Post-ShipmentKontrollen durch das BAFA geben solle, etwa durch eine Ausweitung des Güter- oder des Länderkreises. Hier sei allerdings noch nichts endgültig entschieden. “Unstrittig ist aber, dass die Überprüfungen fortgesetzt werden”, stellt Pietsch klar. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Schweiz haben Post-Shipment-Kontrollen übrigens bereits vor der Bundesrepublik durchgeführt. Seit Kurzem setzt auch Spanien auf dieses Instrument. Interessiert an dem Instrument zeigen sich darüber hinaus sich Schweden, Australien und Kanada.

Teilnehmern der Berliner Konferenz. Die militärischen Aktionen eskalierten, die Zivilbevölkerung leidet und flieht. Eine leichte Abschwächung dieser Negativentwicklung verdankt die Welt allenfalls der Corona-Pandemie und zeitweise dem Fastenmonat Ramadan. Wie sollen auf dieser Basis, mit diesem jahrelangen Hintergrund, mit dieser unversöhnlichen und unversöhnbaren Haltung beider Parteien Waffenruhe gehalten und Frieden gestaltet, geschweige denn der Menschen-, Waffen- und Drogenschmuggel und der islamische Terror bekämpft werden? Auf hoher See bestimmt nicht.

Kein deutsches Marineschiff Kein Wunder, wenn die deutsche Beteiligung an der neuen EU-Mission “Irini” halbherzig, geradezu mutlos und, freundlich formuliert, karg wirkt: kein Schiff der deutschen Marine (zunächst), nur ein einziges Aufklärungsflugzeug und etwas Personal für den Einsatzstab, insgesamt maximal bis zu 300 deutsche Soldaten. Zudem ist der Einsatzbeginn immer noch unklar. In solch inkonsistente militärische Missionen sollten deutsche Soldaten überhaupt nicht entsandt werden, Deutschland sollte sich, auch angesichts der angespannten Migrationsund Pandemie-Lage, besser in humanitärer, politischer und vor allem wirtschaftlicher Hilfe engagieren. Außerdem sollte mit der Bekämpfung des Waffenschmuggels daheim begonnen werden, mit der deutschen Waffen- und Rüstungsindustrie und deren internationalen Vertragspartnern. Damit könnte die permanente Aufrüstung von Kriegsgegnern und Terroristen wenigstens zu einem Teil aufgehalten werden: Ein erster kleiner, aber aufrichtiger Schritt zu Frieden und Stabilität in Libyen.


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / Juni 2020

Das System hat sich bewährt Schwerpunktsetzung auf Logistik hat sich bezahlt gemacht (BS) In der Corona-Krise übernimmt das Technische Hilfswerk (THW) vielfältige Aufgaben. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Übernahme von logistischen Aufgaben. Gerd Friedsam, Präsident des THW, sieht dadurch die Neuausrichtung des THW bestätigt. Das Interview führte Behörden Spiegel-Chefredakteur Uwe Proll.

B

ehörden Spiegel: Herr Friedsam, welche Lehren kann das THW jetzt schon aus der CoronaPandemie ziehen?

Friedsam: Natürlich ist die Hauptaufgabe, unter den gegebenen Bedingungen diese Krise zu bewältigen. Das steht absolut im Vordergrund. Eine Erkenntnis steht aber schon jetzt für mich fest. Die von uns vor einigen Jahren von uns eingeleitete Neuausrichtung des THW, unter anderem auf mehr logistische Aufgaben, war richtig. Wir haben uns damals mit den zukünftig veränderten Szenarien im Bevölkerungsschutz auseinandergesetzt und dementsprechend gehandelt. Behörden Spiegel: Was bedeutet das konkret? Friedsam: Es wurden neue Fachgruppen für Notversorgung und Instandsetzung eingerichtet, um beispielsweise bei größeren Stromausfällen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen besser gewappnet zu sein. Aktuell verstärken und ergänzen wir unsere Logistikeinheiten, was bereits seit längerem geplant war. Dabei werten wir unsere Fachgruppen auf, indem wir gegenwärtig logistische Fachzüge einrichten. Im Prinzip wird mit der Corona-Lage für uns deutlich, dass wir bei der Analyse dessen, was auf uns zukommen kann, vor einigen Jahren die richtigen Schlussfolgerungen getroffen haben. Von denen profitieren wir

jetzt. An der einen oder anderen Stelle muss man natürlich noch einmal nachjustieren.

die zum 1. Mai in Kraft getreten ist. Dort sind viele Schärfungen, auch im Aufgabenspektrum des THW, vorgenommen worden. Außerdem wurden die Freistellungsmöglichkeiten vom Arbeitgeber für die ehrenamtlichen THW-Kräfte erweitert. Vor der Novellierung konnten die Ehrenamtlichen nur für Einsätze und Ausbildungsveranstaltungen freigestellt werden. Das ist jetzt auf Dienste, die das THW anbietet, erweitert worden. Dabei muss ich klar sagen: Wir nehmen hier natürlich erheblich Rücksicht auf die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, denn ohne die geht es nicht. Sie sind sehr wichtige Partner für uns.

Behörden Spiegel: Wie schätzen Sie den Vorstoß der Einrichtung einer Zentralstellenfunktion beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katstrophenhilfe (BBK) zur bundesweiten Koordinierung ein? Friedsam: Erstens hat sich das System, was wir haben, auch in dieser Lage bewährt. Ich glaube, dass das Zusammenspiel des Bundes mit den Ländern im operativen Bereich mit der Einbindung der Hilfsorganisationen gut funktioniert. An der einen oder anderen Stelle muss man sicherlich justieren. Es kann durchaus Einsatzszenarien und herausgehobene nationale Lagen geben, in denen eine einheitliche Koordinierung erwogen werden kann. Hierfür ist es erforderlich, dass Bund und Länder gemeinsam betrachten, wer in unserer föderalen Struktur welche Aufgaben auf welcher Ebene wahrnimmt. In der Analyse wird sich zeigen, ob bzw. in welcher Form man eine Zentralstellenfunktion braucht. Wir haben bisher im Bereich der Logistik von Schutzausstattung an die Bundesbehörden und in einigen Ländern in der CoronaLage in der Zusammenarbeit gute Erfahrungen gemacht. Bei Transport und Logistik unterstützen wir auch in der Zukunft gerne mit unserer Expertise und Kapazitäten.

Gerd Friedsam ist seit Anfang 2020 Präsident des Technischen Hilfswerks (THW). Foto: BS/THW

Behörden Spiegel: Was für Maßnahmen sind vorgesehen, um das Ehrenamt attraktiver zu machen und zu stärken? Friedsam: Es ist entscheidend, die Menschen für die Arbeit des THW zu begeistern! Wenn sie sehen, dass sie im THW Aufgaben übernehmen können, die einen Sinn für die Gesellschaft haben, dann sind sie sich auch offen für ein ehrenamtliches Engagement. Hier wollen wir auf Ebene der Ortsverbände und Landesverbände mit vielen kleinen Maßnahmen ausgewählte Zielgruppen ansprechen. Ein ganz wichtiger Punkt ist auch die Erweiterung und die Novellierung unseres THW-Gesetzes,

Behörden Spiegel: Welche Aspekte gibt es noch? Friedsam: Ein weiterer Aspekt betrifft die Motivation der Ehrenamtlichen. Ein entscheidender Faktor für diese Motivation ist die Einbindung in die Gefahrenabwehr, also: Einsätze. Um hier häufiger angefordert zu werden, enthält das THW-Gesetz nun einen Passus zum Kostenverzicht unter bestimmten Umständen. Es gab immer mal das Problem, dass durch THW-Einsätze Kosten entstanden sind. Mit der neuen Regelung im THW-Gesetz können Gefahrenabwehrbehörden das THW anfordern und bekommen dafür keine Kosten mehr in Rechnung gestellt, wenn der Einsatz im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und die Kosten zu Lasten einer beteiligten Gefahrenabwehrbehörde gingen.

Ohne Menschen geht es nicht Predictive Policing als organisationale Herausforderung (BS/Kai Seidensticker) Das digitale Zeitalter macht die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels für Bürgerinnen und Bürgerwie Organisationen direkt erfahrbar. Schlagworte wie Big Data, maschinelles Lernen, Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen sowie die neuesten Methoden der Informatik sind nur einige wenige Indikatoren für einen dynamischen Umschwung mit weitrechenden Konsequenzen. Unternehmen wie Behörden sind mit immer kürzer werdenden Innovationszirkeln und einer zunehmenden Komplexität auf allen Ebenen konfrontiert. Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich nun mehr denn je mit technischen Entwicklungen auseinandersetzen. Durch die neuesten Entwicklungen der Technik verändern sich zwangsläufig auch die Arbeit und das Tätigkeitsfeld von BOS, hier am Beispiel der Polizei und der Methode Predictive Policing. Um schritthalten zu können ist neben einem Zugewinn an notwendigen Kompetenzen auf individueller und organisationaler Ebene auch die Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses von Polizeiarbeit unabdingbar. Insbesondere die Umsetzung der Methode Predictive Policing innerhalb des Projektes SKALA bei der Polizei NordrheinWestfalen machte deutlich, dass sich die Polizeiarbeit der Zukunft noch stärker auf datenbasierte Informations- und Wissensbestände stützen wird. Vor diesem Hintergrund zeigt sich erneut, dass die Polizei nicht auf qualifizierte Polizistinnen und Polizisten verzichten kann. Zwar können neue Technologien zur Unterstützung des Polizierens eingesetzt werden, jedoch wird sich hierdurch das polizeiliche Aufgabengebiet auch zukünftig nicht auf die bloße Erfassung von Daten und die automatisierte Auswertung anhand von Algorithmen reduzieren lassen.

liche Tätigkeit benötigte Wissen eigenständig und in kurzer Zeit aneignen können, muss als Utopie verworfen werden. Es ist schlichtweg nicht möglich Polizisten in Ausbildung und Studium auf alle erdenklichen (bisher bekannten und sich potenziell in der Zukunft ergebenen) Aufgabenbereiche und Verwendungen vorzubereiten – und darüber hinaus ist dies auch nicht notwendig.

Kai Seidensticker ist Leiter der Sachrate SKALA in der Kriminalistisch-Kriminologischen Forschungsstelle (KKF) des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes (LKA). Foto: BS/privat

Technik ist nicht alles Es ist insbesondere die Aufgabe kriminalistisch denkender Polizisten, die Art und Aussagekraft gesammelter Daten und deren Analyse- und Auswerteergebnisse stets kritisch zu bewerten und hieraus für die Polizeiarbeit und den polizeilichen Auftrag die richtigen Schlüsse zu ziehen. Daher sind nicht die Erstellung von Kriminalitätsprognosen, sondern vielmehr die kritische Bewertung und sinnvolle Umsetzung von Maßnahmen auf Grundlage der erstellten Kriminalitätsprognosen die kritischen Erfolgsfaktoren des Predictive Policing. Der Mensch bleibt somit weiterhin der entscheidende Faktor und bestimmt über Erfolg und Misserfolg innovativer Technologien in der Polizeiarbeit. Ebenso deutet sich im Kontext der Digitalisierung an, dass BOS nicht auf externe Fachexpertise im Umgang mit Informationstechnik verzichten können. Die Vorstellung von Polizeiarbeit als rein auf Erfahrung und Adaption basierender Tätigkeit, in welcher Polizisten sich das für jede erdenk-

Ständige Weiterqualifikation notwendig Nicht alle Polizisten können und müssen alle Herausforderungen einer so breit gefächerten polizeilichen Tätigkeit eigenständig meistern und den jeweiligen (fach-) spezifischen Qualitätsansprüchen genügen. Vielmehr müssen sie in den ihren Qualifikationen entsprechenden Aufgabengebieten eingesetzt und laufend weiter qualifiziert werden, um den sich wandelnden Ansprüchen an moderne Polizeiarbeit gerecht zu werden. Darüber hinaus bedarf es auch zukünftig der Mitarbeit qualifizierter Expertinnen und Experten, welche ihr Wissen außerhalb der organisationsinternen Bildungswege erworben haben. Die Mitarbeit solch qualifizierter Experten wird sich zukünftig nicht auf die Übernahme von Tätigkeiten beschränken lassen, die als unter-

stützende oder zuliefernde und nur im weitesten Sinne originäre polizeiliche Tätigkeiten bewertet werden, sondern wird zunehmend auch den Kern polizeilicher Aufgabenerfüllung betreffen. Diese Entwicklung sollte nicht nur als Risiko für die Polizeiorganisation aufgefasst werden, sondern muss ganz klar als Chance für die Polizei begriffen werden, vorherrschende tradierte Strukturen und Kulturen zu formen und den Herausforderungen der digitalen Gesellschaft somit innovativ begegnen zu können.

Kooperation konstruktiv gestalten Entscheidend wird es sein, die Zusammenarbeit zwischen intern qualifizierten Polizeipraktikerinnen und -praktikern und extern qualifizierten Experten in konstruktiver Form zu gestalten, damit die so zusammengesetzten Teams ein gegenseitiges Verständnis für die jeweils anderen Tätigkeitsbereiche und Denkweisen entwickeln und auf einer Ebene kommunizieren lernen. Nur wenn dies gelingt, ist eine zielführende und erfolgreiche Zusammenarbeit möglich. Bei der Polizei Nordrhein-Westfalen konnten im Rahmen von SKALA Analyse- und Auswertestellen durch Expertenteams, bestehend aus erfahrenen Polizeibeamten und Spezialisten aus den Bereichen Geoinformatik und Data Science, aufgewertet und wertvolle Erfahrungen gesammelt werden.

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Verteidigung / Wehrtechnik

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ehörden Spiegel: Eine Frage zum aktuellen Komplex Corona: Könnte es sein, dass sich der turnusmäßige Wechsel der Bundeswehr-Kontingente im Ausland deshalb verzögert?

Zorn: Die Corona-Krise hat sich auf die Kontingentwechsel ausgewirkt. Es sind Verzögerungen eingetreten, da wir die Quarantänevorschriften der jeweiligen Einsatzländer zu berücksichtigen haben. Wir müssen unsere Soldaten vor Verlegung in den Einsatz zunächst 14 Tage in eine sogenannte zertifizierte Quarantäne nehmen. Das tun wir, indem wir uns auf Hotels an den jeweiligen Abflughäfen in Deutschland abstützen. Wir helfen damit auch den Hoteliers, über diese schwierige Zeit zu kommen. Außerdem bieten die Hotels im Hinblick auf Infektionsschutz und Betreuung ideale Rahmenbedingungen: Einzelunterbringung, separates Bad, Verpflegung, WLAN-Digitalanbindung, Fernseher und vieles mehr. Back-Ups haben wir natürlich auch in den Kasernen. Wir haben in allen Einsatzgebieten Verhandlungen geführt und erreicht, dass die Quarantäne in Deutschland weitestgehend akzeptiert wird. In den Einsatzländern sind nur noch teilweise zusätzliche Maßnahmen erforderlich. (Die übrigen Antworten von General Zorn zur Corona-Pandemie kann man in der Podcast-Folge Nr. 28 des “Public Sector Insider” unter www.behoerden-spiegel.de/ podcast hören.) Behörden Spiegel: In der Bundeswehr ist die Personalentwicklung in Richtung 203.000 Soldaten geplant. Woher bekommen Sie die geschicktesten Hände und die hellsten Köpfe? Zorn: Bei den Neueinstellungen sind wir mit Blick auf das zurückliegende Jahr in der Summe zu-

Behörden Spiegel / Juni 2020

Große Rüstungsprojekte positiv belegt Sorge bereitet die aktuelle Nutzung (BS) Die Bundeswehr ist gefordert wie lange nicht mehr. Neben der aktuellen Corona-Pandemie treiben die deutschen Streitkräfte unter anderem die Landes- und Bündnisverteidigung um, aber auch Themen wie Fähigkeitsprofil, Personalentwicklung und Beschaffung. Dazu und zu weiteren Themen interviewte Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des Behörden Spiegel, den Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn. die Ausbildungsorganisationen, wie gestaltet man die Planungsbereiche? Das gilt es zusätzlich zu berücksichtigen. Parallel habe ich im vergangenen Jahr eine Arbeitsgruppe aus Generalen und Admiralen, überwiegend bestehend aus den stellvertretenden Inspekteuren, beauftragt, die nationalen militärischen Führungsstrukturen zu überprüfen. Diese haben mir Ende des vergangenen Jahres einen weiteren “Input” für die Überlegungen zur Neubetrachtung der nationalen militärischen Führungsstrukturen geliefert und diese auch anhand von Szenarien überprüft. Nun wird das Bundesministerium der Verteidigung mit den Teilstreitkräften und militärischen Organisationsbereichen weitergehende Überlegungen anstellen.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn – hier auf der Berliner Sicherheitskonferenz des vergangenen Jahres –, stand dem Behörden Spiegel Rede und Antwort. Foto: BS/Dombrowsky

frieden. Wir konnten 120.000 Bewerber in die Assessment Center einladen. Wir haben es geschafft, davon rund 35.000 Menschen in die Erstausbildung der Streitkräfte zu bringen. 2016 haben wir die Trendwende Personal eingeleitet. Dazu gehörten mindestens drei Jahre Ausbildung bei den Feldwebeln, bei den Offizieren sechs Jahre. Ab 2019 merkten wir dann auch in der Truppe, dass das Personal langsam, aber stetig auf den vakanten Dienstposten ankommt. Seit 2016 ist die Bundeswehr um 9.000 Zeit- und Berufssoldaten aufgewachsen.

Und auch die Qualität stimmt: Sowohl bei Feldwebeln als auch bei Offizieren liegt die Quote bei vier Bewerbern je Dienstposten. Das ermöglicht eine qualifizierte Bestenauswahl. Behörden Spiegel: Welche Führungsstrukturen stellen Sie sich für die künftige Landes- und Bündnisverteidigung vor? Zorn: Das Thema haben wir in zwei Arbeitspaketen aufgegriffen: Einmal haben wir unseren Generalstabslehrgang an der Führungsakademie gebeten,

ohne Vorgaben Überlegungen anzustellen und kurz und knapp aufzuzeigen, wie eine ideale Führungsorganisation der Zukunft aussehen könnte. Das Ergebnis haben unsere angehenden TopFührungskräfte im vergangenen Sommer präsentiert. Dabei handelt es sich um eine Ableitung, die sich unmittelbar auf die Fähigkeiten bezieht, die die Bundeswehr für die Aufgabenerfüllung bereithalten muss. Die Frage nach dem Grundbetrieb wurde nicht betrachtet, sie war auch nicht beauftragt, gehört aber zum Gesamtbild dazu: Wohin hänge ich

Behörden Spiegel: Es gibt da einen Plan der Realisierung des Fähigkeitsprofils der Streitkräfte und der erste Schritt soll 2023 erreicht sein. Weitere Daten sind da auch genannt: 2027. Wie sieht der Fortschritt aus Ihrer Sicht hier aus? Zorn: 2023 stellen wir in der Stand-by-Phase die VJTF (“Very High Readiness Joint Task Force”), die sogenannte “Speerspitze” für die NATO. Dabei fokussieren wir auf die Ausstattung einer Brigade im Heer im Wirkverbund mit wesentlichen Beiträgen aus den anderen Organisationsbereichen. Hier sind wir gut im Zeitplan. Ein ganz wesentlicher Aspekt ist das Thema Digitalisierung landbasierter Operationen

(D-LBO). Dann das “Battle Management System”, das wir dafür benötigen – inklusive kryptierter Datenübertragung. Aktuell ist das Fähigkeitsprofil zu aktualisieren und für 2027 fortzuschreiben, und zwar im Lichte der neuen Eckwertebeschlüsse und am Ende des Jahres vor dem Hintergrund des nächsten Haushalts. Hier müssen wir immer schauen, ob unser Plan auch mit den nötigen Haushaltsmitteln hinterlegt ist. Behörden Spiegel: Die Forderungen des Fähigkeitsprofils münden häufig in großen und auch mittleren Rüstungsmaßnahmen. Wie sind Sie mit der Geschwindigkeit an dieser Stelle zufrieden? Zorn: Die großen Rüstungsprojekte sind tatsächlich im Augenblick bei mir mit einem positiven Smiley belegt. Wenn Sie schauen, was wir allein in den vergangenen Jahren an sogenannten 25-Millionen-Vorlagen auf den Weg gebracht haben, ist das ein gigantisches Werk. Wir sehen auch schon die ersten Ergebnisse in der Truppe: Radfahrzeuge, Panzer, A400M, Eurofighter. Auch bei der Marine läuft neues Material zu. Die Großprojekte, die nun zu entscheiden sind, sind das taktische Luftverteidigungssystem (TLVS), der schwere Transporthubschrauber, die multinationale U-Boot-Kooperation, die “Tornado”-Nachfolge. Dann die langfristigen Projekte, die Zusammenarbeit insbesondere mit Frankreich beim “Future Combat Air System” (FCAS) und beim “Main Ground Combat System” (MGCS). Bei den Großprojekten bin ich guter Dinge. Was mir mehr Sorge bereitet, ist die Nutzung heute, unter anderem fehlende Ersatzteile. Darüber hinaus wird zu berücksichtigen sein, inwieweit sich die CoronaPandemie auf die Zukunft der Rüstungsprojekte auswirkt. Fortsetzung auf S. 46...



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... Fortsetung von S. 44

die Offizierausbildung wieder dezentral durchgeführt wird. Damit erhalten die zukünftigen Offiziere eine Prägung innerhalb ihrer Truppengattung. Insgesamt lassen wir alle Erkenntnisse, die wir im Einsatz, in den Übungen und auch im Grundbetrieb gewinnen, in die Ausbildung einfließen.

Behörden Spiegel: Das Thema F/A-18E/F “Super Hornet” hat die Runde gemacht. Dahinter steht die Notwendigkeit, die nukleare Teilhabe auch in Zukunft sicherzustellen. Wie wird die Diskussion weitergehen? Zorn: Das Thema ist etwas komplexer. Der “Tornado” wird spätestens 2030 aus der Nutzung gehen, er gelangt an das Ende seiner wirtschaftlichen Nutzung. Deshalb ist es wichtig, die Fähigkeiten, die der “Tornado” derzeit bereitstellt, auch in Zukunft auf modernem Stand abzubilden. Das leistet der vorgeschlagene Kompromiss. Er sieht vor, in der Mehrzahl Eurofighter zu beschaffen, ergänzt durch zwei marktverfügbare Varianten der F-18, die es uns ermöglichen, die NATOVerpflichtungen auch über das Jahr 2030 hinaus zu erfüllen. Für die Truppe ist außerdem wichtig, dass das zur Verfügung gestellte System einschließlich Wartung und Instandhaltung funktioniert, damit sie ihren Auftrag zuverlässig erfüllen kann. Behörden Spiegel: Welchen Fortschritt hat die Bundeswehr bei der Digitalisierung erzielt? Zorn: Die Weichen sind gestellt, aber Handlungsbedarf gibt es weiterhin, vor allem bei der mobilen Kommunikation und Informationsverarbeitung. Darum kümmern wir uns derzeit mit Nachdruck. Ein Schwerpunkt im Bereich Einsatz ist das bereits erwähnte Projekt “Digitalisierung Landbasierter Operationen”. Wir arbeiten an einem Verbund von Information und Kommunikation, der vom abgesessenen Soldaten, also der untersten taktischen Ebene, bis

Behörden Spiegel: Auf welchem Stück des Weges befinden wir uns zu einem Gesamtverteidigungskonzept in Deutschland?

“Bei den langfristigen Großprojekten, d. h. unter anderem bei der Zusammenarbeit insbesondere mit Frankreich beim Future Combat Air System (Foto: Präsentation eines Modells in Originalgröße des künftigen New Generation Fighters als Teil von FCAS auf dem Salon aéronautique du Bourget im vergangenen Jahr) und beim Main Ground Combat System, bin ich guter Dinge.” Foto: BS/Portugall

zu verlegefähigen Gefechtsständen reicht. In der Vergangenheit gab es viele Systeme, die nur geschlossen funktionierten, zum Beispiel VHF-Funkgeräte untereinander. Unser Konzept sieht nun ganz unterschiedliche Übertragungstechniken vor, von Funkgeräten bis zur Satellitenkommunikation, die IP-fähig und interoperabel sind, auch international. Die Vorhaben sind insgesamt sehr umfangreich und sicherlich wird es bei der Umsetzung an der ein oder anderen Stelle knirschen. Aber das gehört dazu, wenn man ein solches Programm beherzt angeht. Im Grundbetrieb sehen wir derzeit durch Corona, wo wir

gut aufgestellt sind und wo wir noch nachlegen werden. Im Ministerium sind wir beispielsweise in der Lage, nahezu komplett von zu Hause zu arbeiten, die IT ist dafür sehr umfassend vorhanden. In den nachgeordneten Bereichen gibt es allerdings noch Nachholbedarf. Deshalb beschaffen wir derzeit kurzfristig 12.000 mobile Rechnersysteme. Damit stehen dann über 40.000 mobile Arbeitsplätze zur Verfügung. Zusätzlich prüfen wir noch weitere Möglichkeiten, Bundeswehrangehörigen das mobile Arbeiten zu ermöglichen. Verständlicherweise dürfen dabei in der Bundeswehr bei der Datensicherheit keine Kompromisse eingegangen werden.

Behörden Spiegel: Wie muss die Ausbildung der Zukunft ausgerichtet werden? Zorn: 2018 wurde die Agenda Ausbildung auf den Weg gebracht, die die Ausbildung aller Ebenen und Laufbahngruppen von Beginn an durchleuchtet. Ein sehr wichtiges Thema bei der Ausbildung unserer Truppen ist die Multinationalität. Dabei schreiten wir sehr gut voran. So nehmen zum Beispiel die niederländischen Soldaten schon an unseren Ausbildungsgängen teil. Wir haben eine vergleichbare Verknüpfung mit Frankreich. Ähnliche Projekte sind jetzt in Arbeit mit den osteuropäischen Partnern.

VJTF-Vorbereitungen laufen durchgängig in der Vorbereitungsphase multinational mit unseren NATO-Partnern. Dafür sind natürlich gute Sprachkenntnisse erforderlich. Ich bin sehr zufrieden, welche Fortschritte unsere Soldatinnen und Soldaten hierbei gemacht haben. Zusätzlich gibt es sehr viele Einzelthemen, mit denen wir unsere Ausbildung weiter verbessern. Dazu gehört die sportwissenschaftlich fundierte und individuell abgestimmte Steigerung der Fitness, mit der wir sehr intensiv unmittelbar nach der Einstellung neuer Rekruten beginnen. Ein weiteres Beispiel finden wir im Heer, wo

Zorn: Aus militärischer Sicht sind wir mit dem Weißbuch, der Konzeption der Bundeswehr und dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr gut aufgestellt. Bei der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, also den Auslands­ einsätzen und, gleichrangig dazu, bei der Landes- und Bündnisverteidigung, gilt es, diese konzeptionellen Vorgaben auch konsequent umzusetzen. Ausbildung und Übung müssen die Themenkomplexe der Landes- und Bündnisverteidigung intensiv abbilden. Wenn man den “Comprehensive Approach” umfassend umsetzen will, dann müssen wir vor allem unsere Funktion als Drehscheibe Deutschland beleuchten – und unsere Rolle beim “Host Nation Support” für Partner und Verbündete. Wir haben in den vergangenen beiden Jahren die Überprüfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen angestoßen. In vielen Bereichen sehen wir Handlungs- und Anpassungsbedarf. Es geht los bei der Mobilität: Wie nutzen wir den Schienenverkehr, der ja heute nicht mehr in staatlicher Hand ist? Wie komme ich an die richtigen Slots für Eisenbahnwagons und -strecken? Gleiches gilt für den Seebetrieb, auch


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die Sicherung und Ortung im Luftraum bis hin zur Frage nach dem Schutz Kritischer Infrastruktur hier zu Hause. Es bedarf auch einer Aktualisierung der Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung. Die zuständigen Ressorts arbeiten entsprechend zusammen. Auch hier wird Corona einen zusätzlichen Impuls geben mit Blick auf unsere Resilienz in Krisensituationen. Behörden Spiegel: Wie groß ist die mögliche Bedrohung durch Russland? Zorn: Ich differenziere zwischen der Sichtweise unserer Alliierten und unserer nationalen Perzeption. Wenn ich nach Polen, in die

baltischen Staaten fahre oder auch mit meinem rumänischen Amtskollegen spreche, dann stelle ich fest: Sie beobachten mit einem höheren Bedrohungsgefühl, was auf russischem Territorium passiert. Dazu zählen Übungen, Cyber-Aktivitäten und mehr. Das hat sich auch in der NATO-Strategie vom Mai 2019 widergespiegelt. Bei uns ist dieses Bedrohungsgefühl weniger stark ausgeprägt, bedingt durch die größere Distanz. Gleichwohl muss man die Situation im Auge behalten. Die russischen Streitkräfte modernisieren ihre konventionellen Kräfte. Sie bauen massiv ihre entsprechenden Raketenpotenziale aus, sie entwickeln neue Fähigkeiten: Hyper-Sonic

sei als Beispiel erwähnt. Und sie sind strategisch unterwegs in den arktischen Meeren, im Syrien-Konflikt, auch in Afrika. Ich sehe weniger die unmittelbare Gefahr einer klassischen militärischen Auseinandersetzung. Vielmehr gilt es, moderne Lagen wie Cyber-Bedrohung und gezielte Desinformation im Auge zu behalten. Diese Herausforderungen gelten für alle Politikfelder. Was mir nach Wegfall des INF-Vertrages (“IntermediateRange Nuclear Forces”) noch sehr wichtig ist: Wir benötigen wieder ein funktionsfähiges Rüstungskontrollregime. Behörden Spiegel: Inwieweit muss auch China als möglicher Gegner betrachten werden?

Zorn: Chinas Projekt der “Neuen Seidenstraße” klingt sehr landbezogen, hat aber auch einen Seebezug. China hat sehr ehrgeizige strategische Interessen von der Arktis über den asiatisch-europäischen Kontinent hinweg bis nach Afrika. Das gilt insbesondere im ökonomischen Bereich, aber auch militärisch. Auch hier sind die Perzeptionen sehr unterschiedlich. Im indopazifischen Bereich wird die Präsenz der chinesischen Streitkräfte in umstrittenen Seegebieten anders wahrgenommen als hier in Europa. Meines Erachtens erfordert der Umgang mit China weiterhin Kommunikation und Dialog, aber auch eine realistische

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Einschätzung chinesischer Ansprüche und der wirtschaftlichen und militärischen Fähigkeiten. Behörden Spiegel: Wenn Sie drei Wünsche frei hätten an das Parlament und die Bundesregierung, welche wären das? Zorn: Der erste Wunsch: Ich brauche unverändert eine klare finanzplanerische Linie für die Bundeswehr. Sie muss weiter ansteigen, um die Fähigkeiten, die von uns verlangt werden, auch finanziell hinterlegen zu können. Das Zweite wäre, dass wir in manchen Bereichen schneller werden und bürokratische Hemmnisse abbauen, zum Beispiel im Bereich der

Infrastruktur und der Rüstungsprojekte. Das gilt nicht nur bundeswehrintern. Wir benötigen auch die Unterstützung der Parlamentarier und anderer Ressorts, denn häufig bewegen wir uns in einem Netz bundesweiter Bestimmungen. Und das Dritte: Es gibt gewisse staatliche Vorsorgemaßnahmen, die man nicht einfach nur in Geld oder Effizienz messen kann. Es geht mir um die Resilienz des Staates, um gegenüber Krisen gewappnet zu sein. Dafür sind Reserven erforderlich, Vorsorge und Vorräte. Wir benötigen eine robuste Infrastruktur, auf die wir uns in einer Krise verlassen können. Das ist eine der Lehren aus der aktuellen Lage.

Neues aus der Wehrtechnik Kampfdrohnen für die Bundeswehr?

Der verkabelte Soldat

Breite Debatte dazu hat im BMVg begonnen

“Smart Clothes” für die Bundeswehr

(BS/Dr. Gerd Portugall) Im Koalitionsvertrag von Union und SPD aus dem März 2018 steht, dass als Übergangslösung für die künftige “Eurodrohne” das UAV (“Unmanned Aerial Vehicle”) “Heron TP” geleast werde. “Über die Beschaffung von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlicher völkerrechtlicher, verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert entscheiden”, so die Koalitionäre. Die entsprechenden Expertenanhörungen haben im BMVg begonnen. Das Ministerium betreibt dabei eine ausgesprochen offensive Öffentlichkeitsarbeit.

(BS/por) Seit geraumer Zeit wird für die deutschen Streitkräfte das System “Infanterist der Zukunft” (IdZ) entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Modernisierungsprogramm für die persönliche Gefechtsausstattung. Dabei steht der kämpfende Soldat im Mittelpunkt. Daneben werden für die Bundeswehr auch Kleidungsstücke mit medizinischen Sensoren entwickelt – sog. “Smart Clothes”. Dabei steht der physische Mensch im Mittelpunkt.

Ende Mai hat Dr. Peter Tauber, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, in einer virtuellen Vorlesung vor rund 270 Studenten der Universität Regensburg Fragen zur möglichen Einführung bewaffnungsfähiger Drohnen – sogenannter “Kampfdrohnen” – in die Bundeswehr beantwortet. Rund anderthalb Stunden debattierte der CDU-Politiker mit Dr. Stephan Bierling, Professor für Internationale Politik, und seinen Studenten online. Eine Woche zuvor war der offizielle Startschuss für eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte zum Thema gefallen. Dr. Tauber eröffnete zu Beginn der Auftaktveranstaltung im StauffenbergSaal des BMVg mit der Zusicherung, Kampfdrohnen werde es in der Bundeswehr erst nach einer verfassungsrechtlichen Prüfung und einer Debatte ethischer Fragen im Bundestag geben. Er hob den besonderen Schutz für die Soldaten der Bundeswehr durch bewaffnungsfähige Drohnen bei Einsätzen hervor. Ein Sicherheitsgewinn für die deutschen Soldaten dürfe keinen Sicherheitsverlust für Zivilisten bedeuten. “Menschlichkeit ist nicht teilbar”, zitierte Dr. Tauber einen Satz Wolf Graf von Baudissins. Das Thema “Drohnen” habe aufgrund der digitalen Revolutionierung der Militärtechnik ein ganz neues Maß an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit und Emotionalität gewonnen, so Dr. Tauber. Auch im Falle des Einsatzes bewaffneter Drohnen würde die letzte Entscheidung immer bei den Soldaten der Bundeswehr liegen. Sie seien ihren ethischen Grundsätzen sowie den Prinzipien der Inneren Führung verpflichtet, betonte der Staatssekretär.

Der Generalinspekteur Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, sprach sich dezidiert für die Beschaffung von Kampfdrohnen aus. Ein bewaffnetes UAV vom Typ “Heron TP” könne Ziele sehr

Die “Heron TP” von IAI – hier ausgestellt auf der ILA Berlin Air Show 2026 –, die auch bewaffnet werden kann.

präzise bekämpfen – und damit Kollateralschäden minimieren. Überdies werde damit die Reaktionsfähigkeit der militärischen Führer zum Schutz ihrer Soldaten im Einsatz gesteigert. General Zorn berichtete von seinen Einsatzerfahrungen in Afghanistan und Mali. Dort habe die Praxis gezeigt, dass bspw. die Anforderungen von Luftunterstützung zum Schutz von Feldlagern im Extremfall zu lange dauern könne. Dann wäre der Einsatz bewaffneter Drohnen, die direkt über dem Feldlager kreisten, die Lage aufklären und reagieren könnten, zum Schutz der Soldaten sehr wichtig. Der höchste Soldat der Bundeswehr erteilte dem in der gesellschaftlichen Debatte geäußerten Zerrbild der “Killerdrohnen”, das als Symbol eines angeblichen Absinkens der Gewaltschwelle der UAV-Piloten gilt, eine klare Absage. Die deutschen Soldaten handelten strikt nach dem Mandat des Deutschen Bundestags und nach den Einsatzregeln.

Foto: BS/Portugall

Hochrangig besetzte Panels Insgesamt beschäftigten sich drei verschiedene Panels mit den verschiedenen Dimensionen des Themas. Dem Aspekt “Ethik” wandten sich PD Dr. Bernhard Koch, Stellv. Direktor des Instituts für Theologie und Frieden, Dr. Sigurd I. Rink, Evangelischer Militärbischof, Dr. Hans-Peter Bartels, damaliger Wehrbeauftragter, Oberst Matthias Ehbrecht von der Panzerlehrbrigade 9 und Dr. Heike Spieker vom Deutschen Roten Kreuz, zu. Mit dem Aspekt “Politik” befassten sich die Bundestagsabgeordneten Henning Otte (CDU), Christian Schmidt (CSU), Dr. Fritz Felgentreu (SPD), Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen), Tobias Pflüger (Die Linke), Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Rüdiger Lucassen (AfD). Dem Aspekt “Recht” wandten sich Andreas Conradi, Abteilungsleiter Recht im BMVg, Prof. Dr. Wolf Heintschel von Heinegg, Universität Viadrina, und Rechtsanwalt Dr. Peter Becker, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Vereinigung für Friedensrecht.

Der Politische Direktor im BMVg, Dr. Detlef Wächter, resümierte: “Wir müssen solche Debatten auch in Krisenzeiten führen.” Die Soldaten hätten Anspruch auf bestmögliche Ausrüstung und bestmöglichen Schutz. Deshalb brauche die Bundeswehr bewaffnete Drohnen. Anschließend boten der Parlamentarische Staatssekretär und der Generalinspekteur den Bürgern die Möglichkeit, in einem einstündigen Livechat (#DrohnenDebatte2020) an der öffentlichen Diskussion des BMVg teilzunehmen. Aus Anlass dieser Debatte kam es in Berlin auch zu Demonstrationen gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen. Die Bundeswehr setzt ihre Drohnen bislang ausschließlich zur Aufklärung ein. Nachdem das Projekt “Euro Hawk” – eine für die Bedürfnisse der Truppe modifizierte Variante einer US-Drohne – im Jahr 2012 eingestellt worden war, wurden “Heron 1”-Aufklärungsdrohnen von Israel Aerospace Industries Ltd. (IAI) angemietet, um den Schutz deutscher Soldaten aus der Luft zu verbessern.

Beim IdZ entsteht eine komplexe, digital vernetzte Ausrüstung, welche die Wirksamkeit des Soldaten im Einsatz, seine Führungsfähigkeit, die persönliche Mobilität und dessen Überlebensfähigkeit und Durchhaltefähigkeit verbessern soll. Zu dieser Ausstattung zählen u. a. Handwaffen, Schutzhelm und -weste, Funkgerät und Schnittstellenrechner. Die herstellerseitige Gesamtsystemverantwortung liegt bei der Rheinmetall Electronics GmbH in Bremen. Unter “Smart Clothes” versteht man Kleidungsstücke, die mit elektronischen Sensoren ausgestattet sind, die von außen nicht sichtbar sind, d. h. dass Leiterbahnen mit in die Textilien eingewoben werden. Die Abgrenzung zu handelsüblichen Funktionstextilien besteht in der Energieabhängigkeit der elektronifizierten “Smart Clothes”. Die Wirkung von Funktionskleidung – z. B. wasserdicht, atmungsaktiv und thermoregulierend – kommt hingegen meist passiv durch die Eigenschaften der verwendeten Gewebe zustande.

Auftrag des WIWeB In der Bundeswehr erarbeitet und nutzt das Wehrwissenschaftliche Institut für Werkund Betriebsstoffe (WIWeB) wissenschaftliche und technologische Grundlagen und Methoden bei der Untersuchung und Beurteilung von Werkstoffen und Textilien. Diese Einrichtung mit Sitz im bayerischen Erding ist 1997 als Zusammenschluss aus dem Wehrwissenschaftlichen Institut für Materialuntersuchungen in Erding und dem Bundesinstitut für chemischtechnische Untersuchungen in Swisttal hervorgegangen. Das WIWeB gehört zum Geschäftsbereich des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz. Zu den Aufgaben des WIWeB zählt u. a. die Entwicklung und

Damit hat alles angefangen: Textilstudien in der Wehrtechnischen Studiensammlung (WTS) des BAAINBw in Koblenz. Foto: BS/Portugall

Untersuchung von Stoffen. Dazu gehören auch die bundeswehrspezifische Bekleidung und die persönliche Ausrüstung sowie technische Textilien und artverwandte Stoffe. Auch werden dort Vorhaben in die Wege geleitet und bearbeitet, die mit textilen Tarnmaterialien zusammenhängen. Dabei wird auch nach flexiblen Mustern geforscht, die sich – wie ein Chamäleon – an die Umgebung anpassen sollen. Zusätzlich erstellt das WIWeB Gutachten zur Verlängerung der Lager- und Einsatzdauer von Luftfahrtsicherheitstextilien nach Ablauf der Herstellergarantie und leistet damit einen Beitrag zur Reduzierung der Beschaffungskosten. Aktuell wird im WIWeB u. a. im Bereich des ABC-Schutzes in heißen und kalten Klimazonen geforscht. Mittels Biomonitoring sollen in Unterbekleidung Körpermesswerte sensorisch überwacht werden. Dazu zählen u. a. Atemfrequenz, Herzschlag und Körpertemperatur.


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M

arkus Ganserer hörte im Dezember 2018 auf zu existieren. Seitdem heißt sie Tessa Ganserer und kaschiert ihre Identität nicht mehr in der Öffentlichkeit. An einem kalten Wintertag in Nürnberg trägt sie ein petrolfarbenes Kleid, schwarze Strumpfhose, schwarze Stiefel mit Absatz, eine blonde Perücke und hat blauen Lidschatten aufgetragen. Seit vielen Jahren habe sie sich als Frau gefühlt, berichtet Ganserer, ihre geschlechtliche Orientierung aber nur im Privaten ausgelebt. Bis zur öffentlichen Bekanntgabe habe sie dieses Verheimlichen jedoch sehr viel Kraft gekostet. Die Angst, nicht akzeptiert zu werden, sei überwältigend gewesen. Deswegen gehörte zu ihrem Coming-out eigentlich nicht viel Mut, berichtet sie heute. Es sei vielmehr die Konsequenz, die eigene Identität nicht mehr verbergen zu können: “Mir ist letztendlich nichts anderes übriggeblieben, als alle Kraft, die ich habe, zusammenzunehmen und einfach die Frau zu stehen, die ich bin.”

“Die Frau stehen, die ich bin” Als Transfrau für Diversität im Öffentlichen Dienst sorgen (BS/Dr. Eva-Charlotte Proll) Als Abgeordnete des Bayerischen Landtags, Sprecherin für Fragen des Öffentlichen Dienstes und stellvertretende Vorsitzende im Ausschuss für Fragen des Öffentlichen Dienstes sorgt Tessa Ganserer dafür, dass die Beamtinnen und Beamten sowie die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in Bayern gute Arbeitsbedingungen haben. In anderen deutschen Landesparlamenten gibt es einen solchen Ausschuss nicht. Außergewöhnlich ist zudem ihr Lebensweg: Als queerpolitische Sprecherin der Partei Bündnis 90/Die Grünen ist Ganserer die erste deutsche Abgeordnete, die sich als Tansidente outete. Damit sorgt sie für Aufsehen in einem doch als konservativ geltenden Bundesland.

ist uns meilenweit voraus”, sagt die 43-Jährige. Die Bundeswehr verfügt über Leitlinien, wie eine Transition ablaufen kann. Diese legen fest, welche Möglichkeiten und Rechte Betroffene haben, was ihnen zusteht, wer wo und wofür zuständig ist und was auch der Dienstherr oder der Vorgesetze tun muss. Die Leitlinien legen klar fest, dass Diskriminierung nicht akzeptiert wird und notfalls personalrechtliche Konsequenzen hat. Ganserer meint, schon allein mit einer Leitlinie werde viel erreicht: “Zum einen gibt sie den Betroffenen das Gefühl, willkommen zu sein und vermittelt Hilfestellung. Zum anderen gibt sie Vorgesetzten Hilfestellungen, da diese nur selten damit konfrontiert sind.”

Diversität als Fürsorgepflicht

Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten erfüllen Seit 2013 ist Tessa Ganserer im Wahlkreis Nürnberg Abgeordnete des Bayrischen Landtags und vertritt die Belange der Beamtinnen und Beamten sowie Angestellten des Öffentlichen Dienstes. Die Fürsorgepflicht gegenüber den Beschäftigten 2018 outete sich Ganserer als erstes deutsches Parlamentsmitglied als transident. Im Januar 2019 gab sie bekannt, künftig als Frau unter dem Namen Tessa des Öffentlichen Dienstes ist in Ganserer zu leben. Foto: BS/Ganserer Bayern hoch priorisiert. Ein nicht terien auch zuständig ist und höhere finanzielle Anpassungen unwesentlicher Teil der Arbeit im Christian Magerl, Abgeordneter Bester Dienstherr freistehend agiert. Im Ausschuss als bisher geben, fordert GanAusschuss sind die Petitionen der im Bayerischen Landtag, gear- der Republik werden Beschäftigten. Die Petitionen be- beitet. Im Oktober 2013 zog sie Impulse setzte ihre Fraktion ge- sitzen von den Parteien SPD, FDP serer. Insgesamt sei in der Ära treffen häufig Einstellungs- und dann selbst als Abgeordneter in meinsam mit der SPD im Landtag und AFD jeweils ein Vertreter. Edmund Stoiber rigide gespart Versetzungsgesuche, Beförde- den Landtag ein. Von 2008 bis zum einen in Bezug auf das Bay- Die Grünen sind mit drei Mit- worden, gerade in kleineren rungsmöglichkeiten sowie Beihil- 2018 war sie Vorstandsmitglied erische Gleichstellunggesetz, zum gliedern stärkste Oppositions- Verwaltungsbereichen bedrohte fe- und Versorgungsfragen. Der im Bezirksverband Mittelfranken anderen im Personalvertretungs- partei. Die Regierungsparteien dies die Substanz massiv – “so Ausschuss behandelt daneben der Grünen. recht. Aus Ganserers Sicht sind CDU und Freie Wähler sind mit kann man keinen Staat machen. Als Abgeordnete erhält Ganserer die Anzahl der Freistellungen, sechs und zwei Man muss sich die dienst- und arbeitsrechtlichen Vorschriften. Als einer von eine Entschädigung von 8.445 die Fortbildungstage, Mitspra- Mitgliedern im ”Der Öffentliche Dienst der Aufgaben bewusst sein, 14 ständigen Fachausschüssen, Euro und eine steuerfreie Kosten- chemöglichkeiten und andere Ausschuss verhat einen Vorbilddie Staat und kümmert er sich auch um die pauschale von 3.529 Euro. Sowie Rechte immer wieder Thema im treten. Inhaltlich Belange schwerbehinderter Men- zusätzlich eine Aufwandsent- Ausschuss. charakter, um ein Klima Verwaltung erGerade im Wettbewerb mit der f u n k t i o n i e r e schen im Öffentlichen Dienst, schädigung als Stellvertretende füllen müssen der Akzeptanz und Gleichstellungsfragen, die Aus- Ausschussvorsitzende von 383 Wirtschaft und anderen Bun- die Zusammenund dass man Toleranz zu fördern.” bildung der Nachwuchskräfte Euro. Sie hat daneben unregel- desländern überwögen oftmals arbeit. Ehrlidafür entspreund die Fortbildung der Mitarbei- mäßige Einnahmen aus forst- weiche Faktoren wie gute Mög- cherwiese, so chend Personal terinnen und Mitarbeiter. Doch wirtschaftlichem Nebenerwerbs- lichkeiten zur Mitsprache, um Ganserer, liege dies auch daran, benötigt. Mit der Finanzkrise in fachpolitische Entscheidungen betrieb und aus Vermietung und sich als attraktiver Arbeitgeber dass mit dienstrechtlichen The- Griechenland hat sich die Ersind auch vom Dienstrecht be- Verpachtung. zu platzieren. “Wenn man eben men keine großen Schlagzeilen kenntnis, dass wir eine gute und Vor ihrem Co- wirklich der beste Dienstherr geschrieben würden. Das sei nur effektive Verwaltung brauchen, rührt, wenn es um Umstruktuhabe der Republik sein möchte, darf der Fall, wenn durch Sparhaus- auch bei der CSU durchgesetzt.” ”Staatliche Beratungs- ming-out rierung, neue ihre Frau, mit das nicht nur an der Besoldung halte das Personal Einsparungen S t e l l e n o d e r stellen für Transpersonen der Ganserer gemessen werden, sondern hinnehmen müsse. “In Zeiten, in Regenbogenfarben neue Aufgaben seit über 20 hängt auch von den Arbeitsbe- denen der Finanzminister mit Die Diversität im Öffentlichen gibt es so gut wie für die VerJahren verhei- dingungen ab” führt Ganserer prall gefüllten Taschen dem Be- Dienst ist ebenso ein Thema für überhaupt nicht.” waltung geht. ratet ist, be- aus. Arbeitssoziologische und amtenbund jeden Wunsch von Ganserer. Bei Einstellung nach reits von ihrer -psychologische Studien belegen: den Lippen ablesen kann, kom- Eignung, Leistung und BefähiSo müssten Themen, die im Bildungs- und Geschlechtsorientierung gewusst. Für ein besseres Arbeitsklima, men keine großen Konfliktfelder gung gibt es keine Unterschiede, Kultur- oder Umweltausschuss Im Privaten konnte sie dies ir- hohe Produktivität und die Re- auf. Auch die Zeiten des extremen dennoch müsse man gezielter diskutiert werden, anschließend gendwann nicht mehr verbergen. duzierung von Krankheitstagen Neoliberalismus mit Forderungen hinsehen. So würden einerseits unter dem Blickwickel der Be- Ein vergessener Lidschatten von sorgten eben auch ein ausgegli- nach einem möglichst schlanken Staatsangehörigkeit und Migraschäftigten des Öffentlichen Tessa Ganserer machte ihre Frau chenes Betriebsklima mit bes- Staat sind vorbei”, beschreibt tionshintergrund nicht speziell Dienstes beraten werden. stutzig. Sie habe jedoch sehr ver- seren Mitsprachemöglichkeiten die Nürnbergerin. Die Oppositi- erfasst. Es sei andererseits jedoch Wichtig sei, so Ganserer, nah ständnisvoll auf die Situation und ein hohes Wohlbefinden der on und die Fraktionen seien bei kein Geheimnis, dass der Anteil ihren Forderungen oft beisam- der Menschen mit Migrationshinan den Belangen der Verwal- reagiert. An der Beziehung habe Beschäftigten. tung zu diskutieren und sich sich kaum etwas verändert. Auch men. Das habe Auswirkungen auf tergrund im Öffentlichen Dienst Verwaltungsbereiche vor Ort an- die beiden gemeinsamen Söhne Guten Staat machen die Atmosphäre im Ausschuss. unter dem Bevölkerungsdurchzuschauen. Dann könnte man im Alter von mittlerweile acht Der Ausschuss für Fragen des Auch die Ergebnisse seien nicht schnitt liege. Auch benötige es die Interessen der Beschäftigten und 13 Jahren hätten Ganse- Öffentlichen Dienstes existiert von großen Streitfragen geprägt. aufgrund des strukturellen Genbesser vertreten. rers Veränderung von Anfang an seit 1946 in Bayern. Ausschuss- Ein kontroverses Thema sei die der-Pay-Gaps zusätzliche LösunNeben dem Ausschuss für Fra- akzeptiert. vorsitzender ist Wolfgang Fackler Frage der Entgeltgruppe A13 gen und obwohl der Öffentliche Ganserers Wunsch, von der von der CSU. Der Ausschuss für Grundschullehrerinnen Dienst die gesetzliche Quote bei gen des Öffentlichen Dienstes sitzt die 1977 in Zwiesel geborene Öffentlichkeit so akzeptiert zu entspricht in seiner Größe mit und -lehrer, hier “bewegt sich der Einstellung von Menschen mit Ganserer auch im Verkehrsaus- werden, wie man ist, sei überwäl- 14 Mitgliedern nicht dem klassi- die Staatsregierung bisher über- Handicap erfülle, sieht Ganserer schuss. Ein direkter Zusammen- tigend gewesen. Das Coming-out schen Zuschnitt der Ministerien, haupt nicht”. Auch im Bereich Verbesserungsbedarf. Ebenso im hang besteht zwar nicht, beide eine Befreiung. Sie kritisiert, die da er bei den dienstrechtlichen der Personalgewinnung im Bal- Bereich sexueller Orientierun– Verkehr und Öffentlicher Dienst Einteilung in Mann oder Frau Belangen der einzelnen Minis- lungsraum München müsste es gen und geschlechtlicher Vielfalt: “Aus zahlreichen Studien über – sind für Ganserer aber Her- erfolge von Geburt an. Anhand zensthemen. Im Gegensatz zum sichtbarer Geschlechtsmerkmale Diskriminierungserfahrungen Verkehrsausschuss stehe man würden Babys in Männlein oder wissen wir, dass für Menschen, mit dem Ausschuss für Fragen Weiblein eingeteilt. Die sexuelegal ob sie schwul, lesbisch, bides Öffentlichen Dienstes nicht le Identität entwickelt sich auf oder transsexuell sind, insbesondere der Arbeitsplatz einen immer so im medialen Mittel- Geschlechterrollen aufbauend Bereich der Diskriminierung darpunkt, könne aber durchaus – nicht so bei Tessa Ganserer. politisch etwas erreichen. Sie unterscheidet hiervon ganz stellt.” Hier brauche es Leitlinien klar ein Geschlechtsbewusstsein. für geschlechtliche Vielfalt und Walk on the Wild Side Dieses entstehe im Kopf, nicht Diversitätsnetzwerke. Einzelne Bundesländer hätten hierfür die (BS) Queer wird als Sammelbegriff für alle Menschen verwendet, Ihre Ausbildung zum Forst- zwischen den Beinen. Darum welche von der heterosexuellen Geschlechternorm abweichen. Dem Charta der Vielfalt unterschieben, wirt hat Ganserer im staatli- bezeichnet sie sich als Tansiheutigen Verständnis von Queerpolitik werden die Interessen dem Bayern nicht. chen Forstamt in Zwiesel im dente, nicht Transsexuelle. Der Akronym LSBTIQ zugeordnet. Die deutsche Abkürzung LSBTIQ steht Insbesondere “der Öffentliche Bayerischen Wald gemacht. Begriff wird oft als Synonym für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queers. QueerDienst hat einen Vorbildcha2005 hat sie ihr Studium der zum medizinischen Begriff der politik setzt sich für mehr Akzeptanz und gegen Diskriminierung und rakter, um ein Klima der AkzepWald- und Forstwirtschaft an der Transsexualität gebraucht. Der Gewalt gegenüber LSBTIQ sowie ihre rechtliche und gesellschaftliche tanz und Toleranz zu fördern, Fachschule in Weihenstephan Begriff der Transidentität betont Gleichstellung ein. genauso wie große globale Konabgeschlossen und danach als die Identität und nicht die SexuFoto: BS/© Farknot Architect, stock.adobe.com zerne. Selbst die Bundeswehr persönlicher Mitarbeiter bei Dr. alität der Betroffenen.

Queerpolitik

Regenbogennetzwerke im Öffentlichen Dienst, die einen Austausch der Betroffenen fördern, gibt es kaum. Bei der Bundespolizei arbeiten spezielle Ansprechpersonen. Dies sind nach außen Ansprechpersonen für Menschen, die Opfer von Hasskriminalität wurden. Bei transphoben oder homophoben Gewaltverbrechen existiert ein hohes Dunkelfeld, weil sich die Betroffenen schämen und Angst haben, zur Polizei zu gehen. Die Ansprechpersonen fingieren in die Verwaltung hinein als Vertrauenspersonen. Ganserer ist sich sicher, dass ein großer Teil von Queermenschen im Beruf nicht geoutet lebt GS aus Angst vor Diskriminierung. Das hätte massive Auswirkungen auf das Betriebsklima. Ganserer hat selbst erlebt, wie es sich anfühlt, einen Teil ihrer Persönlichkeit verstecken zu müssen. Sie fordert: “Auch hier müsste die öffentliche Hand einmal aus Fürsorgepflicht für die Beschäftigten tätig werden und könnte beispielgebend für die ganze Wirtschaft und damit für die ganze Gesellschaft sein.” Trotz der Diskriminierungserfahrungen und der Rechtslage bereut Ganserer ihr persönliches Coming-out nicht. Ihre Angst, nicht die Akzeptanz zu erfahren, die sich wünscht, hält sie heute für unbegründet. Dennoch wünscht sie sich andere Rahmenbedingungen für Transidente und Transsexuelle. Dies betrifft im Wesentlichen das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) und die damit verbundene Personenstandsänderung. Sie lehnt das Gesetz ab und hält es für “einen absolut unzulässigen Eingriff in meine grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechte”. Es erfordere für eine Geschlechtsumwandlung zwei psychologische Gutachten, eine Hormontherapie, die Scheidung bei Verheirateten und ein einjähriges Leben als geoutete Transsexuelle ohne offizielle Dokumente. Man befinde sich in einem schwebenden Zustand, was täglich zu neuer Diskriminierung führe. “Wenn man irgendwo im Hotel eincheckt, das man als Frau reserviert hat, das Personal einen eindeutig als Frau anspricht und dann freundlich um den Personalausweis bittet, wird für einen Außenstehenden erst einmal die Identität infrage gestellt. Mindestens gibt es irritierende Blicke”, schildert die Transidente ihre Erfahrungen. Auch medizinische Maßnahmen würden erst durch die Krankenkassen finanziert, wenn man ein Jahr als Transidente oder Transsexuelle gelebt habe. Letztlich entscheide ein unbeteiligter Richter über die Geschlechtsidentität. Eine Reform des TSG müsste aus Ganserers Sicht beinhalten, dass eine Selbstauskunft in einem einfachen und unbürokratischen Verfahren zur Geschlechtsidentität oder -sexualität ausreicht. Letztlich bedürfe es “verstärkter Akzeptanzarbeit, staatliche Beratungsstellen für Transpersonen gibt es so gut wie überhaupt nicht”, kritisiert Ganserer.


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