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BehÜrden Spiegel / März 2019
Aktuelles Ă–ffentlicher Dienst
Erkennen, thematisieren, heilen
E
s muss nicht immer ein gewalttätiges Vorgehen gegen einen Beamten sein, das auf die psychische Verfassung eines Staatsdieners Auswirkungen hat. Auch verbale Beleidigungen wie etwa “fĂźr jedes Stadionverbot ‌ Bulle Totâ€? sind nicht folgenlos, erläutert Sven Steffes-Holländer, Chefarzt Psychosomatik der Heiligenfeld Klinik in Berlin. Solche Vorfälle, in der medizinischen Fachsprache als Trauma bezeichnet, kĂśnnen Angstzustände, VerhaltensstĂśrungen, Sucht, Depressionen oder posttraumatische BelastungsstĂśrungen (PTBS) auslĂśsen. Gerade letztere sind sehr schwer zu erkennen.
Posttraumatische BelastungsstÜrungen bei Einsatzkräften (BS/jf) 2017 verzeichnete die Polizei ßber 73.000 Fälle von Gewalt gegen Einsatzkräfte. Tendenz: weiter steigend. Betroffen sind nicht nur Polizisten, sondern auch Sanitäter, Feuerwehrkräfte, aber auch Mitarbeiter in Jobcentern oder in der Steuerverwaltung. Die betroffenen Beamten und Angestellten gilt es zu versorgen. Das ergibt sich schon aus der Fßrsorgepicht des Dienstherrn. Doch nicht nur die kÜrperlichen Folgen sind zu behandeln, sondern auch die seelischen.
Erste Anzeichen: Verhaltensänderungen “Generell gilt es bei PTBS, zwischen zwei Typen von Traumata zu unterscheidenâ€?, so der Facharzt fĂźr Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Sozialmedizin. Typ-I-Traumata werden durch einmalige, unerwartete Vorfälle hervorgerufen, die mit einer akuten Lebensgefahr verbunden sind. Hierzu zählen unter anderem Verkehrsunfälle oder Gewalterlebnisse. DemgegenĂźber sind Typ-II-Traumata solche, die durch langanhaltende, sich wiederholende Ereignisse entstehen, deren Verlauf unvorhersehbar ist. Zu diesen zählen langanhaltende Naturkatastrophen ebenso wie Folter, Inhaftierung oder wiederholte Vergewaltigungen. Letztere werden im Gehirn besonders gespeichert und kĂśnnten zu Intrusionen fĂźhren, zu einem viralen unkontrollierbaren Wie-
Beleidigungen, Schicksalsschläge oder selbst erlebte bzw. erlittene Gewalt kÜnnen bei Beamten und Angestellten zu posttraumatischen BelastungsstÜrungen fßhren. Sie zu erkennen und zu behandeln, ist nicht leicht. Foto: BS/Anemone123, pixabay.com
dererleben der Ereignisse vergleichbar mit einem Alptraum, erklärt der Mediziner. Dies kÜnne wiederum zu Veränderungen in den Stimmungen und Kognitionen fßhren, etwa zu Trauer, Schuld, Scham, Wut, Leere oder zu einem Interessensverlust und Rßckzug. Auch das Aktivitätsund Erregungsniveau bleibe nicht unberßhrt, zum Beispiel in Form von Stress, Schreckhaftig* ' * 8 -
trationsproblemen, durch eine erhĂśhte Nervosität oder Reizbarkeit bis hin zum Suchtverhalten, z. B. dem ĂźbermäĂ&#x;igen Genuss von Alkohol. Dabei kĂśnne ein Suchtverhalten auch ein Akt der Selbstbehandlung sein. Erschwerend komme hinzu, dass eine PTBS meist zeitverzĂśgert auftrete. Es komme zu einer Art Schockstarre ohne =  ? ‚' fortmaĂ&#x;nahmen laufen damit ins
Reichen zwei Parameter? BDVR hält Rechtsentwicklung fßr richtig (BS/jf) Die Richterbesoldung in Berlin in den Besoldungsgruppen R 1 bis 3 fßr die Jahre 2009 bis 2015 ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verfassungswidrig. Nun befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall. Dabei geht es vor allem um das 2015 entwickelte Prßfschema zur Feststellung der Unteralimentation. 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ßber die Besoldung der Kollegen in Berlin zu entscheiden. Auf der Grundlage des vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entwickelten Prßfschemas kam es zu dem Ergebnis, dass zwei der insgesamt fßnf vorgegebenen Parameter ßberschritten waren. Nach der Rechtsprechung des BVerfG mßssen aber mindestens drei Parameter erfßllt sein, damit von einer verfassungswidrigen Unteralimentation ausgegangen werden kÜnne. Das sahen die Leipziger Richter vom hÜchsten Verwaltungsge-
richt anders. Sie entwickelten das PrĂźfschema weiter. Wenn nur zwei Parameter in besonders deutlicher Weise erfĂźllt seien, liege ebenfalls eine Unteralimentation vor. Am Ende stand ein Aussetzungs- und Vorlagenbeschluss. Den bearbeiten aktuell die VerfassungshĂźter in Karlsruhe und haben Arbeitgebern wie Verbänden nun Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen (BDVR) stimmt dem Vorgehen der Leipziger Richter “uneingeschränkt zuâ€?, wie dessen Vorsitzender Dr. Robert SeegmĂźller mitteilte. Die ErfĂźllung einer evident unangemessenen Alimentation sei ausnahmsweise schon bei der ErfĂźllung von zwei Parametern anzunehmen, wenn zumindest bei einem die Differenz um mehr als fĂźnf Prozent Ăźberschritten sei. “Dies scheint nicht zuletzt deshalb geboten, weil der Gesetzgeber sonst der Versuchung erliegen kĂśnnte, die geringstmĂśgliche Besoldung zu wählen, mit der drei Parameter nur knapp unterschritten, zwei Parameter aber deutlich Ăźberschritten werdenâ€?, so der BDVRVorsitzende. Zudem komme es
durch die pauschalisierende Betrachtungsweise zu erheblichen Verzerrungen zulasten der Besoldungsempfänger. Damit wßrde ein Niveau zugrunde gelegt, welches tatsächlich nie erreicht wßrde. Darßber hinaus sei auch der Mindestabstand der Nettoalimenation der Beamten zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau nicht eingehalten. Dieser mßsse laut Rechtsprechung des BVerfG 15 Prozent ausmachen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit einem eigens entwickelten Berechnungsmodell in jahreweiser Berechnung festgestellt, dass die Besoldung der Berliner Beamten in der jeweils untersten Besoldungsgruppe seit 2009 diesen Abstand deutlich unterschritten habe. Das Ergebnis wßrde fßr die Jahre ab 2010 sogar noch deutlicher ausfallen, wenn die gestiegenen Beiträge fßr die private Krankenversicherung eingerechnet wßrden. Wann in Karlsruhe ßber die Berliner Richterbesoldung entschieden wird, steht noch nicht fest. Das Verfahren kann aber noch eine Weile dauern, bis alle Stellungnahmen ausgewertet und gegenßbergestellt worden sind.
Leere�, sagt Steffes-Holländer. Wie bei allen Krankheiten gibt es auch bei der PTBS Faktoren, die eine solche Krankheit begßnstigen oder sich schßtzend
auswirken. Zu den Risikofaktoren gehĂśren Ereignisse wie der Tod oder die Verletzung eines persĂśnlich bekannten Kollegen, die Gefährdung der eigenen Person oder Situationen, in denen Kinder die Leidtragenden sind, berichtet Steffes-Holländer. Aber auch eine schlechte Bezahlung und Ausstattung, Feindseligkeiten durch BĂźrger in Form von Beleidigungen, eine andauernde ArbeitsĂźberlastung oder Wechselschichten kĂśnnen eine ^ ' ! ' gar Fälle, in denen Einsatzkräfte erleben mĂźssen, dass ihre Arbeit nutzlos ist bzw. sich nichts verändert, hallen nach, erläutert der Chefarzt Psychosomatik. Im Gegenzug wĂźrden Menschen mit einem starken Selbstbild, hoher sozialer Motivation, einer konstruktiven Lebensphilosophie und Ausgeglichenheit weniger anfällig fĂźr eine PTBS sein. Auch ein hohes MaĂ&#x; an Aufgeschlossenheit, FĂźrsorglichkeit, Hilfsbereitschaft oder
die Liebe zu den Mitmenschen wirkt sich schĂźtzend aus. Ein Schutz- oder Risikofaktor sei die soziale UnterstĂźtzung. “Fehlt sie, ist es ein Risikofaktor. Ist sie vorhanden, wirkt sie schĂźtzendâ€?, so der Mediziner.
Aufgabe fĂźr Vorgesetzte und Personalräte Aber nicht jedes Anzeichen, das bei den Kollegen festgestellt werde, sei gleich ein Indiz fĂźr eine posttraumatische BelastungsstĂśrung. Das Erkennen sei entsprechend schwierig. Helfen kĂśnne, darĂźber im Kollegen-, Familien- oder Freundeskreis zu sprechen. Aber dies sei gerade fĂźr Einsatzkräfte und insbesondere Männer immer noch eine groĂ&#x;e HĂźrde, weiĂ&#x; SteffesHolländer: “Das verhindert den Weg in eine professionelle Begleitung.â€? Entsprechend komme neben den Vorgesetzten auch den Personalräten eine groĂ&#x;e Bedeutung zu. Besonders den Personalräten, die als KontaktmĂśglichkeit auĂ&#x;erhalb der Hierarchie stehen. Beide mĂźssen in der Lage sein, die Symptome zu erkennen und zu deuten. Grundvoraussetzung ist dafĂźr, dass Vorgesetzte und Personalratsmitglieder den Umgang mit psychischen Erkrankungen beherrschen.
Es sind nicht nur “die in BrĂźsselâ€? Betrug im Ăśffentlichen FĂśrderwesen (BS/Ingo Sorgatz) “BetrugsbekämpfungsmaĂ&#x;nahmen auf EU-Ebene offenbar nicht ausreichendâ€?, so Ăźberschrieb diese Zeitung im Januar 2019 auf Seite 12 einen Beitrag, der, aus einem Bericht des Europäischen Rechnungshofs zitierend, deutliche Schwächen im Umgang mit EU-FĂśrdermitteln aufzeigt. Vier Aspekte wurden besonders kritisiert, doch auch deutsche Verwaltungen sind nicht immer fehlerfrei. Angeprangert wurden in dem Bericht insbesondere erstens betrugbegĂźnstigende Informa $ " beteiligten BehĂśrden, zweitens ein erheblicher Reformbedarf bei der Anti-BetrugsbehĂśrde OLAF, drittens die mangelhafte Aufklärungs- und RĂźckforderungsquote in Verdachtsfällen und viertens das Fehlen eines wirksamen Präventionssystems. Wenn laut Europäischem Rechnungshof sieben von zehn EU-BĂźrgern den Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts als ‚ $ ^ & wahrnehmen, so mag das auf den ersten Blick zwar zum ZurĂźcklehnen und zum Fingerzeig auf “die in BrĂźsselâ€? verleiten. Zumal es fĂźr Deutschland keine vergleichbaren Erhebungen gibt. Und sicherlich, beim Stichwort FĂśrderbetrug in der EU stellen wir uns nur zu gern klischeehaft die ins Nichts fĂźhrende BrĂźcke in Italien, den nur auf dem Pa  " chen GroĂ&#x;betrieb in Rumänien oder längst abgewrackte, aber munter weiter subventionierte Fährschiffe in Griechenland vor. Aber liegen wir damit immer richtig? Kann sich Deutschland eines national “sauberenâ€? FĂśrderwesens rĂźhmen, frei von Betrug und Korruption? Die Antwort lautet Nein. Auch hierzulande sind die Jahresbemerkungen von Bundes- und LandesrechnungshĂśfen wiederkehrend gut gefĂźllt mit Fällen von FĂśrdermittelverschwendung und zweckwidriger Verwendung bis hin zu Betrugs- und Korruptionsfällen. Aktuell und mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl nicht ohne politischen ZĂźndstoff erregt die Brandenburgische Investitionsbank (ILB) derzeit mit dem Verdacht einer Korruptionsaffäre Aufsehen. Wie lokale Medien unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft Neuruppin berichten, wird gegen eine ehemalige Referatsleiterin der Bank und ein Unternehmerehepaar, dessen Firmen in den letzten Jahren 20 Millionen Euro FĂśrdergelder erhalten haben, wegen des Verdachts der
stände in der Verwendungsnachweisprßfung, gut gemeinte, aber aufgrund risikobelasteter FÜrdermittelnehmer schlecht umgesetzte Projekte an, die mÜglicherweiFoto: BS/privat se im Nachgang mehr Probleme verursachen, als $ ! Und auch Deutschland schafft es derzeit nicht, eine lange ßberfällige Entschlackung des nationalen FÜrderwesens wirklich voranzubringen. Letzteres wird voraussichtlich wohl erst dann wieder ernsthafter in den Fokus rßcken, wenn die fßr FÜrderprogramme verfßgbaren Haushaltsmittel in Bund und Ländern knapper werden. Ansatzpunkte, bei der FÜrdermittelvergabe hier und da etwas genauer hinzusehen, Mittel einzusparen sowie ? ? $ * $ sich ganz sicher in den Haushaltsplänen vieler BehÜrden.
Ingo Sorgatz, Erster Kriminalhauptkommissar und Dipl.-Verwaltungswirt (FH), ist nach langer Tätigkeit im kriminalpolizeilichen Bereich seit mehreren Jahren fßr Interne Revision und Korruptionsprävention zuständig.
Vorteilsannahme ermittelt. In der Region sind solche Vorfälle nicht fremd, denkt man etwa an den vor einigen Jahren Üffentlich gewordenen Skandal um zweckentfremdete FÜrdermittel beim Deutschen Institut fßr Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Besonders pikant seinerzeit, dass die frßhzeitige Aufdeckung der Vorkommnisse und Rßckforderung von FÜrdermitteln laut Rechnungshof offenbar auch dadurch erschwert wurde, dass die zuständige Senatsverwaltung die notwendigen Verwendungsnachweisprßfungen nicht rechtzeitig durchgefßhrt hatte.
RegelmäĂ&#x;ige Mahnungen ‡ ! $ ! Risiken stehen in manchen FĂśrdergebieten aber immer wieder Fragen im Mittelpunkt, die sich darauf beziehen, ob die richtigen Themen und FĂśrderziele mit geeigneten und zuverlässigen Projektnehmern bedient werden. Die Beispiele hierzu sind ebenfalls zahlreich, besonders im Fokus stehen derzeit zum wiederholten Male etwa die FĂśrderungen zugunsten des Moscheen-Verbandes Ditib. Betreibt man nach Vorfällen anlassbezogene Nachlesen, so ist es indes nicht so, dass diese stets Ăźberraschend kommen. ErfahrungsgemäĂ&#x; sind Misswirtschaft und dolose Handlungen gerade in solchen FĂśrderprogrammen begĂźnstigt, in denen das präventive interne Kontroll- und Evaluationssystem nur schwach ausgeprägt ist. PrĂźfer mahnen regelmäĂ&#x;ig beispielsweise nicht gegebene Compliance-Standards bei Projektnehmern, Personalmängeln geschuldete RĂźck-
Mehr zum Thema Der BehĂśrden Spiegel greift die aktuellen Entwicklungen rund um das FĂśrderwesen in zwei Seminaren auf. Die Betrugsund Korruptionsaufdeckung, das Risikomanagement und die Revision im Zuwendungsverfahren sind Themen des Seminars â€œĂ–ffentliches FĂśrderwesen auf dem PrĂźfstandâ€? am 29. April 2019 in Berlin. Das Zusammenspiel zwischen den vergaberechtlichen Vorgaben und der Gewährung von FĂśrdermitteln ist Gegenstand der Veranstaltung “Vergaberecht und FĂśrdermittelâ€? am 24. Mai 2019 in DĂźsseldorf. Weitere Informationen und Anmeldung unter www. fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “FĂśrderwesenâ€? oder “FĂśrdermittelâ€?