Behörden Spiegel Juni 2019

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VI / 35. Jg / 23. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Juni 2019

www.behoerdenspiegel.de

Mobilitätsketten im Blick haben

Mit der Zeit gehen

Der etwas andere Sherlock Holmes

Kathrin Schneider zum nachhaltigen ÖPNV............................................................Seite 21

Hans-Joachim Grote über die “Polizei 2020”.............................................. Seite 38

Karl-Heinz Rusch arbeitet beim Prüf- und Messdienst der Bundesnetzagentur ............ Seite 48

Nicht unabhängig genug (BS/mfe) Deutsche Staatsanwaltschaften weisen keine ausreichende Unabhängigkeit von der Exekutive auf. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden. Die Richter folgten den Schluss­ anträgen des Generalanwalts, die dieser im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Obersten Gerichtshofs und des Hohen Gerichtshofs Irlands veröffentlicht hatte. Somit dürfen Staatsanwaltschaften hierzulande vorerst keinen Europäischen Haftbefehl mehr ausstellen, da aus Sicht der EuGH-Juristen die Gefahr einer Einflussnahme, etwa durch ein Justizministerium, besteht. Außerdem gelten die deutschen Staatsanwaltschaften damit nicht als Justizbehörde im Sinne des einschlägigen EU-Rahmenbeschlusses 2002/584/JI.

Cyber-Attacken auf Flugbereitschaft? (BS/stb) Im Zusammenhang mit der Pannenserie bei der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) zieht die Bundesregierung auch Sabotage oder Cyber-Angriffe als Ursache in Betracht. Nach der Notlandung der “Konrad Adenauer” auf dem Flughafen Köln/Bonn mit der Bundeskanzlerin an Bord, hatten nach Informationen des Behörden Spiegel Verfassungsschutz und Polizeibehörden sofort an die Möglichkeit eines gezielten Angriffs gedacht. Im Bundeskriminalamt wurde über eine Radarwaffe oder einen elektromagnetischen Impuls als Ursache nachgedacht. Auch das zuständige Kommando Luftwaffe schließt im Rahmen seiner Untersuchung der Pannenserie einen Sabotage-Akt oder Cyber-Angriffe nicht mehr aus.

Behörden in den Osten (BS/rup) Bis zum Jahr 2022 will die Bundesregierung rund 5.000 Stellen in die neuen Bundesländer verlegen. 1.500 dieser Stellen stellt Bundesinnenminister Horst Seehofer aus seinem Ressort “zur Verfügung”, die sich mithilfe der zahlreichen Neueinstellungen bei der Bundespolizei gut abdecken lassen. Statt an vier Standorten Dependancen zu etablieren, soll das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit 200 Stellen eine “Zweigstelle” in Dresden errichten. Das Verkehrsministerium hat bereits geliefert, 250 Beschäftigte sollen zum Fernstraßen-Bundesamt nach Leipzig kommen. (siehe Seite 5). Alles wird jetzt zumindest vor dem Wahltermin im September in Sachsen verkündet. Auch die neu eingerichtete Agentur für Innovation in der Cyber-Sicherheit (AIC), die am Flughafen Leipzig / Halle angesiedelt werden soll (BMVg / BMI).

Auf die Umsetzung kommt es an Ziele und Wirkungen zwischen Leitung und Linie (BS/Jörn Fieseler) Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Blockchain oder Cyber-Security, Industrie, Tourismus, Rohstoffe, nationale Vielfalt, Wasserstoff oder Jugend – nicht nur für diese Themenfelder gibt es Strategien. Bei der Entwicklung von langfristigen Verhaltensweisen, mit denen Ziele systematisch verfolgt und erreicht werden sollen, besteht kein Mangel. Ob es dazu ganzer Strategiestäbe oder eigener Abteilungen in Ministerien bedarf, ist fraglich. Zumal die Mängel an anderer Stelle bestehen. Die Leitungsabteilung im Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist aktuell auf 144 Dienstposten angewachsen. In der letzten Legislatur bestand der Stab “Strategie und Kommunikation” aus 95 Beschäftigten, wie das Ministerium mitteilte. Die Aufgaben der Abteilung lassen sich unter drei Überschriften subsummieren: erstens das klassische Ministeriumsgeschäft, wie Reden schreiben oder die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Zweitens die Bündelung von Themen, die in der Linienorganisation der Abteilungen und Referate verteilt sind. Und drittens die Koordination zwischen den Ressorts sowie der SPD. Durch diesen Schritt wird die Strategieentwicklung politisiert. Doch ist das BMF längst kein Einzelfall. Insgesamt acht von 14 Bundesministerien haben inzwischen die Strategieentwicklung auf der Leitungsebene verortet, wie Prof. Dr. Thurid Hustedt, Professorin für Public Administration und Management an der Hertie School of Governance untersucht hat. Für die Wissenschaftlerin ein deutliches Zeichen. Sie vertritt die These, die klassische Linienorganisation werde nicht als strategierelevant betrachtet, obwohl sie Strategien produziere. Die Entwicklung lässt sich sogar in dem Bereich verfolgen,

Wer strategische Ziele vorgibt, muss auch überprüfen, ob diese erreicht wurden und ihre Wirkung entfalten. Fundierte Daten sind dafür notwendig. Foto: BS/ipopba, stock.adobe.com

der letztlich über jede Strategie entscheidet: die Politik. Auch dort existieren Organisationseinheiten, die nur für Strategie und Planung zuständig sind. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt es beispielsweise eine zehnköpfige Planungsgruppe, die nach außen kaum in Erscheinung tritt, nach innen ebenfalls koordinierende Aufgaben erfüllt. Bei Bündnis 90/Die Grünen sind

ebenfalls sechs Stellen in der Bundesgeschäftsstelle für Strategie und Planung eingerichtet worden, indem die Geschäftsstelle umorganisiert wurde. Aber: Manche der eingangs genannten Strategien beziehen sich auf einzelne Politikfelder, für die in der Ministerialverwaltung eine ganze Abteilung steht. Dies zeigt: Die klassische Ministerialbürokratie ist durchaus strategie-

fähig. Mehr noch: Die Qualität der Verwaltung kann durch eine Strategie sogar noch gesteigert werden. Doch dazu darf es nicht nur bei der Definition von Zielen und Maßnahmen bleiben. Vielmehr muss auch dafür Sorge getragen werden, die Vorhaben zu realisieren und deren Wirkung zu messen. Dies scheitert bislang aus unterschiedlichen Gründen. Zum ei-

Kommentar

Auf was konzentrieren? (BS) Frauenförderung sollte Chefsache sein, ebenso Compliance, Cyber- und Terror-Resilienz, Integration und Migration, jetzt wieder Umwelt. Alles Mega-Themen. Mancher Bürgermeister und Behördenleiter sieht sich getrieben durch einen rasanten Agenda-Wechsel, weil Atemlosigkeit Kennzeichen dieser Zeit geworden ist. Kein Thema kann nachhaltig abgearbeitet werden. Folge: Für alles werden kurzfristig Beauftragte ernannt, neue Abteilungen, gar neue Behörden geschaffen. Die Organisations- und Personalstrukturen der öffentlichen Verwaltung sind aber per se auf Kontinuität programmiert, für raschen Agenda-Wechsel ungeeignet. 2015 war das Mega-Thema Migration. Die Einwanderungswelle sollte Behörden und Gesellschaft tiefgreifend verändern und dauerhaft herausfordern. Ein spürbares Maß an Normalität ist mittlerweile hier eingetreten. Diesem Mega-Thema folgt das nächste: die Umweltzerstörung. Stand schon mal auf der Agenda ganz oben, ist nun mit voller Wucht zurück. Es lässt sich nicht infrage stellen, doch es ist erlaubt, zu vermuten, dass es in seiner Dominanz auch wieder nur eine Zeitblüte bleibt. Vor all diesen wichtigen Themen sollte eigentlich in der heutigen modernen, demokratischen Gesellschaft ein Giga-Thema stehen: die Digitalisierung. Es ist in der

Gegenwart, noch mehr in der Zukunft das Kernthema. Nicht nur, dass sich die Themen Migration wie Umwelt durch digitale Verfahren besser bearbeiten lassen, Digitalisierung geht weiter. Sie ist nicht ein Hilfsmittel zu anderen Zwecken, sondern mittlerweile ein eigener. Simples Beispiel: Die persönliche Kommunikation der Menschen untereinander hat sich verändert. Kommuniziert wird online und Fremde werden zu Freunden, bisher persönlich Bekannte zu fernen Online-Beziehungen. Solch grundsätzliche Veränderungen werden auch auf den Staat zukommen. Schon jetzt ist ja erkennbar, dass politische Parteien in ihrer erstarrten Organisationsstruktur nicht mehr

in der Lage sind, agilen OnlineBewegungen auf Augenhöhe entgegenzutreten. Daher stellt sich die Frage, ob spontan zustande kommende digitale Mehrheiten politische Willensbildung der Parteien ersetzen. Der Staat und die Kommunen sind also gut beraten, im Digitalen mit genuinen Kommunikationsformen zu agieren. Der Gang zum Amt, das Ausfüllen von Formularen sind bald Geschichte. Wer das nicht versteht, riskiert, dass der digitale Staat basierend auf auch kommerziellen Plattformen im Internet entsteht, im Analogen zwar existiert, aber ohne Inanspruchnahme durch die Online-Bürger. R. Uwe Proll

Hindernislauf

nen ist die initiierende Ebene nur selten die ausführende. Letztere hat mitunter nicht die Mittel, um die Vorhaben umzusetzen, wie die Diskussionen um das Konnexi­ tätsprinzip, die Einrichtung der Autobahn GmbH und die stetigen Rufe der Länder und Kommunen nach zusätzlichen Geldern vom Bund zeigen. Zum anderen fehlt es an einer kontinuierlichen Exante-Wirkungsanalyse und Expost-Evaluierung von Gesetzen über die Zielerreichung. Die Erfolgsorientierung ist jedoch fester Bestandteil einer Strategie. Daher sollten alle handelnden Akteure auf Augenhöhe einbezogen werden, damit die Umsetzung gelingt. Des Weiteren müssen Wirkungsanalysen und Gesetzesevaluierungen zum Standardprozedere von Verwaltung und Politik gehören. Der Bürokratieabbau vor zwölf Jahren war deshalb erfolgreich, weil der Nutzen einer Regelung nicht diskutiert wurde, sondern nur die Informationspflichten, die sich für die Wirtschaft, den Bürger und die Verwaltung ergeben. Das ist heute überholt. Der Nutzen muss nachgewiesen werden. Nicht zuletzt, weil sich damit auch das eigene Image verbessern lässt. Es ist längst nicht mehr ausreichend, den Bürgern nur zu kommunizieren, wie viel Gelder für etwas bereitgestellt wurden.


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Juni 2019

Wie sich die öffentliche Verwaltung künftig exakt entwickelt, kann kaum sicher vorhergesagt werden. Blicke ins Fernrohr und Anpassungen an bereits heute absehbare Veränderungen sind jedoch möglich und zwingend erforderlich, um mit den technischen Entwicklungen Schritt halten zu können. Foto: BS/unpict, stock.adobe.com

Zukunft Staat und Rathaus Für einen zukunftsfähigen Öffentlichen Dienst

Urbane Datenräume

Kernkompetenz Cyber-Sicherheit

Technologischer Schuldenabbau, Digitalisierungstarifvertrag und vorhandene Möglichkeiten besser nutzen ............ Seite 3

Prof. Ina Schieferdecker über Innovationsmotoren in und für Kommunen .............. Seite 28

Technologiewandel in den Streitkräften..................... Seite 44

Gemeinsam auf einem guten Weg Erst der Inhalt, dann die Paragrafen!

Souverän digitalisieren

Rechtsetzung muss anders gedacht werden ................ Seite 4

Technologie beherrschen............................................ Seite 30

Mission Regionalverkehr!

Besser als ihr Ruf

Reaktivierung von Bahnstrecken mit Hindernissen.....Seite 13

Prof. Thomas Petri über ein Jahr Datenschutzgrundverordnung............................................................................ Seite 36

Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr ............................................................................ Seite 46

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

“Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie” Versorgungssicherheit allein durch Erneuerbare Energien? ................................................ Seite 20

Digitalisierung macht vor nichts Halt

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/726 26 22 12, Fax 030/726 26 22 10 Layout Beate Dach, Marvin Hoffmann, Karin Vierheller, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen/Redaktion/Vertrieb Tel. 0228/970 97-0, Fax 0228/970 97 75 Verlag Berlin Redaktion/Vertrieb 10317 Berlin, Kaskelstr. 41 Tel. 030/55 74 12-0, Fax 030/55 74 12 57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 30/2019, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen • Volksbank Köln Bonn eG IBAN: DE25 3806 0186 3015 6470 18 BIC: GENODED1BRS • Deutsche Bank IBAN: DE97 1007 0124 0302 6556 00 BIC: DEUTDEDB110 • Postbank IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Leitung Unternehmensentwicklung und Digitalisierung Dr. Eva-Charlotte Proll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D.

Auch polizeiliche Arbeit verändert sich massiv .......... Seite 40

Innen Spiegel

Regionale Digitalisierung Dieser Sommer bietet erstmals zwei Landeskongresse (BS/gg) Die Digitalisierung von Staat und Verwaltung wird nicht nur auf der Bundesebene, sondern insbesondere auch in den Ländern und Kommunen durch vielfältige Aktivitäten vorangetrieben. Um diesen regionalen Entwicklungen eine eigene Plattform und ein eigenes Format zu geben, veranstaltet der Behörden Spiegel mit verschiedenen Kooperationspartnern zunehmend Landeskongresse. Als nächstes stehen hier “BadenWürttemberg 4.0” am 4. Juli in Stuttgart und – erstmals – “Digitale Verwaltung RLP” am 29. August in Mainz auf der Agenda. Der Kongress “Baden-Württemberg 4.0” wird 2019 bereits zum dritten Mal ausgetragen – in diesem Jahr unter der Überschrift bzw. dem Motto “Das Rennen ist eröffnet – mit OZG, KI und VUCA auf dem Weg zu einer modernen Verwaltung 4.0”. Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG), der Einzug von Lösungen auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) und eine sich wandelnde Arbeitswelt auch in der öffentlichen Verwaltung (VUCA) prägen derzeit maßgeblich die Diskussionen rund um das Thema Verwaltungsmodernisierung. Angesichts dieser und weiterer Entwicklungen wie “digital first” oder “once-only” wird sowohl die interne Organisation in den Behörden als auch deren äußerer Auftritt gegenüber Bürgern und Unternehmen in den nächsten Jahren einem grundlegenden Wandel unterworfen sein. Diesen Transformationsprozess begleitet “Baden-Württemberg 4.0” seit 2017, dem Jahr, als die Landesregierung Baden-Württembergs mit der Verabschiedung der Digitalisierungsstrategie “digital@bw” das Thema ganz oben auf der politischen Agenda platzierte, um das Land zu einer digitalen Leitregion in Deutschland und Europa zu machen. Soll Ba-

den-Württemberg auch zukünftig ein starker Wirtschaftsstandort bleiben, kommt nicht zuletzt der Digitalisierung der Verwaltung eine Schlüsselrolle zu.

Als nächstes regionales Highlight steht in diesem Jahr erstmals der Kongress “Digitale Verwaltung RLP” auf der Agenda. Die Landesregierung Rheinland-

Randolf Stich, IT-Beauftragter der Landesregierung, wird als Schirmherr auch mit seiner Keynote den ersten inhaltlichen Aufschlag auf dem Kongress machen.

Tradition in Nordrhein-Westfalen

Dies zeigt sich auch darin, dass der stellvertretende Ministerpräsident des Landes Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Baden-Württemberg, auch für den diesjährigen Kongress wieder die Schirmherrschaft übernommen hat und Stefan Krebs, in Personalunion Chief Digital Officer (CDO) und Chief Information Officer (CIO) der Landesregierung, erneut die Eröffnungsrede halten wird. Mithilfe starker lokaler Partner, etwa der Digitalakademie@BW, dem in Stuttgart ansässigen FraunhoferInstitut AIO, der Metropolregion Rhein-Neckar sowie der ZeppelinUniversität Friedrichshafen soll gewährleistet werden, dass das Programm gleichsam innovativ ist und praxisnah die Projekte und Herausforderungen vor Ort aufgreift.

Pfalz hat Mitte 2018 die Strategie “Digitale Verwaltung RheinlandPfalz” beschlossen. Ohnehin schreitet die digitale Transformation der Behörden im Land und den Kommunen bereits seit Jahren voran – mit zunehmender Dynamik. Der neue Kongress will Akteuren und Interessierten im Lande (und darüber hinaus) ein Angebot machen, sich über das breite Spektrum bereits laufender und geplanter Vorhaben zu informieren, auszutauschen und Netzwerke zu bilden oder zu stärken.

Enge Kooperation Durch eine enge Kooperation mit dem zuständigen Innenministerium Rheinland-Pfalz und den kommunalen Spitzenverbänden soll auch hier bei den Vorträgen die Praxisorientierung im Fokus stehen. Staatssekretär

Nach den Veranstaltungen in Stuttgart und Mainz findet mit dem Kongress “e-nrw” in Düsseldorf/Neuss am 7. November 2019 der “Klassiker” unter den Landesveranstaltungen des Behörden Spiegel statt, der bereits seit fast zwanzig Jahren über IT-Strategien für die Landesund Kommunalverwaltung im größten deutschen Bundesland diskutiert. Wilfried Kruse, seit mehreren Jahren fachlicher Leiter des Kongresses, berichtet ab dieser Ausgabe (siehe Seite 32) bis zur Veranstaltung in einer monatlichen Kolumne über die aktuellen Entwicklungen in NordrheinWestfalen, die natürlich auch ihren entsprechenden Niederschlag im Kongressprogramm finden. Weitere Informationen stehen online unter www.bw-4-0.de, www. dv-rlp.de sowie www.e-nrw.info zur Verfügung.

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Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Brandenburg Foto 2: BS/Frank Peter Foto 3: BS/Bednarski Beilagenhinweis Einer Teilauflage dieser Behörden SpiegelAusgabe liegt eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal bei.

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag/Redaktion/Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 97-0 Telefax: 0228/970 97 75 Altpapieranteil 100% Für Bezugsänderungen:


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2019

Für einen zukunftsfähigen Öffentlichen Dienst Technologischer Schuldenabbau, Digitalisierungstarifvertrag und vorhandene Möglichkeiten besser nutzen

KNAPP Für die spätere Ausbildung

(BS/Jörn Fieseler) Staat und Kommunen stehen vor multiplen Herausforderungen. Nicht nur die Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse mit all ihren Facetten ist zu lösen, (BS/jf) Im vergangenen Jahr sondern auch der demografische Wandel und die Digitalisierung. Gerade letztere wirken nicht nur extern, sprich auf die Regionen innerhalb Deutschlands, sondern auch intern auf die haben mehr als 3.200 PraktiVerwaltung von Bund, Ländern und Kommunen. Dafür braucht es einen Dreiklang von Organisation, Technik und Personal. kanten in der Bundesverwaltung

Trotz der überschäumenden Steuermehreinnahmen in den letzten Jahren darf man eines nicht vergessen: “Jahrlange Kürzungen und die Politik der “schwarzen Null” haben für alle sichtbare Spuren des Mangels in der öffentlichen Daseinsvorsorge hinterlassen”, erinnert Wolfgang Pieper, Mitglied des Verdi-Bundesvorstandes. Deshalb müsse Stadt- und Regionalentwicklung sozial gestaltet werden, anhand des durch die Verfassung vorgegebenen Maßstabs der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Hinzu kommt die Digitalisierung. Zu deren Trends gehören nicht nur die Standardisierung menschlicher Arbeit und die Neugestaltung von Prozessen bis hin zur Algorhytmisierung, sondern auch die Vernetzung von Organisationen, die standortübergreifende Zusammenarbeit sowie der Umgang mit der zunehmenden Informationsfülle. Und bei all diesen Entwicklungen müssen Entscheidungen weiterhin nachvollziehbar und transparent bleiben, erläutert Prof. Dr. Tino Schuppan, Professor für Public Management an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit. Kurzum: Mit der Digitalisierung seien massive organisatorische Gestaltungserfordernisse verbunden. “Bürgerinnen und Bürger wünschen sich einen guten Service, um verlässlich und unkompliziert ihren Lebensalltag bewältigen zu können”, so Pieper. “Sie erwarten, nicht mehr für jeden Antrag “zum Amt” laufen zu müssen – obwohl es “das Amt” mit menschlich-analogen Ansprechpartnern bei Bedarf immer noch geben soll”, ergänzt

Friedhelm Schäfer, Fachvorstand men? “Der Fachkräftemangel Beamtenpolitik und zweiter vor allem im MINT-Bereich Vorsitzender des DBB Bewirkt sich kritisch auf amtenbunds und Tarifudie Leistungsfähigkeit nion. Deshalb müssen aus”, so Schäfer. Die nicht nur die notQualifizierung der wendigen Kapazivorhandenen, eigetäten vorgehalten nen Beschäftigten sei auch mit Blick werden, auch auf geänderte Verfahren seien Qualifikationszwingend nicht anforderungen, am technisch wegfallende BeMachbaren, sonrufsbilder und dern an den Nutden notwendigen zererwartungen Wissenstransfer auszurichten. von elementaSchließlich sei rer Bedeutung. die DigitalisieZugleich rung kein Zumüsse ein stand, sondern verbesserter ein Prozess: Schutzrahmen “Die Verändeeingerichtet rungsprozesse werden, denn stellen sich für jede Verwaltung gerade in eianders dar. Desner temporeich halb kann es keine digitalisierten Ar“Lösungen von beitswelt der Stange” geblieben ausben.” reichende Dies fange bei Standards Der Blick in die Glaskugel ist überflüssig, wenn der Öffentliche Dienst zuden Kommufür eine kunftsfest gestaltet werden soll, Zahlreiche konkrete Forderungen liegen auf nen an: Ihnen menschendem Tisch. komme als gerechte, Foto: BS/Stephanie Hofschläger, pixelio.de Anlaufstelle gesundNummer eins heitsorifür die Bürger eine besonde- modernen, verlässlichen und entierte Arbeitszeitgestaltung re Rolle zu. “Die Kommunen leistungsfähigen Öffentlichen wichtig. Negative Auswirkungen sind besonders gefordert, aber Dienst brauchen wir mehr Per- wie die Entgrenzung von Arbeit, auch besonders belastet. Die sonal und bessere Arbeitsbedin- Arbeitshetze sowie Probleme im heutige Situation lässt sich gungen”, fordert die stellvertre- Zusammenhang mit dem Urvielfach nach einem Zitat ei- tende Bundesvorsitzende des heberrecht und Datenschutz nes Vertreters des Berliner IT- Deutschen Gewerkschaftsbun- müssten durch entsprechenDienstleistungszentrums mit des (DGB), Elke Hannack. Über de Regelungen und Schulunder Notwendigkeit umschreiben, ein Viertel der Beschäftigten gen begrenzt werden, führt “in Jahren aufgelaufene techno- würden in den nächsten zehn Hannack weiter aus. “Dazu ist logische Schulden” abzutragen”, Jahren in den Ruhestand gehen, ein Digitalisierungstarifvertrag weshalb jetzt ein gezielter Per- sinnvoll, der die Bewältigung sagt Schäfer. Und es setzt sich bei den Be- sonalaufbau wichtig sei. Doch neuer Herausforderungen durch schäftigten fort: “Für einen woher sollen die Menschen kom- Qualifizierung, Einkommenssi-

cherung, mobile flexible Arbeit sowie Arbeits- und Gesundheitsschutzvorgaben regeln sollte”, meint Pieper. Und natürlich müsse weiterhin an neuen, flexiblen Arbeitsmodellen gearbeitet werden, sind sich die Gewerkschaftsvertreter einig. “Um die Vorstellungen und Wünsche der Beschäftigten deutlich zu machen und Forderungen zu entwickeln und durchzusetzen, führt Verdi momentan eine breit angelegte Befragung im Öffentlichen Dienst durch”, beschreibt Pieper, Leiter der Fachbereiche “Bund und Länder” sowie “Gemeinden”, Pieper, die aktuelle Arbeit seiner Gewerkschaft. “Wir brauchen attraktive Personalkonzepte mit Personalgewinnungs- und -bindungsstrategien für die öffentlichen Arbeitgeber, Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensiven sowie mehr horizontale und vertikale Durchlässigkeit in der beruflichen Entwicklung und Anerkennung von Berufserfahrungen innerhalb und außerhalb des Öffentlichen Dienstes”, fasst er zusammen. Dafür braucht es nicht unbedingt neue Instrumente. Die vorhandenen Mittel im Dienstrecht sind durchaus gegeben, etwa in § 4 Abs. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) oder in § 6 Abs. 2 Bundesbeamtengesetz (BBG). Warum das Beamtenverhältnis auf Zeit nur auf den Hochschulbereich, das Soldatentum oder auf Wahlbeamte beschränken? Warum es nicht erweitern auf die Verwaltung? Nicht um das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit abzuschaffen. Dies war, ist und soll das grundsätzliche Dienstverhältnis bleiben. Dazu darf es aber auch Ausnahmen geben.

ein Pflicht- oder freiwilliges Praktikum abgeleistet. Der Zeitraum erstreckte sich über “weniger als drei Monate” bis zu “sechs bis zwölf Monaten”. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag zurück (Drucksache 19/9835). Die Bundesregierung weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei Praktikanten nicht um zusätzliche Arbeitskräfte, sondern ausdrücklich um Menschen handelt, die zu Ausbildungs- und Lernzwecken für ihr weiteres berufliches Fortkommen betreut werden. Darüber hinaus fällt die Vergütung recht unterschiedlich aus. In den meisten Ministerien und ihren Geschäftsbereichen ist das Praktikum entweder unentgeltlich oder es werden gemäß der sogenannten Praktikantenrichtlinie des Bundes 300 Euro gezahlt. Im Bundesamt für Justiz gibt es eine Sondervereinbarung Informationstechnik. Hier bekommen Praktikanten über 1.360 Euro.

Pflicht und Kontrolle (BS/jf) Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, “ein System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann”. Dies ergebe sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Arbeitszeitrichtlinie, in der jeweils das Grundrecht des Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten festgelegt sei. Nun seien die Mitgliedsstaaten in der Pflicht, dies umzusetzen. Aber: Es wird Aufgabe der Behörden bleiben, die Einhaltung zu kontrollieren. Die Länder haben jedoch massiv Personal im Arbeitsschutz abgebaut.

Zukunft Führung Themen und Referenten, u. a.:

Neue (Führungs-)Kraft in der Behörde entfalten

► Die Verwaltung wird „agil“ – Was ist das und welche Auswirkungen hat das auf die Führung? Tomas Michl und Wolf Steinbrecher, Forum agile Verwaltung e. V. ► Generation YZ ungelöst? Was müssen Arbeitgeber jungen Menschen anbieten, um attraktiv zu sein? Felicia Ullrich, Geschäftsführerin u-form Testsysteme

► Selbstzweifel? – na klar: Frauen führen anders Beate van Kempen, Leiterin Produktmanagement Verbundlösungen, LVR Infokom

4. – 5. Juli 2019 Königswinter bei Bonn

► (Personal-)Marketing in Behörden: Herausforderungen für Führungskräfte Frank Beck, Berater für strategische Markenentwicklung und -positionierung mit Fokus auf den öffentlichen Sektor ► Kompetenzentwicklung vs. Qualifikationsprofil – warum ein Bachelor oder Master noch lange nicht alles ist Bettina Wiener, professionelle Coachin und Supervisorin

► Personalentwicklung außerhalb der Norm – warum Führungskräfte den Blick für Talente, Potenziale und Begabungen haben sollten Dr. Meike Ramon, Dipl.-Psych., Universität Freiburg, Schweiz ► Führung als Stellschraube für eine erfolgreiche Personalstrategie im Öffentlichen Dienst Ilona Vogel, Ausbilderin und Führungskraft im Öffentlichen Dienst

Eine Veranstaltungsreihe des

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Führung“


Aktuelles Öffentlicher Dienst / Gesundheit

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Behörden Spiegel / Juni 2019

Erst der Inhalt, dann die Paragrafen!

Vom Highway zur Hightechstraße

Rechtsetzung muss anders gedacht werden

Arbeitgeberseite räumt Fehler ein

(BS/Prof. Dr. Sabine Kuhlmann) Dem Recht kommt als Steuerungsinstrument eine wichtige Bedeutung zu. Es bildet die Grundlage für rechtsstaatliches Handeln und gesellschaftliches Zusammenleben in modernen Demokratien. Mittels gesetzlicher Vorgaben soll den komplexer werdenden Herausforderungen durch das Setzen von Standards, verbindlichen Regeln und nachvollziehbaren Entscheidungskriterien begegnet werden.

(BS/Wim Orth) Die Geschichte zeigt: Ein gutes Straßennetz hat eine riesige Bedeutung. Schon im alten Rom war eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur essenziell. Ebenso ist es in Deutschland, weshalb die Autobahn GmbH und das Fernstraßen-Bundesamt (siehe hierzu Seite 5) ab 1. Januar 2021 arbeitsfähig sein müssen. Doch noch immer empfehlen die Gewerkschaften den Beschäftigten den Wechsel nicht. Dabei müssen auch die neuen Herausforderungen mitgedacht werden.

Der überwiegende Teil der vom Bundestag beschlossenen Gesetze basiert auf Gesetzesinitiativen der Bundesregierung, die von der Ministerialverwaltung vorbereitet werden. Wie dort gearbeitet wird und wie das interne Verfahren zur Vorbereitung von Gesetzen organisiert ist, beeinflusst also maßgeblich den Inhalt und somit auch die Wirksamkeit späterer Regelungen. Die deutsche Ministerialverwaltung ist durch eine stark legalistische Rechtsetzungskultur geprägt: Der Rechtsbestand sowie Rechtmäßigkeit bilden wichtige Orientierungspunkte. Das bestehende Recht gibt oft den Rahmen dessen vor, was gesetzgeberisch überhaupt denkbar erscheint. Auch die Abstimmung von Gesetzentwürfen zwischen Ministerien sowie die Einbeziehung von Verbänden und Ländern basieren in der Regel auf abstrakten Rechtstexten. Hinzu kommt als typisches Merkmal der verwaltungsföderalen Aufgabenteilung, dass der weit überwiegende Teil der Gesetze nicht vom Bund, sondern dezentral von den Ländern und Kommunen vollzogen wird, so dass regulative und vollziehende Verantwortung organisatorisch auseinanderfallen. Erstens wird Fragen der Wirksamkeit einer Regelung während der Gesetzesvorbereitung zu wenig Beachtung geschenkt. Wie sichergestellt werden kann, dass ein Gesetz tatsächlich die gewünschte Wirkung entfaltet, wird nicht frühzeitig und konsequent mitgedacht. Zweitens steht

der Vollzug durch Landes- und Kommunalbehörden häufig nicht ausreichend im Fokus. Drittens werden Länder und Verbände in der Regel viel zu spät und teilweise mit sehr kurzen Fristen

automatisiert ablaufen können. Mit dem Projekt Föderales Informationsmanagement (FIM) steht ein Werkzeug bereit, dessen Anwendung bislang jedoch moderat ausfällt. Dagegen zeigen internationale Beispiele, dass die frühzeitige Prüfung der Digitalisierungstauglichkeit von Prof. Dr. Sabine Kuhlmann ist die stellvertretende VorGesetzen möglich sitzende des Nationalen Norist. menkontrollrats (NKR). So ist seit Sommer 2018 in Foto: BS/Bundesregierung, Steffen Kugler Dänemark eine solche Prüfung verbindlicher Bestandteil des beteiligt. Paradoxerweise steigt Gesetzgebungsverfahrens, soim Verlauf des Gesetzgebungs- dass Hemmnisse eines digitalen verfahrens zwar das Wissen über Gesetzesvollzugs frühzeitig beden Regelungsgegenstand und hoben werden können. Neben Alternativen. Grundsätzliche Än- der Erforderlichkeit der Schriftderungen am Gesetzesentwurf form oder der papiergebundewerden aber immer schwieriger nen Nachweiserbringung geht umsetzbar und unwahrschein- es auch um eindeutige – ggf. licher. durch Computer interpretierbare – EntscheidungskriteriWirkmodell konzipieren en. Auch für Deutschland erDer Nationale Normenkontrollrat scheint ein solcher Vollzugs- und spricht sich dafür aus, den Ge- Digitalisierungstauglichkeits­ setzgebungsprozess etwas anders check geboten. Im Rahmen der zu denken. Motto: “Erst der In- Umsetzung des Onlinezugangshalt, dann die Paragrafen”. Bevor gesetzes arbeiten Bund, Länder der erste Paragraf eines Gesetzes und Kommunen in sogenannten formuliert wird, sollten demnach Themenfeldlaboren zusammen mit der gebotenen Ausführlichkeit und entwickeln Vorschläge für und Verständlichkeit das Wirk- digitale Verwaltungsverfahren modell sowie der spätere Vollzug und die dafür notwendigen konzipiert und diskutiert werden. Rechtsänderungen. Diese ebeDas Wirkmodell zeigt auf, wel- nenübergreifende Zusammencher Zusammenhang zwischen arbeit sollte auch außerhalb der einer Regelung und der beabsich- Online-Zugangsgesetz(OZG)tigten Wirkung besteht – wie und Umsetzung systematischer zur warum die Regelung also wirken Anwendung kommen. Wirk- und Vollzugsmodelle soll. Dies ist auch eine Voraussetzung für aussagefähige Evalu- stellen wichtige Instrumente eiierungen von Maßnahmen, denn ner besseren Rechtsetzung dar. Wirksamkeit und Erfolg können Sie erleichtern den Umgang mit nur bewertet werden, wenn Ziele komplexen Sachverhalten, erhöund messbare Erfolgskriterien hen die Transparenz staatlichen definiert wurden. Handelns und bilden die VorausDas Vollzugsmodell visualisiert setzung für eine effektive und die Umsetzung einer Regelung. frühzeitige Beteiligung von Adres­ Dies hilft, die im bundesdeut- saten und Vollzugsbehörden. schen System angelegte dezen­ Der NKR adressiert diese bislang trale Rechtsumsetzung frühzeitig vernachlässigte Dimension der mitzudenken, dadurch Prozes- besseren Rechtsetzung in einem se schlanker zu gestalten und neuen Gutachten zum Thema Schnittstellen zu anderen Ver- “Erst der Inhalt, dann die Parafahren zu erkennen. Vollzugsmo- grafen”, welches im Herbst 2019 delle helfen auch dabei, Prozesse konkrete Verbesserungsvorschläzu konzipieren, die digital oder ge unterbreiten wird.

“Für die Zukunft haben wir die Möglichkeit, aus der HighwayAutobahn eine Hightech-Autobahn zu machen”, sagt Jan-Georg Seidel, Bundesvorsitzender der BTB Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft im DBB Beamtenbund und Tarifunion. Allerdings werde es vonseiten des BTB für den Übergang des Personals zur Autobahn GmbH nur dann eine Zustimmung geben, wenn die Bedingungen für die Arbeitnehmer stimmten. Dass diese aktuell immer noch unklar seien, obwohl bereits in rund zweieinhalb Jahren mehr als 12.000 Landesmitarbeiter in die Bundesanstalt gewechselt sein sollen, kritisiert auch der zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des DBB, Friedhelm Schäfer: “Jahrelang wurde am Personal gespart und jetzt müssen wir auch noch diese Herausforderung einer Strukturreform mit Zeitdruck stemmen. Wir sind alle gemeinsam zum Erfolg verdammt.”

Förderprogramme reichen nicht Besagte Sparpolitik am Personal, aber auch am Bestand der Infrastruktur, falle der Politik aktuell auf die Füße. So sei der Öffentliche Dienst in fast allen Bereichen heutzutage “auf Kante genäht”. Zwar habe das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) vor einiger Zeit eine Offensive mit Förderprogrammen gestartet, um diese Finanzlücken zu schließen. Aber eine Geldschwemme alleine reiche eben nicht, um an Mitarbeiter zu kommen. Die Ingenieure im Markt fehlten und würden in den meisten Fällen von den Unternehmen der freien Wirtschaft aufgekauft. Gleichzeitig mache sich auch der demografische Wandel bemerkbar, sodass in den nächsten zehn Jahren etwa ein Viertel aller Bauingenieure im Öffentlichen Dienst aus dem Dienst ausscheiden würden. All diese Bedingungen machen es laut Schäfer nötig, “heute mehr denn je attraktive Angebote vonseiten der öffentlichen Hand für junge Leute zu entwickeln, um

herausragender Bedeutung, dass sämtliche Versprechen, die im Voraus getätigt würden, anschließend auch eingehalten würden. Im Hinblick auf die von Siebigteroth geäußerten Bedenken räumte er ein, dass in der Vergangenheit “zu viele ungedeckte Die Bundesautobahnen sind nicht Schecks” versprochen worden nur Leitplanken und Straßenbelag. seien. Daher sei er mit seinen Besonders Brücken, wie hier die der Aussagen zunächst zurückhalA71 zwischen den südthüringischen tender, damit auch alles stimme, Ortschaften Meiningen und Themar, was er sage. Zudem sprach sich und immer mehr digitale Infrastruk- auch Adler dafür aus, jungen tur müssen geplant, koordiniert und Absolventen gute Angebote zu instand gehalten werden. machen, da der “Markt für Inge Foto: BS/torstensimon, pixabay.com nieure in der aktuellen Situation total abgegrast” sei. Dennoch dürfe es von den eine nachhaltige Personalentwicklung gestalten zu können”. Hochschulen keine AbsolvenHermann-Josef Siebigteroth, tenschwemme mit minderquaVorsitzender der Schwesterge- lifizierten Ingenieuren geben, werkschaft Verband Deutscher denn dies schade dem Image des Straßenwärter (VDStra.), fordert Berufsstandes und helfe nicht zudem einen vor allem ehrli- dabei, die Herausforderungen chen und fairen Umgang mit der Zukunft zu meistern. Stattdessen brauche es vielden Beschäftigten: “Die Leute haben Lust und gute Ideen, aber mehr neue Fördermechanismen beim Gedanken an eine GmbH für die Wissenschaft und das haben sie vor allem Angst. Da Bewusstsein, dass “Investition in haben Post, Bahn und Telekom Innovation als eine Tagesaufgabe viel zu viele negative Beispiele zu verstehen ist und nicht nur geliefert.” Daher müssten nun in Sonntagsreden ohne reale die Versprechen vonseiten der Konsequenzen beschworen werAutobahn GmbH auch eintref- den” solle. Denn die Zukunft der fen, wenn man das Vertrauen Mobilität in Deutschland hänge der Menschen gewinnen wolle. direkt von der Infrastruktur der Bundesautobahnen ab. Diese Keine ungedeckten Schecks solle derweil nicht nur auf altmehr hergebrachte Weise, sondern Um aber nicht nur über die vor allem auch digital gedacht Autobahn GmbH des Bundes, werden. So brauche es intelligensondern auch miteinander zu te Verkehrssteuerungssysteme, sprechen, stellte sich der Ge- um Autos zur Stauvermeidung schäftsführer Personal, Gunther smart lenken zu können, und Adler, beim BTB-Bundeskon- moderne digitale Ablaufpläne gress der Diskussion mit den für Baustellen. Gleichzeitig werde aktuell auf Gewerkschaftern. Er nutzte die Gelegenheit, um einerseits die der A5 in Hessen bereits getestet, Sichtweise der Planungsebene wie man E-Lkws während der vorzustellen, andererseits aber Fahrt über einen “E-Highway” auch, um explizit die Stand- aufladen könne. Abschließend punkte der Gewerkschaftsseite versprach Adler den Gewerkmitzunehmen, wie er betonte. schaftsvertretern, dass eine gute So unterstrich er, dass das neue Lösung für alle Seiten auf den Projekt ein Gewinn für alle sein Tisch komme. Gleichzeitig betonmüsse: “Die Autobahn GmbH te er, dass die Autobahn GmbH ist kein juristisches Konstrukt, für ganz Deutschland Sinn masondern die Menschen, die dort che, um gleichwertig gute Verarbeiten und motiviert ihren Job hältnisse bei der Fernstraßenmachen.” In diesem Zusammen- infrastruktur für Deutschland hang sei es für alle Seiten von gewährleisten zu können.

Zukunft Personalentwicklung Schlüsselfaktor eines erfolgreichen Öffentlichen Dienstes

4. – 5. September 2019, Bonn KEY-NOTES:

Die strategische Personalentwicklung spielt im Öffentlichen Dienst eine immer wichtigere Rolle. Wie kann die Personalseite diese Entwicklung nicht nur begleiten, sondern aktiv mitgestalten? Die Antwort: durch den Übergang von einer verwaltenden Personalwirtschaft zu einem strategischen und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigenden Personalmanagement. Der Behörden Spiegel widmet dieser Entwicklung die Tagung „Zukunft Personalentwicklung“, die aktuelle Trends und Herausforderungen vorstellt und zu Diskussionen mit namhaften Referentinnen und Referenten aus dem Personalbereich einlädt.

ZUKUNFTSWEISENDE THEMEN, u. a.: ► Wissenstransfer als eine zentrale Aufgabe für Personalverantwortliche und Führungskräfte Doreen Molnár, Referentin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ► Führungsinstrument Personalmanagement Prof. Dr. Gottfried Richenhagen, Institut für Public Management der FOM Hochschule ► Personalplanung, Personalgewinnung und Wissensmanagement auf Behördenebene Dirk Lönnecke, Kreisdirektor Landkreis Soest ► Behördliches Gesundheitsmanagement als Teil einer Gesamtstrategie Kerstin Spreen, Stabsstelle Arbeitssicherheit, Arbeitsschutz und Gesundheit, Stadt Bochum ► Chancen und Herausforderungen für Employer Branding in der öffentlichen Verwaltung Andreas Steffen, Nationales E-Government Kompetenzzentrum

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de ► Suchwort „Zukunft Personalentwicklung“

Silvia Bechthold, Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsamts

Jürgen Mathies, Staatssekretär im Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westphalen Eva Irrgang, Landrätin des Landkreises Soest

Eine Veranstaltungsreihe des


Bund

Behörden Spiegel / Juni 2019

B

ehörden Spiegel: Frau Schenderlein, am 1. Januar 2021 muss das Fernstraßen-Bundesamt (FBA) arbeitsfähig sein. Die Organisation erinnert an das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) und das Eisenbahn-Bundesamt (EBA).

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Zukunftsweisende Wege einschlagen Schenderlein zum Aufbau des Fernstraßen-Bundesamtes

Behörden Spiegel: Das Gesetz erlaubt den Ländern Planung und Betrieb der Fernstraßen abzugeben. Wer hat davon Gebrauch gemacht?

(BS) “Die Rekrutierung von Personal hat für uns momentan oberste Priorität”, sagt Birgit Schenderlein, Leiterin des Aufbaustabs des Fernstraßen- Schenderlein: Ich verstehe Ihre Bundesamts (FBA). Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel stellt sie den aktuellen Stand des neu aufzubauenden FBA dar, erläutert, mit welchen Frage so, dass Sie nachfragen, Maßnahmen die Attraktivität als Arbeitgeber gesteigert werden soll und spricht über die Aufgaben der Behörde. Die Fragen stellten Jörn Fieseler welche Länder bisher beantragt haben, dass die in ihrem jewei­ Schenderlein: Das FBA ist und Adrian Bednarski.

nicht die erste Behörde, die im Geschäftsbereich des Bun­ desverkehrsministeriums ge­ gründet wird, wodurch wir die positiven Erfahrungen nutzen und darauf aufbauen kön­ nen. Das FBA übernimmt die Dienstherrenbefugnisse für die Beamten der Autobahn GmbH des Bundes. Das ist die gleiche Funktion, wie sie das BEV für die Beamten der DB AG wahr­ nimmt. Aber darüber hinaus nimmt das FBA vielfältige fach­ liche und hoheitliche Aufgaben wahr. Ein Beispiel ist die Plan­ feststellung für Bundesauto­ bahnen und Bundesstraßen in der Verwaltung des Bundes. Behörden Spiegel: Wie weit ist der Aufbau des FBA vorangeschritten?

Schenderlein: Die Rekrutie­ rung von Personal hat für uns momentan oberste Priorität. Im Personalhaushalt für 2019 sind 41,5 Dienstposten vorgesehen. Diese sollen zum Jahresende auch besetzt sein. Insgesamt ist für das FBA eine Zielgröße von 400 Beschäftigten

geplant. Für den Hauptsitz in Leipzig sind gut 250 Beschäftig­ te vorgesehen. An den weiteren drei Standorten Bonn, Gießen und Hannover sollen die übri­ gen 150 verteilt werden. Aktu­ ell werden für diese Standorte geeignete Immobilien gesucht. Behörden Spiegel: Zeitgleich zu den Verhandlungen für die Tarifbeschäftigten muss der Übergang der Beamten organisiert und vorbereitet werden. Schenderlein: Natürlich. Aber es sind viele Details zu klären, neben Besoldung und Stufenzu­ ordnung auch die Beihilfe und Versorgungsrücklage. Klar ist, dass die Besitzstände gewahrt werden müssen. Für eine Reihe von Beamten wird es aber auch zu deutlichen Verbesserungen kommen, allein durch das un­ terschiedliche Besoldungsni­ veau zwischen dem Bund und den meisten Ländern. Behörden Spiegel: Was zeichnet die neue Bundesbehörde aus?

Schenderlein: Wie betont, kön­ nen wir beim Aufbau des FBA auf bisherige Erfahrungen aus anderen Behörden zurückgreifen. Gleichzeitig können wir auch et­ was Neues schaffen, bei welchem wir bereits jetzt zukunftsweisen­ de Wege einschlagen. Bei der Rekrutierung des dringend be­ nötigten Personals positionieren wir uns als moderner Arbeitgeber. Besonders erwähne ich an dieser Stelle auch das interessante und anspruchsvolle Aufgabenspek­ Wirbt für das FBA: Aufbaustableiterin Birgit Schenderlein. Foto: BS/Bednarski trum des FBA. Zudem möchten wir bewusst Daneben sind wir einer neuen eine Organisation aus jungen und langjährig erfahrenen Mit­ Rahmenvereinbarung des Bun­ arbeitern formen. Bei uns soll des beigetreten, welche mit der die Vereinbarkeit von Familie Arbeiterwohlfahrt(AWO)-Life-Ba­ und Beruf nicht nur eine leere lance die Betreuung von Kindern Worthülse sein. Hierfür möchten und von pflegebedürftigen Ange­ wir entsprechende flexible Ar­ hörigen ermöglicht. Für künftige beitszeitregelungen entsprechend Aus- und Fortbildungsmöglich­ den Bedürfnissen unserer Mit­ keiten wie auch die berufliche arbeiter schaffen. Auch mobiles Entwicklung der Beschäftigten Arbeiten oder Telearbeit inklusive des FBA schaffen wir derzeit die der dazugehörigen technischen Voraussetzungen. Ausstattung sollen zu unserem Daneben zeichnet sich der Angebot gehören. Ebenso werden Standort Leipzig als kulturell, wir ein Job-Ticket für unsere gesellschaftlich und infrastruk­ turell attraktive Großstadt aus. Beschäftigten haben.

Behörden Spiegel: Das FBA ist einerseits für die Linienführung zuständig, andererseits Genehmigungsbehörde. Ist das ein Widerspruch in sich? Schenderlein: Einen solchen Widerspruch sehe ich nicht. Der Gesetzgeber hat dem FBA diese Aufgaben ab dem 1. Ja­ nuar 2021 zugewiesen. Auch nach der Herauslösung des Be­ reichs der Bundesautobahnen aus dem derzeitigen System der Bundesauftragsverwal­ tung der Bundesfernstraßen soll die Ausübung dieser ho­ heitlichen Aufgaben durch eine Behörde erfolgen. Dabei bleibt die Landeszuständigkeit für Raumordnungsverfahren un­ berührt. Im Übrigen werden die planerischen Vorarbeiten für die Linienbestimmungen für Bundesautobahnen und Bun­ desstraßen in Bundesverwal­ tung ab dem 1. Januar 2021 der Autobahn GmbH des Bundes als Vorhabenträgerin obliegen. Das FBA nimmt auf dieser Grund­ lage dann den hoheitlichen Akt der Linienbestimmung vor.

ligen Land gelegenen Bundes­ straßen in der Baulast des Bun­ des ab dem 1. Januar 2021 in Bundesverwaltung übergehen. Die Möglichkeit eines solchen Antrags sieht das Grundgesetz vor. Das kann ich konkret so zusammenfassen: Hamburg, Bremen und Berlin werden ab 2021 die Bundesstraßen in der Baulast des Bundes abgeben. Behörden Spiegel: Wird während der Autobahn-Reform zeitgleich die IT konsolidiert?

Schenderlein: Es wurden Erhe­ bungen zu den IT-Anwendungen und Anforderungen der Länder durchgeführt, um damit her­ auszufinden, was alles berück­ sichtigt werden muss. Da kamen bereits bei kleinen Bundeslän­ dern mehrere tausend Datensät­ ze zusammen. Aber ob für den Einsatz in der Autobahn GmbH des Bundes und / oder dem FBA ganz neue Lösungen entstehen oder jene der Länder erst einmal weitergeführt werden, wird sich zeigen. Aktuell stehen ungefähr 1.400 zu konsolidierende Fach­ anwendungen zur Diskussion.

Jung folgt auf Wurm

Weniger Beschränkungen

Wechsel bei Bundespolizei in Sankt Augustin

Nachrichtendienste greifen seltener in Grundrechte ein

(BS/mfe) Andreas Jung ist neuer Präsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin. Er folgt auf Wolfgang (BS/mfe) Die drei Nachrichtendienste des Bundes haben zuletzt in weniger Fällen zur Gefahrenabwehr das Wurm, der in den Ruhestand geht. Jung trat 1980 in den damaligen Bundesgrenzschutz ein. 1983 stieg er in grundgesetzlich geschützte Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis beschnitten als in der Vergangenheit. den gehobenen, 1995 in den höheren Dienst auf. Gleiches gilt für die Zahl der Fälle, in denen technische Mittel zur Standortermittlung eines Mobiltelefons eingesetzt oder kundenbezogene Auskünfte von Unternehmen eingeholt wurden. Allerdings stammen die neuesten Zahlen aus dem Jahr 2017. Anschließend wurde der 1960 in

Braunschweig Geborene stellver­ tretender Abteilungsführer in der Bundesgrenzschutzabteilung Gos­ lar. Ein Jahr später übernahm er zunächst die Leitung der Bundes­ grenzschutzinspektion Oderberg, dann die der Bundespolizeiinspek­ tion Verbrechensbekämpfung in Frankfurt an der Oder. 1998 wurde Jung Dozent an der Fachhoch­ schule des Bundes. 2002 ging er als Referent ins Bundesinnenmi­ nisterium (BMI). 2006 wurde Jung Hauptsachgebietsleiter Einsatz im Bundespolizeiamt Hamburg. 2008 ging er als Referatsleiter ins Bundespolizeipräsidium. Vier Jahre später wurde er Ständiger Vertreter des Präsidenten der Han­ noveraner Bundespolizeidirektion. 2015 wechselte er als Präsident zur Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main. Sein Amtsvorgänger in Sankt Augustin, Wolfgang Wurm, trat 1978 in den damaligen Bundes­ grenzschutz ein. Bis 1991 stieg er erst in den gehobenen, dann

Andreas Jung (l.) ist neuer Präsident der Bundespolizeidirektion Sankt Augustin. Er folgt auf Wolfgang Wurm (r.), der in Pension geht und vom nordrheinwestfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU, 2.v.r.) sowie vom Präsidenten der Bundespolizei, Dr. Dieter Romann (2.v.l.), verabschiedet wurde. Foto: BS/ Bundespolizei

in den höheren Dienst auf. An­ schließend arbeitete der 1958 in Hamburg Geborene als Dezernatsund Sachbereichsleiter bei der Grenzschutzdirektion Koblenz. Von 1995 bis 1998 arbeitete Wurm als Referent im BMI. Danach wurde

er Abteilungsführer bei der Bun­ desgrenzschutzabteilung Sankt Augustin. Von 2001 bis 2005 hatte er die Leitung des Kölner Bundes­ grenzschutzamtes inne. Seit 2013 war Wurm Präsident der Bundes­ polizeidirektion Sankt Augustin.

Entscheidungen gefallen Neue deutsche Botschafter in Russland und Japan (BS/mfe) Die Posten der deutschen Botschafter in Moskau und Tokio werden neu besetzt. Géza Andreas von Geyr geht nach Russland, Ina Lepel nach Japan. Die Stelle in Moskau wird frei, weil der bisherige Amtsinhaber in den Ruhestand geht. So kann von Geyr im Sommer die Nachfolge von Rüdiger von Fritsch antreten. Momentan ist von Geyr, der bereits mehrfach Referent auf der Berliner Sicher­ heitskonferenz des Behörden Spiegel war, noch Leiter der Po­ litikabteilung im Bundesminis­ terium der Verteidigung. Diesen Posten hat er seit 2014 inne. Zuvor war er seit 2010 als Vize­ präsident des Bundesnachrich­ tendienstes (BND) tätig gewesen. Von 2006 bis 2010 arbeitete von Geyr als Referatsleiter in der außen- und sicherheitspoliti­ schen Abteilung des Bundes­ kanzleramtes. In der Vergan­

Géza Andreas von Geyr wird Botschafter in Russland Foto: BS/ Dombrowsky

genheit war von Geyr auch bei der Europäischen Kommission in Brüssel sowie bei der CDU / CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag tätig. Ebenfalls im Sommer tritt Ina Lepel ihre neue Stelle an. Die 57-Jährige wird neue Bot­ schafterin der Bundesrepublik in Japan. Derzeit arbeitet sie als Leiterin der Abteilung Asien und Pazifik im Auswärtigen Amt. Zuvor war sie zwischen 2015 und 2017 deutsche Botschafterin in Pakistan. Und von 2012 bis 2015 arbeitete sie als Beauftragte für globale Fragen im Auswärtigen Dienst.

So gab es insgesamt 276 Be­ schränkungsmaßnahmen hin­ sichtlich des in Artikel 10 des Grundgesetzes verankerten Brief-, Post- und Fernmeldege­ heimnisses (2016: 261). Davon entfielen 235 auf das Bundes­ amt für Verfassungsschutz (BfV) (mehr dazu auch auf Seite 37 dieser Ausgabe). Dabei gab es im Bereich des Islamismus 136 Verfahren, beim Ausländerextre­ mismus zehn Verfahren und 76 Verfahren im nachrichtendienst­ lichen Bereich. Hinzu kommen vier Verfahren, die den Linksex­ tremismus betrafen, und neun aus dem Bereich Rechtsextre­ mismus. Die Tätigkeit des Bun­ desnachrichtendienstes (BND) betrafen 34 Anordnungen. Auf den Militärischen Abschirmdienst entfielen 2017 sieben, die jeweils von den Mitgliedern der zustän­ digen G10-Kommission einzeln genehmigt werden mussten. Die Maßnahmen erstreckten sich auf insgesamt 2.546 überwachte Te­ lekommunikationskennungen und die Zahl der davon Haupt­ betroffenen lag sowohl im ersten als auch im zweiten Halbjahr 2017 bei 450. Das geht aus der Unterrichtung des Parlamentari­

Die Nachrichtendienste des Bundes haben zuletzt seltener das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingeschränkt als in der Vergangenheit.

Foto: BS/Michael Grabscheit, pixelio.de

schen Kontrollgremiums (PKGr) an das Plenum des Deutschen Bundestages hervor (Drucksache 19/10459). Beschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses als Individualmaßnahmen gegen ei­ nen einzelnen Betroffenen sind nur zulässig, sofern tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, dass die Person Straf­ taten des Friedens-, Hoch- oder Landesverrats plant, begeht oder bereits begangen hat. Gleiches gilt bei Delikten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (etwa die Fortführung einer verbo­

tenen Vereinigung) oder Strafta­ ten gegen die Landesverteidigung (zum Beispiel Sabotagehandlun­ gen an Verteidigungsmitteln). Die Maßnahmen sind zudem nur genehmigungsfähig und damit zulässig, wenn die Sachverhalts­ erforschung auf andere Art und Weise aussichtslos oder zumin­ dest wesentlich erschwert wäre. Die jeweiligen Anordnungen sind auf maximal zwölf Wochen zu befristen. Sie können jedoch je­ weils um höchstens drei weitere Monate verlängert werden, sofern ihre gesetzlichen Voraussetzun­ gen weiterhin vorliegen.

Tania Freiin von Uslar-Gleichen wird neue Vizepräsidentin des Bundesnachrichtendienstes (BND). Foto: BS/Bundesnachrichtendienst

der Direktorin der Policy Unit beim Generalsekretariat des Ra­ tes der Europäischen Union in Brüssel. Anschließend fungierte von Uslar-Gleichen als Referats­ leiterin im Bundeskanzleramt. Von 2014 bis August 2018 war sie stellvertretende Leiterin der deutschen Botschaft in London. Zuletzt war von Uslar-Gleichen im Auswärtigen Amt als Be­ auftragte für Menschenrechte, internationale Entwicklung und Soziales tätig. Sie ist die erste Frau in der obersten Führungs­ ebene des BND.

MELDUNG

Wechsel beim BND (BS/mfe) Tania Freiin von UslarGleichen wird neue Vizepräsi­ dentin des Bundesnachrichten­ dienstes (BND). Sie folgt auf Dr. Ole Diehl, der turnusgemäß ins Auswärtige Amt zurückkehrt. Von Uslar-Gleichen wurde in München geboren. Nach dem Studium der Rechtswissen­ schaften und dem Ablegen des Zweiten Juristischen Staats­ examens trat sie 1993 in das Auswärtige Amt ein. Sie war unter anderem an der deut­ schen Botschaft in Budapest eingesetzt und leitete das Büro


Bund / Länder

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Spiel ohne Regeln?

I

m Spielhallengesetz Berlin, das 2016 verschärft wurde, ist festgehalten, dass Spielhallen und “ähnliche Unternehmen” einer Erlaubnis der zuständigen Behörde bedürfen. Für jeden Spielhallenstandort darf nur ein Unternehmen zugelassen werden, der Abstand zum Nächsten muss mindestens 500 Meter betragen. Auch die Distanz zu Schulen, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen ist festgelegt. Bundesweit gelten solche Abstandsregelungen, allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen in den Ländern. Doch wer durch bestimmte Stadtteile deutscher Großstädte läuft, bemerkt überall: Die Realität zeigt ein anderes Bild. Zahlreiche Bestandshallen befanden sich nicht in ausreichendem Abstand zueinander, was die Frage nach sich zog, welche bestehen bleiben dürfen und welche nicht. Gegen etliche Schließungsbescheide haben die Betreiber Klage eingereicht. Bis es zu einer rechtskräftigen Entscheidung kommt, bleiben die Betriebe weiter geöffnet. Dazu kommen weitere Auflagen für legale Spielhallen hinsichtlich des Spielerschutzes, wie das Vorliegen eines Sozialkonzeptes, geschultes Personal und keine auffällige Außenwerbung. Im Inneren darf pro zwölf Qua­ dratmeter Grundfläche höchstens ein Geld- oder Warenspielgerät aufgestellt werden, diese müssen sich wiederum in einem Abstand von mindestens einem Meter befinden und in ihrer Gesamtzahl acht Geräte nicht übersteigen.

Behörden Spiegel / Juni 2019

denn langfristig könne sich kein Land allein verschließen. Um eine nachhaltige Regulierung zu erreichen, muss man so viele Anteile des Glücksspielmarktes unter dieser neuen Re(BS / Katarina Heidrich) Berlin-Neukölln, vom U-Bahnhof Hermannplatz bis zum S-Bahnhof Neukölln zieht sich die Karl-Marx-Straße. Bekannt als gulierung zusammenfassen wie Langzeitbaustelle, prägt vor allem eins das Straßenbild neben türkischen Supermärkten, Dönerbuden und den sogenannten “Spätis”: Spielhallen, möglich. Dazu gehören dann Wettbüros und Café-Casinos aneinandergereiht, als handele es sich hier um ein Gewerbegebiet für Glücksspiele. Trotz verschärfter Regelungen auch Angebote aus dem bisher ilhat die Stadt ein Vollzugsproblem beim Vorgehen gegen illegale Einrichtungen. Aber nicht nur beim stationären Spiel an Automaten tritt die legalen Bereich. Eine kontrollierte Regulierung hinter der Realität zurück und der illegale Marktanteil im Digitalen wächst stetig. Was bislang fehlt: Ein bundesweites, kohärentes Liberalisierung verbunden mit Regelwerk, auf das sich alle Länder einigen können. einer strengeren Überwachung der entsprechenden Webseiten Was ist also zu tun, damit wäre ein Schritt in die richtige der Vollzug wirksam wird? Der Richtung. Das sieht auch der Chef der Senatskanzlei Berlin, Chef der Staatskanzlei SchleswigStaatssekretär Christian GaebHolsteins, Dirk Schrödter (CDU), so. Das nördlichste Bundesland ler (SPD), meint: “Ein effektiver habe das Ziel, den Online-Bereich Vollzug gegen illegale Glücksin geordnete, regulierte Bahnen spielangebote setzt zunächst zu bringen. Sollte dies nicht geeine adäquate personelle und sachliche Ausstattung der involmeinsam mit allen 16 Bundeslänvierten Behörden der verschiededern umsetzbar sein, wolle man nen Aufsichtsstränge voraus.” – ähnlich wie auch Hessen – nach Was simpel klingt, zeigt sich bei Lösungen suchen, zumindest näherer Betrachtung aber als mit einem Teil der Länder einen bloßes Teilstück einer umfassengemeinschaftlichen Vertrag zu deren Problematik im Bereich des schließen. Auch für den Bereich Glücksspielwesens. Im terres­ E-Sports (“electronic sports”) bedürfe es dann einer wissentrischen Bereich macht es sich schaftlichen Begleitung sowie beispielweise die Schweiz leichter einer Regulierung, so Schrödter. – mit restriktiven Regelungen. Dort ist das Automatenspiel auDie Umsatzzahlen in diesem ßerhalb der staatlichen Casinos Spiel-Bereich zeigen einen enorm nicht erlaubt, wie Diemo Kästschnell wachsenden Markt, erläutert Brett Abarbanel, Ph.D., ner, Sozialkonzeptbeauftragter und Manager des Grandcasino Um illegale Angebote im Glücksspielwesen zu stoppen, ist ein Treffer bei den Länderverhandlungen zum Staatsvertrag Forschungsdirektorin am International Gaming Institute der Luzern, im Rahmen des vierten nötig. Foto: BS / Maksym Yemelyanov, stock.adobe.com Bundeskongresses zum GlücksUniversity of Nevada, Las Vegas. spielwesen des Behörden Spiegel des Verwaltungsvollzuges durch Besteuerungslücken – etwa für Lotterieergebnisse, sogenannte Während der E-Sports-Markt erläutert. Dies habe eine wirksa- Schaffung einer zentralen Be- im Ausland veranstaltete Online- “Zweitlotterien”, haben hingegen selbst (Spiele, Merchandising, me Kontrolle der Angebote zur hörde, bei der die Zuständigkeit Angebote, die auch von hiesigen keine Glücksspielerlaubnis in Turniere etc.) für das vergangene Folge. Allerdings kenne man in für die Überwachung erlaubter Spielern genutzt würden. Deutschland. Sie bieten über Jahr global einen Umsatz von Deutschland die Unternehmer, Anbieter und den Vollzug geausländische Lizenzen meist circa 800 Millionen Euro aufweise, gingen Schätzungen beim Edie sich terrestrisch engagieren gen illegale Angebote liegen. Die Online-Glücksspiel-Verbot online an. und könne durch Regulierung Rechtsform ist noch strittig, mögDoch gerade bei der Frage Während einige Länder sich Sports-Wettmarkt von Umsätzen Eigentlich illegal mit diesen in den Dialog treten, lich ist aber etwa eine Anstalt nach einer Regulierung im On- weiterhin für ein Online-Verbot in Höhe von 1,8 bis 6,3 Milliarden line-Bereich herrscht unter den aussprechen, fordern andere eine Euro aus. Dadurch werde die Ein weiteres Problem ist die anstatt einfach das Spiel zu öffentlichen Rechts. Neben der Verhinderung ille- Ländern die größte Uneinigkeit. Legalisierung. Baden-Württem- Notwendigkeit, aber gleichzeitig rechtliche Grauzone in diesem verbieten betont der Chef der Bereich. In den Großstädten Staatskanzlei Nordrhein-West- galer Angebote und einem ver- Private Unternehmen, welche berg etwa sei “sich im Klaren auch die Schwierigkeit klar, in wächst die Zahl von Spielcasinos falen, Staatssekretär Nathanael stärkten Spielerschutz braucht Casino-Spiele, Sportwetten, darüber, dass es ein Totalverbot der Diskussion um eine deutsches eine einheitliche Regulierung Poker, Lotterien oder sonstige nicht geben kann und ist bereit, land- oder EU-weite Glücksspielgetarnt als Café. Wird das Geld Liminski. primär mit dem Verkauf von KafIn Deutschland wird schon seit ebenfalls hinsichtlich gesicherter Glücksspiele im Internet an- den Weg der Öffnung mitzuge- regulierung diesen Teilbereich fee verdient, dürfen in dem Be- Jahren um einen bundesein- Landes- und Kommunalfinanzen. bieten, operieren seit Jahren in hen”, betont der Bevollmächtigte mitzudenken, so die Forschetrieb drei Spielgeräte aufgestellt heitlichen rechtlichen Rahmen Glücksspiel ist eine nicht unbe- einer rechtlichen Grauzone. Im des Landes Baden-Württemberg rin. E-Sport ist gemäß dem ewerden, ab dem 10. November für das Glücksspielwesen gerun- deutende steuerliche Einnahme- terrestrischen Bereich sind die- beim Bund, Staatssekretär Volker Sport-Bund Deutschland e. V. 2019 nur noch zwei. Auch die gen. Am 21. März 2019 haben quelle. Die Gesamteinnahmen zu se Spielformen reglementiert. In Ratzmann (Bündnis 90 / Die Grü- (ESBD) die sportliche Nutzung Zahl von Wettbüros steigt, in sich die 16 Länderregierungen den Landeshaushalten aus Steu- Spielbanken bzw. Spielcasinos nen). Gaebler hingegen kritisiert: von Videospielen unter festgeBerlin gibt es derzeit rund 400. im Rahmen der Ministerpräsi- ern und Abgaben durch Glücks- etwa wird das Glücksspiel mit “Nur weil es schon viele illegale legten Regeln, erklärt VerbandsObwohl diese “streng genommen dentenkonferenz (MPK) auf eine spiel sind zwischen 2011 und staatlicher Konzession betrieben. Anbieter gibt, muss man nicht Präsident Hans Jagnow. Neben alle illegal sind, dürfen sie aber Übergangsregelung, die dritte 2016 um knapp 830 Millionen Die Veranstaltung von Lotterien gleich voll legalisieren!” Hoch Wetteinsätzen auf den Ausgang wegen der komplizierten Rechts- Änderung des Glücksspielstaats- Euro auf fast 3,7 Milliarden Euro unterliegt mehrheitlich den 16 sieht allerdings ein Problem da- solcher Wettkämpfe gibt es verlage nicht geschlossen werden”, vertrags, geeinigt. Die grundle- gestiegen. Die Vergnügungssteu- Landeslotteriegesellschaften, de- rin, dass es den Menschen kaum mehrt innerhalb der Spiele selbst bemängelt der SPD-Abgeordnete gende Neuregelung ist für 2021 er der Kommunen hat sich von ren Mehrheitseigner das jeweilige erklärbar sei, warum sie in die glücksspielähnliche Momente. und Stadtentwicklungsexperte vorgesehen. Die Länder seien 2011 bis heute mehr als verdop- Bundesland ist. Daneben gibt Spielbank legal gehen könnten, “Die Grenzen zwischen E-Sports Daniel Buchholz, der das Berli- sich darin einig, das staatliche pelt. Allerdings gehen dem Staat es die gemeinsame Klassenlot- um Casino zu spielen, aber das und Glücksspiel verschwimmen”, ner Spielhallengesetz maßgeb- Lottomonopol beizubehalten und durch den wachsenden Grau- terie der Länder (GKL) sowie die online illegal sei. Es stelle sich die stellt Abarbanel fest. In einigen lich vorangebracht hat. Durch eine gemeinsame effektive Auf- bzw. Schwarzmarkt zunehmend Soziallotterien, die von gemein- Frage, ob nicht durch Legalisie- Spielen gibt es etwa sogenannte diese strikteren Regeln auf der sicht zu gewährleisten, betont Steuergelder in Milliardenhöhe nützigen Organisationen veran- rung eine Kanalisierung erreicht “Lootboxen” (oder Beuteboxen); einen Seite und deren fehlender Staatssekretär Clemens Hoch verloren. “Das internationale staltet werden. Der Markt für werden könne. Mit Blick auf die virtuelle Kisten, die eine zufällige Kon­trolle auf der anderen ha- (SPD), Chef der Staatskanzlei Glücksspielsteuerrecht ist un- Wetten hingegen ist weitgehend Unstimmigkeiten hält er eine Re- Sammlung bestimmter “Items” ben sich in den letzten Jahren Rheinland-Pfalz. Er und seine terentwickelt“, kritisiert Prof. Dr. privat organisiert. Im Bereich gulierung nach Opt-in / Opt-out- (z. B. Waffen, spezielle Gegenstän­ vermehrt die großen seriösen Amtskollegen haben sich auf Christian Jahndorf vom Institut der Sportwetten wurde bereits Prinzip – also eine Regulierung in de etc.) enthalten. Da der Käufer Anbieter vom Markt in Berlin das “Eckpunktepapier für eine für Steuerrecht an der Westfä- 2012 vom staatlichen Monopol zwei Geschwindigkeiten – zumin- nicht weiß, was er für sein Geld zurückgezogen. Die unerlaubten gemeinschaftliche glücksspiel- lischen Wilhelms-Universität Abstand genommen. Künftig soll dest für einen möglichen Kom- erhält, stehen die Lootboxen in Glücksspiele in Schwarzmärkten rechtliche Anschlussregelung Münster. Neben all den Steu- es auch keine Konzessionsbe- promiss. Stabiler, langfristiger der Kritik, unter das Glücksspiel breiten sich hingegen aus. Der der Länder ab 1. Juli 2021” als ergegenständen, die es derzeit schränkung mehr geben. Die und mit mehr Planungssicherheit zu fallen. “Die Verwaltung fragt nicht-regulierte Markt wuchs gemeinsame Diskussionsgrund- in Deutschland gebe und die Pferdewette wird in Deutschland auch für die Anbieter verbunden sich natürlich, wie man damit 2017 im Vergleich zum Vorjahr lage für den weiteren Prozess sich auf Bundes-, Landes und von Totalisatoren und gewerbli- sei eine gemeinsame Lösung, so rechtlich umgehen soll”, betont um 24 Prozent, also um rund verständigt. Darin enthalten ist kommunale Ebene verteilten, chen Buchmachern angeboten. Gaebler. Auch Malte Krückels Jagnow mit Blick auf die Re626 Millionen Euro. unter anderem eine Stärkung bestünden gleichzeitig enorme Die Anbieter von Wetten auf (Die Linke), Staatssekretär und gulierung. Wachsende Märkte, Bevollmächtigter des Freistaats Vollzugsdefizite, ein nur schwer Thüringen beim Bund, fragt nach regulierbarer Online-Bereich und der konkreten Umsetzbarkeit und neue Spielformen, die den Markt gibt zu bedenken, dass Einzel- erweitern – eine umsetzungslösungen nicht zu allgemeiner starke Glücksspielregulierung Akzeptanz führen würden. Sei- muss all diese Hürden berückEinsatz frei gewordener Mittel in Ländern ner Meinung nach ist Opt-in /  sichtigen, um wirklich kohärent (BS / Katarina Heidrich) Im Jahr 2018 haben die Länder insgesamt 1,064 Milliarden Euro aus frei gewordenen BAföG-Mitteln zur Verfügung gehabt, Opt-out eine “Pseudolösung”, zu sein.

Wie die Regulierung des Glücksspielwesens an ihre Grenzen stößt

Föderale Bildungsinvestitionen

da der Bund seit 2015 die Kosten für das BAföG allein übernimmt. Das sind knapp 14 Millionen Euro weniger, als für das Jahr 2017 angegeben wurde. Eingesetzt wurden die Mittel wiederum im Bildungsbereich, aber mit unterschiedlichen Verwendungen. Neun Länder haben für das Jahr 2018 dieselbe Entlastungssumme angegeben wie für 2017. Demgegenüber verzeichnete Sachsen einen leichten Aufwuchs der Entlastung in Höhe von 130.000 Euro. Hamburg (minus zwei Millionen Euro), Mecklenburg-Vorpommern (minus 2,5 Millionen Euro), Niedersachsen (minus 5,5 Millionen Euro), SachsenAnhalt (minus 163.000 Euro), Schleswig-Holstein (minus 1,4 Millionen Euro) und Thüringen (minus 2,342 Millionen Euro) meldeten einen Rückgang der verwendeten BAföG-Entlastung. Für den Schulbereich seien von den frei gewordenen Geldern im

Vergleich zum Vorjahr rund 15,7 Millionen Euro mehr ausgegeben worden – insgesamt waren dies 2018 rund 395 Millionen Euro. Für den Hochschulbereich hingegen seien knapp 2,8 Millionen Euro weniger als im Vorjahr ausgegeben worden – insgesamt rund 830 Millionen Euro. Dies geht aus dem als Unterrichtung (Drucksache 19/10412) vorliegenden Bericht zur Verwendung der in den Landeshaushalten frei gewordenen BAföG-Mittel der Bundesregierung hervor. Hamburg hat die frei gewordenen Gelder im Jahr 2018 ganz allgemein für “Verbesserungen im Bildungsbereich” genutzt, das Land differenziert allerdings in

seiner Aufstellung nicht weiter nach Schule und Hochschule. Die Mittel werden daher wie im vergangenen Jahr dem Hochschulbereich zugeordnet, womit sich ein Rückgang in diesem Bereich von zwei Millionen Euro für das Land ergibt. Auch SachsenAnhalt (minus 163.000 Euro) und Thüringen (minus 1,5 Millionen Euro) haben im Hochschul­ bereich weniger ausgegeben als im Vorjahr. Mecklenburg-Vorpommern (plus 330.000 Euro), Niedersachsen (plus 245.000 Euro) und das Saarland (plus 150.000 Euro) setzten hingegen mehr Kapital im Hochschulbereich ein als vergangenes Jahr. In der Regel wurden die Gelder

hier vornehmlich eingesetzt, um die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern. Auch Bau- und Unterhaltsmaßnahmen sowie die Infrastruktur haben von den Mitteln profitiert. Im Schulbereich wurden die frei gewordenen Gelder vornehmlich für mehr Personal, Inklusion, Schulsozialarbeit, Integration und Sprachförderung, Berufsorientierungsmaßnahmen und für den Ausbau der Ganztagsbetreuung eingesetzt. Berlin investierte zudem auch in Schulsanierungsmaßnahmen, Bremen in die Ausstattung der Schulen und Mecklenburg-Vorpommern in den Aufbau eines digitalen Unterrichtshilfeportals.

MELDUNG

Desinformation und alternative Wahrheiten (BS) Noch nie war es so einfach, sich zu informieren. Doch: Die Diskussion über Desinformation und Manipulation durch falsche Informationen – oder alternative Wahrheiten – wird vielfach hitzig geführt und hinterlässt oft das Gefühl von Ohnmacht. Meist werden Desinformationen auf das Gebiet der Politik beschränkt. Die Gefahren für Behörden und öffentliche Unternehmen sind jedoch groß und gezielte und strategische Manipulationen werden zunehmen – ohne dass ein Bewusstsein hierfür ausreichend besteht. Im

Mittelpunkt eines Seminars der Cyber Akademie stehen deshalb die verschiedenen Formen und Möglichkeiten von Desinformation und Manipulation. Mitarbeiter sollen befähigt werden, falsche Informationen zu erkennen und bekommen hierzu ein differenziertes Handlungsrepertoire vorgestellt. Das Seminar findet am 18. September 2019 in Bonn statt. Weitere Informationen zum Programm und Anmeldung unter www.cyber-akademie.de, Suchwort “Desinformation”


Länder

Behörden Spiegel / Juni 2019

D

ie Justiz muss sich neuen Herausforderungen stellen. Die Welt von morgen ist digital und damit auch der Rechtsverkehr. Zudem führen gesetzliche Änderungen wie die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Fixierungen und Unterbringungen oder auch die Verstärkung der Bundes- und Landespolizei zu einer Zunahme der Aufgaben. Der bayerische Haushaltsgesetzgeber hat dies erkannt und die bayerische Justiz kontinuierlich verstärkt. Seit dem Doppelhaushalt 2013 / 2014 wurden insgesamt 310 neue Stellen für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst geschaffen. Ein großer Personalkörper führt zu einer Vielzahl von Personalbewegungen und einem hohen Personalbedarf, der schnell gedeckt werden muss. Die bayerische Justiz ist hierbei sehr erfolgreich. Dies liegt zum einen an dem im Justizministerium zentralisierten, streng am Leistungsprinzip orientierten Einstellungsverfahren. Damit können wir bayernweit über Stellenbesetzungen ohne Verzögerungen, die in anderen Ländern beispielsweise durch die Einbindung von Richterwahlausschüssen entstehen, entscheiden.

Jahr für Jahr mehr Bewerber im Freistaat Zudem ist die bayerische Justiz ein attraktiver Arbeitgeber. Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir keine Schwierigkeiten, hochqualifiziertes Personal für den richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst zu gewinnen. Obwohl auch Großkanzleien und Unternehmen den besten Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt lukrative Gehaltsangebote unterbreiten, hat die bayerische Justiz bei der Nachwuchsgewinnung keine Probleme. Wir haben Jahr für Jahr mehr Bewerber, als wir einstellen können. Die Durchschnittsnote der insgesamt eingestellten Bewerber lag in den letzten Jahren stets über neun

Bedarfsdeckung im höheren Justizdienst Vorausschauende Personalplanung ist essenziell (BS / Georg Eisenreich) Ein starker Rechtsstaat braucht eine starke Justiz. Um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können, braucht die Justiz eine gute Personalausstattung. Die bayerische Justiz beschäftigt derzeit bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften rund 3.200 Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.

Um den Rechtsstaat effektiv durchsetzen zu können, braucht es genügend Richter, die Urteile fällen. Foto: BS / Dan Race, stock.adobe.com

Punkten. Bei der Berufswahl spielt die Sinnhaftigkeit einer Tätigkeit eine große Rolle. Die Tätigkeit als Richterin, Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt ist für viele nicht bloß Beruf – sondern Berufung. Die Tätigkeit ist interessant, abwechslungsreich und verantwortungsvoll. Besonders attraktiv ist der obligatorische Laufbahnwechsel zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft in der Anfangsphase des Berufslebens – ein Markenzeichen bayerischer Personalpolitik. Er garantiert eine fachliche Breite und Flexibilität.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf Hohen Stellenwert hat bei uns auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Es gibt viele flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Weder eine genommene Elternzeit noch eine Teilzeitbeschäftigung beeinträchtigt die Karrierechancen in der bayerischen Justiz. Außerdem

bieten wir ein Höchstmaß an Sicherheit, mit der Aussicht, nach drei Jahren als Staatsanwältin oder Staatsanwalt ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen beziehungsweise zur Richterin oder zum Richter auf Lebenszeit ernannt zu werden. Hinzu kommt, dass Bayern bei der Richterbesoldung bundesweit eine Spitzenposition einnimmt.

Entwicklungsmöglichkeiten bieten Nachhaltige und engagierte Personalpolitik hört aber nicht bei der Bedarfsdeckung auf. Dass der bayerischen Justiz keine Pensionierungswelle droht, ist einer vorausschauenden Personalplanung zu verdanken: In der bayerischen Justiz wurden kontinuierlich neue Stellen geschaffen und mit Nachwuchskräften besetzt. Dies hat zu einer ausgewogenen Altersstruktur geführt, die auch bei geburtenstarken Jahrgängen keine nennenswerten Schwierigkeiten durch Pensionierungen befürchten lässt. Zu einer durch-

Jährlich 400 Millionen Euro Sanierungshilfe BMF und Bremen schließen Verwaltungsvereinbarung (BS / stb) Bremen hat sich umfangreiche Sanierungshilfen vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) zusagen lassen. Ab 2020 will der Bund jährlich 400 Millionen Euro zahlen, sofern die Hansestadt ihre Verschuldung schrittweise abbaut. Das haben Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mit einer Verwaltungsvereinbarung zum Sanierungshilfengesetz beschlossen. Die Vereinbarung enthält konkrete Vorgaben für die Voraussetzungen und Modalitäten zur Auszahlung der Hilfen. “Alle Detailfragen wurden geklärt”, freute sich Finanzsenatorin Linnert. “Zum Beispiel was bei der Berechnung der Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt wird und in welcher Höhe und welchem Zeitraum Kredite getilgt werden müssen. Bremen ist und bleibt vertragstreu. Die Sanierungshilfen sind ein wichtiger Beitrag, um – nach der Entschuldung der beiden Städte Bremen und Bremerhaven – die Schulden des Landes Bremen langsam, aber sicher abzubauen.” Bundesfinanzminister Scholz sprach von einem wichtigen Baustein für die Reform der BundLänder-Finanzbeziehungen. “Mit den jährlichen Finanzhilfen des Bundes unterstützen wir das Land Bremen dabei, den Landeshaushalt erfolgreich zu sanieren – das wird die Finanz- und Wirtschaftskraft Bremens weiter stärken”, so der Minister.

Modalitäten geklärt Um die Zahlungen des Bundes zu erhalten, muss Bremen innerhalb von fünf Jahren Kredite um insgesamt 400 Millionen Euro tilgen, mindestens aber 50 Millionen pro Jahr. In der Zeit dürfen keine neuen Kredite über

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Pünktlich vor der Landtagswahl haben Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert und Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Verwaltungsvereinbarung zum Sanierungshilfengesetz in der Alten Försterei, dem Stadion des 1. FC Union Berlin, unterschrieben. Foto: BS / Senatorin für Finanzen Bremen

Sondervermögen aufgenommen werden. Wird die vereinbarte Tilgungsrate nicht erreicht, erfolgt eine Kürzung der Sanierungshilfe um den Fehlbetrag. Dann hat das Land Gelegenheit, die Tilgung nachzuholen, um die einbehaltene Hilfe nachträglich zu erhalten. In Ausnahmefällen kann die Hansestadt die Sanierungshilfe auch beantragen, wenn die Tilgungsrate nicht erreicht ist, zum Beispiel im Fall einer Naturkatastrophe oder einer vergleichbaren außergewöhnlichen Notlage.

Bei der Berechnung von Einnahmen und Ausgaben werden gemäß Verwaltungsvereinbarung weder Ein- und Verkäufe von Beteiligungen noch Darlehensvergaben und -rückzahlungen wie BafögLeistungen berücksichtigt. Um Planungssicherheit zu gewährleisten, wird zur Berechnung der Einnahmen die Steuerschätzung aus dem Monat Mai des Vorjahres herangezogen. So soll dem Risiko unerwartet hoher Steuereinbrüche begegnet werden, die nicht kurzfristig durch Einsparungen aufgefangen werden könnten.

dachten, leistungsorientierten Personalplanung gehört auch, dass wir unseren Nachwuchskräften zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Dazu zählen die vielen Sonderverwendungsmöglichkeiten. Wir fördern beispielsweise Abordnungen zur vorübergehenden Mitarbeit beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, beim Generalbundesanwalt, beim Bundesverfassungsgericht, beim Bundesgerichtshof, in bayerischen Ministerien und internationalen Einrichtungen. Davon profitieren nicht nur unsere Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Auch die Justiz selbst profitiert von dem beim “Blick über den Tellerrand” gewonnenen Erfahrungswissen.

Straf- und Zivilrechtserfahrungen sammeln Nach dem Laufbahnwechsel zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft kann jeder selbst entscheiden, wo der berufliche

Schwerpunkt liegen soll. Möglich ist eine rein richterliche Personalentwicklung, die durch einen flexiblen Einsatz in mehreren Rechtsgebieten oder einen längerfristigen Einsatz in einer Spezialmaterie wie dem gewerblichen Rechtsschutz oder dem Wirtschaftsstrafrecht geprägt ist. Regelmäßig sollte jede Richterin, jeder Richter in der bayerischen Justiz Erfahrungen sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht sammeln. Möglich ist aber auch der erneute Wechsel zur Staatsanwaltschaft. Besondere Aufmerksamkeit verdient

hier das Amt der Staatsanwältin als Gruppenleiterin bzw. des Staatsanwalts als Gruppenleiter. Wer in dieser Funktion komplexe, juristisch anspruchsvolle Verfahren führt und Dienstanfänger betreut, zeigt besondere fachliche Expertise und Flexibilität. Die Übernahme dieses anspruchsvollen Amtes verspricht eine Personalentwicklung in Richtung interessanter Beförderungsämter wie einer Vorsitzenden Richterin bzw. eines Vorsitzenden Richters am Landgericht oder einer Oberstaatsanwältin beziehungsweise eines Oberstaatsanwalts.

Günstige Beförderungs­ aussichten

Ohnehin sind die Beförderungsaussichten in der bayerischen Justiz günstig. Der überwiegende Teil unserer Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wird im Beförderungsamt pensioniert. Fazit: Die bayerische Justiz Staatsminister Georg Eisenreich aus dem Bayerischen steht sehr gut da. Staatsministerium der Justiz Unsere Personalgibt Einblick in die bayeristruktur, insbesche Personalplanung und sondere unsere Bedarfsdeckung. Alters- und Beförderungsstruktur, Foto: BS / Bayerisches Staatsministerium der Justiz ist intakt. Ich setze mich dafür ein, dass es so bleibt.

Neue Direktion in Planung Sachsen reformiert Polizeiausbildung (BS / mfe) Bei der sächsischen Polizei wird es künftig eine neue Direktion Aus- und Fortbildung geben. Dort werden die Zuständigkeiten der Polizeifachhochschule, der drei Polizeifachschulen im Freistaat sowie der Fortbildungseinrichtung zentralisiert und gebündelt. Zum 1. August wird zudem ein Aufbaustab zur Neustrukturierung der Aus- und Fortbildung bei der Landespolizei eingerichtet. Des Weiteren wird eine Überarbeitung der Studien- und Ausbildungsinhalte vorgenommen. Angewendet werden sollen die reformierten Studieninhalte dann ab Herbst kommenden Jahres. Dabei geht es insbesondere um eine stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis sowie die stärkere Berücksichtigung der Bedeutung von Medien und Öffentlichkeit. Außerdem soll die IT-Infrastruktur im Rahmen eines Konzeptes “Digitaler Campus 4.0” verbessert werden. Auch ist eine Überprüfung des Auswahlverfahrens für den Beruf des Polizeibeamten vorgesehen. Neben der fachlichen Eignung sollen in Zukunft auch Haltung und Charakter eine größere Rolle bei der Rekrutierung spielen. Des Weiteren soll die anwendungsbezogene Forschung an der Polizeifachhochschule durch die zeitnahe Bildung eines Instituts

für Polizei- und Sicherheitsforschung gestärkt werden. Und die Polizeifachhochschule erhält eine neue Leitung. Carsten Kaempf folgt Anfang Juli als Rektor auf Thomas Boltz. Dieser hatte den Posten in den letzten sechs Monaten inne und kehrt auf eigenen Wunsch als Abteilungsleiter und zugleich Vertreter des Präsidenten ins Polizeiverwaltungsamt in Dresden zurück. Der neue Rektor Kaempf wird von zwei Prorektoren und einem Leitungsstab unterstützt.

Weiterentwicklung zwingend erforderlich Die Reformvorschläge stammen von den Mitgliedern einer Kommission zur Überprüfung der Ausbildung an der Hochschule der sächsischen Polizei. Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller (CDU) sagte: “Das Ergebnis zeigt Handlungsbedarf – auch über das

Prüfungswesen hinaus.” Die bisherige Ausbildung sei ein solides Fundament für den Polizeiberuf im Freistaat. Der Ressortchef konstatierte jedoch auch: “Um die künftigen Herausforderungen zu meistern, brauchen wir aber darüber hinaus bestmögliche Ausbildungsbedingungen, einen optimalen Mix aus Theorie und Praxis sowie eine Stärkung der anwendungsorientierten Sicherheitsforschung.”

Volle Aufmerksamkeit und Mitwirkung notwendig Fragen der Aus- und Fortbildung entschieden heutzutage mehr denn je über die Zukunft der sächsischen Polizei. “Daher erfordern die Verbesserung und Weiterentwicklung der Aus- und Fortbildung die volle Aufmerksamkeit und Mitwirkung der gesamten Polizeiführung auf den Nachwuchs.”


Finanzen

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A

llerdings wird der Begriff Investition in dieser Debatte nie genauer definiert, sondern eher inflationär für alle möglichen Forderungen verwendet. Bevor wir also überhaupt sinnvoll über diese Forderungen reden können, müssen wir uns den Investitionsbegriff genauer anschauen.

Falsche Anreize per Definition Investitionen, wie sie im System der europäischen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung definiert werden, entsprechen häufig nicht unserem Alltagsverständnis von Investitionen. Schauen wir uns das am Beispiel einer Schule an: Anstatt Schäden und Abnutzungserscheinungen in Schulen regelmäßig zu reparieren, gammelt das Schulhaus vor sich hin. Es gibt hier nach allgemeiner Auffassung oft Investitionsbedarf. Aber würde die Instandhaltung gegenwärtig als Investition zählen? Nein, leider nicht, denn gewöhnliche Wartungsarbeiten und Reparaturen zählen nicht als Investition, sondern als Konsumausgabe des Staates. Würde man

“E

PSAS und die Doppik bringen einen Mehrwert für das Parlament, denn sie liefern vollständige Informationen über die Finanzlage und Werte einer Gebietskörperschaft”, unterstreicht Dr. Martin J. Worms, Staatssekretär im Hessischen Ministerium der Finanzen. Mit der Rechnungslegung sollen allgemein vier Zwecke erreicht werden: Rechenschaft, Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Vergleichbarkeit. “Dazu braucht ein zielorientierter Staat fundierte Daten”, ergänzt der Präsident des Hessischen Rechnungshofes, Dr. Walter Wallmann. Dies umfasse auch Aussagen zur Vermögens- und Ertragslage, zu Abschreibungen und zu Rückstellungen wie Pensionen. Der Präsident des Landesrechnungshofes (LRH) verdeutlichte dies an einem Beispiel: Wenn in einem kameralen Haushaltssystem vier Millionen Euro für den Katastrophenschutz ausgegeben würden, sei dies eine beeindruckende Zahl. Jedoch sage sie nichts darüber aus, wie viel tatsächlich neu investiert und wie viel für den Werterhalt ausgegeben werde. Anders bei der Doppik. Hier würde von der Ausgangssumme der Wertverzehr von beispielsweise 800.000 Euro abgezogen. Damit würde der Investitionsstau um 3,2 Mio. Euro sinken.

Gefahr für Deutschland Diese Daten gebe es jedoch nur bei einem doppisch geführten Haushalt. Der sei wiederum zwingend für die Einführung der EPSAS. Dabei ist der LRH-Präsident überzeugt, dass seitens der europäischen Ebene in Zukunft verbindliche Rechnungslegungsstandards vorgegeben werden. Diese Ansicht teilt Klaus-Heiner Lehne, Präsident des Europäischen Rechnungshofes (EuRH). Schließlich habe nach der europäischen Finanzkrise 2010 unter anderem auch Deutschland einheitliche Finanzstandards gefordert. Denn gerade Haushaltsdaten seien entscheidend für die Koordinierung der Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission habe bereits 2002 die Doppik mittels einer deutschen Standardsoftware eingeführt. Diese wurde ebenso an die Bedürfnisse der Kommission angepasst wie die sogenannten EU-Accounting-Rules, die auf den International Public Sector Accounting Standards (IPSAS) beruhen. “Inzwischen haben fast alle Mitgliedsstaaten einen doppisch geführten Staatshaushalt, sind in der konkreten Umsetzung oder haben die Umstellung

Behörden Spiegel / Juni 2019

Mehr in die Zukunft investieren Investitionsbegriff muss neu definiert werden

vestitionlücke” des Staates, also den Unterschied zwischen den benötigten und den tatsächlich getätigten Investitionen.

Überschätzungstaktik

(BS/Otto Fricke) In letzter Zeit ist wieder einmal eine Debatte um die staatlichen Investitionen entbrannt: Diese seien zu niedrig, die Infrastruktur Doch auch die Investitionslücke verfalle, der Staat komme seinen Aufgaben nicht mehr nach. Deshalb gibt es von verschiedenen Seiten Forderungen nach höheren Investitionen. birgt Probleme, denn sie wird Auch gibt es Forderungen, eine Mindesthöhe von Investitionen vorzuschreiben, beispielsweise in Höhe der Abschreibungen, also mindestens dem mithilfe einer Abfrage bei einer Wertverfall der Anlagegüter entsprechend. Außerdem soll eine Ausnahme bei der Schuldenbremse für Investitionen geschaffen werden. kleinen Anzahl von Kommunen erhöhen. Diese Definition setzt also falsche Anreize, wenn man mehr sinnvolle Otto Fricke ist Mitglied des Deutschen Bundestages und Investitionen förhaushaltspolitischer Sprecher dern will. der FDP-Bundestagsfraktion. Auch die Ausgaben für die BilFoto: BS/Marius Hoppe dung der Kinder gelten im Moment nicht immer als also, anstatt die alten Toiletten zu Investitionen: Neue iPads und sanieren, nebenan einen Neubau Beamer für die Schule zu kaufen, setzen, würde der Neubau als zählt natürlich als Investition, Investition zählen, die Sanierung neue Lehrer einzustellen und aber nicht. Würde dieser Neubau neue Professorinnen, um diese aufgrund von schlechter Planung auszubilden, jedoch nicht. Man sieht also: Ein Staat ist doppelt so teuer wie geplant, würde das die Investitionen des eben kein Unternehmen; InvesStaates um den selbigen Betrag titionen, die für die Gesellschaft

als solche zählen und sinnvoll sind, fallen teilweise nicht unter den aktuellen Investitionsbegriff.

Vergleiche sind schwierig Es gibt noch andere Probleme: In den letzten Jahrzehnten wurden viele Aufgaben in öffentliche Fonds und Unternehmen ausgegliedert. Beispielsweise zählen Investitionen öffentlicher Unternehmen, wie etwa kommunale Wohnungsgesellschaften, nicht als staatliche Investitionen. Dies führt häufig dazu, dass Abgänge und Abschreibungen dem Staat zugerechnet werden, neue Investitionen jedoch dem privaten Sektor. Das macht es vor allem schwierig, die Investitionsausgaben über die Jahre hinweg zu

vergleichen. Auch ein internationaler Vergleich ist schwierig. Einmal aufgrund der oben beschriebenen Problematik aber auch aufgrund der unterschiedlichen Struktur, wie Zuschüsse und Investitionen verbucht werden. So werden zum Beispiel in Frankreich Investitionen in Krankenhäuser als staatliche Investitionen gezählt, in Deutschland nicht. Weiterhin hat ein hoch entwickelter Industriestaat mit ausgebauter Infrastruktur einen anderen Investitionsbedarf als Staaten, die in diesem Bereich aufholen müssen. Bei jenem ist eher Instandhaltung nötig, bei diesen eher Neubauten. Ein weiterer Teil der Debatte dreht sich oft um die große “In-

Lieber gestalten statt verweigern Appell an Haushaltspolitiker, vor der normativen Kraft des Faktischen tätig zu werden (BS/Jörn Fieseler) Hessen gilt als Vorreiter und Verfechter bei der Einführung einheitlicher europäischer Rechnungslegungsstandards, den sogenannten European Public Sector Accounting Standards (EPSAS). Im Gegensatz zum Bund. Dort wird das Thema zwar konstruktiv kritisch begleitet, doch nicht alle Akteure sind von der Einführung überzeugt. Zu groß seien die Differenzen zu den deutschen Bilanzierungsgrundsätzen aus dem Handelsgesetzbuch (HGB). Doch genau deshalb soll der Bund an der Gestaltung der EPSAS mitwirken – so die Forderung. Sonst stehe man am Ende alleine da. geplant. Nur Deutschland und die Niederlande beharren auf der Kameralistik”, gibt Lehne einen Überblick (siehe Karte) und warnt: “Es besteht die Gefahr, dass Deutschland bei den Diskussionen um die EPSAS aufgrund dieser Haltung außen vor gelassen wird.” Zu einer Beteiligung gebe es keine Alternative, die übrigen Mitgliedsstaaten würden nicht auf Deutschland warten oder sich der deutschen Meinung anschließen.

135.000 Euro für jeden öffentlichen Haushalt Außerdem habe die Kommission weder ein Gesamtkonzept vorgestellt noch erklärt, auf welche Rechtsgrundlage die Einführung gestützt sei. Auch Alternativen, mit denen die Qua-

rung der Doppik und der EPSAS ausgesprochen. Deshalb solle sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einbringen, und die verbindliche Einführung von EPSAS in Deutschland verhindern, empfiehlt der BRH. Daran habe sich seit der Berichterstellung im Kern auch nichts geändert, wie dem Behörden Spiegel auf Nachfrage bestätigt wurde.

Widerstand ist zwecklos “Damit ist Deutschland das gallische Dorf”, entgegnet die derzeitige Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Europäischen Parlaments, Dr. Inge Gräßle. Auf Europäischer Ebene würden die Hindernisse nach und nach beseitigt, der Widerstand Deutschlands würde sich dann von selbst erledigen. Dies dürfe nicht geschehen, fordert auch der zuständige Direktor beim Hessischen Rechnungshof, Dr. Karsten Nowak. Denn die EPSAS müssten von den IPSAS her weiterentwickelt werden. Das aus dem Deutschen Handelsgesetzbuch bekannte Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip seien in den EPSAS bislang nicht so vorgesehen. Danach dürfen Gewinne nur aufgeführt werden, wenn sie tatsächlich realisiert werden, Verluste aber schon dann berücksichtigt werden, wenn sie absehbar sind. Beide Prinzipien müssten in die EPSAS integriert werden, dafür müsse sich Deutschland starkmachen und in dem Prozess einbringen.

Doppisch oder in Umsetzung Umsetzung geplant Kameral

Skepsis auf Bundesebene “Wir sind uns einig, dass es in der EU eine verbesserte Datenlage geben muss und dass die Transparenz über die Haushaltsdaten enorm wichtig ist”, entgegnet Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen (BMF). Doch sei Deutschland noch nie dafür kritisiert worden, die Haushaltsdaten seien intransparent. Schließlich existiere auch für den Bund eine Vermögensrechnung. Außerdem begleite der Bund den Diskussionsprozess auf europäischer Ebene “konstruktiv-kritisch”. Anhand der Entwicklungen in den anderen EU-Mitgliedsstaaten müsse man sich diesem Thema stellen. “Wir wollen die deutschen Interessen einbringen”, hebt der Finanzstaatssekretär hervor. Zugleich sieht Gatzer eine gewisse Skepsis: “Die Rechnungslegung mit EPSAS wird als erster Schritt wahrgenommen, darauf folgt die Haushaltslegung mit den gleichen Standards”, beschreibt er die Meinungen. Noch deutlicher wird der Bundesrechnungshof (BRH). “Die EU hat kein Erkenntnisproblem, sondern ein Vollzugsdefizit”, sagte BRH-Präsident Kay Scheller schon im November 2017. Auch besser vergleichbare Finanzdaten würden Krisen wie die damalige nicht verhindern. Es mangele in vielen Fällen an gelebter Haushaltsdisziplin.

ermittelt. Diese Stichprobe ist einerseits zu klein, andererseits erfolgt die Schätzung der Investitionslücke durch die Kämmerer der Kommunen. Da diese Schätzung dann in politischen Verhandlungen großes Gewicht hat, gibt es einen Anreiz, den Investitionsbedarf aus verhandlungstaktischen Gründen zu überschätzen. Aufgrund all dieser Probleme ist es dringend notwendig, dass wir den öffentlichen Investitionsbegriff neu definieren, damit die staatlichen Anstrengungen und Investitionen genau dort landen, wo sie für die Zukunft gebraucht werden, denn eines bleibt offensichtlich: Für die Zukunft tun wir in Deutschland zu wenig; wir sollten dringend anfangen, mehr in die Zukunft zu investieren!

Vergleichbarkeit der Daten kommt

Umsetzungsstand des öffentlichen Rechnungswesens in Europa

Karte: BS/entelechie, stock.adobe.com;

Darstellung des Hessischen Rechnungshofes auf Basis von OECD/IFAC (2017) Acccrual Practices and Reform Experiences in OECD Countries, S. 27

lität der europäischen Statistiken und der Staatsfinanzen verbessert und damit Transparenz und Vergleichbarkeit in der Finanzberichterstattung hergestellt werden könnten, habe sie nicht untersucht, kritisiert der BRH in einem “Bericht nach § 99 Bundeshaushaltsordnung über die angestrebte Einführung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor (EPSAS) in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union”. Des Weiteren sei es bedenklich, dass in den Ent-

scheidungsprozess zu viele Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Berater eingebunden seien. Diese würden sich selbst ein neues Aufgabenfeld schaffen und damit die Abhängigkeit von privaten Dritten steigern. Auch die geschätzten Einführungskosten beanstandet die Kontrollbehörde. Die Kosten werden auf 2,5 bis drei Mrd. Euro angegeben, dürften nach Ansicht des BRH aber viel höher sein. Diese Meinung teilt Gatzer. Er rechnet vor, dass bei geschätzten 2,5 Mrd. Euro und rund 18.000 öffentlichen

Haushalten die Umstellung pro Haushalt rund 135.000 Euro koste. Das erscheine ihm als zu gering. Zugleich wirft der BRH der Kommission vor, seit dem Jahr 2015 die freiwillige Umstellung auf doppische Systeme und die Anwendung der IPSAS mit finanziellen Mitteln gefördert zu haben und damit Fakten zu schaffen, ohne eine Entscheidung der Mitgliedsstaaten vorwegzunehmen. Und darüber hinaus hätten sich sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat gegen die Einfüh-

Die neue Kommission werde den EPSAS einen neuen Schub geben, ist sich Lehne mit dem stellvertretenden Direktor bei Eurostat, John Verrinder einig. Die neue Kommission werde die Vergleichbarkeit der Daten herstellen. Ein Umstand, den auch Nürnbergs Kämmerer Harald Riedel mit Blick auf sein Bundesland begrüßt. In Bayern haben die Kommunen die Wahl zwischen kameraler und doppischer Buchung. Folglich müssten bei Kommunalvergleichen immer zwei Sorten Papier ausgefüllt werden: rote und grüne, je nach Haushaltssystem. Trotzdem könne nicht mehr alles miteinander verglichen werden. Dabei gehe es doch darum, den Parlamentariern mehr Informationen an die Hand zu geben, damit sie das tun könnten, was ihre originäre Aufgabe sei: den Haushalt zu kontrollieren, sagt Verrinder. Deshalb könne doch niemand ernsthaft mehr Informationen ablehnen wollen?


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Juni 2019

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Herausforderungen in IT-Projekten

(K)ein Positives Ergebnis

Ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

Uniformbeschaffung in Bayern und Thüringen

(BS / Prof. Klaus Gennen) Es entspricht den Üblichkeiten, dass drei Viertel aller IT-Projekte nicht ohne Schwierigkeiten beendet werden, rund ein Viertel der IT-Projekte scheitert vollständig. Ich habe in den vergangenen mehr als 25 Jahren eine dreistellige Anzahl von Projekten als Rechtsberater betreut, zumeist auf Auftraggeberseite, und die auch statistisch belegte Erfahrung gemacht, dass die Notwendigkeit der Überwindung von Schwierigkeiten die Regel ist und nicht die Ausnahme. Dies wird von der Auftraggeberseite oft nicht ausreichend beachtet. Gründe für Herausforderungen in Projekten sind vielfältig; beispielhaft seien nachstehend einige wichtige aufgeführt. Außer Betracht gelassen sind dabei Herausforderungen, die ausschließlich dem Vergaberecht entstammen.

(BS / jf) Bayern wird kein eigenes Polizei-Logistikzentrum für die Beschaffung von Dienstkleidung einrichten. Das Logistikzentrum Niedersachsen (LZN) sei hinsichtlich der effizienten und effektiven Arbeit nur schwer zu übertrumpfen. Dieses baut seine Beschaffungskooperationen in der Zwischenzeit weiter aus.

Ein Grund ist, dass entweder keine ausreichenden Regelungen zur Steuerung des Projekts in den Vertragsunterlagen vorhanden bzw. in Bezug genommen sind oder die zur Verfügung stehenden Instrumentarien von dem Auftraggeber im Krisenfall nicht oder nicht hinreichend konsequent genutzt wurden. Bisweilen muss man sich als Auftraggeber schon früh im Projekt recht förmlich verhalten, was man anfangs ungern tut weil man annimmt, dass es die Projekt­atmosphäre stört. Das muss man aber als auf verschiedenen Ebenen gelagert ansehen – wenn auf Managementebene fachlich deutlich reagiert werden muss, können auf Projektebene Personen trotzdem vernünftig zusammenarbeiten. Naturgemäß ist es schwierig, mit einem Projekt in Schieflage an die Öffentlichkeit zu treten, weil man die negative Außenwirkung nicht wünscht. Da kann es geschehen, dass man versucht ist, die Schwierigkeiten nicht offenbar werden zu lassen und nicht auch noch ausführlich zu dokumentieren.

Die Qual der Methodenwahl Zu den verbreiteten Schwierigkeiten gehört auch, dass bei Projekten unterschiedlicher Größe gern Unklarheit über die Projektvorgehensmethode (PVM) herrscht. Oft sieht sich der Auftraggeber als fachlicher Laie und möchte keine PVM vorgeben – und verlässt sich dann auf die von dem Bieter vorgegebene PVM. Alternativ dazu wird eine PVM vorgegeben, die nicht unbedingt zum Projekttyp passt oder nur einen Framework darstellt, der nach dem Zuschlag nicht ausreichend ausgearbeitet wird, oder es wird die gewählte PVM nicht durchgehalten und im Projekt davon abgewichen. Das führt

jekt und damit zu Änderungsanforderungen. Prof. Klaus Gennen ist Fachanwalt für IT-Recht Vielfach sind die und Fachanwalt für Arbeitsbei der Zusamrecht, lehrt an der TH Köln menstellung des und ist Rechtsanwalt bei LLR Sachverhalts und Rechtsanwälte PartG mbB, des LeistungsverKöln. Foto: BS / Michael Neuhaus zeichnisses beteiligten Abteilungen nicht ausreichend befasst worden. Gern verweigert immer wieder zu Schwierigkei- sich auch eine Abteilung der ten und ist zu vermeiden. Im Mitwirkung, um erst im Projekt Gegenzug wird der Bieter keine zu entdecken, wie spannend die für sich ungünstige PVM wählen, neue Lösung sein kann – oder insbesondere nicht in Zeiten, in umgekehrt. Mängel bei der Aufdenen agile Methoden im Vor- nahme des Sachverhalts und der dringen begriffen sind und eine Zusammenstellung der Anforeher dienstvertragliche Rechts- derungen schleifen sich durch natur des Vertrags nahe legen zu Mängeln in der Leistung als eine Erfolgshaftung des Auf- (Software-Erstellung), wenn sie tragnehmers. nicht über ÄnderungsanfordeBisweilen tritt mit der Ertei- rungen erfasst werden. Daraus lung des Zuschlags aufgrund resultieren zwei Notwendigkeiten: des Vergabeverfahrens regelrecht Entweder müssen Sachverhalt Erschöpfung der aufseiten des und Anforderungen gegebeAuftraggebers handelnden Per- nenfalls mit externer Beratung sonen ein. Ressourcenprobleme aufgearbeitet werden. Oder der werden offenbar, das Projektteam Auftraggeber muss sich eine verist nicht schnell genug aufgestellt tragliche Flexibilität verschaffen, und es gibt Nachgiebigkeit oder um nachträglich festgestellten Euphorie zu Projektbeginn. In Sachverhalt und daraus abzuleidieses Macht- und Ressourcen­ tende Folgen aufzunehmen und vakuum springt der Auftragneh- dabei noch die Parameter Kosten, mer hinein und schlägt seine Zeit und Qualität unter Kontrolle PVM vor, sein Testvorgehen, seinen Vorschlag einer Ressourcenverteilung und seine Vorstellung von einem “gemeinsamen Projekterfolg” und einem “kooperativen Vorgehen”. Die rechtliche Steuerung von IT-Projekten vom Zuschlag bis Aufklärung unzureichend zum Projektende thematisiert der Autor in einem Seminar Gern wird auch der der Ausdes Behörden Spiegel am schreibung zugrunde liegende 27. November 2019 in Berlin. Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und es werden nicht alle oder zumindest die meisWeitere Informationen unter www.fuehrungskraefte-forum.de, ten abzuarbeitenden Anforde­Suchwort “rechtliche Steuerung” rungen erfasst. Dies führt zu vielen Unwägbarkeiten im Pro-

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zu halten. Es geschieht dabei recht häufig, dass der bisweilen haarfeine Unterschied zwischen einer gesondert kostenpflichtigen Änderungsanforderung und einer nicht kostenpflichtigen weiteren Detaillierung einer bereits vorhandenen Anforderung zulasten des Auftraggebers ausgeht, weil dieser fachlich zu wenig Unterstützung erfährt, um den Unterschied aufzuarbeiten.

Wenige Streitigkeiten Gern wird aufseiten des Auftraggebers der notwendige Umfang der Dokumentation des Projektverlaufs, von Mängeln usw. unterschätzt. Die Dokumentation kann nicht dem Auftragnehmer überlassen werden, denn ein vernünftiges Claim-Management ist nur bei ordentlicher Dokumentation möglich, unabhängig von der Beweislast für das Bestehen oder Nichtbestehen von Problemen. Die nachträgliche Aufarbeitung ist unmöglich, weshalb eher wenige gescheiterte Projekte vor Gericht landen. Sie landen auch deswegen selten dort, weil die öffentliche Hand sich eher einigt als zu streiten. Letzteres ist im Grundsatz nicht schlecht, es sollte nur nicht darin seinen Grund haben, dass die Dokumentation schlecht ist und die eigene Position nicht bewiesen werden kann. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen, wobei die meisten He­ rausforderungen in IT-Projekten von privaten Auftraggebern nicht anders ausfallen. Manche dieser Schwierigkeiten lassen sich mit einer verbesserten und zielgerichteten Vorbereitung des Projekts vor der eigentlichen Ausschreibung einfangen, andere durch Vertragsgestaltung. Immer ist es aber auf Auftraggeberseite notwendig, im Projekt selbst aktiv gemäß den selbst eingeräumten Möglichkeiten zu steuern.

Direktkauf unter bestimmten Bedingungen möglich Neue Leitlinien zur gemeinsamen Beschaffung im Verteidigungssektor (BS / jf) Vor zweieinhalb Jahren hat die EU-Kommission Orientierungshilfen für die gemeinsame Beschaffung im Rüstungs- und Verteidigungs­ bereich angekündigt. Nun hat sie geliefert und für Klarheit gesorgt. Die Leitlinien werden die Beteiligung der Mitgliedsstaaten an gemeinsamen Verteidigungsprojekten im Rahmen des künftigen Europäischen Verteidigungsfonds (siehe auch Behörden Spiegel, Mai 2019, Seite 41) und seiner aktuellen Vorläuferprogramme erleichtern und die Zusammenarbeit weiter fördern, ist die für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zuständige Kommissarin, Elżbieta Bieńkowska, überzeugt. “Eine Bündelung der Kräfte und Kooperationen können helfen, die

hohen Kosten der anspruchsvollen Militärtechnik zu zähmen. Mit der nicht verbindlichen Leitlinie für die kooperative Beschaffung im Bereich Verteidigung und Sicherheit hat die Kommission für wichtige Klarstellung gesorgt”, beurteilt Dr. Thomas Kirch, Rechtsanwalt, Partner und Fach­anwalt für Vergaberecht der Sozietät Leinemann & Partner Rechtsanwälte mbB, das zwölfseitige Dokument. Die zentrale Aussage lautet: Das europäische Vergaberechtsregime steht einer Kooperation mehrerer Staaten und einem

Rund 180 unterschiedliche Waffensysteme hat die EU-Kommission in den Mitgliedsstaaten gezählt. Allein 17 verschiedene Kampfpanzer, darunter den Leopard 2 A7 der Bundeswehr. Ziel ist, die Systeme zu reduzieren. Foto: BS / Bundeswehr, Marco Drolow, CC BY flickr.com

gemeinsamen Einkauf von Militärgütern nicht entgegen, auch wenn kooperative Beschaffungsprozesse in der Regel nicht vom Vergaberecht freigestellt sind. Allerdings gebe es auch eine Ausnahme für Kooperationsprogramme, die auf Forschung und Entwicklung beruhen. “Der Anwendungsbereich für diese Ausnahme ist allerdings recht schmal, da etwa die Vorbereitung eines der Produktion vo­ rausgehenden Prototypen nicht vom Vergaberecht freigestellt ist”, sagt Kirch über diese Rege­ lung. Es müsse sich vielmehr um ­vorgelagerte Forschungen handeln. Des Weiteren stellt die Kommission klar, dass im Fall einer Kooperation sich die betroffenen Mitgliedsstaaten überlegen müssen, wer von ihnen vergaberechtlich “den Hut” aufhat oder ob sie auf eine zentrale Vergabestelle zurückgreifen, erläutert Kirch. Für am Auftrag interessierte Unternehmen müsse klar sein, an wen sie sich als im Außenverhältnis verantwortlich agierenden öffentlichen Auftraggeber gegebenenfalls wenden müssen. Darüber hinaus ist sogar ein Direktkauf möglich. Ein Mitgliedsstaat kann ein System zur Verteidigungsfähigkeit im Rahmen einer Kooperation mit

Die Entscheidung beruht auf einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, die das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration durchgeführt hatte. Klaus Adelt (SPD), Abgeordneter im Bayerischen Landtag, hat sich nach dem positiven Ausgang dieser Untersuchung und der Gründung eines bayerischen Polizei-Logistikzentrums (LZB) erkundigt. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe Logistikzentrum

einem anderen Mitgliedsstaat erwerben, wenn dieses bereits im Besitz des Kooperationspartners ist und wenn folgende “technische Gründe” erfüllt sind: • Eine echte Initiative zur Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (z. B. Bündelung und gemeinsame Nutzung) wird durch eine internationale Übereinkunft begründet. • Dies erfolgt vor der Festlegung einer Beschaffungsstrategie durch den erwerbenden Mitgliedsstaat. • Nach einer umfassenden Markt­ erkundung und Bewertung, ob gleichartige Produkte die Umsetzung der Initiative nicht ebenfalls erreichen würden, begründet der Mitgliedsstaat ausführlich, warum die Beschaffung dieser Ausrüstung die einzige Option ist. Diese Bewertung könnte beispielsweise in Form der in Kapitel drei der Bekanntmachung der Kommission vorgesehenen Marktanalyse erfolgen, die Leitlinien für die Vergabe von Aufträgen zwischen Regierungen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit enthält. Diese Gründe würden jedoch nicht für die ursprüngliche Auftragsvergabe des Mitgliedsstaates gelten, der die betreffende Fähigkeit zuerst erworben habe.

Mit Thüringen übernimmt das Logistikzentrum Niedersachen die Beschaffung von Polizeiuniformen für sieben Bundesländer. Foto: BS/LZN

Bayern ist eindeutig. Es sei klar herausgestellt worden, dass das Logistikzentrum Niedersachsen sehr ökonomisch arbeite. “Der Betrieb eines eigenen LZB als reiner Versandhandel für die Dienst- und Sportbekleidung wäre nicht wirtschaftlicher zu betreiben.” Die Arbeitsgruppe habe deshalb alternative Modelle geprüft. Ein wirtschaftliches Ergebnis ließe sich nur erzielen,

wenn sämtliche dezentralen und die meisten zentralen Beschaffungsfelder aller Polizeiverbände in einer Organisation zentralisiert würden. “Dies würde zum Verlust eines etablierten, dezentralen aber vernetzten Beschaffungswesens führen”, so das Fazit.

Sieben auf einen Streich Mit Blick auf diese weitreichenden Auswirkungen stehe eine Entscheidung über die Gründung eines eigenen Logistikzentrums im Freistaat noch nicht fest. Von Engpässen bei der Versorgung der bayerischen Polizei mit Dienst- und Sportbekleidung könne jedoch nicht die Rede sein. Der Vertrag mit dem LZN bestehe bis zum Jahr 2021 und verlängere sich automatisch um zwei Jahre, sofern nicht fristgerecht gekündigt werde. Das LZN hat derweil seine Beschaffungstätigkeiten weiter ausgebaut. Kürzlich erfolgte die Vertragsunterzeichnung mit dem Freistaat Thüringen. Neben Bayern und den Ländern des sogenannten Nordverbundes, Bremen, Hamburg, MecklenburgVorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, beliefert die zentrale Beschaffungsstelle, die 2015 mit dem Hamburger Vergabepreis des Behörden Spiegel ausgezeichnet wurde, insgesamt sieben Landespolizeien mit mehr als 110.000 Beamtinnen und Beamten.

MELDUNG

Strategien zur sicheren Einführung (BS) Bis November 2019 müssen alle öffentlichen Auftraggeber in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu verarbeiten. Spätestens ab November 2020 müssen auch die Rechnungssteller elektroni-sche Rechnungen an öffentliche Auftraggeber versenden. Für die Verwaltung ergibt sich hieraus die Chance, mithilfe einer einheitlichen und medienbruchfreien Rechnungsbearbeitung Abläufe zu beschleunigen und Kosten zu senken. Damit gehen regulatorische Anforderungen einher, die für eine gesetzeskonforme Einführung der elektronischen Rechnung zu beachten sind. Die aktuellen

Rahmenbedingungen, vorhandene Potenziale und mögliche Lösungsansätze werden in einem Seminar der Cyber Akademie beleuchtet. Dabei wird auch aufgezeigt, wie bereits existierende Bestandteile der Organisationsstruktur – beispielsweise ein Informationssicherheitsmanagementsystem – dazu beitragen können, die Einführung zu vereinfachen. Das Seminar findet statt am 19. September 2019 in Berlin. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.cyberakademie.de, Suchwort “E-Rechnung”

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Beschaffung / Vergaberecht

Seite 10

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► AUSSCHLUSS

Gleichbehandlung erforderlich Nicht einseitig nach Gründen suchen Im Streit über die Vergabe von Verkehrsleistungen trägt die Beigeladene im Beschwerdeverfahren vor, sie habe nunmehr noch eine Reihe von Gründen entdeckt, die dazu führten, dass die Antragstellerin auszuschließen sei. Sie erhofft sich damit Entlastung, hat doch auch die Antragstellerin vorgetragen, dass die Beigeladene zwingend ausgeschlossen werden müsse. Deren Begehren sei wegen eigener Ausschlussbedürftigkeit aber unzulässig und ihr, der Beigeladenen, sei der Zuschlag zu erteilen. Damit hat die Beigeladene die Rechnung ohne den Vergabesenat gemacht. Denn der erkennt den Fehler in der Argumentation. Würde man nämlich der Antragstellerin die Antragsberechtigung von vornherein absprechen, könnte die Beigeladene trotz eigener Ausschlussbedürftigkeit den Zuschlag erlangen. So weist der Senat darauf hin, dass die Vergabestelle die Angebote gleichermaßen auf Wertbarkeit hin überprüfen müsse und nimmt diese Prüfung sogleich selbst vor. Wird bei einem Angebot nach kleinsten Fehlern gesucht, müssen auch die anderen Angebote ebenso gründlich betrachtet werden. Das wurde der Beigeladenen schließlich zum Verhängnis. Ihr Angebot enthielt gleichermaßen derartige Fehler und wurde ausgeschlossen – während dasjenige der Antragstellerin sich bei näherem Hinsehen zunächst als fehlerfrei erwies. OLG Schleswig (Beschl. v. 21.12.2018, Az.: 54 Verg 1/18)

► BAUKOSTEN

0,03 Prozent zu viel Obergrenze bleibt Obergrenze Die Obergrenze an sich hatte die politische Diskussion in den letzten Jahren geprägt. Manch einer beharrte darauf, sie ganz starr zu handhaben. Im Vergaberecht jedenfalls ist eine Obergrenze absolut. Das musste ein Architekt schmerzlich lernen, dessen Beitrag zum Planungswettbewerb erfolglos blieb. Der Auftraggeber ließ zunächst die Kosten für sein Projekt schätzen. Danach war mit Baukosten von rund 17,6 Millionen Euro für die Kostengruppen 300 und 400 zu rechnen. In der Bekanntmachung des Wettbewerbs wies er auf diese Schätzung hin. Im Auslobungstext hingegen legte er eine Baukostengrenze gleicher Höhe fest. Der Architekt ging irrig davon aus, dass auch hier nur eine Schätzung vorliege – wie in der Bekanntmachung – und reichte einen Beitrag ein, dessen Errichtungskosten mit 17.606.000 Euro ausgewiesen wurden, also 6.000 Euro mehr als vorgesehen. Der Auftraggeber schloss ihn allerdings wegen Nichtbeachtung von Denkmalschutzvorgaben aus. Seine Gegenwehr gegen diesen Ausschluss blieb vor der Vergabekammer erfolglos. Denn die betrachtete vor allem die Kosten und konstatierte: Auch eine Überschreitung um – wie hier – lediglich 0,03 Prozent der Bausumme verletzt die Wettbewerbsvorgabe und führt unweigerlich dazu, dass

Behörden Spiegel / Juni 2019

Förderprogramm als Finanzierungshilfe

der Beitrag nicht berücksichtigt werden kann. VK Berlin (Beschl. v. 14.01.2019, Az.: VK B 2-31/18)

► NEWCOMER

Punkte für nichts Bewertung früherer Leistungen Die Agentur für Arbeit führt eine eigene Statistik darüber, welche Erfolge die von ihr beauftragten Beratungsunternehmen bei der Eingliederung von Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt haben. Diese Statistik bildet regelmäßig die Grundlage für die Bewertung von Bietern für derartige Eingliederungsmaßnahmen und führt ebenso regelmäßig zum Streit um deren Korrektheit. Kern des Streits ist in der Regel die Bewertung von Bietern, über die noch keine hinreichenden Erkenntnisse in der internen Statistik vorliegen. Im Jahr 2016 hatte das OLG Düsseldorf entschieden, dass die Zuerkennung von zu wenigen Leistungspunkten solchen Bietern keine Chance lasse, Aufträge zu erlangen und insofern eine unzulässige Bevorzugung der Vorauftragnehmer bewirke. Nun aber geht der Streit anders herum: Die Agentur für Arbeit will Bieter, über die noch keine Erkenntnisse in der eigenen Datenbank vorliegen, pauschal mit zwei von drei möglichen Punkten bewerten. Ist eine solche Besserstellung zulässig? Ja, meint wiederum das OLG Düsseldorf. Die Verbreiterung des Wettbewerbs und die Zugänglichkeit für Newcomer rechtfertigt es, dass hier noch unbekannte Bieter einen strukturellen Vorteil vor den Vorauftragnehmern erhalten. Für Arbeitsmarktdienstleistungen, die im Massengeschäft von der Agentur vergeben werden, ist diese Entscheidung wegweisend – auf andere Branchen ist sie nicht übertragbar. Grundsätzlich bleibt es dabei: Frühere Leistungen sind aus dem Blickwinkel des zugelassenen Kriteriums “Personal” zu bewerten. Fehlende Referenzen im Teilnahmewettbewerb bringen keine Punktwerte und es ist genauso wie im Offenen Verfahren eine Ermessensentscheidung zu treffen, ob der Newcomer nicht doch geeignet ist. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 19.09.2018, Az.: Verg 37/17)

► BIETERMANGEL

Torschlusspanik Angebote dringend gesucht Der Auftraggeber schrieb nach VOB/A unterschwellig Bauleistungen aus. Er verlangte, dass alle Angebote nur schriftlich abzugeben seien. Kurz vor Ende der Angebotsfrist überfällt Panik die Vergabestelle: Es ist noch kein einziges Angebot eingegangen. Um nun die Ausschreibung nicht wiederholen zu müssen, kommt ein Mitarbeiter auf die Idee, ein passendes Unternehmen zu kontaktieren und aufzufordern, ganz schnell das LV aus dem Vergabeportal zu kopieren, zu bepreisen und schnell noch vor Torschluss per E-Mail zuzusenden. Dann wurde das Angebot ausgedruckt und wäre wohl als einziges bezuschlagt worden, weil dieses – gelinde gesagt – unübliche Verfahren von niemandem beanstandet worden wäre. Es kam aber anders: Letztlich gingen doch noch zwei schriftliche Angebote ein. Deren Ein-

gangsdatum ist nicht protokolliert worden. Der Vermerk über die Angebotsöffnung ist offensichtlich falsch, denn er bezeichnet auch das E-Mail-Angebot als schriftlich eingegangen. Das mit der Auswertung beauftragte Ingenieurbüro empfiehlt, letzteres auszuschließen, weil es nicht dem Formerfordernis “schriftlich” entspricht. Der Auftraggeber folgt der Empfehlung. Der herbeitelefonierte Bieter fühlt sich geprellt und beantragt die Nachprüfung nach Landesrecht. Mit Erfolg: Zwar kann sein Angebot selbstverständlich nicht gewertet werden. Weil aber auch von den anderen Angeboten in einem in mehrfacher Hinsicht fehlerhaften Verfahren mangels Eingangsstempel nicht klar ist, ob sie noch rechtzeitig kamen, muss das ganze Verfahren wiederholt werden. VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 28.09.2018, Az.: 3 VK LSA 54/18)

► FAXPROTOKOLL

Die Uhr geht nach Probleme mit dem Eingangszeitpunkt Der Bieter hielt das Vergabeverfahren für fehlerhaft. Er wollte den Auftraggeber zum Einlenken bewegen, rügte den Fehler und stellte einen Nachprüfungsantrag. Doch bei der Übermittlung der Dokumente kam es zu einer ganzen Reihe von Merkwürdigkeiten: Am 8. Dezember 2018 sollte der Zuschlag erteilt werden. Das Rügeschreiben des Bieters datiert vom 5. Dezember. Es soll angeblich mit der Post gesandt worden sein. Es trägt aber den Eingangsstempel des Auftraggebers vom 10. Dezember. Und die Briefmarke war erstaunlicherweise nicht abgestempelt. Mit der Übermittlung per Fax sah es auch nicht besser aus. Nach seinem Vortrag sandte er am 6. Dezember um 14.19 Uhr die Rüge und um 14.33 Uhr den Nachprüfungsantrag ab. Damit hätte er der Pflicht zu vorherigen Rüge noch genüge getan. Der Auftraggeber trägt hingegen vor, dass er die Rüge erst um 17.20 Uhr erhalten habe, da war ihm der Nachprüfungsantrag durch die Kammer bereits zugestellt. Nun sieht sich die Kammer die Faxprotokolle im Detail an: Im Bestätigungsvermerk auf Bieterseite steht die Sendezeit 14.19 Uhr für die Rüge, die Uhr ging also rund drei Stunden nach. Das Nachprüfungsfax ist nach dem Bieterprotokoll erst um 15.41 abgesendet worden. Doch nach dem Eingangsprotokoll des Faxservers der Vergabekammer war es schon um 12.51 Uhr da. Also ging die Uhr des Bieters zu diesem früheren Zeitpunkt rund drei Stunden vor. Mit dem erstaunlichen Umstand, dass die Uhr des Bieter-Faxgerätes zwischen 13 und 17 Uhr sechs Stunden rückwärts lief, beschäftigt sich – zum Glück des Bieters – die Vergabekammer nicht mehr eingehend. Sie konstatiert lediglich, dass der Nachprüfungsantrag offenbar vor der Rüge gestellt wurde, was allein genügt, ihn als unzulässig zu verwerfen. VK Brandenburg (Beschl. v. 28.01.2019, Az.: VK 22/18)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel ◄

“DigitalPakt Schule” für die Beschaffung von IT-Ausstattung in Schulen (BS/Dr. Felix Siebler) Die Digitalisierung erreicht zunehmend die öffentliche Hand und dabei insbesondere auch Bildungseinrichtungen. Zunehmender technischer Fortschritt betrifft einerseits die Gebäudeinfrastruktur, wobei beim Neubau und der Sanierung bzw. Modernisierung von Gebäuden die notwendigen technischen Einrichtungen und Anlagenkomponenten mit einer Vernetzung untereinander vorgesehen werden müssen. Andererseits betrifft dies vor allem auch die Errichtung einer bildungsbezogenen digitalen Infrastruktur, wie z. B. die Ausstattung mit schnellen Internetverbindungen und die Implementierung von IT-Systemen als Teil von pädagogischen Bildungsumgebungen oder gemeinsamen digitalen Lehr- bzw. Lernplattformen. Der Investitionsbedarf in adäquate Informationstechnologie im Bildungsbereich ist ganz erheblich und betrifft sowohl Hard- und Software als auch Dienstleistungen. Zur Umsetzung der Maßnahmen zur Beschaffung der erforderlichen Leistungen stehen in großem Umfang verschiedene Förderprogramme zur Verfügung – etwa ganz aktuell der “DigitalPakt Schulen”, mit dem der Bund über einen Zeitraum von fünf Jahren mehr als fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Damit soll Kommunen der Zugang zu weiteren Finanzmitteln für den Digitalausbau von Schulen gewährt werden. Um die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit Deutschlands im internationalen Wettbewerb sicherzustellen, werden Bildungsmaßnahmen von Lehrkräften, die Einrichtung und Entwicklung neuer Lernformen durch digitale Medien, deren Beschaffung sowie die Errichtung von digitaler Infrastruktur in den Schulen gefördert. Während der Bund Fördermittel zur Verfügung stellt, obliegt es den Bundesländern, zielgerichtete pädagogische Konzepte zu entwickeln, die nötigen Medien zu beschaffen sowie sich um die erforderliche Weiterbildung der Lehrkräfte zu kümmern. Weiter haben die Länder zu prüfen, ob alle Bedarfsträger über gesamtheitliche Konzepte zur Sicherstellung von Betrieb, Support und Wartung verfügen, um an dem Förderprogramm teilnehmen zu können. Unabhängig von

dem aufgesetzten Bundesförderprogramm können die Länder weitere Programme zu Kofinanzierung bereitstellen, mit denen sie die Förderung des Bundes ergänzen.

Breite Palette von Fördermöglichkeiten Förderfähig sind insbesondere die Modernisierung von Gebäuden und die Errichtung einer bildungsbezogenen digitalen Infrastruktur, wie z. B. die Ausstattung mit schnellen Internetverbindungen und ITtechnischen Systemen (Hardund zugehörige Betriebssoftware, nicht nur herkömmliche Endgeräte, sondern bspw. auch VR-Brillen oder interaktive Tafeln) als Teil von pädagogischen Bildungsumgebungen, oder gemeinsame digitale Lehr-/ Lerninfrastrukturen der Länder. Weiter werden die Implementierung, Instandhaltung, der Betrieb und die Wartung sowie Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zur Verwendung der neuen Medien gefördert. Nach bisheriger Zeitplanung sollen bereits Ende 2019 erste Mittel an die Bedarfsträger ausgeschüttet werden.

Dr. Felix Siebler, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner im Bereich Öffentliches Wirtschaftsrecht bei der Sozietät Watson Farley & Williams LLP. Foto: BS/Rainer Häckl, www.rainerhaeckl.de

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der “DigitalPakt Schulen” eine Weichenstellung für den Abbau des vorhandenen Investitionsstaus darstellt und hierdurch dringend anstehende Beschaffungsmaßnahmen im Bereich Informationstechnologie finanziert werden können. Die Herausforderung liegt in der Bestimmung der erforderlichen Leistungsgegenstände unter Berücksichtigung des technologischen Stands sowie einer zukünftigen Skalierbarkeit von Lösungen. Die Beschaffung von Leistungen im Bereich Informationstechnologie unterliegt dabei vergaberechtlichen Bestimmungen, sodass eine projektspezifische Konzeption und Durchführung eines entsprechenden Vergabeverfahrens notwendig ist. Hierbei ist größte Sorgfalt gefragt, um keine Vergabeverstöße zu begehen, die zu einer Rückforderung von Zuwendungen führen können.

Save the Date Wie Vergaberechtsverstöße bei IT-Vergaben mit Mitteln aus dem “DigitalPakt Schule” vermieden und wie diese verallgemeinert werden können, erörtert der Autor in zwei Seminaren des Behörden

Spiegel am 25. Juni 2019 in Hamburg und am 17. Oktober 2019 in München. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “DigitalPakt”

MELDUNG

Noch transparenter (BS/jf) Das Berichtswesen öffentlicher Unternehmen in Hamburg soll noch transparenter werden. Dazu beabsichtigen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen in der Freien und Hansestadt, den Hamburger Corporate Governance Kodex auf Fragen der Nachhaltigkeit zu erweitern. In einem ersten Schritt ist beabsichtigt, die neue Berichtspflicht zunächst auf die öffentlichen Unternehmen zu beschränken, an denen entweder die Stadt oder die Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) direkte oder mittelbare Mehrheitsbeteiligungen besitzen. Dies würde gemäß den Kriterien nach § 267 Handelsgesetzbuch (HGB) große Kapitalgesellschaften umfassen, wie etwa die Hafen und Logistik AG (HHLA) oder die Hapag-Lloyd. Die Einführung von Nachhaltigkeitsberichten für mehr Transparenz in öffentlichen Unternehmen Hamburgs geht zurück auf eine Richtlinie des Bundes aus dem Jahr 2017. Darin werden Unternehmen aufgefordert, Informationen hinsichtlich ökologischer und sozialer Aspekte offenzulegen. Konkret seien darunter Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange zu fassen sowie Themen, die für international agierende Unternehmen wichtig seien, etwa die Achtung von Menschenrechten. Die Richtlinie betreffe jedoch nur große kapitalmarktnahe Unternehmen.

qanuun-aktuell An der schönen blauen Donau von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Der Vergleich mit einem Erdbeben, das Österreich durch ein bizarres Video und das sich daran anknüpfende Regierungsende erreicht hat, ist zutreffend und zeigt sehr bildlich, dass diese Vorkommnisse keine rein nationale Angelegenheit sind, sondern in ihrer Wirkung viel weiter gehen. Enthüllungen über einen Parteichef und seine allumfassenden Machtfantasien sind nicht wirklich neu, ebenso wenig, dass autoritäre Staatschefs weltweit ihre Kassen, die ihrer Partei und ihrer Familie bereitwillig mit Geldern aus Korruption und Geldwäsche füllen. Neu ist auch nicht die routinemäßig darauf folgende, kollektive Empörung und vorübergehende Schockstarre. Allerdings hat die “Causa Strache” einen besonderen Beigeschmack. Das Füllen der Parteikasse gegen vergaberechtswidrige Auftragserteilung war nur eine Sache, das erträumte Eingreifen in die kritische Medienlandschaft durch feindliche Übernahme allerdings eine andere. Damit wird Korruption sehr viel politischer. Es geht nicht nur um einen materiellen Vorteil gegen einen anderen materiellen Vorteil, sondern es geht um

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

das aktive Eingreifen in das Funktionieren eines Staates, einer Gesellschaft. Kritische Medien werden von jedem autoritären Politiker verabscheut, aber in einer echten Demokratie muss er sie ertragen. Meinungsvielfalt und -deutlichkeit sind die wesentlichen Indikatoren einer funktionierenden Demokratie. Wer hier einzugreifen versucht, will nicht nur einen Vorteil für die nächste Wahl, sondern zeigt, dass ihm Rechtsstaatlichkeit und Redlichkeit völlig egal sind, wenn er nur siegt. Ob das auch die Bürgerinnen und Bürger im benachbarten Österreich bedacht haben, die Herrn Strache zu einem Mandat im EU-Parlament verholfen haben?


-2460

Ralf-Olav Halm

Karsten Pflock

-4541 -2299

Dr. Alexander Mann

Referat II 4 Körperschaftsteuer mit Nebengesetzen, Internationale Rechnungslegung (IFRS), Gemeinnützigkeit, Spendenrecht, Gewerbesteuer, Außensteuer

Andreas Rolker

-2265

-2520

Referat II 3 Finanzmarktrecht, Fragen des Banken- und Finanzwesens in Wirtschaft und Gesellschaft

Peter Mandler

Referat II 2 Grundsatz-, Reform- und Verfassungsfragen

-2515 -2434

Annett Eckardt

Referat II 8 Einkommensteuer mit Nebengesetzen, Lohnsteuer, Vermögensbildung, Kirchensteuer, Kapitalertragsteuer, Investmentsteuergesetz -2414

Hessisches Ministerium der Finanzen Friedrich-Ebert-Allee 8 65185 Wiesbaden Telefon: 0611 / 32 0 E-Mail: poststelle@hmdf.hessen.de

Gleichstellungsbeauftrage/r: Ursula Waßmuth -2401 Datenschutzbeauftragte/r: Anja Emich -4181 Schwerbehindertenvertretung: Friedhelm Meuser -2351 Vorsitzende/r des Personalrats: Corinna Groß -2400

1 mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragt 2 derzeit abgeordnet an die Hessische Staatskanzlei, Geschäftsbereich Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung

Dr. Andreas Stüdemann

Referat III 6 Einzelpläne 02, 03, 05 und 10

Dr. Alexander Labermeier

Referat III 5 Einzelpläne 04 und 08, Kredit- und Anlagemanagement

-2568

-2279

-2438

-2500

-2440

-2338

Manfred Schlick

-2266

Referat III 11 Konnexität, Europa, Föderalismus, Demografie (Wirkung auf den Landeshaushalt)

Alfred Müller

-2467

Michael Seneberg

Harald Bott

Referat III 9 Bilanzierung, Rechnungslegung, Zahlungsverkehr

Reinhold Weiß

Referat III 10 Finanzhilfenberichte, Förderkataster, Kopfstelle Finanzstatistik

-2215

-2452

Referat III 8 Steuerschätzung, Finanzverfassung, bundesstaatlicher Finanzausgleich, Steuerverteilung, Steuerhaushalt

Kai Hofmann

-2224

-2352

-2231

-2225

Stephan Hieke

Referat IV 6 Immobilienmanagement

Dr. Frank Roland

-2514

-2555

Referat IV 5 Staatsschulden, Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen, Spielbanken, Staatslotterien

Kai Klumpp

Referat IV 4 Kommunalfinanzen II Kommunaler Schutzschirm, Investitionsförderungen, Besondere Finanzzuweisungen

Patrik Kraulich

Referat IV 3 Kommunalfinanzen I Kommunaler Finanzausgleich HESSENKASSE

Sandra Strobl

Referat IV 2 Staatl. Finanzierungshilfen, Verwaltung von Beteiligungen

Dagmar Brinkmann

-2525

-2535

-4175

-2562

-2406

N.N.

Referat IV 12 Justiziar des Staatlichen Hochbaus im HMdF, Rechtliche Grundlagen staatlichen Bauens, Vergabe- und Vertragsrecht

Marianne Willems

Referat IV 11 Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen Unternehmen, Stiftungen, Fiskalerbschaften

Guido Brennert

Referat IV 10 Public Private Partnership-Maßnahmen / PPP–Kompetenzzentrum, Baumaßnahmen des Landes (ohne Hochschulbau), Bauinvestitionsplanung und Haushaltsvollzug Einzelplan 18

Stefan Haub

Referat IV 9 Hochschulbaumaßnahmen, Zuwendungsbaumaßnahmen, Rechnungshofmitteilungen, Fachaufsicht hbm

Hans-Günter Göddemeyer

Referat IV 8 Staatliches Bauverfahren, Bauangelegenheiten des Bundes und der Gaststreitkräfte, Energieeffizientes Bauen

Sophia v.d. Driesch

Referat IV 7 Hochschulbaumaßnahmen, Baufachliche und technische Definition von Landesstandards

Elmar Damm -2201, -2332 Vertreter: Patrik Kraulich -2352

Abteilung IV Staatsvermögens- u. -schuldenverwaltung, Kommunaler Finanzausgleich, Bau- und Immobilienmanagement

-2211 -5061

Referat IV 1 Grundsatzfragen der Verwaltung von Beteiligungen, Beteiligungen des Landes an privatrechtlichen Unternehmen

Uwe Michael Schickel / Dr. Katharina Brauer

Bundesrat und Finanzministerkonferenz

Referat F / RF

Referat III 7 Grundsatzfragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, Haushaltsüberwachung, Finanzplanung, Zentrales Finanzcontrolling

-2220, -2420 -2245

Referat III 4 Einzelplan 15

Ralf Bitterberg

-4184

Dr. Julia Wilhelm

Wolfgang Jude

Referat III 3 Einzelpläne 01, 06, 11, 18 Digitalisierung

-2305

Referat III 2 Einzelpläne 07, 09 und 17 Kap. 1706

Rolf Seikel

-2245

Dr. Gerrit Rüdiger Vertreter: Rolf Seikel

Referat III 1 Grundsatzfragen des Haushaltswesens, Haushaltsreform Gesamthaushalt, Einzelplan 17

Referat II 7 Einkommensteuer mit Nebengesetzen

Astrid Higelin

Referat II 6 Außenprüfung, Steuerfahndung, Steuerstrafrecht, Bewertung, Grundsteuer, Erbschaft-, Schenkung- und Vermögensteuer, Verbrauch- und Verkehrsteuern

Yvonne Wurster

Referat II 5 Umsatzsteuer mit Nebengesetzen und Zölle

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

Bodo Sauerbier

dem Amtschef unmittelbar zugeordnet

Referat I IR Interne Revision

Heinrich Finger

Dr. Annette Schmidt

069 / 583032401

Referat II 1 Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Steuerberatungsrecht, Vollstreckung

Referat I 13 Aufbaustab Förderale IT-Kooperation (FITKO)

-2237 -2509 -2457 -2273 -4169 -2560

Abteilung III Haushaltsabteilung - Haushalt u. Finanzpolitik -

Nicole Spoerhase-Eisel Brigitte Döhler Ralph-Nicolas Pietzonka Stefan Schmidt Katharina Maria Simon Stefanie Schickedanz

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Hessisches Ministerium der Finanzen Stand: Juni 2018

Personelles

-2210

Referat I 12 Fachaufsicht landesinterne Steuerberatung, Projekt § 2b UStG

Referat I 6 Organisation und IT der Steuerverwaltung

-2325

Thomas Schute

Petra Zellner

-2324

Referat I 11 Digitalisierung der Landesverwaltung, Strategische Steuerung und Fachaufsicht HZD und HCC, Externes IT-Projektcontrolling

Referat I 5 Allgemeines Justiziariat, Compliance, Datenschutz

-2277

Michael Münz

Wolfgang Schimmel

-2323

Referat I 10 Organisation und Personal Landesintene Dienstleister [Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH), Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), Hessisches Competence Center für neue Verwaltungssteuerung (HCC)] und Bundesbau

-2454

-2283

-2285

Referat I 4 Haushalt des Ressorts, Controlling, Haushaltsbeauftragte/r

Martina Albert (m.d.W.d.G.b.)*

Astrid Dornauf

-2358

Referat I 9 Innerer Dienst, Zentralregistratur

Referat I 3 Strategisches Personalmanagement, Dienst-, Arbeits- und Tarifrecht

Heinrich Grün

-2271

Silke Hartung

Kristina Döring

Referat I 7 Personal Steuerverwaltung, Studienzentrum der Finanzverwaltung und Justiz

Matthias Schenk -2260, -2261 Vertreter: Heinrich Finger -2515

Michael Hohmann -2275, -2276 2277 Vertreter: Michael Münz

Referat I 8 Organisation und Personal Ministerium

-2422

-4181

Referat I 2 Organisationsentwicklung, Prozessmanagement, Veränderungsmanagement, Unterbringung

Bertram Freyer

Referat I 1 Strategisches Management, interne Kommunikation

Anja Emich

ISB/DSB Informationssicherheitsbeauftragte HMdF / Ressort Datenschutzbeauftragte

Leiterin Ministerbüro Persönliche Referentin Pressesprecher Parlaments- und Kabinettsangelegenheiten Grundsatzangelegenheiten, Öffentlichkeitsarbeit Europäische und internationale Angelegenheiten

Abteilung II Steuerabteilung - Steuern, Abgaben und Finanzmarktrecht -

Tel.: -2345

Tel.: -2339

LMB M1 M2 M3 M4 M5

Abteilung I Zentralabteilung

Staatssekretär Dr. Martin Worms

Co-CIO Roland Jabkowski2

Bildquelle: Hessisches Ministerium der Finanzen / Sabrina Feige

Tel: -2461

Dr. Thomas Schäfer

Staatsminister

Organisationsplan des Hessischen Ministeriums der Finanzen

Behörden Spiegel / Juni 2019 Seite 11


Diplomaten Spiegel

Seite 12

A

ls sie Ende November 2017 nach Deutschland kommt, sind die bilateralen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern sehr intensiv. Malaysia gilt als wichtiger, stabiler Partner in Südostasien, als ein führendes Land im ASEAN-Verbund, moderater Vertreter der islamischen Welt und wird, ob der Rolle in den Vereinten Nationen und seiner vermittelnden regionalen Stabilitätspolitik, geschätzt. 1957 erlangt es die Unabhängigkeit von Großbritannien und hat seitdem einen bemerkenswerten Wandel von einer Agrar- zu einer bedeutenden Industrienation mit wettbewerbsfähiger Wirtschaft und guter Infrastruktur eingeleitet. Ihre politische Reife beweisen die Malaysier durch die friedliche Abwahl der Barisan-Nasionalhin zur Pakatan-Harapan-Koali­ tion 2018, bei der nach 61 Jahren erstmals ein Regierungswechsel stattfindet. Die besonderen Beziehungen zwischen Berlin und Kuala Lumpur betrifft er nicht. “Das liegt daran”, so die Botschafterin, “dass Deutschland eines der ersten Länder war, das uns nach unserer Unabhängigkeit diplomatisch anerkannt hat. Seitdem spiegeln sich die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen in verschiedenen Bereichen wie Politik, Gesellschaft und Kultur wider. Die bedeutendsten Fortschritte sind im bilateralen Handel und den Investitionen zu verzeichnen. Deutschland ist unser größter Investor der EU und wir sein wichtigster Handelspartner in Südostasien.”

Behörden Spiegel / Juni 2019

Tor und Drehscheibe zur ASEAN-Region Ein Gespräch mit Malaysias Botschafterin in Berlin, Sarah Al Bakri Devadason (BS / ps) Der Staat Malaysia, den Sarah Al Bakri Devadason als Botschafterin in Deutschland vertritt, hat dreizehn Bundesstaaten sowie die Bundesgebiete Putrajaya, die Insel Labuan und die Hauptstadt Kuala Lumpur. Neun der Bundesstaaten sind Monarchien, vier werden von Gouverneuren geleitet. Das Staatsoberhaupt ist ein König, der alle fünf Jahre aus dem Kreis der neun Monarchen neu gewählt wird. Regierungschef ist der Premierminister. Die heute 50-Jährige arbeitet nach dem Jurastudium seit 1994 im diplomatischen Dienst bei verschiedenen Ministerien, für die Ständige Vertretung von Malaysia bei ASEAN (Association of Southeast Asian Nations), als Unterstaatssekretärin für Menschenrechte im Außenministerium und an der Ständigen Vertretung von Malaysia bei der UNO in New York.

Jeder Baum wird gebraucht

Seit rund 1,5 Jahren in Deutschland: Ihre Exellenz Sarah Al Bakri Devadason, Botschafterin der konstitutionellen Wahlmonarchie Malaysia. F otos: BS / Dombrowsky

Fast 600 Projekte Zwischen 1980 und 2018 gibt es 589 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 9,1 Milliarden Euro, die Tausende von Arbeitsplätzen im Export, der Hochtechnologie und Forschung schaffen. “Derzeit arbeiten wir auf Industrie 4.0 als nächste Entwicklungsstufe im verarbeitenden Gewerbe hin. Unsere Bemühungen konzentrieren sich auch auf die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte, um Malaysias Position als Drehscheibe für hochwertige Dienstleistungen in der Region Asien-Pazifik zu stärken”, betont Devadason. Und weiter: “Darüber hinaus bemühen wir uns gezielt um Investitionen in Branchen mit hoher Wertschöpfung, um neues Wachstum zu generieren, die im Einklang mit den Strategien und Fähigkeiten deutscher Unternehmen stehen. Daher sind die Chancen entsprechender Partnerschaften enorm.”

Rezept der Botschafterin Char Kuay Teow (gebratene Reisbandnudeln) – der Name ist chinesisch und bedeutet “gebratene Reis-KuchenStreifen” – sind in Malaysia neben Nasi Lemak (Reis in Kokosmilch gegart) ein sehr beliebtes Nationalgericht.

Zutaten: 150 g Kuay teow (flache Reisbandnudeln – hier kann man einfach vietnamesische Bandnudeln aus dem Asiamarkt verwenden), 75 g Garnelen, 30 g Schnittlauch, 20 g Sojabohnensprossen, 1 Ei, 30 g Herzmuscheln (ohne Schale) – optional, 1 /2 TL schwarze Sojasauce, 1 TL helle Sojasauce, 1 TL gekörnte Hühnerbrühe, Chilipaste, 1/2 TL Austernsauce (aus der Flasche), gebratene Schalotten, frischer Koriander zum Garnieren

Hinzu komme, dass das langjährige Business-to-BusinessNetzwerk zwischen deutschen Unternehmen und ihren malaysischen Partnern sowie zwischenmenschliche Kontakte im Laufe der Jahre Vertrauensverhältnisse auf der Grundlage von Respekt und Verständnis aufgebaut hät-

Zubereitung: 3 TL Öl im Wok erhitzen, Garnelen kurz anbraten und vom Herd nehmen. Den Wok wieder daraufstellen, Öl hinzugeben und die Nudeln mit den Gewürzen ca. 3 Minuten anbraten. Schnittlauch, Bohnensprossen, Muscheln und Eier dazu und umrühren. Zum Schluss die gebraten Schalotten reingeben und Korianderzweige zum Garnieren. Heiß servieren.

ten. “Obwohl Malaysia nur 32 Millionen Einwohner zählt, bietet es Investoren Zugang zu einem breiteren regionalen Markt, als Tor und Drehscheibe für die gesamte ASEAN-Region”, wirbt die Diplomatin für ihr Land. Neben aller europäischer Moderne gilt der Islam als offizielle

Religion, doch Solidarität mit anderen religiösen Gruppen in Malaysia, die ihre Religion frei dort ausüben können, ist wichtig. Den IS-Terror lehnt die Wahlmonarchie kategorisch ab, “weil er das wahre Bild des Islams als friedliche Religion trübt und eindeutig im Widerspruch zu seinen

Zeichen setzen im Öffentlichen Dienst Frankreichs Macron will neue Elitebildung und schließt Kaderschmiede ENA (BS / Hartmut Bühl) Die unerwartete Ankündigung des französischen Präsidenten Ende April, die Eliteschule ENA (Ecole Nationale d’Administration) auflösen zu wollen, war als Zeichen an die Gelbwesten gedacht. Der Präsident habe sie verstanden und wolle Schluss machen mit der tiefgreifenden Trennung der auch in der Bildung “privilegierten” herrschenden Klasse vom Rest der Bevölkerung, dem Grund der sozialen Spannungen in Frankreich. “Wir brauchen Eliten”, sagte der Präsident, der selbst ENAAbsolvent ist, aber sie müss­ ten dem Bild der Gesellschaft entsprechen und der Zugang zu den verschiedenen Elitebildungseinrichtungen müsse allen Begabten offenstehen und nicht nur denen, die die lange Vorbereitungszeit – das sind im Durchschnitt zwei ganze Jahre bis zu einer Zulassungsprüfung (Concours) – finanziell schafften. Emmanuel Macron nannte das “positive Diskriminierung”. Ob das allerdings reicht, den sozialen Frieden wiederherzustellen, wird sich noch erweisen müssen. Macron beauftragte bereits Frédéric Thiriez – ebenfalls ENAAbsolvent und langjähriger Vorsitzender des Ligaausschusses für den Profifußball –, eine “ehrgeizige Reform für den Öffentlichen Dienst” vorzuschlagen. Diese muss wohl das gesamte Bildungssystem betreffen.

wobei sie sich das schon immer als modern vorgestellt hat. “Durch meine Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen empfinde ich die Deutschen als freundlich, direkt und offen, wobei wir oft gleiche Vorstellungen von konstruktiver Kooperation und Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Zielen haben.” Da trifft es sich gut, dass wir Deutschen gerne reisen – auch nach Malaysia – und so einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung leisten. “Malaysia – Truly Asia”, so Malaysias Slogan, beherbergt fünf UNESCO-WeltkulturerbeStätten: Lenggong Valley, Mulu National Park, Kinabalu Park, Georgetown und Melaka, bekannt für ihre Bio­diversität und archäologischen, historischen und kulturellen Stätten von unschätzbarem Wert. “Malaysia ist auch die Heimat der Nasenaffen und Orang-Utans”, führt die Juristin weiter aus. Auf diese, und so manch anderes in ihrer Heimat, muss sie derzeit verzichten, würde deshalb aber mit niemandem tauschen. “Ich habe das Gefühl, dass ich ein sehr erfülltes Leben und eine sehr erfolgreiche Karriere habe und denke nicht daran, mit jemandem zu tauschen.”

Die Ecole Nationale d’Administration ist schwer zu erreichen. Nicht nur das Gebäude erinnert an eine schwer einnehmbare Bastion, auch die meisten Bewerber haben keinen Erfolg, einen der begehrten Studienplätze zu bekommen. Nun soll die Einrichtung geschlossen werden. Foto: BS / Albert Dezetter, pixabay.com

Die ENA wurde am 9. Oktober 1945 von Charles de Gaulle gegründet, um einen neuen, von der Kollaboration mit dem HitlerRegime befreiten Öffentlichen Dienst zu schaffen. De Gaulle beauftragte den Generalsekretär der kommunistischen Partei Maurice Thorez mit dieser Aufgabe. Die damals in Paris angesiedelte Schule wurde dann im

Rahmen der Dezentralisierung von Präsident François Mitterrand 1992 nach Strasbourg umgesiedelt. Die Ausbildung ist von höchstem Niveau, vielgestaltig und staatstragend. Die Zulassung bedingt eine fordernde und sehr teure Vorbereitung der Bewerber (circa 3.000 jährlich) mit einer Prüfung, deren Bestehen nicht einmal fünf Prozent (rund

120 bis 150) vorbehalten ist. Das Bestehen der Prüfung hat zur Auflage, mindestens zehn Jahre im Öffentlichen Dienst zu dienen, rasche Beförderungen natürlich inbegriffen. Nur wenige Begabte aus den “unteren Schichten” schaffen bisher den Zugang zur ENA und anderen Eliteeinrichtungen wie z. B. der Ecole Polytechnique. Vor allem, weil die finanziellen Mittel fehlen. In den Spitzenfunktionen der Politik und staatlichen Verwaltung gibt es kaum eine Persönlichkeit, die nicht zumindest eine der Eliteeinrichtungen des Staates abgeschlossen hat (Mitterrand war eine der Ausnahmen). Und das soll sich nun grundlegend ändern, der Fahrstuhl nach oben soll nicht nur Privilegierten offen stehen. Die Auflösung der ENA ist aber in Wirklichkeit ein Zeichen für den geringen Willen und die Fähigkeit der französischen Gesellschaft, sich zu reformieren.

Grundsätzen steht”, erläutert die Botschafterin. Tatenlos ist man in Kuala Lumpur aber nicht. “Terrorbekämpfung erfordert eine breite nationale und internationale Zusammenarbeit, Informationsaustausch, Fachwissen, Partnerschaften und Präventivmaßnahmen. Malaysia hat entsprechende Programme initiiert, um die Denkweise radikalisierter Menschen zu ändern und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern. Diese Maßnahmen erwiesen sich als erfolgreich, sodass wir sie auch den USA, Großbritannien, China, Frankreich und Japan zur Verfügung gestellt haben. Im Falle des palästinensisch-israelischen Konflikts bleiben wir bei unserer Unterstützung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes für ein unabhängiges Palästina mit der Gründung von zwei Staaten, Palästina und Israel, auf der Grundlage der Grenzen von 1967”, führt Devadason aus.

Über die Landesgrenze hinaus Im Hinblick auf die Situation der Rohingyas werde weiterhin mit allen Beteiligten auf eine gütliche Lösung der Krise hingearbeitet, weil diese erhebliche Auswirkungen auf die regionale Sicherheit habe. “Eine anhaltende Vertreibung der Rohingyas würde sie der Manipulation und der Geißel des Menschenhandels sowie der grenzüberschreitenden Kriminalität aussetzen.” Malaysia ermutige deshalb auch Myanmar und Bangladesch, weiterhin für einen freiwilligen, sicheren und würdevollen Rückführungsprozess zusammenzuarbeiten. Dazu gehöre auch die Umsetzung der Empfehlungen der Kofi Annan Advisory Commission on Rakhine State, insbesondere zum Status ihrer Staatsbürgerschaft. “Nach unserer Ansicht müssen auch die UNO und die OIC (Organisation of Islamic Cooperation) Druck auf Myanmar ausüben, um sie umzusetzen”, so Devadason.

Über die Deutschen Seit zwei Jahren “setzt” Sarah Devadason erstmals als Botschafterin mit ihren “exzellenten Mitarbeitern” die politischen Beziehungen ihres Landes in unserem um,

Handlungsbedarf sieht Botschafterin Devadason eher im Streit um die Palmöl-Produktion. Hintergrund ist, dass diese für die Abholzung des Regenwaldes in Südostasien verantwortlich gemacht wird. “Dies trifft aufgrund der Naturschutzmaßnahmen in Malaysia nicht zu. Wir sind auch der Verpflichtung zur COP21 (Convention of Climate Change, 21. Conference, Paris 2015) zum Klimawandel freiwillig nachgekommen, die Treibhausgase bis 2030 um 45 Prozent zu senken.” Und dafür wird jeder Baum gebraucht. So war beispielsweise im Jahr 2014 Malaysias Netto-Kohlendioxid-Abbau 1,7-fach und 3,5-fach höher als der deutsche oder französische. “In den letzten 25 Jahren werden zwar weltweit 195 Millionen Hektar Wald gerodet, doch auf weniger als vier Prozent davon

“Einheit ist Stärke” – so lautet das Staatsmotto des Landes, das in Latein und Jawi-Schrift unterhalb des mehrfach gegliederten Wappens aufgeführt ist. Jedes Feld in dem Schild steht für einen der neun Bundesstaaten.

Ölpalmen gepflanzt. Hauptgrund für die Entwaldung sind die Viehwirtschaft oder andere Ölsaaten. Ölpalmen haben den geringsten Landverbrauch bei einem durchschnittlichen Ertrag von vier Tonnen Öl pro Hektar und Jahr. Das ist 4,3 mal höher als bei Raps, 5,4 mal bei Sonnenblumen und zehn mal mehr wie bei Soja. Die Debatte über die Rodungen muss versachlicht werden und es ist wichtig, mit den betroffenen Ländern zu sprechen und nicht über sie. Malaysia ist z. B. sehr erfolgreich, den Palmölertrag durch Forschung und nicht durch Großplantagen zu steigern. Im Übrigen haben wir rund 650.000 Kleinbauern, die 40 Prozent der insgesamt sechs Millionen Hektar Anbaufläche bearbeiten und ihre Produkte sind alle MSPO-zertifiziert – als Malaysian Susainable Palm Oil. Wir sind überzeugt, dass dies die Akzeptanz unseres Öls verstärken wird.” Dann dürften sich die “Wogen” wieder glätten.


Kommune Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2019

Mission Regionalverkehr!

KNAPP Verpflichtung zu Straßenausbaubeiträgen

Reaktivierung von Bahnstrecken mit Hindernissen

(BS/Adrian Bednarski) “Die Straßen entlasten, das Klima schützen, den ländlichen Raum erschließen: Das sind unter anderem Ziele, die als Dauerthema auf der Agenda unserer Stadt- (BS/kh) Das Bundesverwaltungspolitiker stehen. Es sind Ziele, die mit der Wiederbelebung des Streckenabschnittes Templin – Joachimsthal ein Stück weit verwirklicht wurden”, betont Bürgermeister Detlef Tabbert gericht in Leipzig hat entschie(Die Linke) aus dem brandenburgischen Templin. Das Beispiel zeigt jedoch: Die Kommunen müssen oft selbst engagiert die Projekte vorantreiben. den, dass eine Kommune zu Stra-

T

emplin engagierte sich eigenständig mit weiteren Ämtern, Kommunen und Landkreisen, um die knapp halbstündige Strecke zu reaktivieren, die eine Anbindung an das brandenburgische Eberswalde ermöglicht. “Wir sprachen im Ministerium regelmäßig vor, übereichten Unterschriftensammlungen von diversen Initiativen, vernetzten uns mit den Touristikern und initiierten einen kommunalen Arbeitskreis der Anrainerkommunen an dieser Bahnstrecke”, erläutert Tabbert. Das Resultat: Die Region hat im Einvernehmen mit dem Land Brandenburg als Aufgabenträger für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) eine Aufnahme des Bahnpersonenverkehrs Templin – Joachimsthal für mindestens drei Jahre ab dem Fahrplanwechsel 2018/2019 realisiert. Täglich sind sieben Zugpaare am Laufen. Der finanzielle Gesamtaufwand für die Bestellleistungen belaufe sich auf jährlich 1,9 Mio. Euro, so Bürgermeister Tabbert. Obwohl es Aufgabe des Landes sei, würden sich die davon profitierenden Kommunen zu zehn Prozent an den Gesamtkosten beteiligen und die Realisierung des Bahnbetriebes nach Möglichkeit unterstützen. Gleichzeitig sei der parallel verlaufende Busverkehr eingestellt worden, weshalb mehr Menschen die neue Zugstrecke nutzen würden. Für den Schulverkehr sei der Fahrplan extra mit den Schulträgern abgestimmt worden.

Trend könnte um sich greifen Auch im knapp 480 Kilometer entfernten Eisfeld betont Bürgermeister Sven Gregor (Eisfelder Freie Wähler) den Erfolg für die thüringische Kleinstadt: “Die Reaktivierung der Schiene in Richtung Sonneberg hat viel

Manchmal sind die Strecken nur bewachsen, manchmal wurden diese sogar abgebaut. Aber der Mehrwert für reaktivierte Strecken ist aus kommunaler Sicht gegeben. Foto: BS/Piotr, stock.adobe.com

gebracht.” Abgerundet werde dies mit dem vor fünf Jahren errichteten Busbahnhof. “Die gestiegenen Fahrgastzahlen spiegeln den Erfolg der Reaktivierung und des Angebots der kurzen Wege wider”, so Gregor über die knapp einstündige Strecke grob entlang der bayerischen Grenze. Auch ist die Stadt weiterhin bei dem Thema umtriebig. So hat diese das Bahnhofsgebäude bei einer Auktion der DB ersteigern können und dort neben Wohnungen auch ein Bistro und Aufenthaltsräume integrieren können, wodurch den Pendlern und Besuchern Aufenthaltsqualität geboten werde. “Auch finden die ersten politischen Gespräche für eine weitere Reaktivierung in Richtung des bayerischen Coburgs statt, weil dort eine ICEAnbindung vorhanden wäre. Aber diese Schienenreaktivierung wäre

schwerer, weil die Gleise abgebaut wurden”, erörtert Gregor.

6.000 Kilometer weniger Ein Blick in die Zahlen offenbart das Potenzial: “Der Eisenbahnverkehr ist stärker gewachsen als der Markt, obwohl das Schienennetz um knapp 6.000 Kilometer in den letzten 25 Jahren geschrumpft ist”, betont Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Dadurch habe sich eine Verkehrsverlagerung auf die Straße ergeben. Nun zeichne sich aber die Reaktivierung von Schienenstrecken für den Personen- und Güterverkehr ab. In den Jahren 2016/17 sei das Schienennetz des Bundes sogar gewachsen und nicht geschrumpft. Wobei für 2018 ein leichter Rückgang erwartet werde, so Flege. Von 1994 bis 2019 wurden ins-

gesamt rund 1.190 Kilometer Schienen für beide Verkehrsarten reaktiviert. Weitere 3.072 Kilometer Streckennetz, die rund 186 Strecken umfassen, hätten nach den Analysen des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen und der Allianz pro Schiene Reaktivierungsmöglichkeiten.

Verdopplungsziel bis 2030 Laut dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung sollen der Schienenverkehr ausgebaut, die Fahrgastzahlen im Schienenverkehr bis 2030 verdoppelt und der Marktanteil des Schienengüterverkehrs erhöht werden. Auch die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) begrüßt diese Ziele, weist aber ausdrücklich darauf hin, dass die bisherigen Maßnahmen dazu nicht reichen würden. Denn hinzu komme ein milliardenschwerer Sanierungs-

bedarf der maroden Brücken, Gleise und Züge. Die Verdopplung der Fahrgastzahlen sei mit dem derzeitigen Schienennetz nicht möglich, ist auch Flege der Meinung. Deshalb fordert die Allianz pro Schiene: “Der Bund soll ein Programm aufsetzen, mit dem er 100 Prozent der Kosten für die Reaktivierung übernimmt. Denn die stillgelegten Strecken befanden sich vorher hauptsächlich in Bundeshand. Die Länder wiederum sollten dann die Planungskosten tragen und sich mit den Kommunen vernetzen, weil diese die regionalen Begebenheiten am besten kennen.” Zudem müsse der Bund das gesamte Schienennetz volkswirtschaftlich steuern und nicht jede einzelne Strecke betriebswirtschaftlich betrachten. Obwohl der Bundesverkehrswegeplan die Reaktivierung nicht vorsehe, könne so ein Programm durch den Haushalt und den Bundestag durchaus entschieden werden, so Flege. Eine seriöse Kostenschätzung für die Reaktivierung der Schienen sei jedoch nicht möglich, weil der lokale Aufwand stark variiere.

Fachkräftemangel muss gestillt werden Jedoch geht mit den reaktivierten Strecken und mehr Zügen auf den Schienen auch die steigende Nachfrage nach dem benötigten Zugpersonal einher. Alleine bei der DB sei das Personal in Deutschland auf 200.000 fast halbiert worden. Nun würden rund 1.200 Lokomotivführer fehlen. Die 11.000, die in den kommenden zehn Jahren in Ruhestand gingen, seien hierbei noch nicht eingerechnet, heißt es seitens der GDL. Die Gewerkschaft sieht vor allem in den Entgelten und Arbeitsbedingungen die notwendigen Stellschrauben.

ßenausbaubeiträgen verpflichtet werden kann. Hintergrund war der Fall der hessischen Kleinstadt Schlitz, die über mehrere Jahre ein erhebliches Haushaltsdefizit hatte, aber trotz geplanter Straßenbaumaßnahmen auf die Erhebung von Anliegerbeiträgen verzichtete. Der Landrat als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde wies die Stadt daraufhin zum Erlass einer Straßenbeitragssatzung an. Die Gemeinde klagte gegen diese Anweisung erfolglos und scheiterte nun auch vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht. Dieses entschied, dass sowohl eine landesrechtliche Pflicht zur Erhebung von Beiträgen als auch deren Durchsetzung durch die Kommunalaufsicht mit der kommunalen Selbstverwaltung vereinbar seien.

Kommunale Klimanot (BS/kh) Mehrere Städte in Deutschland haben den “Klimanotstand” ausgerufen und in zahlreichen weiteren wird dies zurzeit diskutiert. Auf Konstanz als erste deutsche Stadt mit Klimanotstand (siehe Behörden Spiegel Mai 2019, S. 13) folgten unter anderem Kiel, Erlangen und Münster. Die Kommunen bekennen sich damit öffentlich dazu, künftige Entscheidungen dem Klimaschutz zu verpflichten. Dabei habe der Titel “Klimanotstandskommune“ einen eher symbolischen Wert, heißt es vom Städte- und Gemeindebund NRW. Zur konkreten Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen fordern Städte und Gemeinden mehr Unterstützung vom Bund sowie einen “Masterplan Klimaschutz”. Die Bundestagsfraktion Die Linke hat einen Antrag gestellt, in dem sie die Anerkennung des Klimanotstands auch auf Bundesebene fordert.


Kommunalpolitik

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Behörden Spiegel / Juni 2019

Auch nachts schlafen die Ratten nicht

Kommunale feiert 20-Jähriges

Der endlose Kampf gegen die Nagerbande

Leitmesse für Kommunalbedarf erwartet 5.000 Besucher

(BS/ab) Im hessischen Gelnhausen wird eine neue Methode zur Rattenbekämpfung getestet. Durch strengere Anwendungsbestimmungen bei der Beköderung mit Gift darf künftig Wasser nicht mehr mit diesen Ködern in Berührung kommen. Vor allem, wenn die Köder in den Kanälen oder nahe daran platziert werden. Jedoch zeigt sich, dass auch alternative Methoden die Ratten nur schwerlich zurückdrängen können.

(BS/gg) Die Kommunale, die vom 16. bis 17. Oktober 2019 im Messezentrum in Nürnberg stattfindet, feiert in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen. Zur Jubiläumsausgabe werden knapp 400 Aussteller und 5.000 Fachbesucher aus dem gesamten Bundesgebiet erwartet. Zentrale Themen der Messe sind Lösungen rund um kommunale IT, E-Government, Energiewende, Kommunaltechnik, öffentliche Verwaltung und Stadtplanung. Neben der Fachmesse bieten der parallel stattfindende Kongress des Bayerischen Gemeindetags, die Ausstellerfachforen sowie der IT-Talk für Kommunen ein vielfältiges Networking- und Informationsangebot.

Auch Nachts schlafen die Ratten nicht: Die Nagetiere sind weiterhin in den Städten umtriebig. Foto: BS/Glavo, CCo, pixabay.com

Schwierig wird es bei der sogenannten Kanalbeköderung, bei welcher giftige Köder mit dem Wasser bei Starkregenereignissen in Berührung kommen könnten. Zwar könnten diese herausgenommen werden, jedoch ist dies eine zeitliche Herausforderung. Deshalb testet Gelnhausen ein neues System, bei welchem spezielle Stationen in den Kanalschächten mit bisher ungiftigen Ködern verwendet werden. Die Station schließt sich eigenständig dabei, wenn der Wasserstand im Kanal bis auf die Köderhöhe ansteigt, und öffnet sich beim sinkenden Wasserpegel. Wenn die Ratten auf die ungiftigen Köder anspringen, ist ein Testdurchlauf mit den giftigen Varianten geplant.

Schwieriges Lagebild Die Gemeinden und Städte haben unterschiedlich mit den Nagetieren zu kämpfen. Während beispielsweise Heppenheim seinen Befall als gering betrachtet, können Köln und Berlin keine Angaben machen. Wohingegen die Hauptstadt steigende Bekämpfungszahlen vorweisen kann. Sind 2012 noch 7.077 Einsätze gefahren worden, so sind es 2018 bereits 11.414 Bekämpfungsmaßnahmen gewesen. Damit variieren auch die Kosten. Denn während Heppenheim 2018 gerade einmal 2.500 Euro ausgegeben hat, kann sich dies bei Großstädten im Be-

reich von bis zu 50.000 Euro und mehr abspielen.

Quartiersmanagement ist wichtig Aber Prävention ist weiterhin die beste Maßnahme: “Gerade in befallsrelevanten Bereichen ist es wichtig, zu informieren. Quartiersmanager beziehen ganz gezielt die Bevölkerung mit ein” erörtert Mario Heising, Vorstand des Landesverbandes BerlinBrandenburg der Deutschen Schädlingsbekämpfer.Auch Gespräche mit betroffenen Entsorgungsfachbetrieben, Garten- und Landschaftspflegeunternehmen würden genutzt, um gezielte Maßnahmen wie Grünpflege und die Leerung von Papierkörben und anderen Müllgefäßen zu besprechen. Die meisten Kommunen engagieren sich in diesem Bereich und rufen an oder machen Vor-Ort-Besuche, um zu sensibilisieren. Jedoch gestaltet sich dies nicht immer ganz so einfach. Die Stadt Duisburg hat in den Ortsteilen Marxloh und Bruckhausen mit diesen hartnäckigen Nagern besonders zu kämpfen. Dort wird der Müll oft nicht fachgerecht entsorgt. So wurden im Juni 2018 im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Aktionswoche “NullToleranz / ordnungsrechtliche Präsenz im Ortsteil” 67 wilde Müllkippen festgestellt und beseitigt.

Grundsätzlich werden alle Bekämpfungen von fach- und sachkundigen Schädlingsbekämpfern so durchgeführt dass “kaum Risiken für den Menschen und besonders Kinder, die Nicht-Zieltieren und Umwelt bestehen”, betont Heising. Auch seien hierfür europaweit im Rahmen der Vereinheitlichung der guten fachlichen Anwendung von Nagetierbekämpfungsmitteln Regeln erstellt worden. Sogenannte Risikominderungsmaßnahmen, welche Voraussetzung für die Anwendung dieser Produkte sind.

Veränderte Wahrnehmung “Aber heutzutage sind die Ratten öffentlich sichtbarer, weil die Gebäude mittlerweile dermaßen modern und geschlossen sind, sodass die Schädlinge sich vielfach draußen bewegen”, erläutert Heising die veränderte Wahrnehmung von Ratten. Früher seien sie auch durch kaputte Fenster oder nicht vernünftig geschlossene Türen in die Gebäude gekommen. Trotzdem ziehe es die Tiere weiterhin nach drinnen, wo es gemütlicher für sie ist. Zudem seien die häufigsten Zugänge alte Rohre, die nicht von der Kanalisation vernünftig getrennt wurden oder neue, unsachgemäß verlegte Rohre. “Wir sind in solchen Momenten mehr Rohrinstallateure als Schädlingsbekämpfer, bis wir die Ursache gefunden haben”, veranschaulicht Heising.

'19

KOMMUNALE SOMMERGESPRÄCHE

“Die Vorbereitungen zur Kommunale laufen bestens. Zur Jubiläumsausgabe zeichnen sich bereits jetzt Bestmarken bei Ausstellern und Fläche ab. Unsere beiden Messehallen sind schon fast ausgebucht und weitere interessierte Aussteller müssen schnell sein”, freut sich Christian Arnold, Abteilungsleiter Partnerund Publikumsveranstaltungen bei der NürnbergMesse. “Diese positive Resonanz zeigt uns, was die Kommunale seit 20 Jahren leistet: Sie ist Pflichttermin für tausende Bürgermeister, Behördenchefs und Abteilungsleiter und verlässlicher Partner für kommunale Entscheider sowie Spitzenvertreter. Die zwei Tage in Nürnberg sind das Familientreffen des kommunalen Bereichs”, so Arnold weiter. Das breite Portfolio der Ausstellung festige einmal mehr das Alleinstellungsmerkmal der Kommunale, bundesweit als einzige Messe die ganze Angebotspalette für Kommunen abzubilden.

Kongress diskutiert kommunale Herausforderungen Beim begleitenden Kongress des Bayerischen Gemeindetags (BayGT) stehen zwei Tage Kommunalthemen im Mittelpunkt – hauptsächlich aus bayerischer Perspektive, jedoch meist mit

Die Kommunale wird in diesem Herbst wieder kommunale Entscheidungsträger aus Bayern und dem gesamten Bundesgebiet auf das Nürnberger Messegelände führen. Foto: BS/NürnbergMesse

bundesweiter Relevanz die Zukunftsthemen, Alltagsprobleme sowie brandaktuelle Herausforderungen aufgreifen und beleuchten. Verwaltungsmitarbeiter und Kommunalpolitiker erwartet ein interessantes Kongressprogramm mit zahlreichen Fachvorträgen, Workshops und hochkarätig besetzten Diskussionsrunden, bei dem der Austausch ebenfalls nicht zu kurz kommt.

IT-Talk fokussiert Digital­ themen Auch im Bereich IT bietet die Fachmesse eine Informationsund Austauschplattform für alle, die in ihrer Gemeinde Verant-

wortung tragen. “Kommunale IT bleibt eines der zentralen Themen, das weiter an Bedeutung gewinnt und in das verstärkt investiert wird. Daher bietet die Kommunale zahlreiche digitale Impulse – ob IT-Trends der Aussteller, Digitalthemen im Kongress und in den Fachforen oder den IT-Talk als maßgeschneiderte Veranstaltung für IT-Entscheider”, so Claudia Reindl, Produktmanagerin Kommunale bei der NürnbergMesse. Im IT-Talk drehen sich praxisorientierte Fachvorträge und Diskussionsrunden von und mit IT-Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung rund um digitale Herausforderungen. Bereits zum zweiten Mal wird im Rahmen der Messe der “ITWillys” als Auszeichnung an kommunale IT-Profis für ihre erfolgreichen Projekte verliehen. Der Preis richtet den Fokus auf die heimlichen Helden der öffentlichen Verwaltungsarbeit, die mit Know-how und Engagement die digitalen Prozesse vor Ort in ihren Kommunen strukturieren. Für den Preis kann sich bis Ende Juni jeder kommunale IT-Profi – von der kleinen Gemeinde bis zur Millionenstadt – bewerben oder auch Kolleginnen und Kollegen für den IT-Willy nominieren (www.kommunaler-it-profi.de).

Auf gesundem Boden spielend die Welt erobern Kautschuk-Beläge als sicherer Untergrund in der "Kita an der Schutter" (BS/Doris Janik*) Kinder erobern ihre Umwelt durch Spiel und Bewegung – um sich zu entfalten, benötigen sie genügend Platz und eine anregende Umgebung. Die städtische “Kita an der Schutter” in Ingolstadt hat dies bei der Raumgestaltung beachtet und umgesetzt. Die Stadt als Bauherr sowie Planer und Nutzer legten größten Wert auf Sicherheit, Ökologie und Nachhaltigkeit. Beim Fußboden fiel die Wahl auf Kaut­ schuk-Beläge von nora systems. Denn diese tragen auf mehrfache Weise zu einem angenehmen, kindgerechten Ambiente bei:

In der "Kita an der Schutter" in Ingolstadt schafft der Kautschukboden norament grano von nora systems einen sicheren Untergrund. Foto: BS/Dirk Wilhelmy

durch ihr attraktives Design, ihre Gesundheits- und Umweltverträglichkeit, ihre Belastbarkeit

und ihre gute Ergonomie und Akustik. Der mit dem “Blauen Engel” ausgezeichnete Kautschukboden norament grano liegt in allen Bereichen der 1.450 Quadratmeter großen Einrichtung – von den Gruppen- und Schlafräumen über die Flure und Essbereiche bis hin zu den Sanitärund Wickelräumen.

*Doris Janik ist Pressereferentin der nora systems GmbH.

SOZIALER WOHNUNGSBAU | NACHHALTIGER STRUKTURWANDEL | KLIMASCHUTZ VOR ORT

21.–23. AUGUST 2019 Kulturstadt Weimar

www.fuehrungskraefte-forum.de Eine Veranstaltung des:


Kommunalpolitik

Behörden Spiegel / Juni 2019

D

ie Leitstelle Klimaschutz koordiniert die Aktivitäten zu Klimaschutz und Klimaanpassung. Sie steuert zum Beispiel das stadtinterne Klimaschutzmanagement und wird dabei von verschiedensten Fachbereichen unterstützt. Im Rahmen des “Covenant of Mayors” hat sich die Stadt Bonn dazu verpflichtet, die CO²-Emissionen in Bonn bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Eine Reduzierung um 90 bis 95 Prozent bis 2050 wird angestrebt. In der Klimaanpassung verfolgt die Stadt Bonn das Ziel, sich kontinuierlich zu einer klimare­ silienten Stadt zu entwickeln. Die Schwerpunktmaßnahmen sind:

Manchmal reicht Standard nicht Klimafreundliche Stadtentwicklung am Beispiel Bonn (BS / Ashok Sridharan) Die Stadt Bonn engagiert sich seit Mitte der 1990er-Jahre im Klimaschutz und seit 2011 auch im Bereich Klimaanpassung. Ziel aller Maßnahmen ist die Senkung der lokalen CO2-Emissionen. Der Weg dorthin führt über eine Reduzierung des Energieeinsatzes, die effiziente Nutzung von Energie und die Substitution von fossilen durch Erneuerbare Energien. Für eine Stadt wie Bonn gibt es für den Klimaschutz und die Klimaanpassung Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Handlungsfeldern. Sie reichen von der Stadtplanung über die Energieversorgung und die Öffentlichkeitsarbeit bis hin zum politischen Engagement in Städtenetzwerken. Handwerks für eine qualifizierte Beratung.

Solarkataster und ­Klimaanpassungen

Neubauten und Altbauten im Blick Die aktuelle Bilanz des seit 2008 betriebenen CO ²-Monitorings zeigt, dass deren Ausstoß bis 2014 im Vergleich zum Jahr 1990 um 22 Prozent pro Kopf gesunken ist. Damit liegt die Emission der Bonnerinnen und Bonner noch bei jährlich 7,2 Tonnen pro Person. Der Gebäudebereich trägt 40 Prozent dazu bei, der Verkehr 39 Prozent. Seit 1997 stellt die Stadt Bonn erhöhte Anforderungen – im Vergleich zum gesetzlichen Standard – an die Energieeffizienz von Neubauten, die beim Verkauf städtischer Grundstücke und in Verträgen mit Investoren verbindlich und überprüfbar vereinbart werden. Aktueller Standard ist das KfW-Energieeffizienzhaus 55. Bei größeren Bauvorhaben

Ashok Sridharan, Oberbürgermeister von Bonn und Präsident von ICLEI, dem weltweiten Städtenetzwerk für Nachhaltigkeit, zeigt den Weg der Stadt Bonn bei der Klimafreundlichkeit auf. Foto: BS / Bundestadt Bonn, Regina Spitz

werden Energiekonzepte unter Berücksichtigung Erneuerbarer Energien erstellt. Für städtische Gebäude, insbesondere für Schulen und Kindertagesstätten, gilt grundsätzlich der KfW-55-Standard mit Passivhauskomponenten mit dem Ziel eines sehr niedrigen Energieverbrauchs.

Weiterer Schwerpunkt ist die energetische Altbausanierung. Zur Erschließung dieses Potenzials hat Bonn gemeinsam mit 20 Organisationen, mit einem Schwerpunkt im Handwerk, 2012 die Bonner Energie-Agentur gegründet. Sie bündelt die Expertise von Energieberatenden, Planenden sowie des spezialisierten

Es ist ein Menschenrecht! Mehr gelebte Inklusion gefordert (BS / Ulrike Jansen*) “Inklusion ist keine Wahlmöglichkeit, sondern ein Menschenrecht” war eine der zentralen Aussagen beim 1. Jugendaktionscamp der Aktion Mensch in Bonn, das am 5. Mai mit einem Protestmarsch zum Münsterplatz und einer Kundgebung zu Ende ging. Mehr als 100 Jugendliche aus ganz Deutschland sowie Unterstützer aus der Region zogen am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung durch die Bonner Innenstadt, um ihren Forderungen nach mehr Inklusion in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen: “Wir möchten eine barrierefreie und vorurteilsfreie Arbeitswelt”; “Wir möchten, dass Schulen so gut ausgestattet werden, dass inklusive Bildung möglich ist”; “Wir brauchen mehr bezahlbare barrierefreie und

arbeiten und zu leben. Liebe Politiker, ihr seid es uns schuldig geblieben, die Voraussetzungen dafür zu schaffen – macht endlich Eure Hausaufgaben!”, so die 15-Jährige. Vor zahlreichen Zuschauern versprach Landesminister Stamp, mit den Aktivisten im Gespräch zu bleiben: “Mir ist wichtig, dass das Engagement der Jugendlichen auch ernst genommen wird. Deshalb lade ich die Camp-Teilnehmer zum Gegenbesuch zu mir ins Ministerium nach Düsseldorf ein, um gemeinsam zu besprechen, was

neuer Ideen. Dabei wurde unter anderem ein Prototyp für einen flexiblen Getränkehalter für Rollstühle entwickelt, der auch gleich nach Ausdruck am 3D-Drucker getestet wurde. Die Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland (91 Prozent) findet das Engagement für Inklusion wichtig. Und sogar 84 Prozent der 15- bis 24-Jährigen wollen sich zukünftig selbst für die Belange anderer einsetzen. Mit ihrem persönlichen Einsatz wollen die Jugendlichen vor allem die Gesellschaft von morgen mitgestalten (64 Prozent) oder ganz einfach “anderen Menschen helfen und Gutes tun” (44 Prozent). Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen, repräsentativen Umfrage der Aktion Mensch unter mehr als 1.000 Jugendlichen in Deutschland, durchgeführt von iconkids & youth.

“Fridays for Future” inspiriert

100 Jugendliche kamen in Bonn beim Aktionscamp zusammen, um sich für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung stark zu machen. Foto: BS / Anna Spindelndreier

rollstuhlgerechte Wohnungen,” lauten einige der Forderungen, die sie auf einer nachgebildeten Raumkapsel angebracht hatten.

man verbessern kann. Das am grünen Tisch zu überlegen, reicht nicht aus – wir müssen die Sicht der Betroffenen hören.”

Einladung ins Ministerium

91 Prozent finden ­Engagement wichtig

Damit auch die Politik sich stärker für das Thema engagiert, überreichte Inklusionsbotschafterin Joscha Röder die gesammelten Botschaften an Dr. Joachim Stamp, stellvertretender NRW-Ministerpräsident und Landesminister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. “Jeder hat das Recht, nach seinen Begabungen und in seinem Tempo zu lernen, zu

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Auf dem dreitägigen Jugendaktionscamp engagierten sich die Jugendlichen mit und ohne Behinderung unter dem Motto “#MissionInklusion – Die Zukunft beginnt mit Dir” in verschiedenen Workshops. Eine Projektwerkstatt, ein Open-Space-Bereich und ein Digital Tool Lab boten viele Möglichkeiten zum Austausch und der Entwicklung

Greta Thunberg hat es vorgemacht, sie vereint Tausende von Schülern in ihrem Engagement: Die Klimaschutzbewegung der schwedischen Aktivistin ist unter dem Namen “Fridays for Future” zu einer weltweiten Bewegung geworden. Der Umfrage zufolge haben 87 Prozent aller Jugendlichen schon mal von den Freitagsdemonstrationen gehört. Entsprechend rangiert Umwelt(und Tierschutz) auf Platz eins der Bereiche, für die Jugendliche sich derzeit einsetzen (60 Prozent). Auf Rang zwei und drei folgen zu gleichen Anteilen das Engagement für die Interessen von Jugendlichen und jungen Leuten sowie das Engagement für soziale und politische Veränderungen in Deutschland (50 Prozent). Für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderung setzen sich aktuell 39 Prozent der Jugendlichen ein. *Ulrike Jansen ist Pressereferentin bei Aktion-Mensch e. V.

Ein weiterer Service der Stadt: Ein Solardachkataster informiert online, ob auf Ihrem Haus eine Photovoltaikanlage oder eine solarthermische Anlage installiert werden kann. Im Rahmen von Förderprojekten mit Partnern aus der Wissenschaft und Praxis erarbeitet die Stadt Grundlagen zur Klimaanpassung im Themenfeld Hitze. Unter anderem wird als Ergebnis eines Projektes mit dem Deutschen Wetterdienst und dem Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz NRW zukünftig – auch für andere NRW-Kommunen – ein Planungsinstrument zur Simulation der Auswirkungen von Klimaanpassungsmaßnahmen in unterschiedlichen Baustrukturen zur Verfügung stehen. Bonn hat zahlreiche Projekte zur Klimaanpassung der Infrastruktur hinsichtlich der Starkregenund Hochwasservorsorge in Angriff genommen. Seit 2010 wurde neben der Mitwirkung in Forschungsprojekten beispielsweise gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (DIFU) ein ganzes Maßnahmenpaket zur Klimaanpassung der Stadt initiiert, angefangen beim Aufbau eines Warnsystems bei Bachhochwässern über umfangreiche bauliche Maßnahmen bis hin zur Beratung der Bürgerinnen

und Bürger und Optimierungen der operativen Abläufe. Auch bei neuen Baugebieten und selbst bei vorhandenen Siedlungsbereichen spielt die Starkregen-Resilienz inzwischen eine tragende Rolle.

Mobilität mitdenken Bonn fördert den Umstieg auf das Fahrrad. Das Ziel: Den Anteil der Fahrradfahrten von derzeit 15 Prozent deutlich zu erhöhen. Wesentlicher Faktor ist der Ausbau der Infrastruktur, darunter die Radstation am Hauptbahnhof und das Fahrradmietsystem. Neben der Öffnung von Einbahnstraßen für den Radverkehr, der Einrichtung von Schutzstreifen und dem kontinuierlichen Ausbau von Abstellanlagen wurden bisher mehr als 50 Fahrradstraßen

eingerichtet. Die Hauptrouten des Radverkehrs wurden mit einer Knotenpunkt-Wegweisung versehen, die über den Radroutenplaner des Landes zur Planung von Fahrten genutzt werden kann. Aktuell plant die Stadt den Ausbau von Radwegen zu Radschnellrouten und die Einrichtung von Mobilstationen in der Innenstadt. Bonn setzt auch auf Elektromobilität, auch beim städtischen Fuhrpark. Die Stadtwerke Bonn (SWB) betreiben Stromtankstellen und setzen Elektrobusse ein. Bis 2030 ist die komplette Umstellung auf Elektrobusse vorgesehen. Übrigens verfügt Bonn im Vergleich zu anderen deutschen Städten einer Größenordnung über eines der dichtesten ÖPNV-Netze. Auch das regionale Eisenbahnnetz wird stetig ausgebaut. So kamen in den letzten Jahren mehrere neue Haltepunkte hinzu, wie der Haltepunkt “Bonn UN Campus”. Auf der rechten Rheinseite wird zurzeit an zusätzlichen Gleisen für die Verlängerung der S-Bahnlinie 13 von Troisdorf über Beuel bis Bonn-Oberkassel gearbeitet. Die Stadt Bonn setzt sich für einen weiteren Ausbau der Strecken und Elektrifizierung der S23 ein.

MELDUNG

Vom Reifegrad null zum ISMSn (BS) Die Normen für die Einführung eines Informationssicherheitsmanagementsystems (ISMS) sind äußerst genau, doch die eigentliche Herausforderung liegt im Alltagsgeschäft. Hier lauern erhebliche Konfliktpotenziale sowie vermeintlich unscheinbare Projektrisiken. Eine fehlende Sicherheitskultur in der Kommune erschwert die Kommunikation. Besonders, wenn das jeweilig erforderliche Knowhow zum Thema IT-Sicherheit als Managementsystem nicht an einer Stelle gebündelt ist.

Zudem empfinden Mitarbeiter IT-Sicherheit oft als nicht praktikabel, störend und übertrieben. Deshalb werden in dem Seminar “Herausforderung IT-Sicherheitsbeauftragter” der Cyber Akademie die Chancen und Möglichkeiten aufgezeigt, die beschriebenen Herausforderungen zu meistern. Die Veranstaltung findet am 18. September 2019 in Berlin statt. Weitere Informationen unter www.cyber-akademie.de, Suchwort “Herausforderung”


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Personelles

Behรถrden Spiegel / Juni 2019


Behรถrden Spiegel / Juni 2019

Personelles

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Kommunalpolitik / Personelles

Behörden Spiegel / Juni 2019

Ein Spiel in der Harmonie des Disputs

MELDUNG

Städtische Probleme (BS/kh) Das “OB-Barometer 2019” des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) zeigt eine deutliche Trendverschiebung in kommunalen Handlungsfeldern. Während im Vorjahr noch das Thema Integration den ersten Platz belegte, ist es nun auf Platz

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sechs der gelisteten Themen gerutscht. Ganz oben auf der Agenda der Städte steht in diesem Jahr die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Für 66 Prozent der befragten Stadtspitzen hat dies oberste Priorität. Auf den Plätzen zwei und drei stehen die Themen Mobilität und Digitalisierung.

Der Umgang von Behörden mit Journalisten (BS/Mathias Kempf) Das Verhältnis zwischen Journalisten und Mitarbeitern von Behörden ist häufig ein delikates und schwieriges Spiel, milde ausgedrückt. Journalisten pochen auf ihr Recht auf Auskunft durch die Behörde. Pressesprecher, -referenten oder -beauftragte reagieren darauf, indem sie informieren, vermitteln, vertrösten oder abblocken – je nachdem, welche Informationen sie selbst haben, herausgeben können oder wie sie selbst das Zündstoff-Potenzial der Thematik einschätzen. In einem kontinuierlichen Gleichgewicht von Information und Schweigen, von Aktion und Reaktion versuchen beide Seiten, ihre Arbeit zu verrichten. Ungern geben beide zu, dass man letztlich in Symbiose lebt und grundsätzlich aufeinander angewiesen ist. Unzählige Bücher wurden geschrieben über das Verhältnis von Medien und Politik und/ oder staatlichen Institutionen. Viele Erkenntnisse aus entsprechenden Untersuchungen lassen sich durchaus auf den Mikrokosmos des lokalen und regionalen Raumes, das direkte Verhältnis zwischen Stadtverwaltung, Landratsamt, Feuerwehr oder Straßenbauamt auf der einen Seite und der Lokalredaktion der Tageszeitung, dem privaten Lokalradio oder -TV-Sender vor Ort auf der anderen übertragen. Dennoch: Es gelten andere Regeln, und zwar aus mehreren Gründen.

Das Netzwerk existiert Wenn sich in der Behörde einmal die Mantelredaktion der FAZ oder der Süddeutschen, gar der Bildzeitung oder der Sendung “report” meldet, ist dies meist kein Grund, die Sektkorken knallen zu lassen. In der Mehrheit der Fälle dürfte es um ein kritisches Thema gehen, das überregional Wellen geschlagen hat. Hier gilt es, mit besonderer Umsicht zu agieren, jeden Schritt, jedes Wort genau abzuwägen und mit allen Betroffenen durchzusprechen, bevor irgendeine Information vorschnell “nach draußen” gelangt. Im “Alltagsgeschäft” wird die Medienarbeit jedoch durch den Kontakt zu Journalisten vor Ort definiert: Da sitzt der Lokalredakteur, der seit vielen Jahren über jede Stadtratssitzung berichtet, der freie Mitarbeiter, der jedes Mal bei Feuerwehr oder Polizei anruft und nachfragt, sobald er ein Martinshorn hört. Man kennt sich persönlich, trifft sich auch einmal zufällig auf der Straße. Der Begriff “Netzwer-

ken” bekommt eine völlig neue Bedeutung. Denn das Netzwerk existiert, ob man will oder nicht. Es kommt also vor allem darauf an, die Beziehungen innerhalb dieses Netzwerkes in einem professionellen Maße zu pflegen und zu verbessern.

Balance schaffen Auch der “Typ Journalist” ist im lokalen Raum häufig ein anderer. Der Lokaljournalist wird häufig anders an Thematiken herangehen als sein Kollege aus der Mantelredaktion, mit allen Vor- und Nachteilen, die das für die Behörde bringt. Er wird im Normalfall nicht abfällig auf die Region blicken, für ihn ist auch die Kleinstadt oder der ländlich geprägte Kreis nicht “irgendwo hinterm Wald” und auch er möchte in der Regel ihre Entwicklung positiv beeinflussen. Aber er sieht es natürlich – zu Recht – als seine Aufgabe an, kritisch zu hinterfragen, den Disput zu suchen. Und er kennt sich in der Region genauso gut, wenn nicht besser aus, als der Behördenmitarbeiter. Blockt man seine Anfragen ab, so wird er genau wissen, wen er stattdessen um Informationen bitten kann. Nicht selten erfährt der Behördenmitarbeiter durch die Anfrage des Lokaljournalisten Details zu einem Sachverhalt, die er selbst noch nicht wusste. Den Kontakt zu und den Umgang mit Journalisten vor Ort auf einem professionellen Niveau zu pflegen, sich selbst als zuverlässigen “Partner” zu zeigen und eine Balance aus Geben und Nehmen zu schaffen, das ist nicht nur die Kür der Medienarbeit einer Behörde, es ist unbedingte Vo­raussetzung, es ist Pflicht.

Nicht wegzudiskutieren ist, dass es auch unprofessionelles Verhalten gibt. Da ist der Redakteur, der seit Jahren einen Groll gegen den Oberbürgermeister hegt und deswegen jede Gelegenheit nutzt, der Stadtverwaltung nach Kräften “eine einzuschenken”. Da ist der eine oder andere freie Mitarbeiter, dessen Recherchestil so schlampig ist, dass in beinahe jedem seiner Artikel inhaltliche Fehler zu finden sind. Der Umgang mit solchen “Problemfällen” erfordert eine besondere Taktik und großes Fingerspitzengefühl, ist aber dennoch machbar. Unprofessionalität – so viel Ehrlichkeit ist angebracht – gibt es aber in der Regel auf beiden Seiten: Wie viele Bürgermeister drohen bei jedem kritischen oder auch nur ausgewogen geschriebenen Artikel, sich beim Verleger zu beschweren? Wie viele Sachbearbeiter haben einmal schlechte Erfahrungen mit der Presse gemacht und weigern sich deshalb konsequent, Informationen weiterzugeben – selbst, wenn die eigene, interne Pressestelle danach fragt? Wie viele Mitarbeiter sind sich überhaupt der “Auskunftspflicht” von Behörden bewusst? Auch mit diesen Dingen muss der Medienbeauftragte lernen, umzugehen. Das Spielfeld der

Mathias Kempf ist Pressesprecher des Landkreises Rottal-Inn. Foto: BS/privat

Medienarbeit von Behörden ist groß und nicht selten schwierig zu bespielen. Manchmal ist der Platz ohne eigenes Verschulden in keinem guten Zustand und man muss seine Taktik komplett umstellen. Manchmal ist die Allgemeinwetterlage so schlecht, dass man das Spiel am liebsten nicht stattfinden lassen würde. Doch ein Spielabbruch, der in der Regel durch die Worte “kein Kommentar” ausgelöst wird, ist niemals eine Lösung. Mit Übung, Strategie und der richtigen Herangehensweise kann das Spielfeld der Medienarbeit eines der spannendsten sein, die der Öffentliche Dienst zu bieten hat.

Seminare zum Thema In zwei Seminaren des Behörden Spiegel erläutert der Autor am 15. und 16. sowie am 17. Oktober 2019, wie einerseits PR-Konzepte und -Kampagnen für Behörden erfolgreich gestaltet werden können und bringt andererseits unter dem Titel “Umgang mit Journalisten” den interessierten Behördenmitarbeitern die andere Seite der Pressearbeit näher. Beide Seminare finden in Bonn statt. Programm und Anmeldung unter www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchworte “Kampagnen” oder “Journalisten”

Digitale Herausforderung, analoge Antwort Die Digitalisierung am Arbeitsplatz meistern (BS/Dr. Andreas Kellner) Über Digitalisierung wird auf den unterschiedlichsten Ebenen diskutiert. Dass wir in naher Zukunft unsere Arbeit mit Robotern teilen müssen, erscheint außerhalb des produzierenden Gewerbes nach wie vor als Science-Fiction. Dennoch ist am Arbeitsplatz Büro die Digitalisierung in Form von Computer und Co. längst Fakt und wird ständig weiter vorangetrieben. Die digitale Herausforderung betrifft hier vor allem den Bereich der Selbstorganisation. Wie also müssen wir uns und unsere Arbeit unter den Bedingungen zunehmender Digitalisierung organisieren? Die Begriffe “Digitalisierung” und “Digitale Revolution” werden mittlerweile synonym verwendet. Dabei ist ihre Unterscheidung von großer praktischer Bedeutung, gerade, wenn wir uns nicht theoretischer, sondern ganz praktischer Herausforderungen annehmen wollen. Digitale Revolution beschreibt – analog zur industriellen Revolution im 19. Jahrhundert – gesamtgesellschaftliche Umwälzungen der Gegenwart, die zur Neubeantwortung vieler Zukunftsfragen zwingen. Digitalisierung meint hingegen wesentlich Konkreteres. Digitalisierung bedeutet, analoge Werte in digitale Daten zu überführen, um sie digital speichern und weiterverarbeiten zu können. Diese Umwandlung macht zwar längst nicht mehr bei der Digitalisierung von Schriftstücken halt. Nach wie vor geht es aber um ganz alltägliche, praktische Probleme am Arbeitsplatz. Früher analog, jetzt digital. Diese simple Formel genügt vollauf, um all das zu beschreiben, was sich praktisch – hier mehr, dort weniger – an unseren Arbeitsplätzen verändert (hat): Tätigkeiten, die früher auf analoge Weise ausgeführt wurden, werden nun mithilfe digitaler Technik erledigt. Dafür gibt es Beispiele, die so normal geworden sind, dass

wir sie schon nicht mehr der Digitalisierung zurechnen: wer schreibt nicht mehr E-Mails als Briefe? Andere sind für viele von uns noch gewöhnungsbedürftig: Chatprogramme, Task-Management-Systeme, Behörden-Wikis und so weiter – von wirklicher Automatisierung ganz zu schweigen. Während die meisten von uns immer noch an Besprechungen teilnehmen, Eingangskörbe leeren oder sonstige analoge Tätigkeiten ausführen, findet gleichzeitig ein großer Teil unserer Arbeit mithilfe digitaler Werkzeuge statt. Für die Art und Weise, wie wir uns selbst und unsere Arbeit organisieren, heißt das aber genau genommen: gar nichts. Denn die Digitalisierung der Arbeitswelt hat an den Erfordernissen guter Selbstorganisation nichts geändert. Egal, ob ich im papierlosen Büro eines OnlineStart-Ups in Berlin-Neukölln arbeite oder in führender oder zuarbeitender Position in einer Behörde: Meine Selbstorganisation wird mir von keinem Werkzeug und keinem Vorgesetzten abgenommen. Es geht immer vor allem darum, wie ich selbst mit meiner Arbeit, meinem Umfeld und mit mir umgehe. Die beste To-do-Listen-App kann ich sinnvoll oder unsinnig benutzen, genauso wie meinen Taschenka-

lender. Und wenn ich eigentlich konzentriert bei der Arbeit sein sollte, ist es prinzipiell egal, ob ich mich von meinem Handy oder

Dr. Andreas Kellner ist Gründungspartner und Geschäftsführer der Erhardt & Kellner GmbH, einer Beratungsgesellschaft mit den Schwerpunkten: IT, Selbst- und Unternehmensorganisation. Foto: BS/privat

meinen Kollegen ablenken lasse. Selbstorganisation bedeutet Konzentration auf das, was ich noch am besten kontrollieren kann: mich selbst. Und sie ist damit im Kern analog, denn ich bin keine digitale Lebensform. Natürlich muss ich mich mit digitalen Werkzeugen und weitergehenden Folgen der Digitalisierung unserer Lebenswelt auseinandersetzen. Und ja, die Verlockungen und – scheinbaren – Zwänge neuer Werkzeuge oder Arbeitsmethoden sind real. Das Versprechen vieler digitaler Helfer, uns die Organisation unserer Arbeit abzunehmen, ist

aber weder einzulösen noch ist es sinnvoll, denn jeder Computer ist vor allem so gut wie sein(e) Benutzer(in). Die “Soft Skills”, die bereits vor der Erfindung des Computers gute Arbeit ermöglichten, weisen nach wie vor den Weg zum erforderlichen Minimum an Selbstorganisation: Es geht darum, den Arbeitstag durch sinnvolle Reduktion, Sortierung, Planung und Priorisierung so weit in den Griff zu bekommen, dass ich so viel konzentrierte Arbeitszeit habe wie möglich. Das ist nicht immer einfach, aber die möglichen Gewinne – mehr erreichte Ziele, weniger Stress, abends zufrieden nach Hause gehen – sind es wert.

Save the date Die besten Prozesse und die neuesten digitalen Werkzeuge nützen nichts, wenn die Selbstorganisation der Menschen, die die Prozesse mit Leben füllen und die Werkzeuge bedienen, nicht Schritt hält. Deshalb vertieft der Autor das Thema in einem Seminar des Behörden Spiegel am 26. September 2019 in Berlin. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “Agilement”.


Kommunaler Haushalt

BehĂśrden Spiegel / Juni 2019

Als wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einer Reform hat das Bundesfinanzministerium im April einen Entwurf fĂźr ein Reformgesetz vorgelegt. Der Entwurf ist aus kommunaler Sicht eine gute Grundlage fĂźr den weiteren Reformprozess. Die MaĂ&#x;gaben des Bundesverfassungsgerichts sowie alle wesentlichen Anforderungen der Gemeinden an eine Grundsteuer-Reform wurden darin umgesetzt. Der Reformprozess wird dennoch immer wieder durch Modellund Kompetenzstreitigkeiten in Bund und Ländern ausgebremst. Mitursächlich dafĂźr ist, dass Bund und Länder als Gesetzgeber die politischen Kosten fĂźr eine Steuerreform scheuen, deren haushaltpolitischer Nutzen nicht dem eigenen Haushalt, sondern den Haushalten der Städte und Gemeinden zugutekommt. Dieses Auseinanderfallen der politischen Kosten und Nutzen der Reform bewirkt, dass die politische Debatte zu oft durch sachfremde Erwägungen geprägt wird. Dabei zeigt die Geschlossenheit der Kommunen im Reformprozess, dass es klare Antworten auf die Frage gibt, wie eine gemeindliche Grundsteuer richtig auszugestalten ist. Unter den Gemeinden besteht Konsens, dass die Grundsteuer auch zukĂźnftig bundeseinheitlich und wertori­entiert ausgestaltet sein soll. AuĂ&#x;erdem wollen die Gemeinden weiterhin selbstständig Ăźber die HĂśhe der GrundsteuerHebesätze entscheiden.

Grundsteuer konsequent als Gemeindesteuer ausgestalten Die drei zentralen Anforderungen an eine Grundsteuer-Reform – bundesgesetzliche Regelung, Wertorientierung, Hebesatzrecht – ergeben sich aus der Funktion der Steuer als Gemeindesteuer. Eine Gemeindesteuer soll mĂśg­ lichst alle Einwohner und orts­ ansässigen Unternehmen an den Kosten fĂźr die allgemeinen

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Entscheidende Wochen

MELDUNG

Digitaler FĂśrdercheck

Die Zukunft der Grundsteuer (BS / Verena GĂśppert) In diesen Wochen entscheidet sich die Zukunft der Grundsteuer. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundesgesetzgeber aufgegeben, die veralteten und deshalb nicht mehr verfassungskonformen Bewertungsverfahren bei der Grundsteuer bis Ende 2019 neu zu regeln. Andernfalls darf die Grundsteuer ab dem Jahr 2020 nicht mehr erhoben werden. FĂźr die Kommunen steht dabei viel auf dem Spiel. Die Gemeinden nehmen rund 14 Milliarden Euro jährlich durch die Grundsteuer ein. Ein Steuerausfall dieser GrĂśĂ&#x;enordnung wäre fĂźr die meisten Gemeinden nicht zu verkraften und wĂźrde alle bisherigen Finanzkrisen der Kommunen in den Schatten stellen. E i n e w e r t­a b ­ hän­­g ige Bemes­ sungsgrundlage ist Verena GĂśppert ist stellvertretende Hauptgeschäftssinnvoll, weil der fĂźhrerin und Leiterin des Wert jedes Grund­ Dezernats Finanzen beim stĂźcks auch davon Deutschen Städtetag. abhängt, wie gut das Grund­s tĂźck Foto: BS / Deutscher Städtetag an die gemeindliche Infrastruktur an­g ebunden ist. Die Kosten fĂźr die Infrastrukturleistungen der jewei­- Ăśrtliche Infrastruktur werden so ligen Gemeinde beteiligen. Eine gerecht verteilt. AuĂ&#x;erdem wird so Grundsteuer ist hierfĂźr besonders sichergestellt, dass nachhaltige gut geeignet. Denn im Regelfall Infrastruktur-Investitionen der nutzen alle Einwohner und Un- Gemeinden Ăźber die dadurch­ ternehmen einer Gemeinde auch bewirkten Steigerungen der Ăśrtlichen Grundbesitz, sodass sich GrundstĂźckswerte auch die niemand der Grund­steuer und notwendige Steuerkraft vor Ort damit einem Kostenbeitrag zu schaffen, um diese Investitioden allgemeinen Infrastruktur- nen langfristig refinanzieren zu leistungen der Ge­meinde entzie- kĂśnnen. hen kann. Eine bundeseinheitliche Re­ Allen Anforderungen des Grundgesetzes genĂźgen gelung stellt dabei sicher, dass Kommunen nicht in einen unfairen Die Reform muss zudem allen Steuerwettbewerb abgleiten, Anforderungen des Grundgebei dem ausgewählte Gruppen setzes genĂźgen. Die Alternavon GrundstĂźcksnutzern aus tive eines wertunabhängigen GrĂźnden des Standort­wett­bewerbs Grundsteuerrechts birgt hohe steuerlich privilegiert werden. verfassungsrechtliche Risiken: Ferner ist eine bun­deseinheitliche Im Schrifttum ist umstritten, ob Regelung sinn­voll, damit ß­ber­ eine wertunabhängige Grundregionale Unternehmen sich steuer als Bundesgesetz erlassen nur mit einem Bewertungsrecht auseinandersetzen mĂźssen, statt mit bis zu 16 verschiedenen Län­dergesetzen. AuĂ&#x;erdem kĂśn­ nen so die IT-Kosten in den Steuerverwaltungen durch eine gebĂźndelte Beschaffung von IT-Leistungen deutlich gesenkt werden.

werden und ob dafĂźr die fĂźnfjährige Ăœbergangsregelung fĂźr die alte Grundsteuer in Anspruch genommen werden kann. Ferner wird im Schrifttum infrage gestellt, ob eine wertunabhängige Grundsteuer wegen der willkĂźrlichen Bewertungsfaktoren mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. Angesichts solcher Fundamentalkritik ist es zu riskant, diese Idee weiterzuverfolgen. Das Hebesatzrecht ist fĂźr Ge­ meindesteuern wichtig, damit das steuerliche Belastungsni­ veau an den jeweiligen Ăśrtlichen Finanzbedarf angepasst werden kann. Aber nicht jede Steuer ist gleichermaĂ&#x;en fĂźr ein Hebe­satz­ recht geeignet. Die Gemeinden unterliegen wegen ihrer Kleinräu­ migkeit einem besonders harten Steuer-Wettbewerb. Eine (wert­ orientierte) Grundsteuer hat hier den Vorteil, dass sie nicht durch kreative Gestaltungen umgangen werden kann. Die Reform des Bewertungsrechts muss schlieĂ&#x;lich auch die Grundlage dafĂźr schaffen, dass die Grundsteuer zukĂźnftig in einem hochgradig automatisierten Prozess administriert werden kann.

Die Gesetzentwßrfe des Bundesfinanzministeriums fßr die Grundsteuer-Reform erfßllen die vorgenannten Anforderungen in ausgewogener Weise. Deshalb appellieren die Städte und Gemeinden eindringlich an die Regierungsfraktionen im Bund und an die Länder, diesen Reformprozess jetzt mit aller Kraft voranzubringen.

Planungssicherheit schaffen, Aufkommen sichern Die Städte und Gemeinden bekennen sich dabei klar zum Ziel von Bund und Ländern, die Reform aufkommensneutral fĂźr BĂźrger, Unternehmen und Kommunen zu gestalten. Mit einem kommunalen Hebesatzrecht und entsprechenden Ăœbergangsregelungen in den Finanzausgleichssystemen lässt sich dieses Ziel auch erreichen. Eines ist dabei deutlich herauszustellen: Die Verantwortung fĂźr eine fristgerechte Reform der Grundsteuer liegt allein bei Bund und Ländern. Deshalb werden Bund und Länder auch vollumfänglich fĂźr alle gemeindlichen Steuerausfälle einstehen mĂźssen, die durch weitere VerzĂśgerungen im Gesetzgebungsverfahren entstehen.

(BS/gg) Die KfW und das auf digitale Finanzvermittlung fĂźr Kommunen spezialisierte MĂźnchener FinTech CommneX haben eine Kooperation zur Digitalisierung von FĂśrderkrediten fĂźr Kommunen in Deutschland gestartet. Auf der CommneXPlattform registrierte Städte, Gemeinden und Landkreise kĂśnnen nun bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben geeignete FĂśrderangebote der KfW vorab online finden. Kommunen kĂśnnen ihren Fi­ nanzbedarf auf CommneX aus­schreiben und innerhalb weniger Minuten prĂźfen, ob ein FĂśrder­ kredit der KfW fĂźr sie infrage kommt. Zugleich erhalten die Kommunen Informationen Ăźber die aktuell gĂźltigen Konditionen. Der digitale FĂśrdercheck gleicht die gewĂźnschte Finanzierung mit den Anforderungen des FĂśrderprogramms ab. Stimmen beide Ăźberein, kann die Kom­mu­ne direkt den passenden Antrag und weitere Unterlagen fĂźr das FĂśrderprogramm abrufen. FĂźr die kommunalen Nutzer ist CommneX kostenfrei. “Die Digitalisierung ist derzeit ein groĂ&#x;es Thema in der Ăśffent­ lichen Verwaltung. Die KfW als starker Partner der Kommunen in Deutschland mĂśchte diese Entwicklung begleiten und un­ terstĂźtzenâ€?, so KfW-Vor­stands­ mitglied Dr. Ingrid Hengster. Die Zusammenarbeit mit CommneX sei ein weiterer Schritt bei der Umsetzung der Strategie zur Digitalisierung des FĂśrdergeschäfts.

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Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

Seite 20

Behörden Spiegel / Juni 2019

“Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie” Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien (BS/Katarina Heidrich) Die drei regionalen Energieversorger EWR in Worms, die Stadtwerke Mainz und die Pfalzwerke AG in Ludwigshafen planen eine gemeinsame Zukunft in Richtung Erneuerbare Energien und haben hierfür eine neue Gesellschaft gegründet. Ein Paradebeispiel für die Zukunft der Energiewirtschaft: ökologisch, kooperativ und lokal. Aber ist die Versorgung nach dem Ausstieg aus der Kohleverstromung allein durch die Erneuerbaren wirklich gesichert?

“K

ommunale Unternehmen sind für den Erfolg und die Umsetzung der Energiewende vor Ort unverzichtbar”, so der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling, der auch Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU) ist. “Denn diese Unternehmen schielen nicht wie die großen Konzerne ausschließlich auf den schnellen Euro, sondern fühlen sich zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger besonders der Nachhaltigkeit verpflichtet.” Er begrüße daher die Gründung der “Pionext GmbH” mit Sitz im rheinland-pfälzischen Alzey. Neben der Bündelung der mehr als 500 bestehenden Windkraft- und Photovoltaikanlagen soll zudem auch die technische und kaufmännische Betriebsführung künftig zentral erfolgen. Darüber hinaus wird die gemeinsame Ökostrom-Tochter neue Wind- und Solaranlagen planen und errichten. Neben geteilten Kosten und Risiken biete solch eine Kooperation ebenfalls die Chance, auch bundesweit an der Marktentwicklung zu partizipieren, betont René Chassein, Vorstandsmitglied der Pfalzwerke. Laut der Vizepräsidentin des SPD-Wirtschaftsforums, Prof. Dr. Ines Zenke, müsse der Umgang mit der Windkraft-Sparte komplett überdacht werden. Weltweit steigt zwar der Anteil an Strom aus Windenergieanlagen, in Deutschland allerdings sind zum dritten Mal in Folge die Ausschreibungen für Windenergie an Land unterzeichnet. Die Bundesnetzagentur kritisiert, mit der Unterzeichnung von 55 Prozent erreiche das Wettbewerbsniveau in diesem Bereich “eine neue, besorgniserregende Dimension”. Die letzten vier Runden waren zwar auch schon unterzeichnet,

In Deutschland kein alltägliches Bild; hier hat der Windkraftausbau im ersten Quartal 2019 das tiefste Niveau in diesem Jahrtausend erreicht. Foto: BS/Ben Kerckx, pixabay.com

aber maximal um 45 Prozent. Die Zubaustatistik indes zeigt, dass das erste Quartal 2019 mit 41 Anlagen beziehungsweise 134 MegaWatt installierter Leistung das ausbauschwächste seit den Anfängen der Energiewende war – knapp 90 Prozent weniger installierte Leistung als im Vorjahreszeitraum. Zenke ist der Meinung, es brauche klare Genehmigungsbedingungen. Die Einspeiser seien heute vor Ort, die Energiewende fände in den Verteilnetzen statt. Gas und Kohle sollten dabei lediglich als Back-Up und nicht als Primärquelle dienen.

Erneuerbare rechnen sich Trotz des stockenden WindkraftAusbaus gehören die Erneuerbaren jetzt schon zur Hauptstromquelle. Laut Fraunhofer-Institut ISE deckten sie zwischen Januar

und Mai dieses Jahres 46,8 Prozent des Strombedarfs. Davon entfielen allein 27 Prozent auf die Windenergie on- und offshore. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist die Rede von 65 Prozent Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch bis 2030. Zenke hält dies, trotz Einwänden, für machbar. Eine Studie der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) zeigt auf, dass der weltweite Strombedarf bis 2050 zu fast 90 Prozent aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden könnte. Zwar seien für einen beschleunigten Umbau des Energiesektors rund 13 Billionen Euro nötig, allerdings rechne sich der Einsatz für die Staaten, laut der Studie. “Jeder Dollar, der für die Energiewende ausgegeben wird, zahlt sich bis zu sieben Mal aus”, betont IRENA-Generaldirektor Francesco La Camera.

So werde Wind- und Solarstrom immer günstiger und durch das investierte Geld könnten Schäden durch den Klimawandel sowie Gesundheitskosten reduziert werden. Die Weltwirtschaft könnte so in den kommenden 30 Jahren bis zu 142 Billionen Euro einsparen. Um das Ziel zu erreichen, stehe allerdings das Thema Netzsicherheit auf der Agenda ganz oben, ist sich der brandenburgische Minister für Wirtschaft und Energie, Jörg Steinbach (SPD), sicher. Neben einer verbesserten Auslastung der bestehenden Netze sei der weitere Netzausbau wichtig. Steinbach kritisiert, dass etwa der Ausbau der Nord-SüdTrasse nur schleppend in Gang komme. Auch der dringend benötigte Speicherausbau sowie die Nutzung der Digitalisierung im Energiebereich kämen noch

zu kurz, denn “das reine Herausnehmen von Atomenergie und Kohle wird nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken.” In Zukunft werde hingegen die kommunale Energieversorgung an Bedeutung gewinnen. Diese müsse, laut Steinbach, immer gemeinsam mit der Wärmewende gedacht werden, hin zu einer hochdezentralisierten Versorgung. “Was mir fehlt in Deutschland ist, dass immer noch nicht über ein dezentralisiertes Netz gesprochen wird”, bemängelt der studierte Chemieingenieur. Auch die Bundesnetzagentur stellt fest, dass “der Netzausbau nicht so schnell vorankommt, wie es nötig wäre.” Dies schlage sich in hohen Kosten für den Erhalt der Systemsicherheit nieder, die sich im vergangenen Jahr auf 1,4 Milliarden Euro beliefen.

Back-Up für den Übergang Einen Netzausbau auf Verteilnetzebene fordert ebenfalls Andreas Feicht, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Des Weiteren sieht er Handlungsbedarf beim Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG). “Das KWKG muss novelliert und verlängert werden”, betont er. Dies solle als Instrument dienen für den Fall, dass die Versorgung sonst nicht sichergestellt ist. Denn KWK-Anlagen haben den Vorteil, dass sie sich bei Bedarf hochfahren lassen. Die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung hat in ihrem Abschlussbericht unter anderem Vorschläge gebracht, wie die Weiterentwicklung und Verlängerung der KWK-Förderung bis 2030 aussehen könnte. Katherina Reiche, Hauptgeschäftsführerin beim Verband

kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßt diese, allerdings mit Einschränkungen: “Der Vorschlag eines Kapazitätsbonus für KWKAnlagen in Süddeutschland folgt einem richtigen Ansatz, nämlich einer stärkeren Leistungsorientierung bei der KWK-Förderung. Eine regionale Beschränkung führt allerdings unweigerlich zu Marktverzerrungen zulasten der übrigen Marktteilnehmer.” Steinbach und Reiche sind sich weiter einig, dass das Sektorkopplungsverbot im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aufgehoben werden müsse. “In dieser neuen Phase der Energiewende spielt der Ausbau von Sektorenkopplungs- und Speichertechnologien eine Schlüsselrolle”, heißt es vom VKU, “Allerdings hemmen nach wie vor die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen die Entwicklung hin zur Marktgängigkeit und stehen damit der technologischen Entwicklung und den klimapolitischen Zielen im Weg.” Stadtwerke und die Herstellerbranche stünden längst bereit und verfügten über Lösungen, den dringend notwendigen Markthochlauf dieser Technologien auf den Weg zu bringen. Spätestens bis 2020 brauche es neue Regeln für neue Märkte, betont auch die Vorsitzende der “Kohle-Kommission”, Prof. Dr. Barbara Praetorius. Ihrer Meinung nach werden die (Industrie-)Strompreise stabil bleiben, wenn die Erneuerbaren weiter ausgebaut und gefördert werden. Es brauche neue Ideen und Geschäftsmodelle, aber bei der Frage nach der Energiewende gehe es schon längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. Auch Steinbach hält das Erreichen des 65-Prozent-Ziels für “alternativlos”.

Alles fließt Brandenburgs Weg zur nachhaltigen Wasserwirtschaft (BS/Katarina Heidrich) Der “Initiativkreis zukunftsfähige Wasserwirtschaft” hat dem Vorsitzenden der Enquete-Kommission “Ländliche Räume”, MdL Wolfgang Roick (SPD), den Abschlussbericht zur “Handlungsmatrix Leitbild zukunftsfähige Siedlungswasserwirtschaft im Land Brandenburg” überreicht. Darin enthalten ist ein Maßnahmenkatalog, um Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge für alle Bewohner Brandenburgs bezahlbar und dauerhaft zugänglich zu gestalten. Das Thema Wasserwirtschaft ist aber auch auf Bundesebene in den Blick gerückt. Der von der brandenburgischen Landesregierung initiierte Leitbildprozess wurde von einem Ini­ tiativkreis aus zehn Fach- und Interessenverbänden aktiv begleitet. Der Expertenkreis sieht insbesondere vor dem Hintergrund demografischer, technologischer, politischer und klimatischer Veränderungen Handlungsbedarf,

um die Versorgung mit Trinkwasser und die Behandlung von Abwasser nachhaltig qualitativ hoch zu gewährleisten. Unter anderem müssten demnach neue Per­s pektiven für eine kostengünstige Klärschlammverwertung geschaffen werden, denn es gebe einen “Entsorgungsnotstand”. So sollten etwa die gesetzlichen Mög-

lichkeiten für eine Zwischenlagerung oder Vererdung sowie ein Mix möglicher Rechtsformen und Branchen ausgeschöpft werden, “was eine langfristig vertretbare Lösung des Klärschlammproblems unterstützt”, wie es im Bericht heißt. Die personelle Ausstattung von Wasserbehörden solle zudem verbessert werden,

um eine Beschleunigung der Genehmigung von Wasserrechten und der Ausweisung der dafür erforderlichen Wasserschutzgebiete zu gewährleisten. Des weiteren fordert der Initiativkreis Verbes-

serungen bei den Regelungen im Kommunalabgabengeset. Klar definierte Kostentragungspflichten bei der Niederschlagswasserableitung sollten umgesetzt werden, dann seien die die Aufgabenträger

bereit, den Betrieb der Straßenentwässerung zu übernehmen. Schließlich sollen Aufgaben durch Kooperationen gebündelt und eine zuständige zentrale Stelle benannt werden.

Energieversorgung: digital und sicher Informationssicherheit für Geschäftsführer von Stadtwerken und Netzbetreibern (BS) Eine stabile und ausfallsichere Energieversorgung ist elementar für die Digitalisierung. Im Gegenzug wird die Energieerzeugung und -verteilung durch die Energiewende zunehmend dezentralisiert. Die Lösung dieser Herausforderung bringt neue Probleme mit sich. Ein erster Schritt, um die Anforderung an die Energieversorgung mit der tatsächlichen Erzeugung in Einklang zu bringen, ist die Vernetzung und Digitalisierung des Energieversorgungssystems. Aber: Damit nimmt die Verwundbarkeit und Angreifbarkeit der gesamten Infrastruktur weiter zu. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz aus dem Jahr 2015 und der damit verbundenen KRITIS-Verordnung, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Mai 2016 u. a. die Sektoren Wasser, Energie, Informationstechnik und Telekommunikation als Kritische In­frastrukturen definiert. Neben der Festlegung von Schwellenwerten wurden Mindeststandards für IT-Sicherheit und Meldepflichten bei “erheblichen

Störungen”, die zu einem Ausfall oder einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit führen können, festgelegt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung angekündigt, ein IT-Sicherheitsgesetz 2.0 verabschieden zu wollen. Der erste Entwurf befindet sich aktuell in der Ressortabstimmung und soll möglichst noch vor der Sommerpause ins Kabinett eingebracht werden. Mit den regulatorischen Neuerungen der vergangenen Jahre reagiert der Gesetzgeber auf die wachsende Zahl von Cyber-Angriffen sowie die steigende Anzahl von IT-Sicherheitsvorfällen bei Kritischen Infrastrukturen in Deutschland. So warnte das BSI am Jahresende 2018 öffentlich vor der wachsenden Gefahr von

Cyber-Attacken im Bereich der Stromversorgung. Bürgermeister, Vorstände, Geschäftsführer, Führungskräfte sowie IT- und Sicherheitsverantwortliche von Stadtwerken, Energieerzeugern und Verteilernetzbetreibern haben die Möglichkeit, in einem Workshop der Cyber Akademie nicht nur das regulatorische Rahmenwerk zu beleuchten, sondern durch praktische Vorführungen die Bedrohungslagen im Energiesektor zu diskutieren und Lösungsansätze kennenzulernen. Der Workshop findet statt am 19. September 2019 in Schönefeld bei Berlin. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.cyber-akademie.de, Suchwort “Stadtwerke”


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Juni 2019

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ach und nach werden in den kommenden Jahren mehr Züge auf die bestehenden Strecken geschickt, neue Verbindungen eingerichtet und die Sitzplatzkapazität in den Waggons erhöht. Bislang lag der Anteil Brandenburgs am Regional- und S-Bahnverkehr bei etwa 35 Millionen Zugkilometern. In den kommenden zehn Jahren werden wir die Verkehrsleistung um zehn Millionen Zugkilometer erhöhen.

Infrastrukturprojekt “i 2030” auf dem Weg Bei unseren zusätzlichen Verkehrsbestellungen stoßen wir immer mehr an die Grenzen der Infrastruktur. Im Oktober 2017 haben die Länder Brandenburg, Berlin und die Deutsche Bahn daher eines der größten Infrastrukturprojekte in Deutschland angeschoben: Infrastruktur 2030, kurz “i 2030”. Im Rahmen dieses Vorhabens wurden Korridore rund um die Hauptstadt definiert, die ausgebaut werden sollen. Damit wollen wir mehr Kapazitäten für den Bahnverkehr schaffen. Die ersten Projekte sind bereits am Start. Die Variantenuntersuchungen sind abgeschlossen und die konkreten Projektplanungen laufen, wie zum Beispiel beim Streckenausbau für den Halbstundentakt nach Neuruppin oder der Wiederbelebung der Stammstrecke der “Heidekrautbahn”. Auf dieser Strecke wollen wir Züge zum Einsatz bringen, die mit Wasserstoff angetrieben werden. Die S-Bahn-Verlängerungen nach Velten, Falkensee und Rangsdorf sollen nicht nur Lücken im S-Bahn-System schließen, sondern gleichzeitig die

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Mobilitätsketten im Blick haben Schaffung eines attraktiven und nachhaltigen ÖPNV (BS/Kathrin Schneider) Mehr Platz, komfortablere Züge, schnellere Verbindungen und moderne Bahnhöfe – das ist die Überschrift für unsere Offensive zur Verbesserung des Öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs im Land Brandenburg. Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg entwickelt sich sehr dynamisch. Die Pendlerzahlen steigen. Gerade in der Hauptverkehrszeit wollen wir auf vielen Linien die Kapazitäten erhöhen. LAN in den Zügen und Hotspots auf den Bahnhöfen sind geplant. Gemeinsam mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg und den Verkehrsunternehmen organisieren wir den Einsatz von Fahrgastinformationsund Kommunikationsanlagen mit Echtzeitdaten auf Displays sowie Notrufeinrichtungen. Dabei sollen den Fahrgästen auch Echtzeitdaten zur Platzbelegung in den Waggons zukünftig am Nostalgische Straßenbahnen wie in Cottbus dienen oft für Erlebnisfahrten für Bahnsteig und durch Apps zur historisch interessierte Fahrgäste. Wohingegen das Land Brandenburg emsig Verfügung gestellt werden. daran arbeitet, nicht nur den Touristen, sondern den zahlreichen Fahrgästen und Pendlern einen attraktiven und modernen ÖPNV zu bieten. Damit auch Orientierung an Nachbar­ ländern diese ihr positives tägliches Fahrerlebnis haben. Foto: BS/pureshot, CC0, pixabay.com Wir schauen bei dem Ausbau Voraussetzungen schaffen für zeiten der Züge angepasst sind. der Bahnverkehre aber auch zu noch engere Verflechtungen zwi- Die stetig wachsende Nachfrage unseren polnischen Nachbarn. schen Berlin und Brandenburg belegt, dass die Verbindungen bei Ein Beispiel dafür ist der zweigerade auch für Wirtschaftsan- den Fahrgästen gut ankommen. gleisig elektrifizierte Ausbau der Die Nutzung der Züge wird noch Strecke Berlin- Stettin, von dem siedlungen. attraktiver, wenn die Bahnhöfe auch Angermünde und Schwedt System “BusPlus” für kurze barrierefrei zugänglich und mit in der Uckermark profitieren werUmstiege Fahrgastinformationssystemen den. Hier laufen die Planungen Ein attraktiver und nachhalti- ausgestattet sind und die Auf- auf Hochtouren. Ein weiteres ger ÖPNV muss Mobilitätsketten enthaltsqualität verbessert wird. Beispiel ist der notwendige Ausim Blick haben. Deswegen un- Dazu haben wir vor Kurzem mit bau der sogenannten Ostbahn terstützen wir die Verknüpfung der Deutschen Bahn AG einen von Berlin über Küstrin nach von Bahnen und Bussen, aber Rahmenvertrag geschlossen, der Gorzow. Berlin und Brandenburg auch von Rad- und Bahnverkehr. vorsieht, in den kommenden sehen hier große Potenziale und Kurze Umsteigezeiten zwischen zehn Jahren 150 Bahnhöfe zu setzen sich für die Aufnahme der Investitionen in die BundesproBussen und Bahnen werden mit modernisieren. Auch der Ausbau von Park+Ride- gramme ein. dem System “PlusBus” erreicht. Bei allen Projekten denken wir Das Netz ist in den vergangenen und Bike+Ride-Plätzen steht weifünf Jahren stetig gewachsen. ter auf der Agenda. Ebenso sollen Mobilität und Stadtentwicklung Inzwischen gibt es 19 Linien, die Möglichkeiten der Digitalisie- zusammen. Ein aktuelles Beideren Fahrplan an die Abfahrts- rung besser genutzt werden. W- spiel dafür sind Cottbus und

die Lausitz. Im Dezember 2016 haben wir mit Vertreterinnen und Vertretern der Deutschen Bahn AG und der Stadt Cottbus das Bauschild für die Modernisierung des Bahnhofs enthüllt, die zu den großen Infrastrukturvorhaben im Land gehört. Mit fast 12.000 Fahrgästen weist der Bahnhof nach Potsdam die zweithöchsten Fahrgastzahlen auf. Als wichtiger Umsteigeknotenpunkt soll der Bahnhof attraktiv für alle Fahrgäste werden und den Umstieg von Auto, Bus oder Straßenbahn in die Züge erleichtern. Daran ist die Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes ausgerichtet. Die Modernisierung des Bahnhofs wird mit der Neubelebung eines Quartiers verknüpft, das lange Jahre ein Schattendasein fristete. Eine wichtige Funktion dabei hat ein neuer Tunnel unter den Gleisen, der Bahnsteige und Stadtteil verbindet und im vergangenen Jahr eingeweiht wurde.

Ländlichen Raum bewusst in den Fokus rücken Der modernisierte Bahnhof Cottbus und die Lausitz werden zukünftig besser angebunden

sein. Dazu läuft derzeit das Vergabeverfahren. Ab 2022 wollen wir unter anderem eine neue Regionalexpressverbindung von Frankfurt (Oder) über Cottbus nach Leipzig einrichten. Die Universitätsstandorte Cottbus und Senftenberg werden mit einem Halbstundentakt verbunden. Cottbus soll ebenfalls im Halbstundentakt von Berlin erreichbar sein. Dazu ist der zweigleisige Ausbau der Strecke Lübbenau-Cottbus erforderlich. Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung diese Maßnahme in die Eckpunkte des Strukturstärkungsgesetzes aufgenommen hat. Für den Strukturwandel in der Lausitz ist eine moderne Mobilität unabdingbar. Die Lausitz soll Modellregion für innovative Mobilitätslösungen werden. Im Sinne des Klimaschutzes ist

Ministerin Kathrin Schneider vom Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Brandenburg zeigt die Projekte auf, die den ÖPNV in ihrem Flächenland attraktiver und nachhaltiger gestalten werden. Foto: BS/Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung

das oberste Ziel unserer Mobilitätsstrategie, mehr Menschen zum Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu bewegen. Dafür brauchen wir ein gutes und qualitativ hochwertiges Angebot. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren die Grundlagen geschaffen und setzen es in den kommenden Jahren weiter konsequent um.

Brückenanalysen mittels KI und Drohnen

Endlich eine Datenautobahn!

Potenziale sind vorhanden, aber…

Symbolischer Spatenstich in Bülstringen

(BS/ab) “Infrastrukturen effektiver zu machen, ist unstrittig, auch dass die Digitalisierung dabei ihren Teil beitragen wird, ist angekommen”, betont Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Insbesondere Unglücke wie der Brückeneinsturz im italienischen Genua zeigen, wie wichtig die Pflege und Ausbesserung der Infrastruktur sind. Hierbei machen neue Erkenntnisse der Forschung in der Brückenanalyse deutlich, wie die Digitalisierung helfen kann.

(BS/Holger Haupt*) Die Verbandsgemeinde Flechtingen auf dem Gebiet der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Breit­ band in Sachsen-Anhalt freut sich. Schon vorab waren bei der Bedarfsermittlung für das kommunale Netz der ARGE, das Giganetz für den Landkreis Börde und die Glasfaserverlegung bis ins Haus hohe Vorvertragsquoten von über 50 Prozent erreicht worden. Besonders in der Mitgliedsgemeinde Bülstringen liegt die Quote der Vor­ verträge bei über 57 Prozent. Die Planungen sind abgeschlossen, sodass in Bülstringen der Baustart erfolgt. Mathias Weiß, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Flechtingen, ist sichtlich erfreut: “Wir sind stolz, dass wir in den bisherigen Erhebungen solch hohen Zuspruch und Vorvertragsquoten seitens der privaten Haushalte und der Wirtschaft in der Verbandsgemeinde Flechtingen erzielen konnten.” Dies bedeute, dass in der Region sehr zeitnah in weiteren Mitgliedsgemeinden mit dem Glasfaserausbau begonnen werden könne.

Nach dem Brückeneinsturz im italienischen Genua wurde deutlich, wie gefährlich marode Brücken sein können. Nicht nur die vom Bundesverkehrsministerium geförderte Sensorik, sondern auch Drohnen können einen Teil dazu beitragen, um Brücken auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen. Foto: BS/Andrea Izzotti, stock.adobe.com

Nicht nur Sensoren können bei der Analyse von Brücken helfen, sondern auch Künstliche Intelligenz kombiniert mit Drohnen, wie Prof. Dr. Guido Morgenthal, von der Bauhaus-Universität Weimar, aufzeigt. “Die Sicherheit der Bauwerke ist dabei wichtig und deshalb müssen neue Methoden dementsprechend ausreichend validiert sein”, betont der Professor für Modellierung und Simulation – Konstruktion. Seit mehreren Jahren werde mit Nachrechnungsrichtlinien gearbeitet, um die Resttragfähigkeit von Bauwerken zu berechnen. “Wir können die Einwirkungen auf unsere Bauwerke gut vorhersagen”, ist sich der Spezialist sicher. Herausfordernd seien die Prognosen jedoch durch die schwer abschätzbaren künftigen Verkehrslasten und die Folgen des Klimawandels auf die Bauwerke. Nicht nur zukünftige Herausforderungen benötigen dementsprechend moderne Analysemethoden. Auch die bisherige konventionelle Bauwerkdiagnos-

tik durch Menschen und Vor-OrtAnalyse sei relativ teuer, zeitaufwendig und stark subjektiv geprägt. “Wir analysieren Brücken in Deutschland schon seit langer Zeit. Mittels Sondermitteln und -programmen fördern wir hierbei neue Technologien und auch Sensorik, die verbaut wird. Wir arbeiten sogar an einem neuen Brücken-TÜV”, erläutert der Bundesverkehrsminister. Einen Haken hätten die modernen Methoden jedoch, so Morgenthal: Das modernere, sensor-basierte Monitoring erfordere erhebliche Investitionskosten, eine enorme Datenmenge werde produziert und der Wartungsaufwand sei noch unklar.

3D-Konstruktion mit Drohnen Der Wissenschaftler arbeitet deshalb mit einer an einer Drohne installierten Kamera, um eine visuelle Bauwerksprüfung zu vollziehen. Durch 3D-Rekonstruktion würden Modelle von den Bauwerken erschaffen, die “sehr präzise sind und auch Risse und

fehlende Bestandteile” aufzeigen, so der Professor. Wichtig dabei sei die Automatisierung der 3D-Routenplanung, “wodurch es dann nur noch eine Kraft vor Ort braucht, die die Drohne steigen lässt”. Mittels Künstlicher Intelligenz werde ebenso die automatisierte Risserkennung vorangetrieben. Da diese Modelle digital seien, könnten sie auch besser dokumentiert und geteilt werden. Damit einher gehe jedoch die “Big-Data”-Diskussion. “Wenn alle Straßenbrücken als digitaler Zwilling abgebildet würden, würde es rund 200.000 Euro pro Jahr kosten und es würde circa 720 Terabyte umfassen”, rechnet Morgenthals vor. Dies sei jedoch nicht per se ein Problem, weil beispielsweise Cloud-Anbieter durchaus genügend Speicher zur Verfügung hätten. “Zudem könnten sie die Modelle dann deutschlandweit teilen und daran gemeinsam arbeiten.” Jedoch bräuchte es mehr Investitionen, um die Umsetzung solcher Projekte zu fördern.

Reine Glasfaseranbindung Ende Mai fand zum Auftakt für den Bau des Glasfasernetzes der ARGE Breitband in der Region der symbolische Spatenstich in Bülstringen statt. Die Gemeinde Bülstringen (Sachsen-Anhalt) liegt nordwestlich der Kreisstadt Haldensleben und ist eine kreisangehörige Gemeinde des Landkreises Börde. Der Bülstringer Bürgermeister Sven Fahrenfeld betonte dabei die Wichtigkeit des Projektes: “Wir in Bülstringen sind sehr erfreut, dass wir als erste Mitgliedsgemeinde der Verbandsgemeinde Flechtingen in den Genuss kommen, das neue Glasfasernetz auszubauen. Unsere Einwohner warten dringend auf die neue Infrastruktur und wir sind sehr froh dies in diesem Jahr umsetzen zu können und damit als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort wachsen zu können.” Dort werden ab sofort über fünfzehn Kilometer Leerrohre und 100 Kilometer Glasfaserkabel verlegt. Dabei wird genau wie in den anderen Gemeinden und Städten des ARGE-Gebietes konsequent Breitband per Fiberto-the-Building (FTTB) realisiert. Bei dieser Technik wird die Glas-

Spatenstich in der Gemeinde Bülstringen: Die Planungen sind abgeschlossen und der Baustart erfolgt, nachdem die Vorvertragsquote bei über 57 Prozent lag. Foto: (BS/ARGE Breitband)

faser direkt bis ins Haus gelegt. Die Erschließung der ersten 300 Haushalte in Bülstringen wird bis zum Jahresende realisiert, sodass diese danach ans kommunale Highspeed-Netz angeschlossen werden können, welches von der DNS:NET betrieben wird.

Keine Übergangslösung erwünscht Das Warten auf eine zukunftsfeste Breitbandinfrastruktur findet nach Jahren ein Ende. In diesem Bauabschnitt werden weitere Dörfer und Siedlungen der Mitgliedsgemeinde mit der Datenautobahn verbunden. Die Gemeinde hat sich bewusst für die zukunftsfeste Technik und gegen eine Übergangslösung entschieden. Auch wenn die Finanzierung

auf eine lange Zeit angelegt ist, so soll der Baukredit über die Pachtzahlungen und Bundesfördermittel bedient werden. Rainer Ohliger, Bereichsleiter Netzausbau der DNS:NET, zeigt zudem die potenziellen Geschwindigkeiten auf: “Mit dem konsequenten Ansatz “Glasfaser für alle” wird der Standort Bülstringen nach der Fertigstellung von der DNS:NET mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Mbit/s für die Haushalte versorgt, Firmen und Landwirtschafts- sowie Forstbetriebe können dann mit einem Gigabit/s und mehr ihre Logistik- und Verwaltungsinfrastruktur nutzen.” *Holger Haupt ist Breitbandbeauftragter der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Breitband.


Kommunale Infrastruktur

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n Deutschland besitzen die Menschen 78 Millionen Fahrräder, das heißt, fast jeder Deutsche ist Radfahrer. Trotzdem zeigt die Realität auf unseren Straßen, dass wir noch einiges tun können, um das Fahrradfahren zu fördern”, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Verglichen dazu sind es rund 57,3 Mio. (01.01.2019) zugelassener Kraftfahrzeuge. Deshalb wurden acht Leitziele entwickelt: Zum einen brauche es eine bessere, möglichst lückenlose Radinfrastruktur. Er möchte diese damit verwirklichen, dass möglichst viele Wege an Bundesstraßen und Wasserstraßen gebaut werden sollen. Zukünftig solle deshalb bei einem Neu- und Ausbau von Bundesstraßen geprüft werden, ob ein begleitender Radweg möglich sei. Bei Nichteignung brauche es eine Begründung, weshalb dies nicht der Fall gewesen sei.

“Vision Zero” und Novelle der StvO Damit verknüpfen lässt sich das zweite Ziel, die “Vision Zero”, also weniger Radverkehrstote sowie -verletzte. Um diese mitzuverwirklichen, soll das dritte Ziel, nämlich eine Novelle der StraßenverkehrsOrdnung (StvO) umgesetzt werden. Der Bundesverkehrsminister zeigt dabei erste Ideen auf, um die Radfahrer noch besser zu schützen. Dazu gehöre die Überprüfung und Anpassung bestehender Regelungen und Förderbedingungen, wie “eine deutliche Erhöhung der Bußgelder für das Parken auf Schutzstreifen und in zweiter Reihe, die Überarbeitung der Straßenverkehrs-Ordnung mit einem Halteverbot auf Schutzstreifen oder die Anpassung der Vorgaben für den Radwegebau”, umreißt Scheuer. Außerdem hat das BMVI die Förderung für den Abbiegeassistenten für Lkws von fünf auf zehn Millionen Euro für dieses Jahr aufgestockt. Womit es einer Forderung des Deutschen

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Sind die Ziele zielführend?

verkehrsminister hat sich in der erhofften Deutlichkeit für eine Stärkung des Radverkehrs Der Traum vom fahrradfreundlichen Deutschland ausgesprochen. Zur Umsetzung (BS / Adrian Bednarski) Ob Machbarkeitsstudie hinsichtlich eines Radschnellweges zwischen Leipzig und Halle, Einrichtung weiterer Fahrradstra- müssen jetzt konkrete und nachßen oder die Fortschreibung des Radverkehrsentwicklungsplans, Leipzig unternimmt viel, um den Radverkehr zu fördern. Da kommen die Leitziele haltige Investitionsprogramme des Bundesverkehrsministeriums zur Förderung dieser Fortbewegungsart den Verantwortlichen entgegen. Wobei sie durchaus Verbesserungs- und Gesetzesänderungen für die potenziale sehen. Verbesserung der Radinfrastruktur sowie für mehr VerkehrsStädte- und Gemeindebunds sicherheit für Radfahrerinnen (DStGB) ebenso nachkam, welund Radfahrer vorgelegt werden. Radverkehrsförderung darf kein cher sich aufgrund der hohen Strohfeuer sein”, betont Salden. Nachfrage für eine Erhöhung der Leipzig hingegen profitiert davon, Fördersumme ausgesprochen hat. dass Sachsen sich seiner VerantMehr Handlungsspielräume? wortung bewusst ist. So fördert der Freistaat Sachsen die Planung Aber: “Die Ankündigungen des und den Bau von Radwegen und Verkehrsministers, die Bußgelder Radverkehrsanlagen in kommufür das unerlaubte Parken auf naler Baulastträgerschaft seiner Schutzstreifen sowie für das ParLandkreise und Gemeinden. Im ken in zweiter Reihe zu erhöhen, müssen schnell umgesetzt werDoppelhaushalt 2019 / 20 belaufen sich die Mittel auf 8,2 Mio. bzw. den”, fordert Janina Salden vom 8,4 Mio. Euro. Verglichen zu 2014 DStGB. Zudem solle der Bund mit 2,5 Mio. Euro ist dies eine im Sinne der verkündeten Ziele zeitnah konkrete Eckpunkte der Verdreifachung. Auch der Abruf Novelle erstellen und zusammen der Fördermittel ist von 1,05 Mio. mit den Ländern und Kommunen im Jahr 2014 auf rund zehn Mio. die Umsetzung angehen. im Jahr 2018 gestiegen. Auch die Fördersätze wurden angehoben. In Leipzig wünscht man sich und Gefördert wird der Neu-, Um- und weiteren Kommunen vor allem Ausbau sowie die Instandsetzung mehr Handlungsspielraum, “um und Erneuerung selbstständiger auch in Einzelfällen eine optimale Lösung erarbeiten zu können”. Damit Deutschland der Fahrradfreundlichkeit entgegenläuft, hat das Bundesverkehrsministerium acht Leitziele vorgegeben. oder im Zuge von kommunalen Die erwähnten höheren Bußgelder Die kommunale Ebene freut es, sie zeigt aber auch weiterhin ernsthafte Hürden auf. Foto: (BS / tortoon, stock.adobe.com) Straßen geführter Radverkehrskönnten durchaus dabei helfen, anlagen mit den dazugehörigen dass bestehende Recht effizien- “Eine zukünftige investive För- Radverkehrsthemen beschäftig- kehr ist deshalb ein weiteres Ziel. Einrichtungen. ter zu kontrollieren. Denn ins- derung durch das BMVI bewerten ten. Von der Stadtverwaltung Exemplarisches Gedankenspiel: gesamt wird damit eine stärkere wir positiv.” Aber es brauche ei- gibt es diesbezüglich ein positives So könnten die Fahrräder mit Bürgerbeteiligung ist ­notwendig Einhaltung erwartet, heißt es aus nen längeren Zeithorizont für die Feedback. Denn: “Gut ausgebilde- Sendern ausgestattet werden, der Stadtverwaltung. “Weniger Umsetzung. Es gebe aktuell keine te Fachkräfte mit einem speziel- eine digitale Kommunikation erGrundsätzlich seien ambitioVerstöße sind dann einfacher zu großen “Leuchtturmprojekte”, die len Blick auf die aktive Mobilität möglichen und damit eine grüne nierte Ziele positiv. Jedoch “selbst ahnden als eine Vielzahl, die zu- antragsreif vorbereitet seien. Für werden in den Kommunen sehr Welle für Radfahrer einleiten. bei starkem politischem Willen mal oft auch noch als Kavaliers­ die Umsetzung großer Projekte dringend gebraucht.” Ein Aspekt, der seitens der Stadt- und einer finanziellen Unterstütdelikt wahrgenommen wird”, so bedürfe es deshalb eines entspreDas sechste Ziel fokussiert verwaltung zweischneidig betrach- zung von Bund und Land liegt chenden Planungsvorlaufs, der sich auf den Lieferverkehr in tet wird: “Die Einrichtung einer die Herausforderung darin, die die Rückmeldung aus Leipzig. mit einer höheren Aussicht auf den Städten. Scheuer zeigt dabei “Grünen Welle” für den Radver- Bürger mitzunehmen und komLeuchtturmprojekte und Erfolg leichter zu leisten sei. Hier auf: “Zwanzig Prozent der Liefer- kehr erfordert hohen Planungs- plexe Planungsprozesse in kurzer die Wissenschaft seien auch zusätzliche Personal- verkehre können in den Städten sowie finanziellen Aufwand und Zeit zur Umsetzung zu bringen”, von Lastenrädern übernommen letztlich einen starken politischen heißt es aus dem Verkehrs- und Als viertes Ziel möchte das BMVI kapazitäten zu binden. neue Leuchtturmprojekte voranFerner möchte das BMVI das werden.” Deshalb solle dies aus- Willen auf kommunaler Ebene.” Tiefbauamt der Stadt Leipzig. treiben, die in diesem Jahr erst- Wissen um die Radverkehrsthe- gebaut werden. Ein Vorstoß, der Zum Schutz der Radfahrenden Darüber hinaus sollte der Bund mals mit insgesamt 20 Mio. Euro men vorantreiben. Deshalb för- auch von der Stadt Leipzig be- werde die digitale Kommunikation seine Kommunikationsmaßnahin den Kommunen gefördert wer- dert es als fünftes Ziel für das grüßt wird, aber “eine Herausfor­ zwischen Fahrzeugen noch kri- men erhöhen, um Themen wie den können. Hierbei merkt jedoch Wintersemester 2020 erstmals derung besteht hier in der Bereit- tisch betrachtet. Die Attraktivität eine neue Flächenverteilung im die Leipziger Stadtverwaltung an: Hochschulprofessoren, sich mit stellung von Flächen, auf denen des Fahrradfahrens liege zudem städtischen Raum, beispielsweianbieterübergreifende Mikrohubs für viele Menschen in dessen Ein- se auch in Zusammenhang mit aufgestellt werden können”, heißt fachheit. Fahrradfahren sei güns- elektrischen Kleinstfahrzeugen es aus dem Leipziger Verkehrs- tig, die herkömmliche Technik wie E-Tretrollern, argumentativ “Infrastruktur” und Tiefbauamt. An diesen Um- bewährt und Fehler schnell zu be- zu begleiten. schlagspunkten müsse sowohl heben. Aber positiv könne sich die Die stärkere Bürgerbeteiligung Kfz-Verkehr beliefern können als Digitalisierung auf “Fahrradab- greift das Bundesverkehrsmivon Dr. Ulrich Keilmann auch viele E-Lastenräder die Ware stellanlagen, für das Routing, nisterium auf und vernetzt sich übernehmen. Zu dessen Akzep- zum Melden von infrastrukturel- weiterhin mit den für seine Arbeit plätze ein weiterer Kostenfaktor. tanz in Politik, Verwaltung, bei len Mängeln oder Gefahrenstel- relevanten Akteuren wie den RadDr. Ulrich Bürgern sowie den gewerblichen len sowie zum Diebstahlschutz” verkehrsverbänden, Kommunen Die Stadt Schotten ist mit etKeilmann leitet Unternehmen “wären mehr be- auswirken und eingesetzt werden. und Städten. Zudem ruft es alle wa 10.100 Einwohnern in 15 die Abteilung Ortsteilen eine sehr zersiedelte Interessierten dazu auf, sich bis lastbare Daten zu den positiven Überörtliche­ Prü­ Kommune. Entsprechend viele Effekten in Modellquartieren /  Das dicke Brett: Finanzierung Ende Juni mit weiteren Ideen und fung kommunaSportplätze hat sie zu pflegen -städten nützlich”. Als achtes Ziel gibt der Bund Vorschlägen für einen attraktiven ler Körper­schaf­ und zu unterhalten. Deswegen jährlich 25 Mio. Euro für den Radverkehr einzubringen. Auf der Agendathema: Digitalisierung Ausbau von breiten Radschnell- Seite www.zukunft-radverkehr. ten beim Hessischen Rechnungs­ schloss die Stadt mit den örtlihof in Darmstadt. chen Sportvereinen langfristige Foto: BS / privat Zudem möchte Scheuer als sieb- wegen dazu. Auch wenn dies de können diese geteilt werden Verträge: Die Sportvereine vertes Ziel die Digitalisierung auch seitens der Kommunen begrüßt und die Rückmeldungen fließen abzugeben oder sie hilfsweise pflichteten sich zur Pflege und im Radverkehr vorantreiben. Ein wird, so bräuchte es mehr fi- dann in den neuen Nationalen zu verkaufen. Unterhaltung und im Gegenzug intelligenter und digitaler Radver- nanzielle Mittel. “Der Bundes- Radverkehrswegeplan 2021 ein. Tatsächlich wurde ein Dorfge­ räumte die Stadt den Vereinen meinschaftshaus für 60.000 die langfristige Nutzung ein. Euro verkauft. Für mehrere andere Einrichtungen wurden Nutzungsentgelte Übertragungsverträge mit örtSchließlich gibt es auch einen lichen Vereinen geschlossen. anderen Weg, das kommunale Durch beide Maßnahmen redu- Defizit zu reduzieren: Entgelte zierte die Stadt die von ihr zu für die Nutzung kommunaler (BS / ab) In Dresden siedelt sich das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung an. Dabei bietet das Bundesforschungsprogramm “Schiene” die Arbeitsgrundlage des Zentrums. Dazu gehören unter anderem tragenden Aufwendungen für Sporteinrichtungen und DorfFragen der Umwelt und der nachhaltigen Mobilität, der Automatisierung und Digitalisierung, der WirtschaftNebenkosten wie Strom, Wasser gemeinschaftshäuser. Natürlich lichkeit oder der Sicherheit im Schienenverkehr. oder Hausmeistertätigkeiten. ist diese Idee längst nicht so kreativ wie die eingangs ge“Spar-Euro” des Bundesverkehrsminister An­ den kommenden Jahren Schritt die beste Schienenforschung, nannten Übertragungen von ­Steuerzahlerbundes Dorfgemeinschaftshäusern und dreas Scheuer betonte bei der für Schritt weiter ausgebaut. wenn die Erkenntnisse nicht Eröffnung: “Die Schiene ist mehr Die kleine Kurgemeinde Bad Sportplätzen an örtliche Verumgesetzt werden können und als nur ein Stück Stahl auf einem Es braucht eine Zwesten (rd. 3.900 Einwohner) eine. Aber auch dadurch wird die Innovationen nicht in den ­Innovationsfinanzierung Schotterbett. Auf ihr können gab ebenfalls zwei selten genutzte das ehrenamtliche Engagement Markt kommen?” Für das neue wir automatisiert, digital, sauund defizitäre Dorfgemeinschafts- sowohl eingefordert als auch Die Allianz pro Schiene begrüßt Forschungszentrum in Dresden ber, leise und sicher unterwegs das Forschungszentrum. Dass stellt der Bund fünf Millionen häuser an Bürger-Vereine ab. gefördert. sein.” In ihr stecke ungeheures der Bundesverkehrsminister die Euro zur Verfügung. Zudem wolle Durch deren Engagement entwiAuch wenn es jeweils nur kleine ckelten sich die Einrichtungen zu Maßnahmen sind, kann damit Zukunftspotenzial. Deshalb Einrichtung selbst eingeweiht er mit dem angekündigten Bunattraktiven und identitätsstiften- auch vor dem Hintergrund der solle erforscht werden, wie der habe, sei deshalb auch ein “star- desprogramm die Erprobung und den Treffpunkten. Bad Zwesten demografischen Entwicklung Schienenverkehr noch umwelt- kes Zeichen”, so Dirk Flege, Ge- Markteinführung von innovativen hat mit dieser Idee also weitaus ein Beitrag zur Zukunftssichefreundlicher, effizienter und schäftsführer der Allianz pro Technologien mit einer halben moderner werden könnte. Das Schiene. Zugleich beklagt er die Milliarde Euro in fünf Jahren mehr als nur Kosten reduziert. rung von Kommunen geleistet neue Zentrum soll hierfür For- Hängepartie bei der Um­setzung unterstützen. Doch diese “SoNicht zuletzt deswegen wurde die werden. schungsaktivitäten vernetzen, des seit 2017 angekündigten fortmaßnahme” aus dem 2017 Kommune mit dem “Spar-Euro” des Bundes der Steuerzahler Hes- Mehr zum Thema “Dorfgemein­ steuern und koordinieren. Zu- Bundesprogramms “Zukunft verabschiedeten Masterplan sen e. V. und des Hessischen schaftshäuser und Sportan­ dem vergibt es Forschungsauf- Schienengüterverkehr”. “Die Schienengüterverkehr lasse auf Städte- und Gemeindebundes lagen” finden Sie im Kommu­ träge und wird selbst forschen. Schiene braucht Innovationen, sich warten, kritisiert die Allianz. Es nimmt seine Arbeit in den um ihre Attraktivität gegenüber Obwohl die Regierungskoalition e. V. ausgezeichnet. nalbe-richt 2018, Hessischer Räumen des Eisenbahn-Bun- anderen Verkehrsträgern weiter sich zu der Finanzierung von Landtag, Drucksache 19/6812 desamts am Standort Dresden zu erhöhen.” Er weist dabei auf Innovationen bekannt habe, sei vom 13. Dezember 2018, S. 118 Sportplätze in Schotten auf und wird schrittweise aus- ein Missverhältnis und Wider- diese nicht im Bundeshaushalt Neben den Dorfgemeinschafts- ff. Der vollständige Kommunal­ gebaut. Es hat Ende Mai seine sprüche in der Verkehrspolitik 2020 enthalten. Dies müsse drinhäusern sind gerade in zersie- bericht ist kostenfrei unter rech­ Arbeit aufgenommen und wird in des Bundes hin. “Was nützt gend nachgeholt werden. delten Gemeinden die Sport- nungshof.hessen.de abrufbar.

Kreative Wege zur Zukunftssicherung Freiwillige Leistungen sowie der Auf- und Ausbau kommunaler Infrastruktur (z. B. kulturelle Einrichtungen vom Dorfgemeinschaftshaus bis zum Theater) gelten als das “Salz in der kommunalpolitischen Suppe”. Hier wird Politik sichtbar. So oder so – als gepflegte oder marode Einrichtung. Entsprechend groß ist deswegen das Augenmerk der Mandatsträger darauf und entsprechend groß sind auch deren Vorstellungen und Wünsche, diese identitätsstiftenden Einrichtungen auszubauen oder zumindest zu erhalten. Faktisch begrenzt werden die Vorstellungen von der individuellen Leistungsfähigkeit der Kommune (siehe z. B. § 19 Abs. 1 Hessische Gemeindeordnung). Ist die Finanzsituation aber eingeschränkt, müssen solche öffentlichen Einrichtungen nicht gleich geschlossen werden. Es gibt auch kreative Wege, um die Angebotsvielfalt und damit die Attraktivität der Kommune aufrechterhalten zu können: Dorfgemeinschaftshäuser in Tann (Rhön) Die Stadt Tann (Rhön) hatte sieben Dorfgemeinschaftshäuser, ein Vereinsheim und die Rhönhalle als Gemeinschafts­ einrichtung. Bezogen auf die nutzbare Fläche der Einrich­ tungen waren sie vergleichsweise günstig. Bezogen auf die rund 4.400 Einwohner leistete sich die Stadt dagegen einen hohen Standard. Deswegen beschloss die Kommune, die Dorfgemeinschaftshäuser in die Trägerschaft von Vereinen

Forschungszentrum in Dresden gegründet Neuer Dreh- und Angelpunkt bei der Schienenforschung


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Juni 2019

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ehörden Spiegel: Herr Geisel, als Landeshauptstadt hat Düsseldorf eine Vorbildfunktion für die anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen, auch was die Mobilitätswende hin zu ökologisch und städteplanerisch sinnvolleren Verkehrskonzepten angeht. Wie gehen Sie diese He­ rausforderung an?

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Kein Menschenrecht auf gratis Parken Mobilität muss den Bürger möglichst komfortabel ans Ziel bringen

Behörden Spiegel: Sie bauen in Düsseldorf auch an der In­ frastruktur einer Smart City. Wie kann die Digitalisierung konkret helfen, die Stadt effizienter und nachhaltiger zu gestalten?

(BS) Ob im Homeoffice, in der Bahn oder im Urlaub – Die Digitalisierung macht es für den Großteil aller Berufsgruppen möglich, standortunabhängig ihre Arbeit zu erledigen. Und trotzdem zieht es im Zuge der globalen Urbanisierung mehr und mehr Menschen in die Großstädte, wo sie auf engem Raum nebeneinander leben. Während der öffentliche Raum in den Städten also immer knapper wird, wollen die meisten Menschen dennoch nicht Geisel: Die Digitalisierung hilft auf ein eigenes Auto verzichten. Wie man die Mobilitätswende dennoch effektiv in die Köpfe der Bürger bringen kann und so nicht nur mehr Platz uns beim Thema Mobilität ex­ gewinnen, sondern auch die Umwelt schonen kann, erklärt der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel im Behörden Spiegel-Interview. trem weiter, weil wir in Echtzeit eine Unmenge von Daten verGeisel: Der wichtigste Faktor Die Fragen stellte Wim Orth.

bei der Mobilität ist für den Bürger, dass man so schnell wie möglich von A nach B kommt. Lange Zeit war dafür der private Pkw das Mittel der Wahl, aber gerade im städtischen Raum ist inzwischen zu wenig Platz für die stetig wachsende Anzahl von Autos. Der öffentliche Straßenraum ist begrenzt und die Fahrzeuge blockieren diesen als totes Kapital. Zudem steht man im Stadtverkehr mehr im Stau, als dass man wirklich vorankommt. Bei den praktischen Faktoren macht der motorisierte Individualverkehr also kaum noch Sinn und heutzutage kommt der Umweltaspekt verschärfend hinzu. Wir haben in den Städten eine erhebliche Belastung der Luft und legen deswegen den Fokus auf emissionsarme Verkehrsmittel. Wir werden die Benutzung von Bus, Bahn und Fahrrädern so fördern, dass die Menschen das Gefühl haben, dass sie mit diesen Verkehrsmitteln besser, günstiger, schneller und komfortabler vorankommen als mit dem ineffizienten Privat-Pkw.

Behörden Spiegel: Der öffentlich angebotene Personennahverkehr hat ebenfalls mit Problemen zu kämpfen. Intransparente und uneinheitliche Preisstrukturen sowie teils lange Warteintervalle halten viele Menschen von der Nutzung ab. Wie wollen Sie dagegen angehen? Geisel: Das Wichtigste ist, dass die Menschen einen transparenten Überblick darüber haben, welche Verkehrsmittel ihnen zur Verfügung stehen und wie sie mit diesen möglichst schnell ans Ziel kommen. Zudem wollen die Menschen natürlich genauso über Preisstrukturen und Fahrpläne Bescheid wissen. Zur Steuerung dieser Dinge werden wir in Düsseldorf eine Mobilitätsgesellschaft gründen, die alle Angebote sowie die Verkehrssteuerung unter einem Dach vereint. Beim ÖPNV wird diese Gesellschaft zentrale Mobilitätsstationen definieren, um Fahrten durch die Stadt so stressfrei wie möglich und die Umstiege so barrierefrei wie möglich zu

nur mit einheitlichen TicketpreiDa der öffentliche Raum immer knapper werde, müsse sen und einem er auch dementsprechend einheitlichen Bebepreist werden, fordert zahlsystem, bei der Düsseldorfer Oberbürdem der Bürger germeister Thomas Geisel. einfach am Ende Für eine sinnvolle Umsetdes Monats eine zung brauche es hier einen Rechnung erhält, entsprechenden Rechtsrahwo automatisch men. der jeweils günsFoto: BS/Orth tigste Tarif für die genutzten Fahrgestalten. Dabei sollen diese ten abgerechnet wird. Nur mit Knotenpunkte so gestaltet wer- solch einem attraktiven System den, dass die Menschen an die- kann man die Menschen übersen Punkten möglichst unkom- zeugen, das Auto stehen zu laspliziert von einem öffentlichen sen und stattdessen den ÖPNV Verkehrsmittel in das andere zu benutzen. umsteigen können. Das beginnt Behörden Spiegel: Viele Menam Stadtrand mit den Park-and Ride-Angeboten, wo die Pendler schen wollen sich gar nicht auf ihr Auto abstellen können und den ÖPNV einlassen, egal wie von dort dann bis zur Arbeit oder komfortabel er ist. Wie wollen Sie in die City auf den ÖPNV umstei- die überzeugen? gen. In der Stadt geht es dann Geisel: Wir werden nie alle Menweiter mit der Einbindung von Fahrradstationen, mit denen die schen erreichen können, aber Bürger bis zum Zielort fahren wir müssen die Hürden so hoch können.Die maximale Barriere- wie möglich machen, auf den freiheit für alle erreicht man aber öffentlichen Nahverkehr zu ver-

zichten. Das fängt bei den Parkgebühren an. Nicht nur in Düsseldorf, sondern in den ­meisten deutschen Innenstädten müssen wir endlich anfangen, den Parkraum so zu bepreisen, wie es auch den tatsächlichen Knappheitsverhältnissen in der Stadt entspricht. Viele Leute denken, es gäbe ein Menschenrecht auf kostenloses Parken direkt in der Innenstadt, aber das ist vollkommener Quatsch. Um uns Kommunen zu unterstützen, braucht es da aber auch Handlungsbedarf beim Gesetzgeber, denn die Bußgelder für Falschparker sind so lächerlich gering, dass es sich häufig eher lohnt, auf ein Knöllchen zu spekulieren, als einen Parkschein zu ziehen. Da muss sich definitiv etwas tun, um den Individualverkehr nachhaltig aus den Innenstädten zu bekommen. Wenn wir dann zusätzlich einen attraktiven ÖPNV anbieten, der im Verkehr deutlich bevorzugt wird, dann werden die Menschen merken, dass es sich lohnt, auf das eigene Auto zu verzichten.

arbeiten können. Das hilft einerseits bei der Vereinfachung und Berechnung des Tarifsystems für den Kunden, aber auch bei der Steuerung von Verkehr und ÖPNV. Das kann für uns als Kommune zukünftig beispielsweise so aussehen, dass man automatisiert entscheiden lässt, wann man Bus- oder Bahnlinien nicht mehr fahren lässt, sondern stattdessen auf On-Demand-Dienste setzt, wo man die wenigen verbliebenen Passagiere mehr oder weniger individuell ans Ziel bringt. Zudem kann man in Erwägung ziehen, zukünftig auf Kooperationen mit dem Taxigewerbe zu setzen, um mit Sammeltaxis die letzte Meile zu überbrücken. Denn leere Busse für 50 Leute rumfahren zu lassen, ist weder finanziell noch ökologisch sinnvoll. Langfristig gedacht kann es da auch autonome Dienste geben, wo ein autonomer Kleinbus immer im Kreis fährt. Aber da braucht es erstmal Testgebiete und Pilotprojekte. Das wird noch einige Zeit brauchen, bis das im Alltag eine realistische Alternative wird.

Die Zukunft besteht nicht nur aus E-Autos

Auf dem Weg in die Zukunft

Fachkongress Neue Mobilität diskutiert über Mobilität der Zukunft

E-Busse in Serienreife und Zukunftstechnologien

(BS/Wim Orth) “Im kommenden Jahr geht es mit der E-Mobilität so richtig los.” Dies prophezeite Michael Schramek, der Fachliche Leiter des Fach- (BS/wim) Mehr als 100 Fahrzeuge für den Einsatz im kommunalen Raum kongresses Neue Mobilität, im vergangenen Jahr in Mainz. Damit schien er recht zu behalten, denn zwar gab es auch in diesem Jahr neue Eindrücke wurden im Rahmen der diesjährigen Messe “Kommunal Live” vorgevom Markt, thematisch ging es in diesem Jahr allerdings bereits weit über die reine E-Mobilität hinaus. stellt. Auch der Behördenfokus geht mehr und mehr zur E-Mobilität. Denn selbst ein komplett elek­ tromobiler Individualverkehr, so begrüßenswert er grundsätzlich auch sei, werde nicht reichen, um die Umwelt nachhaltig zu schützen, erklärte Schramek: “Nicht nur die Biodiversität wird durch den Individualverkehr stark gefährdet, sondern wir schaden uns auch selber, beispielsweise mit der Lichtverschmutzung, die beim Schlafen in der Stadt total ungesund ist.” Daher brauche es auf der ganzen Breite des Verkehrssektors neue Anregungen für nachhaltige Entwicklungen. Eine Idee, wie man gerade in dem von Individualverkehr geprägten ländlichen Raum einen neuen Fokus auf gemeinsam genutzte Verkehrsmittel lenken kann, präsentierte die Kämmerin der Stadt Dormagen, Tanja Gaspers. In ihrer Stadt gibt es bereits seit 2010 ein integriertes Klimaschutzkonzept für E-Mobilität und die Förderung des Radverkehrs. Seit dem Jahr 2013 analysierte man dort die betriebliche Mobilität und kam zu dem Ergebnis, dass weit mehr als 90 Prozent aller Mitarbeiterfahrten bislang mit privaten PKW auf Kurzstrecken absolviert wurden. Statt all diese kurzen Fahrten abrechnen zu lassen, entschied man sich für den Aufbau eines kommunalen Fuhrparks aus Elektrofahrzeugen, da all diese Strecken mit E-Autos problemlos absolviert werden können. Die Abrechnung von Fahrten mit dem privaten PKW wurde abgeschafft und für die Buchung Fahrzeuge aus dem städtischen Pool können eine App entwickelt. Da die EAutos im Regelbetrieb aber nach Feierabend und am Wochenende ungenutzt herumstehen, plant die Stadt ein dreistufiges Modell. So starten die Dormagener zunächst mit einem rein dienstlich genutzten Pool, der den Mitarbeitern der Verwaltung mittelfristig auch für private Buchungen zur Verfügung

stehen soll. In einem dritten Schritt soll das Angebot auch allen anderen Bürgern in einem öffentlichen Car SharingAngebot geöffnet werden. So soll es laut Gaspers möglich sein, etwa 100 Tonnen Die Stadtkämmerin der Stadt Dormagen, Tanja Gaspers, CO2 im Jahr will mit Carsharing für Verwaltungsmitarbeiter und Bürger einzusparen: jährlich rund 100 Tonnen CO2 einsparen. Foto: BS/Orth “Gleichzeitig braucht es aber auch Anreizsys- Projekt “Electric Mobility Inteteme, um die Mitarbeiter positiv gration – Düren (eMIND)” vor auf die Umstellung zu stimmen.” allem darum gehen soll, den AufGleichzeitig soll das Angebot für bau einer sinnvollen Ladeinfradie Bürger in einer App mit den struktur zu schaffen, indem sich Angeboten für Leihfahrräder private Unternehmen beteiligen und den ÖPNV zusammenge- und ihre Parkplätze mit Ladefasst werden, sodass sich die E- säulen ausstatten, die primär Mobilität möglichst reibungslos Mitarbeiter und Kunden, aber in das bisherige Angebot ein- auch die sonstige Öffentlichkeit flicht. nutzen kann. Zunächst sollen 30 Unternehmen der Stadt an Auch Ladeinfrastruktur kann dem Projekt teilnehmen, die man teilen diesen Service als zusätzliches Zukünftig sollen aber nicht nur Werbekonzept vermarkten köndie Fahrzeuge in Sharing-Ange- nen. Mit ihrer Hilfe will die Stadt bote integriert werden, erklärte Düren 240 neue Ladeplätze Benjamin Raßmanns, Klima- generieren. Neben dem Proschutz- und Mobilitätsmanager jekt eMind ist im Rahmen des in der Abteilung Planung des Green-City-Masterplans auch Amtes für Tiefbau und Grünflä- geplant, den ÖPNV mittelfristig chen bei der Stadt Düren. In der zu elektrifizieren sowie, ähnlich zwischen Köln und Aachen gele- dem Dormagener Modell, Cargenen Mittelstadt wurde man im sharing-Angebote für Verwalvergangenen Jahr aufgrund von tungsmitarbeiter und Bürger zu Überschreitungen der Grenz- schaffen. werte für Stickstoffdioxid (NOx) von der Deutschen Umwelthilfe Wirtschaft und Länder erkennen die Zeichen der Zeit verklagt. Bereits vor der Klage hatte die Stadt im Rahmen des Aber nicht nur die kommunaSofortprogramms Saubere Luft len Referenten des Kongresses 2017–2020 der Bundesregie- befassen sich mit der Zukunft rung einen Green-City-Master- von Infrastrukturen und Mobiliplan in Auftrag gegeben, der im tätskonzepten. So gab es neben vergangenen Jahr vorgestellt den Vorträgen auch Möglichkeiwurde. Einer der Hauptschwer- ten zur Probefahrt mit E-Autos punkte dieses Masterplans ist verschiedener Größen, begindie E-Mobilität, bei der es im nend beim Smart von Daimler,

der ab dem kommenden Jahr ausschließlich vollelektrisch angeboten werden soll, über das erste E-Auto mit 450-KilometerReichweite von Kia sowie einen Familienwagen von Mitsubishi. Bei der Infrastruktur erklärte zudem das bislang auf Tankstellen und Ölverarbeitung fokussierte Unternehmen Shell, wie man, unter anderem mithilfe eines aufgekauften Ladesäulenanbieters mit bereits 50.000 Säulen im Bundesgebiet, sich als Unternehmen für die elektromobile Zukunft aufstellen will. Dies will auch die Länderebene tun. Für Dr. Dirk Günnewig, Leiter der Abteilung Grundsatzangelegenheiten der Mobilität, Digitalisierung und Vernetzung im Ministerium für Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, ist die Mobilität eine der wichtigsten Grundlagen für Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland. Um diese nachhaltig und möglichst klimafreundlich weiterzuentwickeln, brauche es schnittstellenübergreifende Planung und Vernetzung. Hierfür habe man in NRW vor einem Jahr seine Abteilung neu ins Leben gerufen, um Mobilität, Vernetzung und Digitalisierung unter einem Dach denken und angehen zu können, um so “eine Infrastruktur für effiziente Mobilität” entstehen zu lassen. Aber neben dem politischen Willen brauche es vor allem auch Akzeptanz bei den Bürgern: “Die Nutzer- und Bürgerorientierung ist ganz wichtig für die Planung. Dabei braucht es individuelle Konzepte für die einzelnen Regionen, denn Mobilität vor Ort kann keinem “One-size-fits all”-Prinzip folgen.” Um den Kommunen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, gebe es daher in seinem Land das “Zukunftsnetz Mobilität NRW”, mit dem der Verkehr in Nordrhein-Westfalen flächendeckend “multimodal, postfossil, digital und entfernungsarm” neu gestaltet werden soll.

Sauberkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit waren die drei Themenkomplexe der diesjährigen Messe auf dem Gelände des ADAC-Fahrsicherheitszentrums in Laatzen bei Hannover. Auf einer Gesamtfläche von rund 72.000 Quadratmetern gab es die gesamte Palette, die das Sindelfinger Unternehmen Daimler für den kommunalen Einsatz erarbeitet hat, mit speziell für die kommunalen Behörden konzeptionierten Aufbauten und Umbauten für den ganzjährigen Einsatz. Damit die Entscheider aus den Behörden sich direkt einen aktiven Eindruck von den neuen Fahrzeugen machen konnten, gab es neben der obligatorischen Ausstellung einen Rundkurs und Fahrstationen, auf dem ein Großteil der Innovationen direkt getestet werden konnten. Zudem wurde jedes Fahrzeug von Instrukteuren betreut, die dem Fachpublikum Detailfragen rund um Technik, Handling, Leistung und Sicherheit der Fahrzeuge am Objekt erklären konnten.

spielsweise die Verkehrsbetriebe Hambug-Holstein (HVV), haben ebenfalls neue Busse bestellt. Die Stadt Wiesbaden bestellte im April direkt 56 neue eCitaros und ist damit aktueller Rekordhalter bei den Bestellungen. Technisch ist der neue Elektrobus in der Grundausstattung mit zwei Batteriemodulen auf dem Dach sowie vier Modulen im Heck ausgestattet; diese können auf bis zu zehn Batteriepakete erweitert werden. Die Gesamtkapazität liegt bei maximal 243 kWh. Neben dem elektromobilen Antrieb ist der eCitaro, der bei Daimler sofort lieferbar ist, zudem mit den aktuellsten Kommunikations- und Vernetzungssystemen sowie einem effizienten Energiemanagementsystem ausgestattet.

Seminarprogramm rund um die neue Technik Neben Ausstellung und Erklärungen an den Fahrzeugen wurde auf der Kommunal Live in diesem Jahr auch ein Fachprogramm geboten, um dem Publikum ganze

E-Busse direkt vom Fließband Für die Messe waren die drohenden Dieselfahrverbote ein besonderes Thema, da die meisten kommunalen Fuhrparks zu größten Teilen mit dem ungebliebten Kraftstoff betrieben werden. So wurde von Daimler neben der Vorstellung innovativer und effizienterer Lösungen für kommunale Lkws zudem auch die Neuentwicklung der Flotte von Citaro-Bussen besonders hervorgehoben. Diese werden in ihrer neuesten Generation vollständig elektrifiziert an die kommunalen Fuhrparks ausgeliefert. Die Busse, die nun den Namen “eCitaro” tragen, werden aktuell in vielen Kommunen gegen die alten Dieselmodelle unter anderem bereits teilweise in der Bundeshauptstadt Berlin und in Mannheim ausgetauscht. Viele weitere Fuhrparks, wie bei-

Den ersten von insgesamt 15 vollelektrisch angetriebenen eCitaro-Bussen hat Mercedes Benz im März an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ausgeliefert. Foto: BS/Daimler

innovationsgetriebene Themenblöcke näherzubringen und über Vor- und Nachteile sowie Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Dabei ging es um Themen wie beispielsweise autonomes Fahren, intelligente Assistenzsysteme sowie das gesamte Themenpaket rund um alternative Antriebe mit einem besonderen Fokus auf Elektromobilität.


Kommunale Ordnung

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Behörden Spiegel / Juni 2019

Neuer Ansatz

Strategien diversifizieren

Behördenübergreifendes Vorgehen gegen Vermüllung in Bremen

Urbane Sicherheit ist eine Gemeinschaftsaufgabe

(BS/mfe) In Bremen haben der städtische Ordnungsdienst und die Stadtreinigung eine Vereinbarung zum (BS/mfe) Kommunale Sicherheitsstrategien müssen künftig noch diversitätsorientierter ausgestaltet werden gemeinsamen Umgang mit Abfalllagerungen auf privaten Grundstücksflächen geschlossen. Demnach sollen als bisher. Es komme darauf an, möglichst viele unterschiedliche Bedürfnisse und Werte einzubeziehen und künftig alle Verstöße zentral an den zuständigen Fachbereich der Stadtreinigung gemeldet werden. Es gibt sie damit anzuerkennen. Denn: Sicherheitsbedürfnisse und -wahrnehmungen verändern sich fortlaufend. auch andere Wege, für Sauberkeit zu sorgen. So etwa in Mannheim. Dort wird in Teilen des Stadtgebietes auf eine gebührenfinanzierte Gehwegreinigung gesetzt. Und im Berliner Bezirk Neukölln sind externe Müllsheriffs unterwegs, bei denen es sich nicht um Mitarbeiter des Ordnungsamtes handelt. In Duisburg wiederum existiert bereits seit mehreren Jahren die Arbeits­gruppe “Abfallaufsicht” beim Ordnungsamt. Die Beschäftigten dort kümmern sich insbesondere um unangemeldete Ablagerungen von Sperrmüll und Elektroschrott auf öffentlichen Flächen. Sie ahnden aber auch das Auf-den-BodenWerfen von Zigarettenstummeln oder Kaugummis oder das NichtEntfernen von Hundekot. Und in Wiesbaden ist ein Mitarbeiter des städtischen Umweltamtes im Außeneinsatz gegen wilde Müll-

kippen unterwegs. In Bremen soll es nach der Feststellung der Vermüllung Gespräche der Außendienstmitarbeiter mit den Müllbesitzern über unterschiedliche Entsorgungsmöglichkeiten geben. Werden die Personen nicht angetroffen, wird Kontakt zum Haus- beziehungsweise Grundstücksbesitzer aufgenommen. Zeigt sich dieser kooperativ und entfernt den Müll innerhalb einiger Tage, ist der Fall nach einer weiteren Kontrolle vor Ort nach zwei Wochen abgeschlossen. Weigert sich der Besitzer jedoch, den Müll zu entfernen, erhält er von der Stadtreinigung einen Ordnungswidrigkeitenbescheid mit der Verpflichtung, ihr den Abfall zu überlassen. Tut er dies nicht, muss er neben dem Bußgeld die Kosten für die soge-

Die verbotene Ablagerung von (Sperr-)Müll ist nicht nur auf öffentlichen Flächen ein Problem, sondern auch auf privaten Grundstücken. Bremen will nun mehr tun, um insbesondere dort gegen Vermüllung vorzugehen. Foto: BS/faulit, CC BY 2.0, flickr.com

nannte Ersatzvornahme tragen, also die Entfernung des Mülls durch die Stadtreinigung oder eine Privatfirma. Lagern auf dem Grundstück gefährliche Abfälle für Menschen, Tiere, den Boden, die Luft oder Gewässer, handelt es sich um eine Straftat. In solchen Fällen würden die Müllhaufen sofort entfernt und ein Strafverfahren eingeleitet, erklärt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Außerdem sagt er: “Erste Erfahrungen zeigen uns, dass es oft schon reicht, wenn die Betroffenen von offizieller Seite auf ihre vermüllten Grundstücke angesprochen werden.”

Zahlreiche Folgeprobleme Ähnlich äußert sich Insa Nanninga, Vorständin der Bremer Stadtreinigung. Wer sich allerdings taub stelle und nicht reagiere, müsse anschließend die Kosten tragen. Die Mitarbeiter von Ordnungsamt und Stadtreinigung seien aber angehalten, mit Augenmaß vorzugehen und etwa auf noch laufende Renovierungsmaßnahmen in Wohnungen und Häusern Rücksicht zu nehmen. Der Sozialdemokrat Mäurer betonte jedoch auch: “Mal abgesehen davon, dass solche illegalen Müllablagerungen optisch ein Ärgernis für alle darstellen, gehen von ihnen üble Gerüche aus, ziehen sie Ungeziefer an und führen dazu, dass auch andere Personen ihren Müll liegen und fallen lassen, wo es ihnen gerade gefällt.”

MELDUNG

Kommunaler Ordnungsdienst für Kiel (BS/mfe) In Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel ist seit Kurzem ein Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) unterwegs. Er umfasst vorerst 16 Mitarbeiter, die in Doppelstreifen in der Innenstadt, rund um den Hauptbahnhof sowie in zwei Problemstadtteilen unterwegs sind. Sie tragen Uniformen mit der Aufschrift “Ordnungsamt” und verfügen über Vollzugsrechte. Die Beschäftigten dürfen unter anderem Personen anhalten, be-

fragen und zwecks Personalienaufnahme festhalten. Zudem ist es ihnen gestattet, Platzverweise auszusprechen und durchzusetzen. Sie verfügen zwar nicht über Schusswaffen, aber über ausziehbare Schlagstöcke. Auch Pfefferspray führen die Mitarbeiter mit sich. Dieses soll aber nur gegen Tiere, nicht gegen Menschen eingesetzt werden. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem das Vorgehen gegen Vermüllungen auf Plät-

zen und Grünflächen sowie die Überwachung der Einhaltung von Anlein- sowie Räum- und Streupflichten. Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) zeigte sich mit Blick auf die KOD-Einführung überzeugt: “Das ist ein guter Tag für Kiel.” Deutlich weiter ist man im Süden der Republik. In Nürnberg erhalten die Kräfte des Kommunalen Ordnungsdienstes Schlagstöcke zur Abwehr von Attacken.

Darauf weist Niklas Creemers vom Deutschen Institut für Urbanistik hin. Gründe für diese ständige Veränderung seien die Zunahme gesellschaftlicher Vielfalt und die stärkere Fragmentierung der Gesellschaft. Damit einher gehe ein größerer Aushandlungsbedarf zwischen den unterschiedlichen Akteuren in Bezug auf gemeinsame gesellschaftliche Werte. Dies sei besonders stark in größeren Städten zu beobachten, so Creemers. Als kommunale Handlungsfelder für die Gewährleistung von Sicherheit identifiziert der Wissenschaftler neben Ordnungsmaßnahmen auch städtebauliche Aktivitäten, sozialräumliche Maßnahmen und Integrationsräume. Sein Kollege Gabriel Bartl macht mindestens vier Aspekte von Sicherheit und Diversität aus. Dazu gehören neben der öffentlichen Ordnung baulich-gestalterische Aspekte, Nachbarschaftlichkeit sowie Integration. Auch Bartl plädiert für mehr diversitätsorientierte Sicherheitsstrategien und meint: “Sicherheit und Vielfalt sind Querschnittsaufgaben.” Sie müssten von unterschiedlichen Behörden bewältigt werden. Auch Dr. Tillmann Schulze von der EPB Schweiz AG verlangt eine integrale Betrachtung urbaner Sicherheit. Sie sei esentlicher Bestandteil der Stadtplanung und eine Verbundaufgabe.

Akteure müssen zusammenarbeiten Aus Sicht von Prof. Dr. Ulrich Wagner, Seniorprofessor für Sozialpsychologie an der Universität Marburg, braucht es vor allem eine gemeindeorientierte, bürgernahe und zielgerichtete Behördenkooperation auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen. Eine effektive Zusammenarbeit

zwischen Akteuren aus dem Ordnungsamt, der Polizei, dem Jugendamt und der Justiz verbessere das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger in einer Kommune. Ob diese Wirkung durch eine reine Verstärkung der

Des Weiteren liege der Fokus noch zu oft auf kurzfristigen (Re-) Aktionen, anstatt sich an langfristigen Zielen zu orientieren. Künftig gefragt seien evaluierte Methoden sowie kommunale Gesamtstrategien.

Allein mithilfe von Polizeipräsenz ist urbane Sicherheit nicht zu gewährleisten. Es braucht auch andere Maßnahmen, etwa städtebaulicher Natur. Entsprechende kommunale Strategien müssen möglichst breit gefächert, zugleich aber zielgerichtet sein. Foto: BS/Anne Garti, pixelio.de

Polizeipräsenz vor Ort eintrete, sei in der Forschung weiterhin umstritten, so Wagner. Vielversprechender seien möglichst kleinteilige Kriminalitätslagebilder und Hotspot-Karten, die von allen Beteiligten gemeinsam ausgewertet und interpretiert würden, ergänzt Dr. Melanie Verhovnik vom niedersächsischen Landeskriminalamt (LKA).

Ganzheitliche Ansätze gefragt Präventionsakteure stehen hierzulande noch vor zahlreichen Herausforderungen. So existierten in diesem Bereich zahlreiche unverbundene Projekte und Einzelmaßnahmen. Außerdem gebe es unklare Schnittstellen zwischen den einzelnen Präventionsbereichen und wenig inhaltliche Kooperation, kritisiert Frederick Groeger-Roth vom niedersächsischen Landespräventionsrat.

Dabei helfen könnte seiner Meinung nach der Ansatz “Communities That Care” (CTC). Dabei handele es sich um eine Methode zur Entwicklung derartiger ganzheitlicher Ansätze. Ziel der Strategie, die aus den USA stamme, sei die wirkungsvolle Planung der Prävention in der jeweiligen Kommune. Der Fokus liege dabei auf einem rationaleren und wirkungsorientierteren Vorgehen, so Groeger-Roth auf dem Deutschen Präventionstag in Berlin. Momentan gibt es deutschlandweit 28 Städte und Kommunen, die auf CTC setzen. Dazu gehören unter anderem die Landkreise Osnabrück, Emsland und Nien­ burg. Auch in Braunschweig und dem Landkreis BreisgauHochschwarzwald werde auf die Methode gesetzt, erklärt Sven Kruppik vom DPT-Institut für angewandte Präventionsforschung.

MELDUNG

Bewacherregister freigeschaltet (BS/mfe) Kürzlich ist erstmals ein zentrales Bewacherregister für die digitale Kommunikation zwischen der öffentlichen Hand und den privaten Sicherheitsunternehmen freigeschaltet worden. Dort werden künftig alle Beschäf-

tigten der privaten Sicherheitsdienstleister, die oftmals auch in und für Kommunen tätig sind, registriert und verwaltet. Dabei handelt es sich um rund 267.000 Mitarbeiter privater Sicherheitsunternehmen. Der Präsident des

Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW), Gregor Lehnert, sagt dazu: “Wir erhoffen uns, genau wie der Gesetzgeber, damit mehr Transparenz über die sich auf dem Markt befindlichen Sicherheitsunternehmen.”

Bundeskongress

Kommunale Ordnung

24. − 25. September 2019 in Darmstadt Referenten auf dem Kongress u.a.:

Elmar Rizzoli Der Amtsleiter für Allgemeine Sicherheit und Veranstaltungen der Stadt Innsbruck erläutert die Organisation und den Einsatz der Mobilen Überwachungsgruppe der Landeshauptstadt.

Ronald Mikkeleitis Der Außendienstleiter des Bezirksamtes Berlin-Mitte widmet sich der optischen Darstellung des KOD unter Sicherheitsaspekten

Informationen und Anmeldung unter: www.kommunale-ordnung.de

Jochen Partsch Der Oberbürgermeister der Wissenschaftsstadt Darmstadt wird die Teilnehmer des Vorabendempfangs willkommen heißen und die Veranstaltung mit einem Impulsvortrag eröffnen.

Eine Veranstaltung des


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juni 2019

Im Aufbau

KNAPP

Bundesregierung legt EGovG-Evaluationsbericht vor

Kooperation in BaWü

(BS/Guido Gehrt) Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag über den Bericht zur Evaluierung des E-Government-Gesetzes des Bundes (EGovG) unterrichtet. Der Evaluationsbe- (BS/wim) In Baden-Württem­ richt basiert auf einem Gutachten, das dem Bundesinnenministerium (BMI) bereits Ende März 2018 durch das Beratungsunternehmen Kienbaum und dessen Kooperationspartner Bun- berg haben sich fünf Kommu­ desdruckerei vorgelegt wurde. Dieses kommt auf der Grundlage empirischer Untersuchungen zu dem Urteil, dass der Umsetzungsstand des EGovG hierzulande insgesamt “gering” sei. nen und vier Landkreise in ei­ So habe die Mehrheit der befrag­ ten Verwaltungen und Bürger angegeben, sich noch in der Um­ setzung zu befinden. Verfügbare elektronische Maßnahmen zur Erleichterung der Behördenkon­ takte, wie die elektronische Si­ gnatur, würden bislang nur von einem geringen Teil der Bürger und Unternehmen in Anspruch genommen. “Auffallend häufig” sei in diesem Zusammenhang der geringe Bekanntheitsgrad der E-Government-Angebote be­ tont worden. Die Umsetzung des EGovG wer­ de nur von gut der Hälfte der Befragten für praktikabel ge­ halten. Von den Behörden, die sich zur Umsetzung verpflichtet fühlen, sehen sich fast alle (97 Prozent) diversen Schwierigkei­ ten ausgesetzt. Die fünf größten Herausforderungen sind dabei: fehlendes Budget, fehlende zen­ tral entwickelte IT-Lösungen, Regelungen zum Datenschutz, fehlende Nutzerakzeptanz sowie fehlende Digitalisierungskompe­ tenz bei den Verwaltungsmitar­ beitern. Mehrheitlich wird dem EGovG jedoch eine positive Anstoßwir­ kung auf die Verwaltungsdigi­ talisierung und die Einführung entsprechender Online-Services zugeschrieben.

Sechs Handlungsfelder identifiziert Die Gutachter leiten aus den Er­ gebnissen der Evaluierung ins­ gesamt sechs Handlungsemp­ fehlungen ab. So fordert man im Handlungs­ feld “Harmonisierung” u. a. den Aufbau einer E-GovernmentAgentur, die eine bedarfs- und praxisorientierte Standardisie­ rungsagenda für alle Ebenen der Verwaltung entwickeln sol­ le. Diese müsse mit Regelungs­ kompetenzen ausgestattet sein, die auch die Landes- und Kom­ munalebene erreiche. Als orga­ nisatorischer Rahmen für die

Wahrnehmung der Aufgaben der E-Government-Agentur kön­ ne die Föderale IT-Kooperation (FITKO) genutzt werden. Im Handlungsfeld “Organisa­ tions- und Verwaltungskultur” werden Maßnahmen zusammen­ gefasst, welche die behördenin­ terne Umsetzung von Digitalisie­ rungsprozessen stärken und die Nutzung von Online-Verfahren für Bürger und Unternehmen at­ traktiv machen sollen. Eine For­ derung ist die Schaffung eines E-Government-Beauftragten und einer Leitungsverantwor­ tung für Digitalisierung, um das E-Government in den Behörden zu stärken und sichtbarer zu ma­ chen. Auch die Verankerung von Digitalisierungsthemen in Ausund Fortbildung der Verwal­ tungsbediensteten könne eine Veränderung der Behördenkul­ tur befördern. Zudem solle über Vergütungsbestandteile die Be­ reitschaft zur Unterstützung der Umstellung auf digitale Abläufe gefördert werden. Für Bürger und Unternehmen wiederum sol­ le die Nutzung digitaler Angebote durch im Vergleich zum analogen Verfahren geringere Gebühren attraktiver gemacht werden. Das Handlungsfeld “Effektive Datennutzung” setzt sich mit den hohen regulatorischen Auf­ lagen beim ressortübergreifen­ den Umgang mit Verwaltungsda­ ten auseinander. Die Gutachter empfehlen die Schaffung von “Vertrauenszonen” innerhalb der Verwaltung, in denen Berei­ che zusammengefasst werden und eine gemeinsame Nutzung von Datenregistern ermöglicht wird. Die Vereinfachung im Um­ gang mit Registern könne zudem auch durch die Zusammenfas­ sung von Datenregistern unter­ stützt werden.

Mehr externes und internes Marketing Die Einrichtung einer zentralen Stelle für ein E-Government-

rung für den Gesetzgeber an, die Dynamik technologischer mitzudenken, Entwicklung vielversprechende Entwicklun­ gen nicht durch regulatorische Schranken zu behindern, aber auch Fehlentwicklungen nicht durch gesetzliche Verpflichtun­ gen zu verstetigen. Man emp­ fiehlt daher, die Regelungen des Gesetzes technikneutral zu formulieren und Anforderun­ gen an Kommunikations- und Identifikationsverfahren an das angestrebte Sicherheitsniveau zu binden.

Wechselwirkung zwischen EGovG und OZG

Die empirischen Daten der EGovG-Evaluation zeigen, dass rund sechs Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes weiterhin noch viel zu tun ist, um ein leistungsfähiges und erfolgreiches E-Government in Deutschland zu implementieren. Foto: BS/Andrea Izzotti, stock.adobe.com

Marketing wird im Handlungs­ feld “Öffentlichkeitsarbeit” empfohlen. Diese solle sowohl digitale Verwaltungsservices be­ werben als auch den Bedarf an zusätzlichen Angeboten ermit­ teln. Entsprechende Werbe- und Informationsformate sollten auch für Mitarbeiter innerhalb der Verwaltung entwickelt wer­ den. Flankiert werden solle das Ganze durch ein zentrales Informationsportal, welches über aktuelle Umsetzungspro­ jekte, technische Standards und Lösungen informiere, Best Practices darstelle und aktu­ elle rechtliche Entwicklungen und Umsetzungspflichten auf­ bereite. Im Handlungsfeld “Rechtsum­ setzung” wird empfohlen, das Ge­

setz im Hinblick auf Rechtsfra­ gen bezüglich der rechtssicheren Verwendung von elektronischen Dokumenten und Nachweisen kritisch zu sichten. Regelungs­ sachverhalte und Normadressa­ ten sollten praxisorientiert defi­ niert werden, neue Gesetze nach einem einheitlichen Verfahren auf Digitalisierungstauglichkeit geprüft werden. Zudem müssten föderale Regelungsgrenzen, die eine ebenenübergreifende Ver­ knüpfung technischer Systeme und eine homogene Infrastruk­ tur behinderten, durch geeigne­ te Rechtsinstrumente wie etwa Verordnungsermächtigungen überwunden werden. Im Handlungsfeld “Regulierung von Technologien” erkennen die Gutachter die Herausforde­

Die Handlungsempfehlungen aufgreifend, macht die Bundes­ regierung in der Unterrichtung u. a. deutlich, dass sich viele bereits ergriffene oder zukünftig noch zu ergreifende Maßnah­ men mit dem von den Gutach­ tern identifizierten Handlungs­ bedarf deckten. Insbesondere müsse sich die Weiterentwick­ lung des EGovG am Onlinezu­ gangsgesetz (OZG) und dessen Umsetzung orientieren, da bei­ de Gesetze in einer Wechselwir­ kungsbeziehung stünden. Die­ sen komplementären Ansatz von EGovG und OZG unterstreicht auch Ernst Bürger, Leiter der Unterabteilung Verwaltungsdi­ gitalisierung, Verwaltungsorga­ nisation im Bundesministerium des Innern: “Das EGovG aus dem Jahr 2013 war ein erster wichti­ ger Schritt, die Verwaltung vor allem intern zu medienbruch­ freien digitalen Verfahren zu ertüchtigen. Um die Potenziale der Digitalisierung unmittelbar für Bürger und Unternehmen nutzbar zu machen, hat das Onlinezugangsgesetz zusätzlich seit 2017 eine neue Dynamik auf allen Verwaltungsebenen in Gang gesetzt. Der Evaluie­ rungsbericht bestätigt aus mei­ ner Sicht, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.”

nem neuen Verbund “smartX@ bw” zusammengeschlossen. Mit dem Projekt bewerben sie sich gemeinsam bei der Aus­ schreibung “Smart Cities made in Germany” des Bundesinnen­ ministeriums. Ziel der Initiative ist es, gemeinsam Verwaltungs­ angelegenheiten so zu digitali­ sieren, dass Bürgerinnen und Bürger nur noch zum Heiraten, sich scheiden lassen oder um ein Haus zu kaufen aufs Amt müs­ sen. Das Gemeinschaftspro­ jekt, bestehend aus den Städ­ ten Mannheim, Ravensburg, Tengen, Reutlingen, Fellbach und die Landkreisen Konstanz, Rhein-Neckar, Karlsruhe und Breisgau-Hochschwarzwald, soll sich am estnischen “xRoad” orientieren, einem Verwaltungs­ system mit Schnittstellenfunkti­ onen für weitere Kooperationen.

Neue Digitalisierungsprofessur in Bremen (BS/wim) Das Bremer Finanz­ ressort stiftet der Universität Bremen gemeinsam mit dem IT-Dienstleister Dataport eine Professur für “Digitale Trans­ formation der öffentlichen Ver­ waltung (E-Government)” im Fachbereich Mathematik und Informatik. Die Professur, zu der eine Vereinbarung der beteilig­ ten Parteien und des Wissen­ schaftsressorts unterzeichnet wurde, wird mit dem Auftrag gegründet, innovative Lehran­ gebote für Bachelor- und Mas­ terstudenten im Bereich der Wirtschafts- und Verwaltungs­ informatik zu entwickeln und anschließend in die entspre­ chenden Studienprogramme einzubringen. Inhaltliche Ar­ beitsschwerpunkte der Profes­ sur sollen u. a. die Forschung zu Künstlicher Intelligenz/Big Data sowie Open Data in Verwal­ tungskontexten, Forschung zur Akzeptanz von Dienstleistungen im Bereich E-Government und eine transparent arbeitende öf­ fentliche Verwaltung sein.


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Herr Böhning, Ihr Haus befasst sich schon seit einigen Jahren mit dem Wandel der Arbeitswelt im Zuge der Digitalisierung. Für das Thema haben Sie erst eine eigene Abteilung und nun ein Labor – eine sogenannte Denkfabrik – ins Leben gerufen. Warum braucht es diese unterschiedlichen Instanzen und jetzt ein Labor? Böhning: Das Bundesarbeitsministerium hat in der vergangenen Legislaturperiode einen dreijährigen Forschungs- und Dialogprozess zum Thema Arbeit 4.0 durchgeführt. Dabei haben wir versucht, die verschiedenen Trends, die Auswirkungen auf die zukünftige Arbeitswelt haben, zusammenzudenken und mögliche Handlungsfelder des BMAS zu identifizieren. Hierbei spielen zum einen gesellschaftsübergreifende Themen wie Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel und die sich ändernde Einstellungen der Beschäftigten gegenüber ihrer Arbeit eine Rolle. Zum anderen geht es aber auch um die konkrete Arbeitskultur und -organisationen, wie z. B. agiles Arbeiten, flachere Hierarchien und mehr Teamarbeit und, hier in Deutschland, eine Abnahme der Bedeutung des produzierenden Gewerbes hin zu einer stärkeren Relevanz des gesamten Dienstleistungssektors. All diese Erkenntnisse haben wir in einem Weißbuch zusammengefasst und sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass auch wir als Bundesministerium unsere Strukturen und Arbeitsweisen verändern sollten, um auf der Höhe der Zeit agieren zu können. Deshalb haben wir uns dazu entschieden,

Behörden Spiegel / Juni 2019

Alles ist erlaubt – auch Scheitern BMAS gründet eigene Abteilung für agiles Arbeiten

Behörden Spiegel: Die Kultur des Scheiterns, aktuell ein großes Thema, war dem Öffentlichen Dienst bislang völlig fremd. Ist Scheitern in ihrem Labor erlaubt?

(BS) Nicht nur wegen, definitiv aber befördert durch die fortschreitende Digitalisierung befindet sich die Arbeitswelt in einem tiefgreifenden Wandel. Gerade in Behörden ist der interne Widerstand oft groß, sich neuen Arbeitsformen zu öffnen und neue Wege zu gehen. Im Bundesministerium für Böhning: Scheitern ist in der Arbeit und Soziales will man aufgrund der täglichen Arbeit mit Vertretern neuer Arbeitsmodelle eine Vermittlerrolle ausfüllen, um agile Arbeits- Denkfabrik absolut erlaubt und weisen auch in die Behördenwelt zu tragen. Im Interview mit dem Behörden Spiegel erklärt Staatssekretär Björn Böhning, warum es neben der vom Prozess her auch ausdrückAbteilung nun auch eine zusätzliche Denkfabrik gibt und wie andere Behörden zu dem Projekt stehen. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. lich erwünscht. Ich ermutige innerhalb der neuen Abteilung “Digitalisierung und Arbeitswelt” eine Denkfabrik für die digitale Arbeitsgesellschaft aufzubauen, damit die neuen Arbeitsformen auch hier im Ministerium Einzug halten können. Behörden Spiegel: Wie sieht die Struktur und die Arbeitsweise der Denkfabrik aus? Böhning: In der Organisationsstruktur des Hauses stellt das Labor eine reguläre Unterabteilung der Behörde dar. Der innere Aufbau sieht aber ganz anders aus. So gibt es beispielsweise nicht die klassischen fünf Referate, sondern alle Mitarbeiter der Denkfabrik arbeiten interdisziplinär und gemeinsam in flexibel wechselnden Projektformationen an einzelnen Themen. Um den Prozess so agil und flexibel wie möglich zu gestalten, haben wir lediglich drei Kompetenzfelder in Teams gebündelt. Behörden Spiegel: Wie setzen sich diese Felder zusammen? Böhning: Das erste Feld ist die analytische und strategische Kompetenz. Dort wird vor allem mit wirtschaftlichem und naturwissenschaftlich-technologischem Wissen auf die The-

men geschaut. Im Rahmen von Foresight-Studien wollen wir eine Vorstellung von der Zukunft der Arbeit bis 2030 entwickeln und in Szenarien denken, welche Weichenstellungen wir für die Arbeitswelt benötigen. Unser Ansatz ist, bis etwa 2021 Daten zu sammeln und mit unterschiedlichen Akteuren zu reflektieren, sodass wir dann ein nachvollziehbares Bild haben, wie die Arbeitswelt sich in Zukunft strukturieren könnte. Das zweite Team besteht aus Geistes-, Kultur und Politikwissenschaftlern. Es stellt unsere Themen in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen und organisiert die kommunikative Arbeit nach innen und außen. Wir wollen nicht in unserem eigenen Kosmos schmoren, sondern Wissen von außen ins Haus organisieren. In diesem Sinne soll die Denkfabrik für die Abteilungen im Haus auch als Dienstleister wahrgenommen werden. Ein Beispiel ist die Abteilung für Belange von behinderten Menschen. Dort können wir bei Fragen unterstützen, wie digitale Assistenzsysteme bei der Integration in reguläre Arbeitsbedingungen helfen können. Gleichzeitig wirken wir auch nach außen, indem wir umfangreiche Netzwerke mit nationalen und internationalen wissenschaftli-

chen Einrichtungen aufbauen, in die wir die Per­ spektive unseres Hauses einbringen. Denken wir an die Künstliche Intelligenz: Da ist es sehr wichtig, dass wir rechtzeitig den Blick da­r auf lenken, welche Folgen der Einsatz der Technologie in der Arbeitswelt auf die Menschen hat, die damit arbeiten. Das dritte Team der Denkfabrik bringt juristische und politikwissenschaftliche Kompetenzen ein: Dabei geht es zum Beispiel da­ rum, in partizipativen Prozessen innerhalb des BMAS und mit Stakeholdern zu eruieren, ob der bestehende rechtliche Rahmen auch für die Zukunft noch passt oder ob noch weiterer Handlungsbedarf besteht. Behörden Spiegel: Und diese Teams arbeiten dann gemeinsam an Projekten? Böhning: Richtig. Aus diesen drei Teampools wird zu den einzelnen Themen jeweils ein neues Projektteam zusammengestellt, das sich dann gemeinsam an die Arbeit macht. Wenn wir das Bei-

Björn Böhning will mit der agil arbeitenden Abteilung und weiteren Initiativen eine Vermittlerrolle zwischen neuer und alter Arbeitswelt in den Behörden einnehmen. Foto: BS/Giessen

spiel Beschäftigtendatenschutz nehmen, dann würden wir hier einen Mitarbeiter aus dem Team Analysen, eine Kollegin aus dem Team Dialog und Vernetzung und einen weiteren aus dem Team der Politikgestaltung zusammenführen. Danach gehen die drei wieder auseinander und, je nach Themenlage, in neue Teams. Das ermöglicht eine sehr flexible Form der Arbeit an einzelnen Themen. Wo man im normalen Behördenalltag ein Projekt definieren würde, welches man über verschiedene Abteilungen und Referate koordinieren muss, arbeiten bei uns alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in einem Raum gemeinsam, finden sich je nach Aufgabenstellung zusammen und gehen diese dann ohne großen vorherigen Abstimmungs- und Koordinierungsbedarf gemeinsam an.

meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen explizit dazu, sich in Ideen hineinzudenken, wo anfangs nicht abzusehen ist, ob man am Ende auch ein Ergebnis erzielen kann oder ob man den eingeschlagenen Pfad wieder verlassen muss. Man muss auch selbstbewusst sagen können, dass man an einem bestimmten Ansatz nicht weiterkommt, statt einfach immer weiterzumachen, nur damit man irgendwie zeigt, dass man irgendwas tut. Ich ermutige die Beschäftigten ganz offen dazu, diesen Mut zum Scheitern aufzubringen. Dennoch steht das Ganze natürlich unter besonderer Beobachtung, weil ein Ministerium nun einmal Outputorientiert arbeitet und Abgeordnete wie Politik wissen wollen, was wir da eigentlich machen. Auch der Bundesrechnungshof (BRH) hat schon nachgefragt, ob so eine Unterabteilung ohne Referate denn wirklich sinnvoll sei und ob das nicht den Organisationsprinzipien der Bundesregierung widerspreche. Es ist in gewisser Weise ein Drahtseilakt, den wir mit der Denkfabrik jeden Tag absolvieren müssen. Doch wenn das Ganze erfolgreich ist, glaube ich ganz fest daran, dass unser Labor beispielgebend für viele andere Häuser – von denen sich schon einige das hier angeguckt haben – sein kann.

Die Richtung stimmt endlich

OZG-Umsetzung im Zeitplan

NKR sieht aber noch Optimierungsbedarf bei der digitalen Verwaltung

Nutzer werden mit eingebunden

(BS/Wim Orth) Die neue Legislaturperiode hat endlich Bedingungen geschaffen, mit denen die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland Schwung aufnehmen kann. Viele neue Kommissionen, Räte und sonstige Arbeitsgruppen rund um die Optimierung des Modernisierungsprozesses wurden eingerichtet und lassen das Tempo langsam steigen. Da aber der Rest der Welt nicht schläft bzw. in vielen Ländern die Digitalisierung schon seit vielen Jahren hohe Priorität genießt, braucht es innovative Ideen, um den Rückstand nicht nur konstant zu halten, sondern endlich zu den Spitzenplätzen aufzuschließen.

(BS/Adrian Bednarski) Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) sei weiterhin im Zeitplan, heißt es seitens des Bundesinnenministeriums (BMI). Alle 14 Themenfelder für die circa 575 Leistungsbündel, die bis Ende 2022 digital angeboten werden sollen, hätten mittlerweile ihre Arbeit aufgenommen. Um die Nutzerfreundlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen und für alle Akteure einen möglichst hohen Mehrwert Der zweite E-Government-Moni- anzusehen, zieht der Monitor des dardisierungsbemühungen zu Vereinheitlichungen sehr kom- zu schaffen, würden Nutzer der erarbeiteten Leistungen in die Digitalitor, den der Nationale Normen- NKR ein wohlwollendes Fazit: Die intensivieren und im Halbjahres-, plex machten. Hier gelte es, im sierungslabore eng und kontinuierlich eingebunden.

kontrollrat (NKR) vorgestellt hat, zeigt, dass die Verbesserungen bei der digitalen Verwaltung in Deutschland vom Aufwärtstrend her ziemlich genau dem Durchschnittstrend aller 28 Staaten der Europäischen Union entsprechen. Somit ist man nicht weiter nach unten abgesackt, konnte sich im internationalen Vergleich aber eben auch nicht verbessern. So bescheinigt der NKR der Regierung zwar ein positives Umdenken in der jüngeren Vergangenheit, allerdings sei dieses auch zwingend notwendig gewesen: “In den letzten Jahren hat in der Politik das Problembewusstsein zugenommen, dass Deutschland bei der Digitalisierung seiner Verwaltung über Jahre hinweg ein strukturelles Defizit aufgebaut hat.” Um nun in eine wirkliche Erfolgsspur zu gelangen, brauche es daher eine große Hartnäckigkeit und einen entschiedenen politischen Willen bei der Umsetzung. Hoffnung steckt der NKR in diesem Zusammenhang in das Onlinezugangsgesetz (OZG), welches Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, etwa 575 Verwaltungsleistungen bis Ende 2021 digital anzubieten, sowie den Koalitionsvertrag: “Die Voraussetzungen, in dieser Legislaturperiode spürbare Erfolge bei der Digitalisierung der Verwaltung zu erzielen, sind grundsätzlich besser als jemals zuvor.”

Den Kurs beibehalten Trotz einiger Hürden sei der Start in Richtung einer erfolgreichen Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes als “geglückt”

Themenfelder seien inzwischen fast vollständig aufgeteilt, die Länder übernähmen durch Federführungen Verantwortung, finanzielle Mittel stünden bereit und der Personalaufbau liefe gut. Zudem sehe man in ersten Projektpräsentationen, “dass kreativ und nutzerorientiert gearbeitet wird. Dies ist vorbildlich

besser noch im Quartalsrhythmus zu organisieren”. Besonders hervorgehoben wird beim Thema Zusammenarbeit der Freistaat Bayern, der sich in den Augen des NKR noch nicht klar genug zur gemeinsamen OZG-Umsetzung bekannt habe. Hier mahnt das Gremium an, dass dieser Wille zur Kooperation “durch Übernah-

Noch nicht am Ziel: Die digitale Verwaltung in Deutschland hat im internationalen Vergleich zwar an Tempo zugelegt, ist aber immer noch in der Verfolgerrolle unterwegs. Foto: BS/12019, pixabay.com

und löst bei den Beteiligten zu Recht Begeisterung und Zuversicht aus.” Für die Zukunft sei es nun absolut entscheidend, dass der Kurs beibehalten werde, auch wenn im weiteren Verlauf kompliziertere und unangenehme Fragen auf den Plan treten würden, etwa “wie die Ergebnisse der Entwicklungsgemeinschaften konkret umgesetzt und in die Fläche gebracht werden können”. Hier sei es wichtig, dass alle Akteure zusammen gemeinsam “in einen Modus finden, der es ermöglicht, die Ergebnisproduktion in den Entwicklungsgemeinschaften sowie die begleitenden Gesetzesänderungen und Stan-

me einer Federführung zweifelsfrei erkennbar würde”.

OZG-Umsetzung muss dem Bürger nutzen Neben dem Thema Kooperation setzt der NKR den Fokus der digitalen Verwaltung in Deutschland vor allem auf Bürger und Unternehmen, für die der Aufwand – neben der Entlastung der Verwaltungsmitarbeiter – hauptsächlich betrieben werde. Hier sei ein großes Problem, dass ein einzelnes Servicekonto und ein einzelnes Portal zwar wünschenswert wären, durch die gewachsenen Strukturen im Föderalismus aber viele Vereinfachungen und

Sinne einer “neuen Staatskunst” gemeinsam daran zu arbeiten, die Nutzerfreundlichkeit in den Vordergrund zu stellen sowie die sachlich und fachlich richtigen Aspekte herauszuarbeiten. Im Zuge dessen müsse “eine gemeinsame politische Erzählung, ein deutschlandweiter E-Government-Pakt” aufgesetzt werden, “der es allen Beteiligten erleichtert, Althergebrachtes ein Stück weit aufzugeben und neue Wege zu gehen – auch dann, wenn eine gewisse Unabhängigkeit verloren zu gehen scheint”. Dies könne gleichzeitig allen dabei helfen, ihre Ressourcen neu zu ordnen und auf die konkreten Aufgaben in der eigenen Behörde zu fokussieren: “Für die Kommunen wären das z. B. die nachhaltige Gestaltung der örtlichen Gemeinschaft und die persönliche Arbeit mit den Menschen und weniger der Betrieb von IT-Systemen.” Damit die Umsetzung des OZG langfristig Erfolg haben könne, müsse aber gerade jene – aktuell oft noch sehr heterogene – IT-Infrastruktur einem Standardisierungsprozess unterworfen werden. Dies gilt laut NKR auch für die Registerlandschaft in Deutschland: “Die Kür bestünde in der Konzeption einer Plattform- bzw. Plattformlandschaft, die Portale, Register, Fachverfahren und Basisinfrastrukturen auf einfache und modulare Weise miteinander verbindet.” Dies würde es laut NKR deutlich einfacher machen, die Ergebnisse aus der OZG-Umsetzung möglichst unkompliziert übernehmen zu können und die digitale Verwaltung so möglichst schnell zum Erfolg zu bringen.

In den Planungsphasen der nun gestarteten 25 Digitalisierungslabore soll geprüft werden, in welcher Form und auf welchem Niveau die Leistungen bereits digital verfügbar sind. Wenn eine Leistung im Labor nutzerorientiert erfasst wird, arbeitet dieses unter Nutzung agiler Methoden, insbesondere Design Thinking, und setzt sich aus einem interdisziplinären Team wie Entwicklern, Rechtsexperten und Service-Designern zusammen. Die Labore selbst fertigen Klickprototypen an, mit denen direkt die potenziellen Nutzer befragt werden, um aus deren Feedback die für die Nutzer freundlichste Variante zu generieren. Nach dieser Station fließen die Erkenntnisse in die ersten Entwürfe ein, welche in einer Testversion münden. Nach drei bis vier Monaten entsteht ein digitaler Prototyp, welcher zur realistischen Simulation von Design und Usability für die finalen Nutzertests dient. Das Ziel der Labore ist es, digitale Lösungen zu konzipieren und in einem Konzeptpaket bündeln, welches den Ländern die Möglichkeiten der Nachnutzungen ermöglichen soll. Hierfür werden im Föderalen Informationsmanagement (FIM) Datenfelder und Prozesse (Ablaufdiagramme) definiert und hinterlegt. Auch ein detaillierter Umsetzungsplan für die weitere Themenfeldbearbeitung ist Ergebnis der Laborarbeit. Der Klickprototyp soll dann die Anleitung für die nutzerfreundliche Gestaltung abrunden. Um den Prozess so nutzerorientiert

wir möglich zu gestalten, werden auch gegebenenfalls erforderliche Gesetzesänderungen thematisiert. Ziel ist es, für erste (priorisierte) Leistungen bereits 2019 einen “Go-Live” zu erreichen (d. h. die Leistung für Nutzer freizuschalten), so zum Beispiel im Themenfeld Umwelt.

Die OZG-Umsetzung mag herausfordernd sein, aber der Zeitplan werde weiterhin eingehalten, so das Bundesinnenministerium. Foto: BS/Free-Photos, pixabay.com

Das BMI setzt für die anderen Verwaltungsleistungen auf den durch die ersten Labore bereits geschaffenen Schub in Ländern und Kommunen. Dies betrifft vor allem die Modelle zur Umsetzung und Finanzierung gemeinsamer Online-Dienstleistungen. In den Digitalisierungsprozess werden zudem vor allem Kommunen eingebunden, weil diese die Herausforderungen der Prozesse im Alltag kennen, erklärte Ernst Bürger, Unterabteilungsleiter DG II im BMI. Zudem stocke das BMI kontinuierlich sein Personal für die OZG-Umsetzung auf: So seien neue Stellen im Haushalt geschaffen und auch schon ausgeschrieben worden.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2019

I

n der Abteilung Informationsund Kommunikationstechnik wurde ein OZG-Team aufgebaut, das in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Land Rheinland-Pfalz und unterstützt durch das Beratungsunternehmen ]init[ AG die Themenfeldplanung bearbeitet. Gleichzeitig unterstützt diese zentrale Einheit die Fachressorts und Kommunen bei der Digitalisierung ihrer Verwaltungsleistungen und organisiert die technische Umsetzung und Bereitstellung der Basiskomponenten. Ergänzend wird auf Grundlage des künftigen Landes-E-Government-Gesetzes im Ministerium für Inneres und Sport eine Zentrale Leistungsredaktion aufgebaut, die die Zuständigkeit für das Föderale Informationsmanagement (FIM) im Land übernimmt.

Digitalisierungslabor BAföG Bereits im Dezember 2018 startete das erste Digitalisierungslabor “BAföG”. In mehreren Design-Thinking-Workshops, den sogenannten Sprints, haben Experten aus den Ministerien, Studierendenwerken und BAföG-Ämtern gemeinsam mit Leistungsempfängern, Designern und Methodenexperten die erste Vision einer nutzerfreundlichen Online-Version entwickelt. Drei Kernelemente machen den neuen BAföG-Onlineantrag aus: Die Studierenden beantworten zunächst Einstiegsfragen, auf deren Basis der individuelle Antrag konfiguriert wird. Ergänzt wird der Antrag durch Serviceangebote wie z. B. Statusmeldungen oder Erinnerungsfunktion. Dank vorbelegter Datenfelder lässt sich auch der Folgeantrag schnell und unkompliziert stellen. Im Hintergrund werden die vom Studierenden erfassten Daten in das amtliche Formular übertragen und stehen dann zur Nutzung

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Chancen für hohe Akzeptanz nutzen Die Zielgruppe Themenfeld “Bildung” ist überwiegend internetaffin

SERIE: DIE OZG-UMSETZUNG

Themenfeld “Bildung” (BS / Michael Richter) Schon im Sommer 2018 hat Sachsen-Anhalt die Federführung für das Themenfeld Bildung übernommen. Ob BAföG, Hortantrag, Einschulung, Studienplatzvergabe oder die Anerkennung von Berufsabschlüssen – es gilt, für insgesamt 29 Leistungsbündel Online-Dienste zu entwickeln. Gesteuert wird die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) in Sachsen-Anhalt durch das Ministerium der Finanzen. net ein umfangreiches ServiceStudienplatzvergabe verkürzen. Staatssekretär Michael Richter, Zentrale AufgaMinisterium der Finanzen des benstellung ist es Landes Sachsen-Anhalt, ist auch hier, ein UmsetVertreter des Landes im IT-Pla- zungskonzept zu entwickeln, um nungsrat. mit digitalen ZeugFoto: BS / Ministerium der Finanzen nissen den DatenSachsen-Anhalt austausch zu vereinfachen und die dafür notwendigen für das Fachverfahren bereit. In Rahmenbedingungen zu evalumehreren weiteren Workshops ieren. In diesem Labor geht es mit Nutzern und Fachleuten nicht um die Entwicklung eines wurde der Prototyp fortlaufend klassischen “Online-Dienstes”. getestet und auf Basis dieses Das föderale Bildungssystem Feedbacks weiterentwickelt. Bei und die fehlenden bundeseinden Nutzertests gaben bereits 90 heitlichen Regelungen fordern Prozent an, den neuen BAföG- eine neue Herangehensweise. Onlineantrag weiterzuempfehlen. Die besondere Herausforderung Die Gesamtergebnisse des Digita- besteht darin, eine Lösung zu lisierungslabors wurden im Mai konzipieren, die für ca. 44.000 der bundesweiten Arbeitsgruppe Schulen in Deutschland praktiBAföG vorgestellt. Aktuell laufen kabel ist und auch den länderdie Planungen für die Umsetzung übergreifenden Datenaustausch des entwickelten Prototyps, die ermöglicht. Wie genau sich diese im Spätsommer beginnen soll. Herausforderung umsetzen lässt, Da es sich bei der Ausbildungs- werden die nächsten Monate zeiförderung um eine bundesweit gen. Der Blick in die benachbareinheitliche Leistung handelt, ten Niederlande zeigt, dass hier ist die Projektgruppe bestrebt, sehr schnell das Thema “Zentrale in einer Kooperation mit allen Register” eine maßgebliche Rolle Bundesländern eine flächende- spielen könnte. ckende Umsetzungsvariante zu Verschiedene Lebenslagen entwickeln.

Digitalisierungslabor ­ digitale Zeugnisse Parallel dazu läuft seit April 2019 das Digitalisierungslabor zum Thema “Schulzeugnisse”. Digitale Zeugnisse könnten z. B. Schulwechsel vereinfachen, Bewerbungsprozesse effizienter gestalten oder den Prozess der

im Blick

Die Nutzerzentrierung des OZG zeigt sich darin, dass sämtliche zu digitalisierenden Leistungen erstmals verschiedenen Lebenslagen zugeordnet wurden. Das Themenfeld Bildung gliedert sich in die Lebenslagen “Schule”, “Studium”, “Berufsausbildung” und “Weiterbildung”. Zukünftig

werden Leistungen nicht nach Zuständigkeit der Verwaltung getrennt, sondern in OnlineDiensten so kombiniert, wie sie die Bürger benötigen. Wer sein Kind online zur Einschulung anmeldet, kann mit wenigen Klicks auch direkt die Hortbetreuung und die Schülerbeförderung organisieren. So zumindest die Vorstellung, wobei bereits gute Ansätze in der breit gestreuten kommunalen Ebene Deutschlands zu finden sind. Das OZG mit den Nutzern im Fokus bietet die Chance, Verwaltungsabläufe zu optimieren und zu vereinfachen. Entscheidend dafür ist die Einbeziehung aller Beteiligten in die Workshops und Labore: Schüler, Studierende, Eltern, Lehrer, Mitarbeiter von Schulen und weiterführenden Bildungseinrichtungen sowie Sachbearbeiter aus den verschiedenen Verwaltungseinrichtungen bringen ihre Erfahrungen, Wünsche und Ideen ein, um die Verwaltung zukunftsfähig und bürgerfreundlich zu machen. Das Ausfüllen, Ausdrucken und Versenden von Anträgen per Post soll mehr und mehr der Vergangenheit angehören. Die Mitar­ beiter der Verwaltung werden von zeitintensiven Tätigkeiten wie z. B. der Übertrag von Antrags­ daten in den PC entlastet, Verwaltungsvorgänge können dadurch beschleunigt und die Beratung der Bürger zukünftig mehr in den Fokus gerückt werden. Um dieses ambitionierte Vorhaben bis 2022 umzusetzen, ist eine intensive und konstruktive Zusammenarbeit auf allen Ver-

waltungsebenen und darüber hinaus mit externen Partnern und Bürgervertretungen gefordert.

Kooperation im Mittelpunkt Deshalb steht neben dem Themenfeld “Bildung” in SachsenAnhalt die kooperative Zusammenarbeit mit den Ressorts und Kommunen im Mittelpunkt. Viele der zu digitalisierenden OZG-Leistungen werden durch Gemeinden, Städte und Kreise erbracht. Um die Kommunen bei der Realisierung bestmöglich zu unterstützen, plant SachsenAnhalt, die technischen Basiskomponenten, wie z. B. das Servicekonto, zentral zur Verfügung zu stellen. Bereits jetzt halten in Sachsen-Anhalt Gemeinden, Städte und Landkreise im Inter­

angebot bereit. Diese bereits bestehenden Online-Angebote sollen eingebunden werden und auch weiterhin erreichbar sein. Aktuell werden erste Pilotierungsprojekte geplant, um so nachnutzbare Konzepte für die kommunale Ebene zu erhalten. Mit intelligenten Online-Verfahren kann es gelingen, auch komplexe Verwaltungsleistungen bürgerfreundlich zu machen. Besonders im Themenfeld Bildung stehen wir einer überwiegend internetaffinen Zielgruppe gegenüber. Das bietet die Chance hoher Akzeptanz für neue Online-Angebote, wenn sie tatsächlich auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Nutzer ausgerichtet sind. Dieser Herausforderung stellt sich Sachsen-Anhalt gern.

Bislang zur Serie erschienene Beiträge Themenfeld “Bauen und Wohnen” Ina-Maria Ulbrich (Mecklenburg-Vorpommern) Behörden Spiegel, Ausgabe Mai 2019, Seite 24 Themenfeld “Umwelt” Tobias Goldschmidt (Schleswig-Holstein) Behörden Spiegel, Ausgabe April 2019, Seite 36 Themenfeld “Unternehmensführung und -entwicklung” Jörn Riedel (Hamburg) Behörden Spiegel, Ausgabe März 2019, Seite 27 Themenfeld “Ein- und Auswanderung” Katrin Lange (Brandenburg) Behörden Spiegel, Ausgabe Dezember 2018, Seite 32 Themenfeld “Kind und Familie” Dr. Martin Hagen (Bremen) Behörden Spiegel, Ausgabe November 2018, Seite 28


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Herr Berg, mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) will Deutschland Tempo in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung bringen. Wie beurteilen Sie die Umsetzung bis jetzt?

Berg: Ich begrüße das OZG und dessen Umsetzung, aber bis zum gemeinsamen Portalverbund liegt noch eine ordentliche Wegstrecke vor uns. Digitalisierung muss auf allen staatlichen Ebenen Chefsache werden. Initiativen wie das Unternehmenskonto und die Registermodernisierung müssen vorangebracht werden, um die Zusammenarbeit von Verwaltung und Wirtschaft zu verbessern und den Bürokratieaufwand in den Unternehmen zu verringern. Außerdem müssen die Kommunen stärker in die Umsetzung des OZG eingebunden werden. Auf der Smart Country Convention werden wir das Thema auf Bühnen und in den Workshops aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Behörden Spiegel: Was müssen Bund, Länder und Kommunen noch tun, damit Deutschland bei der Digitalisierung nicht den Anschluss verliert? Berg: Wichtig ist, sich nicht von dem Gedanken abschrecken zu lassen, sofort alles zu 100 Prozent zu digitalisieren. Die Digitalisierung ist eine komplexe Aufgabe. Entscheidend ist, dass der erste Schritt getan wird, dann geht es weiter von einem Etappenziel zum nächsten. In vielen deutschen Kommunen herrscht Aufbruchsstimmung und überall im Land machen sich Städte, Gemeinden und Regionen auf den Weg ins digitale Zeitalter. Digitalisierung braucht auf kommunaler Ebene zweierlei: erstens einen ausgeprägten politischen

Digitale Aufbruchstimmung Verwaltung und Daseinsvorsorge gemeinsam voranbringen (BS) Die Verwaltung treibt es ins digitale Zeitalter. Klar muss sein: Am besten digitalisiert es sich, wenn die Akteure aus Politik, Verwaltung und Politik an einem Strang ziehen. Ein wichtiger Impulsgeber für den notwendigen Erfahrungsaustausch ist die Smart Country Convention des Bitkoms, die dieses Jahr vom 22. bis 24. Oktober in Berlin stattfindet. Der Behörden Spiegel ist Medienpartner. Im Interview spricht Bitkom-Präsident Achim Berg über das ganzheitliche Konzept der Veranstaltung und über aktuelle Herausforderungen bei der Digitalisierung der Verwaltung. Berg: Ohne eine fundierte Weiterbildung kann die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung nicht funktionieren. Wir wollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen fit machen für die digitale Zukunft. Neben den Vorträgen und Talks auf den Bühnen bieten wir daher interaktive Workshops und zertifizierte Seminare zu Digitalthemen an. Man kann also eine Weiterbildung mit Kongress- und Messebesuch kombinieren.

Willen zur Digitalisierung an der Spitze der Verwaltung. Und zweitens starke Partner, die bei der Umsetzung helfen. Unser Ziel muss sein, nicht nur in der Wirtschaft ein führender Digitalstandort zu werden, sondern ebenso in der Verwaltung und öffentlichen Daseinsvorsorge. Die notwendigen Technologien und Lösungen haben wir, jetzt sollten wir das Rad nicht zigmal neu erfinden, denn so verlieren wir Zeit und verschwenden Geld. Wir brauchen mehr Austausch, müssen uns mehr an Vorreitern, an ihren Erfolgen und Misserfolgen orientieren, auch international. Behörden Spiegel: Mit der 2018 erstmals durchgeführten Smart Country Convention will der Bitkom hier selbst Impulse setzen. Wie ist das Konzept des Zusammenspiels aus KongressProgramm, Ausstellung und Workshops aufgegangen? Berg: Die Smart Country Convention konnte sich gleich im ersten Jahr als führende Plattform für die Digitalisierung von Verwaltungen und öffentlichen Dienstleistungen etablieren. Sie ist unser Beitrag, um mehr Geschwindigkeit bei der Digitalisierung des Public Sectors, zu erzeugen. Wir haben das Konzept von Anfang an ganzheitlich gedacht und überlegt, wie wir Digitalbeauftragte und IT-Leiter auf dem Weg zu einer vollstän-

Achim Berg ist Präsident des Bitkoms, des Digitalverbands Deutschlands. Foto: BS/Bitkom

dig digitalisierten Verwaltung am besten begleiten können. In Berlin bringen wir alle Akteure aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Medien zusammen und beleuchten rundum, wie wir digitale Städte und Regionen von Morgen entwickeln können. Wir zeigen auf den Bühnen, wie Digitalisierung in der Praxis funktioniert, die Ausstellung bietet Digitalisierung zum Anfassen, die Workshops vermitteln zusätzlich fundiertes Know-how und die Networking-Bereiche fördern den Erfahrungsaustausch. Behörden Spiegel: Welchen Stellenwert hat das Weiterbildungsprogramm für Sie?

Projekt E-Rechnung Erfahrungen erfolgreich nutzen (BS/Tim Conrads*) Seit November 2018 sind die E-Rechnungs-Plattformen von Bund und Bremen online. Beide hatten die Federführung des Steuerungsprojektes des IT-Planungsrates – und damit eine Vorreiterrolle in Deutschland – übernommen. Zudem wurde, parallel zum Aufbau der Plattformen, der deutsche Standard “XRechnung” geschaffen, den der IT-Planungsrat für die Rechnungstellung an öffentliche Auftraggeber als verbindlich vorschreibt. Darüber hinaus wurden Plattformbetreiber verpflichtet, bei Bereitstellung eines Webservices einen Zugangsweg zum Pan-European Public Procurement OnLine (PEPPOL) zu öffnen. Da die PEPPOL-Infrastruktur bereits seit Jahren für E-Vergabe zur Verfügung steht, schließt sich hier der Kreis für den gesamten Prozessablauf. Die Rahmenbedingungen des Projektes E-Rechnung stammten dabei aus Brüssel. In der Richtlinie 2014/55/EU wurden Eckpfeiler und Kernelemente einer europäischen Norm für E-Rechnungen formuliert, welche die Grundlagen für ein einheitliches Rechnungsformat in den öffentlichen Verwaltungen festlegte. Erklärtes Ziel der Norm war es, die Entwicklung von zweckmäßigen, benutzerfreundlichen, flexiblen und kosteneffizienten Systemen zur elektronischen Rechnungsstellung zu ermöglichen. So wurde sichergestellt, dass auch spezielle Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen sowie von subzentralen Auftraggebern berücksichtigt werden. Unter Federführung von Bund und Bremen entstand daraufhin ab 2016 im Planungsprojekt “ERechnung” ein Architekturkonzept, in dem anhand der Anforderungen der Richtlinie 2014/55/ EU und unter Berücksichtigung der deutschen Verwaltungsstrukturen eine Eingangsplattform konzipiert wurde. Eine besondere Herausforderung dabei: die engen zeitlichen Vorgaben. Denn bereits im November 2018 waren öffentliche Verwaltungen verpflichtet, elektronische Rechnungen empfangen und verarbeiten zu können. Um dieser Verpflichtung nachkommen zu können, wurde innerhalb des Konzeptes die mögliche Nachnutzung bereits vorhandener IT-Komponenten berücksichtigt sowie die Harmo-

Behörden Spiegel / Juni 2019

nisierung mit bereits laufenden Projekten sichergestellt. Nur so konnte ein reibungsloses Zusammenspiel gewährleistet werden. Ein Vorgehen, das erfolgreich war, wie die Erfahrungen mit den E-Rechnungs-Plattformen von Bund und Bremen zeigen – und zugleich eine gute Nachricht für alle, die ab dem 18. April 2020 ebenfalls empfangsbereit für ERechnungen sein müssen. Und so lohnt sich ein Blick auf die technische Umsetzung in Bremen, das Bundesland, das mit “zERIKA” die erste E-Rechnungs-Plattform auf Länderebene gestartet hat, während andere Bundesländer sich mit ihren Lösungsansätzen noch in der Evaluierungsphase befinden. Einige Beispiele:

Authentisierung der Rechnungssteller Erfolgt eine Rechnungsstellung muss für den Empfänger zweifelsfrei ersichtlich sein, dass der Absender auch der ist, der er vorgibt zu sein. Hier greift zERIKA für das Identitätsmanagement auf den Lösungsbaustein Autent von Governikus zurück.

Vielfalt der Eingangskanäle Die Einreichung von E-Rechnungen kann auf vielfältigen Wegen, per Webanwendung, Webservice, De-Mail und E-Mail erfolgen – weitere Kanäle werden in Zukunft folgen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, kommt im Bund und Bremen die gleiche Technologie zum Einsatz:

der Governikus MultiMessenger. Die Anwendung fungiert als eine Art elektronische Poststelle, die alle relevanten Transportkanäle verarbeitet.

Grenzübergreifende Beschaffungsprozesse Um bei elektronischen Vergabeverfahren das Rad nicht wieder neu zu erfinden, wurde der Zugangsweg zur PEPPOLInfrastruktur eröffnet. Damit wird auf den pan-europäischen Standard AS4 gesetzt, der inzwischen auch weltweit u.a. in Singapur, Kanada, und Australien angewendet wird. Dadurch werden Bund und Bundesländer – gleichzeitig mit der Einführung von PEPPOL für den nationalen Rechnungsaustausch – auch für grenzüberschreitende Beschaffungsprozesse, von der Vergabe bis zum Rechnungsaustausch, fit gemacht.

Weiterentwicklung von Bausteinen Zukunftssichere Lösungen erfordern eine ständige Weiterentwicklung und Pflege durch die Hersteller einer Software. Als Anwendungen des IT-Planungsrates ist dies bei Governikus Autent und dem Governikus MultiMessenger gewährleistet. Die bedarfsorientierte Weiterentwicklung und langfristige Pflegeverträge sorgen dabei für Sicherheit. *Tim Conrads arbeitet für die Governikus GmbH & Co. KG.

Behörden Spiegel: Welche Neuerungen am Konzept und welche thematischen Schwerpunkte erwarten die Teilnehmer in diesem Jahr? Berg: Wir haben unsere Themen geschärft und werden uns im Bereich E-Government noch mehr auf digitale Technologien wie Blockchain und Künstliche Intelligenz, E-Vergabe und IT-Sicherheit konzentrieren. Wir verstärken außerdem unseren Fokus auf Smart City

& Smart Region. Auch unsere Zusammenarbeit mit dem ITPlanungsrat wird intensiver. Der IT-Planungsrat veranstaltet seine Herbsttagung parallel zur Smart Country Convention in Berlin. Der Vorsitzende Hans-Henning Lühr und viele Mitglieder des IT-Planungsrats werden bei uns sprechen. Zudem veranstalten wir an jedem Event-Tag jeweils eine ganztägige Konferenz zu den Themen Mobility, Energy und Digital Office. Auf der Mobility Konferenz hält Bundesminister Andreas Scheuer die EröffnungsKeynote. Nicht zuletzt wollen wir wachsen: Das Interesse an der Smart Country Convention ist so groß, dass wir die Fläche verdoppeln, die Ausstellung vergrößern und die Bühnenprogramme ausbauen werden. Die Veranstaltung ist ein Muss für alle, die sich mit der Digitalisierung des öffentlichen Sektors befassen.

Urbane Datenräume Innovationsmotoren in und für Kommunen (BS/Prof. Ina Schieferdecker) Wie während der Industriellen Revolution diejenigen Kommunen mit der besten Energieversorgung Innovationen attrahiert und eine florierende Entwicklung erfahren haben, werden auch im Digitalen Zeitalter die Kommunen mit den überzeugendsten digitalen Angeboten die Nase vorn haben. Das ist jedenfalls einer der Schlüsse des jüngsten WBGU-Gutachtens “Unsere gemeinsame digitale Zukunft” . Zudem setzt eine nachhaltige kommunale Entwicklung unter dem Einsatz digitaler Technologien voraus, dass Kommunen und Stadtgesellschaften ihre Gestaltungshoheit gegenüber der Digitalwirtschaft bewahren und eine eigene Technologie- und Datensouveränität aufbauen. Schon heute investiert eine wachsende Zahl von Städten und Gemeinden aktiv in dezentrale digitale urbane Plattformen, offene Architekturen und Gemeinwohlorientierung. Setzt sich dieser Trend durch, besteht berechtigte Hoffnung, dass die digitale Revolution für eine inklusive, nachhaltige kommunale Entwicklung genutzt werden kann. Und so zeigt eine FraunhoferStudie mit den Referenzkommunen Bonn, Dortmund, Emden und Köln, welche Potenziale im Rahmen der Digitalisierung im urbanen Raum bislang ungenutzt bleiben und wie diese zukünftig besser umgesetzt werden könnten. Auch diese Studie empfiehlt den Kommunen, für eine verbesserte Nutzung und größere Verfügbarkeit ihrer Daten einen individuell ausgestalteten urbanen Datenraum, der auf einen gemeinsamen, möglichst deutschlandweit verfügbaren, offenen Plattformkern für urbane Datenräume aufbaut. Solche (urbanen) Datenräume wurden bereits mit der Software für das Open-Government-Portal für Deutschland angelegt und können darauf aufbauend effizient und kostengünstig umgesetzt werden. Die Software kann sukzessive erweitert und an die jeweiligen Bedürfnisse einer Kommune angepasst werden. Urbane Datenräume befördern die kommunale Verwaltung an sich und können zudem Ausgangspunkt für neue kommunale Produkte und Dienstleistungen sein. Wie das unter Teilhabe der Kommunen an den Innovationserfolgen möglich ist, beschreibt unsere (umfangreiche) Studie als auch die (kürzere) Handreichung.

Die “smarte” Kommune Der urbane Datenraum ist das Zentrum einer jeden kommunalen Infrastruktur im digitalen Zeitalter. Die Vorteile digital zugänglicher Prozesse, wie wir sie tagtäglich mit digitalen Medien oder im Online-Handel genießen, können so auf das Leben und Arbeiten im Kommunalen übertragen werden, wobei von vornherein Risiken wie IT-Sicherheit, Datensicherheit und Datenschutz einzuhegen und proaktiv zu regeln sind. In der Tat werden in einer Kommune unterschiedlichste digitale Daten produziert, vom Verkehr über den Wasserkonsum bis hin zum Wahlverhalten. Sie werden in Unternehmen, Behörden,

Wissenschaftsorganisationen und auf privaten Endgeräten in unterschiedlichen Formaten gespeichert. “Smart” wird eine Kommune aber erst dann, wenn diese Daten sicher und vertrauenswürdig vernetzt, für Autorisierte und Interessierte leicht auffindbar sowie verständlich gemacht und für die Weiterverarbeitung bzw. Weiterverwendung aufbereitet werden. Sie können dann für neue Dienste und Produkte genutzt werden, die das Leben in der Kommune verbessern und idealerweise auch die kommunalen und regionalen Unternehmen stärken, wie beispielsweise Mobilitätsdienste, die mithilfe einer guten Datenbasis aktuelle Baustellen, Veranstaltungen, Wetter- und Verkehrslagen berücksichtigen, ihre Vorteile gegenüber tradierten Ansätzen vielerorts zeigen. Beim urbanen Datenraum geht es nun darum, diese Vorteile ebenso für Bürgerdienste, Bildungsdienste, Vorsorgedienste und andere Angebote der Verwaltung, von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft oder Zivilgesellschaft unter Zuhilfenahme einer interoperablen, dezentralen, dennoch konsolidierten und geschützten Datenbasis zu ermöglichen. Das Netzwerk der Akteure, die Daten bereitstellen, verarbeiten und nutzen, kann von Betreibern und Förderern des Datenraumes, etwa den Bürgermeistern oder dem Gemeindeamt, über Datenbereitsteller, wie kommunale Unternehmen, bis hin zu den Bürger/innen, Touristen oder auch Anbietern von neuen datenbasierten Geschäftsmodellen reichen. Für die technische Umsetzung wird die Nutzung einer offenen Referenzarchitektur empfohlen, wie zum Beispiel in der DIN SPEC Offene Urbane Plattformen 91357 definiert. Eine solche Architektur ist modular aufgebaut, adressiert Prinzipien wie Interoperabilität, Wiederverwendbarkeit, Sicherheit und Skalierbarkeit und kann Daten sowie Metadaten statisch als auch dynamisch integrieren. Auf der Grundlage eines solchen offenen Architektur-Standards ist ein urbaner Datenraum zukunftssicher, technologieoffen als auch skalierbar für viele

weitere Akteure mit ihren verschiedensten Datenangeboten und Lösungskomponenten umsetzbar und kann zu einem zentralen Innovationsmotor für eine Kommune an sich und darüber hinaus werden.

Datenräume regional verankern Da die aktuelle rechtliche Lage für urbane Datenräume widersprüchlich und häufig nur auf Ebene einzelner Verträge feststellbar ist, gilt insbesondere die “faktische Verfügungsgewalt”: In der Praxis haben diejenigen die Datenhoheit, die die Dateninfrastruktur kontrollieren und die nötigen Zugriffsmöglichkeiten haben. Derzeit sind dies oftmals außereuropäische Plattformanbieter. Daher sind urbane Datenräume schon jetzt regional zu verankern und organisatorisch und regulatorisch tief in die kommunalen Abläufe einzubinden. So geht keine Zeit verloren, bis

Prof. Dr. -Ing. Ina Schieferdecker ist Instituts­ leiterin von Fraunhofer FO­ KUS, Professorin an der Tech­ nischen Universität Berlin und Direktorin des WeizenbaumInstituts für die Vernetzte Gesellschaft. Foto: BS/Philipp Plum, Fraunhofer FOKUS

die rechtlichen Rahmenbedingungen umfassend geklärt sind und die kommunale Datenhoheit der Kommunen (wieder-)hergestellt wird. So können die Daten direkte und indirekte Effekte in der Innovationskraft, Effektivität und Effizienz einer Kommune auslösen. Jedenfalls gehen die in der Fraunhofer-Studie befragten kommunalen Entscheidungsträger/-innen davon aus, dass die systematische Nutzung urbaner Daten erheblich zur Verbesserung der Verwaltung und der öffentlichen Angebote, der Arbeits- und Lebensqualität, zu gesteigerten Wachstumschancen und zu mehr Sicherheit und besserer Politikgestaltung führen wird. So gilt es jetzt, regionale oder kommunale urbane Datenräume zu eröffnen. Weitere Informationen in der Fraunhofer-Studie “Urbane Datenräume” unter www.fokus. fraunhofer.de/de/fokus/studien_ whitepaper


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2019

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Cloud und DSGVO

Nahtloser Übergang

Gegensätze ziehen sich an?!

Öffentliche Hand will Interamt ab 2020 noch stärker an Bewerbern ausrichten

(BS/Stefanie Köhl/Heidrun Müller/Prof. Dr. Wilfried Bernhardt) Die Vorteile des Cloud Computings sind eindeutig. Große Datenmengen können günstig gespeichert, Informationen orts- und geräteunabhängig genutzt und IT-Ressourcen aller Art bedarfsgerecht und flexibel bereitgestellt werden, ohne dass damit eigene Anschaffungs- und Betriebskosten einhergehen, denn die Abrechnung erfolgt verbrauchsorientiert. Auch die Nutzung mobiler Geräte, wie Tablet-Geräte oder Smartphones, setzt sich insbesondere auf kommunaler Ebene zunehmend durch. Dieser Einsatz erfolgt häufig, ohne dass Konzepte und Regelungen für eine sichere Datenhaltung bzw. Bereitstellung von Daten entwickelt wurden bzw. nutzen die Beschäftigten private Geräte mit den darauf verfügbaren Apps bzw. Cloud-Diensten, wie Dropbox und Google Drive, zum Austausch und zur Ablage von Dateien.

(BS/stb) Mit Interamt hat Vivento, der Personaldienstleiter der Telekom, ein speziell auf die Bedürfnisse der Verwaltung zugeschnittenes Personal-Recruiting-Portal entwickelt. Schrittweise bis 2020 übernimmt die DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH nun den Betrieb und die Weiterentwicklung des Software-Produktes. Das größte Stellenportal für den Öffentlichen Dienst in Deutschland wird damit komplett in die öffentliche Hand übergeben und soll als bundesweite, einheitliche Plattform gestärkt und weiter ausgebaut werden.

Die Empirie zeigt es deutlich: Die Cloud ist im Einsatz – bewusst oder unbewusst, gesteuert oder ungesteuert, ganz einfach, weil es funktioniert. Diese neue Form der IT-Bereitstellung benötigt jedoch andere Formen der Steuerung und Absicherung für Daten, zumal die Cloud-Landschaft von internationalen Anbietern geprägt ist, deren Systeme weltweit verteilt stehen. Wenn der Dienstleister in einem Drittland sitzt, ist eine Übermittlung personenbezogener Daten nur dann zulässig, wenn ein dem in der EU herrschenden Standard vergleichbarer Datenschutz gewährleistet ist. Wichtig ist es daher für Behörden, eine (neue) Balance zwischen freiem Datenfluss und Schutz von personenbezogenen Daten und Informationen im jeweiligen nationalen Rechtsumfeld zu finden.

Sicherheit und Datenschutz Eine der größten Herausforderungen ist u. a. die sichere und datenschutzrechtlich konforme Verarbeitung von personenbezogenen Daten in der Cloud. Denn auch in der Cloud muss der Schutz personenbezogener Daten, z. B. Name, Anschrift, Geburtsdatum, Kontaktdaten, Bankverbindung, Personenfotos oder auch Kfz-Kennzeichen sowie IP-Adressen, die erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, gemäß den datenschutzrechtlichen Bestimmungen, d. h. der DSGVO, dem BDSG neu und ggf. der Landesdatenschutzgesetze, gewährleistet sein. Dies stellt viele öffentliche Institutionen noch vor besondere He­ rausforderungen. Denn mit den Mechanismen der Cloud und den damit verbundenen Risiken sind sie häufig noch nicht so vertraut.

Bisherige Grundsätze bleiben weitgehend erhalten Im Wesentlichen bleibt es bei den bisherigen Prinzipien: Mit Cloud-Anbietern wird über Verträge für die Auftragsverarbeitung zusammengearbeitet. Auftragsverarbeitung heißt, dass eine Behörde die Datenverarbeitung und/oder -speicherung nicht selbst durchführt, sondern sich eines Dienstleisters bedient. Handelt der Beauftragte dabei sozusagen als “verlängerter Arm”, also weisungsgebunden, dann agiert er im Auftrag der Behörde. In diesen Verträgen ist auch die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Grundlage,­ u. a. die Verantwortlichkeiten für die Verarbeitung personenbezogener Daten, festzulegen. Denn der Eigentümer der Daten, d. h. der Cloud-Kunde, bleibt Verantwortlicher (Art. 28 DSGVO) und muss daher sicherstellen, dass auch vom Auftragsverarbeiter

dem Schutzbedarf angemessene Schutzmechanismen bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass eine gemeinsame Verantwortung für jeden an der “Lieferkette” Beteiligten besteht (Art. 26 DSGVO), wofür neben entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen auch entsprechende (Zusammenarbeits-)Strukturen zu schaffen sind. Dabei gilt, je höher der potenzielle Schaden durch einen

lung dienen daher sogenannte genehmigte Verhaltensregeln (Code of Conducts) gemäß Art. 40 DSGVO, die als Indikator für die Konformität herangezogen werden können. Solche Selbsterklärungen auf Basis von anerkannten Verhaltenskodizes, durch Protokolle, Reports und Statistiken oder interne Auditberichte, gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Die Autoren Stefanie Köhl (links), Geschäftsführerin der eGovernment Consulting and Development GmbH (eGovCD), Heidrun Müller, Senior Beraterin bei eGovCD, und Prof. Dr. Wilfried Bernhardt, Staatssekretär a. D., werden als Experten Mitte Oktober in Berlin durch das Seminar “Cloud und DSGVO – Gegensätze ziehen sich an?!” führen. Fotos: BS/eGovCD, Giessen

Sicherheitsvorfall, desto genauer müssen in einem Vertrag die Haftung und die geschuldete Sicherheitsleistung beschrieben sein. Das bedeutet: Bedient sich der Auftragsverarbeiter seinerseits eines Subunternehmers, dann muss er diesen dazu verpflichten, sich ebenfalls an die Vorgaben der DSGVO zu halten. Falls der Subunternehmer seinen Pflichten nicht nachkommen sollte, kann der Auftragsverarbeiter im Verhältnis zum Auftraggeber (der Behörde) dafür haftbar gemacht werden.

Änderungen bei rechtskonformer Auftragsverarbeitung Die Voraussetzungen für eine rechtskonforme Auftragsverarbeitung haben sich in der DSGVO im Vergleich zum alten Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) etwas verändert. Auftragsverarbeiter müssen hinreichende Garantien dafür bieten, dass sie geeignete technische und organisatorische Maßnahmen (TOM) umgesetzt haben, damit die Verarbeitung von personenbezogenen Daten im Einklang mit den Anforderungen der DSGVO erfolgt und den Schutz der Rechte der Betroffenen gewährleistet. Als Nachweis der Konformität ist in der DSGVO eine datenschutzspezifische Zertifizierung vorgesehen (Art. 42 DSGVO). Zertifikate dürfen gemäß Art. 42 Abs. 5 DSGVO nur von den Aufsichtsbehörden oder akkreditierten Zertifizierungsstellen ausgestellt werden. Derzeit liegen jedoch die Kriterien für die Zertifizierung, um den Anforderungen an Compliance zu genügen, noch nicht vor. Als weitere Form der Konformitätsfeststel-

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

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Dies bildet die Einstiegsstufe des Nachweises, den man häufig bei kleineren Anbietern findet, da Zertifizierungen teuer und aufwendig sind. Das ist nicht gleichbedeutend damit, dass das Sicherheitsniveau nicht ausreichend ist und sollte nicht per se Misstrauen wecken. Dennoch sollte ein Cloud-Anwender die Aussagekraft des Nachweises einschätzen können, um zu beurteilen, ob dadurch die eigenen Sicherheitsvorgaben eingehalten werden. Dazu empfiehlt es sich, die Nachweise und Berichte genau zu prüfen. Das setzt wiederum ein gewisses Maß an Kompetenz voraus, das nicht ohne Weiteres vorhanden ist, gerade in kleinen Kommunen. Sofern man nicht auf die Kompetenz Dritter zurückgreifen kann oder möchte, ist der eigene Kompetenzaufbau unerlässlich, um fundierte Entscheidungen für oder gegen eine Cloud-Lösung zu treffen, zumal man sich der Verantwortung nach außen nicht entledigen kann. Die entsprechende Umsetzung der Anforderungen und Pflichten der DGSVO macht den Unterschied. Soll heißen: Eine DSGVOkonforme Nutzung von Cloud ist möglich. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Um alle Anforderungen der DSGVO zu erfüllen, ist die gesamte Behörde mit ihren Datenverarbeitungsprozessen und Auftragsverarbeitern zu untersuchen.

“Unser Kerngeschäft war immer die Personalvermittlung, Interamt hatten wir ursprünglich vor dem Hintergrund des Telekom-eigenen Personalumbaus gegründet. Unsere Beamten sollten auf einer Plattform übersichtlich über Vakanzen im Öffentlichen Dienst informiert werden”, erzählt Dr. Matthias Schuster, Sprecher der Geschäftsleitung bei Vivento. “Heute hat sich die Situation geändert, die überwiegende Anzahl an Vermittlungen findet über unseren Vertrieb statt.” Die Bedeutung von Interamt für die Personalvermittlung von Telekommitarbeitern habe vor diesem Hintergrund tendenziell abgenommen. Gleichzeitig sei das Portal für viele Bereiche des Öffentlichen Dienstes immer attraktiver geworden. Daher stand für Vivento irgendwann die Frage im Raum, wer das Portal weiterentwickeln und betreiben könne. “Wir haben daher einen geeigneten Partner gesucht, der über das Know-how und die entsprechende Rechenzentrums-Infrastruktur verfügte, um den Dienst in die Zukunft zu führen”, so Schuster weiter. Gefunden hat Vivento diesen Partner in der DVZ M-V GmbH, dem IT-Dienstleister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. “Wir sind im Markt als Dienstleister etabliert und haben sowohl Erfahrung mit bundesweiten Projekten als auch darin, passgenaue Produkte für unsere Kunden zu entwickeln”, sagt DVZ-Geschäftsführer Hubert Ludwig. Da man es bei Interamt mit hochsensiblen Informationen von Bewerbern zu tun habe, liege ein besonderer Fokus darauf, den Datenschutz weiterhin auf hohem Niveau sicherzustellen – eine Kernkompetenz im Rechenzen­trumsbetrieb des BSI-zertifizierten Dienstleisters. “Wir haben hier die Chance, unser Portfolio um ein interessantes Produkt zu erweitern, das als Marke bereits etabliert ist”, freut sich Ludwig. Was 2008 als

reine Jobbörse begann, ist in den letzten Jahren durch Vivento zur vollständigen Bewerbermanagementlösung ausgebaut worden. Behörden können nicht nur Stellen über Interamt ausschreiben, sondern auch Bewer-

bungen einholen und den gesamten Einstellungsprozess von der Kandidatenauswahl bis hin zur Besetzung organisieren. Monitoring-Werkzeuge ermöglichen eine Auswertung aller Teilschritte zur Steuerung und Optimierung des Recruiting-Prozesses.

Betreiberwechsel als schrittweise Transformation Um den Betreiberwechsel von Vivento zum DVZ für die Kunden und Nutzer nahtlos zu gestalten, erfolgt die Transformation schrittweise. “Seit dem 1. April wird bereits das Servicecenter durch das DVZ betrieben, zum Juli wird dann der Rechenzentrumsbetrieb migriert”, erklärt Schuster. “Zum 1. Januar 2020 wird der Übergang mit der Übertragung der Kundenverträge abgeschlossen.” Und Ludwig ergänzt: “Mit der großzügigen Übergangszeit stellen wir die Verfügbarkeit sicher. Eine bundesweite Plattform darf nicht von heute auf morgen ausfallen, dafür hätten die Kunden kein Verständnis.” Für das neue Produkt im Portfolio will das DVZ bis zu zehn neue Mitarbeiter einstellen. Darunter könnten auch ViventoMitarbeiter sein, die schon heute den neuen Betreiber unterstützen, um den Wissenstransfer in der Übergangsphase zu gewährleisten. “Für die Kunden wird der Wechsel nicht spürbar sein”, versichert Ludwig, “abgesehen davon, dass ein Vertragswechsel stattfinden wird. Nächstes Jahr sind wir dann in der Situation,

als öffentliches Unternehmen eine bundesweit einheitliche Lösung über alle Verwaltungsebenen hinweg zu betreiben.” Der DVZ-Geschäftsführer hofft, dass damit auch ein Impuls für die Verwaltungsdigitalisierung gesetzt werden kann. “Was beim Bewerbermanagement funktioniert, sollte doch auch bei der Kfz-Anmeldung oder anderen Verwaltungsdiensten funktionieren.” Um die Sichtbarkeit noch zu verbessern, soll das Stellenportal als Pilotprojekt in der nächsten Sitzung des IT-Planungsrates präsentiert werden.

Stärkung der Arbeitgebermarke Öffentlicher Dienst Das DVZ will Interamt nach dem Übergang weiter zu einer umfassenden Recruiting-Plattform ausbauen und den Öffentlichen Dienst damit als Arbeitgebermarke stärken. “Behörden müssen sich im Kampf um Fachkräfte im direkten Wettbewerb behaupten”, betont Ludwig. “Interamt bietet dem Öffentlichen Dienst die Möglichkeit, sich mit einer eigenen modernen Plattform abzuheben.” Bei der Weiterentwicklung müsse der Fokus noch mehr auf die Bewerber gerichtet werden. “Die Plattform muss vor allem die jungen Talente ansprechen, die komfortable Online-Dienste aus ihrem Privat- und Berufsleben gewohnt sind und vielleicht noch nie Bewerbungen postalisch abgeschickt haben.” Um passgenaue Lösungen im Sinne der Kunden zu entwickeln, werde ein Anwenderbeirat aus Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen gegründet, um die DVZ M-V GmbH bei der Weiterentwicklung des Produktes zu beraten und Einfluss auf “IHR” zukünftiges Stellenportal zu nehmen. Eines steht dabei für ViventoGeschäftsleiter Schuster schon jetzt fest: “Das DVZ wird als Teil des Öffentlichen Dienstes Interamt noch enger an den spezifischen Bedarfen und Prozessen ausrichten können.”

29. August 2019, Mainz

Digitale Verwaltung RLP Innovativ, leistungsfähig und nutzerorientiert für Bürger und Wirtschaft

Seminar im Oktober Worauf es ankommt, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und auf welche Besonderheiten bei der Cloud-Nutzung noch zu achten ist, erfahren Interessierte im Rahmen des Seminars zum Thema “Cloud und DSGVO – Gegensätze ziehen sich an?!”, welches der Behörden Spiegel in Kooperation mit eGovCD (eGovernment Consulting and Development GmbH) am 16. Oktober 2019 in Berlin durchführt. Weitere Informationen zum Programm des Seminars “Cloud und DSGVO – Gegensätze ziehen sich an?!”, eine Anmeldemöglichkeit sowie Hinweise auf das weitere Seminarangebot stehen online unter www.fuehrungskraefte-forum. de zur Verfügung.

Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat Mitte 2018 die Strategie „Digitale Verwaltung Rheinland-Pfalz“ beschlossen. Ohnehin schreitet die digitale Transformation der Behörden im Land und in den Kommunen bereits seit Jahren voran – mit zunehmender Dynamik. Der erstmalig stattfindende Kongress bietet eine Plattform, um sich über das breite Spektrum bereits laufender und geplanter Vorhaben zu informieren und auszutauschen.

www.dv-rlp.de #dvrlp19

Schirmherr der Veranstaltung: RANDOLF STICH, Staatssekretär und Amtschef im Ministerium für Inneres und Sport Rheinland-Pfalz, IT-Beauftragter der Landesregierung

In Kooperation mit

Eine Veranstaltung des


Informationstechnologie

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“F

Behörden Spiegel / Juni 2019

Souverän digitalisieren

unktionsfähige IT-Systeme zu betreiben, ist heute eine zentrale Staatsaufgabe und Teil der Daseinsvorsorge”, so Matthias Kammer, Senatsdirektor a. D. “Ein Staat, der seine Kommunikationssysteme und die sensiblen (BS/stb) Beim Staats- und Verwaltungshandeln geht ohne Informationstechnologie nichts. Wenn die Funktionsweise und Sicherheit der IT in der Daten seiner Bürger nicht schüt- Hand fremder Mächte liegt, steht die Souveränität des Staates infrage. Souveränität zurückgewinnen heißt aber nicht Abschotten, sondern Komzen kann, ist eigentlich nicht sou- petenzaufbau: Es gilt, Technologie zu verstehen und beherrschbar zu machen. verän.” Gewährleistet ist dieser Schutz nicht. Das zeigen aktuelle urteilen und die Rahmenbedin“Kleine Länder wie Dänemark auf nikern forciert werde, sei ein Irrder einen und Autokratien auf der tum. “IT-Abteilungen sind oftmals Diskussionen um mögliche Hin- gungen mitgestalten zu können.” anderen Seite profitieren von kür- sehr zurückhaltend, was neue, tertüren in Huawei-Netztechnik. Unterstützung könne man von zeren Entscheidungswegen und disruptive Lösungen und MethoDer chinesische Hersteller sei hiesigen Wirtschaftspartnern wie zentraleren Strukturen.” Mehr den angeht.” Vielmehr bestehe aber nur “pars pro toto” in der dem Systemintegrator Bechtle Diskussion, stellt Kammer klar. erhalten. Tempo erfordere in Deutschland oft die Tendenz, funktionierende Modelle und Systeme so lange Auch Produkte von Unternehmen größere Anstrengungen. aus verbündeten Staaten seien zu Mithalten und mitreden Das Auswärtige Amt befasse sich wie möglich aufrechtzuerhalten. hinterfragen. “Für den Staat muss auch intern stark mit der Digi- Thölken: “Digitalisierung braucht Wie groß die Herausforderunnachvollziehbar sein, was die gen sind, macht Botschafter Dr. talisierung, so der Botschafter. immer eine Strategie und muss Technik tut. Die IT-Infrastruktur Hinrich Thölken, SonderbeaufDerzeit werde an einer Strategie von Entscheidern zielgerichtet muss nachprüfbar sicher sein.” tragter für internationale Digifür die nächsten Jahre gearbeitet. vorangetrieben werden.” Zwar sei klar, dass es für viele talisierungspolitik und digitale Der Sonderbeauftragte im Auswärtigem Dabei gehe es nicht nur darum, Dem stimmt auch Swen Tintelott Produkte keine Alternativen gebe. Transformation im Auswärtigen Amt, Dr. Hinrich Thölken, sieht in der neue Technologien wie KI ein- vom bundeseigenen IT-Dienstleis“Aber da, wo es geht, sollten wir Amt (AA), klar. Deutschland und Digitalisierungsfähigkeit einen entschei- zuführen, obwohl auch damit ter ITZBund zu: “Digitalisierung uns durchaus mehr auf deutsche Europa stünden zwischen zwei denden Faktor für die internationale bereits im AA gearbeitet werde. heißt weit mehr als die Einfühund europäische Lösungen aus- technologischen Sphären, die Wahrnehmung Deutschlands. Wichtig sei es vor allem, sich agil rung neuer Technologie in die Foto: BS/Stiebel und flexibel aufzustellen, um im Verwaltung.” Es müsse vor allem richten”, so Kammers Empfehlung weitgehend die Geschicke lenk- technischen Wandel besser zu um Optimierung und Standarauf einem Politischen Frühstück ten. Auf der einen Seite die USA, des Behörden Spiegel im Berliner in denen das Motto zugespitzt größere Rolle in der Wertschöp- bestehen und auch für junge, disierung von Prozessen gehen. Hotel Adlon. Wenn Kommunen lautete: Machen, was technisch fung spielen.” Geschäftsmodelle talentierte Kräfte als Arbeitgeber Hier habe es in der VergangenPayPal für die Bezahlung von möglich ist. Auf der anderen Sei- müssten sich hier stark wandeln. attraktiv zu bleiben. “Wir müssen heit noch zu wenig Fortschritte Knöllchen zuließen, käme dies te China, wo die Industrie weit- Gute Ansätze sehe man in der die Digitalisierung nach innen gegeben. Das allgegenwärtige einer Bankrotterklärung des Staa- gehend staatlich gesteuert und Industrie 4.0. Um mithalten zu leben, um auch in den nächsten Thema Digitalisierung treibe tes gleich. “Die Verwaltung muss gefördert werde. “Uns steht hier können, müssten aber auch die Jahren und Jahrzehnten nach die Ressorts auf Bundesebene sich insgesamt stärker professio- ein großes Experiment bevor”, Rahmenbedingungen stimmen. außen als seriöser Akteur und aber zu mehr Zusammenarbeit. nalisieren”, fordert Kammer. “Sie so Thölken. “Unser Wohlstand Und die würden wesentlich auch Mitgestalter wahrgenommen zu Als Leiter der Abteilung VI “PVS Bund” beim ITZBund verantwormuss Kompetenzen aufbauen, beruht bisher zum großen Teil auf durch Staat und Verwaltung ge- werden”, erklärt Thölken. Die Vorstellung, dass Digitali- tet Tintelott ein großes Standarum mehr IT selbst betreiben und Produktion. Wir sehen aber, dass staltet. Andere seien da deutlich Technologie insgesamt besser be- digitale Plattformen eine immer schneller, räumt Thölken ein. sierung vor allem von den Tech- disierungsprojekt im Rahmen der

Technologie beherrschen

Neue kollaborative Arbeitskultur

B

ehörden Spiegel: In letzter Zeit ist – auch in Bezug auf die öffentliche Verwaltung – vermehrt von “agiler Transformation” die Rede. Was ist darunter zu verstehen?

Baumgärtner: Kurz gesagt ist agile Transformation die Umstellung der Arbeitsweise und der Arbeitshaltung. Agilität stellt nicht oder zumindest nicht in erster Linie die Anwendung “moderner, digitaler Techniken” dar, auch wenn oft dieser Eindruck entsteht. Zumindest ist das nicht das, was meine Kollegen und ich unter “Agilisierung der Verwaltung” verstehen. Vielmehr bedeutet es für uns eine ganz grundlegende Änderung der Arbeitskultur – nämlich der Übergang der Arbeit von Einzelzuständigkeiten und “Silos” hin zu kollaborativen Teams, die selbstorganisiert, kundenzentriert und fokussiert arbeiten. Digitalisierung ohne Agilisierung wird nicht funktionieren, denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ein nicht funktionierender Prozess wird auch nach der Digitalisierung nicht funktionieren. Agile Methoden helfen hingegen, den Prozess zu verbessern. Öffentliche Verwaltungen haben längst erkannt, dass sich Bürger

“D

ie Reisewirtschaft ist insgesamt in der Digitalisierung der Nachfrage und des Angebots vielen anderen Branchen um Jahrzehnte voraus.” Zu dieser rundum positiven Einschätzung kommt der Verband Deutsches Reisemanagement e. V. (VDR) in seiner jährlich erscheinenden VDR-Geschäftsreiseanalyse. Die Voraussetzungen für die Abbildung medienbruchfreier Dienstreiseprozesse im behördlichen Umfeld sind also sehr gut, da die notwendigen Tools in der erforderlichen Marktreife verfügbar sind. Zudem gibt es wenige interne Prozesse, die sich besser dafür eignen, digital abgebildet zu werden, als die Beantragung, Buchung und Abrechnung einer Dienstreise. Wirft man aber einen Blick hinter die Kulissen, so wird deutlich, dass es für viele Behörden noch ein weiter Weg ist, einen mit E-Mail, Word und Papier gesteuerten Prozess effektiver zu gestalten. Dies wird auch von den

Keine Digitalisierung ohne Agilisierung (BS) Im Zuge der Digitalisierung rückt zunehmend auch “Agilität” bzw. die “agile Transformation” ins Zentrum der Diskussion. Was darunter zu verstehen ist und wie Behörden dieses Thema angehen sollten, ist Gegenstand eines Interviews, welches Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt mit Klaus Baumgärtner, Geschäftsführer des Mannheimer Unternehmens BridgingIT, führte. zeitgemäßere Services wünschen und sich die Zusammenarbeit innerhalb der Verwaltungen und auch mit den Kunden, also den Bürgern, verändern muss. Deshalb gilt es nun, bestehende Prozesse zu hinterfragen und anzupassen. Agile Methoden können dabei helfen. Behörden Spiegel: Wo stehen die Behörden aktuell bei der agilen Transformation? Baumgärtner: In der Wirtschaft ist die agile Transformation bereits voll im Gange. Das zeigt auch unsere Studie, die wir gemeinsam mit der Lünendonk & Hossenfelder GmbH durchgeführt haben. Die Verwaltung steht hier aber noch am Anfang. Dennoch ist das Thema auf den obersten Ebenen und auch in der Politik angekommen und es ist ein wirklich großer Wille zu spüren, etwas zu verändern. Das merke ich nicht nur in den persönlichen Gesprächen, sondern das beweisen auch

die aktuellen Konferenzen und Veranstaltungen wie zum Beispiel der Kongress “Baden–Württemberg 4.0” am 4. Juli in Stuttgart. Meiner Meinung nach ist das Verständnis und der Veränderungswille aller Beteiligten da. Doch die bisherigen Strukturen der Verwaltungen machen die agile Transformation noch sehr, sehr langsam. Behörden Spiegel: Wo liegen die zentralen Herausforderungen für die öffentliche Verwaltung, um diesen agilen Transformationsprozess erfolgreich zu gestalten? Baumgärtner: Die öffentliche Verwaltung, egal ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene, steht Herausforderungen gegenüber, die mit den üblichen Methoden und Strukturen nicht bewältigt werden können. Die Digitalisierung und die damit einhergehende Innovationsgeschwindigkeit hat die Alltagskultur und die Anforderungen der

Bürger enorm verändert und neue Technologien, wie Künstliche Intelligenz oder der steigende Druck durch Unternehmen, werden die Anforderungen weiterhin steigen lassen. Deshalb müssen die Prozesse in Verwaltungen flexibler, effizienter und kunden- bzw. bürgerzentrierter werden. Die Herausforderung ist aber: Verwaltungen bewegen sich in einem sehr formalen und enorm komplexen Umfeld. Prozesse zu ändern, ist aufwendig und oftmals schwierig, weil es sehr viele Abhängigkeiten sowie unzählige Vorschriften, Gesetze und Regulierungen gibt, die einen engen Rahmen für Veränderungen schnüren. Eine weitere Herausforderung ist, das Verständnis bei den Mitarbeitern und Führungskräften für agiles Arbeiten zu schaffen. Denn es bedeutet Abschied von Hierarchien

Klaus Baumgärtner, Geschäftsführer der BridgingIT GmbH, wird am 4. Juli auf dem Kongress Baden-Württemberg 4.0 (www.bw-4-0. de) zum Thema Agilisierung sprechen.

Foto: BS/BridgingIT

und dem klassischen Behördenaufbau. Damit die agile Transformation in der Verwaltung gelingt, sollte man deshalb schrittweise vorgehen. Versuch und Irrtum oder disruptive Veränderungen müssen im Verwaltungsumfeld genau betrachtet werden. Denn der staatliche Auftrag, die Sicherheit und Daseinsvorsorgefunktion der Behörden müssen in unserem Rechtsstaat jederzeit gewährleistet sein. Behörden Spiegel: Wie kann BridgingIT die Behörden auf diesem Weg unterstützen?

Dienstreisemanagement für Behörden Medienbruchfreie Prozesse sind möglich, aber oftmals nicht die Realität (BS/Stephan Göttlicher) Die Voraussetzungen für die Umsetzung medienbruchfreier Dienstreiseprozesse in Behörden sind sehr gut: Die erforderlichen Tools sind vorhanden und Reiseprozesse eignen sich perfekt für die vollständig digitale Abwicklung. Der Blick hinter die Kulissen sieht aber – noch – anders aus. Das könnte man rasch ändern – und damit viel Geld sparen. Landesrechnungshöfen immer wieder in ihren Jahresberichten thematisiert, weil ein optimiertes Dienstreisemanagement großes Einsparpotenzial birgt. Ein Grund für den mäßigen Umsetzungsgrad ist sicherlich darin zu sehen, dass ein vermeintlicher Standardprozess durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet ist. Der Teufel steckt nämlich, wie so oft, im Detail: Die landesrechtlichen Vorgaben zum Dienstreisewesen müssen ebenso beachtet werden wie spezifische Regelungen der Behörde. Dies bedeutet, dass eine vollständige Automatisierung nur dann erfolgreich sein wird, wenn das bisweilen komplexe Dienstreise-Regelwerk vollumfänglich abgebildet werden

kann. Andernfalls wird es nicht gelingen, die Reisestelle von Routineaufgaben zu entlasten.

Der ideale Dienstreiseprozess Wie könnte ein idealer Prozess aussehen? Er bedarf einer Lösung, die sämtliche Prozessschritte in einem System abbilden kann: die Beantragung, Buchung, Abrechnung und Kostenfestsetzung mit automatischer Auszahlung der angefallenen Kosten an den Dienstreisenden. Ein Knackpunkt ist dabei der Prozessschritt “Buchung”, der

Stephan Göttlicher ist Business Development Manager Public Sector bei dem Software Entwicklungs- und IT-Beratungsunternehmen PASS Consulting Group. Foto: BS/studio zeta

unterschiedlich abgebildet werden kann: Variante 1: Strebt die Behörde an, möglichst viele Prozessschritte auf den Dienstreisenden zu verlagern (im Sinne eines Self-ServiceProzesses)? Variante 2: Möchte die Behörde ggf. einen zentralen Dienstleister

etablieren, der die Buchungen der Dienstreisen übernimmt? In beiden Szenarien sollte der Anspruch darin bestehen, den gesamten Prozess digital und ohne manuelle Eingriffe abzubilden. Bei Variante 1 ist es erforderlich, die Reiseangebote und -bestände aus verschiedenen Quellsystemen und von verschiedenen Providern zu integrieren, sodass die Buchung ohne einen Wechsel in andere Systeme erfolgt. Dies spart Zeit (und Kosten), da die Eingaben nicht für jedes Reisemittel separat erfolgen müssen. Bei Variante 2 sollte der Prozess so aufgesetzt werden, dass die Reisestelle die Eckdaten des Antrags (Reiseziel, Datum der Reise etc.) durch das eingesetz-

IT-Konsolidierung. Das Personalverwaltungssystem PVSplus, das auf der früheren Lösung des Finanzministeriums basiert, soll für weite Teile der Bundesverwaltung ausgerollt werden. Im Einsatz ist es unter anderem schon im Auswärtigem Amt und bei der Bundeszollverwaltung. Begonnen habe man im Bundesverwaltungsamt (BVA), das Personaldienstleistungen für andere Behörden übernimmt. So konnte eine große Ablösungswelle ausgelöst werden. Um den Wechsel auch für folgende Kunden zu erleichtern und die Akzeptanz zu steigern, habe das ITZBund mit dem BVA Prozessmodelle zur Einführung sowie Mapping-Dienste zur Datenübertragung aus vorherigen Systemen entwickelt, so Tintelott. Wie der Abteilungsleiter berichtet, seien gerade im Zusammenhang mit Standardisierungsund Zentralisierungsprojekten Ängste der Beschäftigten eine ernst zu nehmende Herausforderung. “Die Mitarbeiter in den IT-Abteilungen fragen sich, was mit ihren Arbeitsplätzen passieren wird.” Hier versichert Tintelott, dass die Arbeit zumindest nicht weniger werde. “Mit der Digitalisierung entstehen ganz neue Rollen und Funktionen, wie die des Architekturmanagers, die durch Beschäftigte in den einzelnen Behörden wahrgenommen werden müssen.”

Baumgärtner: Um die Veränderung realistisch und nachhaltig zu gestalten, sollte man im Kleinen beginnen, Dinge zu verändern und nach und nach zu skalieren. Dazu ist es hilfreich, externe Experten zurate zu ziehen. Meine Kollegen haben umfangreiche Erfahrungen bei der agilen Transformation von komplexen Themen und Projekten. So haben wir zum Beispiel für die DB Netz AG eines der ersten agilen Vorhaben erfolgreich umgesetzt. Daneben sind wir seit vielen Jahren gut vernetzt im öffentlichen Sektor und kennen die Herausforderungen von Verwaltungen sehr gut. Es gibt einige niederschwellige Einstiegsformate wie zum Beispiel einen Lego-Scrum-Workshop, darin können die Teilnehmer das Wissen sofort praktisch anwenden und das wäre dringend nötig, denn die anstehenden Veränderungen müssen trotz aller Vorsicht rasch realisiert werden. Hier brauchen wir die Hilfe der Politik, denn langwierige Vergabeverfahren behindern momentan den gewünschten Fortschritt. Wir sind auf alle Fälle bereit, um die agile Transformation in der Verwaltung zu beschleunigen.

te Dienstreisesystem übermittelt bekommt. Im nächsten Schritt kann die Reisestelle die Buchung direkt vornehmen (ohne erneute Eingabe der Antragsdaten), indem ebenfalls auf die verschiedenen Quellsysteme der Reiseanbieter zugegriffen wird. Wenn es gelingt, die zugrunde liegenden Regelungen für die Dienstreisen in der Lösung exakt abzubilden, wird dies den Aufgabenschwerpunkt der Reisestelle verschieben: weg von einem reinen Dienstleister, hin zu einer Einheit, welche die Compliance überwacht, indem Regelabweichungen zur Überprüfung automatisch durch die Lösung zugesteuert werden. Zudem könnte sie Raum erhalten, die besten Konditionen zu verhandeln. Damit sind gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Der Dienstreisende gewinnt Zeit, die Reisestelle kann sich strategisch besser gegenüber den Reiseanbietern positionieren und die Behörde profitiert in ihrer Gesamtheit.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2019

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Verwaltungsgeneralisten ausbilden Digitalisierung verändert Anforderungen an Hochschulen für den Öffentlichen Dienst (BS/ecp) Mehr als 50.000 Studierende werden aktuell an den Hochschulen für den Öffentlichen Dienst auf Bundesebene und in allen Bundesländern ausgebildet. Mit der Digitalisierung ändern sich auch die Kompetenzanforderungen, die der Nachwuchs mitbringen muss. Gesucht werden heute Verwaltungsgeneralisten mit breiten Digitalkompetenzen. Das bedeutet für die Bereiche Lehre, Forschung und Wissenstransfer weitreichende Anpassungen. Die kürzlich erschienene Studie “Hochschulen für den Öffentlichen Dienst. Grundlagen, Herausforderungen, Zukunftsstrategien” systematisiert die existierende Hochschullandschaft und erarbeitet Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Als Hochschulen für angewandte Wissenschaften (Fachhochschulen) sind die an der Studie beteiligten Hochschulen für den Öffentlichen Dienst auf die Fächer Allgemeine Verwaltung, Polizei, Steuern und Finanzen, Rechtspflege und sonstige öffentliche Fachaufgaben, wie die Archivschule oder die Fachhochschule der Bundesbank, spezialisiert. Sie bilden in der Regel für den (ehemals) gehobenen Verwaltungsdienst aus, der von Besoldungsstufe A9 bis A13 reicht.

Status quo der Hochschulen für den Öffentlichen Dienst Die Mehrzahl der Hochschulen verfügt, abgesehen von den großen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und beim Bund, über rund 1.500 Studierende je Hochschule, so die Studie. Die bundesweiten Hochschulen sind mit über 50.000 Studierenden weitaus größer. Entsprechend differenziert gestalten sich die Lehre und die Lehrinhalte der über 150 Studiengänge. Mehr als der Hälfte der Hochschulen für den Öffentlichen Dienst bildet Anwärterstudierende mit Beamtenstatus aus. Die Studierenden können sich über eine Behörde bewerben und werden anschließend zum Studium zugelassen. Auch nach dem Bologna-Prozess schließt mehr als ein Drittel der Absolventen mit einem Diplom ab. Dies gilt insbesondere für die Fachrichtung Finanzen und Steuern.

Ursprünglich der reinen Ausbildung des gehobenen Verwaltungsdienstes gewidmet, müssen die Hochschulen auf den Personalbedarf aus den Verwaltungen reagieren.

Digitalisierung als zentrale zukünftige Herausforderung Von den Absolventen wird erwartet, mit breiten Digitalkompetenzen ausgestattet, den Modernisierungsvorhaben sowie wechselnden Einsatz- und Aufgabenbereichen begegnen zu können. Gleichzeitig werden sie angesichts des demografischen Wandels einer großen Anzahl altersbedingt ausscheidender Beamten sowie Angestellten gegenüberstehen. Diese Erwartungen müssen in der Qualität und Quantität der Hochschulen abgebildet werden. Das umfasst die Digitalisierung der Lehre. Hier haben die Hochschulen für den Öffentlichen Dienst sowie Aus- und Fortbildungseinrichtungen mit der “Bundesarbeitsgemeinschaft digitale Lehre” früh den Austausch von Wissen, Informationen und Materialien bis hin zu typischen Lerneinheiten ermöglicht. Dazu dient die gemeinsam betriebene ILIAS-Lernplattform. Bei der Digitalisierung der Hochschulverwaltung sind die Hochschulen selbst in der Verantwortung, E-Government um- und einzusetzen, wie es zum Beispiel bei der Bewerbung und Immatrikulation teilweise erfolgt ist.

Digitale Prozesse innerhalb der Hochschulverwaltung müssen jedoch nachziehen.

Mehr Diversifizierung, Anreize und Kooperationen Für die Praxispartner werden mehr digitales Wissen und Informatik einschließlich IT-Sicherheit, Führung sowie soziale Aspekte in Zeiten der Digitalisierung immer wichtiger. Dies muss sich in der wissenschaftlichen Ausbildung, der Organisation von Praxisprojekten, der angewandten Forschung und dem Wissenstransfer widerspiegeln. Gelingen kann dies unter anderem durch die Diversifizierung der Lehrangebote, die Schaffung eines Anreizsystems für wissenschaftliches Personal und zunehmenden Kooperationen und Pilotprojekten.

Zur Studie Die Studie “Hochschulen für den Öffentlichen Dienst. Grundlagen, Herausforderungen, Zukunftsstrategien” wurde im Auftrag des Präsidiums der Rektorenkonferenz von Prof. Dr. Jürgen Stember verfasst. Er lehrt an der Hochschule Harz Verwaltungswissenschaften und ist Präsident der Rektorenkonferenz der Hochschulen für den Öffentlichen Dienst. Die Studie wurde durch repräsentative empirische Bestandsuntersuchungen und -analysen über einen Zeitraum von rund vierzehn Monaten erstellt.

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Fehlende Nutzerorientierung Wartenummer statt Doppelklick bei Behördengängen (BS/Sabrina Dietrich/Constanze Burbach*) Schnell noch am Abend nach dem Umzug per Smartphone die neue Adresse ummelden – es könnte so einfach sein. Aber Behördengänge bequem vom Sofa aus zu erledigen, bleibt weiterhin Wunschtraum. Dabei ist nicht allein das mangelnde Diensteangebot das Problem. Für die Studie “eGovernment MONITOR” guckte sich die Initiative D21 in Zusammenarbeit mit fortiss genauer an, wie Angebote zur digitalen Identifikation in Hinblick auf digitale Behördengänge genutzt werden. Dazu wurde die Online-Bevölkerung in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt, ob sie bereits technisch dafür ausgerüstet ist bzw. die Technik zur Abwicklung von Behördengängen nutzt. In Deutschland besitzen zwar bereits 69 Prozent aller Onliner einen Personalausweis im Scheckkartenformat, aber nur bei 22 Prozent ist die OnlineAusweisfunktion (eID-Funktion) freigeschaltet. Um diese vollständig nutzen zu können, muss auf eigene Kosten ein spezielles Lesegerät angeschafft werden. Nur sechs Prozent der Befragten besitzt ein solches Gerät und damit alle Voraussetzungen für eine digitale Identifikation zur Nutzung von E-GovernmentAngeboten. Ein Blick in das Nachbarland Österreich zeigt: Auch hier gibt es ähnliche Angebote. Österreichische Bürger/-innen können

6%

Nur sechs Prozent besitzen ein Lesegerät zur ­digitalen Identifikation per Online-Ausweisfunktion ihres Personalausweises. zwischen der Handy-Signatur und einer aktivierten Bürgerkarte wählen. Ein gutes Drittel nutzt diese Dienste bereits. Die technische Ausstattung mag damit in Österreich zwar deutlich besser sein als in Deutschland. Die Verbreitung hält sich allerdings in beiden Ländern in Grenzen, so die Ergebnisse der Umfrage im Rahmen des eGovernment MONITORs. Ein Grund dafür könnte das jeweilige technische Verfahren selbst sein. Es hat sich gezeigt: Bürger/-innen – egal ob in Deutschland oder Österreich – wünschen sich einheitliche Verfahren, die sie bereits aus privater Nutzung beim OnlineBanking oder -Shopping kennen. Am häufigsten verwenden sie hier zur Identifikation Benutzerna-

me und Passwort, dicht gefolgt von PIN/TAN-Verfahren. Diese Systeme punkten dementsprechend auch bei der Frage nach der gewünschten ID-Methode für digitale Behördengänge: Auch den Bestätigungslink per E-Mail können sich immerhin noch ein Fünftel aller Befragten als geeignetes Werkzeug zur Identifikation vorstellen. Für attraktive digitale Behördendienstleistungen muss umgedacht werden. Die Nutzerfreundlichkeit muss das A und O bei E-Government werden, sonst werden alle Anstrengungen und alle Investitionen auch weiterhin als nutzlos verpuffen. * Sabrina Dietrich ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Initiative D21, Constanze Burbach studentische Praktikantin.

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Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Juni 2019

“Kulturwandel Digital 2020” für NRW

Den Turbo zuschalten

Die “Smarte Verwaltung 4.0” an der Schwelle des neuen Jahrzehnts

Innovatives Management 2019 in Lübeck

(BS / Wilfried Kruse) Zum 3. Mal wird in diesem Jahr der Kongress “e-nrw” in der Stadthalle / Dorint Hotel in Neuss am Stadtpark stattfinden und wieder zahlreiche Teilnehmer / -innen zum stark gewachsenen Digitalkongress in NRW ins Rheinland führen; im letzten Jahr waren es ca. 600 Gäste und Partner, die Programm, Austauschmöglichkeiten und die komfortable, große neue Location, Top-Service inklusive, durchgängig wieder genießen konnten und mit hohem Lob bedachten.

(BS) Der Motor der globalisierten Welt heißt Digitalisierung. Sie gibt Takt und Tempo vor – auch in der öffentlichen Verwaltung. Wie die Modernisierung in Behörden zukünftig noch schneller und besser gelingen kann, diskutieren Entscheider aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft am 30. Oktober 2019 auf dem Kongress “Innovatives Management” in Lübeck.

Unmittelbar nach seiner vielbeachteten Keynote im letzten Jahr hatte Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW, spontan auch für die Kongresseröffnung am 7. November 2019 zugesagt. Nach der im Landtag im April von ihm vorgestellten Digitalisierungsstrategie für NordrheinWestfalen wird seine Ansprache sicher wieder ein absoluter Programmhöhepunkt sein. Die Kongressteilnehmer / -innen werden mit Spannung erwarten dürfen, was auf Basis der Strategie im Jahre 2019 bereits erreicht ist und was die digitalen Szenarien für die kommenden Jahre, für die neue Dekade für NRW und darüber hinaus sind. Die inhaltliche Programmplanung – zum achten Mal in der Verantwortung von IVM² und zu Jahresbeginn begonnen – ist bereits so weit fortgeschritten und mit dem NRW-CIO Hartmut Beuß diskutiert, dass das Gesamtprogramm in Kürze auf der Website des Behörden Spiegel erscheinen und buchbar sein wird. Im November dieses Jahres stehen wir an der Schwelle zum Jahr 2020 und somit an der Schwelle zu einer neuen Dekade. Der Behörden Spiegel-Kongress “e-nrw” ist als führender Digitalisierungskongress am 7. November sehr nah an diesem Wendepunkt: Ein

“e-nrw” will mit seinem diesjährigen Programm insoweit wichtige und notwendige Impulse für die digitale Ära der nächsten zehn Jahre, für einen “Kulturwandel Digital 2020” für NRW setzen: Foto: BS / privat An der Schwelle zum nächsten Jahrzehnt ist eine “Smarte Verwaltung 4.0” für die nächsten ­Jahre mehr denn je gefordert und unverzichtbar. Was sie im Einzelnen ausmachen und prägen muss, wird auf “e-nrw” intensiv zu diskutieren sein. Hochrangige Referentinnen und Referenten werden dazu ihre Beiträge leisten und wertvolle Impulse für die Diskussion geben.

Wilfried Kruse, Geschäfts­ führender Gesellschafter IVM 2 ist fachlicher Leiter und Modera­tor des Verwal­ tungskongresses “e-nrw”, den der Behörden Spiegel am 7. November in Neuss veranstaltet. Weitere Infor­ mationen und Anmeldung unter: www.e-nrw.info

besonderer und ausschlaggebender Grund, das Programm mit weitem Blick auch darauf auszurichten, was in Sachen Digitalisierung Staat, Kommunen, Gesellschaft, Wirtschaft, Bürger / -innen, die öffentliche Verwaltung an erster Stelle, an Veränderungen, He­rausforderungen und Entwicklungen in der kommenden Dekade betreffen und bestimmen wird.

Das OZG, Geschäftsprozess­ optimierung, Arbeit 4.0, KI, Blockchain, neue Strategieansätze und Kooperationsformen, IT Sicherheit, erste Ergebnisse aus den NRW-Modellkommunen und vieles mehr wird konkret auf der Tagesordnung stehen und aus verschiedenen Blickwinkeln und konkreten Erfahrungen beleuchtet werden.

Wissenstankstellen “e-nrw” wird dazu auch in diesem Jahr wieder hervorragende Möglichkeiten und “Wissenstankstellen” bieten, eigene Digitalisierungsstrategien, ihre Ziele, Herausforderungen und Umsetzungschancen auf Grundlage der Vorträge und vieler Gespräche während des Kongresses neu zu beleuchten, zu hinterfragen, auszutauschen und im Ergebnis innovativ zu befruchten.

Rund 50 Expertenbeiträge Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Kongresspartner und Aussteller erwarten mit diesem besonderen Anspruch in diesem Jahr dazu wieder über die Beiträge im Hauptprogramm hi­naus zwölf thematisch gebündelte Fachforen. Insgesamt werden ca. 50 Beiträge hochrangiger Referentinnen und Referenten den Kongress unter dieser Leitprämisse prägen.

Zukünftige IT-Strategien in Nordrhein-Westfalen 7. November 2019 Düsseldorf / Neuss

Jan Lindenau, Wolfgang Kubicki, Sven-Gabor Janszky, Ina-Maria Ulbrich, Saskia Esken, Dr. Ariane Berger, Prof. Dr. Hermann Hill, Dr. Markus Richter – namhafte Rednerinnen und Redner aus unterschiedlichen Branchen schaffen mit Fakten und spannenden Thesen die Basis für einen lebendigen Diskurs. Mindestens genauso viele Themen wie Referenten stehen in der öffentlichen Verwaltung auf der Agenda – eines wichtiger als das andere. Digitalisierung ist unbestritten eines davon. Doch verglichen mit der Privatwirtschaft und mit anderen Ländern verläuft die Digitalisierung in deutschen Verwaltungen noch nicht schnell genug. Der Ruf nach mehr Tempo wird zunehmend lauter.

Stärkere Interaktion ­erforderlich Der Kongress “Innovatives Management” liefert die Antwort: Es bedarf einer stärkeren Interaktion von Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft. Denn Kooperationen bringen nicht nur Wirtschaftsunternehmen voran, auch Verwaltungen erkennen zunehmend die Vorteile. Das Joint Innovation Lab aus Lübeck steht als neu gegründetes Digitalisierungslabor und Veranstaltungspartner exemplarisch für diesen kollaborativen Ansatz und zeigt, wie die enge Zusammenarbeit der Disziplinen die Entwicklung leistungsfähiger digitaler Innovationen in der öffentlichen Verwaltung fördert. Rolf Sahre, Gastgeber der Veranstaltung und Vorstandsvorsitzender der MACH AG, lädt alle Führungskräfte und Nachwuchsführungskräfte aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft nach Lübeck ein: “Der Kongress bietet seit fast 20 Jahren ideale Möglichkeiten, sich aus dem Tagesgeschäft zu lösen und durch das Gespräch mit anderen Bereichen und Disziplinen neue Perspektiven für die brennenden Fragen von heute und morgen zu entwickeln. Wir erwarten auch in diesem Jahr wieder rund 300 Entscheider. Schon jetzt freue ich mich auf einen bereichernden Austausch und kann auch mit Blick auf das Programm versichern: Es lohnt sich unbedingt, nach Lübeck zu kommen!” Insgesamt vier Impulsvorträge bilden den Rahmen der hochkarätigen Veranstaltung. Wolfgang Kubicki, MdB und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, wird die Impulsreihe eröffnen und in das Kernthema des Kongresses einführen.

Fokus Zukunft: Lebenswelten 2030 Während derzeit die Digitalisierung von Prozessen wie Aktenführung, Personal- und Finanzmanagement, Beschaffung und Rechnungsverarbeitung läuft und Bürgerleistungen im Zuge des Onlinezugangsgesetzes online abgebildet werden, gilt es, den Blick bereits heute in die Zukunft zu richten. Autonomes Fahren, Smart Cities, Robotik und virtuelle Assistenten – Sven-­ Gabor Janszky, der renommierteste Zukunftsforscher Deutschlands und eine Koryphäe seines Fachs, zeichnet ein klares Bild

für das Jahr 2030 und entmystifiziert die Themen der Zukunft.

Digitalisierung mehr als ein Hype Letztendlich verbirgt sich hinter der Digitalisierung mehr als ein kurzfristiger Trend: Sie schafft nachhaltige Lösungen für aktu­ elle Herausforderungen wie den demografischen Wandel und fehlende Fachkräfte und begegnet steigenden Anforderungen beim effizienten Einsatz knapper Ressourcen. Zugleich steht die Digitalisierung exemplarisch für ein neues Denken und Handeln in der Verwaltung und bildet so die Grundlage für die Modernisierung von Städten, für E-Mobilität und E-Health. Passend dazu tritt InaMaria Ulbrich, Staatssekretärin im Ministerium für Energie, In­ frastruktur und Landesentwicklung des Landes MecklenburgVorpommern, in den Praxisdialog.

Mehr Tempo durch ­Kollaboration? Gelingt es, durch kollaboratives Arbeiten den nächsten Gang in der Verwaltungsmodernisierung einzulegen? Dieser Frage geht die Podiumsdiskussion u. a. mit diesen Diskutanten nach: • Dr. Ariane Berger, Referentin für E-Government und Verwaltungsorganisation beim Deutschen Landkreistag und Mitglied des IT-Planungsrates, • S askia Esken, Mitglied des Deutschen Bundestages und der Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potentiale”, • Prof. Dr. Hermann Hill, Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft und Öffentliches Recht, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, • Dr. Markus Richter, Vizepräsident des Bundesamtes für Mi­­ gration und Flüchtlinge (BAMF). In zehn Werkstätten werden die Erkenntnisse der Impulsvorträge sowie der Podiumsdiskussion schließlich genauer betrachtet. Neben praxisnahen Sessions, die beleuchten, wie die Umsetzung von Kooperationen im Alltag gelingen kann, stehen Themen wie Smart City oder das Onlinezugangsgesetz als Einsatzfelder für kollaboratives Arbeiten auf der Agenda.

Geschäftsidee trifft ­Zukunftstechnologie Künstliche Intelligenz, Augmented Reality, Blockchain – zum Abschluss des Tages teilen junge Unternehmen ihre Geschäftsideen rund um Zukunftstechnologien in einem Start-up-Pitch. Jan Lindenau, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, wird die Runde einleiten und den Fokus vor allem auf die Methoden und Herangehensweisen der Gründer richten. Die Kongressteilnehmer erfahren, wie Start-ups Neuem begegnen, wie sie mit Herausforderungen umgehen und kollaborativ arbeiten. Der Behörden Spiegel ist auch in diesem Jahr wieder Medienpartner des Kongresses. Weitere Informationen zum Programm und eine kostenfreie Anmeldung zu “Innovatives Management” unter: www.mach.de/ima


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juni 2019

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Fazit nach einem Jahr Digitale Agenda

Digitales Gründerland werden

Digitalisierungsminister stellt Zwischenbericht vor

Förderinitiativen sollen NRW attraktiv machen

(BS/wim) Der mecklenburg-vorpommerische Digitalisierungsminister Christian Pegel hat im Schweriner Kabinett einen Zwischenbericht zum Umsetzungsstand der Digitalen Agenda für das Land vorgestellt. Die Agenda war vor einem Jahr vorgestellt worden und befinde sich auf einem guten Weg, so das Fazit des Ministers: “Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Ein Jahr ist aber kurz im Hinblick auf die umfangreichen Prozesse, die wir im Zuge der digitalen Revolution in Bewegung setzen müssen. Wir haben vieles angestoßen, es ist aber auch noch viel zu tun. Zumal Digitalisierung niemals ein abgeschlossener Prozess sein wird.”

(BS/wim) Nordrhein-Westfalen sieht sich bei der Attraktivität seines Standortes für Start-ups auf einem guten Weg. Laut den Ergebnissen des ersten Nordrhein-Westfalen “Startup Monitors” (NRWSM) habe sich das Land in den letzten Jahren “zu einem der aktivsten und attraktivsten Gründungsstandorte Deutschlands” entwickelt. Hier entstehen innovative Technologien von denen insbesondere Geschäftskunden profitieren. Der “Startup Monitor” wurde vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsund Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart gemeinsam mit Florian Nöll, Vorstandsvorsitzender beim Bundesverband Deutsche Startups e. V., in Düsseldorf vorgestellt.

So habe der vom Land geförderte flächendeckende Breitbandausbau an Fahrt aufgenommen. “Am kommenden Donnerstag feiert auch der Landkreis Rostock offiziell den ersten Spatenstich. Damit hat dann in allen Landkreisen der Ausbau des Glasfasernetzes begonnen”, so Pegel. Die Bewilligungszeiträume für die einzelnen Projekte enden je nach Projektbeginn zwischen 2019 und 2021. Zur Daseinsvorsorge zählt die Landesregierung auch eine flächendeckende Versorgung seiner Bürger mit Mobilfunk. “Nach Erfüllung der Versorgungsauflagen aus den Frequenzversteigerungen 2015 und den bevorstehenden Versteigerungen wird es weiterhin weiße Flecken in den Flächenländern geben. Dafür brauchen wir eine Lösung. Die Auflagen für die Mobilfunknetzbetreiber müssen auf 100 Prozent erhöht werden, und zwar 100 Prozent der Fläche”, fordert der Minister im Namen der Landesregierung. Neben ihrem Einsatz für diesen Zweck auf Bundesebene lege die Regierung selbst ein Förderprogramm mit zunächst 50 Millionen Euro auf. Diese Summe sei zum Ausbau der Mobilfunkversorgung in Regionen gedacht, die wirtschaftlich nur schwer zu erschließen seien. “Dazu erarbeitet das Digitalisierungsministerium zurzeit die Richtlinien”, erklärte Pegel.

Serviceportal M-V ab Sommer Ein weiteres zentrales Vorhaben aus der Digitalen Agenda ist der Aufbau einer Internetplattform, über die Bürger und

Unternehmen von jedem Ort und zu jeder Zeit online auf Verwaltungsdienstleistungen zugreifen können. Dieses soll laut Minister Pegel noch in diesem Halbjahr an den Start gehen und den Namen “MV-Serviceportal” tragen. Die ersten angebotenen Leistungen sollen u. a. das Ausstellen von Geburts- und Sterbeurkunden, die An- und Abmeldung eines Gewerbes sowie das Anmelden von Versammlungen sein. “Dieses Portal ist ein Beispiel dafür, dass Digitalisierung nicht von heute auf morgen passiert. Wir haben mit dem Portal ein Haus gebaut und mit Hilfe erster Partner erste Möbel hineingestellt. Um das Haus fertig einzurichten, benötigen wir die Zuarbeit von immer mehr Städten, Gemeinden, Landkreisen, Zweckverbänden und kommunalen Unternehmen, die ihre eigenen Leistungen über unser Portal digital und zentral anbieten”, so der Minister.

Unterstützung für KMUs Und auch die kleinen und mittleren Unternehmen im Land sollen bei der Digitalisierung unterstützt und gleichzeitig die Voraussetzungen für eine lebendige Startup-Szene geschaffen werden. Hier sei man mit der Einrichtung des ersten von sechs digitalen Innovationszentren, das im Juni in Stralsund seine Arbeit aufnehmen wird, schon gut vorangekommen. Die weiteren Zentren sollen bis Ende des Jahres folgen. Neu ist auch das Programm zur Förderung der digitalen Transformation, in dessen Rahmen

Ein Jahr alt ist die Digitale Agenda in Schwerin. Seitdem wurden viele Projekte angestoßen. Foto: kinetix/www.pixabay.com

Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen seit vergangenem Oktober zum Aufbau neuer, digitaler Geschäftsmodelle oder für die Umstellung von analogen auf digitale Prozesse Fördergelder von bis zu 10.000 Euro, im Ausnahmefall bis zu 50.000 Euro, beantragen können. Zudem erarbeitet die Landesregierung momentan eine Förderrichtlinie für die Umsetzung des Digitalpakts Schule, in dessen Rahmen der Bund voraussichtlich 99 Millionen Euro für die technische Ausstattung der Schulen in Mecklenburg-Vorpom-

mern zur Verfügung stellt. “Diese Richtlinie liegt im Entwurf vor und wird zurzeit mit den zuständigen Gremien abgestimmt. Das Bildungsministerium hat bereits Anfang des Jahres in fünf Regionalkonferenzen mit insgesamt mehr als 900 Teilnehmern Schulleitungen und Schulträgern von öffentlichen und freien Schulen sowie kommunalen IT-Dienstleistern das Förderverfahren erläutert. Sobald die Abstimmung der Richtlinie abgeschlossen ist, wird das Ministerium über das weitere Vorgehen informieren”, kündigte Pegel an.

Die wichtigsten Ergebnisse fasste das Ministerium in sechs Schlagpunkten zusammen. So sei NRW Heimat für ein aktives Start-upÖkosystem, bei Ausgründungen aus Universitäten gebe es aber noch Potenzial nach oben. Dieses will das Land heben, indem es in den nächsten fünf Jahren sechs universitäre “Exzellenz Start-up Center” mit 150 Millionen Euro fördert. Geld ist allgemein ein Faktor, der in NRW oft knapp ist. So gebe es Aufholbedarf bei der Kapitalausstattung, denn die Start-ups in Nordrhein-Westfalen verfügten über vergleichsweise geringe externe Kapitalmöglichkeiten. Darum sollen die Wagniskapital- Investitionen in Start-ups bis 2022 auf eine halbe Milliarde Euro anwachsen. Zudem gebe es noch einiges Ausbaupotenzial bei den Gründerinnen, die in NRW nur knapp elf Prozent ausmachen. Hier seien Instrumente wie das Gründerstipendium wirksame Hilfsmittel. Dort liege der Anteil weiblicher Gründer bereits bei knapp 20 Prozent. Positiv hervor tut sich das Land dagegen bei der Schlüsseltechnologie der Künstlichen Intelligenz (KI), wo man bundesweit einen der Spitzenplätze belegt. So hat für mehr als 20 Prozent aller Start-ups die KI einen großen Einfluss auf das Geschäftsmodell. Zudem sind die Unternehmen

vornehmlich auf B2B ausgelegt. Fast drei Viertel aller Unternehmen arbeiten in NRW nach diesem Prinzip, wobei sie laut der Studie von der regionalen Vernetzung und der Dichte an etablierten Unternehmen profitieren.

Hürden der Verwaltung abbauen Der Minister sieht die Ergebnisse als Ansporn für das Land, “den Weg in eine neue Gründerzeit weiterzugehen. Startups aus Nordrhein-Westfalen sind vernetzter, KI-orientierter, kooperieren intensiver mit der klassischen Industrie und beurteilen ihre Entwicklungschancen optimistischer als im bundesweiten Durchschnitt. Mit guten Rahmenbedingungen, einfachen Verfahren und unbürokratischen Stipendien” wolle man NRW zu einem bevorzugten Gründerstandort machen. Der “Startup Monitor” wird vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie NRW gefördert und wurde erstmalig vom Start-up- Verband herausgegeben. Die Studie basiert auf den Daten von insgesamt 295 nordrheinwestfälischen Start-ups mit 733 Gründern und insgesamt 1.975 Mitarbeitern, die im Rahmen der Befragung zum Deutschen Startup Monitor 2018 (DSM) im Mai 2018 ermittelt wurden.


IT-Sicherheit

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Behörden Spiegel / Juni 2019

BSI und ANSSI präsentieren zweites Lagebild

Keine Spezialregelungen

Internationale Behördenleiter diskutieren in Bonn

Beschaffung von KI-Systemen folgt üblichem Vergaberecht

(BS/wim) Im Rahmen des 16. IT-Sicherheitskongresses in Bonn stellte BSI-Präsident Arne Schönbohm gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Guillaume Poupard, dem Generaldirektor der Agence nationale de la sécurité des systèmes d’information (ANSSI), die zweite Ausgabe des deutsch-französischen IT-Sicherheitslagebildes vor. Im Fokus stehen Kriminalität um Kryptowährungen und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).

(BS/stb) Für die Beschaffung von Systemen mit Künstlicher Intelligenz (KI) gibt es keine speziellen Regelungen und keinen speziellen CPV-Code (Common Procurement Vocabulary; Gemeinsames Vokabular für öffentliche Aufträge). Einschlägig sind die üblichen vergaberechtlichen Bestimmungen, also abhängig vom Auftragswert entweder die Vergabeverordnung oder die Unterschwellenvergabeordnung.

War das erste Lagebild im vergangenen Jahr noch durch den Schock und die Nachwirkungen der Wannacry-Attacke geprägt und somit voll auf die Bedrohung durch Ransomware ausgerichtet, so befasst sich die diesjährige Sicherheitsanalyse der nationalen IT-Sicherheitsbehörden mit zwei Kernthemen. Zum einen wird die

sammenhang. Zudem müssten “KI-Systeme von Anfang an mit möglichen Cyber-Attacken im Kopf aufgebaut werden, um auf so viele Bedrohungsszenarien wie möglich eingestellt zu sein.” In dieselbe Kerbe schlug auch Schönbohm, der sich für eine neue Denkweise in der Entwicklung aussprach: “Die IT-Sicher-

Präsentierten im Rahmen des 16. IT-Sicherheitskongresses die zweite Ausgabe des bilateral erarbeiteten ­Lagebildes zur Cyber-Sicherheit: ANSSI-Generaldirektor Guillaume Poupard (l.) und BSI-Präsident Arne Schönbohm. Foto: BS/Orth

wachsende Kriminalität rund um Kryptowährungen beleuchtet, zum anderen die Chancen und Risiken, die durch den mehr und mehr steigenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Behörden- und Verbraucherbereich entstehen. Hier brauche es eine größere Wachsamkeit und dazugehöriges Bewusstsein, “wie solche KI-Attacken aussehen können und wie die Angreifer denken und planen”, erklärte Poupard in diesem Zu-

heit darf nicht länger als Zusatz zur Technologie gesehen werden, sondern als das, was sie ist: eine notwendige Voraussetzung für den Einsatz von moderner Technik.” Daher sieht der BSI-Chef auch die Diskussion, die durch mögliche Back Doors in der Netzwerktechnik des chinesischen Herstellers Huawei angestoßen wurde, völlig unabhängig vom Ergebnis der Untersuchungen als eine wertvolle Debatte an, die Themen der Cyber-Sicherheit auf

einer tiefergehenden Ebene beleuchte, als bisherige Diskussionen es laut dem BSI-Präsidenten oft taten. Im Anschluss an die Präsentation durch die beiden Leiter der nationalen IT-Sicherheitsbehörden wurde das Thema “Supply Chain Security in Digitalisation” in einer Diskussionsrunde mit weiteren Sicherheitsexperten besprochen, u. a. dem Director of the National Cyber Security Centre of the Netherlands (NCSC-NL), Hans de Vries. Der niederländische Amtskollege von Schönbohm und Poupard sprach sich vor allem dafür aus, verpflichtende Sicherheitsstandards bei vernetzten Geräten zur Pflicht für Hersteller zu machen: “Es führt kein Weg zurück in die analoge Welt, also müssen wir die digitale Welt so sicher wie möglich machen.” Gleichzeitig seien auch effektive und nachhaltige Schulungen für Mitarbeiter in Behörden und Unternehmen, aber auch in den Entwicklungsteams wichtig, um ein Bewusstsein für die Gefahren des Cyber-Raums zu schaffen und einen richtigen Umgang mit diesen Herausforderungen vorab zu trainieren. Neben der Diskussion von Behördenleitern und weiteren Experten sprachen auf dem ITSicherheitskongress des BSI u. a. auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Ulrich Kelber, sowie der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Prof. Dr. Günter Krings.

Das Internet der Transaktionen Blockchain als Basis einer neuen Vertrauensinfrastruktur (BS/Florian Glatz*) Blockchains ermöglichen es, Geschäfte mit anderen ohne Intermediäre abzuschließen. Experten glauben, die Technologie könnte die treibende Kraft hinter dem nächsten Evolutionsschritt des Internets sein, dem sogenannten Web 3.0 oder auch dem Internet der Verträge und Transaktionen. Der Staat hat dabei die Aufgabe, die Rahmenbedingungen für innovative Gesellschafts- und Geschäftsmodelle, die auf Blockchain-Technologie gründen, zu schaffen. Vertrauen in Mittler, zum Beispiel in Banken, wird bei Blockchains durch Vertrauen auf technischer Basis ersetzt. Um das Stichwort “Distributed Ledger Technology” (DLT) formen sich heute Blockchain-Anwendungen, die die Standardisierung von Transaktionen in den Vordergrund stellen. In Zukunft könnten ganze Industriesektoren sowie Behörden oder Staaten eine Blockchain-basierte Vertrauensinfrastruktur betreiben, auf welcher dann wirtschaftlicher Austausch weitgehend standardisiert und automatisiert werden kann. Die Silos existierender Datensysteme werden aufgebrochen und in einer gemeinsam betriebenen Dateninfrastruktur vereint. Dazu müssen zum einen die Schnittstellen vor allem zu den öffentlichen Datenbanken digital werden und zum anderen müssen digitale Identitäten ausreichend rechtssicher werden. Nur so kann ein Ökosystem des Internets der Verträge florieren. Deutschland sollte innerhalb von Europa die Federführung für dieses Projekt übernehmen. Die Bundesrepublik ist weltweit führend in der Verwaltung und der Wahrung der Privatsphäre, ist eine treibende Kraft in der Standardisierung und hat mit dem BGB einen regelrechten Exportschlager geschaffen. In einem Internet der Verträge und der Transaktionen sind wir daher in einer komfortablen Startsituation. Diese Chance muss nun mutig ergriffen werden.

Gerade im öffentlichen Sektor bietet die Blockchain-Technologie viele Anwendungsmöglichkeiten. Ihr intelligenter Einsatz kann die Effizienz und Transparenz von Verwaltungsprozessen stärken. Personeller Aufwand und infrastrukturelle Kosten des Betriebs öffentlicher Register könnten dank Blockchain-Technologie drastisch sinken. Dies erlaubt vor allem die Schaffung neuer Register dort, wo die Publizität gewisser Informationen mehr Rechtssicherheit im Markt schaffen kann. So etwa im Fall der Publizität dinglicher Sicherungsrechte an beweglichen Sachen wie etwa Kraftfahrzeugen. Ebenfalls könnten manche öffentliche Register durch die BlockchainTechnologie sicher digitalisiert werden. Denkbar sind etwa das Grundbuch, das Handelsregister, das Markenregister u.v.m.

Autonomie im Identitätsmanagement Grundlage eines jeden Anwendungsszenarios der BlockchainTechnologie ist das Vorhandensein einer digitalen Identität. Heutige Identitätslösungen auf Basis geschlossener Nutzerkonten haben den Nachteil, nicht portabel zu sein. Die entstehende Redundanz ist mühselig, ineffizient und erzeugt vielfältige Sicherheitsrisiken durch die Speicherung bei den Konto-Anbietern. Dezentrale Identitäten hingegen bringen mehr Datenhoheit für Bürger. Die Identität wird dabei als Verweis in einer Blockchain

gespeichert. Alle konkreten Identitätsattribute verbleiben beim Nutzer. Die Daten sind sicher hinterlegt, über standardisierte Schnittstellen verfügbar und nur demjenigen in Klartext zugänglich, der vom Bürger oder von Gesetzes wegen dazu autorisiert wurde. Die Souveränität des Staates, einer Identität bzw. bestimmten Attributen das Vertrauen auszusprechen, bleibt unangetastet. Das gesamte digitale Leben ließe sich durch dezentrale Identitäten an einem einzigen Ort – nämlich beim Bürger selbst – verwalten. Die neu gewonnene digitale Autonomie kann so zum Beispiel für die Identifikation bei E-Government-Diensten genutzt werden, für die Nutzung von Carsharing Angeboten, in Sozialen Netzwerken, zum Abschluss einer Versicherung, zum OnlineEinkauf und bei vielem mehr. *Florian Glatz ist Präsident und Co-Founder des Blockchain-Bundesverbandes.

Herausforderungen und Chancen der BlockchainTechnologie in der öffentlichen Verwaltung werden auch auf dem BlockchainSymposium des Behörden Spiegel am 27. Juni 2019 in Berlin thematisiert. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwort “Blockchain”

Zu beachten seien die Bedingungen, die für alle Beschaffungsvorgänge gälten, so die Antwort des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf eine schriftliche Frage des Bundestagsabgeordneten Manuel Höferlin (FDP), die dem Behörden Spiegel exklusiv vorliegt. Eine Einordnung in eine bestimmte Kategorie im Bereich der ITBeschaffung per CPV-Code sei noch nicht erfolgt. Das heißt: Wenn der Auftragswert die EU-Schwellenwerte überschreitet, sind Teil vier des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie die Vergabeverordnung anzuwenden. Ansonsten gilt für öffentliche Auftraggeber der Bundesebene und der Länder, die sie für anwendbar erklärt haben, die

Unterschwellenvergabeordnung. In den anderen Ländern gilt das einschlägige Landesrecht.

Innovative Aspekte berücksichtigen Seit der Vergaberechtsmodernisierung von 2016 hätten öffentliche Auftraggeber erweiterte Möglichkeiten zur Berücksichtigung innovativer und qualitativer Aspekte. “Dies kommt auch der Beschaffung von KI zugute, unter anderem dadurch, dass auch innovative Eigenschaften der Leistung der Entscheidung über den Zuschlag zugrunde gelegt werden können”, heißt es in der Antwort des BMWi. Hilfreich sei außerdem die Innovationspartnerschaft. Diese war mit der Modernisierung als neue Verfahrensart eingeführt wurde.

Die Bundesregierung habe bisher, Verschlusssachen ausgenommen, drei KI-Anwendungen beschafft, wie das BMWi angibt. So nutze das Auswärtige Amt “Preview” für Informationsmanagement und Krisenfrüherkennung. Für das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sei “IBM Power System Servers” beschafft worden. Eingesetzt werde dieses für Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Wirkung und Folgen pharmazeutischer Produkte. Ebenfalls im BfArM sei ein Automatisches Vorschlagsystem zur Kategorisierung von Vorkommnismeldungen bei Medizinprodukten im Einsatz. Dabei handele es sich um eine InhouseEntwicklung.

MELDUNGEN

BND soll aktive Cyber-Abwehr übernehmen (BS/stb) Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll Informationen des Behörden Spiegel zufolge Befugnisse zur aktiven Cyber-Abwehr bekommen. Dies ist das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses innerhalb der Bundesregierung. Der BND sei zur Wahrnehmung der Aufgabe geeignet, weil er sowohl über die notwendigen operativen Fähigkeiten als auch über praktische Erfahrungen durch die Erfüllung seines bisherigen Auftrags verfüge. Gemeint ist die Infiltration

von Netzen und IT-Systemen im Ausland zur Informationsgewinnung. Die geplanten Befugnisse sollen im Falle schwerer fortlaufender Angriffe auf IT-Infrastrukturen zum Tragen kommen, die eine existentielle Bedrohung für die Bundesrepublik darstellen. Während das Blockieren oder Umlenken von Datenverkehren bereits möglich ist, soll der BND künftig auf fremde IT-Systeme zugreifen und Daten verändern oder sogar Server abschalten dürfen.

Diese Maßnahmen waren zuvor bereits als letzte Stufen in einem Eskalationsplan des Bundesinnenministeriums definiert worden. Für die Durchführung waren außer dem BND noch die Bundeswehr, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und die Bundespolizei im Gespräch. Unklar ist nach wie vor, ob für die aktive Cyber-Abwehr eine Änderung des Grundgesetzes nötig ist.

AA will neue Behörde errichten (BS/stb) Das Auswärtige Amt (AA) plant den Aufbau einer neuen nachgeordneten Behörde. Offiziell wurde bisher nichts über deren Aufgaben verlautbart. Nach Informationen des Behörden Spiegel wird ein Schwerpunkt auf der IT-Sicherheit liegen. Mit der neuen Behörde wolle man

personelle und organisatorische Herausforderungen flexibler stemmen können, heißt es aus dem AA. Hochspezialisierte Aufgaben sollen durch nicht-rotierendes Personal mit stärkerem Fokus auf Wirtschaftlichkeit und Service erledigt werden. Derzeit wird ein Arbeitsstab gegründet.

Dieser soll auf Arbeitsebene ein Konzept zur konkreten Ausgestaltung erstellen. Das AA geht von einer Projektlaufzeit von zwei Jahren bis zur Errichtung aus. Derzeit steht weder der Standort fest, noch wie viele Mitarbeiter in die neue Behörde wechseln werden.

Vertrauen durch Technik? Estland setzt auf Blockchain (BS/stb) Die Blockchain-Technologie sehen viele als Grundstein für datenbasierte Infrastrukturen der Zukunft. Gerade im öffentlichen Sektor könnte das auf Vertraulichkeit angelegte Grundkonzept großes Potenzial entfalten: Bei der Registermodernisierung, bei der Umsetzung zuverlässiger digitaler Dienste und beim Identitätsmanagement (mehr dazu im Beitrag von Florian Glatz auf dieser Seite). Andernorts ist die Blockchain bereits in der öffentlichen Verwaltung im Einsatz: Der digitale Vorreiter-Staat Estland nutzt die Technologie seit Jahren um Vertraulichkeit zu gewährleisten. Der nördlichste baltische Staat wird immer wieder gern als Beispiel herangezogen, wenn es darum geht, wie Verwaltungsdigitalisierung aussehen sollte. Genauso schnell bei der Hand sind aber auch die Gründe, wa­rum es in Deutschland eben nicht so einfach geht. Estland ist ein kleines, zentral regiertes Land. Die Hierarchien im Staat sind flach, die Entscheidungswege kurz. Deutschland dagegen hat eine föderale Struktur, Kompetenzen sind dezentral und über mehrere Ebenen verteilt. Bei der Einführung neuer Technologien denke man in Estland zuerst daran, wie Staat und Bürger davon profitieren können, erzählt Mari Aru, Wirtschafts- und Handelsdiplomatin in der Botschaft von Estland in Berlin. In Deutschland denke man eher über rechtliche Hürden und negative Auswirkungen nach. Vor allem gebe es in Estland weniger Diskussionen über Datenschutz. “Die Bürger sind pragmatisch. Sie geben gerne Ihre Daten her, wenn Sie dafür gute digitale Dienstleistungen bekommen”, so Aru weiter. “Die

Verwaltung hat das Glück, dass die Bürger ihr vertrauen.” Dieses Vertrauen darf der Staat natürlich nicht verspielen und setzt bei der Umsetzung von Diensten und Infrastrukturen auf Technologien, die Sicherheit und Integrität der Daten gewährleisten. Estland nutzt schon seit 2012 eine Blockchain-Lösung in Regierungsnetzen, um Zugriffe zu protokollieren. So kann die Historie der in den Datenbanken hinterlegten Informationen nicht unbemerkt manipuliert werden. Damit ist auch Transparenz zwischen Staat und Bürgern hergestellt. Beispielsweise können Bürger sicher sein, dass ein unerlaubter Blick in ihre elektronische Gesundheitsakte immer eine Spur hinterlässt. Die meisten nutzen daher das e-Rezept, bei dem Daten zwischen Arzt, Patient und Apotheke elektronisch übertragen werden. Der Transfer erfolgt über eine gemeinsame Integrationslösung namens X-Road. Das Ökosystem verbindet Datenbanken von über 900 Organisationen, darunter vor allem Behörden

und öffentliche Leistungsträger, aber auch private Einrichtungen wie Banken oder Telekommunikationsanbieter. X-Road ist auf Transparenz und Integrität ausgelegt. Datenbank-Zugriffe werden in einer Blockchain gespeichert und sind damit nachvollziehbar. “Die Bürger können in ihrem zentralen Nutzerkonto jederzeit einsehen, welche Stelle wann auf welche ihrer Daten zugegriffen hat”, erklärt Aru. “Wenn ihnen der Zweck eines Datenabrufs unklar ist, können sie direkt eine entsprechende Anfrage abschicken und erhalten innerhalb von fünf Tagen Auskunft.” Unerlaubte Zugriffe ließen sich nicht verschleiern und würden streng geahndet, so die Diplomatin weiter. Zulässige Abfragen seien auf das Notwendige beschränkt. Aru: “Werden personenbezogene Daten abgerufen, dann erhält die Stelle nicht den ganzen Datensatz, sondern nur die im Kontext relevante Information, zum Beispiel ob eine bestimmte Berechtigung vorliegt oder ob die Person verheiratet ist.”


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Juni 2019

Der direkte Draht

B

ehörden Spiegel: Vor zwei Jahren hat Cisco ein Security & Trust Office in Deutschland eingerichtet. Wie hat sich die Ini­ tiative seitdem entwickelt?

Lenssen: Im Sicherheitsbereich kommt es häufig auf den direkten Draht an, das berühmte rote Telefon, das man als Kunde schnell zur Hand hat, um in einem Notfall direkt mit dem Unternehmen sprechen zu können und auch sofort eine kompetente Antwort zu bekommen. Das ist eines der Ziele des Security & Trust Office. Wir haben eine Anlaufstelle für interessierte Parteien geschaffen, seien es Behörden, Unternehmen oder die Presse, die etwas von Cisco zum Thema Sicherheit wissen wollen. Zum Beispiel zur Sicherheit von Produkten, Produktionsprozessen und Verfahren, die wir anwenden. Intern haben wir die Strukturen entsprechend angepasst, unsere Sicherheitsfunktionen zusammengefasst und sie von außen sichtbar und ansprechbar gemacht. Behörden Spiegel: Das heißt, wenn der Kunde ein Problem hat, kann er über die Ansprechstelle Unterstützung oder Aufklärung erwarten? Lenssen: Genau. Zunächst gibt es ein Dialoginterface und fallweise bearbeiten wir das Anliegen entweder direkt aus dem Security & Trust Office heraus oder wir vermitteln an die zuständigen Einheiten im Unternehmen. Wenn ein Kunde beispielsweise ein Sicherheitsproblem in einem Cisco-Produkt entdeckt hat, nehmen wir das gern entgegen und helfen, die richtigen Kommunikationskanäle aufzumachen. Die Bearbeitung von Störfällen erfolgt aber nicht durch uns.

Behörden Spiegel: Mit welcher Art Anfragen haben Sie am meis­ ten zu tun? Lenssen: Extrem viele Anfragen hatten wir zum Beispiel im Zuge

Behörden Spiegel: Muss nicht auch die Herkunft der Hardware überprüfbar sein?

Transparenz und Vertrauen im IT-Betrieb (BS) 2017 hat Cisco ein Security & Trust Office in Deutschland eingerichtet, um die Kommunikation zu Sicherheitsfragen mit den Kunden zu erleichtern. Im Interview mit R. Uwe Proll sprach der Chief Security Officer von Cisco Deutschland, Klaus Lenssen, über seine Erfahrungen im Rahmen der Initiative und über Transparenz und Sicherheit in Lieferketten und Produktionsprozessen. der Einführung der Datenschutzgrundverordnung. Wie funktionieren die Cloud-Dienste konkret? Welche Daten werden wie und zu welchem Zweck erfasst? Wir nehmen diese Fragen auf und beantworten sie im jeweiligen Kontext. Aus der Summe der Einzelfragen haben wir dann in dem Fall mit unseren Datenschutzexperten sogenannte Privacy Data Maps und Privacy Data Sheets entwickelt. Darin kann man ganz genau sehen, welche Daten jeweils für welchen Zweck erfasst werden und wo sie verarbeitet werden. Nach dem Feedback der Kunden ist das genau die Darstellung, die ihre Fragen am besten beantwortet. Diese Informationen stehen auch unter trust.cisco. com öffentlich zur Verfügung. Dieses Trust Center ist unsere zentrale Anlaufstelle für alles zum Thema Datenschutz und Sicherheit. Dort findet man auch Informationen über Anfragen von Strafverfolgungsbehörden, also wie häufig diese kommen und was herausgegeben wird. Behörden Spiegel: Und das al­ les, um es dem Kunden zu ermögli­ chen, sich selbst datenschutzkon­ form aufzustellen. Denn am Ende des Tages ist er verantwortlich und nicht Sie, oder? Lenssen: Ja, genau. Der Kunde muss mit uns rechtssicher abschließen und vereinbaren können. Aber er hat in vielen Fällen selbst nicht das Know-

“Die Transparenz darf nicht beim Hersteller enden, sondern muss die ­gesamte Lieferkette umfassen.” Dafür gibt ein Incident Response Team (PSIRT) mit 24 / 7-Bereitschaft, das die entsprechenden Kontakte in die Business Units, ins Technical Assistance Center und zu den Entwicklern und Forensikern vorhält.

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how. Deshalb geben wir die nötige Hilfestellung und die Aufklärung dazu. Man kann einen gewissen kulturellen Wandel beobachten. Der Trend geht dahin, dass nicht mehr nur die Qualität der Produkte entscheidend ist, sondern noch zusätzliche Aspekte darum herum, die viel mit Vertrauen zu tun haben. Man muss den vielen Unsicherheiten, die die Kunden erleben, mit entsprechenden Maßnahmen und Transparenz begegnen. Nur so kann der Kunde

Sprachen in Bonn über Transparenz und Vertrauen als Voraussetzung für digitale Souveränität: (v. l.) R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber des Behörden Spiegel, und Klaus Lenssen, Chief Security Officer von Cisco Deutschland. Foto: BS / Orth

das nötige Vertrauen aufbauen, damit es wieder mehr um Fragen wie Störungsfreiheit und Performance gehen kann. Daten zu schützen, ist eine gesetzliche Vorgabe, aber nicht das primäre Ziel. Das primäre Ziel ist es, eine Dienstleistung zu erbringen und Produktivität in Unternehmen oder Behörden zu verbessern. Behörden Spiegel: Sie spra­ chen das fehlende Know-how bei der Nutzung von Technologie an. Das hängt eng mit dem Thema digitale Souveränität zusammen. Glauben Sie, dass in der heutigen globalen Situation digitale Souve­ ränität eine Illusion ist? Lenssen: Nein. Man sollte sich auf die Bedeutung des Wortes be-

sinnen. Souveränität heißt, entscheiden zu können, mit welcher Technik man welche Aufgabe löst und selbstbestimmt Nutzung und Einsatzszenarien zu definieren. Es heißt nicht, dass man alles zwingend selbst machen muss. Behörden Spiegel: Eine beson­ dere Rolle spielt die Souveränität bei Netzen. In öffentlichen, aber auch in Regierungsnetzen u. a. der Bundeswehr werden ihre Produk­ te verbaut. Wie können Sie den Betreibern dort Selbstbestimmung ermöglichen? Lenssen: Der Kunde entscheidet sich für Produkte, die mit Vertrauensangaben geliefert werden. Produkte müssen sicher hergestellt werden, in Prozessen,

die nach außen hin nachvollziehbar und transparent sind – Stichwort: Secure Supply Chain. Dazu gehört ebenso die sichere Softwareentwicklung. Damit beschäftigen wir uns seit 15 Jahren und mit der Unterstützung anderer Hersteller ist dafür die ISO-Norm 27034 entstanden. Diese beschreibt, wie schon durch strukturelle Maßnahmen Fehlerquellen im Prozess eliminiert werden. Letztendlich müssen Prozesse bewusst gestaltet und überwacht werden. Aus welchen Quellen sourced man? Wo wird produziert? Wie wird die Einhaltung der Vorgaben durch die Mitarbeiter überwacht? All diese Aspekte sind bei uns für den Kunden nachvollziehbar. Ganz wichtig ist die sichere Verteilung der Software. Sie sollte vom Unternehmen signiert werden, sodass man verifizieren kann, dass sie aus einer vertrauenswürdigen Quelle stammt. In unseren Produkten der letzten sechs Jahre haben wir sogenannte Trust-Anker-Module integriert. Diese sorgen dafür, dass mithilfe von Secure Boot nur vertrauenswürdige Software beim Gerätestart geladen wird.Heute ist es so, dass Ihnen so gut wie kein Betreiber eines Netzwerkes etwas über den aktuellen Zustand der Geräte und über die Software sagen kann. Bei unseren Produkten wissen Sie wenigstens, ob dort authentische Software aus einer CiscoQuelle läuft.

Lenssen: Das ist ein guter Punkt. Es hat tatsächlich schon Fälle von gefälschten Produkten gegeben. Die Transparenz darf eben nicht beim Hersteller enden, sondern muss die gesamte Lieferkette umfassen. Wenn der Kunde Produkte außerhalb der von uns autorisierten Kanäle einkauft, verletzt er die von uns aufgebaute Sicherheitskette. Alles, was dann passiert, liegt außerhalb unserer Kontrolle. Über solche Kanäle können gefälschte oder manipulierte Produkte in die Netze geraten und mit ihnen Schwachstellen und Lücken, die ausgenutzt werden können. Behörden Spiegel: Beim Netzausbau ist immer wieder zu hören, dass ein Verzicht auf Huawei-Produkte technisch und finanziell von Nachteil wäre. Ist in dem Zusammenhang eine MultiVendor-Strategie zeitgemäß, also die Minimierung von Risiken durch die Nutzung vieler verschiedener Lieferanten? Lenssen: Den Ansatz kann man fahren, wenn man bereit ist, die Auswirkungen an anderer Stelle mitzutragen. Die Multi-VendorStrategie verschärft zwangsweise den Fachkräfte-Bedarf, was gerade beim Betrieb von Verwaltungsnetzen problematisch wäre, da wir in Deutschland einen signifikanten Fachkräftemangel im IT-Bereich haben. Je mehr Hersteller im Boot sind, desto mehr qualifizierte Kräfte brauchen Sie im Netzbetrieb, die sich in den verschiedenen Welten auskennen. Und sie müssen diese Welten im Gesamtnetz auch wieder organisatorisch und operativ zusammenführen.

Digitalisierung im Blick (BS) Deutschlands digitaler Reifegrad ist besser als oft vermutet. Im Cisco Digital Readiness Index liegt Deutschland auf Rang 6 von 118. Mit den USA, der Schweiz, Singapur, den Niederlanden und Großbritannien führt die Bunderepublik damit die Gruppe der hochdigitalisierten Länder an. Gute Werte konnten in dem von Cisco gemeinsam mit Gartner erstellenten Ranking vor allem in den Kategorien Lebensstandards und wirtschaftliche Rahmenbedingungen erzielt werden. Das vollständige Ranking ist unter www.cisco.de/ digitalreadiness-deutschland abrufbar. Aufschlussreich ist auch der Vergleich mit Ergebnissen der CiscoUmfrage “So digital ist Deutschland wirklich”, der zufolge mehr als die Hälfte der Deutschen das Ausland bei digitalen Diensten besser aufgestellt sieht. Weitere Ergebnisse unter: www.cisco.de/so-digital-ist-deutschland

MELDUNG

Steuerverwaltung weist MS-Office-Anhänge ab (BS / stb) Bei der niedersächsischen Steuerverwaltung werden derzeit E-Mails mit angehängten Microsoft-Office-Dokumenten nicht zugestellt. Betroffen sind auch alle Finanzämter des Landes. Die Maßnahme diene der Sicherheit der IT-Systeme der niedersächsischen Steuerverwaltung. Diese sei von der großangelegten Spam-Welle mit der Schadsoftware Emotet betroffen, heißt es aus dem Landesamt für Steuern Niedersachsen. Die Blockade ist seit Ende Mai in Kraft und besteht auf unbestimmte Zeit. Absender werden durch eine kurze Antwort-Mail informiert. PDF-Dokumente-Anhänge in alternativen Office-Formaten wie Open Document können uneingeschränkt übermittelt werden. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hatte in den letzten Monaten mehrfach vor Angriffswellen mit Emotet gewarnt. Kriminelle versuchten, mittels gefälschter EMails den Trojaner auf Rechnern von Mitarbeitern zu platzieren. Emotet setze Methoden hochprofessioneller Angreifer ein. E-Mail-

Postfächer infizierter Systeme würden automatisiert ausgelesen. Die Informationen nutze die Schadsoftware zur Weiterverbreitung, indem Empfänger authentisch wirkende E-Mails von Absendern erhielten, mit denen sie kürzlich in Kontakt standen. Auf infizierten Rechnern lade Emotet weiteren Schadcode nach, mit dem Angreifer Zugangsdaten ausspähen oder sogar vollständigen Fernzugriff erhalten könnten. Ein Ausfall eines Steuerrechenzentrums, von dem insgesamt 141 Finanzämter der Länder Bremen, Hamburg, SchleswigHolstein, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen betroffen waren, stand dagegen nicht in Zusammenhang mit der SpamWelle, wie das niedersächsische Landesamt für Steuern mitteilt. Ursache war ein routinemäßiger Lasttest beim IT-Dienstleister Dataport. Eine technische Störung hatte zum Ausfall der Kühlsysteme geführt. Nach dem kontrollierten Wiederanlauf stehen mittlerweile wieder alle Steuerfachverfahren zur Verfügung.

PITS – Public IT Security Der Fachkongress Deutschlands für IT- und Cyber-Sicherheit bei Staat und Verwaltung Public-IT-Security

PITS 2019: 2. - 3. September, Hotel Adlon Berlin

Die agile, hybride Bedrohungslage Herausforderung – Entwicklung – Austausch – Lösungen

Eine Veranstaltung des

www.public-it-security.de


IT-Sicherheit

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Besser als ihr Ruf

D

em Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ist zu entnehmen, dass EU-Verordnungen allgemeine Geltung haben, in allen ihren Teilen verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten. Auch die DSGVO ist eine solche EU-Verordnung. Anders als eine EU-Richtlinie ist sie in weiten Teilen nicht an den nationalen Gesetzgeber gerichtet, der ihre Vorgaben auch nicht mehr mit eigenen Rechtsakten umsetzen muss. Ungeachtet dieser unmittelbaren Geltung der DSGVO hat es in Deutschland 2018 eine umfassende Gesetzgebung zur Anpassung des nationalen Datenschutzrechts an die DSGVO gegeben. Bund und Länder haben Datenschutzregeln in hunderten Gesetzen überarbeitet, um sie in Einklang mit dem EU-Datenschutzrecht zu bringen. Wie passen diese umfangreichen Gesetzgebungsaktivitäten mit dem Anspruch der unmittelbaren Geltung einer EU-Verordnung zusammen? Der englische Titel der DSGVO deutet eine Antwort auf diese Frage an: Es handelt sich um eine “General Data Protection Regulation”, also um ein allgemeines unionseinheitliches Regelwerk. Im Einzelnen wirken die Vorga-

Behörden Spiegel / Juni 2019

Ein Jahr Datenschutzgrundverordnung (BS/Prof. Dr. Thomas Petri) Seit etwa einem Jahr, genauer: seit dem 25. Mai 2018 gilt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Jedenfalls im Grundsatz setzt sie für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) einheitliche Maßstäbe. Auch in Nicht-EU-Ländern hat die DSGVO große Beachtung gefunden. So zeichnet sich beispielsweise ab, dass einige US-Bundesstaaten wie etwa Kalifornien und Washington die Transparenzanforderungen der DSGVO in ihr Datenschutzrecht übernehmen und weiterentwickeln werden. ben der DSGVO unterschiedlich, je nachdem, ob eine Verarbeitung personenbezogener Daten im privaten oder im öffentlichen Interesse erfolgt. Bei der Verarbeitung im privaten Interesse sind die Regelungen der DSGVO fast durchweg abschließend. Eine Konkretisierung ihrer Grundsätze findet tatsächlich fast nur noch auf der Ebene des Gesetzesvollzugs statt. In einem Europäischen Datenschutzausschuss sollen die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten ihre Positionen koordinieren und einheitliche Leitlinien erarbeiten. Diese EU-weit einheitliche Regelungslage ist im Grundsatz positiv zu bewerten. Nur auf einer solchen Basis kann ein Unternehmen seine Produkte und Dienstleistungen im EU-Raum anbieten, ohne in jedem Mitgliedstaat unterschiedliche Standards erfüllen zu müssen.

Anders ist allerdings die Situation bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, die im öffentlichen Interesse liegt. Wenn es um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder um rechtliche Verpflichtungen geht, ist auch der Grundsatz zu beachten, dass Behörden gesetzesgebunden handeln. Dieser Grundsatz gilt auch im EU-Recht. Und so sieht die DSGVO vor, dass die nationalen Gesetzgeber der Mitgliedstaaten die Verarbeitung personenbezogener Daten im öffentlichen Interesse konkretisieren können und teilweise sogar konkretisieren sollen. Auf dieser Grundlage beruhen insbesondere viele Verarbeitungsbefugnisse des nationalen Rechts, die bereichsspezifisch festlegen, unter welchen Voraussetzungen Behörden personenbezogene Daten von Bürgerinnen und Bürgern verarbeiten dürfen. Die Mitgliedstaaten haben zudem das Recht,

im angemessenen Rahmen zum Schutz bestimmter öffentlicher Interessen die Betroffenenrechte einzuschränken.

Intention oftmals verfehlt In der Verwaltungspraxis bereitet die Umsetzung des neuen Datenschutzrechts mitunter noch Schwierigkeiten: Das zeigt sich etwa bei der Erfüllung der als “Schlüssel” zu den Betroffenenrechten dienenden Informationspflichten: Vielen Verantwortlichen geht es hier nicht um die Adressatinnen und Adressaten, sondern um die eigene “Enthaftung”, die – zu Unrecht – in besonders schwer verständlichen, geradezu abweisenden Datenschutzhinweisen

gesucht wird. Auch die Praxis bei der Erfüllung der Auskunftsrechte wird oftmals nicht den Intentionen der DSGVO gerecht. So werden Anträge zögerlich bearbeitet, Ausflüchte gesucht, die bei datenschutzaufsichtlicher Überprüfung keine Stütze im Gesetz finden oder Informationen ersichtlich mit Widerwillen nur nach und nach gewährt. Insofern steht die von

Prof. Dr. Thomas Petri ist der Bayerische Landes­ beauftragte für den Datenschutz. Foto: BS/BayLfD

der DSGVO intendierte Änderung der europäischen Datenschutzkultur noch am Anfang.

Vor diesem Hintergrund hat die DSGVO jedenfalls im deutschsprachigen Raum einen nicht uneingeschränkt positiven Start erlebt. Zu diesem Bild tragen auch skurril anmutende Entscheidungen bei wie etwa das Abmontieren von Namensschildern an den Türklingeln von öffentlich verwalteten Wohnanlagen oder die übereilte Aufgabe von Weihnachtsbräuchen in Kommunen. Dabei kann die DSGVO durchaus angemessene Antworten auf die Herausforderungen einer zunehmend globalen, digitalen Verarbeitung personenbezogenen Daten geben. Sie fördert den freien Datenverkehr innerhalb der Europäischen Union und gewährleistet zugleich ein relativ hohes Datenschutzniveau in der EU. Zuvorderst stärkt sie aber die Rechte der von einer Verarbeitung personenbezogener Daten betroffenen Personen erheblich. Im zweiten Jahr ihrer Geltung sollten diese Ziele der DSGVO stärker ins Bewusstsein rücken und Berücksichtigung in Entscheidungsprozessen finden. Dann werden die Kritikerinnen und Kritiker der DSGVO in Deutschland wie anderswo feststellen, dass die DSGVO wesentlich besser ist als der ihr mitunter zugeschriebene Ruf.

Zu wenig Datenschützer?

Garantiert abhörsicher

Landesbeauftragte kämpfen mit Mehrarbeit

Bundesregierung soll mit Quantentechnik sicher kommunizieren

(BS/stb) Bei den Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder ist seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) viel Mehrarbeit angefallen. Neben gestiegenem Beratungsbedarf kämpfen sie mit einem drastisch erhöhten Aufkommen an Eingaben (siehe Behörden Spiegel Mai 2019, s. 32). Die Stellenausstattung ist sehr heterogen, viele fordern nach wie vor deutlichen Zuwachs.

(BS/stb) Die Bundesregierung soll ein hochsicheres Kommunikationsnetz auf Basis von Quantentechnik bekommen. Die Grundlagen sollen im Rahmen der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Initiative QuNET entwickelt werden. Zwar ist der messbar sichere Austausch von Quantenschüsseln bereits möglich. Noch stehen einer praktischen Anwendung aber einige technische Hürden im Weg. Im globalen Wettlauf um sichere IT-Infrastrukturen soll nun ein Konsortium aus deutschen ForschungsBei der Berliner Landesdaten- darf auf 30 zusätzliche Stellen geschaffen worden. Am stärksten einrichtungen Fortschritte erzielen.

schutzbeauftragten (LfD) Maja Smoltczyk belaufe sich das Überstundenaufkommen derzeit auf rund 1.400 bei insgesamt gut 50 Stellen. In anderen Ländern gibt es keine zentrale Erfassung der Überstunden. Von einer erhöhten Belastung gehen aber die meisten aus. Aus einigen ist zu hören, die anfallende Mehrarbeit sei zurzeit nicht leistbar. Viele Datenschutzbehörden haben wiederholt Stellenbedarf angemeldet. In Sachsen wird der Be-

geschätzt. Das sind mehr als dort derzeit schon zur Verfügung stehen. Die schleswig-holsteinische Landesbeauftragte Marit Hansen schätzt ihren Mehrbedarf auf 20 Stellen. Das sei angesichts der aktuellen Haushaltssituation im Land aber unrealistisch, wie sie einräumt. Zusammengerechnet stehen den Aufsichtsbehörden der Länder über 600 Stellen zur Verfügung, davon sind rund 150 seit Verabschiedung der DSGVO in 2016

ausgestattet sind die LfDs in NRW (79 Stellen), BW (53,5), Hessen (52) und Niedersachsen (51,17). Die zwei bayerischen Aufsichtsbehörden kommen gemeinsam auf 65 Stellen. Die wenigsten Stellen haben Bremen (14,4), Saarland (19), Sachsen (22) und Hamburg (26,1). Beim Bundesbeauftragten sind aktuell über 250 Stellen besetzbar. Dabei sind die Datenschutzbehörden zumeist auch für den Bereich Informationsfreiheit zuständig.

UNGESICHERTE IT-HARDWARE – EIN UNTERSCHÄTZTES RISIKO Cyber-Sicherheit ist ohne wirkungsvoll geschützte IT-Hardware nicht möglich (BS/Joachim Stäcker*) In Verbindung mit der aktualisierten Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gewinnt das Thema IT-Sicherheit auch auf der Hardware-Ebene zunehmend an Bedeutung. Heinen ICS empfiehlt allen ITVerantwortlichen und Geschäftsleitungen zu dieser Problematik das aktuelle Whitepaper zum Thema “Gesetzliche Pflichten und Haftungsrisiken im Zusammenhang mit mangelnder Absicherung von IT-Hardware”. Die gesetzlichen Auflagen zur Umsetzung der IT-Sicherheit nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verpflichten die Unternehmen, staatlichen Dienststellen und Kritischen Infrastrukturen (KRITIS), geeignete und dem Stand der Technik entsprechende technische und organisatorische Maßnahmen zur Umsetzung eines angemessenen datenschutzrechtlichen ITSicherheitsstandards zu treffen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Risiken mangelhaft gesicherter IT-Hardware seit langem bekannt sind und intensiv für Angriffe genutzt werden. Daher ist heute von einer mittleren bis hohen Eintrittswahrscheinlichkeit für das Risiko, dass die unzureichende IT-Hardware-Absicherung für einen Angriff genutzt wird, auszugehen. IT-Sicherheit in der Informationstechnik sollte unabdingbar auf der IT-Hardwarebasis anfan-

Beteiligt an dem auf sieben Jahre angelegten und mit insgesamt 165 Millionen Euro geförderten Projekt sind die FraunhoferGesellschaft, die Max-PlanckGesellschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Über einen Beirat nehmen Unternehmen aus Telekommunikation, Systementwicklung und Informationssicherheit Anteil. Die Federführung hat das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF. Der Startschuss erfolgt im Herbst dieses Jahres. “Im digitalen Zeitalter müssen Sicherheit und Vertraulichkeit bei der Kommunikation oberste Priorität haben”, sagte Bundesforschungsministerin Anja Karliczek zur Bekanntmachung. “Deutschland und Europa sollen der vertrauenswürdigste Datenraum der Welt werden.” Besondere Relevanz habe Abhörsicherheit bei staatlichen Stellen, die sensible und geheimschutzbedürftige Daten austauschen. Im Rahmen von QuNET solle daher ein hochsicheres Netz für die

Bundesregierung entwickelt und erprobt werden. Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer ergänzte: “Unsere Demokratie und Freiheit sind auf lange Sicht bedroht, wenn wir im weltweiten technischen Wettrüsten nicht mithalten können.” Deutschland und Europa müssten daher bei sicherheitsrelevanten Zukunftstechnologien wie Quantenkommunikation noch stärker ins forschungsunternehmerische Risiko gehen. “Es kann auch schiefgehen, aber ohne Mut kommen wir nicht voran und geraten ins Hintertreffen”, so Neugebauer.

Technische Hürden überwinden Ziel der QuNET-Partner ist der Aufbau einer Kommunikationsinfrastruktur, in der die Integrität durch den Austausch von Quantenschlüsseln gewährleistet ist. Da in verschränkten Quantensystemen Eingriffe an einem Ende unweigerlich zu Veränderungen am anderen Ende führen, würden die Manipulation

und selbst das Mitlesen durch einen Dritten sofort auffallen (mehr zu Quantentechnologien im Behörden Spiegel Mai 2019, S. 42). Das Prinzip wurde schon mehrfach erprobt. Bisher lassen sich aber noch keine ausreichenden Datenraten für praxistaugliche Anwendungen realisieren. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Verknüpfung bestehender heterogener Netze zu einer gemeinsamen Kommunikationsinfrastruktur mit Quantenverschlüsselung. In der ersten Projektphase sollen zunächst Hardwarekomponenten entwickelt werden. Anschließend werden technische Grundlagen und Schnittstellen für den Mehrbenutzerbetrieb erarbeitet. In der dritten Phase sollen Industrie und Bundesnetzbetreiber das hochsichere Behördennetzwerk implementieren. Einen ersten Feldversuch mit einem Kommunikationskanal zwischen zwei Bundeseinrichtungen hoffen die Konsortialpartner nach rund zwei Jahren Laufzeit umsetzen zu können.

E-Voting – eine Chance für die Demokratie von Jan Lindner, Vice President Northern Continental Europe bei Panda Security

Grafik: BS/Heinen ICS

gen, bevor die vernetzte Kommunikation beginnt, insbesondere der Zugang zum Internet. Es gibt viele Varianten, die Datendiebe und Nachrichtendienste heute nutzen können, um sich unbemerkt Zutritt zu Computernetzen von Behörden und staatlichen Einrichtungen zu verschaffen. Die Gefahr des spurlosen Datendiebstahls, so nennen Spezialisten den direkten Angriff auf IT-Arbeitsplätze während des unverschlüsselten Eingabeprozesses am Rechner, wird in Zukunft immer mehr zu einer kritischen Bedrohungslage.

Dies geschieht oft durch: • Auffangen von in das Stromnetz abfließenden Informationen • Radaranstrahlung von Datenleitungen und IT-Geräten • Abfangen elektromagnetischer Abstrahlung der IT-Geräte Durch den Einsatz der Heinen ICS NoSpy-Hardware-Produkte kann die Informationssicherheit an den Computer-Arbeitsplätzen in Behörden, staatlichen Einrichtungen und im Home-OfficeBereich signifikant verbessert werden, weil der spurlose Datenraub unmöglich wird. *Dipl.-Ing. Joachim Stäcker ist Bereichsleiter bei Heinen ICS.

Die gerade abgehaltene Europawahl hat mit einer stark angestiegenen Anzahl an Briefwählern gezeigt, dass eine Wahlmöglichkeit unabhängig vom Aufenthaltsort nicht nur geboten sein muss, sondern offensichtlich auch gewünscht ist. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung in vielen Lebensbereichen der Bürger auf der einen sowie bei öffentlichen Verwaltungen auf der anderen Seite, muss das Thema elektronische Stimmabgabe wieder mehr in den Fokus rücken. E-Voting bietet nach dem Vorbild Estlands, wo seit 2005 online gevotet werden kann, viele Vorteile. Allen voran gewichtige

Argumente wie die Reduzierung von Nichtwählern sowie der Organisationskosten. Die Erhöhung der Wahlbeteiligung ist dabei unumstritten, hätten Bürger doch unabhängig von ihrem Aufenthaltsort und ihrer Mobilität eine Möglichkeit zur Stimmabgabe. Jedoch birgt das Verfahren auch Risiken und ein hohes Schutzbedürfnis für Verwaltungen und Wähler. So gelten für die Realisierung Datenschutz und Cyber-Sicherheit als Grundpfeiler. Der Einsatz von zukunftssicheren Lösungen mit KI und ausgereiftem Threat Hunting sind dabei obligatorisch und bereits verfügbar. Dazu gehören fortschrittliche Strategien

zur Erkennung von Bedrohungen und Manipulationsversuchen sowie allen voran die Absicherung von Stimmabgaben über persönliche Endgeräte der Bürger, die oft weniger gut gegen Angriffe gesichert sind als Systeme in Behörden. Ausgefeilte, sogenannte Endpoint Detection and Response-Technologien in Kombination mit KI und Threat Hunting machen das schon heute möglich. Eine Integration in eine entsprechende Wahlsoftware ist umsetzbar. So empfiehlt sich die elektronische Stimmabgabe als zeitgemäße Variante. Ihr Jan Lindner


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juni 2019

Grenzen verschwimmen zunehmend

KNAPP Kooperation zwischen Polizei und Feuerwehr

Extremismus sickert immer weiter ins Bürgertum ein

(BS / Marco Feldmann) Die Grenzen zwischen bürgerlichen Protestformen und Extremismus verschwimmen zunehmend. Zudem konstatiert der Verfassungsschutz neue Dynamiken bei (BS/mfe) In Rheinland-Pfalz wolRechts- und Linksextremisten. Bei Letzteren sei außerdem der frühere Konsens hinfällig, Gewalt nur gegen Sachen und nicht gegen Personen zu richten. Das führt zu neuen Bedrohun- len Polizei und Feuerwehr die gen und verändert die Arbeitsweise der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Besonders gefordert sind die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern. Schulung für Einsatz- und NotUm hier Schritt halten zu können, muss auch über gesetzgeberische Anpassungen und Reformen nachgedacht werden. So verlangt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, mit Blick auf seine eigene Behörde: “Wir brauchen die Quellen-Telekommunikationsüberwachung auf mobilen Endgeräten und die Online-Durchsuchung.” Denn bisher sei insbesondere die Verschlüsselung von MessengerDiensten schwer zu überwinden. Außerdem böten Soziale Medien Extremisten jeder Couleur mittlerweile eine Bühne. Dort werde die rationale Debatte zugunsten einer emotional geführten Diskussion aufgelöst. Hinzu komme, dass Extremisten sowohl im analogen als auch im digitalen Raum, die laut Haldenwangs Vizepräsidenten, Sinan Selen, kaum noch voneinander zu trennen seien, nicht immer auf den ersten Blick als solche zu erkennen seien. Und klassische, seriöse Medien könnten hier kaum mehr helfen. Ihre Filterfunktion sei inzwischen passé, meint Haldenwang. Des Weiteren könnten Nachrichtendienste subtilere extremistische Bewegungen, wie zum Beispiel die “Identitäre Bewegung”, schwerer detektieren als “klassische” Extremisten, ergänzt BfV-Vizepräsident ­Michael Niemeier. Der Präsident des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Torsten Voß, betont, wie wichtig es sei, dass es in der Gesellschaft weiterhin eine natürliche Abwehrhaltung gegen Extremismus gebe. Voß, der auch Vorsitzender des für Fragen des Verfassungsschutzes zuständigen Arbeitskreises IV der Innenministerkonferenz (IMK) ist, meint darüber hinaus: “Es ist für den Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung womöglich die wichtigste Aufgabe des Verfassungsschutzes, hier schon so früh wie möglich, bei den ersten Anhaltspunkten, zur Stelle zu sein.” Es sei womöglich die wichtigste Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden, bereits frühzeitig hinzuweisen, hinter welchen Aktivitäten und Aktionen Extremisten steckten, damit sich demokratische Initiativen auch distanzieren und eine Grenze setzen könnten. Außerdem warnte Voß: “Antifaschismus ist nicht per se demokratisch.”

Ruf nach rascher Reform Aufgrund dieser Entgrenzungsentwicklungen und -tendenzen fordert der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor zeitgemäßere Kompetenzen für den Verfassungsschutz. Das Mitglied im Innenausschuss sagt zum Behörden Spiegel: “Der Verfassungsschutz benötigt dringend die Mittel der Quellen-Telekommunikationsüberwachung und der Online-Durchsuchung. Das Bundesverfassungsschutzgesetz muss schnellstmöglich reformiert und auf die Höhe der Zeit gebracht werden.” Es existiere auch bereits ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechtes. Er befinde sich jedoch noch in der

Früher konnten bürgerliches Protest- und Extremistenmilieu klar voneinander abgetrennt werden. Die Schranke zwischen den beiden Spektren funktionierte und war geschlossen. Heute ist das nicht mehr der Fall. Das erschwert die Arbeit der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS), vor allem des Verfassungsschutzes. Foto: BS / spuno, stock.adobe.com

Ressortabstimmung und habe aufgrund von Bedenken aus dem Bundesjustizministerium (BMJV) noch keine Kabinettsreife erreicht. Dieser Stand wird von BMI und BMJV bestätigt. Es hätten auch bereits Gespräche zum Entwurf stattgefunden. Noch laufe allerdings die regierungsinterne Abstimmung. Im Koalitionsvertrag sind jedenfalls “maßvolle Kompetenzerweiterungen für das Bundesamt für Verfassungsschutz” vorgesehen. Parallel dazu soll es “eine gleichzeitige und entsprechende Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle” geben. Auch sollten demnach die Befugnisse des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder vereinheitlicht werden, heißt es aus dem BMI. Eine Ausweitung der Befugnisse für den Nachrichtendienst sehen zahlreiche Sozialdemokraten allerdings kritisch.

Parlamentarische Kontrolle ausbauen Zur Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste lägen jedoch noch keinerlei Vorschläge vor, kritisiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen im Deutschen Bundestag, Konstantin von Notz. Das Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) unterstreicht: “Geheimes, nachrichtendienstliches Handeln darf es in einem Rechtsstaat nur geben, wenn eine wirksame parlamentarische Kontrolle sichergestellt ist.” Eine weiter zunehmende Vernetzung der Sicherheitsbehörden müsse notwendigerweise mit einem Ausbau sowie einer stärkeren Vernetzung der parlamentarischen Kontrolle einhergehen. Hierfür erhält er Zuspruch von seiner Parteikollegin Antje Möller, Innenpolitische Sprecherin der Grünen in Hamburg. Voß wiederum meint, dass sein Landesamt bereits die bestkontrollierte Sicherheitsbehörde der

Hansestadt sei. Dies sei aber keineswegs negativ zu bewerten. Denn: “Je intensiver die Kon­ trolle ist, desto stärker kann die Arbeit des Verfassungsschutzes legitimiert werden.” Mit Blick auf den aktuellen Novellierungsprozess auf Bundesebene bemängelt der Grüne von Notz ungeachtet dessen: “Die Reformvorhaben der Union bezüglich der Geheimdienste bedeuten stets nur die Ausweitung der Befugnisse.” Anstelle von ständig neuen Befugnissen auf meist unklaren, verfassungsrechtlich problematischen Rechtsgrundlagen brauche es strukturelle Reformen. Die vorgesehene Befugnis zu OnlineDurchsuchungen sei bereits im Polizeibereich äußerst umstritten, warnt der Grünen-Politiker. Voß hält dem eine Forderung nach einem modifizierten Trennungsgebot entgegen. Es müsse aufgrund der veränderten Sicherheitslage überlegt werden, ob es dem Verfassungsschutz künftig nicht gestattet werden sollte, gewonnene Erkenntnisse an Behörden wie das Jugendamt oder psychiatrische Dienste weiterzugeben. Dabei hat er unter anderem Kinder und Jugendliche im Blick, die in Familien von IS-Rückkehrern aufwüchsen. Gleiches gelte für Ex­ tremisten, die psychisch auffällig seien. Diesbezüglich hat Voß die Rückendeckung seines Innensenators Andy Grote (SPD). Auch er will sich entsprechenden Debatten nicht verschließen und erachtet den Verfassungsschutz als “erste Verteidigungslinie der Demokratie” sowie als “Alarmanlage der freien, offenen Gesellschaft”. Von Notz kritisiert das Reformvorhaben im Bund dennoch: “Zudem will der Bundesinnenminister künftig auch Kinder in den Dateien des Bundesamtes für Verfassungsschutz erfassen lassen. Dabei stehen Kinder aus gutem Grund unter besonderem verfassungsrechtlichen Schutz.” Damit würden die Nachrichtendienste mit weiteren Beobachtungsobjekten überfrachtet.

Momentan speichert das BfV im Zusammenhang mit extremistischen Aktivitäten Daten von insgesamt 52 Jugendlichen im Alter von 14 und 15 Jahren. Überwiegend (43 Fälle) gehe es um den Phänomenbereich Islamismus/islamistischer Terrorismus, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion. Deren stellvertretender Vor­ sitzender, Dr. André Hahn, meint: “Angesichts diverser Pannen und Skandale ist der Inlandsgeheimdienst aus Sicht der Linken weder reformierbar noch wirksam kontrollierbar.” Aus diesem Grunde sollte er aufgelöst werden. Sicherheitslücken entstünden dadurch nicht. Sinnvoller sei die Einrichtung einer Zen­tralstelle zur Sammlung von Materialien zum Schutz der Verfassung ohne die Befugnis zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Darüber hinaus sollte eine Bundesstiftung zur Beobachtung und Erforschung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit die Aufgabe der Gefahrenabschätzung übernehmen. Dem Bundeskriminalamt (BKA) käme nach Hahns Vorstellungen die Entgegennahme von Hinweisen auf geplante Terroranschläge und deren Strafverfolgung zu. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wäre dann für die Aufklärung von Cyber-Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und die Wirtschaft zuständig.

Veränderung angestrebt Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag hält die Erweiterung von BfV-Eingriffsbefugnissen für unbestreitbar erforderlich. Ihr Abgeordneter Roman Reusch unterstreicht: “Es macht schlichtweg keinen Sinn, einen Inlandsgeheimdienst zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für das Gemeinwesen und seine Bürger zu unterhalten, ihm aber die notwendigen Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung vorzuenthalten.” Die sol-

chen Maßnahmen grundsätzlich entgegengebrachten Bedenken der Missbrauchsgefahr derartig gewonnener Daten ließen sich seines Erachtens durch den Einsatz fortschrittlicher Verschlüsselungssystemen entkräften. Reusch verlangt vielmehr, dass das Amt des BfV-Präsidenten in das eines Lebenszeitbeamten überführt wird. Momentan ist der Amtsleiter politischer Beamter und kann jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Außerdem berichtet Reusch: “In unserer Fraktion wird gegenwärtig darüber diskutiert, ob der Aufgabenbereich des Bundesamtes für Verfas­sungs­schutz im Bereich des Staats­schutzes dahingehend klar definiert werden soll, dass eine Festlegung auf Bestrebungen unter Anwendung von Gewalt oder durch das Inaussichtstellen von Gewalt erfolgt.” Einer liberalen Demokratie sei es schlichtweg unwürdig, sämtliche politischen Aktivitäten – insbesondere oppositioneller Kreise – zu beobachten und damit den demokratischen Willensbildungsprozess zu­min­dest deutlich zu behindern. “Durch eine solche Aufgabendefinition könnte zudem das so frei werdende Personal in anderen Bereichen der Behörde, wo es dringend benötigt wird, eingesetzt werden. Der Befürchtung des Missbrauchs des Verfassungsschutzes zu Zwecken des politischen Meinungskampfes wäre damit außerdem ein Riegel vorgeschoben”, meint Reusch.

fallsituationen über gemeinsame Simulationstechnik ausbauen. Genutzt wird die Technologie “Simulation in der Ausbildung für Einsatzkräfte in RheinlandPfalz” (SAFER). Damit werden Übungslagen als virtuelle Realität auch auf mobilen Endgeräten verfügbar gemacht. Künftig wird SAFER auch an der Hochschule der Polizei für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen genutzt. Das ist deutschlandweit einmalig. Bei SAFER werden dreidimensionale Szenarien verwendet, die unterschiedliche Einsatzsituationen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden vermitteln. Das ermöglicht ein sehr realitätsnahes Training. Unterdessen unterstützt die Mainzer Landesregierung kommunale Bau- und Beschaffungsmaßnahmen der Feuerwehren in diesem Jahr mit rund 14,1 Millionen Euro. “Als Teil der Inneren Sicherheit im Land genießt die Förderung des Feuerwehrwesens hohe Priorität”, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD). Mit den bereitgestellten Fördermitteln könnten Investitionen angepackt werden, die der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dienten, so der Ressortchef weiter. Landesweit werden 36 Neu-, Umund Erweiterungsbaumaßnahmen an Feuerwehrhäusern sowie 135 Beschaffungen von Feuerwehreinsatzfahrzeugen gefördert. Hierfür stehen den Gemeinden insgesamt 7,96 Millionen Euro und zusätzlich 3,57 Millionen Euro an Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung.

Keine automatische ­“Aufrüstung” gewollt

Neues Multinational CIMIC Command

Stephan Thomae, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Deutschen Bundestag, betont: “Eine Neustrukturierung der Sicherheitsarchitektur ist überfällig. Zu viele Behörden sind zuständig und wenn es darauf ankommt, ist niemand verantwortlich. Doppelzuständigkeiten und die ungleiche Lastenverteilung müssen beseitigt werden.” Aus diesem Grunde habe seine Fraktion eine Föderalismuskommission III beantragt. Das BfV müsse technisch auf Augenhöhe agieren. “Das darf aber nicht automatisch “Aufrüstung” bedeuten. Wir lehnen es strikt ab, den Verfassungsschutz mit Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung auszustatten”, stellt Thomae klar. Diese In­ strumentarien genügten schon jetzt nicht den strengen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und seien als originäre Gefahrenabwehrrechte den Polizeibehörden vorbehalten. Zunächst sollten die bestehenden und erst vor einigen Jahren stark erweiterten Befugnisse des BfV ausgeschöpft werden. Thomae hält das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und das Gemeinsame Extremismusund Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) für den richtigen Ansatz. Beide müssten aber endlich auf eine Rechtsgrundlage gestellt werden. Darüber hinaus wird derzeit über die richtige, weil zukunftsweisende Ausrichtung der Einrichtungen diskutiert.

(BS/por) Am 30. September wird das nationale Zentrum Zivil-Militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr in einem feierlichen Aufstellungsappell in “Multinational CIMIC (Civil Military Co-Operation) Command” umbenannt. Die Dienststelle gehört zur Streitkräftebasis und befindet sich am Standort Nienburg/Weser. Hintergrund für diese Aufwertung ist das “Framework Nations Concept” (FNC) der NATO. Deutschland hat dieses Rahmennationenkonzept als Beitrag zur transatlantischen militärischen Lastenteilung initiiert. Darin vereinbaren 16 europäische Mitgliedsstaaten der Atlantischen Allianz sowie vier EU-Partnerländer, die nicht NATO-Mitglied sind, ausgewählte militärische Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Europa beabsichtigt damit, die anstehenden sicherheitspolitischen Herausforderungen innerhalb des Kontinents besser zu bewältigten. Insgesamt zielt das FNC darauf ab, effiziente Strukturen und stabile Kooperationsbeziehungen zwischen den Partnern zu schaffen. Partnernationen können durch das Multinational CIMIC Command die Interoperabilität ver­ bessern, ein umfassendes Ausbildungsangebot nutzen und Einsätze gemeinsam vorbereiten. Zunächst sind sieben Dienstposten zur multinationalen Besetzung in Nienburg ausgeschrieben. Insgesamt 38 sollen bis zur vollen Einsatzbereitschaft des Kommandos im Jahr 2024 bereitstehen.


Innere Sicherheit

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Mit der Zeit gehen

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us diesem Grund werden die dazu notwendigen Kraftanstrengungen und Synchronisationserfordernisse im “Programm Polizei 2020” gebündelt. Die Polizei der Zukunft benötigt selbstverständlich weiterhin sehr gut aus- und fortgebildete Polizisten, die sich verstärkt auch in der virtuellen Welt bewegen können. Wir brauchen Arbeitsbedingungen, die es ermöglichen, sich auf die Kernaufgaben konzentrieren zu können, ohne unnötig viel Zeit für Arbeiten aufzuwenden, die automatisiert werden können. Wir brauchen für den täglichen Dienst der Schutz- und Kriminalpolizei keine reinen IT-Fachleute, sondern immer noch Polizisten, die ihr Handwerk ausüben und dabei von der IT unterstützt werden.

Ressourcen bisher nicht optimal genutzt Diesem Anspruch gilt es gerecht zu werden. IT-Anwendungen für Datenerfassungen, Übermittlungen, Auswertungen, Analysen und Abrufe sollen unterstützen und dabei anwenderfreundlich sein. Darüber hinaus muss der fachlich erforderliche und rechtlich zulässige Transfer von Informationen schnellstmöglich erfolgen können. Heute noch entfaltet die aktuelle Vielzahl unterschiedlich zu bedienender Anwendungen eine hohe Bindungswirkung der Polizei in der reinen Umsetzung. Dadurch werden wichtige Zeitanteile verbraucht: Knappe Ressourcen, die an anderer Stelle zielführender eingesetzt werden können. Hinzu kommen

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as terroristische Attentat auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch, bei dem der Australier Brenton Tarrant 50 Menschen erschoss und weitere 50 zum Teil schwer verletzte, war ein unmenschlicher Akt eines einzelnen Rechtsterroristen. In seinem ins Internet gestellten islamophoben Manifest berief er sich jedoch ausdrücklich auf “sein Vorbild”, den norwegischen Massenmörder Anders Breivik und dessen 1.500-seitiges Manifest “2083: Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung”. Dieser beging im Juli 2011 die bis dahin in Norwegen unvorstellbaren Terroranschläge in Oslo, im Regierungsviertel, und auf der Insel Utøya, wo ein sozialdemokratisches Jugendlager stattfand. 77 Menschen wurden dabei ermordet. Während in Christchurch ausschließlich Muslime das Ziel der Attentate waren, zielte Breivik allgemein gegen den Multikulti-Kurs der norwegischen Sozialdemokratie.

Terroristen leider viel zu erfolgreich Auch das Christchurch-Massaker in Neuseeland war ein singuläres, ein zuvor dort undenkbares Ereignis. So schrecklich und verdammenswert es auch war, so steht auch dieses dafür, dass die Behauptung, der islamistische Terror werde nicht gewinnen, allenfalls eine schwache Hoffnung sein kann. Sie ist eher eine Schimäre oder ein politisches Mantra. Terroristen sind leider viel erfolgreicher, als wir es uns eingestehen wollen. Die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Die unauflösliche und unheilvolle Konnexion zu den weltweit zunehmenden christophoben und judophoben Angriffen und Anschlägen wirkt in all unseren Köpfen, mal mehr und mal weniger: Wir sind nicht Charlie. Vor wenigen Wochen machte das U.S. Gatestone Institute, ein internationaler Expertenrat und Think Tank, eine Art weltweite “Tour de Terrorism” und zog eine Zwischenbilanz – und das nur für den Monat Februar 2019: In Nigeria ereignete sich eine

Behörden Spiegel / Juni 2019

Durch “Polizei 2020” wird Informationsarchitektur modernisiert (BS/Hans-Joachim Grote) “Industrie 4.0” ist die Bezeichnung für ein Zukunftsprojekt zur umfassenden Digitalisierung der industriellen Produktion, um sie für die Zukunft besser zu rüsten. Übertragen auf die Polizei kann das “Programm Polizei 2020” als Synonym für die Modernisierung der polizeilichen Informationsarchitektur im Bund und in den Ländern verstanden werden. Die Bereitstellung organisatorischer und polizeifachlicher Rahmenbedingungen in einer dynamischen digitalen Umgebung ist nicht nur fachlich geboten. Vielmehr entspricht sie auch der Erwartungshaltung der Bürger an eine leistungsfähige Polizei. dürfen. Anwendungsbereiche der KI können das Strukturieren und Analysieren von großen Datenmengen sein. Hierbei kann es um Bilder, Texte oder Sprache gehen, zum Beispiel das Erkennen von Bildmanipulationen, aber auch gefahrenabwehrende Überwachungsmaßnahmen von Menschenmengen oder kriminelle Aktivitäten im Internet.

die bekannten Defizite der heterogen und föderal gewachsenen polizeilichen IT-Lösungen, die den anerkannten Bedarf an leistungsfähige Systeme nicht mehr erfüllen. Eingeschränkte technische Übermittlungs- und Analysemöglichkeiten stehen dabei einer effektiven Polizeiarbeit entgegen.

Immer auf aktuellem technischem Stand sein Örtlich agierende Täter sind heutzutage in vielen Deliktsbereichen die Ausnahme. Vielmehr agieren Tätergruppen, wie beispielsweise im Bereich der bandenmäßigen Eigentumsdelikte, der Organisierten Kriminalität (OK), aber auch weltweit vernetzte Terrorgruppen über Länder- und Staatsgrenzen hinweg. Gesteigerte Mobilität, Migration, Vernetzung und Digitalisierung sind hierbei zu berücksichtigen. Selbstverständlich müssen Sicherheitsbehörden auf Höhe der Zeit auf dieses Täterverhalten reagieren und mit angepassten Mitteln ausgestattet werden. Nur mit stetig aktuell gehaltenen Auswerte- und Analysesystemen kann die Kriminalitätsbekämpfung erfolgreich sein.

Nicht nur technische Aspekte berücksichtigen

Hans-Joachim Grote ist seit Juni 2017 Innenminister Schleswig-Holsteins. Zuvor war er Oberbürgermeister von Norderstedt. Bis Jahresende hat er den Vorsitz in der Innenministerkonferenz (IMK) inne. Foto: BS/Frank Peter

Digitale Tatgelegenheiten nehmen durch die rasante Steigerung von internetbasierten Diensten im privaten und geschäftlichen Umfeld stark zu. Als eines von vielen neuen kriminellen Einfallstoren sei hier beispielhaft das Internet der Dinge (IoT) genannt. Mittel und Methoden zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind hier in einem sehr dynamischen Prozess gefordert. Dies gilt es selbstverständlich auch für die eigene digitale Infrastruktur der Behörden und Organisationen

mit Sicherheitsaufgaben (BOS) zu berücksichtigen.

KI-Nutzung prüfen Die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) wird in verschiedenen Bereichen zu prüfen sein. Auch wenn die jüngsten technologischen KI-Entwicklungen zu bemerkenswerten Ergebnissen führen, muss für eine polizeiliche Nutzung jedoch klar sein, dass die Algorithmen “nur” unterstützen sollen und nicht zu automatisierten Entscheidungen führen

Der Einsatz von KI darf aber nicht nur unter den rein technischen Aspekten, sondern muss natürlich auch unter ethischen Fragen betrachtet werden. Wesentliche Arbeitsanteile der Polizei müssen nach wie vor “vor Ort” geleistet werden. Der Umbruch von der Datenaufnahme ins Notizbuch und späteren Übertragung in die digitale Arbeitswelt hat bei der Polizei in Schleswig-Holstein bereits begonnen. Mit der mobilen polizeilichen IT per Smartphone können viele Arbeitsschritte unmittelbar und medienbruchfrei ohne Einbindung anderer Stellen erledigt werden. Die Eröffnung eines Vorgangs, auch unter Einbeziehung mehrerer Teams, georeferenzierte

Christenverfolgung weltweit immer heftiger “Clash of Civilizations” ist längst in vollem Gange (BS/Uwe Kranz) Die Unterschiede zwischen dem politischen und medialen Verhalten nach den Terroranschlägen von Christchurch und Sri Lanka sind bemerkenswert. Gleichzeitig wird die Religionsfreiheit, eines der wichtigsten Merkmale unserer Zivilisation, in weiten Teilen der Welt, namentlich in muslimischen Ländern, zerstört. Doch kaum jemand nimmt davon Notiz. Alles Einzelfälle? Vielzahl islamistischer Terrorattacken gegen Christen. In Burkina Faso wurde der 72-jährige spanische katholische Missionar Antonio Cesar Fernandez von islamistischen Terroristen auf der Rückfahrt in die Landeshauptstadt Ouagadougou angehalten, in einen Wald verschleppt und dort erschossen. Fernandez war

ternahm jedoch nichts. In Kenia wurde in dem Flüchtlingslager Ivo bei Dadaab/Garissa County bekannt, dass eine 41-jährige Frau, die vor Monaten heimlich zum Christentum übergetreten war, von muslimischen somalischen Lagerbewohnern zusammengeschlagen und mehrfach vergewaltigt worden war. Ihr Leben wurde nur geschont, weil sie vier Kinder hatte. Solche Schicksale und noch schlimUwe Kranz, Terrorismusexperte des Behörden Spiegel, mere dürften sich warnt vor einer sich immer dort tausendfach weiter verschlechternden Siereignet haben, tuation für Christen in vielen denn die islamiLändern der Welt. schen ApostasieGesetze sehen die Foto: BS/Dombrowsky Todesstrafe vor. Die Infiltration seit 1982 Missionar in Afrika. Kenias durch radikale bezieBis heute wurden übrigens wei- hungsweise extremistische Islatere fünf Kirchenväter ermordet, misten aus Somalia, insbesondezwei weitere gelten als vermisst re von der Al-Qaida-Terrorfiliale und mindestens zehn Christen al-Shabaab, führte zunehmend wurden ermordet. Viele Kirchen zum Aufbau von Terrorzellen, wurden seitdem zerstört oder die mit den im Irak, in Syrien niedergebrannt. Die christliche und in Lybien erprobten SpioBevölkerung wurde in vielen nagemethoden Christen, Un- und Städten vertrieben und isla- Andersgläubige aufspüren und mistische Milizen patrouillieren versuchen, sie zu eliminieren. ungehindert auf der Jagd nach Besonders betroffen sind Chris“Ungläubigen”. Burkina Faso ent- ten, die sich vom muslimischen wickelt sich zu einem Hotspot Glauben lossagten. des islamistischen Terrorismus.

Polizei unternahm nichts

Situation in Pakistan besonders schlimm

In Äthiopien überfielen muslimische Menschen jeglichen Alters und aus allen Stadtteilen zehn christliche Kirchen. Unter “Allahu-akbar”-Rufen vertrieben sie fast 10.000 Gläubige, rissen das gesamte Kircheninventar heraus und verbrannten es auf der Straße. Eine der Kirchen wurde dabei total zerstört, die anderen wohl nur deshalb nicht niedergebrannt, weil Nachbarhäuser von Muslimen gefährdet worden wären. Die Polizei war vor Ort, un-

Pakistan gehört zu den “TopFive”-Staaten, die eine extensive Christenverfolgung betreiben (neben Sudan, Somalia, Afghanistan und Nordkorea). Eine totale Überwachung der und Übergriffe auf Christen sind Alltag, darunter schwere Gewalttaten wie Morde, Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Kidnapping oder Erpressungen. In Tadschikistan wurde das Religionsrecht gerade weiter verschärft, Kinder dürfen künftig

keine christlichen Gottesdienste mehr besuchen und Tausende von Kalendern, die christliche Bibelverse enthielten, wurden von den Behörden verbrannt. In Frankreich wurden allein in den ersten zwei Februarwochen von Houilles bis Nimes landesweit mindestens zehn katholische Kirchen Opfer von religiösem, islamistischem Vandalismus. Man muss daran erinnern, dass 2018 in Frankreich insgesamt mehr als 800 Kirchen angegriffen wurden (mehr als zwei pro Tag).

Christen in der Türkei vor gefährlichen Zeiten In der Türkei fanden sich im Februar rassistische und volksverhetzende Graffitis an der Eingangstür der armenischen Hauptkirche in Istanbul. Dies ist landesweit nur eines der vielen Zeichen des Ausdrucks der fortgesetzten Christenverfolgung, die zumindest seit 1998 auf dem Zitat des damaligen Istanbuler Bürgermeisters Recep Tayip Erdoğan basiert: “Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.” Seit dem Genozid an den (christlichen) Armeniern kämpft die Türkei mit ihrem historischen Erbe. Seit dem Putschversuch 2016 finden sich vor allem religiöse Minderheiten noch mehr marginalisiert und von der islamisch-sunnitischen Mehrheit unterdrückt. Eine immer offenere antiwestliche und Anti-EURhetorik geht einher mit einer von Diyanet, dem Amt für religiöse Angelegenheiten, angefeuerten, zunehmenden anti-christlichen Hetze, mit der Beschneidung bürgerlicher Freiheiten und Rechte, mit Pressezensur und -verfolgung und mit einer stringenten isla-

mistischen Regierungspolitik. Kein Zweifel: Nicht-Muslimen stehen in der Türkei, obwohl sie nur etwa 0,2 Prozent der Bevölkerung ausmachen, gefährliche Zeiten bevor.

Serie TERRORZIELE (TEIL 32) In Ägypten leben immer noch über zehn Millionen koptische und orthodoxe Christen. Sie brauchen aber eine staatliche Genehmigung für den Betrieb ihrer Kirchen. Nach einem Gesetz aus dem Jahr 2016 dürfen Anträge auf Legalisierung der Kirchen bei “Sicherheitsbedenken” (sogar unbefristet) verweigert werden. Das neue Gesetz erlaubt sogar, dass Christen einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt werden können, wenn sie “ohne Erlaubnis beten”.

Kaum Erfolge Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages fasste im vergangenen Jahr eine Auswahl aktueller Berichte zur Christenverfolgung weltweit zusammen, um die Abgeordneten bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit zu unterstützen. In diesem Bericht wird das Europäische Parlament mit einer Entschließung zitiert. Demnach zeigte es

Datenerfassungen, das direkte Einlesen von Dokumenten, Speichern von Fotos, Sprachnotizen, Fahndungsabfragen und weitere Funktionalitäten machen re­ dundantes Arbeiten überflüssig. Damit werden nicht nur die Qualität und Quantität der Arbeit gesteigert. Gleichzeitig verbessern zeitgemäße Arbeitsbedingungen die Attraktivität des Berufes – ein gutes Argument im Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte.

Kompetenzen kontinuierlich anpassen. Moderne IT-Anwendungen können auch die Bürgernähe steigern. Die Erwartungshaltung an den modernen Staat, zumindest für einfache Angelegenheiten digital erreichbar zu sein, schließt auch die Polizei mit ein. Mit dem Angebot einer zeitgemäßen Online-Wache für Standardvorgänge, einschließlich dialogfähiger Kommunikationsmöglichkeit, könnten Bürgern Zeit und Wege erspart werden sowie den Polizeidienststellen Kapazitäten für Präsenzen schaffen. Das “Programm Polizei 2020” steht für die Zukunftsausrichtung der Polizeien des Bundes und der Länder. Die bisherigen umfangreichen Bemühungen zur Umsetzung lassen erkennen, dass der Weg konsequent weitergegangen werden soll. Darüber hinaus wird es jedoch unabdingbar bleiben, die polizeiliche Präsenz zu erhalten und gleichzeitig die stetige Anpassung der Kompetenzen an die schnell fortschreitende digitale Lebenswelt als Daueraufgabe zu verstehen.

sich “zutiefst beunruhigt darüber, dass in einigen Teilen der Welt religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaften bedroht sind und ganze religiöse Gemeinschaften verschwinden oder fliehen” und deshalb einen Sonderbeauftragten für die Förderung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der Europäischen Union einsetzte. Der Erfolg seiner Bemühungen darf angesichts der seither feststellbaren Entwicklungen allenfalls als suboptimal bezeichnet werden. Bis heute fehlt die vom UNSonderberichterstatter geforderte “internationale Datenbank zu Hassverbrechen mit religiösem Bezug”.

Keine Entwarnung für Deutschland Und in Deutschland? Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte 2017 erstmals fast 100 christenfeindliche Angriffe. Hier gibt es allerdings Widersprüche. Denn allein in Bayern sollen rund 200 Kirchenschändungen pro Jahr angezeigt worden sein. Es herrscht scheinbar auch bei uns ein schleichender Krieg gegen alles, was das Christentum symbolisiert. Auch unsere Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist bei den Themen “christenfeindliche Straftaten”, “Kircheneinbrüche” oder “Schändungen von Kirchen, Kreuzen oder anderen sakralen Gegenständen” ebenso wenig Hilfe wie bei verwandten Themen im Zusammenhang mit Flüchtlingsheimen. Zumindest das sollte sich umgehend ändern, damit wenigstens Faktenwahrheit und -klarheit herrscht.

MELDUNG

Neue Einsatztrainingszentren (BS/mfe) Die Berliner Polizei soll fünf neue Einsatztrainingszentren (ETZ) erhalten. Zwei davon werden neu gebaut, die übrigen auch teilweise in Bestandsbauten integriert. Für den ersten Bauabschnitt des ersten ETZ war kürzlich Grundsteinlegung. Die

Zentren sollen ein regelmäßiges Schießtraining gewährleisten. Sie verfügen dabei über eine Raumschießanlage, einen Raum für eine Laser-Simulationsanlage, Übungswohnungen und -treppenhäuser sowie Schulungs- und Trainingsräume.


Innere Sicherheit

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Die richtigen Prioritäten setzen

Staatliche Verantwortung ist nicht teilbar

Sicherheitsbehörden sollten auf Sorgen der Menschen eingehen

Luftsicherheitsassistenten direkt öffentlich kontrollieren

(BS/Wim Orth) Während die Sicherheit der Menschen in Deutschland objektiv immer besser wird, geht die Gefühlslage der Bürger fast überall in die umgekehrte Richtung. Ist beispielsweise die Zahl der Wohnungseinbrüche seit einem Spitzenstand von landesweit rund 167.000 im Jahr 2015 um mehr als ein Drittel auf rund 98.000 im vergangenen Jahr gesunken, so steigt in den Jahren gleichzeitig die gefühlte Unsicherheit der Menschen.

(BS/Ernst G. Walter) Ja, es stimmt, die Bundespolizei unternimmt große Anstrengungen im Bereich der Organisation und der Ausstattung von Luftsicherheitskontrollstellen durch veränderte Kontrollprozesse und den Einsatz neuer Technik. Und ja, die Bundespolizei und deren Mitarbeiter versuchen wirklich vorbildlich alles Mögliche, um ein hohes Sicherheitsniveau zu gewährleisten. Aber: Wie sagte bereits der Präsident der Bundespolizei, Dr. Dieter Romann, in Anlehnung an einen Spruch des Bundesverfassungsgerichts: “Verantwortung kann nur der tragen, der in seiner Entscheidung nicht von der Willensbildung Dritter abhängig ist.” Und da genau liegt das eigentliche Problem!

In dem fünfjährigen Zeitraum von 2012 bis 2017 ist dieser Wert in ganz Deutschland um vier Prozent angewachsen, im Osten auf 25,9 Prozent und im Westen auf 20,7 Prozent. Dennoch sei das subjektive Sicherheitsgefühl in Deutschland auf einem hohen Niveau angesiedelt, wie Dr. Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) Berlin erklärt: “Die Menschen haben grundsätzlich ein hohes Gefühl von Sicherheit hierzulande, allerdings gibt es deliktspezifisch sehr hohe Ausschläge in den negativen Bereich, wo die Leute Angst haben.” Gründe hierfür seien zum einen die wachsende mediale Aufmerksamkeit für bestimmte Arten von Kriminalität, die nicht mehr nur vom Boulevard aufgegriffen würden, sondern auch in anderen Formen von Berichterstattung und vor allem auch den Sozialen Medien, wo ein solches Vorgehen häufig politisch motiviert sei. Gleichzeitig breite sich in der Bevölkerung aber ebenso das Gefühl aus, dass der Rechtsstaat die falschen Prioritäten setze, so Landsberg: “Im Straßenverkehr gibt es für Tempo- oder Parksünder gnadenlose Strafen, die auch vollstreckt werden. Gleichzeitig braucht der Staat aber mehr als zwei Jahre, um eine Rechtsgrundlage zur Identitätsfeststellung von Flüchtlingen zu erstellen.” Ein weiteres Beispiel sei das Unvermögen des Staates, einen Großteil der ausreisepflichtigen Menschen dazu zu bewegen, auch wirklich das Land zu verlassen. Aus solchen Defiziten in der gefühlten Wahrnehmung

Darum stellt sich die Frage: Kann die Bundespolizei wirklich an allen 13 großen Flughäfen, wo sie derzeit für die Sicherheitskontrollen verantwortlich zeichnet, zu jeder Zeit der aktuellen Bedrohungslage wirkungsvoll begegnen? Kann die Bundespolizei tatsächlich garantieren, dass die bei ihr unter Vertrag stehenden privaten und gewinnorientiert arbeitenden Dienstleistungsunternehmen überall stets den, wie es im Gastbeitrag von Markus Bierschenk, Referatsleiter im Bundespolizeipräsidium (BeObgleich Streifenkontrollen an statistischen Kriminalitätsschwerpunkten wichtig hörden Spiegel Mai 2019, Seite sind, sollte die Polizei vor allem an gefühlten Brennpunkten Präsenz zeigen, 37), heißt, “höchsten Ansprüchen an denen Bürger sich subjektiv bedroht fühlen. Foto: BS/wenzlerdesign, pixabay.com an Qualität” genügen? Leider sagt Bierschenk nichts bei der Umsetzung von Recht genehm empfundenen Bereichen über die oft riesige Lücke zwiund Ordnung entstünden schnell des öffentlichen Raumes für eine schen der Anzahl des von der Vertrauensdefizite bei den Bür- ausreichende Beleuchtung sowie Bundespolizei angeforderte Kongern, die sich in Verbindung mit Sauberkeit und gegebenenfalls trollpersonals und der tatsächfehlender Polizeipräsenz an sub- eine Videoüberwachung gesorgt lichen Personalgestellung. Kein jektiv als unsicher empfundenen wird. Wort über dauerhaft vertragsOrten innerhalb der Kommunen Um zu erfahren, was die Bür- widrige Mindergestellung von in kurzer Zeit in akute Unsicher- ger in ihrem Alltag bewegt, sollte Personal, fehlende oder manheitsgefühle weiterentwickeln die Polizei sich zudem nahbar gelhafte innerbetriebliche Aufkönnten. zeigen. Dies sei laut Landsberg sichtsmaßnahmen, sachfremde zum einen möglich, indem man Erwägungen bei der RekrutieEs braucht positive Kommuni- sich in Schulen zeigt, um sich rung von Personal, exorbitante kation mit dem Bürger gerade jungen Menschen nicht Durchfallquoten bei den BeleiSo müsse sich der Staat gegen- nur als möglicher Arbeitgeber zu hungsprüfungen, beanstandete über Problemvierteln als starke präsentieren, sondern auch mal Fortbildung, negative Realtests, Instanz darstellen und nicht weg- zu zeigen, was die Polizei eigent- besorgniserregende EU-Inspektibücken. In vielen Fällen braucht lich macht. Gleichzeitig könne onsberichte oder katastrophale es eine solche aktive Polizeiprä- man aber auch in Innenstädten Ergebnisse bei internen Inspeksenz aber gar nicht unbedingt. oder Fußgängerzonen am Wo- tionen im Rahmen der FachaufStattdessen können Kommunen chenende einen Stand aufbauen, sicht. Stattdessen wird im Beitrag in Zusammenarbeit mit der Poli- Luftballons verteilen und mit den darauf verwiesen, dass “in den zei auf die Ängste der Bürger re- Menschen im lockeren Gespräch künftigen Verträgen der Bundesagieren, indem gerade in objektiv über deren Wünsche an die Polizei polizei mit den Sicherheitsdienstleistern vermehrt wirtschaftlich sicheren, aber subjektiv als unan- sprechen. spürbare Anreizsysteme, wie zum Beispiel Bonuszahlungen, aber auch Sanktionsinstrumente, wie etwa Vertragsstrafen zu finden sein werden”.

Nordrhein-Westfalen geht voran

System hat sich ad absurdum geführt

Erstes Lagebild zur Clan-Kriminalität (BS/mfe) Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) hat das erste Lagebild zur Clan-Kriminalität erarbeitet. Für das Papier wurden über 14.000 Straftaten untersucht, die Mitgliedern krimineller Großfamilien zugeschrieben werden. Mehr als ein Drittel dieser Taten waren Rohheitsdelikte, wozu unter anderem Tatbestände wie Raub, gefährliche Körperverletzung, Nötigung oder Bedrohung zählen. Insgesamt zählen die Fachbeamten des LKA 104 Clans, deren Angehörige zwischen 2016 und 2018 in Nordrhein-Westfalen polizeilich auffällig wurden. Das Lagebild weist 6.449 Tatverdächtige aus, denen 14.225 Straftaten zuzuordnen sind. Darunter sind auch 26 vollendete oder versuchte Tötungsdelikte. Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dazu: “Wir haben es hier eben nicht mit Eierdieben und Tabakschmugglern zu tun.” Clan-Kriminalität sei keine Kleinkriminalität. “Wir reden hier von schweren Verbrechen bis hin zu Tötungsdelikten”, so der Ressortchef. Laut Lagebild sind die kriminellen Großfamilien im gesamten Bundesland aktiv. Schwerpunkte sind jedoch die Großstädte im Ruhrgebiet sowie am Rhein. Aber auch im ländlichen Raum wurden Aktivitäten verzeichnet. Dabei handele es sich sowohl um offenkundig verbotene Tätigkeiten wie Rauschgifthandel, illegales Glücksspiel oder Sozialleistungsbetrug als auch um scheinbar legale Geschäfte. So wurden im vergangenen Jahr allein mehr als 1.800 Rohheitsdelikte aktenkundig, die von Clan-Angehörigen begangen wurden. Hinzu kommen fast 900 Eigentums- und nahezu 600 Betrugsdelikte. Das Lagebild weist zehn Clans aus, die für rund 30 Prozent der erfassten Straftaten verantwortlich sind. Dazu mein-

Ganz offensichtlich versucht man damit, ein krankes System notfallmäßig künstlich am Leben zu erhalten. Ursprünglich einmal aus Kostenersparnisgründen entwickelt, hat sich dieses System inzwischen schon lange selbst ad absurdum geführt. Schließlich sind die Personalkosten der privaten Dienstleister, die 90 Prozent der Gesamtkosten der Luftsicherheitskontrollen ausma-

chen, allein in den vergangenen zehn Jahren durch erstreikte Tariferhöhungen um fast 70 Prozent gestiegen. Das treibt die traditionell bei den Airlines in der Kritik stehenden Luftsicherheitsgebühren in die Höhe.

Kontrolltechnik privatisieren Die Bundesregierung sollte, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, “mehr strukturelle ...Verantwortung für die Sicherheit der Menschen beim Fliegen übernehmen”. Die DPolG Bundespolizeigewerkschaft hat dazu einen konzeptionellen Vorschlag entwickelt, nach dem das derzeitige System auf den Kopf gestellt wird. Wenn die bislang zu 100 Prozent verstaatlichte Kontrolltechnik einschließlich

staatliche Firmen dar, die ohne gewinnorientiertes Handeln und Kostendruck den Dreiklang aus Einstellung, Aus- und Fortbildung und Aufsicht aus einer Hand gewährleisten.

Bayern zeigt, wie es geht Dass ein solches System funktioniert, beweist der Freistaat Bayern. An den Flughäfen in München und Nürnberg haben es die dort zuständigen Luftämter nicht nötig, die staatlichen Sicherheitsgesellschaften SGM und SGN mit Bonuspunkten zu motivieren oder mit Sanktionen zu belegen. Dort arbeiten alle nach den gleichen Spielregeln und keine Seite braucht die andere davon zu überzeugen, dass die Qualität der Kontrollen zum

Ernst G. Walter ist Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft. Foto: BS/studio zeta

deren Beschaffung privatisiert würde, könnten Airports und Airlines in Zukunft flexibler auf neue, innovative Kontrolltechniken reagieren und diese selbst beschaffen. Luftsicherheitsassistenten, die bei der Entscheidung über die Sicherheit an den Kontrollstellen immer das letzte Wort haben, also die sogenannte “last line of defence” darstellen, sollten dagegen zurück in die direkte Verantwortung des Staates. Die Aufgabe, Flugreisende und deren persönliches Gepäck zu durchsuchen, was nach deutschem Rechtsverständnis hoheitlichen Eingriffsmaßnahmen gleichkommt, sollte grundsätzlich Beamten und Angestellten des Öffentlichen Dienstes vorbehalten sein. Eine Alternative stellen

Schutz von Menschenleben immer an erster Stelle stehen muss. Ist das teurer? Nein, denn selbst ein Polizeikommissar der Bundespolizei mit Abitur steht nach dreijährigem Fachhochschulstudium für umgerechnet etwa 16 Euro Stundenlohn als Sicherer hinter den Kontrollstellen, während die private Kontrollkraft ohne vorgeschriebenen Bildungsabschluss nach zweimonatiger Ausbildung dort mit 19 Euro Stundenlohn arbeitet. Mit Angestellten der Bundespolizei oder einer staatlichen Sicherheitsgesellschaft würde es im Gegenteil sogar preiswerter, weil bei eigener Aufgabenwahrnehmung durch den Staat nicht nur aufwendige Ausschreibungsverfahren, sondern auch die Besteuerung der Personalkosten entfallen.

Metall-Detektoren & Röntgengeräte Detector Trade Intl. GmbH & Co. KG Ließ das erste Lagebild zu Clan-Kriminalität erstellen: Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU), hier auf dem Europäischen Polizeikongress. Fotos: BS/Dombrowsky

te Reul: “Das sind schon MafiaStrukturen und Parallelwelten, in denen die Missachtung von Recht und Gesetz von einer Generation auf die nächste weitergegeben wird.” Das müsse dringend beendet werden. Er betonte: “Bei uns gilt nicht das Gesetz des Clans, sondern das Gesetz des Staates.”

Bundesweite Erfassung gefordert Von Gewerkschaftsseite gab es Lob für das nordrhein-westfälische Vorgehen, das jedoch auf ganz Deutschland ausgedehnt werden müsste. So sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt: “Erpressung, Prostitution, Drogenhandel, Geldwäsche – wir reden nicht von Klein-Kriminalität, wie Herbert Reul richtig sagt,

sondern über schwere Straftaten.” Diese würden allerdings nicht nur in Nordrhein-Westfalen begangen, sondern in allen Bundesländern, teilweise sogar mit Verbindungen ins Ausland. “Deshalb brauchen wir dringend ein bundesweites Lagebild, das vom Bundeskriminalamt erstellt werden muss.” Zuvor brauche es jedoch erstmal eine einheitliche Definition davon, was Clan-Kriminalität sei, so Wendt. Und der nordrhein-westfälische DPolG-Vorsitzende, Erich Rettinghaus, verlangte, die vollständige Beweislastumkehr in Bezug auf zweifelhaftes Vermögen einzuführen, wie es in Italien der Fall ist: “Nicht der Staat muss nachweisen, woher Besitz und Vermögen kommen, sondern der Tatverdächtige.”

2 Geräte -> ein Bildschirm

Wir haben die Anzeigefunktionalität eines Röntgengerätes mit der Anzeige eines Durchgangsdetektors verbunden. Das ermöglicht die Darstellung der detektierten Objekte für beide Geräte auf einem Bildschirm, überschaubar und mit einer Person zu kontrollieren. DTI GmbH & Co. KG Hamburger Str. 17 - 41540 Dormagen Tel.: 02133/979020 www.dti-gmbh.de


Innere Sicherheit

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in solches namens “ComVor” hatte kürzlich die Thüringer Polizei erhalten. Dabei habe es sich um eine “Operation am offenen Herzen gehandelt”, erläuterte Landesinnenminister Georg Maier (SPD) zur Eröffnung des Erfurter Polizeitages von Behörden Spiegel und Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Umstellung sei trotz einiger Schwierigkeiten gelungen und der “Patient lebt weiter”, so der Ressortchef. Maier machte zudem deutlich, dass sich Kriminalität immer stärker in den digitalen Raum verlagere. Das sei eine der Schattenseiten der Digitalisierung, die eigentlich das tägliche Leben vereinfache. Hier müsse man aufpassen, dass die vielen gesammelten Daten nicht missbraucht würden. Erpressungen mit Kryptowährungen zeigten, dass dies durchaus möglich sei. Skeptisch zeigte sich der Sozialdemokrat hinsichtlich der Einrichtung einer Online-Wache bei der Thüringer Polizei. Sie könnte zu einer Schwemme von Anzeigen führen, warnte Maier. Ganz ohne digitale Angebote für die Bürger könne Polizeiarbeit heutzutage jedoch auch nicht mehr funktionieren. Sinnvoll sei es, analoge und digitale Möglichkeiten miteinander zu kombinieren. An einer ausreichenden Polizeipräsenz im öffentlichen Raum werde deshalb auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen. “Wir müssen mehr Polizei auf die Straße und in den Vollzug bringen”, forderte Maier.

Ohne Polizisten geht es nicht Auch der Thüringer GdP-Landesvorsitzende Kai Christ un-

Digitalisierung macht vor nichts Halt Auch polizeiliche Arbeit verändert sich massiv

Behörden Spiegel / Juni 2019

Des Weiteren müsse man über getrennte Ausbildungen für die Schutz- und die Kriminalpolizei nachdenken. Dafür erhielt er Zuspruch von Adams.

(BS/Marco Feldmann) Die Digitalisierung ist ein alle Bereiche der Gesellschaft betreffendes Phänomen. Egal ob Smart Home, Arbeit 4.0 oder die Vorbehalte gegen spezialiBehörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS): Alles und jeder wird digitalisiert. Bei der Polizei geht es dabei etwa um “Predictive siertere Polizeiausbildung Policing”, Big-Data-Analysen oder modernere Vorgangsbearbeitungssysteme. Der GdP-Landesvorsitzende weiterhin nicht bargeldlos direkt vor Ort entrichten. Christ betonte allerdings auch: “Wir wollen keinen gläsernen Beamten.” Digitale Lösungen dürften deshalb nicht zur Kontrolle des Verhaltens, der Arbeitsleistung oder der Arbeitszeit genutzt werden. Viel wichtiger sei es, durch sie Informationsverluste zu vermeiden, wie sie momentan noch im Rahmen der funkbasierten Kommunikation aufträten.

Technische Lösungen vorgestellt Hier könne sein Unternehmen helfen, erläuterte Christopher Bick. Der CEO der stashcat GmbH präsentierte einen polizeilichen Messengerdienst, der bereits in Niedersachsen und Hessen im Einsatz ist. Ebenso hilfreich könnten Lösungen zur mobilen Identitätsfeststellung sein, wie sie Julian Schwerdtfeger, Key Account Manager bei der secunet AG, vorstellte. Auch die Extraktion digitaler Quellen sowie die Analyse von Massendaten gewännen bei den BOS zunehmend an Bedeutung, so Peter Zontek, Senior Sales Director Central Europe bei der Cellebrite GmbH. Wichtig für die Sicherheitsbehörden sei es, ihre eigene Informationstechnologie möglichst schadfrei zu halten. Dafür böten

Christ machte deutlich, dass seine Gewerkschaft nicht per se gegen eine spezialisiertere Ausbildung sei. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der derart ausgebildete Polizeianwärter anschließend auch definitiv in dem von ihm gewünschten Bereich arbeiten könnte. Solange das nicht garantiert werden könne, sei die GdP gegen eine solche Ausbildung. Ebenfalls nicht mit der Gewerkschaft zu machen sei eine Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen. Um den Polizistenberuf attraktiver zu gestalten, sollte vielmehr auf eine regelmäßigere Beförderung der Kollegen, vor allem im mittleren Dienst, gesetzt werden. Grünen-Politiker Adams verlangte vom Staat, jungen Menschen wieder Lust darauf zu machen, etwas für die Gesellschaft Debattierten über die Zukunft der Thüringer Polizei (v.l.n.r.): Wolfgang Fiedler (CDU), Dirk Adams (Bündnis 90/Die zu tun und den Rechtsstaat Grünen), Kai Christ (GdP), R. Uwe Proll (Moderator), Dorothea Marx (SPD) und Steffen Dittes (Linke). durchzusetzen. Wolfgang FiedFotos: BS/Feldmann ler, Innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer selbst sei Ziel derartiger Angriffe. und ist kein abgeschlossener einzustellen.” Das Ziel müsse Landtag, forderte einen stärkeGrundsätzlich gelte: “Je umfas- Prozess.” Darüber hinaus müss- ein positiver Saldo sein, und das ren politischen Rückhalt für die sender sich die Gesellschaft in ten die Beschäftigten in diesem nicht nur bei der Polizei, sondern Polizei. Zudem müsse die Besolder digitalen Welt bewegt, desto Wandel mitgenommen werden auch bei Richtern und Staats- dung verbessert und vermehrt mehr Tatgelegenheiten ergeben und die digitalen Kompetenzen anwälten. Dies könnte sich auf Quereinsteiger gesetzt wersich für Cyber-Kriminelle.” So der Angehörigen des höheren jedoch schwierig gestalten, da den. Denn die Personalsituation würden inzwischen nahezu alle Polizeivollzugsdienstes gestärkt der entsprechende Arbeitsmarkt bei der Landespolizei sei prekär. Kriminalitätsformen auch über werden, so Schmidt. Hier könn- momentan wie leergefegt sei, Er kritisierte: “Die Politik schafft das Internet begangen. ten Coaching-Maßnahmen sinn- waren sich die Innenpolitische zu wenige Stellen bei der Polizei.” Dabei spielten Kryptowährun- voll sein. Sprecherin der SPD-Fraktion, Hier müsse deutlich mehr getan gen wie Bitcoins eine immer gröDorothea Marx, und ihr Kollege werden, etwa auch durch die ßere Rolle. Problematisch sei Kontinuierlich und genügend von der Linken, Steffen Dittes, Erhöhung der Ausbildungskaeinstellen dabei zum einen, dass die Zahlen einig. Daher verlangte Dittes: pazitäten. Gewerkschafter Christ der Polizeilichen KriminalstatisEbenso wichtig seien verste- “Wir müssen unsere Einstel- gab diesbezüglich jedoch zu betik (PKS) die Dimensionen von tigte Neueinstellungen bei der lungsverfahren bei der Thüringer denken, dass mehr Stellen allein Cyber Crime nur bedingt wider- Thüringer Polizei, unterstrich Polizei verändern.” Sie müssten nichts brächten. Sie müssten spiegelten. Zum anderen verfüge der Innenpolitische Sprecher dringend überarbeitet werden. auch adäquat besetzt werden der Staat nur über sehr wenige der Grünen-Fraktion im Erfur- Gleiches gelte für die dienstli- können. Bereits jetzt habe das Eingriffsmöglichkeiten zur Ab- ter Landtag, Dirk Adams. Er chen Strukturen. So brauche es Bildungszentrum der Thüringer schöpfung digitaler Währungen. sagte: “Das A und O bleibt es, mehr Spezialisierung und eine Polizei in Meiningen die KapaziUnd das, obwohl Kriminalität im langfristig und kontinuierlich Flexibilisierung der Laufbahnen. tätsgrenze erreicht. und aus dem digitalen Raum ein hochdynamisches Phänomen sei. Hier zeige sich die dunkle Seite der Digitalisierung, die zwangsläufig mit einer digitalen Verwundbarkeit verbunden Attacken aus dem digitalen Raum muss mit ganzheitlichem Ansatz begegnet werden sei. Aus diesem Grunde verlangte Nolte: “Die Bekämpfung (BS/mfe) Cyber-Angriffe haben sowohl quantitativ als auch qualitativ im Zeitverlauf deutlich zugenommen. Die von Cyber Crime muss bei allen Angriffsfläche für solche Attacken, die von verschiedensten Akteuren durchgeführt werden, wird immer größer. Polizeien von Bund und Ländern Außerdem weist Schadsoftware eine bessere Qualität als früher auf und ist leichter verfügbar. ein herausragender deliktischer Schwerpunkt sein.” Davor warnt Dr. Ole Diehl, Vi- mit Sicherheitsaufgaben (BOS), mobilisieren sich zunehmend zepräsident des Bundesnach- so der BND-Vizepräsident, der digital.” Damit einher gingen kürMassiver Wettbewerb um richtendienstes (BND). Für die Ende des Monats turnusgemäß zere Reaktionszeiten der BOS. Personal Zukunft prognostiziert er, dass ins Auswärtige Amt zurückkehrt. Zudem seien Cyber-Attacken Die Bedeutsamkeit von Zusam- äußerst risikoarm durchzufühDer Abteilungsleiter Produktion die größte Gefahr im digitalen im Thüringer Landesrechnungs- Raum mittelfristig weiter von menarbeit unterschiedlicher Ak- ren und böten ausländischen zentrum (TLRZ), Martin Lasch, staatlichen Akteuren, darunter teure zur Gewährleistung der Nachrichtendiensten ein großes wies in diesem Zusammenhang insbesondere ausländische Nach- Inneren Sicherheit unterstreicht Potenzial, ihre Urheberschaft bei aber auf ein Ressourcenproblem richtendienste, ausgehen werde. auch Brandenburgs Innenmi- Entdeckung abzustreiten. Außerhin: “IT-Fachkräfte sind die Man- Motiviert würden sie durch den nister Karl-Heinz Schröter (SPD). dem erläutert er, dass die Digigelware in Deutschland.” Das Wunsch nach Machtausbau, Dafür sei das Zusammenspiel talisierung Spionage und deren gelte auch für den Polizeibereich. politischer Beeinflussung und mehrerer Komponenten erforder- Abwehr komplexer gemacht habe. Hinzu komme, dass es nicht dem Ausbau der eigenen Wirt- lich. Der Potsdamer Ressortchef Denn: “Cyber- und Realwelt sind nur einen starken Wettbewerb schaft. Diehl meint: “Eine wir- betont: “Kommunikation ist im inzwischen untrennbar miteinander verbunden.” Des Weiteren um die besten Köpfe zwischen kungsvolle Cyber-Abwehr kann Krisenfall alles.” sei der Übergang zwischen Cyberdem Öffentlichen Dienst und der nur funktionieren, wenn Staat Spionage und -Sabotage immer Privatwirtschaft gebe, sondern und Unternehmen verlässliche Auch Extremisten nutzen fließender. Gleich geblieben sei auch zwischen verschiedenen Partner sind.” Von den Firmen Cyber-Raum für ihre Zwecke Behörden. verlangt er, auch einen Beitrag Dr. Burkhard Even, Leiter der aber, dass der Mensch bei der Nachholbedarf in einem ande- zum Wirtschaftsschutz zu leis- Spionageabwehrabteilung im Spionage weiter das schwächsren Bereich der Thüringer Polizei ten. Dies gelinge vor allem durch Bundesamt für Verfassungs- te Glied der Kette sei. Und das räumte Heiko Schmidt, Ständiger eine enge Kooperation mit den schutz (BfV), zeigt sich alarmiert: sowohl im analogen als auch im Vertreter des LKA-Präsidenten, Behörden und Organisationen “Extremistische Gruppierungen digitalen Raum. ein. Was den Zugang zum Internet am Arbeitsplatz angehe, müsse man noch besser werden. Gleichwohl stehe die Di- MELDUNG gitalisierung schon lange auf Neue Boxen der Agenda der Landespolizei. Grundsätzliche Ziele dieses Pro- (BS/mfe) Niedersachsen, Thürin- Dabei handelt es sich um Beton- circa zehn Millionen Euro sein. zesses, der zum Teil disruptive gen und Sachsen-Anhalt stecken boxen mit eingebauten mobil- Die Boxen sollen dazu beitragen, Veränderungen mit sich bringen in den kommenden Jahren 15 stationären Netzersatzanlagen die Kommunikationsfähigkeit der werde, seien die effektivere und Millionen Euro in die Härtung auf der Basis von Dieselaggre- BOS von Bund und Ländern auch effizientere Gestaltung der poli- des Digitalfunknetzes der Be- gaten. Diese Boxen können bei Blackouts, zum Beispiel nach zeilichen Arbeit. Es handele es hörden und Organisationen mit fernüberwacht und -gesteuert Unwettern, aufrechtzuerhalten. insbesondere um eine fachlich- Sicherheitsaufgaben (BOS). Es werden. In den nächsten fünf bis Stephan Manke, Staatssekretär organisatorische Aufgabe, die geht insbesondere um die Sicher- sieben Jahren können laut dem im Hannoveraner Innenminisper se eine Organisationsver- stellung einer von öffentlichen nun geschlossenen und zuvor terium, sagte dazu: “Wenn es in änderung mit sich bringe, da Netzbetreibern unabhängigen, europaweit ausgeschriebenen Niedersachsen tatsächlich zu jeder Bereich der polizeilichen unterbrechungsfreien Strom- Rahmenvertrag rund 500 dieser einem Blackout kommen sollArbeit betroffen sei. Nicht zuletzt versorgung für mindestens drei Boxen beschafft werden. Allein te, müssen wir gut vorbereitet deshalb gelte: “Digitalisierung Tage. Dafür werden sogenannte für Niedersachsen sollen es etwa sein.” Das gelte insbesondere 300 Stück im Gesamtwert von für die BOS. benötigt fachliche Führerschaft NEA-Boxen erworben.

Gemeinsames Vorgehen zwingend erforderlich

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) widmete sich den Auswirkungen der fortschreitenden Digitalisierung auf die Polizeiarbeit.

Kai Christ, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Freistaat Thüringen, ging auf die Vor- und Nachteile des digitalen Wandels für seine Kollegen und sich ein.

terstrich die Bedeutsamkeit von Polizeibeamten auf der Straße, die für die Bürger wahrnehmbar und ansprechbar seien. Zwar könne die Digitalisierung die polizeiliche Arbeit deutlich erleichtern, etwa bei Personenfahndungen oder durch die Einführung von Messengerdiensten. Dafür brauche es allerdings moderne und zeitgemäße Hard- und Software bei der Thüringer Polizei. Dies sei leider noch nicht flächendeckend der Fall. So begrüßte Christ zwar das neue Vorgangsbearbeitungssystem im Freistaat, verlangte zugleich aber weitere Effektivitätssteigerungen. Der Gewerkschafter forderte vor rund 100 Teilnehmern: “Wir brauchen hier bald Verbesserungen.” So verfügten seine Kollegen in den Streifenwagen immer noch nicht über EC-Kartenlesegeräte. Folglich könnten Bürger Verwarn- oder Bußgelder

sich sogenannte Datenschleusen an, erklärte der Geschäftsführer der itWatch GmbH, Ramon Mörl. Die Absicherung vor digitalen Bedrohungen allein reicht aber nicht aus. Ebenso wichtig seien ein guter Kopfschutz für Polizisten und ein wirksamer Fahrzeugschutz, meinten Lothar Schuster von Ulbrichts und Adrian Jochum von der KRD Sicherheitstechnik GmbH.

Immer mehr Tatmöglichkeiten Auch wenn die analogen Bedrohungen selbstverständlich nicht zu unterschätzen seien, nehme insbesondere das Bedrohungspotenzial durch Cyber Crime zu. Nicht zur die Zahl der Attacken aus dem digitalen Raum steige an, sondern auch deren Qualität, warnte der Dezernatsleiter für Cyber Crime beim Thüringer Landeskriminalamt (LKA), Manuel Nolte. Auch die Polizei


Daten & Fakten

Behörden Spiegel / Juni 2019

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Adäquate Ausstattung – anforderungsgerechte Aufgabenerledigung (Behörden Spiegel) 2016 waren 35.400 Arbeitskräfte beim Zoll tätig, zwei Jahre später 35.660. Obwohl in der Vergangenheit Aufgaben wie die Kontrolle des Mindestlohns hinzugekommen sind, hat sich dies in den Personalstellen kaum widergespiegelt. Aktuell wird wieder über den Stellenumfang diskutiert. Dabei sind die Bekämpfung von Zigarettenschmuggel, Schwarzarbeit und Rauschgiftkriminalität nach wie vor die vordringlichsten Aufgaben. Im Fünf-Jahres-Rückblick zeigt sich, wie unterschiedlich die Ergebnisse ausfallen. Umgekehrt bleibt die Frage: Welche Resultate könnten erzielt werden, würde es die diskutierten 6.500 bis 10.000 Stellen mehr geben?

Bekämpfung des Zigarettenschmuggels 2014

Sichergestellte Zigaretten in Mio. Stück

0

53.491

52.209

27.500

2017 2018

60.000

10.000

90.000

2014

2015

2016

eingeleitet

2017

0

2018

abgeschlossen

35

34,1

80

33,4

50

30.147

2017 2018 abgeschlossen

Summe der festgesetzten und vereinnahmten Bußgelder in Mio. Euro 64,4

60

28,8

28,2

2016

70

31,6

32

2015

eingeleitet

Summe der Geldstrafen in Mio. Euro

29

2014

28.466

20.000

28.666

30.000

26.142

40.000

45.783

50.000

21.821

108.807

107.941

107.903

107.080

104.778

Eingeleitetete und abgeschlossene Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten

22.066

95.000

106.366

100.000

100.763

102.974

105.000

104.494

110.000

111.004

Eingeleitete und abgeschlossene Strafverfahren

53.007

2014 2015 2016

34.318

20.000

47.280

35.000

40.374

43.637

42.500

2018

30

63.014

50.000

2017

60

Anzahl der Prüfungen von Arbeitgebern

57.500

2015

90

Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung 65.000

2016

120

46,7

48,7

43,3

49,3

40 26

30 20

23

20

26,5 16,2

20,4

18,8

10

20

2014

2015

2016

2017

0

2018

2.500

163

6.846 11.901

15.000

3.504

10.000 3.621

2.824

5.000

0

1.587 1.233

1.657

2.246

1.691

1.496

7.040

3.221

2014 2015 2016 2017 2018 Sonstige Betäubungsmittel Marihuana Kokain

1.500 1.000

2.987

2016

500 0

2017

264

907

121 87

293

120

383

674

472 942

558

498

80 23

1.158

488

22

20 19

0

83

63

84

40

2014 2015 2016 2017 2018 Heroin Amphetamine Haschisch

21

60

62

2018

vereinnahmt

100

2.000

9. 253

2015

festgesetzt

Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität 20.000

2014

51 24

36

2014 2015 2016 2017 2018 Metamphetamine (Crystal) Opium

Grafiken: BS/Wedemeyer unter Verwendung von pandavector, Oleksandr Rozhkov, abdulsatarid, bakhtiarzein, blattwerkstatt, stock.adobe.com Quelle: Der Zoll, Jahresstatistik 2016 und Jahresstatistik 2018 Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.


Katastrophenschutz

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A

ußerdem machte sie deutlich, dass Katastrophen immer unberechenbar seien und in solchen Fällen durch Dominoeffekte oftmals große Schäden entstünden. Deshalb brauche es hier eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Positive Beispiele einer derartigen Kooperation seien die Entwicklung des Modularen Warnsystems (MoWaS) und die Warn-Applikation NINA. Die Staatssekretärin betonte: “Je besser man auf eine Situation vorbereitet ist, desto besser kann man auf sie reagieren und die Schäden gering halten.” Zuspruch für die Forderung nach einer bestmöglichen Vorbereitung und Prävention erhielt Zieschang vom Bürgermeister der rheinland-pfälzischen Gemeinde Grafschaft, Achim Juchem. Er unterstrich auf dem Bürgermeisterkongress des Behörden Spiegel in Magdeburg, der vom ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters moderiert wurde, dass die Vorwarnzeiten bei Stark­ regen äußerst kurz seien und Schutzmaßnahmen deshalb unbedingt bereits im Vorfeld vorgenommen werden müssten. Seine verbandsfreie Gemeinde war im Juni 2016 von massiven Niederschlägen getroffen worden. Dabei seien allein in der ersten Stunde des Ereignisses mehr als 130 Alarme in der Einsatzleitzentrale der Feuerwehr eingegangen. “Wir hatten einen Jahrtausendregen in Grafschaft”, so Juchem. Um gegen Starkregenereignisse effektiv vorbeugen zu können und wirksame Modelle zu entwickeln, brauche es hochaufgelöste Daten, Simulationsrechnungen und detaillierte Analysen, gab Dr. André Assmann, Bereichsleiter Naturgefahren und Risikomanagement sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei der geomer GmbH, zu bedenken. Er betonte:

Behörden Spiegel / Juni 2019

Es kann jeden überall treffen Alle Gemeinden müssen sich auf extremere Wetterereignisse einstellen (BS / Marco Feldmann) Extremwetterlagen können jederzeit und an jedem Ort in Deutschland auftreten. Aus diesem Grunde könne sich auch niemand zurückziehen oder zurücklehnen. Jede Kommune und jede Stadt müsse Vorbereitungen für Katastrophen wie Starkregen treffen. Das unterstrich Dr. Tamara Zieschang, Staatssekretärin im sachsen-anhaltinischen Innenministerium. Entwicklung einer Warn-App gearbeitet, so der Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Klimafolgen und Anpassung beim Umweltbundesamt (UBA). Und in Baden-Württemberg gebe es ein Sport Sachsen-Anhalt Förderprogramm des Landes für Starkregengefahrenkarten. Dort Berichtete von einem “Jahrtausendregen” in seiner beschäftigten sich Kommune: Achim Juchem, etwa 150 bis 200 Bürgermeister der rheinlandKommunen mit pfälzischen Verbandsgemeinder Thematik, erde Grafschaft. gänzte Assmann. In der sachsenFoto: BS / Feldmann an­h altinischen Landeshauptstadt “Hauptprobleme bei Starkregen­ Magdeburg seien derartige Erereignissen sind das noch geringe eignisse seit etwa zwei Jahren Gefahrenbewusstsein und die ein Thema, berichtete der Leiter kurzen Vorwarn- und Reakti- des dortigen Umweltamtes, Rolf onszeiten.” Sinnvoll sei es, wenn Warschun. kommunale Verantwortliche die Erstellung entsprechender Ge- Keine Entwarnung fahrenkarten bereits frühzeitig Dr. Frank Kreienkamp, Leiter des in den Risikomanagementprozess Regionalen Klimabüros des Deuteinbinden und rechtzeitig Ziele schen Wetterdienstes (DWD) in festlegen würden. Zudem sollten Potsdam, prognostizierte, dass Niesie jeweils einen Starkregenkoor- derschlagsereignisse in Zukunft dinator benennen, so Assmann. immer extremer werden würden. In Nordrhein-Westfalen verfüg- Zwar habe es im vergangenen Jahr ten bereits zahlreiche Städte und keine neuen “extremen” Extreme Gemeinden über solche Gefah- gegeben. Deutlich geworden sei renkarten, da dort das drohende aber, dass sich die Andauer und Schadenspotenzial allein an Ge- Häufigkeit der Ereignisse wandele. bäuden 13 Milliarden Euro beAußerdem sei 2018 in der Buntrage, erläuterte Andreas Vetter. desrepublik das wärmste Jahr seit In Solingen werde sogar an der Beginn der Wetteraufzeichnung Die Staatssekretärin im sachsenanhaltinischen Innenministerium, Dr. Tamara Zieschang, warnte Kommunalverantwortliche davor, von Starkregen ausgehende Gefahren zu unterschätzen. Solche Ereignisse seien inzwischen überall möglich. Foto: BS / Ministerium für Inneres und

Von der Gemeinde abhängig

gewesen. Im Vergleich zur Periode zwischen 1961 und 1990 habe es hinsichtlich der Durchschnittstemperatur eine Abweichung von plus 2,3 Grad Celsius gegeben. Hinzu gekommen sei eine sehr starke Trockenheit und damit einhergehend eine geringe Bodenfeuchte und eine hohe Waldbrandgefahr.

Stärkere Sozialraum­ orientierung erforderlich Aber nicht nur dort braucht es neue Strategien und Wege. Gleiches gilt mit Blick auf den demografischen Wandel für eine engere Zusammenarbeit zwischen Katastrophenschutzbehörden, Pflegediensten und zivilgesellschaftlichen Netzwerken, um die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen für den Fall von Krisen und Großschadenslagen vorab besser berücksichtigen zu können. Nur wenn Bedarfe, Ressourcen und die individuellen Bedingungen vor Ort stärker in die Überlegungen einbezogen würden, sei eine stärkere Sozialraumorientierung im Bevölkerungsschutz möglich. Und diese sei unbedingt notwendig, meinte Dr. Heidi Oschmiansky vom Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Derzeit sei es leider noch so, dass Pflegebedürftige bei Evakuierungen und in Notunterkünften oftmals übersehen würden. Grund: Pflegebedarf sei oft nicht direkt sicht- und erkennbar. “In Großschadenslagen wird die Zahl der Pflegebedürftigen oftmals unterschätzt”, so Oschmiansky. Zudem kritisierte sie: “Der Katastrophenschutz ist nicht auf zu Hause versorgte Pflege- und Hilfsbedürftige vorbereitet.” Dabei sei diese Personengruppe bei

Krisen und Katastrophen besonders betroffen, etwa wenn der Strom ausfalle. Bisher gingen die Verantwortlichen im Katastrophenschutz jedoch noch zu stark davon aus, dass der Pflegebereich auch bei Extremwetterlagen oder ähnlichen Krisenereignissen zur Verfügung stehe. Dies sei allerdings nicht der Fall. Problematisch könne es unter anderem werden, wenn Pflegedienste ihre Kunden wetterbedingt, etwa nach massiven Schneefällen, zeitweise nicht erreichen und betreuen könnten. Hier brauche es dringend mehr Vernetzung zwischen Katastrophen- beziehungsweise Bevölkerungsschützern einerseits und Pflegediensten andererseits, verlangte Oschmiansky.

Altersbedingte Abgänge ­derzeit noch kompensierbar Der Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), Albrecht Broemme, widmete sich

den Folgen der demografischen Entwicklung für seine Organisation. Auch sie müsse immer mehr unternehmen, um ihre aktiven ehrenamtlichen Helfer an sich zu binden. Dabei gehe es unter anderem um Unterstützung im Bereich der Kinderbetreuung im Einsatzfall oder die adäquate Verwendung von Personen, die älter als 60 Jahre seien. Außerdem berichtete er, dass das THW die Höchstaltersgrenze für den aktiven Dienst aufgehoben habe und momentan altersund demografiebedingte Abgänge noch nahezu im Verhältnis von eins zu eins mit Nachwuchskräften ausgleichen könne. Dafür brauche es jedoch flächendeckend eine gute Jugendarbeit. Zudem komme es darauf an, Arbeit innerhalb der Bundesanstalt in Zukunft besser und auf mehr Schultern zu verteilen. Dabei gehe es ihm etwa um eine Entlastung der Ortsbeauftragten. Dies sei unbedingt erforderlich, so Broemme, der Ende des Jahres als THW-Präsident aufhört. Denn: Die Bundesanstalt bräuchte rund 40.000 Aktive mit voller Einsatzbefähigung, die jederzeit verfügbar seien. Momentan seien es jedoch nur etwa 35.000, so der THW-Präsident. Hier bestehe dringender Handlungsbedarf.

Zum diesjährigen Bürgermeisterkongress des Behörden Spiegel in Magdeburg konnten mehr als 70 Teilnehmer begrüßt werden. Foto: BS / Feldmann

Kommunen können oft selbst über Höhe von Aufwandsentschädigungen entscheiden

Keine bundesweit einheitlichen Standards

(BS / mfe) Ob und wenn ja in welcher Höhe freiwillige Feuerwehrleute für ihr ehrenamtliches Engagement ­finanziell entlohnt werden, unterscheidet sich nicht nur von Bundesland zu Bundesland. Oftmals steht es sogar im Ermessen der einzelnen Kommunen. Differenziert wird in aller Regel auch nochmals nach dem Ausmaß Bestimmungen zur Kampfmittelräumung bisher noch sehr unterschiedlich der Verantwortung, das der einzelne Freiwillige zu tragen hat. Gezahlt wird fast durchgängig auch nur an Kameraden, die ständig zu besonderen Dienstleistungen herangezogen werden. (BS / mfe) In Deutschland verfügt derzeit noch jedes Bundesland über eigenständige Gesetze und Rechtsvor­ schriften zur Kampfmittelräumung. Von einigen Fachleuten wird diesbezüglich von einem Regelungsdschungel So erhalten Wehrführer sowie der Preisentwicklung sowie der Funktionen und Anlässe verbind- gesprochen, der dringend gelichtet werden müsste. Außerdem werden nicht ausreichende Kapazitäten und Gemeinde- und Stadtbrandin­ Entwicklung der Gehälter im Öf- liche Höchstsätze für Aufwands- ein Fachkräftemangel kritisiert.

spektoren in Hessen monatliche Dienstaufwandsentschädigungen, die nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde beziehungsweise des Orts- oder Stadtteils gestaffelt sind. Der geringste Betrag beläuft sich auf 50 Euro im Monat, maximal werden 225 monatlich ausbezahlt. Das aber nur bei mehr als 50.000 Einwohnern. Darüber hinaus wird bei den Kreisbrandinspektoren, -meistern und -jugendfeuerwehrwarten nach dem jeweiligen Amt differenziert. Und bei den Leitern der Feuerwehr kommt es auf die Anzahl der ihm unterstehenden Orts- oder Stadtteilfeuerwehren an. Auch in Sachsen und Bremen wird funktionsbezogen differenziert. In der Hansestadt erhalten zum Beispiel Bereichsführer 400 Euro, ihre Stellvertreter 180 Euro und Wehrführer 375 Euro jährlich. Ähnliches erfährt man aus Schleswig-Holstein, Hamburg und im Hinblick auf die Freiwilligen Feuerwehren in Berlin. Die jeweiligen Beträge variieren allerdings. In Niedersachsen liegt die Gewährung von Aufwandsent­ schädigungen für freiwillige Feuerwehrleute in Städten und Gemeinden komplett in der Entscheidungskompetenz der Kommunen. Für die Regierungsbrandmeister, ehrenamtliche Feuerwehrleute auf Landesebene, gewährt hingegen das Land selbst eine Aufwandsentschädigung. Sie beträgt in diesem Jahr 801 Euro monatlich. Ihre Höhe wird jährlich überprüft und

fentlichen Dienst Niedersachsens angepasst.

Grafschaft zahlt Ehrengabe In Rheinland-Pfalz ist die Gewäh­ rung von Aufwandsentschädigungen für Feuerwehrangehörige in zeitaufwendigen Funktionen laut Mainzer Innenministerium ausschließlich eine Entscheidung in kommunaler Selbstverwaltung. Von diesem Gestaltungsspielraum hat die verbandsfreie Gemeinde Grafschaft im Landkreis Ahrweiler besonders Gebrauch gemacht. Dort werden laut Bürgermeister Achim Juchem (mehr zu ihm auch auf Seite 40 dieser Ausgabe) Ende dieses Jahres oder spätestens Anfang 2020 an jeden Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr und des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) 240 Euro Ehrengabe ausgezahlt. Zugute kommt das Geld rund 250 Personen. Grundlage für die Zahlung, die nun jedes Jahr erfolgen soll, ist ein Ratsbeschluss aus dem Frühjahr. Der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) sieht solche Zuwendungen an alle freiwilligen Feuerwehrleute einer Kommune kritisch. Er rate hier zu äußerster Vorsicht, sagte DFV-Vizepräsident Frank Hachemer. Ähnlich wie in Rheinland-Pfalz ist die rechtliche Situation in Baden-Württemberg, NordrheinWestfalen und Sachsen-Anhalt. Dort wird die Landesregierung mit Inkrafttreten der in Kürze erwarteten Kommunalentschädigungsverordnung für bestimmte

entschädigungen festlegen. In deren Rahmen können die Kommunen dann den tatsächlichen Aufwand unter Berücksichtigung örtlicher Bedingungen abgelten. Einheitliche Sätze für gleiche Funktionen seien dabei nicht vorgesehen, heißt es aus dem Magdeburger Innenministerium.

Thüringen will Rahmensätze vorgeben In Thüringen ist im Rahmen einer Neufassung der Feuerwehr­ entschädigungsverordnung, die voraussichtlich noch in dieser Legislaturperiode stattfinden soll, die Regelung von Rahmensät­zen mit “von-bis-Spannen” vorgesehen. Beibehalten werden soll das allgemeine System von Grundbeträgen und Zuschlägen. Im Vergleich zur derzeit geltenden Verordnung, die aus dem Jahre 1993 stammt, sollen die Sätze für Aufwandsentschädigung deutlich erhöht werden. Bisher haben Anpassungen, obwohl die Rechtsverordnung bereits seit über einem Vierteljahrhundert in Kraft ist, noch nie stattgefunden. In Brandenburg wird ein Zuschuss zum Aufwands­ ersatz gezahlt. Dieser beträgt pauschal 200 Euro pro Jahr. In Mecklenburg-Vorpommern erhalten Freiwillige Feuerwehrleute ausschließlich das BrandschutzEhrenzeichen für zehn-, 25- und 40-jährigen aktiven Dienst sowie eine entsprechende Jubiläumszuwendung. Regelmäßige monatliche oder jährliche Zahlungen gibt es dort nicht.

Dabei seien in diesem Bereich weiterhin große Bemühungen erforderlich, meint der Geschäftsführer der Autobahn GmbH des Bundes, Gunther Adler. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Zweite Weltkrieg vor bald 75 Jahren zu Ende gegangen sei. Auch dürften die angewandten Standards in der Kampfmittelräumung und -beseitigung keinesfalls abgesenkt werden. Vielmehr verlangt Adler: “Wir brauchen hier bundeseinheitliche Standards.” Die Bundesländer müssten ihre Eitelkeiten – ebenso wie bei der Harmonisierung des Baurechts – zurückstellen. Die derzeitige Disparität der jeweiligen landesgesetzlichen Regelungen sei der Anwerbung von Fachkräften nicht zuträglich, so Adler. Auch der Leiter des Munitionsbergungsdienstes Mecklenburg-Vorpommern, Robert Molitor, plädierte für bundeseinheitliche Standards. Die Entscheidung hierzu müsse jedoch zwingend auf politischer Ebene getroffen werden. Das Vorstandsmitglied der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), Paul Fietz, wies darauf hin, dass die Beseitigung von Munition, Granaten, Bomben und anderen Kampfmitteln vorrangig Aufgabe der Bundesländer sei. Aus diesem Grunde habe der Bund auch kein eigenes, flächendeckendes Lagebild zur Kampfmittelbelastung auf Flächen in Deutschland, auch wenn er darüber gerne verfügen würde.

Zudem übernehme der Bund nur einen Teil der Kosten der Beräumung auf nicht ihm selbst gehörenden Flächen, nämlich im Falle von ehemals reichseigener Munition. Die Kosten für die Beseitigung alliierter Kampfmittel müsse hingegen in aller Regel das jeweilige Bundesland selbst tragen. Diese Aufteilung führe dazu, dass das Land Brandenburg jährlich allein in Oranienburg rund vier Millionen Euro für die Kampfmittelsuche und -bergung ausgeben müsse, berichtete Stefanie Rose, Dezernentin für Bürgerdienste in der etwa 45.000 Einwohner zählenden Stadt. Das sei rund die Hälfte aller Finanzmittel, die landesweit für diese Aufgaben zur Verfügung stünden.

Stärkeres Engagement ­gefordert Dr. Herbert Trimbach, Abteilungsleiter im Potsdamer Innenministerium, kritisiert die derzeitige Situation. Zwar habe der Bund in den vergangenen Jahren 60 Millionen Euro für die Beseitigung alliierter Kampfmittel auf nicht ihm selbst gehörenden Flächen bereitgestellt. Diese Summe reiche allerdings nicht aus. Er verlangt eine stärkere finanzielle Beteiligung des Bundes, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Land Brandenburg seit 1991 rund 400 Millionen Euro in die Beseitigung von Munition, Granaten und anderen

Kampfmitteln investiert habe. Von dieser Gesamtsumme habe der Bund nur etwa ein Viertel erstattet. Verschärft werde die Lage dadurch, dass Brandenburg das Bundesland sei, das deutsch-

Von Kampfmitteln gehen auch fast 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weiterhin große Gefahren aus. Hierzulande mangelt es bisher jedoch an bundesweit einheitlichen Standards zu ihrer Beräumung. Foto: BS / Feldmann

landweit den höchsten Anteil an Flächen aufweise, die unter Kampfmittelverdacht stünden. In der Mark fielen circa 350.000 Hektar in diese Kategorie, so Trimbach. Rose zeigte sich jedoch verhalten optimistisch. So beteilige sich der Bund in diesem und im kommenden Jahr nochmals mit 20 Millionen Euro an der Räumung nicht-reichseigener Kampfmittel auf nicht-bundeseigenen Flächen. Dabei handele es sich allerdings um eine letztmalige Fortschreibung des entsprechenden Programms.


Katastrophenschutz

Behörden Spiegel / Juni 2019

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“Schwimmen ist ein Teil der Daseinsvorsorge”

Lernen aus der 31-stündigen Dunkelheit

Massive Anstrengungen erforderlich, um Zahl der Badetoten zu verringern

Kritische Infrastrukturen weiterhin sehr stark von Stromversorgung abhängig

(BS) 2018 starben erneut über 400 Menschen in deutschen Gewässern. Außerdem können immer weniger Grundschüler hierzulande schwimmen. Dies habe seinen Grund auch in der Schließung von Bädern, warnt der Präsident der Deutschen Lebens-Rettungsgesellschaft (DLRG). Achim Haag fordert ein Umdenken der politisch Verantwortlichen. Die Fragen stellten R. Uwe Proll und Marco Feldmann.

(BS/Adrian Bednarski/Marco Feldmann) Nach der Analyse des 31-stündigen Stromausfalls in Berlin-Köpenick haben Experten Einblicke in die Notsituation, die Vorgehensweisen, ihre Beobachtungen und Bewertungen gegeben. Einerseits wurde deutlich, dass Verbesserungspotenzial existiert. Andererseits zeigte sich auch, dass die Krisensituation von den Einsatzkräften wie der Feuerwehr, Polizei, Ärzten und dem Technischen Hilfswerk (THW) gut gemeistert wurde.

Behörden Spiegel: Herr Haag, der letzte Sommer war schön. Aus Ihrer Sicht vielleicht sogar zu schön? Haag: Der Sommer war heiß und lang. Logischerweise gibt es dann viele Menschen, die Abkühlung im Wasser suchen. Leider hatten wir im vergangenen Jahr wieder mehr als 400 Badetote zu beklagen. Wir müssen alles tun, um diese Zahl zu minimieren. Das ist aber leichter gesagt als getan. Denn momentan wird das Schwimmen lernen in Deutschland immer schwieriger, weil Kommunen aus finanziellen Gründen immer mehr Schwimmbäder schließen. Inzwischen können über 60 Prozent der Grundschüler nicht mehr schwimmen. Behörden Spiegel: Was muss getan werden? Haag: Aus Sicht der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) muss hier ein Umdenken stattfinden. Schwimmen ist ein Teil der Daseinsvorsorge. Und Daseinsvorsorge ist, wie man an Schulen erkennen kann, nicht kostengünstig zu haben. Da muss die Politik einfach zuschießen. Wir brauchen auch gemeinsame Lösungen im Zuge der interkommunalen Zusammenarbeit. Deutschland muss wieder zu einem Land der Schwimmerinnen und Schwimmer werden. Behörden Spiegel: Wie gefährlich sind öffentlich zugängliche Gewässer, also Flüsse und Seen, für Schwimmer? Haag: Alle Gewässer können für Schwimmer gefährlich sein. Auch an Fließgewässern wie dem Rhein kommt es aufgrund von Strömungen und dem Zusammentreffen mit der Berufsschifffahrt immer wieder zu lebensgefährlichen Situationen. Zwar ist die DLRG an fast allen Gewässern in Deutschland im Wachdienst tätig. Dieser erfolgt jedoch auf rein ehrenamtlicher Basis. Damit ist eine Berufsbewachung im Sinne eines “Full-Service-Programms” nicht möglich. Schließlich müssen unsere rund 560.000 aktiven Mitglieder, von denen die

Hälfte jünger als 25 Jahre ist, irgendwann ja auch arbeiten oder studieren. Behörden Spiegel: Wie sieht es an Nord- und Ostseeküste aus? Haag: Unsere Rettungsschwimmer opfern bereits ihre Freizeit, damit andere sicher schwimmen gehen können. An Nord- und Ostseeküste haben wir einen Rettungswachendienst organisiert, der in Bad Nenndorf zentral gesteuert wird. Da opfern immerhin fast 6.000 bis 7.000 Rettungsschwimmer jedes Jahr ihren Urlaub, um Wachdienst an den Stränden zu verrichten.

der. Wir stellen aber massive Veränderungen in der Arbeitswelt fest. Es gibt immer öfter keine festen Arbeits- und Freizeitzeiten mehr. Außerdem hat sich das Freizeitverhalten junger Menschen, etwa aufgrund des Trends hin zur Ganztagsschule, erheblich verändert. Das bringt für uns Probleme in der Ausbildung mit sich. Verschärft werden diese durch die bereits erwähnte Schließung von Schwimmbädern. Wir suchen deshalb gerade nach Wegen, wie wir Menschen trotz all dieser Veränderungen für das Ehrenamt gewinnen können. Eines zeigt sich dabei jedenfalls

Behörden Spiegel: Besonders hohe Anteile an Nichtschwimmern gibt es unter den Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern hierzulande. Was kann die DLRG hier tun?

Achim Haag ist seit Oktober 2017 Präsident der Deutschen Lebens-RettungsGesellschaft (DLRG). Außerdem ist er Bürgermeister der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Altenahr. Foto: BS/studio zeta

Haag: Wir haben Broschüren in verschiedenen Sprachen, in denen vor den Gefahren an und in Gewässern gewarnt wird. Außerdem wurden für diejenigen, die nicht lesen können, Piktogramme entwickelt. Dennoch hatten wir zuletzt leider zahlreiche Badetote in diesen Personengruppen zu beklagen. Das Hauptproblem ist, dass Wasser in den Ländern, aus denen diese Menschen zu uns kommen, eine ganz andere Bedeutung hat als hierzulande. Dort ist es oftmals viel zu schade und zu wertvoll, um darin zu baden. Wir müssen Migranten künftig noch stärker für die Gefahren sensibilisieren, die an Fließgewässern und Seen drohen. Behörden Spiegel: Wie versucht die Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft mehr junge Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen? Haag: Wir werben ebenso wie die Freiwilligen Feuerwehren oder das Deutsche Rote Kreuz kontinuierlich um neue Mitglie-

bereits ganz deutlich: wir müssen deutlich flexibler werden. Das ist aber nicht immer ganz so einfach. Schließlich müssen im Rahmen von Ausbildungen, etwa zum Rettungsschwimmer, gewisse Formalitäten eingehalten werden. Da geht es zum Beispiel um eine bestimmte Anzahl an Ausbildungsstunden sowie einen ausreichenden Praxisanteil. Denn wenn dieser fehlt oder mangelhaft ist, kann das im Einsatzfall verheerende Folgen haben. Behörden Spiegel: Welche Probleme sehen Sie noch beim Ehrenamt? Haag: Wir dürfen kein Ehrenamt erster und zweiter Klasse zulassen. Das wäre fatal. Es darf nicht dazu kommen, dass ehrenamtliches Engagement, das für die Gemeinde geleistet und eventuell sogar finanziell noch bezuschusst wird, als besser angesehen wird als ehrenamtliches, unvergütetes Agieren in Hilfsorganisationen oder Vereinen.

Auch wenn der Blackout zeitlich begrenzt und kein Katas­ trophenfall war, so sei eindeutig vor Augen geführt worden, wie sehr im Alltag die Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) vom Strom abhängig seien. Vor allem die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung in Krisensituationen und die einfach gestaltete Informationsbeschaffung müssen hierbei funktionieren. Neben den Bürgertelefonen, die mittels alter Handys eingerichtet wurden, wurden auch Anlaufstellen bei den Feuerwehrwachen und mobilen Stationen für die Bürger organisiert. Zudem wurde über die Sozialen Medien, die Homepage der Berliner Feuerwehr sowie über die Nachrichten über den Ausfall berichtet. Kritisiert wurde auf dem Symposium “Stromausfall in Berlin – aus der Praxis für die Praxis” jedoch, dass die Medien sich zu stark auf dem Verlauf des Ausfalls in ihrer Berichterstattung konzentriert und weniger die helfenden Hinweise seitens der Feuerwehr für die betroffenen Menschen proklamiert hätten. Trotzdem stach die Reaktion der Bevölkerung positiv hervor, weil diese ruhig und nicht panisch auf den Ausfall reagierte. Ein Aspekt, der hier hineinspielt, war die starke Polizei- und Feuerwehrpräsenz. Die Kräfte waren für die Menschen ansprechbar.

3-K-Prinzip wirkt Zudem hat sich das neue Stabskonzept bewährt, bei welchem die wichtigen Kontaktpersonen bekannt sind (3-K-Prinzip). Vor allem, dass die Stabstellen schnell besetzt wurden, sei besonders wichtig und habe gut funktioniert. Ein kritischer Aspekt betraf eines der beiden Krankenhäuser in Köpenick. Denn obwohl es ein Notstromaggregat besitzt, fiel eben dieses schrittweise aus. Aber bedingt durch die schnelle Reaktion bei den ersten Anzeichen konnten insbesondere Intensivpatienten, welche unter anderem beatmet werden mussten, evakuiert werden. Sie konnten verlegt werden, ohne dass jemand von ihnen zu Schaden kam. Ein Grund hierfür könnten die im dreijährigen Turnus

Dann war da kein Licht: Lerneffekte aus einem 31-stündigen Stromausfall. Foto: BS/gentleflamechen, CC0, pixabay.com

stattfindenden, unangekündigten Vollübungen für die Krankenhäuser sein, bei denen verschiedene Szenarien durchgespielt werden und für solche Ausnahmesituationen sensibilisiert wird.

Redundanz der Redundanz? Dies führt jedoch auch zu den kritischen Aspekten und zu der Frage, inwieweit ein solches Notstromaggregat eine weitere Re­d undanz braucht, falls es ausfällt. Das zeige erneut, dass KRITIS gehärtet werden müssten, verdeutlichte Frieder Kircher, Leitender Branddirektor der Berliner Feuerwehr, beim VfS-Kongress in Potsdam. In diesem Zusammenhang gehe es unter anderem um die Verstärkung von Netzersatzanlagen, die Vorhaltung von Treibstoffen und die Schaffung eines Bewusstseins für die Erforderlichkeit von Rückfallebenen. Die Wahrscheinlichkeit eines langanhaltenden Stromausfalls, der flächendeckende Ausmaße annehme, sei zwar gering, aber nicht gleich null, so Kircher. Die Vorbereitung auf ein solches Ereignis gehöre zweifelsohne zu den Aufgaben von Behörden und Unternehmen. Im Fall der Fälle müsse schließlich ein MindestInformationsbedarf der Bevölkerung befriedigt werden können. Denn: “Nichts ist schlimmer als Ungewissheit.” Hier haben inzwischen die Bundesländer Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gehandelt. Ihre Landesregierungen stecken in den kommenden Jahren 15 Millionen Euro in die Härtung des Digitalfunknetzes der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Es geht insbesondere um

die Sicherstellung einer von öffentlichen Netzbetreibern unabhängigen, unterbrechungsfreien Stromversorgung für mindestens drei Tage. Dafür werden sogenannte NEA-Boxen erworben. Dabei handelt es sich um Betonboxen mit eingebauten mobilstationären Netzersatzanlagen auf der Basis von Dieselaggregaten. Diese Boxen können fernüberwacht und -gesteuert werden. In den nächsten fünf bis sieben Jahren können laut dem nun geschlossenen und zuvor europaweit ausgeschriebenen Rahmenvertrag rund 500 dieser Boxen beschafft werden. Allein für Niedersachsen sollen es etwa 300 Stück im Gesamtwert von circa zehn Millionen Euro sein. Die Boxen sollen dazu beitragen, die Kommunikationsfähigkeit der BOS von Bund und Ländern auch bei Blackouts, zum Beispiel nach Unwettern, aufrechtzuerhalten.

Bessere Visualisierung notwendig Bei dem Einsatz in BerlinKöpenick wurde auch deutlich, dass das Schadensgebiet besser visualisiert werden müsste, weil viel Zeit für dessen Erkundung aufgebracht werden musste. So war anfänglich unklar, welche sonstigen Institutionen auch Notstromaggregate besitzen oder wo es mobile Anlaufstellen bräuchte. Grundsätzlich werde eine gute Datenbank benötigt, auch über sämtliche Pflegeeinrichtungen. Denn bisher würden nur die größeren gelistet und die kleineren, die aber auch schwer pflegebedürftige Menschen beherbergen könnten, mussten in kleinteiligen Analysen gefunden und geprüft werden.

Europäischer Katastrophenschutzkongress „Climate Change – Herausforderungen für Europa“ DI / MI

BCC Berlin BERLIN CONGRESS CENTER

SAVE THE DATE Der Europäische Katastrophenschutzkongress vom 27. bis 28. August 2019: Dieser Kongress ist eine internationale Fachkonferenz, welche die verschiedenen Entscheidungsträger und Akteure des nationalen, europäischen und internationalen Katastrophenschutzes über die aktuellsten Entwicklungen informiert.

Themen der Fachforen, u. a.: ›› CBRN

›› Digitalisierung

›› Künstliche Intelligenz

›› Schutz Kritischer Infrastrukturen

Veranstalter

Fotos: ASB Deutschland e.V.; DLRG; Malteser; THW; Feldmann; Dombrowsky

www.katastrophenschutzkongress.de

27.- 28. August 2019


Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / Juni 2019

Neues aus der Wehrtechnik Modernisierung der F/A-18 der U.S. Navy

Überwachungs- und Feuerleitsystem für K130

Boeing

Thales

(BS) Der US-Flugzeugkonzern Boeing hat vom Pentagon einen Einjahresvertrag erhalten, um die Modernisierung von zehn MehrzweckKampfflugzeugen vom Typ F/A-18E/F "Super Hornet" der U.S. Navy im Rahmen des "Service Life Modification"-Programms (SLM) fortzuführen. Der Vertrag über 164 Millionen US-Dollar für das im Oktober des Vorjahres beginnende Fiskaljahr 2019 finanziert die Errichtung einer zweiten SLMLinie in San Antonio/Texas. Diese ergänzt die im vergangenen Jahr in St. Louis errichtete Linie. Diese Abmachung schließt außerdem eine Einjahresoption für das Fiskaljahr 2020 ein, die bis zu 35 weitere Flugzeuge umfassen kann. Das SLM-Programm verlängert die Lebensdauer bestehender "Super Hornets" von 6.000 auf 10.000 Flugstunden. Boeing plant, Anfang der 2020er Jahre mit der Installation erster Updates zu beginnen, mit denen die bestehende Block II-Version der F/A-18E/F auf eine neue Block III-Konfiguration umgerüstet werden. Die Weiterentwicklung zu Block III soll eine verbesserte Netzwerkfähigkeit, eine größere Reichweite mit konformen Kraftstofftanks, ein fortschrittliches Cockpit-System, Signaturverbesserungen und ein verbessertes Kommunikationssystem beinhalten. Mit diesen Updates werden die "Super Hornets"

(BS) Alle neuen deutschen Korvetten (Projekt K130) werden mit dem elektro-optischen Feuerleitsystem "Mirador" Mk2 von Thales ausgerüstet. Dabei handelt es sich um ein digitalisiertes System, das der deutschen Marine bessere Zielinformationen mit zuverlässiger Datenverfolgung für die Feuerleitung bieten soll. Dieser sowie der im März des Vorjahres abgeschlossene Vertrag über die Lieferung der "Tacticos"-Infrastruktur für das Gefechtsleitsystem CDS vervollständigen den Anteil von Thales am K130-Projekt. Die Vereinbarung für "Mirador" Mk2 beinhaltet insgesamt 12 Systeme: Alle fünf neuen Korvetten werden mit jeweils zwei Systemen ausgerüstet. Darüber hinaus werden zwei landgestützte Systeme zu Test- und Schulungszwecken geliefert. "Mirador" Mk2 ist ein Überwachungs-, Ortungsund Feuerleitsystem mit einem unauffälligen Design, das mit dazu beiträgt, dass das Schiff unentdeckt bleibt. Das System wurde für die Verwendung auf einer Vielzahl von Plattformen ausgelegt: von kleinen Patrouillenbooten bis zu großen Fregattenverbänden. Dort fungiert es als Aufklärungs- und Feuerleitsystem für die optische Überwachung aus der Ferne, dient aber auch zur Seezielbekämpfung und zur Flugabwehr von Raketen und fliegenden Plattformen.

Diese F/A-18E "Super Hornet" hat im vergangenen Jahr auf der ILA Berlin Air Show Flagge gezeigt. Foto: BS/Portugall

voraussichtlich über viele Jahrzehnte hinweg im aktiven Dienst bleiben können. Die F/A-18E/F gilt als ein mögliches Nachfolgemodell für das Mehrzweck-Kampfflugzeug "Tornado" der Bundeswehr für die Zeit, bis das deutsch-französische FCAS-Projekt realisiert ist. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Zertifizierung für Atomwaffen im Rahmen der nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO. Weitere Informationen unter www.boeing.de

Auftrag der kroatischen Streitkräfte

Büroeröffnung in Warschau

Thielmann WEW

Raytheon

(BS) Der Hersteller von Edelstahlcontainern Thielmann WEW GmbH hat einen Auftrag zur Lieferung einer eigenständigen 10.000 Liter Wassertransport- und Dispenseinheit mit einem Volumen von 10.000 Litern für die kroatische Armee erhalten. Mit dem Auftrag vom Februar liefert das deutsche Unternehmen eine Einheit für die Prüfung und Auswertung durch die kroatischen Streitkräfte. Thielmann WEW wird diese Einheit in seiner Spezialeinheit Verteidigung im rheinlandpfälzischen Weitefeld herstellen. Die Lieferung soll bis Jahresende erfolgen. Basierend auf dem Konzept des Schwerfahrzeugmoduls (Wasser) des Unternehmens, ist der Multi Wassertankcontainer ein eigenständiges, in sich geschlossenes, trinkbares Wasserspeicherund Verteilungssystem, das in einen flachen 20-Fuß-ISO-Rahmen eingebaut ist. Mit integrierter Heizung, Pumpen und 2,4 Kilowatt-Generator kann das System 150 Liter pro Minute fördern und auf militärischen Logistikfahrzeugen mit DROPS/Hooklift-Funktion transportiert werden. Das System erfordert keine Vorbereitung vor Ort

und kann als eigenständige Lösung oder in eine breitere Lagerinfrastruktur integriert werden. Thielmann WEW wird bei diesem Auftrag mit dem kroatischen Spezialisten für Hydraulik- und Zisternensysteme Hidraulika Kurelja zusammenarbeiten. Der Partnerunternehmen aus der Nähe von Zagreb ist der Hauptintegrator für ein erweitertes Landlogistikprogramm für das kroatische Militär. Falko Pfeuffer, Leiter "Verteidigung" bei Thielmann WEW, erklärte dazu: "Dieser Auftrag ist ein klares Signal, dass Thielmann WEW seine Position als Marktführer für containerisierte Kraftstoff- und Wasserversorgungssysteme weiterhin behält. Dies ist das erste Mal, dass die kroatischen Streitkräfte die Möglichkeit haben, unsere Ausrüstung zu beurteilen, und wir sind zuversichtlich, dass diese Arbeit mit Unterstützung unseres geschätzten kroatischen Partners Hidraulika Kurelja zu einem weiteren Auftrag über zusätzliche Einheiten führen wird." Mehr Informationen unter www.thielmann.com

D

ie Bundeswehr ist für die Cyber-Verteidigung im engeren Sinne zuständig. Im Kern liegt dabei der Schutz der eigenen IT-Systeme. Das umfasse auch Fahrzeuge und Waffensysteme, betonte Tauber. Dabei handele es sich um nichts anderes, als "fahrende oder fliegende IT-Systeme", so der Staatssekretär bei einem Parlamentarischen Frühstück des Behörden Spiegel Mitte Mai in Berlin. Um sich gegen CyberBedrohungen resilient aufzustellen, müsse der Blick aber noch weiter gefasst werden. "Wir brauchen ein klares, gemeinsames Lagebild über alle Ressorts hinweg." Auch international müsse noch besser zusammengearbeitet werden, forderte der Parlamentarische Staatssekretär. Die jährliche NATO-Übung zur Cyber-Verteidigung "Locked Shields" sei einer von vielen Anknüpfungspunkten dafür. Letztlich will Tauber die Frage, wie es um die Cyber-Resilienz Deutschlands bestellt ist, von der technischen Dimension lösen. Es müsse vielmehr darum gehen, "unsere Werte und Prinzipien, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, auch im Digitalen gegen alle Angriffe zu verteidigen." Dem schloss sich auch Lars Kroll, Cyber Security Strategist bei Symantec Deutschland, an.

(BS) Die US-amerikanische Raytheon Company hat im Mai ein neues Büro in Warschau eröffnet, um die Umsetzung des "Wisla"-Programms für Luftverteidigung mittlerer Reichweite zu betreuen. Zudem sollen die Partnerschaften mit der Regierung in Warschau und mit der polnischen Verteidigungsindustrie gestärkt werden. "Raytheons neues Büro dient als Beweis dafür, wie wichtig uns unsere Zusagen gegenüber der polnischen Industrie und dem polnischen Volk sind", betonte Ralph Acaba, Präsident von Raytheon Integrated Defense Systems. "Im Rahmen der Phase I des Wisla-Programms hat Raytheon bereits mit der Auslieferung von Kompensationsgeschäften und dem Technologietransfer begonnen und wird dies in den kommenden Monaten fortsetzen." Im März unterzeichnete Raytheon ein Abkommen mit dem polnischen Unternehmen Huta Stalowa Wola S.A. zur Produktion der Abschussvorrichtung für das Flugabwehr-Raketensystem "Patriot". Zudem wurden durch den US-Konzern bereits "Patriot"-Radare mit Antennen, welche von der polnischen Firma PIT-RADWAR S.A. hergestellt

Die deutsche Korvette "Ludwigshafen am Rhein" der Klasse 130 Foto: BS/markyharky, CC BY 2.0, flickr.com

Das System weist eine verbesserte operative Leistung bei der Zielinformation auf. Es erfüllt in seiner Konstruktion nach Herstellerangaben alle europäischen Richtlinien und deutschen Vorschriften, einschließlich der nach Cyber-Sicherheit. Der jetzige Vertrag enthält auch eine Option für die Lieferung von zehn weiteren Systemen zur Modernisierung der bereits im Einsatz befindlichen Korvetten. Mehr Informationen unter www.thalesgroup.com

wurden, an internationale Kunden ausgeliefert. "In enger Zusammenarbeit mit unseren polnischen Partnern arbeiten wir am gemeinsamen Ziel, den globalen Exportmarkt von Patriot für die polnische Industrie zu öffnen", ergänzte Pete Bata, Leiter des Warschauer Büros der Raytheon Company. Aktuell sind knapp ein Viertel der 50-köpfigen Belegschaft des Warschauer Büros von Raytheon polnische Staatsbürger. In Phase II des "Wisla"Programms soll sich die Anzahl der Mitarbeiter verdoppeln – dann mit einem polnischen Anteil von 75 Prozent. Darüber hinaus arbeitet Raytheon als Ausdruck seines gesellschaftlichen Engagements bereits heute beispielsweise mit dem Copernicus Science Center zusammen, das die nächste Generation polnischer Wissenschaftler und Ingenieure inspirieren soll, sowie mit der Organisation "Remembrance and Future", die Familien von im Kampf gefallenen polnischen Soldaten unterstützt. Beide Einrichtungen haben ihren Sitz in Warschau. Mehr Informationen unter www.raytheon.com

Kernkompetenz Cyber-Sicherheit Technologiewandel bei den Streitkräften (BS/Benjamin Stiebel) Staat und Industrie – und damit die gesamte Daseinsvorsorge – sind längst abhängig vom Funktionieren vernetzter ITSysteme. Gleichzeitig etabliert sich der Cyber-Raum immer mehr als Aktionsraum für Kriminelle, aber auch für staatliche Angreifer. "Die nächsten großen Konflikte werden vielleicht nicht mehr nur mit Panzern, sondern weitgehend im Digitalen ausgetragen", spitzte es Dr. Peter Tauber, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, zu. Ob Deutschland darauf vorbereitet ist, lässt sich durchaus hinterfragen. Schließlich sind staatliche IT-Systeme und Kritische Infrastrukturen in den letzten Jahren mehrfach erfolgreich angegriffen worden. Während Digitalisierung und Informationssicherheit in der Wirtschaft als Erfolgsfaktoren für Geschäftsmodelle verstanden würden, stehe bei der Bundeswehr mehr auf dem Spiel. "Cyber Security muss eine Kernkompetenz der Streitkräfte sein, denn es geht dort nicht nur um Aktienkurse, sondern um die Landesverteidigung und um Leben und Tod", so Kroll. Das Problem: Die Gegenseite, also Militär sowie teils staatlich unterstützte Hackergruppierungen, hätten die Digitalisierung und den Aufbau von Cyber-Kompetenzen schon früher und deutlich schneller vorangetrieben, als es in Deutschland der Fall gewesen sei.

Heterogene Strukturen bremsen Der Kompetenzaufbau ist aber nicht die einzige Herausforderung. IT-Sicherheit ist bei einer so großen, komplexen Organisation wie der Bundeswehr naturgemäß

Fordert ein ressortgemeinsames Lagebild zur Cyber-Bedrohungslage: Dr. Peter Tauber, Parlamentarischer Staatssekretär im BMVg. Foto: BS/Stiebel

eine gewaltige Aufgabe. Historisch gewachsene IT-Strukturen bergen ihre Tücken beim Sicherheitsmanagement. Dazu kämen, so Kroll, teils "unfassbar lange

Projektlaufzeiten" bei militärischem Gerät. So seien "Tornado"Jets schon seit den 1970ern im Einsatz. Hier setzte Mathias Nöhl vom Bundesverband der Deut-

schen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) an. Bei der Rüstungsbeschaffung müsse mehr auf Plattformen gesetzt werden. "Ein modernes ArtillerieSystem integriert heute alles vom Radar über Sensorsysteme, den kompletten Datenaustausch bis hin zur Haubitze als eigentliches Wirksystem", so Nöhl. Das Golfemirat Katar habe beispielsweise eine Komplettlösung aus Panzern, Führungssystemen und einem hochmodernen Simulationszentrum als vernetzte Plattformlösung beschafft und in wenigen Jahren ausgerollt. In Deutschland sei soviel Agilität aufgrund der heterogenen ITLandschaft kaum möglich. Allein die Neuausstattung mit Funkgeräten im Rahmen von MoTaKo (Mobile Taktische Kommunikation) dauere ewig, kritisierte Nöhl. Dem entgegnete Generalleutnant Ludwig Leinhos, Inspekteur Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr, der Vergleich

mit Projekten in Katar sei nicht zielführend. Man habe dort am "grünen Tisch" planen können. Aufgrund der deutlich längeren Innovationszyklen bei Fahrzeugen und Waffen im Vergleich zur Informationstechnik, würden auch dort in den nächsten Jahren vergleichbare Herausforderungen bei der Beschaffung entstehen. Wie disruptiv digitale Technologien tatsächlich sein können, sehe man gut am Beispiel der Künstlichen Intelligenz (KI), wie Nöhl fortfuhr. Diese werde die Streitkräfte als eine zentrale Technologie stark verändern. "Die Systeme sammeln und korrelieren Daten, ziehen intelligente Schlussfolgerungen und unterstützen damit die Entscheidungsfindung." Die Möglichkeiten für die Lageanalyse und Führung auf dem "digitalen Gefechtsfeld" werden längst ausgelotet. Zwar kämen für die Bundeswehr keine autonom agierenden Waffen in Frage. Jedoch müsse man sich auch mit diesem Aspekt auseinandersetzen, um brauchbare Antworten zu haben, wenn andere Staaten solche Systeme einsetzen, stellte Nöhl klar. Denn: "Der Technologiewandel wird immer dann zur Bedrohung, wenn wir ihm nur tatenlos zusehen".


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Juni 2019

Die F-35 “Lightning II”

B

is zum Jahr 2070 wird Beschaffung, Betrieb und Wartung der rund 2.400 Kampfflugzeuge Kosten in Höhe von ca. 1,5 Billionen US-Dollar verschlingen. Bei der F-35 entzündet sich der Streit vor allem an dem Versuch, nicht nur ein Kampfflugzeug für drei unterschiedliche Teilstreitkräfte und deren Anforderungen zu entwickeln, sondern gleich noch eine Vielzahl älterer Flugzeugtypen zu ersetzen.

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Hightech-Kampfjet oder 1,5-Billionen-Dollar-Desaster? (BS/Roger Näbig*) Es ist das teuerste Beschaffungsprogramm für Kampfflugzeuge in der Militärgeschichte: Die F-35 “Lightning II” ist das von Lockheed Martin im Zuge des “Joint Strike Fighter”-Programms (JSF) entwickelte Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeug der 5. Generation. Wäh­ rend die “A”-Version der US-Luftwaffe konventionell startet und landet, handelt es sich bei der “B” um eine für das U.S. Marine Corps und deren amphibische Angriffsschiffe eigens entwickelte, kurzstartende und vertikal landende Variante, während die “C”-Version von Flugzeugträgern der US-Seestreitkräfte aus eingesetzt wird.

Bericht des Pentagons ­ernüchternd Der “Director Operational Test & Evaluation” (DOT&E) im Pentagon überwacht bei Beschaffungsmaßnahmen die Einhaltung technischer und sicherheitsrelevanter Anforderungen für Waffensysteme aller Art. Dessen Berichte über den Fortgang und den aktuellen Status des F-35-Projektes für die Fiskaljahre 2016, 2017 und 2018 sind ernüchternd: In den beiden letzten Prüfberichten stellte der DOT&E fest, dass die operative Eignung der F-35 hinter den Anforderungen zurückbleibe und die Erwartungen der Streitkräfte bisher nicht erfülle. Einsätze könnten teilweise nur durch technisch nicht vorgesehene Problemumgehungen geflogen werden. Der Hersteller liefere F-35 mit fehlenden Fähigkeiten aus, die man im Kampf gegen aktuelle Bedrohungen eigentlich benötige. Die landesweite Verfügbarkeitsrate der F-35-Flotte verharre seit Oktober 2014 bei inakzeptablen 50 Prozent, obwohl seitdem immer mehr Maschinen in Dienst gestellt wurden. Auch die technische Zuverlässigkeit der ausgelieferten Flugzeuge stagniere, sodass eine akzeptable Schwelle für die durchschnittliche Flugzeit bis zum Auftreten eines kritischen Fehlers eigentlich nur noch durch die gänzliche Neuentwicklung fehlerhafter Flugzeugkomponenten in der Zukunft erreichbar sei. Der DOT&E hat in seinem aktuellen Bericht insgesamt 102 sehr schwere und 839 schwere Konstruktionsfehler u. a. in den Bereichen Zielbekämpfung, Cyber-Sicherheit, ALIS-Software (“Autonomic Logistics Information System”) und Wartungsfähigkeit festgestellt. Diese Mängel lassen die für den

I

n Deutschland ist der “Lynx” damit erstmals der Fachöffentlichkeit vorgestellt worden, nachdem er im vergangenen Jahr auf der Landstreitkräfte-Messe “Eurosatory” bei Paris das erste Mal überhaupt der Fachwelt präsentiert wurde. Er bildet eine modulare, mittelschwere Gefechtsfahrzeugfamilie, zu der neben der Schützenpanzer-Version unter anderem auch eine Führungs- sowie eine Sanitätsversion gehören. Der Schützenpanzer wiegt leer 44 Tonnen und kann bis zu sechs Tonnen zuladen. Die Fahrzeugbesatzung besteht aus Kommandant, Fahrer und Schütze. Bis zu neun Infanteristen mit voller Ausrüstung können aufsitzen. Der rundum geschützte “Lance”Mittelkaliberturm kann bis zum Kaliber 50 mm bewaffnet werden. Für den Antrieb hat Rheinmetall einen 850-Kilowatt-Dieselmotor des Schweizer Herstellers Liebherr in Verbindung mit einem Getriebe der Augsburger Renk AG ausgewählt. Aktuell befindet sich diese Kettenfahrzeug-Plattform auf drei Kontinenten im internationalen Wettbewerb.

Amerika Von geradezu “strategischer” Bedeutung ist der Bieterkampf um die Nachfolge des US-Schützenpanzers M2 “Bradley”. Schließlich handelt es sich bei den Vereinigten Staaten um den größten Rüstungsmarkt der Welt. Das Ge-

Diese F-35A der US-Luftwaffe wurde erstmals öffentlich in Europa bei der Paris Air Show 2017 gezeigt.

Beginn der Serienfertigung notwendige Bestätigung der grundsätzlichen Einsatzbereitschaft der F-35 durch den DOT&E bislang nicht zu. Die abschließende Einsatzprüfung wird frühestens Ende 2019 möglich sein. Bis dahin sind dann aber bereits mehr als 600 Flugzeuge gebaut und ausgeliefert worden!

Software ist die “Achilles­ ferse” Die interne Programmierung der F-35 umfasst rund acht Millionen Zeilen Softwarecode, mehr als vier Mal soviel wie bei der F-22 “Raptor”. Berücksichtigt man die Faustregel, dass selbst bei sensiblen Rüstungsaufträgen pro 1.000 Zeilen Code ein Programmierfehler auftritt, dann ist es wenig überraschend, dass für die aktuelle, als bedingt einsatzfähig deklarierte Version der “Block3/F-R6”-Software mittlerweile

mehr als 30 Aktualisierungen vorliegen. Die Software war anfangs selbst für erste Testflüge viel zu unzuverlässig. Auch bei der aktuellen Version werden immer noch Programmierfehler entdeckt und fortlaufend beseitigt. Ein weiterer Schwachpunkt der F-35 ist die ALIS-Software. Es handelt sich hierbei um ein komplexes Softwaresystem bestehend aus 65 Einzelprogrammen mit 16 Millionen Zeilen Softwarecode, das fortlaufend Flugzeugdaten sammelt und analysiert. Es dient u. a. für Einsatzplanung, Bedrohungsanalysen, Wartungsdiagnosen und für Ersatzteilbestellungen. ALIS ist derart fehlerhaft, dass die Wartungsmannschaften mittlerweile das Vertrauen in die Software verloren haben und sich mit eigenen Programmen sowie manuellen Eingaben behelfen müssen. Alle F-35, auch die der Partner- bzw. Käuferländer au-

Foto: BS/Portugall

ßerhalb der USA, müssen zudem ihre Missionsdateien nebst ALISProfilen vor und nach jedem Flug auf den neuesten Stand bringen. Hierfür werden die Daten aus jeder F-35 ausgelesen und danach über das Internet in die USA weitergeleitet. Von dort sollen dann zukünftig die aktualisierten Daten zurück zu allen F-35, auch in Übersee, gelangen. Sollte die Internetverbindung aus den USA z. B. nach Europa durch Hackerangriffe oder Sabotage der Unterseekabel unterbrochen werden, dann bleiben die vom ALIS “abgenabelten” F-35 bis auf Weiteres am Boden. Die als Notlösung vorgesehene Option, die F-35 ohne ALIS für 30 Tage fliegen zu lassen, wird vom DOT&E nun als dauerhafte Übergangslösung vorgeschlagen, weil die Software außerdem nicht ausreichend gegen Hackerangriffe geschützt ist. Es besteht die

Gefahr, dass ALIS-Daten ausgelesen bzw. manipuliert werden oder in ALIS eingeschleuste Schadsoftware die F-35 beschädigen könnte. ALIS ist aber nicht nur CyberBedrohungen ausgesetzt, es übermittelt auch selbst nach Auffassung einiger JSF-Partnerländer zu viele operative Daten an die USA bzw. die Herstellerfirma Lockheed-Martin. Daher haben sich z. B. Italien, Norwegen und Australien entschieden, Software-seitig die Menge der zu übertragenden sensiblen Daten zu beschränken. Israel nutzt aus all den genannten Gründen ALIS vorsorglich erst gar nicht und übernimmt selbst die Wartung seiner F-35I. Das ALIS-Netzwerk gewährt den USA bei Bedarf aber auch eine aktive Kontrolle über die bei den Partnern stationierten F-35 mithilfe der Verteilung von Updates und Patches der internen wie externen F-35-Software. ALIS könnte von den USA somit als “trojanisches Pferd” genutzt werden, um darüber selbst Schadsoftware in die F-35 missliebig gewordener Partnerländer einzuspielen, um diese Software-seitig lahmzulegen.

Waffensysteme funktionieren nur eingeschränkt Bei den Waffensystemen sieht es nicht unbedingt besser aus. Die F-35A ist für ihre vorgesehene Luftnahunterstützungsrolle u. a. mit einer internen, vierläufigen 25mm-“Gatling”-Kanone ausgerüstet. Bei aktuellen Waffentests feuerte diese zu weit und zu weit nach rechts. Bei der AIM-120-Luft-Luftrakete großer Reichweite ergaben die Waffentests 2017 Probleme mit der technischen Eingliederung und den Kontrollanzeigen in der F-35, die allesamt der Geheimhaltung unterliegen. Das veröffent-

“Lynx”-KF41 im Anschauungstest Markt für Schützenpanzer stark umkämpft (BS/Dr. Gerd Portugall) Mitte Mai hat Rheinmetall Defence Gelegenheit geboten, auf seinem Firmengelände im niedersächsischen Unterlüß den neuen Schützenpanzer “Lynx” KF41 (KF für “Kettenfahrzeug”) zu besichtigen. Während der Schützenpanzer “Puma”, ein Gemeinschaftsprodukt von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann (KMW) durch das Joint Venture PSM, gerade an die Bundeswehr ausgeliefert wird, zielt der “Lynx” ausschließlich auf den Exportmarkt. samtvolumen des Beschaffungsvorhabens des amerikanischen Heeres wird auf 42 Milliarden US-Dollar geschätzt. Der “Bradley” war ursprünglich von FMC (früher “Food Machinery Corporation”) aus Philadelphia/ Pennsylvania gebaut worden. Heute befindet sich FMC im Besitz der BAE Systems Land & Armaments mit Sitz in Arlington/ Virginia. Neben den Vereinigten Staaten von Amerika ist das wahabitische Königreich Saudi-Arabien der einzige Nutzerstaat dieses Schützenpanzers. Um sich auf dem amerikanischen Markt zu positionieren, hat sich Rheinmetall mit dem USKonzern Raytheon, dem zweitgrößten Rüstungsunternehmen der Welt, zusammengetan. Auf dem Gebiet der mobilen, bodengebundenen Luftverteidigung der Bundeswehr arbeiten beide Firmen bereits eng zusammen. Die bekanntesten Mitbewerber in Amerika um die “Bradley”Nachfolge sind der US-Konzern General Dynamics mit dem “Griffin III”, der größte europäische Rüstungskonzern BAE Systems bewirbt das “Combat Vehicle (CV)

nish Cooperation Development”) von General Dynamics European Land Systems (GDELS) mit Sitz der Firmengruppe in Madrid.

Australien

Der Schützenpanzer “Lynx” KF41 auf dem Rheinmetall-Firmengelände in Unterlüß, dem größten privaten Schießübungsplatz in Europa Foto: BS/Portugall

90” und der südkoreanische Konzern Hanwha Defense geht mit dem Schützenpanzer AS21 “Redback” ins Rennen.

Europa In Europa tritt der “Lynx” für die Nachfolge des amphibischen Schützenpanzers BMP-2 der tschechischen Landstreitkräfte an, der noch aus sowjetischer Produktion stammt. Aktuell handelt es sich dabei um eines der

größten Rüstungsbeschaffungsvorhaben auf diesem Kontinent. Bis 2026 soll der Austausch “Alt gegen Neu” stattgefunden haben. Mitbewerber ist auch hier das CV90 von BAE Systems; außerdem – offenkundig ausnahmsweise – der eingangs genannte “Puma” von PSM (“Projekt System & Management” aus Kassel), einem Joint Venture von KMW und Rheinmetall, sowie der ASCODSchützenpanzer (“Austrian Spa-

Außerdem tritt der “Lynx” in Australien um die Nachfolge des in die Jahre gekommenen Mannschaftstransportwagens (MTW) vom Typ M-113 an. Bei den dortigen Landstreitkräften sind noch 431 M-113 in Betrieb. Wie der “Bradley” so war auch jenes Kettenfahrzeug dereinst vom US-Hersteller FMC gebaut worden. Im Rahmen des Beschaffungsprogramms “Land 400 Phase 3” bewirbt sich unter anderem auch der südkoreanische AS21 “Redback” auf dem Fünften Kontinent. Rheinmetall verweist bei allen drei Bieterverfahren auf den “industriellen Fußabdruck” in den entsprechenden Staaten, das heißt, dass die Vorhaben in enger Zusammenarbeit mit lokalen Fertigungspartnern realisiert werden sollen. In den USA sollen neben dem Großkonzern Raytheon auch Kleine und Mittlere Unternehmen

lichte Protokoll der Waffentests zeigt aber, dass Probeabschüsse der AIM-120 entweder ganz oder teilweise fehlschlugen bzw. die Bewertung der Ergebnisse noch andauert. Im DOT&E-Bericht 2018 werden zu den Waffensystemen, mit Ausnahme der Bordkanone, wohlweißlich überhaupt keine Aussagen mehr getroffen.

Anderes Bild bei Einsatzer­ fahrungen Basierend auf seinen eigenen Erfahrungen empfindet Major M. Hanche, Leiter der F-35-Testabteilung der Königlich Norwegischen Luftwaffe, die zumeist negativen Interpretationen der DOT&E-Berichte durch die Medien als überzogen, weil sie von unrealistischen Erwartungen ausgehen würden. Für ihn sei ein Mangel an Perfektion bei der F-35 kein Desaster. Er ist der Auffassung, dass gerade bei der Entwicklung und Erprobung eines so hochkomplexen Flugzeuges wie der F-35 immer Kompromisse eingegangen werden müssten. Für fast jeden auftretenden Fehler gebe es unter Einsatzbedingungen entweder eine Problemumgehung oder man lerne, im Missionsalltag damit zu leben. Die F-35 funktioniere gut, selbst wenn sie noch nicht alle Spezifikationen erfülle. Er selbst sei beeindruckt von der F-35, vor allem in den Bereichen Geschwindigkeit, Dienstgipfelhöhe, Reichweite und Manövrierbarkeit, denn diese Eigenschaften könnten zukünftig, im Gegensatz zu anderen Mängeln, nicht durch bloße Software-Updates beseitigt werden. Die F-35 ist nach Meinung des Praktikers wohl kein rüstungspolitisches Desaster. Sie erfüllt zwar noch nicht alle Erwartungen, ist dafür aber ein fast einsatzbereiter “Stealth”-Kampfjet der 5. Generation, der seine “Kinderkrankheiten” in den nächsten Jahren überwinden könnte. *Roger Näbig arbeitet als Rechts­ anwalt und freier Journalist in Berlin mit dem Fokus auf globalen Konflikten, Verteidigung, Sicher­ heit, Militärpolitik, Rüstungstech­ nik und Kriegsvölkerrecht. Da­ rüber hinaus hält er Vorträge zu verteidigungspolitischen Themen.

(KMU) zum Zuge kommen. In der Tschechischen Repu­blik sollen örtliche Firmen, wie zum Beispiel VOP CZ und CSG (“Czechoslovak Group”), schon an der Entwicklung der nationalen Konfiguration des Kettenfahrzeugs beteiligt werden. In Australien sind unter anderem die Cablex Pty Ltd. sowie die EOS Electro Optic Systems Pty Ltd. im Gespräch.

Weitere Premiere am Stand­ ort Unterlüß Das erste Mal ist hierzulande auch der Transportpanzer “Fuchs” 1A8 KAI (“Kampfmittelaufklärung und -identifizierung”) der internationalen Fachpresse vorgestellt worden. Für die Fähigkeit der zentimetergenauen Kampfmittelmanipulation entwickelte Rheinmetall einen Manipulator-Arm, der in den “Fuchs” integriert wurde. Mit einer Arbeitsreichweite von über zehn Metern und einer hohen Tragkraft sollen sich verdächtige Objekte in sicherem Abstand verifizieren und manipulieren lassen. Die Bundeswehr hat Ende 2012 sieben Transportpanzer “Fuchs” in der neuen Variante “KAI” beauftragt. Dieser ergänzt den schweren Kampfmittelräumzug und soll Gefahrenstellen aufklären, die von einem “Route Clearance System” nicht erreicht werden. Der “Fuchs” KAI kann Konvoi-begleitend und unabhängig vom Kampfmittelräumzug sogenannte “Hotspots” aufklären.


Verteidigung

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993 endete die Übungsserie REFORGER. Von nun an galt es, sich den neuen Bedrohungsszenarien – vornehmlich außerhalb des NATO-Bündnisgebietes – zuzuwenden. Angesichts endlicher Ressourcen wurden Fähigkeiten vernachlässigt, die in den wahrscheinlicheren Szenarien nicht mehr benötigt wurden. Diese Einschätzung änderte sich spätestens nach der russischen Annexion der Krim und der sich für die NATO hieraus ergebenden notwendigen Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Fähigkeiten, die über viele Jahre nicht mehr im Vordergrund standen, rückten nun zunehmend ins Scheinwerferlicht. Eine aus deutscher Sicht weitere signifikante Änderung: Aus dem vormaligen “Frontstaat” ist heute ein mögliches Aufmarschund rückwärtiges Einsatzgebiet geworden. Deutschland ist aufgrund seiner geografischen Lage zudem Transitland für größere Truppenverbände der Verbündeten geworden. Mit dieser Entwicklung geht auch die Notwendigkeit einher, die in den letzten Jahrzenten vernachlässigten, insbesondere die unterstützenden Fähigkeiten für die Verlegung großer Truppenverbände durch Europa wie-

Auftrag: Aufmarsch führen! Die Streitkräftebasis in der Rolle eines “Aufmarschführenden Kommandos” (BS / Generalleutnant Martin Schelleis) Während der Zeit des “Kalten Krieges” waren Fahrzeuge alliierter Streitkräfte auf deutschen Straßen häufig ein normales Bild – und dies nicht nur während der von 1969 an jährlich durchgeführten Übungsserie “Return of Forces to Germany” (REFORGER). Mit Ende der Ost-West-Konfrontation endete jedoch die Notwendigkeit, die Reaktionsfähigkeit des Bündnisses zur schnellen Verstärkung der Kräfte in Europa im bisherigen Umfang zu üben. derzugewinnen, zu trainieren und multinational auszugestalten. Es gilt, die bekannten Verfahren zu entstauben, zu modernisieren, wo notwendig zu investieren und wieder aktiv mit der Truppe zu üben. Gesetztes Ziel: Die einsatzbereiten Verbände des Bündnisses mit dem am besten geeigneten Transportmittel auf dem sinnvollsten Weg durch Deutschland in ein potenzielles Einsatzgebiet zu führen und sie hier für die weitere Operationsführung bereitzustellen.

Keine fiktiven Planspiele Bei den Überlegungen zur Koordination großer Truppenverbände handelt es sich nicht um fiktive Planspiele. Bereits seit einigen Jahren ist die Streitkräftebasis im Rahmen der US-Übungsserie “Atlantic Resolve” immer wieder konkret gefordert. So wurden zuletzt im Januar dieses Jahres rund 2.500 Fahrzeuge im

Zuge der jüngsten Rotation auf ihrem Weg ins Baltikum bei der Durchreise durch Deutschland unterstützt. Mit Jahresbeginn hat Deutschland als Rahmennation die Führung der “Very High Readiness Joint Task Force” (VJTF) der NATO übernommen. Im Falle einer Alarmierung müssen allein über 8.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr mit rund 3.000 Fahrzeugen verlegen. Für ausgewählte Kräfte – hauptsächlich aus der Streitkräftebasis – gilt eine Reaktionszeit von 48 Stunden, alle anderen Truppenteile müssen innerhalb von fünf bis sieben Tagen folgen können. Eine Mammut-Aufgabe für Koordination, Logistik und Führungsfähigkeit! Bislang gab es keine zentrale Stelle in der Bundeswehr, die Bundeswehr-gemeinsam beauftragt war, solche Verlegungen im großen Umfang zu koordinieren

Vereinfachte Prinzipskizze “Aufmarschführendes Kommando”: oben die Interimslösung 2019, unten die Zielvorstellung Kommando Streitkräftebasis Grafik: BS / Bundeswehr, KdoSKB

und eine langfristige konzeptionelle Planung, durch die eine BefähiGeneral leutnant Martin Schelleis ist der Inspekteur gung zum Fühder Streitkräftebasis (SKB) der ren einer großen Bundeswehr. Verlegeoperation durchhaltefähig Foto: BS / Bundeswehr sichergestellt ist. Die Verlegung von großen Verbänden erfolgt in verschiedenen und zu führen. Erst im Dezember Phasen. Für die Aufgabe “Auf2018 wurde dem Inspekteur der marsch führen” sind insbesonStreitkräftebasis diese Aufgabe dere zwei Phasen von Bedeutung. übertragen. Seither fungiert der In der Phase “Mount” werden die Stab des Kommandos Streitkräf- nach der Alarmierung bereittebasis als “Aufmarschführendes stehenden Truppenteile an die Kommando”. vorbestimmten See- und FlugDies bedeutet, dass im Falle häfen sowie Bahneinrichtungen einer Alarmierung der “Schnellen verlegt oder halten sich für die Eingreiftruppe” durch die NATO selbstständige Verlegung bereit. die deutschen Kräfte an mehre- In der folgenden Phase “Deploy” ren Standorten in Deutschland erfolgt die eigentliche strategische zusammenzuführen sind. Im Verlegung in ein Einsatzgebiet. Anschluss gilt es, diese Kräfte In der für 2019 genutzten Integeschlossen in ein potenzielles rimslösung übernimmt der InEinsatzgebiet zu verlegen. Weiter- spekteur der Streitkräftebasis in hin sind die Kräfte der weiteren der Rolle des Nationalen Territoan der VJTF beteiligten Nationen rialen Befehlshabers in der Phase – immerhin neun an der Zahl “Mount” die Operationsführung – mit den deutschen Marsch- über die zuvor durch die militäbewegungen zu koordinieren, rischen Organisationsbereiche auch unter Friedensbedingungen und Teilstreitkräfte bereitgestellmit dem üblichen Berufs- bzw. ten Kräfte. Sind die Kräfte bereit Individualverkehr. für die strategische Verlegung, Der Aufbau der Befähigung “Auf- übernimmt er in der Rolle des marschführendes Kommando” Inspekteurs der Streitkräftebasis bedarf einerseits umfassender die Verantwortung für die Phase konzeptioneller Planungen, muss “Deploy”. Mit Ankunft im Einsatzjedoch aufgrund der deutschen gebiet wird die Verantwortung Führungsverantwortung für die über die deutschen Kräfte an das VJFT auch kurzfristig bewältigt Einsatzführungskommando der Bundeswehr für die nationale werden können. Einsatzführung bzw. den zustänZweistufiger Ansatz digen NATO-Kommandeur für Daher hat die Streitkräftebasis die weitere Operationsführung einen zweistufigen Ansatz ge- übergeben. Auf lange Sicht erscheint es wählt: Eine schnelle Lösung, um für eine potenzielle Truppenver- zweckdienlich, die Verlegung der legung 2019 die notwendige Füh- deutschen Anteile in allen Pharungsfähigkeit sicherzustellen, sen aus einer Hand zu führen.

Gemeinsam auf einem guten Weg

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ie Bundeswehr als einer der größten öffentlichen Arbeitgeber Deutschlands muss sich als Freiwilligenarmee aktiv um Nachwuchs bemühen, zumal sich ihr Auftrag und ihre Aufgaben deutlich von anderen Institutionen und Arbeitgebern in Deutschland unterscheiden. Bis zum Jahr 2025 soll im Rahmen der “Trendwende Personal” ein Umfang von 203.000 militärischen und knapp 66.000 zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erreicht werden. Derzeit verfügt die Bundeswehr insgesamt über rund 182.000 Soldatinnen und Soldaten sowie circa 63.500 zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies bedeutet im Vergleich zum Beginn der “Trendwende Personal” bereits heute einen Aufwuchs um rund 6.500 Berufs- und Zeitsoldaten. Zudem befinden sich derzeit rund 23.000 Soldatinnen und Soldaten sowie rund 6.000 zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der fachlichen oder qualifizierenden Ausbildung, bevor sie auf ihren Dienstposten eingesetzt werden können. Diese Zahlen verdeutlichen, dass in den kommenden Monaten und Jahren ein erheblicher personeller Zuwachs erfolgt. Diese positive Entwicklung des Personalkörpers der Bundeswehr stellt mein Bundesamt, welches diesen Aufbau insbesondere in der Personalgewinnung und -bindung umsetzt, jedoch zugleich vor große Herausforderungen. Wir können nur dann erfolgreich sein, wenn wir weiterhin

Behörden Spiegel / Juni 2019

Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr

Dies ist Kern der Überlegungen für die Ausplanung einer durchhaltefähigen Lösung. Ziel ist es, die Führungsorganisation der Streitkräftebasis so auszuplanen und anzupassen, dass die Phasen “Mount” und “Deploy” zentral durch das Kommando Streitkräftebasis geführt werden. Erst mit Eintreffen der Truppen im Einsatzgebiet erfolgt dann wieder die Übergabe der Führungsverantwortung an das Einsatzführungskommando. Die Entscheidung, der Streitkräftebasis die Aufgabe “Aufmarschführendes Kommando” zu übertragen, wurde mit Bedacht getroffen. Die Führungsverantwortung für die Verlegung der VJTF bis in ein potenzielles Einsatzgebiet ist eine neue Aufgabe für den Inspekteur der Streitkräftebasis, allerdings liegen die wesentlichen benötigten Fähigkeiten für diese Aufgabe bereits jetzt in seinem Verantwortungsbereich. Dies betrifft insbesondere die durch das Logistikkommando der Bundeswehr abgebildete logistische Kompetenz oder die für den erwartbaren “Host Nation Support” benötigten Netzwerke, die durch das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr gepflegt werden. Hinzu kommen weitere unterstützende Fähigkeiten wie beispielsweise Verkehrslenkung und Schutz durch die Feldjägerkräfte oder die ABC-Abwehrkräfte der Streitkräftebasis. Neu ist allein der Ansatz, die Planungen für Aufmarsch und Verlegung im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung zusammenzuführen. Hier kann auf die Erfahrungen Großbritanniens und Italiens aufgebaut werden. Beide Nationen hatten zuletzt die Führungsverantwortung für die VJTF. Insgesamt steht die Streitkräftebasis vor einer fordernden Aufgabe, ist aber bereits jetzt in der Lage, auch kurzfristige Verlegungen zu stemmen. Bereits jetzt hat die Streitkräftebasis mit den vorhandenen Fähigkeiten zum 1. Januar 2019 die Führungsrolle für die Verlegung der Schnellen Eingreifkräfte übernommen und ist damit als “Aufmarschführendes Kommando” im Stand-by.

mehr. Ferner müssen wir die heutige, vollends im Zeitalter der Digitalisierung aufgewachsene Bewerbergeneration völlig anders ansprechen.

(BS / Sabine Grohmann) Weit mehr als 250.000 zu betreuende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jährlich mehrere Milliarden Euro Personalausgaben – dies sind die Kernzahlen einer modernen, aber eher unbekannten Behörde: des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr Kein Leben ohne mobile (BAPersBw) mit Hauptsitz in Köln.

Geräte

systematisch unsere Prozesse optimieren und konsequent digitale Entwicklungen in der Verwaltung für uns annehmen und vorantreiben. Wichtig ist dabei auch das Umdenken “in den Köpfen”. Es ist essentiell, dass allen unseren rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über sämtliche Führungsebenen hinweg vermittelt und vorgelebt wird, dass der Schlüssel des Erfolgs das dynamische und innovative Zusammenwirken, gerade auch über tradierte Zuständigkeits- und Verantwortungsgrenzen hinweg, ist. Dies setzt bei einem Amt, das über eine Vielzahl von Standorten und Außenstellen in der gesamten Bundesrepublik disloziert ist, effiziente und schnelle digitale Kommunikationswege und -plattformen voraus. Entsprechende Funktionalitäten befinden sich gerade im Aufbau.

Personalgewinnung und -bindung Jedes Jahr müssen durch das Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr circa 30.000 zivile und militärische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regeneriert werden, davon allein circa 26.000 in militärischen Verwendungen. Diese Umfänge

zungen pro Jahr unterstreicht die Dimension dieser Aufgabe. Sabine Grohmann ist PräsiBeiden Aspekdentin des Bundesamtes für das Personalmanagement ten, Personalder Bundeswehr in Köln. gewinnung und -bindung, ist geFoto: BS / BAPersBw mein, dass diese einen hohen personellen Aufwand erfordern. Wir haben es uns daher gewinnen wir zu circa 70 Pro- zur Aufgabe gemacht, sämtliche zent vom Arbeitsmarkt, wobei wir personalintensiven Verwaltungsjährlich auf rund 128.000 Bewer- und Unterstützungsprozesse dabungen für zivile und militärische hingehend zu untersuchen, ob Dienstverhältnisse zurückgrei- diese nicht digitalisiert wer-den fen können. Circa 30 Prozent können. Ziel ist es, hierdurch freie perdes Personalbedarfs decken wir über die interne Bindung von sonelle Kapazitäten zu gewinnen, die wir sodann wieder zur StärBestandspersonal. kung der persönlichen Beratung Besonderheiten des Dienstes und Unterstützung der BewerDie Balance zu finden zwischen berinnen und Bewerber sowie der wettbewerbsfähigen Attrak- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tivität als moderner Arbeitgeber nutzen wollen. Insbesondere der Bereich der auf der einen Seite und der Deckung des Personalbedarfs der Personalabrechnung mit seinen Streitkräfte mit ihren Besonder- umfangreichen Buchungsproheiten des Dienstes an der Waffe zessen, aber auch Standardvorund in zum Teil lebensgefährden- gänge in der Personalführung den Einsätzen der Bundeswehr und in der allgemeinen Verwalauf der anderen Seite, ist dabei tung eignen sich in besonderer eine der zentralen Herausfor- Weise etwa für die Anwendung derungen. Allein die Zahl von robotergestützter Prozesse über ungefähr rund 45.000 Verset- sogenannte “Bots”. Derzeit be-

trachten wir sehr aufmerksam und intensiv die Prozesse und Abläufe in der Personalgewinnung, um zum Beispiel die Wege für die Bewerberinnen und Bewerber zu verschlanken.

Konkurrenzkampf um den Nachwuchs Wir haben bereits den Umfang der Bewerbungsunterlagen erheblich reduziert. Bewerberinnen und Bewerber werden damit entlastet und die Bearbeitungszeiten verkürzt. Darüber hinaus sprechen wir heute schon in Online-Jobportalen potenzielle Bewerberinnen und Bewerber aktiv an und gehen auch hier neue Wege. Die ersten Erfahrungen sind dabei sehr vielversprechend. Wir müssen uns auch mit den selbstbewussten Ansprüchen, die die aktuelle Bewerbergeneration an einen potenziellen Arbeitgeber stellt, auseinandersetzen. Zielkonflikte zwischen der Erfüllung des Auftrages von Streitkräften einerseits und der Vereinbarkeit von Familie und Dienst beziehungsweise den persönlichen Wünschen anderseits sind hier eine besondere Herausforderung. Eine Personalführung nur aus dem Blickwinkel des dienstlichen Bedarfs funktioniert hier nicht

Das “klassische” persönliche Gespräch wird zunehmend ersetzt durch unverbindliche Treffen in virtuellen Räumen auf Job-Plattformen oder durch das Führen von Bewerbungsgesprächen mit virtuellen und von künstlicher Intelligenz unterstützten Avataren. Einfache und schnelle “OneClick”-Bewerbungen über mobile Geräte werden immer mehr zum Standard. Wir müssen Schritt halten mit diesen Entwicklungen. Ich habe daher unter anderem zur Stärkung der Innovationsund Steuerfähigkeit einen eigenen Leitungsstab in meinem Bundesamt geschaffen. Dieser forciert derzeit Projekte wie Bewerbungen über Smartphones oder die realitätsnahe Darstellung der vielfältigen Berufsbilder und Einsatzmöglichkeiten mithilfe virtueller Technologie. Unser Bundesamt nimmt bei der erfolgreichen Umsetzung der “Trendwende Personal” eine Schlüsselstellung ein. Für das Erreichen dieses Zieles sind allerdings auch ein enger Schulterschluss und ein Zusammenwirken mit allen anderen Teilstreitkräften und Organisationsbereichen der Bundeswehr erforderlich. Hierbei sehe ich uns gemeinsam auf einem guten Weg.


Verteidigung

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nstatt die dreimal zugesagte Zwei-Prozent-Anpassung an die Verteidigungsausgaben ernst zu nehmen, ebenso wenig die von der Bundeskanzlerin angekündigten 1,5 Prozent, hat der Finanzmister lapidar die Entscheidung auf 1,25 Prozent verkündet. Die Große Koalition hat kürzlich “ihren internen Frieden erkauft, indem sie Frankreich, unseren wichtigsten und fast schon letzten Partner in Europa, (im Rüstungsexport) weiter hinhält”, so der Journalist Nikolas Busse. Ein Grund dafür, dass deutsche Politik immer unsinniger auf globale und europäische Herausforderungen reagiert, ist die deutsche Hypermoral. Sie ist zum Maßstab aller Dinge geworden. Rationalität, gesunder Menschenverstand, Abwägung nationaler Interessen, Coolness, Pflege der NATO als einziges global wirksames Bündnis und ein weitgehender europäischer Schulterschluss sind nicht mehr angesagt. Wer in Zeiten brüchiger Allianzen und heraufziehender Großmachtkonflikte nicht zur Verfügungsmasse zwischen den USA, China und Russland geraten will, muss sich jedoch klar entscheiden, wo Deutschland hingehört.

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Berlin – wir haben ein Problem! Deutsche Sicherheitspolitik in der Krise (BS/Oberst a. D. Wolf Poulet) Es ist kaum zu fassen – Deutschland stellt sich wieder einmal gegen den Rest der Welt. Ein ernsthafter Eklat in der Außen- und Sicherheitspolitik kann bereits zum NATO-Gipfel im Dezember 2019 eintreten. Für Donald Trump Jr. gilt nach Kenntnisnahme deutscher Haushaltszahlen: “Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.” Gezielter kann man US-Präsident Trump die Begründung zur (Teil-) Auflösung der NATO nicht auf dem Präsentierteller servieren.

“Nicht glaubwürdig” Inwieweit ist deutsche und europäische Politik grundfalsch oder auf dem richtigen Weg? Der Kölner Politologe Thomas Jäger sagt dazu, dass “die Staaten der Europäischen Union die Orientierung verloren haben. Nicht nur “America First”, auch “China First” und “Russia First” bestimmen den internationalen Wandel. Dem hat die EU nichts entgegenzusetzen. (…) Die EU-Staaten sind, anders als öffentlich behauptet, in ihrer derzeitigen Verfassung mehrfach von den Vereinigten Staaten abhängig. Ihre Sicherheit, ihr Wohlstand und auch ihr Zusammenhalt sind gegen die Amerikaner nicht aufrechtzuerhalten.” “Die EU-Staaten können zusammen wichtige Staatsaufgaben nicht mehr erfüllen. (…) In dieser Lage verkünden europäische Politiker, dass die EU ihr Schicksal nun selbst in die Hand nehme – das ist nicht im Geringsten glaubwürdig. Man sollte nüchtern festhalten: Will die EU als demokratische Staatengemeinschaft überleben, hat sie keine andere Wahl, als das Bündnis mit den Vereinigten Staaten zu festigen. Derzeit wird das Gegenteil praktiziert”, so Prof. Jäger. Vor kurzem hat die Bundeskanzlerin in Harvard freudig die Ovationen der “liberalen” Community entgegengenommen. Frage ist nur, ob sie damit nicht die “andere Hälfte” der USA gegen Deutschland in Stellung gebracht hat. Ein riskanter Affront von höchster Stelle gegen die deut-

“Pflege der NATO als einziges global wirksames Bündnis”: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht vor beiden Kammern des US-Kongresses anlässlich des 70. Jubiläums der Allianz. Foto: BS/ NATO

sche Staatsräson – die unverzichtbare Partnerschaft mit den USA – liegt in der Luft. Wie ist das mit dem Amtseid vereinbar? Wer in Deutschland ist in der Lage, geopolitische und -strategische Zusammenhänge sachkundig zu bewerten? Wer könnte eine realistische, nicht gesinnungsethisch deformierte “Außen- und Sicherheitspolitik” entwerfen, erläutern und umsetzen? Wem nutzt oder hilft ein deutscher Verzicht auf Rüstungsexport konkret? Die Antwort ist, sie hilft keinem, abgesehen von der Befriedigung des “guten Gewissens” einiger besorgter Bürger und der baldigen Öffnung des Weltmarktes für preiswerte chinesische Waffenproduktion, garantiert “German-free”.

Pro und Contra Die US-Zeitschrift “Businessweek” spricht ein vernichtendes Urteil über Deutschland. Sie sieht die technische Revolution im Automobilmarkt als entscheidend für Deutschlands Zukunft. Diese bedeute das Ende des Verbrennungsmotors und die

deutschen Hersteller seien viel zu langsam bei der Entwicklung von Elektroautos. Deutschland fühle sich heute so an, als würde es die letzten Tage einer Ära erleben; man könnte annehmen, dass die Deutschen selbstzufrieden die Bedrohungen für die Grundlagen ihres Wohlstands übersähen. Hinzu komme ein “sklerotischer Bankensektor”. Entgegengesetzte Stimmen verweisen darauf, dass man das “Gejaule gegen Deutschland souverän als Neid-Geheule abtun” könne. “Wenn sich die russische Regierung (von wem auch immer geführt) nicht sehr schnell eng an Deutschland anschmiegt, wird Russland von China aufgefressen und die USA werden im pazifischen Raum wirtschaftlich ausbluten”, so Brigadegeneral a. D. Manfred Opel, SPD-Bundestagsabgeordneter von 1988 bis 2002.

Viele Autoren sind kritisch. Auch Christoph von Marschall kritisiert deutsche Rechtstreue: “Wir waren die ersten, die den Stabilitätspakt gebrochen haben. Wer hat sich nicht an die Absprachen zur Migrationspolitik gehalten? Die Kanzlerin, als sie ohne Abstimmung mit den Verbündeten in der EU die Grenzen nicht sicherte. Ähnlich in der

Wolf Poulet war 30 Jahre lang Berufssoldat, zuletzt als Oberst im Generalstabsdienst der Bundeswehr. Poulet ist heute Geschäftsführender Direktor einer internationalen Beratungsfirma. Foto: BS/Privat

Energiepolitik – wir finden, dass wir alles richtig machen. Es ist eine Mogelpackung.”

Realitätsverweigerung Zum Stichwort “Deutsche Selbstverzwergung” schreibt

ein Nachrichtenmagazin, “dass am Ende die Zahlen stimmen müssen. Mit der (Zwei-Prozent-) Sorglosigkeit riskiert Deutschland die Zukunft der NATO. (...) Die europäischen Partner erwarten zwei Dinge, die in Berlin Mangelware sind: internationale Verlässlichkeit und eine ordentlich ausgestattete Bundeswehr.” Bemerkenswert, dass sich eine den deutschen Interessen gegenläufige Politikgestaltung so lange durchsetzen kann. Aus einer Vielzahl von Indikatoren der Erstarrung und Realitätsverweigerung seien nur zwei genannt: Erstens die bereits angesprochene Hypermoral, abzuleiten aus der zu einer Art von Staatsreligion denaturierten Schuldkultur. Sie resultiert aus deutscher Schuld am von Nazi-Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg, gehört zum politischen Bewusstsein und verhindert (unter anderem) eine verantwortungsorientierte nationale Außen- und Sicherheitspolitik. Zweitens eine lückenhafte staatliche Bildung, die vor allem nach 1990 die Entwicklung einer

staatsverachtenden Unreflektiertheit begünstigt hat. In dieser spielen nationale Interessen, die von grünen Matadoren am liebsten abgeschafft würden, in Staatsordnung und Verteidigung keine Rolle mehr. Das Allgemeinwissen über Sicherheitspolitik ist seit Jahrzehnten gegen null gelaufen. Realistische Lösungsansätze zur Reform der Staatsstruktur sind auch 70 Jahre nach der Staatsgründung tabuisiert. Paradebeispiel ist die Aufteilung der Bundeswehr in zwei gleichberechtigte Organisationsbereiche, in “Streitkräfte” und “Bundeswehrverwaltung” gemäß Grundgesetz-Art. 87 a und b. Bei der Gründung in den 1950ern war dieser Ansatz nachvollziehbar. Heute ist er nicht mehr vertretbar, zu teuer und sträflich ineffizient. Militärisches und ziviles Konkurrenzdenken haben seit Jahrzehnten zu einer un-reformierbaren Bürokratie in der Bundeswehr-Struktur geführt. Die Folgen sind nicht nur der desolate Zustand von Waffensystemen, mit ziviler Verantwortung für die Beschaffung, sondern auch tiefgreifende Unzufriedenheit bei militärischen und zivilen Arbeitnehmern. Jede/r Organisationsfachmann/-frau würde diese Struktur als obsolet bezeichnen. Ihre Tabuisierung ist dennoch nicht diskutabel, vor allem nicht bei der SPD. Helmut Schmidt würde sich heute im Grabe umdrehen. Niemand wird ernsthaft behaupten, dass man Armeen im 21. Jahrhundert so organisieren kann. Der karzinogene Mehltau über der in vielen Sektoren praktikablen Staatsordnung der Bundesrepublik wird keine Genesung zulassen. Sie können es glauben – der Fortbestand von Art. 87 a und b wird auch bei einem Zwei-Prozent-Zuschuss keine kampfkräftige Armee für weltweit humanitäre und militärische Einsätze entstehen lassen. Man muss leider hinzufügen: Die seit 2005 von Frau Dr. Merkel verantwortlich geführte Bundesregierung hat keine wirksamen Maßnahmen unternommen, um die verlorengegangene Verteidigungsfähigkeit wiederherzustellen. Mit dogmatischer “political correctness” scheint sich unser Land in eine erstarrte, reformresistente und Lobby-beherrschte Staatsform entwickelt zu haben. Politische Parteien agieren selbstreferenziell und verweigern häufig die rationale Anpassung an dynamische internationale Entwicklungen. Eine Kulturrevolution ist nicht drin, aber Berlin braucht dringend Hilfe. Deutschland sollte einen angemessenen Platz in Europa finden. Die Übernahme von mehr Verantwortung in der Sicherheitspolitik wäre ein erster Schritt.

Dienstantritt von US-General Wolters Neuer NATO-Oberbefehlshaber in Europa (BS/por) Seit Mai hat die Atlantische Allianz in Europa einen neuen Oberbefehlshaber: US-General Tod D. Wolters ist jetzt “Supreme Allied Commander Europe” (SACEUR) – und neuer “Commander-in-Chief United States European Command” (USCINCEUR), d. h. jeder SACEUR hat immer auch einen nationalen “Hut” auf. Das “Supreme Headquarters Allied Powers Europe” (SHAPE) befindet sich im belgischen Mons, das Hauptquartier des U.S. European Command in Stuttgart. Der Luftwaffengeneral Wolters übernahm damit das Kommando vom US-Heeresgeneral Curtis M. Scaparrotti, der nach 41 Dienstjahren in den Ruhestand trat. Scaparrotti (Jahrgang 1956) war Mitte der 1990er-Jahre in Europa – aber nicht in Deutschland – stationiert: Im Mai 1994 wurde er Bataillonskommandeur der “Southern European Task Force” der NATO im norditalienischen Vicenza. Dabei führte er diesen Fallschirmjägerverband während der Operation “Joint Endeavour” in Bosnien-Herzegowina als Bestandteil der multinationalen “Implementation Force” (IFOR)

von Dezember 1995 bis Dezember 1996. Wolters (Jahrgang 1960) hingegen diente wiederholt in Deutschland: 1983/1984 war er als Pilot des Erdkampfflugzeugs Rockwell OV-10 “Bronco” im rheinlandpfälzischen Sembach. Von 1987 bis 1989 flog er den Luftüberlegenheitsjäger McDonnell Douglas F-15C/D “Eagle” vom rheinlandpfälzischen Bitburg aus. Als General war Wolters schließlich von 2016 bis 2019 als Kommandeur der US-Luftwaffe in Europa und Afrika sowie als Kommandeur des “Allied Air Command” im rheinland-pfälzischen Ramstein

stationiert. Gleichzeitig war er Direktor des “Joint Air Power Competency Centre” (JAPCC) im nordrhein-westfälischen Kalkar, das Entscheidungsträgern Lösungen zum Einsatz von “Air & Space Power” der NATO aufzuzeigen soll.

Die Kommandostruktur der NATO Der SACEUR ist stets ein amerikanischer Vier-Sterne-General/ -Admiral von Heer, Luftwaffe, Marine oder Marineinfanterie, während der zivile NATO-Generalsekretär immer ein europäischer Politiker ist. Die militä-

Der neue NATO-Oberbefehlshaber: USGeneral Tod D. Wolters

Foto: BS/ NATO

rische Kommandostruktur der Allianz, so Prof. Dr. Johannes Varwick von der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg, basiere mittlerweile auf einem “funktionalen Verständnis von Sicherheit”. Früher waren die Hauptquartiere regional aufgeteilt zwischen Europa (SACEUR) und Atlantik (SACLANT). Vor fünf Jahren billigte dann der Nordatlantikrat, die höchste politische Entscheidungsinstanz des Bündnisses, die heute gültige militärische Kommandostruktur. Damit verfügt die Allianz über zwei funktional ausgerichtete strategische Hauptquartiere:

das “Allied Command Operations” (ACO) in Mons und das “Allied Command Transformation” (ACT) mit Sitz in Norfolk im US-Bundesstaat Virginia. Der SACEUR – jetzt also General Wolters – ist für die Planung und Durchführung aller NATOOperationen zuständig, während der “Supreme Allied Commander Transformation” (SACT) – seit der Rückkehr Frankreichs in die militärische Integration des Bündnisses immer ein Vier-SterneGeneral/-Admiral der “Grande Nation” – die Anpassung und Weiterentwicklung von Konzepten und Fähigkeiten steuert.


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tellen sie sich vor, sie wachen auf und hören Stimmen, die flüsternd durch ihre Wohnung geistern. Jede Nacht rauben sie ihnen den Schlaf und sie fangen an, an sich zu zweifeln. Wer wird dann angerufen? In solchen Situationen ist der 59-Jährige in seinem Element: “Es mag paranoid wirken. Aber früher, als der Funk noch vermehrt analog war, hatten wir solche Situationen durchaus”, erzählt er dabei leicht schmun– zelnd. Was anfangs wie aus einem Horrorfilm anmutet, hat eine schlichte Lösung: “Die Wasserleitung der Heizung war nicht geerdet und hat die Wellen eines nahliegenden Senders, der vor allem Gebete, Gesang und auch Chöre ausstrahlte, aufgegriffen und abgegeben.” Heutzutage sind solche Einsätze wesentlich selte­ ner geworden. Auch deshalb, weil vermehrt Kunststoff verarbeitet wird und der Mittelwellensender, welcher für solche Phänomene prädestiniert war, abgeschaltet wurde. Hauptsächlich zeigten sich die analogen Störungen durch Beeinträchtigungen oder den Ausfall des Fernsehbilds oder im Hörfunk.

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Der etwas andere Sherlock Holmes Wenn Flugzeuge wieder fliegen sollen (BS/Adrian Bednarski) Wenn Karl-Heinz Rusch gerufen wird, dann tritt er nicht wie der Meisterdetektiv mit Schirm und Pfeife, dafür mit Charme und neustem Equipment auf. Für Außenstehende mag die Ausrüstung des Prüf- und Messdienstes der Bundesnetzagentur ungewöhnlich und gar futuristisch wirken: Aber wie ein Meisterdetektiv nutzt er sie, um verschiedene Störungen im Frequenzspektrum aufzuspüren und zu beseitigen. Dabei erlebte er durchaus Begegnungen der dritten Art, der Knast ist ihm nicht fremd und es wird deutlich, dass sein Job in luftigen Höhen durchaus gefährlich werden kann.

50/50 – mit besonderen Momenten Die grundsätzlichen Aufga­ ben des Prüf- und Messdienstes (konkretere organisatorische Informationen über diesen sowie über die Bundesnetzagentur finden sich im Informationskasten) sind insbesondere das Auffinden und Beheben von Störungen und die proaktive Überprüfung von Funksendeanlagen. Dies brachte den gebürtigen Wiesbadener des Öfteren ins Gefängnis, wie er rückblickend mit einem Lächeln sagt: “Mein Sohn erzählte dies gerne im Kindergarten, was auch stimm­te. Selbst Gefängnisse haben Funkanlagen. Jedoch hatte meine Frau etwas dagegen, dass ich ihm meinem Beruf auf diese Art und Weise näherbrachte.” Die Bundesnetzagentur hat die Aufsichtspflicht über Frequenznutzungen und Auflagenverstöße werden geahndet. Die Untersuchungen müssen dabei genaustens dokumentiert werden, da beispielsweise der illegale Betrieb von Funkgeräten durchaus ein Bußgeld nach sich ziehen kann. Hierfür werden nicht nur allgemeine Frequenzbereichsbeobachtungen, sondern ebenso stichprobenartige Überprüfungen durchgeführt. “Denn der Bundesrechnungshof kontrolliert, ob wir unsere gesetzlichen Aufgaben effizient erfüllen. Wir benötigen nämlich die neuste Technik, die kostenintensiv ist. Dementsprechend sollte sie auch genutzt werden”, erläutert er mit einem Augenzwinkern. Dass diese Berufung nichts für die entspannten Kaffeetrinker ist, die gerne am Computer sitzen, zeigt der Wandel der Zeit und die Abwechslung. Es gab Jahre, da ähnelte sein Leben eher dem Film “Ein ausgekochtes Schlitz­ ohr” mit Burt Reynolds. Nur war er derjenige, der loszog, um mit dem Sondereinsatzkommando Lkw-Fahrer zu überprüfen, die mittels des Amateurfunks andere Geräte störten, weil sie sich nicht an die Vorgaben hielten. Dies sei jedoch stark zurückgegangen, betont der in Eschborn stationierte Techniker.

Gelernt ist gelernt Was ihn zu diesem Beruf führte, war eine Ausbildung zum Fernmeldehandwerker, nachdem er 1976 die mittlere Reife erlangte. Er schloss sie 1979 beim Fernmeldeamt der Deutschen Post in Wiesbaden ab. Schon der Vater als Kfz-Schlosser und der Bruder als Elektriker wiesen ein grundle­ gendes handwerkliches Interesse in der Familie vor. “Ich hatte ein Praktikum beim Rundfunk absolviert und wusste, ich wollte etwas Technisches machen. Als ich dann bei der Arbeitsagentur

Karl-Heinz Rusch gehört zum Team des Prüf- und Messdienstes der Bundesnetzagentur. Dass der gelernte Fernmeldehandwerker dermaßen viel Freude bei seiner Arbeit hat, liegt vor allem an dem abwechslungsreichen Alltag. Foto: BS/Bednarski

beraten wurde, schlug mir diese den Fernmelder vor”, so Rusch. Nach der Ausbildung war es jedoch nicht getan. Es zog ihn ein paar Jahre in den Fernmeldebaubezirk nach Rüsselsheim. Hierbei war er für fernmeldetechnische Arbeiten wie die Unterhaltung sowie Schaltung des Ortsnetzes und Bauvorhaben zuständig. Es stellte sich he­raus: “Ich fand die Aufgaben eines Fernmeldehandwerkers nicht so interessant. Kabel montieren und Nebenstellenanlagen sowie Telefonapparate schalten waren nicht so meins.” Aber: Als junger Azubi hatte er einen Wagen mit einer Antenne gesehen und angefangen, sich für Funk zu interessieren. Also qualifizierte er sich mittels Lehrgängen weiter, um im Funk arbeiten zu können. Als die Chance da war, ergriff er sie und fing bei der Dienst­ stelle des Funkstörungsdienstes der Deutschen Post in Wiesbaden an. Obwohl er anfänglich von dem

er sich mit diesen intensiv, half Kollegen und der Familie, ihre einzurichten, schrieb seine eigenen Makros oder Software.

Auch klare Kehrseiten Knapp 43 Jahre gehen nicht spurlos an ihm vorbei, ohne dass sich auch Kehrseiten offenbaren. Die Standorte der Deutschen Post wurden durch die Privatisierung des Telekommunikationssektors schrittweise verkleinert, aber auch bei der Bundesnetzagentur gab es organisatorische Anpassungen und eine Konzentration von Aufgaben. “Gott sei Dank ist die Situation im Prüf- und Mess­ dienst schon seit Jahren stabil”, so Rusch. Bei der Störungsbearbeitung für Sicherheitsfunkdienste sind den Technikern schnelle Reaktions­ zeiten vorgegeben. Deshalb sind abwechselnd zwei Kollegen eine Woche lang auch außerhalb der normalen Dienstzeiten erreichbar

einige wenige Menschen, die Ängste haben, dass die elektromagnetische Strahlung ihnen schaden würde. Hier können wir nur überprüfen, ob die geltenden Grenzwerte eingehalten werden.” Wenn dies der Fall sei, könne ihnen nicht weitergeholfen werden. Dabei betont Rusch, dass “die Grenzwerte zum Vorteil der Menschen festgelegt wurden, um diese nach dem Stand der Wissenschaft ausreichend zu schützen”. Wenn beispielsweise ein Mobilfunkan­bieter eine neue Antenne in Betrieb nehmen möchte, dann ist es ebenso seine Aufgabe, zu überprüfen, inwiefern die elektromagnetische Strah­ lung sich in diesem Bereich in den Grenzwerten befindet. Diese darf nicht durch das Mauerwerk durchstrahlen oder Menschen in der Umgebung dauerhaft mit zu hohen Feldstärken bestrahlen. Außerdem ist der Beruf für ihn selbst nicht ungefährlich. “Ein-

der einzige Todesfall bei der Arbeit, den wir miterlebt haben.” Jedoch selbst die Schulungsmaßnahmen können brenzlig sein, die auf die Arbeit in luftigen Höhen vorbereiten sollen. Dort wird explizit gelehrt, dass jede Schraube überprüft werden muss und der Sicherheitsgurt ordnungsgemäß angebracht wird. Trotzdem kam es vereinzelt zu kleineren Unfällen: Dann sei die Person abgerutscht und zu allem Unglück sei die Stufe gebrochen, an der der Sicherheitsgurt befestigt war, zeigt Rusch die beklemmenden Momente auf. Zudem müsse aufgepasst werden, dass nach einem Sturz der Fuß “richtig in den Sicherheitsgurt gestemmt wird” bis Hilfe ein­treffe. Da die Gurte um die Beine verliefen, könnte sonst die Blutzufuhr abgeschnitten werden und es komme zu einem Kreislaufkollaps. “Ein klares Restrisiko bleibt immer”, sagt er realistisch. Trotzdem hören seine Augen

formalen Umgang der älteren Kollegen etwas abgeschreckt wurde, merkte er, dass die Technik ihm gut gefiel. Schließlich absolvierte er eine mündliche sowie schriftliche Prüfung, die ihm ermöglichten, im Bereich Übertragung und Funk als Beamter auf Probe 1987 endgültig Fuß zu fassen. Seit 1992 arbeitet er bei der Bundesnetz­ agentur bzw. deren Vorgänger, dem Bundesamt für Post und Telekommunikation. Bis heute begleitet ihn die technische Affinität auch privat weiter. Als die Computer aufkamen, beschäftigte

Das Dienstleistungszentrum der Bundesnetzagentur am Standort Eschborn Foto: BS/Bednarski

nummernmissbrauch oder gegen unerlaubte Telefonwerbung. Der Prüf- und Messdienst ist insbesondere für die Funkstörungsbearbeitung und Messungen im Rahmen der Frequenzregulierung, der Marktüberwachung und hinsichtlich der elektromagnetischen Umweltverträglichkeit

und einsatzbereit. Eine Störung interessiert es nicht, welche Uhrzeit oder welcher besondere Moment es sein mag. “Wir hatten einmal die Situation, dass der Flughafenfunk in Düsseldorf gestört wurde und dementsprechend manche Maschinen nicht fliegen konnte. Die Lösung fand sich in dem weit entfernt statt-­ findenden 24-Stunden-Rennen vom Nürburgring. Eine Sende­ anlage hatte zu stark gesendet und den Flughafenfunk überlagert.” Auch hat der Beruf seine hilf­ losen Momente. “Es existieren

Komplizierte Störungen Das Trendthema Digitalisierung prägt ebenso seinen Arbeitsall­ tag. Dabei hat er weniger Angst, dass sein Beruf eines Tages nicht mehr sein könnte. “Vielmehr zeigt sich, dass das Gros die digitalen Störungen sind, die wiederum wesentlich komplizierter zu detektieren und zu lösen sind.” Bedingt dadurch brauche es immer die neuste Technik für die Analysen. Die häufigsten Störungen entstünden durch nicht oder nicht mehr CE-konforme Geräte, die nicht den geltenden Anforderungen der europäischen Gemeinschaft entsprächen, erläutert er. Überraschenderweise sind häufig gealterte Netzteile die Ursache von Störungen, bei denen sich Störimpulse über das Stromnetz ausbreiten und in parallel geführte Telefonleitungen einstrahlen. In einem Frankfurter Wolkenkratzer, in welchem hauptsächlich Großraumbüros angesiedelt waren, musste Rusch eine Störung aufklären. Die Störquelle war ein importiertes, nicht CE-zertifiziertes Headset aus den Verei­ nigten Staaten, welches zu starke Signale sendete, wodurch andere Geräte überlagert wurden. In solchen Momenten sollte der Techniker definitiv körperlich fit und geduldig sein, da er teilweise einiges an Wegstrecke zurücklege, merkt Rusch pragmatisch an. Früher hätten sie am Standort in Eschborn im Prüf- und Messdienst auch Entnahmen für die Marktüberwachung durchgeführt und Produkte, die in den Markt kommen sollten, überprüft. “Da haben wir fünf Geräte einer Serie stichprobenartig entnommen und im eigenen Labor getestet, ob diese stören, weil sie nicht der Norm oder den Auflagen entsprechen.” Mitt­ lerweile werden Entnahmen im Rahmen der Marktüberwachung in anderen Dienstleistungszentren in den Außenstellen wahrgenommen und Messungen finden nur noch in dem akkreditierten Messlabor der Bundesnetzagentur im brandenburgischen Kolberg im Landkreis Dahme-Spreewald statt.

“Wir kaufen nichts”

Die Bundesnetzagentur am Standort Eschborn (BS) Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (kurz Bundesnetzagentur oder BNetzA) hat ihren Hauptsitz in Bonn und ist eine nachgeordnete obere Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie wurde 1998 als Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegründet und umfasst 2.700 Mitarbeiter mit Jochen Homann als Präsident. 2005 wurde sie umbenannt, nachdem sie ebenso für Energieregulierung zuständig wurde. 2006 kam die Überwachung der Eisenbahninfrastruktur hinzu. Bundesweit hat die Bundesnetzagentur zehn Außenstellenbereiche mit derzeit 44 Standorten und rund 930 Beschäftigten. Die Außenstellen nehmen sowohl technische Aufgaben wahr, wozu u. a. Frequenzzuteilungen, Marktüberwachungen und der Prüf- und Messdienst gehören, sowie seit Jahren nicht-technische Aufgaben wie die Nummernverwaltung, Vorgehen gegen Ruf-

sie dann gelöst bekommt. Man fühlt sich ein bisschen wie ein Heilsbringer, weil die Menschen wieder normal leben oder arbeiten können.”

für die Einhaltung der Personenschutzgrenzwerte zuständig. Durch Messungen stellt er detaillierte Kenntnisse über die tatsächliche Nutzung von Frequenzen (Frequenzüberwachung) und über die elektromagnetische Verträglichkeit bereit. Der Prüf- und Messdienst bearbeitet jährlich über 15.000 Vorgänge bundesweit vor Ort. Um seine Technik auf dem neusten Stand zu halten, werden durchschnittlich sechs Millionen Euro pro Jahr in Messtechnik investiert. Er besitzt 91 Messfahrzeuge, vier stationäre Messstellen und rund 100 fernbedienbare Messstationen im gesamten Bundesgebiet. Sogar eine Messstelle für Weltraumfunkdienste ist in Leeheim bei Darmstadt vorhanden. Verglichen mit den 6.458 Störungen im Jahr 2012 wurden 2017 noch 5.196 Störungen mit zunehmender Komplexität vor Ort bearbeitet. Funkstörungen können jederzeit der Funkstörungsannahme unter der Rufnummer 04821 89 55 55 oder per E-Mail: funkstoerung@ bundesnetzagentur.de gemeldet werden.

mal ist ein Kollege in den Tod gestürzt, als er auf einem Dach unterwegs war, um eine Sende­ anlage zu prüfen. Es fanden Bauarbeiten statt und er fühlte sich sicher. Jedoch trat er auf eine Lichtkuppel, die beim Betreten einbrach”, erläutert der Fernmeldehandwerker. Deshalb seien die Sicherheitsvorkehrungen nochmals erhöht worden. Nun werde vor allen Dachbegehungen ein Protokoll geführt, ob sich der zuständige Techniker wohl­fühle, ob das Dach stabil wirke und ob die Wetterverhältnisse keine Gefahr darstellen würden. “Dies war

nicht auf zu funkeln, wenn er über die Arbeit spricht: “Was unsere Aufgabe so spannend macht, ist, dass wir überall hinkommen. Eini­ge Highlights, wo wir waren, sind unter anderem Flughäfen, Krematorien bis hin zu Chemielaboren und gar große Veranstaltungen wie Rock am Ring.” Rusch kann seine Begeisterung nicht unterdrücken. Es lässt auch ein befriedigendes Gefühl bei ihm zurück: “Es macht unglaublich viel Spaß, sich mit einer Störung auseinanderzusetzen, an wel­ cher sich teils andere Techniker die Zähne ausbeißen und man

Auch müssen sie teils in private Häuser. Dies gestaltet sich jedoch nicht immer leicht. “Die Bundesnetzagentur ist kein Türöffner. Wir bekamen auch schon zu hören: Wir kaufen nichts. Denn nicht jeder weiß, wer wir sind. Hier hilft unser Messwagen, der unser Vorhaben seriöser gestaltet”, gibt er kleine Einblicke in den Arbeits­ alltag. Schwierig sei es auch, weil nachgewiesen werden müsse, dass die Störquelle in diesem Haus oder in der Wohnung liege. Aber manchmal sei die Störquelle nicht eindeutig eingrenzbar. Die Störung könne durchaus ein oder zwei Stockwerke Spielraum umfassen. “Wenn wir die Fehlerquelle in einem privaten Haushalt gefunden haben, müssen wir es genaustens dokumentieren. Denn die Besitzer erhalten danach eine Aufforderung, das Gerät zu tau­ schen bzw. außer Betrieb zu nehmen und dies muss beweiskräftig sein.” Bei den Einsätzen zeigt sich ebenso die generationsübergrei­ fende Zusammenarbeit. “Die jüngeren Kollegen sind mit der neusten Technik aufgewachsen, gleich darauf geschult und können sie sehr gut anwenden. Von uns lernen sie dafür die He­ ran- und Vorgehensweisen bei Prüfverfahren, weil wir hier, was Störquellen angeht, doch einen praktischen Wissensvorsprung haben.” Alles in allem sei er sehr froh, dass “wir einen so guten Draht zu unseren jüngeren Kollegen haben und so gut miteinander kommunizieren können”.


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