Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. II / 36. Jg / 7. Woche
G 1805
Berlin und Bonn / Februar 2020
www.behoerdenspiegel.de
Polizeistärke deutlich erhöhen
Positive Aufbruchstimmung
Zu zweit gegen eine Übermacht
Michael Stübgen über seine Agenda als Brandenburger Innenminister ��������������� Seite 7
Dorothee Bär zur Verwaltungsdigitalisierung ����������������������� Seite 27
Dietmar Schneider und Daniel Maas zur Schädlingsbekämpfung ���������������������� Seite 51
Registeridee begrüßt (BS/mfe) Die Bundesregierung will die Rahmenbedingungen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeitsüberprüfungen verbessern. Dazu soll ein Luftsicherheitsregister zu den Sicherheitskräften eingeführt werden. Dieses Vorhaben wurde von mehreren Sachverständigen im Innenausschuss des Deutschen Bundestages positiv bewertet. Uwe Büchner vom bayerischen Verkehrsministerium bezeichnete das Register als das wichtigste Element des Gesetzesvorhabens. Auch Prof. Dr. Wolfgang Däubler von der Universität Bremen hält die Einrichtung des Registers für richtig. Gleiches gilt sowohl bei Büchner als auch bei Däubler für die geplante Beteiligung der Bundespolizei und des Zollkriminalamtes an Zuverlässigkeitsüberprüfungen. Dissens zwischen den beiden gibt es in Bezug auf die künftig vorgesehene Auswertung des zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters.
Mehr Kompetenzen verlangt (BS/mfe) Städten sollen künftig mehr eigene Möglichkeiten bei der Verkehrslenkung, Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie bei der Erprobung neuer Regeln im Straßenverkehr eingeräumt werden. Diese Forderung stellen Verantwortliche des Deutschen Städtetages (DST) auf. Dazu solle der Bund die derzeitige Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) an mehreren Punkten noch erweitern. DST-Vizepräsident Markus Lewe verlangt: “Wir wollen mehr Sicherheit für Radfahrende im Verkehr und wir wollen dafür den öffentlichen Raum für alle Beteiligten besser aufteilen.” Ziel sei es, dass der Bund die aktuelle StVO-Überarbeitung so ergänze, dass Städte selbst mit ihrem Wissen über Geschwindigkeitsbeschränkungen vor Ort entscheiden könnten, sofern dies ein Mehr an Sicherheit mit sich bringe.
Wie hoch darf die Messlatte sein? Zeitgemäße Eingangsvoraussetzungen bei der Fachkräftegewinnung (BS/Jörn Fieseler) Die Bundespolizei soll die Eingangsvoraussetzungen für Bewerber im Polizeidienst abgesenkt haben. So lautet der Vorwurf, dem die Behörde selbst vehement widerspricht. Es ist das jüngste Beispiel einer immer wiederkehrenden Diskussion. Am Ende lässt sich keine klare Antwort geben, fällt das Urteil different aus. Letztlich verbergen sich dahinter zwei andere Ursachen. Diese müssen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden und erfordern heterogene Lösungen. “Die Voraussetzungen für eine Bewerbung zur Bundespolizei werden regelmäßig evaluiert und gegebenenfalls angepasst”, wird seitens des Bundespolizeipräsidiums mitgeteilt. Die Anforderungen seien ausdrücklich nicht abgesenkt worden. Nach der Abschaffung der körperlichen Mindest- und Maximalgröße ist nun der Sporttest überarbeitet worden, mit dem die Eignung der Bewerber überprüft wird. Anstelle eines Standweitsprunges und von Liegestützen wurde ein Pendellauf in die Ausbildung aufgenommen. Außerdem die Fehlertoleranz im Diktat erhöht. Rechtschreibfehler bei Worten wie “Chrysantheme” werden nicht mehr als Fehler gewertet. Doch was sagt es über den Bewerber aus, wenn er 30 Liegestütze machen oder einen Meter aus dem Stand springen kann? Heutzutage ist aus sportwissenschaftlicher Sicht eine Ganzkörperagilität gefragt, die sich eben besser mit einem Pendellauf überprüfen lässt. Vor allem dann, wenn in den Pendellauf noch zusätzliche Übungen, wie das Tragen von Gegenständen oder Ähnliches, integriert werden. Somit kann hier von einem Absenken nicht gesprochen werden. Und bei der Sprache? Sie ist das erste und wichtigste Einsatzmittel der Polizei. Hier sollten keine Abstriche gemacht werden.
Anforderungsprofile und Eingangsvoraussetzungen sind ein unabdingbares Muss für die Laufbahnen im Öffentlichen Dienst. Diese dürfen nicht zu hoch sein, sonst schafft niemand den Sprung über die Latte, aber auch nicht zu niedrig, sonst werden sie den Anforderungen an das Amt nicht gerecht. Foto: BS/Stefan Schurr, stock.adobe.com
Wobei die Frage im Raum stehen bleibt, ob das Diktat noch zeitgemäß ist, um die sprachliche Eignung der Bewerber zu überprüfen. Fakt ist: Unsere Gesellschaft wird immer unfitter, wie es ein Sportmediziner von der Deutschen Sporthochschule in Köln ausdrückte. Und: Das Leistungsniveau bei Bewerbern für den Öffentlichen Dienst sinkt. Zugleich braucht der Öffentliche
Dienst mehr Nachwuchs. Nicht nur wegen des demografischen Wandels. Auch die zusätzlichen Stellen sind zu besetzen, die in den letzten Jahren überwiegend im Sicherheitsbereich geschaffen wurden. Dieser Spagat hat Auswirkungen auf Auswahlverfahren. Bei Auszubildenden dienen die Tests vor allem dazu, die Spreu vom Weizen zu trennen. Die weniger Geeigneten auszusieben. Wird
die Messlatte weniger hoch aufgelegt, kommt es allenfalls dazu, dass Bewerber, die in den letzten Jahren an Einzelergebnissen gescheitert sind, mit der gleichen Leistung heute eingestellt werden würden. Diese kleineren Defizite gilt es, in der Vorbereitung auf den späteren Dienst auszugleichen. Notfalls durch individualisierte Inhalte. Wer zum Beispiel sprachlich nicht die besten Ergebnisse erzielt
Kommentar
“Hamburger Modell” in Berlin?
Hessen prüft Rückkehr in TdL
(BS) Seit dem 1. August 2018 können sich alle neuen Beamtinnen und Beamten des Landes Hamburg freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichern. Sie erhalten bei einem unwiderruflichen Verzicht auf die Beihilfe, die im Regelfalle bis zu 80 Prozent der direkt anfallenden Krankheitskosten durch den Dienstherrn erstattet, einen Arbeitgeberzuschuss, “pauschale Beihilfe” genannt. Doch weder für den Einzelversicherten noch für den Arbeitgeber, die Freie Hansestadt Hamburg, ergeben sich daraus Vorteile, einzig bleibt der ideologisch motivierte Gewinn.
(BS/stb) Die Landesregierung Hessens prüft eine Rückkehr in die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Infrage käme dieser Schritt aber nur, wenn dabei die Vorteile des Hessentarifs erhalten blieben. In seiner Antwort auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage aus der SPD-Landtagsfraktion erklärte Innenstaatssekretär Dr. Stefan Heck (CDU), der Hessentarif sei für die Beschäftigten grundsätzlich günstiger als der TdL-Flächentarif. Sie würden von 150 Vorteilen profitieren, so vom kostenlosen Landesticket für Nah- und Regionalverkehr. Eine Rückkehr würde eine Integration dieser Vorteile in den TdL-Flächentarif erfordern. Ob das möglich sei, sei durch die TdL-Mitgliederversammlung zu klären.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte daher auch, das “Hamburger Modell” sei ein “großartiger Schritt in Richtung Bürgerversicherung”. Nun steht auch Berlin kurz vor dem Paradigmenwechsel, so steht es im Koalitionsvertrag von RRG. Nachdem Hamburg seinen Beamten die Wahl zwischen klassischer Beihilfe sowie einer “pauschalierten” geöffnet hat, sind mittlerweile die Länder Bremen, Brandenburg und Thüringen nachgezogen. In Berlin will die Koalition den Wechsel in den nächsten Wochen ermöglichen. Auch im Freistaat Sachsen steht das Thema im Koalitionsvertrag, wohl weil SPD und Grüne es dort genannt haben wollten, ohne
dass in Dresden davon ausgegangen wird, dass dieser Punkt aus dem Koalitionsvertrag tatsächlich umgesetzt wird. Für den öffentlichen Arbeitgeber bringt die Ermöglichung des Wechsels von Beamtinnen und Beamten aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung eindeutig Mehrkosten. Der Hamburger Senat hat für 2.400 GKV-versicherte Beamte Mehrkosten in Höhe von 5,8 Mio. Euro jährlich ausgerechnet. Auch für den Versicherten bringt ein Wechsel in die GKV im Einzelfall finanzielle Nachteile. Spätestens im Pensionsalter werden Krankenversicherungsbeiträge bei der GKV auf Pension, Kapitalerträge oder auch Mieteinkünfte fällig.
Aber auch Nachteile bei den Leistungen der GKV gegenüber der PKV machen einen Wechsel nicht sinnvoll. Die PKV zahlt für Heilpraktiker, für implantologische Leistungen sowie mehr für Hörgeräte und Zahnersatz. Daher wundert es nicht, dass in Hamburg nur ganze zwei Prozent der Beamtenschaft wechselten. Ein gravierender Nachteil eines Wechsels noch zum Schluss: Findet ein Beamter mit “pauschaler Beihilfe” einen neuen Dienstherren in einem Bundesland mit nur klassischer Beihilfe, muss er je nach Einstiegsalter sehr hohe PKV-Beiträge entrichten oder den GKV-Tarif komplett aus der eigenen Tasche zahlen.
Uwe Proll
Zugespitzt
hat, braucht mehr Deutschunterricht. Wer etwa weniger fit ist, mehr Sport. Dafür muss es den entsprechenden Raum in den Lehrplänen geben. Anders in Fällen, wo es um die Einstellung von Menschen mit universitären Abschlüssen geht. Zum Beispiel bei der Einstellung von Naturwissenschaftlern, Technikern und Ingenieuren in die technischen Laufbahnen. Oder von Ärzten und Veterinären in Gesundheitsämtern. Hier geht es vor allem um das Leistungsniveau. In den Referendariaten oder Vorbereitungsdiensten geht es darum, das verwaltungsrechtliche Fachwissen zu vermitteln. Das Fachspezifische müssen die neuen Beamten oder Tarifangestellten mitbringen (siehe dazu auch Seite 6 in dieser Ausgabe). Anstelle des Herabsenkens der Eingangsvoraussetzungen müssen hier zusätzliche Anreize geschaffen werden. Einer ist die Vergabe von Stipendien mit der anschließenden Verpflichtung, mehrere Jahre in der öffentlichen Verwaltung zu arbeiten. Dabei sollte dieser Zeitraum so gewählt werden, dass er identisch ist mit der Zeit als Beamter auf Probe und auf Widerruf. Denn die Wahrscheinlichkeit ist höher, dass die früheren Stipendiaten sich für den Öffentlichen Dienst entscheiden, wenn der Status Beamter auf Lebenszeit winkt.