Behörden Spiegel Februar 2019

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Kein Stopp

(BS/mfe) Die Übermittlung personenbezogener Daten aus verschiedenen Melderegistern an das Statistische Bundesamt zur Vorbereitung des Zensus 2021 kann f ortgesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht lehnte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Maßnahme ab. Die Nachteile, die durch die testweise Übermittlung der Daten einträten, würden nicht genügend überwiegen, um ein Außerkraftsetzen des Zensusvorbereitungsgesetzes zu rechtfertigen. Die nach Wiesbaden weitergereichten Daten sind nicht anonymisiert und umfassen neben Namen und Anschriften unter anderem auch Angaben zu Staatsangehörigkeiten sowie zur Zugehörigkeit zu öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften. Die Antragssteller hatten eine Verletzung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht.

Interamt geht an die öffentliche Hand

(BS/stb) Das deutschlandweite Stellenportal für den Öffentlichen Dienst Interamt wechselt den Betreiber. Zum 1. Januar 2020 wird der Dienst von der Telekom-Tochter Vivento an das DVZ Datenverarbeitungszentrum Mecklenburg-Vorpommern GmbH gehen. Darüber haben die beiden Unternehmen eine entsprechende Vereinbarung getroffen. DVZ-Geschäftsführer Hubert Ludwig sagt dazu: “Mit Interamt können wir künftig genau die digitale Plattform anbieten, die öffentliche Arbeitgeber beim Recruiting der besten Kandidatinnen und Kandidaten unterstützt.” Mit der Übernahme soll das Stellenportal in seiner Position gestärkt und weiter ausgebaut werden.

Begrenzte

Belegungsrechte (BS/jf) Kommunen, die Wohnungsbaugenossenschaften vergünstigt Bauland für den sozialen Wohnungsbau im sogenannten dritten Förderweg zur Verfügung gestellt haben, haben keine zeitlich unbefristeten Belegungsrechte. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BHGH) gefällt. Rechtsgrundlage für Geschäfte auf dem dritten Förderweg ist § 88d Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II WoBauG). Danach dard die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der vereinbarten Regelung der Miete 15 Jahre nicht überschreiten, wenn nicht auf Grund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland, “ein längerer Zeitraum” geboten ist. Ein solcher Grund läge zum Beispiel vor, wenn wie im zu entscheidenden Fall ein langfristiger, vergünstigter Kredit gewährt worden wäre. Dann könnten die Belegrechte über die Laufzeit des Kredites bestehen.

Berlin und Bonn / Februar 2019

Weg von der Politik nach Kassenlage

Auskömmliche Finanzierung der Länder notwendig

(BS/Jörn Fieseler) Erst der Digitalpakt Schule, nun der Pakt für den Rechtsstaat (siehe Seite 5 in dieser Ausgabe). In beiden Fällen hat der Bund sich bereit erklärt, den Ländern mehr Geld für die Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Haben die Länder also keine ausreichenden Steuereinnahmen? Müsste eine Umverteilung im Steuersystem zu ihren Gunsten stattfinden? Und wenn schon die Finanzierung in den Blick genommen wird, sollten dann nicht auch die Gesetzgebungskompetenzen neu sortiert werden?

Die Mischkompetenzen zwischen Bund und Ländern seien schon mit der Föderalismus-Kommission I getrennt und den einzelnen Ebenen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips zugeordnet worden, berichtet Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer (SPD). “Dadurch war es wieder besser möglich, politische Entscheidungen dort anzusiedeln, wo sie im Sinne der besten Sachkenntnis vor Ort am ehesten getroffen werden und die Verantwortlichkeiten für politische Entscheidungen für den Bürger in transparenter Weise zugeordnet werden können.” Dies e Kompetenztrennung sei in den Folgejahren in Teilen wieder eingeschränkt worden. “Dies gilt auch für die derzeitig vorgesehenen Grundgesetzänderungen, wie etwa den Digitalpakt, auch wenn diese zunächst “nur” eine Anschubfinanzierung durch den Bund vorsehen. Dies kann jedoch nicht der Weg sein, den wir in Zukunft weiter verfolgen sollten”, so Schäfer “Spezialfinanzierungen von Länderaufgaben durch den Bund mit gleichzeitigen Eingriffen in die Länderkompetenzen sind stattdessen auf ein Minimum zu reduzieren.”

“Selbstverständlich wäre eine stärkere dauerhafte Beteiligung des Bundes an diversen Aufgaben der Länder und Gemeinden erfr eul ich”, heißt es aus dem Bremer Finanzsenat. “Jedoch muss diese jeweils im Einzelfall

Kommentar

Für die Aufgabenerfüllung in den Ländern – egal wie teuer – kann die Ausstattung der Verwaltung nicht nach Kassenlage erfolgen. Wenn das Geld nicht reicht, müssen notfalls mehr Einnahmen her. Foto: BS/©Jürgen Wiesler, stock.adobe.com

verhandelt werden.” Doch auch im kleinsten Bundesland, dessen finanzielle Situation sich bereits verbessert hat, hält man angesichts der ab 2020 wirkenden Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen eine grundlegende Steuerreform für “aktuell nicht vorstellbar”. Ab 2020 bekommen die Länder rund zehn Mrd. Euro mehr. “Die Länder sind dann in der Pflicht und in der Lage, eigene Aufgaben mit eigenem

Geld zu finanzieren”, sagt Christian Haase, Mitglied der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion. Auch sollten sie nicht den Eindruck bekommen, dass der Pakt für den Rechtsstaat weiterführende Hilfen durch den Bund mit sich bringe. “Die finanziellen Möglichkeiten des Bundes sind komplett ausgeschöpft”, so Haase Z ustimmung erhält er vom FDP-Bundestagsabgeordneten Dr. Florian Toncar: “Der Bund

Erst der detaillierte Bauplan, dann die Träume

(BS) So manchem aktuellen politischen Vorhaben mangelt es nicht an vollmundiger Unterstützung, wie groß und fortschrittlich die Lösungen werden. Doch aktuell sind Zweifel angebracht, denn den hochgesteckten Zielen folgt keineswegs die dafür notwendige Schaffung der infrastrukturellen Voraussetzungen, geschweige denn sie ginge ihr voraus.

So soll die Digitalisierung Deutschlands und seiner Verwaltung das Land in die Zukunft katapultieren. Doch wie soll das mit einem nicht flächendeckenden Ausbau des 5G-Netzes gelingen? Ganze Landstriche, damit Bürger und Unternehmen, werden von der zukünftigen Echtzeitkommunikation abgekoppelt. Nach bisherigen Planungen für den Breitbandausbau (Glasfaser) werden bestimmte Geschäftsmodelle in Deutschland, die im europäischen Ausland bereits etabliert sind, gar nicht funktionieren können. Die eingeschränkt geplante Versorgung mit Breitband auf Gigabit-Ebene wird z. B. OnlineBack-up-Lösungen mit großen Datenmengen nicht ermöglichen

bzw. nicht in zeitgerechter Form. Die Verwaltung selbst soll digitalisiert werden, ihre Services sollen online und mobil nutzbar werden. Doch die seit über zehn Jahren diskutierte Konsolidierung der Rechenzentren des Bundes ist gerade in eine bedenkliche Schieflage geraten. Die beiden Dienstleister sind auf absehbare Zeit mit der Selbstorganisation beschäftigt. Zudem müssen 3,5 Mrd. Euro fließen, um Struktur, Organisation und Technik auf den aktuellsten Stand zu bringen. Der politische Wille, dies zu finanzieren, ist im Moment nicht erkennbar. Beim Thema Netze des Bundes sieht es nicht besser aus. Doch ohne diese infrastrukturelle Basis steht die Digitalisierung der

Verwaltung auf tönernen Füßen. Zwar haben etliche Bundesländer bereits ihre Hausaufgaben erledigt, doch was ist mit den 11.000 Kommunen?

Vom Vorhaben “Digitalisierung der Streitkräfte” mal ganz zu schweigen. Auf dem digitalen Gefechtsfeld sollen unzählige Sensoren, in Panzern und Hubschraubern verbaut, Daten liefern. Doch leider fehlen derzeit die Panzer und Hubschrauber, die sind zu großen Teilen in der Werkstatt. Wenn man hoch hinaus will, baut man noch immer erst das Fundament. An dieser physikalischen Notwendigkeit vermag auch die “politische Arithmetik” nichts zu verändern.

R. Uwe Proll

steht selbst vor erheblichen Anforderungen, etwa beim Thema Cyber-Sicherheit oder bei der Finanzierung der Bundeswehr.”

Und während der Bund 2018 rund elf Mrd. Euro Überschüsse verzeichnete, sei es aufseiten der Lände r ein Plus von 18,7 Mrd. Euro gewesen. “Trotzdem stehen den Bundesländern für die originären Landesaufgaben dann zu wenig Mittel zur Verfügung, wenn Bundesgesetze neue

Bürokratielasten für die Länder auslösen “, konstatiert Dr. Wilfried Bernhardt Die Ausstattung der Justiz erfolge leider oft nach Kassenlage und weniger nach aktuellem Bedarf, so der ehemalige Staatssekretär aus Sachsen mit Blick auf den Pakt für den Rechtsstaat. Zudem sorge der Bund durch immer neue Gesetze und daraus folgende komplexe Rechtsfragen für ein hohes Streitpotenzial, das die Justiz in den Ländern bewältigen müsse. Bernhardt fordert deshalb, in den Gesetzentwürfen noch klarer darzustellen, welche Folgen durch Bundesgesetze in der Verwaltung und Justiz entstehen, auch durch den Einsatz digitaler Tools in der Gesetzgebung. “Die Sicherung von Länderinteressen in der Gesetzgebung ist Aufgabe des Bundesrates”, entgegnet Toncar . E r könn e sich jedoch vorstellen, dass sich die Länder bei der Einkommenssteuer stärker differenzieren könnten und anstatt des bisherigen fixen prozentualen Anteils am Aufkommen einen eigenen Steuerhebesatz bekommen. Schäfer möchte stattdessen die sachgerechte Finanzausstattung von Bund und Ländern durch den Mechanismus der Umsatzsteuerverteilung gewährleisten, “wie dies bislang etwa zur Mitfinanzierung des Bundes an den bei Ländern und Kommunen anfallenden Flüchtlingskosten der Fall ist”.

Wer soll´s richten?

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst ISSN 1437-8337 G 1805
II / 35. Jg
www.behoerdenspiegel.de
Nr.
/ 7. Woche
Nicht alles ausbügeln Stefan Gelbhaar über fehlendes Engagement bei der Verkehrswende Seite Eine neue Qualität Dr. Georg Thiel zu Georeferenzierung bei amtlichen Statistiken Seite 32 Sie gibt den Takt vor Alexandra Schütz-Knospe über ihre Arbeit als Musikkorps-Leiterin der Bundeswehr Seite 47

Kommt es tatsächlich zum Brexit, wird zwischen beiden de facto eine rote Linie gezogen. Dann gäbe es unter anderem schärfere Kontrollen. Auch im Aufenthaltsrecht würde sich einiges ändern. Foto: BS/©tanaonte, stock.adobe.com

Brexit

Zug um Zug

Bundestag berät über Brexit

Very British

Der Brexit und das

Personal

In gewissem Umfang lässt sich menschliche Arbeitskraft verschieben und in Teilen auch durch Technik sowie Künstliche Intelligenz ersetzen. Ist die Grundausstattung an Personal jedoch zu gering, kann es zu massiven Problemen kommen. Foto: BS/©Coloures-Pic, stock.adobe.com

Impressum

Innen Spiegel

Nicht reden, sondern aktiv gestalten

Digitaler Staat 2019 mit innovativem Programm (BS/wim/har) Die Umwälzungen der Digitalisierung verändern den Alltag in der öffentlichen Verwaltung auf maßgebliche Art und Weise. Im Rahmen des Kongresses Digitaler Staat werden am 2. und 3. April im Berliner Premierenkino Kosmos wieder die Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation unter die Lupe genommen und eine Vielzahl neuer Ideen und Konzepte vorgestellt, wie der Weg in die digitale Zukunft von Staat und Verwaltung erfolgreich umgesetzt werden kann.

So werden in diesem Jahr erneut eine Reihe innovativer Start-ups eine Bühne für ihre Lösungen und Angebote für den Bereich der öffentlichen Verwaltung erhal-

ten. Im Rahmen eines “Meet and Match” werden diese Start-ups zusammen mit einer Reihe ausgewählter “Sozialinterpreneure”, d. h. jungen Unternehmen, die

unsere Gesellschaft auf innovative, disruptive und nachhaltige Weise zum Besseren verändern wollen, mit hochrangigen Vertretern aus Verwaltung und Wirt-

1. Mannheimer Sicherheitstag

Urbane Sicherheit – Lebenswerte Stadt

05. April 2019, Mannheim

Veranstaltungspartner:

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.mannheimer-sicherheitstag.de

schaft über ihre Dienstleistungen und Angebote diskutieren. Im Anschluss an das “Meet and Match” wird während der “Nacht des Scheiterns” eine Auswahl von Gründen dafür präsentiert, warum einige Start-ups keinen langfristigen Erfolg verbuchen können und welche Schlüsse man aus eigenen oder fremden Fehlern ziehen kann, um eben doch auf langfristiger Basis erfolgreich agieren zu können. Einen weiteren Pitch-Event veranstaltet der IT-Planungsrat, der im Sommer 2018 den Umsetzungskatalog für das Onlinezugangsgesetz verabschiedet hat.

Beim Projekt-Pitch, der von HansHenning Lühr, dem Vorsitzenden des IT-Planungsrates, moderiert wird, werden ausgewählte Themenfelder aus dem Umsetzungskatalog und die dazugehörigen Entwicklungen durch die Länder vorgestellt.

Neben dem Hauptprogramm wird es auf dem Digitalen Staat 2019 außerdem wieder drei Programmstränge mit besonderem Fokus auf ausgewählte, besondere Felder der Verwaltungsdigitalisierung geben. In diesem Jahr sind dies die “Digitale Staatskunst”, die “Digitale Wirtschaft” und die “Digitale Daseinsvorsorge”. Im Rahmen des Stranges “Digitale Wirtschaft” wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wie im letzten Jahr wieder die Vorstellungen seiner “Denkfabrik” darlegen. Der Staatssekretär im BMAS, Björn Böhning, analysiert

die Auswirkungen der digitalen Transformation und formuliert politische Strategien, wie man mit der Digitalisierung am Arbeitsplatz umzugehen hat. Produktionszyklen, Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle auf die Bedingungen der Arbeit 4.0 und vor allem die Arbeitskräfte anzupassen, verlangt nach sozialverträglichen Lösungen, für die die Denkfabrik sensibilisieren möchte.

Im Strang “Digitale Daseinsvorsorge” liegt der Fokus neben digitaler Schule und Themen rund um die Smart City auf den Netzen des Bundes und in der “Digitalen Staatskunst” wird u. a. das Bremer Kolloquium zum Thema aufgearbeitet.

Neben weiteren Highlights rund um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gibt es zudem einen Rückblick auf das erste Jahr des behördenübergreifenden Digitalisierungsnetzwerks NExT, das sich auf dem Kongress im letzten Jahr erstmals der Öffentlichkeit präsentiert hatte.

Weitere Informationen zum ­Digitalen Staat 2019 finden sich auf der Webseite www.digitalerstaat.org

Beilagenhinweis

Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Adrian Bednarski, Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Michael Harbeke (Online-Redaktion), Katarina Heidrich, Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Wim Orth (Digitale Gesellschaft), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Susan Wedemeyer Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Volksbank Köln Bonn eG

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Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 2 Inhalt
Seite 1 Foto 1: BS/Bednarski Foto 2: BS/Destatis Foto 3: BS/Portugall
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Einer Teilauflage des Behörden Spiegel liegt eine Beilage der Technischen Akademie Wuppertal bei, der Gesamtauflage eine Beilage der Cyber Akademie. Fo to o ot o F ©e © :© etye onic s to ck do .ado be.c be om
Seite 6
Aufenthaltsrecht Seite 14 Mehraufwand an Flug- und Seehäfen Bundespolizei und Zollverwaltung bei Brexit besonders betroffen Seite 37 Brexit und die militärischen Folgen Auswirkungen auf die europäische Sicherheit Seite 46 Wie erwartet Zweite Verhandlungsrunde ohne Ergebnisse Seite 3 Ein symbolischer Akt? Mehr Stellen bedeuten nicht gleich mehr Personal Seite 5 Befund: negativ Kommunale Krankenhäuser kränkeln Seite 13 Der Star ist die Mannschaft Digitale Behörde fördert Agilität und Teamfähigkeit Seite 27 Den Datenverkehr im Blick Überwachung ist die halbe Verteidigung Seite 36 Immer öfter Unterstützung nötig Bereitschaftspolizeien müssen sich zunehmend gegenseitig aushelfen Seite 41

Aktuelles Öffentlicher Dienst

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.de Berlin und Bonn / Februar 2019

Wie erwartet

Zweite Verhandlungsrunde ohne Ergebnisse / lange dritte Runde erwartet (BS/Jörn Fieseler) “Wir sind von einem Durchbruch noch weit entfernt”, sagte der Bundesvorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi), Frank Bsirske, am Ende der zweiten Verhandlungsrunde bedauernd. Und zeigte sich zugleich kämpferisch: “Jetzt müssen die Beschäftigten zu Wort kommen”, so die Ankündigung für weitere Warnstreiks. Der Ausgang überrascht jedoch nicht. Die alles entscheidende Frage ist die der Kompensation.

Seitdem von der Arbeitgeberseite, in diesem Jahr die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), kein Angebot mehr vorgelegt wird, haben sich die Tarifverhandlungen verändert. War ein Angebot doch immer eine Schwelle, unter die man nur schwerlich zurückfallen konnte, so sind es heute komplexe Verhandlungen, in denen ein Gesamtpaket geschnürt wird. Entsprechend ist auch noch nicht über die zentrale Forderung gesprochen worden –die lineare Erhöhung. Letztendlich wird es um die Finanzierung aller strukturellen Bestandteile gehen und um die Frage, inwieweit diese in die lineare Erhöhung eingerechnet werden.

Bsirske selbst habe den Eindruck gewonnen, die Arbeitgeberseite wolle sämtliche Bestandteile einrechnen: “Es scheint die Kostenneutralität als Maxime zu gelten.” Das sei mit ihm nicht zu machen, “das ist ein No-Go”. Das sieht die Arbeitgeberseite natürlich anders, schließlich müsse man genau eruieren, was die 15 Landeshaushalte jeweils verkraften könnten, heißt es aus dem TdL-Verhandlungsteam. Das erkennt auch die Gewerkschaftsseite an. Bsirske räumte ein, dass die Gewerkschaftsseite über eine Teilkompensation nachdenken müsse. “Wir haben viel und über alles gesprochen”, fasste der Bundesvorsitzende des

Man braucht keine Tarotkarten oder andere Wahrsagemittel, um den Ausgang der zweiten Runde prognostizieren zu können.

DBB Beamtenbunds und Tarifunion (DBB), Ulrich Silberbach die zweite Verhandlungsrunde zusammen. Er monierte, dass die Arbeitgeberseite weder bei der Strukturreform der Tabelle noch bei der Paralleltabelle für Lehrer oder beim Thema Azubis Verhandlungsbereitschaft gezeigt habe. “Man sollte die Erwartungshaltung an die zweite Runde nicht überfrachten”, entgegnete Berlins Finanzsenator Dr. Matthias

Kollatz (SPD). Deshalb gebe es aus seiner Sicht auch keinen Grund für Warnstreiks. Zwar gebe es noch keine Teilergebnisse, man erkenne aber den besonderen Handlungsbedarf beim Pflegepersonal an. Dass der Gesetzgeber aber beschlossen habe, Teile der Pflegekosten zu refinanzieren, befreie Arbeitgeber und Gewerkschaften nicht von einem verantwortungsvollen und sorgsamen Umgang. Denn schließlich würden höhere Per-

sonalkosten in der Pflege letztlich durch Steuern oder Versicherungsbeiträge finanziert. Es kann also davon ausgegangen werden, dass in diesem Themenfeld Veränderungen kommen. Und bei der Entgeltordnung? Zumindest bei der Anhebung von Einstiegsämtern gebe es gemeinsame Interessen, wie der Behörden Spiegel von beiden Tarifparteien erfuhr. Demgegenüber sei die Diskussion um die Ent geltgruppe neun noch

Keine leichte Sache

nicht abgeschlossen. Hinsichtlich der Paralleltabelle für angestellte Lehrer gehen die Meinungen jedoch auseinander. Auf der einen Seite gab es in den beiden letzten Tarifrunden 2015 und 2017 hier den Einstieg und die Ausweitung. Fraglich ist aber, ob die Gesamtheit der Tarifbeschäftigten am Ende Sonderregelungen für eine bestimmte Berufsgruppe akzeptiert, wenn diese kompensiert wird und die eigene Entgelterhöhung deshalb geringer ausfällt. 2015 war dies schon einmal der Fall, es könnte sich wiederholen. Dies hängt von der Entscheidung der jeweiligen Tarifkommissionen ab, die am Ende der Verhandlungen einem Gesamtpaket aufseiten der Gewerkschaften zustimmen müssen.

TdL-Verhandlungsführer Kollatz zeigt sich verhalten optimistisch. “Wir müssen sehen, ob wir in der dritten Runde, alles hinbekommen, der Durchbruch ist noch nicht da.” Allerdings sei es sein Ziel, “alles unter einen Hut” zu bekomm en. Klingt nach einer langen dritten Runde, vielleicht sogar nach einer vierten, zumal beide Seiten bis zum nächsten Verhandlungstermin am 28. Februar und 1. März 2019 keine offiziellen Arbeitsgruppen eingerichtet haben, in denen Teilaspekte weiter besprochen oder einzelne Modelle für die strukturellen Änderungen berechnet werden.

Tarifverhandlungen bei Berliner Verkehrsbetrieben ergebnislos vertagt (BS/Jörn Fieseler) Die Tarifverhandlungen im Berliner Nahverkehr werden dieses Jahr alles andere als einfach. Zum einen verhandeln die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und der DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) jeweils separat mit der KAV Berlin, womit sich die Frage nach einem Anwendungsfall für das Tarifeinheitsgesetz (TEG) stellt. Zum anderen, weil Verdi Arbeitszeitverkürzungen und Sonderregelungen für die eigenen Mitglieder durchsetzen will.

Gewerkschaften und Arbeitgeber verhandeln über einen neuen Mantelvertrag für die rund 14.600 B eschäftigten bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und deren Tochtergesellschaft Berlin Transport. Am 11. Februar 2019 hat die Arbeitgeberseite nun ihre Vorstellungen den Gewerkschaften dargelegt.

Verdi fordert zum einen eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Bislang müssen Mitarbeiter der BVG, die nach 2005 eingestellt wurden, 39 Stunden arbeiten. Für diejenigen, die vor diesem Jahr schon im Unternehmen waren, gilt die 36,5 Stunden Woche. Verdi fordert eine 36,5- St unden-Woche für alle.

“Das ist für die Arbeitgeberseite schlicht nicht umsetzbar”, unterstrich Claudia Pfeiffer, Verhandlu ngs- u nd Geschäftsführerin der kommunalen Arbeitgebervereinigung (KAV) Berlin. Für die BVG bedeute dieser Schritt einen zusätzlichen Personalbedarf von rund 500 Arbeitnehmern zusä t zlich zu den rund 1.350 Mitarbeitern, die sowieso schon eingestellt werden müssten.

Rechtlich möglich, praktisch unrealistisch

Zum zweiten fordert Verdi nur für die eigenen Mitglieder ein Urlaubsgeld in der Höhe des individuellen jährlichen Gewerkschaftsbeitrages. Beflügelt wurde

KNAPP

Bei Vorbeschäftigung unzulässig (BS/iga) Von jetzt an wird es für die Arbeitgeber schwieriger sein, einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden. Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages ist nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) nicht zulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und der Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa eineinhalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergl ei chbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Das Bundesarbeitsgericht hatte zwar im Jahr 2011 entschieden, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG erfasse in verfassungskonformer Auslegung nicht solche Vorbeschäftigungen, die länger als drei Jahre zurückliegen. Diese Rechtsprechung kann jedoch aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) nicht aufrechterhalten werden.

Einstimmig angenommen

(BS/jf) Vorsorge ist besser als Nachsorge – diese altbekannte Lebensweisheit soll nun in das Beihilferecht NRW übernommen werden. Dazu stimmt der Düsseldorfer Landtag einstimmig einem parteiübergreifenden Antrag von CDU, FDP und SPD zu.

So soll die Landesregierung das Beihilferecht novelliern und die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für die Direktabrechnung bestimmter, vor allem kostenintensiver Leistungen schaffen. Zudem ist beabsichtigt, den Bearbeitungszeitraum in der Beihilfe weiter zu reduzieren, ohne die Qualität dadurch zu schmälern.

diese Forderung zuletzt durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Die Richter der zweiten Kammer bestätigten, dass Sonderregelungen für Gewerkschaftsmitglieder durchaus erlaubt seien. “Die Tatsache, dass organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anders behandelt werden als nicht organisierte Beschäftigte, bedeutet insofern jedoch noch keine Grundrechtsverletzung, solange sich daraus nur ein eventueller faktischer Anreiz zum Beitritt ergibt, aber weder Zwang noch Druck entsteht”, heißt es in der Entscheidung der Richterinnen Prof. Dr. Susanne Baer Prof. Dr. Gabriele Britz und ihres Kollegen Prof. Dr. Henning Radtke

Gegenteilige Beschlusslage

Zudem dürfe grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass von den Tari fvertragsparteien erzielte Verhandlungsergebnisse die Interessen beider Seiten sachgerecht zum Ausgleich bringen würden, so die Richter weiter. Somit ist die Forderung zwar rechtlich möglich, praktisch aber nur schwer umzusetzen. Denn innerhalb der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) gibt es einen Beschluss, generell keine Sonderregelungen für Gewerkschaftsmitglieder abzuschließen. Sollte diese Forderung also tarifiert werden, müsste die KAV Berlin entweder

Verhärtete Fronten in den Tarifverhandlungen zum Berliner Nahverkehr: Stehen die BVG-U-Bahnen und -Busse bald still? Foto: BS/emkarnicepic, pixabay.com

eine Ausnahme mit der VKA abklären oder aber die VKA diesen Beschluss in Gänze aufheben. Beides scheint kaum realistisch.

Verhandlungen im März Darüber hinaus fordert Verdi, innerhalb der Entgeltordnung die Zeiträume für einen Stufenanstieg zu verkürzen sowie für alle, die bei der BVG eine Ausbildung absolviert haben, ab dem ersten Beschäftigungsjahr die Auszahlung eines Weihnachtsgeldes.

Auch die Arbeitgeber wollen die Arbeitsbedingungen verbessern, beim Wie gibt es aber noch keine

Einigkeit. Insgesamt möchten die Arbeitgeber die Verhandlungen nutzen, um die Bereiche Entgeltordnung, allgemeine Arbeitsbedingungen, besondere Arbeitsbedingungen für Fahrer und Fahrerinnen zu verbessern und gleichzeitig flexiblere Arbeitszeitbedingungen für alle zu finden.

Neben dem Manteltarifvertrag steht Ende Februar 2019 auch der parallel geltende BVG-Entgelttarifvertrag zur Disposition. In den vergangenen Jahren haben die Arbeitgeber dafür einen Vorschlag unterbreitet und die

Gewerkschaft habe über dessen Annahme entschieden, erläuterte ein Gewerkschaftssprecher. Angesichts der zeitlichen Dimension ist es gut möglich, dass die Verhandlungen zu Manteltarifvertrag und Entgelttarifvertrag zusammengefasst werden. Die nächsten Termine finden am 5. und 13.März 2019 statt.

Fall für das TEG?

Parallel verhandelt die KAV Berlin am 5. März auch mit dem DBB. Dieser fordert ebenfalls Verbesserungen bei der Arbeitszeit, aber keine Stundenreduktion. Stattdessen sollen Pausen, die länger als eine halbe Stunde dauern, in die Arbeitszeit eingerechnet und bezahlt werden. Auch sollen Zeitzuschläge nach individueller Entgeltgruppe und -stufe berechnet werden. Des Weiteren soll das Weihnachtsgeld auf 1.800 Euro angehoben und der Zeitraum für den Krankengeldzuschuss verlängert werden. Und letztlich fordert der DBB 30 Tage Urlaub für alle Beschäftigten sowie die Entgeltsicherung und W e iterbeschäftigung bei Fahrdienstuntauglichkeit.

Der DBB ist vom Organisationsgrad her jedoch in der Minderheit. Damit wären die Voraussetzungen für eine Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes gegeben. Allerdings haben sich beide Seiten bislang noch keine Gedanken über eine Anwendung gemacht.

Und schlussendlich soll auch die gesundheitliche Prävention und Beratung im Gesundheitsmanagement festgeschrieben werden. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, welche beihilferechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen.

Dialog geplant (BS/jf) Ende April soll es ein Beteiligungsgespräch im Bundesinnenministerium (BMI) zu einem Entwurf eines Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes (BestMG) und einem weiteren Verordnungsentwurf zur Änderung dienstrechtlicher Verordnungen geben. Derzeit befindet sich der vom Parlamentarischen Staatssekretär St e phan Mayer angekündigte Entwurf des BestMG in der Ressortabstimmung und Verbändeanhörung (siehe Behörden Spiegel, Januar 2019, Seite 3). Seitens der Personalvertretungen gibt es erste, überwiegend positive Reaktionen. So sieht die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft BDZ es als großen Erfolg der eigenen Arbeit, dass die Obergrenzen der Beförderungsämter im mittleren Dienst angehoben werden sollen. Erfüllt seien auch die Forderungen nach höheren Polizeizulagen. Nachbesserungsbedarf gebe es aber noch bei der Erhöhung der Prüferzulage bei Wegfall der Voraussetzungen der überwiegenden Verwendung.

Foto: BS/AlbanyColley, pixabay.com

Das jährliche Tauziehen um die Entgelterhöhung

6 % mind. 200

(Behörden Spiegel) Sechs Prozent, aber mindestens 200 Euro – so die zentrale Forderung der Gewerksc haften. Beide Seiten verweisen dabei auf die Statisti ken, die für ihre Argumentation am zweckdienlichsten ist. So ve rweisen die Länder, trotz schwarzer Nullen bei den letzten Haushalten, auf die insgesamt weiterhin hohen Schulden, während die Gewerkscha ften einerseits die steigenden Steuereinnahmen für ihre Argumentation nutzen und den An teil des Arbeitnehmerentgeltes am Volkseinkommen (Lohnquote) weiter erhöhen wollen, damit die Konjunktur gestützt wird.

Schulden der Länder im nicht-öffentlichen Bereich von 2000 bis 2018 (in Mrd. Euro)

Entwicklung der Steuereinnahmen 2016 – 2023 (in Mrd. Euro)

*Ab 2006 einschließlich ausgewählter öffentlicher Extrahaushalte. **Bis 2009 Kreditmarktschulden einschließlich Kassenkredite. ***Ab 2010 einschließlich aller Extrahaushalte; Quelle: BS/Statistisches Bundesamt

Schulden der Länder 3. Quar tal 2018 (in Mrd. Euro)

Höhe der Lohnquote* 2000 bis 2018 (in Prozent)

*Arbeitnehmerentgelt am Volkseinkommen; Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen Behörden Spiegel

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 4 Zahlen & Fakten
TdL
Gewerkschafte n ft ften
BW BY BB BE HB HH HE MV NI NW RP SL SN SA SH TH -200 Mrd. -150 Mrd. -100 Mrd. -50 Mrd. 0 Mrd. -43,8 -21,1 -15,2 -16,1 -54,9 -32,7 -39,1 -7,7 -59,7 -171 ,4 -31,1 -13,9 -1,4 -19,8 -29,9 -14,2 Quelle: BS/Bundesministerium der Finanzen, Ergebnisse der Steuerschätzung im November 2018 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 250 Mrd. 300 Mrd. 350 Mrd. 400 Mrd. Länder Bund 289,0 334,2 309,4 323,8 367,3 341,5 355,2 377,2 288,7 319,9 298,4 311,6 366,0 338,1 352,4 380,2
-800 Mrd. -700 Mrd. -600 Mrd. -500 Mrd. -400 Mrd. -300 Mrd. -200 Mrd. -100 Mrd. 0 Mrd. -338,0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 / * ** *** 3. Quartal -364,5 -392,1 -423,7 -448,6 -471 ,3 -482,8 -484,5 -483,3 -526,7 -600,1 -615,4 -644,9 -624,9 -614,1 -613,2 -608,7 -586,4 -572,0
60 64 68 72 76 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 71 ,9 71 ,0 71 ,1 70,9 67,7 66,6 64,3 63,6 65,5 68,4 66,8 66,1 67,7 68,0 67,9 67,7 67,7 67,9 69,0
Illustration: BS/Dach; unter Verwendung von Grafiken von © shockfactor.de, stock.adobe.com; © Jyll, stock.adobe.com; © shockfactor.de, stock.adobe.com; © artinspiring, Fotolia.com; freepik.com Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung des Behörden Spiegel.

Umfrage gestartet

Azubi-Marketing und -Recruiting im Visier

(BS/jf) Die Studie “Azubi-Recuiting Trends 2019” geht in die zehnte Runde. Die größte doppelperspektivische Studie dieser Art thematisiert die Kernfragen des Azubi-Marketings und Recruitings inklusive einer Sonderauswertung für den öffentlichen Sektor.

Noch nie wurde so viel über das Thema betriebliche Ausbildung diskutiert. Für die einen ist sie ein Garant für Beschäftigungsstabilität und ein Bollwerk gegen den “Akademisierungswahn”, für die anderen ist sie ein Auslaufmodell. Und was für die einen der Fachkräftemangel i st, ist für die anderen die Macht der Bewerber.

Doch welche regionalen Unterschiede existieren bei der Bew erberansprache? Wel che Arbeitszeitmodelle gibt es für Auszubildende? Welche Wirk-

samkeit haben Arbeitgebersiegel? Und welche Ausbildungsbetriebe welcher Branche erreichen am besten Herz und Kopf der Bewerberzielgruppen? Diese und andere Fragen stehen im Mittelpunkt der Studie, die wie in den vergangenen Jahren von einem der führenden Experten für Recruiting und Empolyer Branding in Deutschland, Prof. Dr. Christoph Beck von der Hochschule Koblenz, betreut wird.

Die Studie wird von der u-form Testsysteme durchgeführt. Partner ist die Aubi-plus GmbH. Für

Ein symbolischer Akt?

Mehr Stellen bedeuten nicht gleich mehr Personal (BS/Jörn Fieseler) Bund und Länder haben einen Pakt für den Rechtsstaat geschlossen, mit dem Ziel, die Justiz in Deutschland zu stärken. Zwar sind die Bestandteile des Paktes richtig und wichtig, doch dürfte sich die Umsetzung als schwieriger erweisen als angenommen. Und bedurfte es dafür eines Paktes?

die Sonderauswertung für den öffentlichen Sektor ist der Behörden Spiegel Medienpartner.

2018 haben über 5.000 Bewerber, Auszubildende und Ausbildungsverantwortliche an der Online-Befragung teilgenommen.

Ab sofort können Ausbildungsverantwortliche aus dem Öffentlichen Dienst unter www.testsys teme.de/studie an der Erhebung teilnehmen.

Azubis und Schüler beantworten die Fragen unter www.ausbil dungsstudie.de .

Von der Reaktion zur Aktion

Digitalisierung als Führungsaufgabe

(BS) Die Digitalisierung ist keine Aufgabe der Zukunft. Sie hat in weiten Teilen längst unseren Alltag erreicht. Wie muss sich die Chefetage für den digitalen Wandel aufstellen? Welche Strategien sind angesagt, welche Kenntnisse erforderlich? Wie wird der digitale Wandel gestaltet, welche personellen Veränderungen unterstützen den erfolgreichen Weg? Ist der Informationssicherheit ausreichend Rechnung getragen?

Diese Fragen sind Gegenstand des Seminars “Digitalisierung als Führungsaufgabe: Von der Reaktion zur Aktion” der Cyber Akademie am 9./10. April 2019 in Bonn.

Dabei geht es auch um die Faktoren Organisation und Technik als Schlüssel der Veränderung und darum, wie Entscheidungen

von Verantwortungsträgern in komplexen Zusammenhängen abgesichert werden können und mehrdimensionale Strategien für den digitalen Wandel möglich werden. Auf der Agenda stehen die Themen Führungsstile und Personalentwicklung, die Etablierung von Innovation und Transformation

als Life-Cycle sowie die Sicherstellung der Informationssicherheit als besondere Herausforderung bei der Verarbeitung von digitalen Informationen.

Weitere Informationen und Anmeldung unter www.cyber-aka demie.de, Suchwort “Führungsaufgabe”

Compliance-Management ist unverzichtbar

Unternehmensoriginäre Instrumente in der Wissenschaft (BS/jf) Was zunächst wie eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit klingt, die Rechts- und Regeltreue (überwiegend) staatlicher Institutionen, gerät zunehmend in den Fokus: inkorrekte Vergabe- und Beschaffungsverfahren, rechtswidrige Informationsweitergaben, die Umgehung arbeitsrechtlicher Vorschriften oder der zweifelhafte Umgang mit Finanz- oder Drittmitteln und Sponsoren. Auch Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen müssen sich mit diesen Themen auseinandersetzen.

Durch die Hochschulreform haben sich staatliche Hochschulen von einer klassischen Verwaltungseinheit mit behördlichem Charakter hin zu einem modernen Wissenschaftsbetrieb mit unternehmeri schen Akzenten gewandelt.

In diesem Zusammenhang muss auch das Thema Compliance in diesen Einrichtungen in den Blick genommen werden. Nicht zuletzt, weil auch die Rechnungshöfe der Länder sowie die EU zunehmend von der öffentlichen Hand und damit von den Universitäten eine strukturelle und organisatorische Auseinandersetzung mit den für ihre Institution typischen rechtlichen Risiken fordern.

Bündel an Maßnahmen

Um auf dem Markt von Lehre und Forschung gegenüber den privaten Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bestehen zu können und andererseits die hohen Erwartungen an die wissenschaftliche Kompetenz zu erfüllen, sind u n ternehmensoriginäre Instrumente der Organisationssteuerung, wie rechtliches Risikomanagement, Korruptionsprävention und letztendlich ein effizientes Compliance-Management, unverzichtbar. Beispielsweise sind für die Trennungsrechnung, Marktpreise und die beihilfekonforme Verwertung von Wissen Prozesse aufzubauen und zu dokumentieren.

Verantwortliche und Beauftragte bestimmen

Die Annahme von Geschenken und die Bewirtung ist zum Schutz der Beschäftigten zu regeln. Der Umgang mit Sponsoring und Drittmitteln ist intern zu normieren und zu kontrollieren, Verantwortliche für die Prozessüberwachung und -opti-

mierung sind zu bestimmen, wie der/die Compliance-Beauftragte und/oder der/die Antikorruptionsbeauftragte. Die außeruniversitäre Forschung ist ebenfalls mit hohen Erwartungen an ihre wissenschaftliche Kompetenz und ethische Qualität konfrontiert und zugleich auf eine auskömmliche Finanzausstattung – auch seitens privater Mittelgeber – angewiesen.

Pflicht zum Compliance-Managementsystem Institutionen der außeruniversitären Forschung weisen häufig die Rechtsform des eingetragenen, gemeinnützigen Vereins auf und bedürfen ebenso eines funktionierenden Compliance, Managementsystems. Die Pflicht zur gesetzeskonformen Organisation der grundrechtlich gesicherten Wissenschafts- und Forschungsfreiheit einerseits und der Aufrechterhaltung der Steuerbegünstigung und umfangreicher Zuweisungen von Mitteln öffentlicher Haushalte andererseits unterstreichen das Erfordernis der Gesetzes- und Rechtskonformität.

Seminar mit umfangreichem Programm

Die Rechts- und Regelkonformität bedarf weitgehender Überlegungen sowie einer umfassenden Kommunikation, um mögliche M aßnahm en in der jeweiligen Organisation der Hochschule oder außeruniversitären Forschungseinrichtung wirksam zu implementieren und eine weitgehenden Schadensvermeidung sicherzustellen. Deshalb veranstaltet der Behörden Spiegel am 3./4. April 2019 unter dem Titel “Compliance in Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen”

“Dieser Pakt überzeugt nicht” meint der frühere Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Justiz und Europa, Prof. Dr. Wilfried Bernhardt. Der Pakt sei medial aufgebauscht worden und vor allem nicht nachhaltig. Der Bund zahle zwar 220 Mio. Euro in zwei Tranchen, wenn die Länder 2.000 Stellen für Richter und Staatsanwälte erschafften. Eine Richterstelle müsse jedoch nicht nur für zwei Jahre, sondern für über 30 Jahre – die normale Amtszeit eines neu eingestellten Richters – finanziert werden. Und diese Finanzierung sei völlig offen.

Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes (DRB), erwidert: “Ohne die Koordinierung durch den Bund wären diese Entscheidungen nicht möglich gewesen. Mit der Besiegelung haben die Regierungen in Bund und Ländern nach Jahren der verfehlten Sparpolitik in der Justiz endlich eine Trendwende eingeleitet.” Zwar habe es in der Vergangenheit schon einen Beschluss der Justizminister gegeben, mehr Personal einzustellen, doch sei dieser sehr unterschiedlich umgesetzt worden. “Einige Lä nde r haben mehr Personal eingestellt, andere weniger. Jetzt stünden die Regierungschefs in der Pflicht, gemeinsam mit dem Justiz- und Finanzressort die versprochenen neuen Stellen zu schaffen.

Zugleich erinnerte der DRBVorsitzende an die bevorstehende Pensionierungswelle in der Justiz: Der Pakt müsse Auftakt für eine nachhaltige Personalpolitik sein. Bis zum Jahr 2030 gingen

bundesweit etwa 40 Prozent aller Staatsanwälte und Richter in den Ruhestand, in den fünf neuen Bundesländern würden sogar zwei von drei Kollegen bis dahin aus dem Dienst ausscheiden.

Suche nach Personal Nun müsse das Werben um den Nachwuchs verstärkt werden, fordert Gnisa. Je nach den Einstellungen in den letzten zwei Jahren, die in die Umsetzung des Paktes einflössen, sei der Markt an Nachwuchskräften unterschiedlich stark. In den großen westlichen Flächenländern, wie Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sei der Markt quasi leergefegt. In anderen Ländern gebe es aber noch genügend Nachwuchsrichter und -staatsanwälte. Etwa in den neuen Ländern. Allerdings sei der Personalpool insgesamt kleiner geworden, wie Gnisa am Beispiel NRW verdeutlichte: Vor einigen Jahren habe es noch 2.500 Referendare pro Jahr gegeben, jetzt seien es nur noch 1.500. “Es gibt

einen harten Wettbewerb um Juristen mit Prädikatsexamen. Dabei kann der Öffentliche Dienst mit den gezahlten Gehältern der Großkanzleien nicht mithalten.” Es wurde reagiert, indem mancherorts die Einstellungsvoraussetzungen herabgesetzt wurden. Statt eines Prädikatsexamen mit mindestens neun Punkten bei der Note werden inzwischen auch Juristen eingestellt, die einen Abschluss mit der Note “befriedigend” (bis zu 7,75 Punkte) vorweisen können. “Ich habe mit den Kolleginnen und Kollegen trotzdem durchweg positive Erfahrungen gemacht”, sagt Gnisa Weitere Bestandteile Darüber hinaus sieht der Pakt rund 100 neue Stellen für den Generalbundesanwalt und den Bundesgerichtshof vor. Außerdem soll die digitale Kommunikation zwischen Bund und Ländern, Polizei, Staatsanwalt und Justiz verbessert werden. Sowie die Gerichtsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden.

ein zweitägiges Seminar. Dieses gibt einen Gesamtüberblick über die rechtlichen wie tatsächlichen Voraussetzungen des Implementierungsprozesses eines rechtlichen Risikomanagements, die zu berücksichtigenden personellen, finanziellen wie sachlichen Rahmenbedingungen und die Zielvorgaben, die zunehmend von Revisoren und den Landesrechnungshöfen formuliert werden.

Namhafte Referentinnen Neben Vorträgen von Prof. Dr. Beatrix Weber, Professorin für Gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hof im Institut für Informationssysteme (iisys), und von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune, Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V., werden i nner halb von acht Modulen praktische Übungen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angeboten. Zudem sind sie die Autorinnen des im Frühjahr im Erich-Schmidt-Verlag erscheinenden, gleichnamigen Handbuchs.

D as Seminar richtet sich an alle Beauftragten für Compliance oder Antikorruptionsprävention, Personalverantwortliche, Instituts- und Forschungsgruppenleiter, Justiziare, Mitarbeiter in Stabsstellen, Präsidialbüros und Drittmittel- und Technologietransferstellen in Hochschulen, außeruniversitären Forschungsei nrichtungen, Projektträgern und Unternehmen, die mit den genannten Einrichtungen kooperieren.

Weitere Informati onen, Programm und Anmeldung unter www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “Hochschule”

Tag des Eingruppierungsrechts

Typische Verständnisfehler und ausgewählte Rechtsprechung

14. März 2019, Bonn

Themenüberblick,

• Vorstellung der Entgel

• §§ 12, 13 TVöD/T

• “Arbeitsvorgang” – der zentrale Steuerungsbegriff im Eingruppierungsrecht

• Typische Verständnisf

• Darstellung der “8

• Ausgewählte Re

• “Selbstständige Leistungen” – mehr als eigenständig?

• Tätigkeitsbeschreibung – notwendiges Übel?

• Der “große Arbeits

• Die “Schlüssigkeitshü

• Fragen der Teilnehme

Dr. Mario Eyle Richter beim Bundesarbeitsgericht a.D.,

Vo 4. Senats bis zum 30. September 20

Seite 5 Behörden Spiegel / Februar 2019 Aktuelles
Öffentlicher Dienst
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Weitere Informationen und Anmeldung unter dem Suchwort “Eingruppierung”: www.fuehrungskraef te-forum.de
Jürgen Kutzki, Rechtsanwalt, Dipl.-Ver waltungswirt Richterbänke sollen mit mehr Personal besetzt werden. 2.000 Stellen sollen die Länder insgesamt schaffen. Foto: BS/©uwimages, Fotolia.com

Die letzte Hürde

Der Fortgang der Maut-Systeme nimmt klarere Züge an (BS/Katarina Heidrich) Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat entschieden, dass der LkwMautbetrieb dauerhaft vom Bund übernommen wird. Damit ist das europaweite Vergabeverfahren für das System aufgehoben. Gleichzeitig wurde der Kurs des Verkehrsministeriums bestätigt, die geplante Pkw-Maut umzusetzen. Kritik hagelt es vor allem seitens der FDP und der Grünen.

Grundlage der europaweiten Ausschreibung für den Weiterbetrieb des Lkw-Mautsystems war eine vorläufige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, die zu dem Ergebnis kam, der Mautbetrieb durch einen Privaten sei wirtschaftlicher als der Eigenbetrieb durch den Bund. Nach Beilegung der jahrelangen Rechtsstreitigkeiten seien die Risiken nun allerdings “deutl ich gesunken”, heißt es vom Bundesverkehrsministerium. Eine erneute Wirtschaftlichkeitsprüfung habe nun ergeben, dass die Eigenrealisierung doch vorteilhafter sei als eine Fremdrealisierung. In Zahlen: gerechnet auf Basis der vorgesehenen Vertragslaufzeit von zwölf Jahren sei es für den Bund 357 Millionen Euro günstiger, Toll Collect selbst zu halten.

Scheuer dazu: “Im Vergabeverfahren steht und stand die Wirtschaftlichkeit für den Bund immer an oberster Stelle. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass der Bund einen sicheren Maut betr ieb in Eigenregie gewährleisten kann. Das System funktioniert einwandfrei. Die Lkw-Maut ist ein Erfolgsmodell, das zuverlässig wichtige Einnahmen in Milliardenhöhe für moderne und sichere Straßen einbringt – durchschnittlich sind das 7,2 Milliarden Euro in den Jahren 2018 bis 2022.”

Interessenskonflikt und Klage

Kritik an der Kehrtwende wird durch die FDP-Fraktion im Bundestag laut. Als einzige Bundestags-Fraktion hatte sie gegen den Verbleib von Toll Collect in staatlicher Hand votiert.

Der FDP-Sprecher für Verkehr und digitale Infrastruktur, Oliver Luksic , kritisiert: das Betreiben von Mautsystemen sei keine hoheitliche Aufgabe. Die Fraktion will nun das Bundeskartellamt einschalten und die angekündigte Verstaatlichung prüfen lassen. Sie hinterfragt, ob die Rahmenbedingungen für ein ordentliches Vergabeverfahren gegeben seien und inwiefern die neue Wirtschaftlichkeitsprüfung unabhängig und fundiert sei.

MELDUNGEN

Zug um Zug

Bundestag berät über Brexit

(BS/jf) Unabhängig von den Diskussionen in Großbritannien hat die Bundesregierung inzwischen drei Gesetzesvorhaben in den Bundestag eingebracht, um sowohl einem geplanten wie ungeplanten Austritts des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union Rechnung zu tragen. Vieles sind regulatorische Klarstellungen, die jedoch auch in einzelnen Teilen der Bundesverwaltung zu Mehrarbeit führen.

Mit Blick auf die benachteiligten Bieter warnt die Fraktion vor drohenden Entschädigungszahlungen, für die die Steuerzahler wiederum aufkommen müssten. Aber auch an den Personalplänen gibt es Kritik. Der beamtete Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Dr. Gerhard Schulz, soll ab dem 1. März neuer Vorsitzender der Geschäftsführung von Toll Collect werden und damit den bisherigen Unternehmens-Chef HannsKarsten Kirchmann ablösen. Der Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stephan Kühn, spricht bei diesem Wechsel von einem “Interessenskonflikt”. “Für mich steht fest: Der Wechsel von Staatssekretär Schulz, derzeit Aufsichtsratsvorsitzender von Toll Collect, auf den Chefsessel des Staatsunternehmens, hat einen faden Beigeschmack. Bis vor Kurzem war “Mr. Maut” noch für die Kontrolle von Toll Collect verantwortlich und nun schachert Minister Scheuer seinem Staatssekretär den hochdotierten Chefposten zu”, so Kühn

Die Entscheidung, Toll Collect weiterhin in Bundeshand zu halten, hängt auch mit den Plänen für Scheuers “Vorzeigeprojekt” der Pkw-Maut zusammen. Hier könnten nämlich “Synergieeffekte” genutzt werden, wie es vom Verkehrsministerium heißt. Konkret bezieht sich das auf die vorhandene Infrastruktur der

Diversität im Öffentlichen Dienst (BS/kh) Der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, Friedhelm Schäfer, fordert, dass die gesellschaftliche Vielfalt auch in der Beschäftigtenstruktur des Öffentlichen Dienstes stärker abgebildet wird. Seiner Meinung nach könnten “Organisationen mit einer vielfältigen Beschäftigtenstruktur besser auf unterschiedliche Bedürfnisse aller gesellschaftlichen Gruppen reagieren”. Abgesehen davon, dass auch weiterhin Einstellungen nach Eignung und

Leistung erfolgen sollen, müsse aber etwa die interkulturelle Kompetenz der Beschäftigten gestärkt werden. Von den 16,5 Millionen Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland arbeiteten rund 20 Prozent in der Privatwirtschaft, aber nur 6,7 Prozent in der öffentlichen Verwaltung.

“Das wird der gesellschaftlichen Realität zum Beispiel in Ballungsgebieten nicht unbedingt gerecht”, bemängelt Schäfer Auch im Hinblick auf die Nachwuchs- und Fachkräftegewin -

Lkw-Maut in Form der AutobahnKontrollbrücken. Dies solle die Kosten bei der Pkw-Maut senken. Allerdings soll diese wiederum von Privaten betrieben werden; das Ticketunternehmen Eventim und der Österreichische Mautbetreiber Kapsch TrafficCom AG sollen ab 2020 das System übernehmen. Nun fehlt nur noch das “OK” vom Europäischen Gerichtshof (EuGH). Österreich hatte gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, da die Pkw-Maut diskriminierend sei. Dem widersprach nun ein EuGH-Generalanwalt, der dem Gerichtshof nahelegt, die Klage abzuweisen. In einem Gutachten legt er dar, dass die Maut mit EU-Recht vereinbar sei und keine Diskriminierung ausländischer Fahrzeughalter stattfinde.

Kühn dazu: “Selbst wenn der Europäische Gerichtshof der Empfehlung des Generalanwalts folgen sollte und die Pkw-Maut europarechtlich zulässig ist, heißt das nicht, dass das Projekt sinnvoll ist. Es ist und bleibt ein teures Stammtisch-Projekt der CSU, mit dem kein Geld für die Verkehrsinfrastruktur zu verdienen sein wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Ausländer-Maut keinen Gewinn einbringen. Es ist bereits viel zu viel Steuergeld zur Vorbereitung für neue Behördenstellen und teure Beraterverträge verschwendet worden.”

Allgemein will die Bundesregierung bei einem geplanten Austritt die bisherigen Regelungen im Bundesrecht so verstehen, dass bei einem Bezug zur Mitgliedschaft in der europäischen Union und in der Europäischen Atomgemeinschaft Großbritannien bis zum Ablauf der dann geltenden Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 weiterhin als Mitgliedsstaat betrachtet wird. Diese Regelung wurde bereits mit dem Brexit-Übergangsgesetz (Brexit-ÜG) verabschiedet. Darüber hinaus wird das Vereinigte Königreich, unabhängig vom geplanten oder ungeplanten Ausstieg, künftig als Drittstaat anzusehen sein. Damit müssen im Steuerrecht, aber auch bei der Sozialversicherung, der Finanzaufsicht, bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und (Tier-) Arzneimitteln einzelne Leistungen anders betrachtet werden, als dies bislang der Fall war. Hierzu sind in den Bundestag ein sogenanntes Brexit-Steuerbegleitgesetz (BrexitStBG) und ein Gesetz zu weiteren Übergangsregelungen in den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach dem Austritt eingebracht worden. Letzteres regelt vor allem die Abrechnung von Leistungen der Sozialversicherungsträger, die Anerkennung von Berufsqualifikationen sowie die Auslands- und Ausländerförderung im Rahmen der Begabtenförderung.

Die wesentlichen Änderungen ergeben sich beim Aufenthaltsstatus der Briten in Deutschland (siehe Seite 14 in dieser Ausgabe) und beim Zoll (siehe Seite 37) Doch auch für die Zulassungsbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare

In Deutschland sind die ersten konkreten Züge zur Vorbereitung auf den Brexit unternommen und drei Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht worden. Noch soll vieles beim Alten bleiben. Foto: BS/©tanaonte, stock.adobe.com

Sicher hei t (BMU) und bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) werden einige Aufgaben vermehrt wahrzunehmen sein. Demgegenüber gibt es andere Bereiche, wo mit einer rechtlichen Klarstellung alles geregelt ist.

Mehr bei Zulassungsbehörden

Sowohl bei den Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel im Umweltbundesamt (UBA) als auch bei der Genehmigung von Handel mit bedrohten Tieren durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat der Bund mit dem Haushaltsbeschluss für 2019 reagiert und knapp über 100 zusätzliche Stellen bewilligt. Ebenso sind die personellen Kapazitäten beim Bu ndesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie im Julius-Kühn-Institut um rund

30 Stellen angehoben worden.

Für das Bundesinstitut für Risikobewertung sollen eventuelle neue Planstellen Gegenstand der Haushaltsberatungen 2020 werden, wie die Bundesregierung in einer Unterrichtung an den Bundestag (siehe Drucksache

19/7240) mitteilt. Auch beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und beim Paul-Ehrlich-Institut wird mit einem erhöhten Arbeitsaufkommen durch den Wegfall der britischen Medicines and Healtcare Products Reulatory Agency (MHRA) als Zulassungsbehörde für Medizinprodukte gerechnet, weshalb der Bund hier ebenfalls rund 30 zusätzliche St el len geschaffen hat. Nicht abzuschätzen war bislang das Arbeitsaufkommen beim Bereich der Tierarzneimittel. Entsprechend gab es hier noch keine zusätzlichen Posten.

Aufsicht gestärkt Darüber hinaus geht man auch bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) von einem höheren Prüfaufkommen aus. Denn bei einem ungeregelten Austritt würden Unternehmen des Finanzsektors aus dem Vereinigten Königreich ihr bisheriges Marktzutrittsrecht (sogenannter Europäischer Pass) verlieren. Dieses müsste dann bei der Bafin neu beantragt und geprüft werden.

Die Informationsflut meistern

Mit sechs Schritte den Informationsgewinn optimieren (BS/Christian Peirick) In Zeiten einer ständig anwachsenden Informationsflut wird es immer wichtiger, die eigene Informationsgewinnung zu optimieren, um weiterhin alle für die eigene Arbeit wichtigen Informationen aufzunehmen und verfügbar zu haben.

nung sieht der DBB-Vorsitzende Handlungsbedarf in Form konkreter personalwirtschaftlicher Maßnahmen. Wo das Einkommen Grenzen habe, müsse etwa mit Verlässlichkeit gepunktet werden.

Im Öffentlichen Dienst liege der Befristungsanteil mit 7,4 Prozent höher als in der Privatwirtschaft mit 6,7 Prozent. “Wer soll das verstehen, wer soll das rechtfertigen? Gerade junge Menschen brauchen – und suchen – Perspektiven und Planbarkeit”, betont Schäfer.

Lehrer im Auslandseinsatz

(BS/kh) Jeder dritte junge Englisch-, Französisch- oder Spanischlehrer in Deutschland hat während des Studiums keine Auslandserfahrungen gesammelt. Dem w ill der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) mit finanzieller Unterstützung durch das Bundesbildungsministerium (BMBF) entgegenwirken. Das Programm “Lehramt.International” verfolgt das Ziel, das Lehramtsstudium zu internationalisieren. Hierfür sollen etwa mehr Kooperationen

zwischen deutschen und ausländischen Partnerhochschulen stattfinden. Bislang sind Auslandsaufenthalte oft kein Bestandteil im Curriculum. Damit sammeln Lehramtsstudenten im Vergleich zu anderen Fachdisziplinen wenig Erfahrungen im Ausland, heißt es vom BMBF. Hinzu komme, dass im Ausland erbrachte Studienleistungen häufig nicht anerkannt werden könnten.“Weltoffenheit, Weltgewandtheit und Sprachfertigkeit vermitteln insbesondere

Lehrerinnen und Lehrer gut, die selbst Erfahrungen im Ausland gesammelt haben. Ein Semester oder Praktikum im Ausland ist eine vielfältige Bereicherung: individuell für die Studierenden selbst, aber auch später in der beruflichen Praxis vor der Klasse”, so Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Das BMBF fin an ziert das Programm für eine Laufzeit von vier Jahren. Vorgesehen sind Stipendien für Studierende und eine Förderung für Modellprojekte.

An besonderen Tagen trudeln die E-Mails fast schon im Minutentakt im elektronischen Postfach ein. Viele davon enthalten Anlagen mit oftmals über 100 Seiten. Außerdem gibt es da verschiedene Fachzeitschriften, die gelesen werden sollten. Und nebenbei müssen dann für die eigentliche Arbeit zunächst der Arbeitsauftrag und die dazugehörenden Begleittexte gelesen werden. Nach neuesten Studien kommen sogenannten “Wissensarbeiter” damit auf einen Leseaufwand von bis zu 5,7 Stunden pro Arbeitstag. Es verbleibt daher immer weniger Zeit für die originäre Aufgabenerledigung.

Mit den folgenden sechs Schritten können Sie Ihre Informationsgewinnung optimieren und die zunehmende Informationsflut bewältigen.

1. Schritt: Optimieren Sie das Leseumfeld: Sie können nur konzentriert lesen, wenn Sie zuvor Ihren Lesearbeitsplatz optimiert haben. Dazu gehören ein aufgeräu mter, möglich st ruhiger Schreibtisch und gute Lichtverhältnisse genauso wie auch die Orientierung am eigenen Biorhythmus und die Vermeidung von Störungen.

2. Schritt: Steigern Sie Ihr Lesetempo: Machen Sie sich bewusst, dass Sie vermutlich nicht viel schneller lesen als ein zehnjähriger Schüler – und Sie mithilfe einfach zu erlernender Schnelllesetechniken innerhalb

Christian Peirick ist Referatsleiter in der Verwaltung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Seit 1998 leitet er Seminare zum Thema “Infoflut bewältigen mit RaLete – Rationelle Lesetechniken®”

kürzester Zeit Ihre Lesegeschwindigkeit verdoppeln können. Allein das kann schon 2 bis 3 Stunden an Zeitgewinn pro Arbeitstag bewirken.

3. Schritt: Vermeiden Sie Lesehemmnisse: Hierzu gehört unter anderem der Irrglaube, durch ein extrem langsames Lesen könne man besonders konzentriert lesen. Denn wenn das Tempo zu gering wird, lasten wir unser Gehirn nicht mehr richtig aus – sodass sich dieses mit anderen, (vermeintlich) spannenderen Dingen beschäftigt (z. B. mit der am Abend geplanten Freizeitaktivität).

4. Schritt: Bestimmen Sie Ihr Leseziel: Wie bei allen wichtigen Dingen im Leben ist es auch beim Lesen unabdingbar, dass Sie sich darüber klar werden, was Ihr Ziel, hier also Ihre Leseabsicht, ist. Anschließend überfliegen Sie zunächst die Texte. Dann werden Sie nämlich schnell feststellen, dass viele Texte von Ihnen gar nicht oder allenfalls in kleinen Teilen gelesen werden müssen.

Auf diese Weise sparen Sie noch einmal viel Zeit ein.

5. Schritt: Verbessern Sie die E-Mail-Kommunikation: Dazu gehören aussagekräftige Betreffs, die Beschränkung der Adressat en auf das notwendige Maß, das Vorsortieren von E-Mails durch Filterregelungen und das geordnete Ablegen unter Verwendung von Kategorien. Und überlegen Sie einmal, ob Sie sich ständig ablenken lassen wollen durch neu eintreffende Nachrichten. Denn an einem Großteil der Arbeitsplätze würde es ausreichen, zwei- bis viermal pro Tag sein E-Mail-Postfach aufzurufen und die eingegangenen E-Mails am Stück zu lesen.

Foto: BS/privat

6. Schritt: Besuchen Sie ein Schnellleseseminar: Diese und weitere Schritte helfen, wieder zu einem selbstbestimmten persönlichen Wissensmanagement zu gelangen. Am einfachsten erlernen Sie die neue Herangehensweise an Ihre Informationsflut dabei im Rahmen des Praxisseminars “Schneller Lesen, mehr behalten, Infoflut bewältigen” am 11. April 2019 in Bonn.

Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “lesen”

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 6 Bund
Nachdem klar ist, wie es mit der Lkw-Maut weitergeht, ist noch ein Hindernis für die Pkw-Maut aus dem Weg zu räumen. Foto: BS/©tech_studio, stock.adobe.com

Im Koalitionsvertrag der neuen, alten schwarz-grünen Regierung in Hessen wird auf einen Zweiklang in der landeseigenen Flüchtlingspolitik hingewiesen –Humanität und Ordnung. Diese Kombination wird deutlich an den konkreten Zielen. Zum einen sei es das Ziel, die Dauer des Verbleibs in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) nicht mehr vom Herkunftsland oder der Bleibeperspektive abhängig zu machen, sondern die Bewohner schnellstmöglich auf die Kommunen zu verteilen. Zum anderen sollen Flüchtlinge, “bei denen durch ihr individuelles Verhalten erhebliche Zweifel an ihrer Integrationswilligkeit bestehen” in Zukunft in einer Landeseinrichtung verbleiben. Als Beispiele werden das Nichteinhalten von Gesetzen, Begehen von Straftaten oder Einträge im Polizeiauskunftssystem aufgeführt.

Und auch jene, die bereits einer Kommune zugewiesen wurden, sollen bei entsprechendem Verhalten wieder in der Erstaufnahme- oder einer zentralen Landeseinrichtung untergebracht werden können. Die Möglichkeit hierzu wollen die Regierungsparteien prüfen. Wie lange die betroffenen Personen dort verweilen sollen, bleibt allerdings offen.

Keine Pläne für Ausweitung

Auch in Berlin ist es das Ziel, “Asylsuchende so kurz wie möglich in den EAE zu lassen, um ihnen frühzeitig den Bezug einer Wohnung oder hilfsweise

Wie lang ist lang genug?

Bleibemöglichkeiten in den Ländern – ein Überblick

(BS/Katarina Heidrich) Hessen plant, eine schnellere Verteilung von Flüchtlingen auf die Kommunen zu gewährleisten. Gleichzeitig sollen aber künftig “Nicht-Integrationswillige” in einer Landeseinrichtung verbleiben oder erneut dorthin zurückgeschickt werden. Andere Länder wollen die maximale Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen erhöhen, wieder andere wollen sie verringern. Es geht um die Frage nach einer Zentralisierung der Asylverfahren. Und was leisten eigentlich die “Anker-Zentren” in Bayern in diesem Zusammenhang?

eine Selbstversorgung in einer Gemeinschaftsunterkunft zu ermöglichen”, heißt es von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Grundsätzlich ist es den Ländern möglich, nach § 47 Abs. 1b Asylgesetz (AsylG) die Verweildauer abweichend von der Sechs-MonatsHö chst dauer auf 24 Monate auszuweiten. Das Land Berlin macht nicht von der Ermächtigung Gebrauch. “Ungeachtet des Herkunftslandes werden hier konsequent die gesetzlichen Spielräume der §§ 48-50 AsylG genutzt, um die Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen zu verringern”, heißt es von der Senatsverwaltung, die dazu eine entsprechende Arbeitsanweisung erlassen hat. Dies ist Teil des Berliner Gesamtkonzepts zur Integration und Partizipation Geflüchteter, das “den Berliner Ansatz der Integration vom ersten Tag an bestätigt”, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) erläutert.

In Thüringen ist “die Verweildauer mithin von der Lage des Einzelfalls abhängig und kann nicht pauschal mit einer Höchst-

dauer benannt werden”, weshalb es auch keine Pläne gebe, diese auszuweiten, wie es aus dem dortigen Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz heißt. Allerdings bet r age die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in der EAE vier Wochen. Auch in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern gibt es derzeit keine Pläne, von

Fehlende Gesetzgebungskompetenz

Automatisierte Kennzeichenkontrolle in Teilen verfassungswidrig

(BS/mfe) Die Bestimmungen zur automatischen Kennzeichenerfassung in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern sind teilweise nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. Den Ländern mangelt es im Hinblick auf gewisse Ausprägungen dieser Methode schlicht an der Gesetzgebungskompetenz. Das hat kürzlich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden.

So könnten Baden-Württemberg und Hessen die entsprechenden Regelungen zwar auf ihre Gesetzgebungszuständigkeit für die Gefahrenabwehr stützen. Soweit im Ländle automatisierte Kennzeichenkontrollen jedoch zur Unterstützung polizeilicher Kontrollstellen und -bereiche und damit für den Bereich der Strafverfolgung genutzt würden, liege die Gesetzgebungskompetenz hierfür beim Bund. Dies gelte bereits für die Einrichtung dieser Punkte, weshalb die daran anknüpfende Kennzeichenkontrolle formell verfassungswidrig sei. Aus formellen Gründen ebenfalls verfassungswidrig seien die hessischen Bestimmungen zur automatisierten Kennzeichenkontrolle an polizeilichen Kontrollstellen, die zur Verhütung versammlungsrechtlicher Straftaten eingerichtet werden. Zudem genügten sowohl die Regelungen in Baden-Württemberg als auch in Hessen nicht vollständig dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Beanstandet wurde von den Karlsruher Richtern, dass die Kennzeichenkontrollen nicht umfassend auf den Sc hutz von Rechtsgütern von erheblichem Gewicht begrenzt seien und sie als Mittel der Schleierfahndung ohne eine ausreichend klare grenzbezogene Beschränkung erlaubt seien. In dieser Form stellten sie einen zu starken Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.

Bayern nicht für Grenzschutz zuständig

Gleiches gilt für das bayerische Instrumentarium. Die entsprechenden Regelungen im neuen Bayerischen Polizeiaufgabengesetz wurden zumindest für den Fall als kompetenzwidrig und in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar eingestuft, soweit sie Kennzeichenkontrollen unmittelbar zum Grenzschutz

Das automatische Auslesen von Kennzeichen durch Polizeibehörden ist künftig nicht mehr so weitgehend wie bisher möglich. Das Bundesverfassungsgericht hat einige Bestimmungen hierzu in mehreren Bundesländern als in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar eingestuft. Foto: BS/Timo Klostermeier, pixelio.de

erlauben. Dem Freistaat fehle es an der Gesetzgebungskompetenz, soweit das Instrumentarium zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Einreise genutzt werde. Diese Variante sei eine Frage des Grenzschutzes, für den ausschließlich der Bund die Gesetzgebungskompetenz innehabe. Zulässig sei das Mittel in Bayern hingegen zur Verhinderung des unerlaubten Aufenthalts sowie zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Die Vorschriften in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern sind größtenteils übergangsweise weiterhin anwendbar. Dies gilt allerdings maximal bis zum 31. Dezember dieses Jahres.

Bayern will an Instrument festhalten

Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann (CSU) , sagt zu dem Beschluss: “Unsere automatisierte Kennzeichenerkennung an polizeilichen Kontrollstellen und im Rahmen der Schleierfahndung ist mit der Verfassung grundsätzlich vereinbar.” Die Entscheidung betreffe nicht den Kern der eingeräumten Befugnisse, sondern nur einzelne Aspekte ihrer rechtsstaatlichen Ausgestaltung. Aus diesem Grunde werde man auch an dem Fahndungsinstrument festhalten. Deutlich kritischer äußert sich der stellvertretende

Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Dr. Konstantin von Notz Er sagt: “Das Gericht stärkt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erneut und stellt klar, dass die Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar ist.” Ebenfalls Kritik kommt von Jimmy Schulz, Vorsitzender des Bundestagsausschusses Digitale Agenda. Der FDP-Politiker betont: “Die bayerische Landesregierung ist mit der Kennzeichenüberwachung im Polizeiaufgabengesetz bereits über das Ziel hinausgeschossen.” Vonseiten der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) heißt es, die Gesetzgeber in Bund und Ländern müssten insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte größere Sorgfalt walten lassen. Ihr Bundesvorsitzender, Rainer Wendt, fordert: “Die Polizei muss sich in ihrer Arbeit auf grundgesetzkonforme Gesetze stützen können, sie darf nicht in rechtlichen Grauzonen arbeiten.”

Neue technische Möglichkeiten zur Unterstützung von Fahndungs- und Ermittlungstätigkeit der Sicherheitsbehörden seien zur Unterstützung der Polizei zwar dringend notwendig. Sie müssten aber mit größtmöglicher Sorgfalt gesetzlich legitimiert werden, so Wendt.

der Ermächtigung im AsylG Gebrauch zu machen. Die maximale Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen soll sechs Monate nicht übersteigen.

Entlastung der Kommunen

Im Innenministerium von Brandenburg (MIK) gibt es Pläne, die mögliche Verweildauer in den EAE zu erhöhen. Bisher seien sechs Monate der Standard gewesen, man wolle dies aber auf bis zu 24 Monate ausweiten, damit Geflüchtete, die höchstwahrscheinlich kein Bleiberecht erhalten, gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden müssen, erläutert Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Jedoch muss dafür zunächst das Landesaufenthaltsgesetz in Brandenburg geändert werden, welches in der Hand des Sozialministeriums liegt. Dort sei man von dieser Änderung wenig begeistert, so Schröter. Die Entscheidung über das Bleiberecht soll bei den zentralen Ausländerbehörden bleiben. Wenn es aber zur Abschiebung kommt, soll diese künftig nicht mehr durch die Stadt oder den Landkreis durchgeführt werden, sondern zentral durch das MIK. Auch das Saarland und BadenWürttemberg prüfen, ob sie von der Öffnungsklausel Gebrauch machen werden. In SachsenAnhalt soll eine Wohnverpflichtung von 18 Monaten eingeführt werden, ausgenommen davon aber besonders schutzbedürftige Personen. In Nordrhein-Westfalen erfolgt im Anschluss an den Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung der Transfer in eine soge-

nannte Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE), die ebenfalls eine Sammelunterkunft des Landes darstellt. Derzeit gibt es 35 solcher Unterkünfte in NRW, die jeweils für 200 bis 1.000 Personen ausgelegt sind. Einige von ihnen stehen ausschließlich “vulnerablen Personen” zur Verfügung, also besonders schutzbedürftigen Personengruppen. Andere sind “Schwerpunkteinrichtungen” mit der besonderen Zweckbestimmung, Abschiebungen direkt aus d en Landeseinrichtungen effizienter umzusetzen. In den ZUE verbleiben die Geflüchteten bis zur Zuweisung in eine Kommune oder ihrer Ausreise beziehungsweise Abschiebung. Auch hier soll durch ein Ausführungsgesetz zu § 47 Abs. 1 b AsylG für die Fälle offensichtlich unbegründeter oder unzulässiger Asylanträge die rechtliche Voraussetzung für eine Verlängerung der Wohnverpflichtung in Landeseinrichtungen auf bis zu 24 Monate geschaffen werden. Ziel des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sei es, den Kommunen nur noch anerkannte Flüchtlinge oder Personen mit guter Bleibeperspektive zuzuweisen, um sie zu entlasten.

Bayerns Ankerzentren

Solange Flüchtlinge verpflichtet sind, in Landesaufnahmeeinrichtungen zu wohnen, erhalten sie keine Arbeitserlaubnis. Darüber hinaus gilt nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) das Sachleistungsprinzip für elementare Bedarfe wie Ernährung, Kleidung und Verbrauchsgüter. Integrationsangebote für Flüchtlinge in Landeseinrichtungen gibt es zwar, aber der Umfang dieser variiert stark von Bundesland zu Bundesland. Dies beginnt schon bei der Möglichkeit für schulpflichtige, geflüchtete Kinder und Jugendliche, Bildungsangebote wahrnehmen zu können. Ein eigenständiges Bemühen um Integration und Selbstständigkeit wird somit vielerorts von vornherein erschwert.

All diese verschiedenen Strukturen haben aber eines gemeinsam: Es sind Gegenmodelle zu Bundesinnenminister Horst Seehofers (CSU) so genannten “Ankerzentren”. Die Abkürzung steht für den Begriff “Zentrale Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückfüh-

rungseinrichtung für Asylbewerber”. Sie sollen diese bis zum Abschluss ihrer Verfahren nicht verlassen dürfen. Allerdings: je länger die Verweildauer in den Landeseinrichtungen beträgt, desto näher rücken sie doch an die Idee des Ankerzentrums heran. Bislang ist Bayern das einzige Land, das mehrere dieser Einrichtungen geschaffen hat. “Wir setzen uns nachhaltig beim Bund dafür ein, die vereinbarten rechtlichen Grundlagen für die Anker-Einrichtungen zügig umzusetzen. Insbesondere gewährleisten wir schnelle Verfahren durch die bestehenden Zentren und das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen. Im Falle der Bleibeberechtigung soll die Unterbringung möglichst dezentral erfolgen”, heißt es aus dem Bayerischen Staatsministerium des Innern und für Integration. Schon 2017 hat der Freistaat beschlossen, dass sich für Ausnahmefälle eine Wohnverpflichtung bis zur Ausreise von maximal bis zu zwei Jahren ergeben kann. Sachsen ist das einzige Bundesland neben Bayern und dem Saarland, das sich bisher zu den Ankerzentren bekannt hat. In der Landeshauptstadt Dresden wurde ein Pilot-Ankerzentrum in Betrieb genommen. Erst wenn der Asylantrag positiv beschieden wurde, sollen die Geflüchteten auf die Kommunen verteilt werden. Abschiebungen sollen ebenfalls zentral von dort erfolgen. Zudem hat Sachsens Staatsregierung dem Landtag einen Gesetzentwurf vorgelegt, womit geregelt werden soll, dass Ausländer, die aus Staaten mit einer bundesweiten Schutzquote von unter 20 Prozent kommen, grundsätzlich verpflichtet werden, bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in der EAE zu wohnen. Neben Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) kritisiert auch Thomas Bollwein vom Bayerischen Flüchtlingsrat die Anker-Einrichtungen scharf. “Massenunterkünfte, das Zusammenleben auf engstem Raum und fehlende Beschäftigung, wie sie durch die Einrichtung der Ankerzentren geschaffen werden, fördern das Konfliktpotenzial. Sie schaffen Probleme, die in kleineren Unterkünften nicht vorkommen”, so Bollwein . Im Hinblick auf die vollzugspolizeilichen Prozessbestandteile der Rückführung von DublinFällen aus den Einrichtungen, die bislang die Länderpolizeien durchführten, hat zudem die Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bezirk Bundespolizei, verfassungsrechtliche Bedenken. Es stelle sich die Frage nach Zulässigkeit sowie nach Überlastung der Bundespolizei.

Der legislative Fußabdruck

Thüringen beschließt transparentere Gesetzgebung

(BS/kh) Der Thüringer Landtag hat als erstes Landesparlament in Deutschland einen legislativen Fußabdruck beschlossen. Damit soll im Zuge der “Beteiligtentransparenzdokumentation” die Offenlegung von Einflussnahmen durch Personen und Organisationen auf die Gesetzgebung erfolgen.

“Gerade in einer Zeit des sinkenden Vertrauens in politische Entscheidung und Entscheidungsträger baut gelebte Transparenz Vertrauen auf. Demokratie ist keine naturgegebene Staatsform. Sie muss erleb- und erfahrbar gemacht werden. Auch und besonders im behördlichen Handeln”, begrüßt die netzpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Madeleine Henfling, den Gesetzentwurf. Gleichzeitig sieht sie aber noch Änderungsbedarf. Zum einen kritisiert Henfling , dass die Informationen erst nach Abschluss eines Verwaltungsaktes bereitgestellt werden. Zum anderen sei die Liste der Transparenzpflichten unvollständig.

Auch Transparency Deutsch-

land begrüßt den Schritt, der dafür sorge, dass viele Eingaben verpflichtend offengelegt werden müssten, nicht nur die Stellungnahmen im Rahmen der offiziellen Verbändeanhörung in Ministerien und Landtag. “Interessant ist, dass auch schriftliche Einflussnahmen, die außerhalb des offiziellen Konsultationsprozesses gemacht werden, veröffentlicht werden müssen. Das beinhaltet zum Beispiel E-Mails oder Positionspapiere, die im persönlichen Gespräch den Abgeordneten oder den Staatssekretärinnen und Staatssekretären überreicht werden”, so Norman Loeckel, stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Politik bei Transparency Deutschland. Aber auch seitens der Nicht-

regierungsorganisation gibt es Kritikpunkte. Beispielsweise, dass Interessenvertreter der Veröffentlichung der Eingaben zustimmen müssten. Bei einer Weigerung würden dann lediglich verpflichtende Mindestinformationen offengelegt, nicht aber die entsprechenden Beiträge. Dazu Hartmut Bäumer, stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland: “Hier droht die Regelung ins Leere zu laufen. Auch wird nicht klar, wie stark einzelne Interessen berücksichtigt wurden und warum bestimmte Interessen gegenüber anderen überwiegen.”Auch das Europaparlament hat neue Transparenzregeln für Parlament und EU-Kommission beschlossen (mehr dazu auf Seite 12).

Seite 7 Behörden Spiegel / Februar 2019 Länder
Die angestrebte Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder fällt unterschiedlich aus. Foto: BS/© shaiith,stock.adobe.com

Verschiedene Methoden erforderlich

Analytics-Anwendungen brauchen möglichst viele Daten

(BS/Marco Feldmann) Um Betrugsfälle effektiv erkennen und aufdecken zu können, müssen verschiedene Ansätze verfolgt werden. Neben aufmerksamen Mitarbeitern in den Finanz- und Sicherheitsbehörden ist auch technische Unterstützung notwendig. Es müssten automatisiert große Datenmengen analysiert werden. Dafür brauche es Predictive-Analytics-Werkzeuge, die möglichst große Datenmengen mit vielen Variablen berücksichtigten und in die Auswertung einbezögen.

Das betonte Dr. Martin Setnicka, Leiter des Predictive Analytics Competence Centers des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen. Zudem erläuterte er unterschiedliche AnalyticsAnsätze. Zum einen gebe es die Möglichkeit des überwachten Lernens, wo Daten für die Analyse klassifiziert würden. Zum anderen seien auch Clusteranalysen (unüberwachtes Lernen) möglich. Effiziente Betrugserkennung ist eine Kombination verschiedener komplementärer Methoden, so Setnicka in Berlin. Eines hätten alle Predictive-Analytics-Methoden jedoch gemein: Ihr Resultat seien immer nur bestimmte Wahrscheinlichkeiten. Absolute Sicherheit gebe es nie. Das gelte auch für die Risikoanalyse von Betrieben im Hinblick auf mögliche Steuerbetrugsdelikte, wie sie in Österreich durchgeführt würden. Auch die Tatsache, dass Daten aus der gesamten Alpenrepublik und nicht nur aus einzelnen Bundesländern in diesen Predictive AnalyticsAnsatz einbezogen würden, ändere daran nichts. Allerdings betonte Setnicka: “Der Einsatz von Predictive-Analytics- und Advanced-Analytics-Methoden hat zu deutlichen PerformanceErhöhungen in der österreichischen Steuerverwaltung geführt.”

Belgischer Zoll nutzt

Predictive Analytics

Auch in Belgien sind Predictive-Analytics-Methoden bei den Behörden im Einsatz, wie Dierk Op‘t Eynde erläuterte. So nutze etwa der Zoll derartige Ansätze zur Risikoanalyse von Containern an See- und Flughäfen, berichtete der Senior Advisor Strategic Support beim Föderalen Öffentlichen Dienst Finanzen. Große Bedeutung habe in Belgien zudem die Bestimmung des Bankrottrisikos. Dieses werde für jedes Unternehmen im Land mit Blick auf die kommenden zwei Jahre bestimmt. Des Weiteren berichtete Op‘t Eynde im Rahmen eines Parlamentarischen Abends des Behörden Spiegel, dass Belgien in der Vergangenheit große Probleme mit sogenannten Umsatzsteuerkarussells gehabt

habe. Inzwischen sei dies kaum noch der Fall. Einen erheblichen Beitrag dazu geleistet habe eine wirksame Betrugsbekämpfung. Die entsprechenden Methoden und Verfahren müssten aber fortlaufend optimiert werden.

Außerdem sollte der Fokus der zuständigen Behörden auf Hochrisikofällen liegen.

Betrugsdreieck vorgestellt

Den Bedingungen und Faktoren, die Betrugshandlungen begünstige, widmete sich schließlich die Rechtsanwältin Dr. Stefanie

Lejeune. Die ehemalige Staatssekretärin machte deutlich, dass in diesem Zusammenhang zwischen täterspezifischen und situations-

Auswertung der Panama Papers

Schäfer zieht Zwischenbilanz für Hessische Steuerverwaltung

(BS/gg) Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer zog Anfang Februar in Wiesbaden eine vorläufige Bilanz der bisherigen Auswertung der sogenannten Panama Papers durch das Finanzamt Kassel II-Hofgeismar. Die Hessische Steuerverwaltung wertet diese federführend für die Steuerverwaltungen der anderen Bundesländer in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt aus.

gebundenen beziehungsweise sys temimmanenten Aspekten unterschieden werden kann. Außerdem erläuterte sie das sogenannte Betrugsdreieck. Ein Delinquent müsse erstens einen Anreiz verspüren, zu betrügen. Folglich brauche er eine Motivation. Zweitens müsse sich die Person in einer Organisationsstruktur befinden, die den Betrug zulasse. Mit anderen Worten: Es brauche eine Gelegenheit. Und drittens müsse der Betrüger die Folgen seiner Tat mit dem eigenen Unrechtsbewusstsein vereinbaren können (Rechtfertigung). Anreize für Betrugshandlungen könnten unter anderem finanzielle Probleme, Notlagen sowie soziales Status­ und Karrierestreben sein. Gelegenheiten stellen laut Lejeune Gruppenzwang, Leistungsdruck, Überforderung und strukturelle und organisationsbedingte Kontroll- und Definitionsdefizite dar. Auch die Führungskultur, die in einem Unternehmen herrsche, sei entscheidend. “Wer einen streng hierarchischen Umgangston pflegt, eine unduldsame Fehlerkultur präferiert und wertschätzende Partizipation sowie Eigenverantwortung kritisch beäugt, wird längerfristig genau das Umfeld schaffen, das Normverletzungen befördert, statt sie zurückzudrängen.” Mögliche Rechtfertigungen seien ein subjektives Ungerechtigkeitsempfinden oder der Wunsch nach Rache, schloss Lejeune

Was kostet wo wie viel?

Kosten- und Leistungsvergleich der Berliner Verwaltung (BS/gg) Die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen hat einen neuen Kosten- und Leistungsvergleich der Berliner Verwaltung veröffentlicht. Die aktuelle Broschüre “Was kostet wo wie viel?” soll Transparenz schaffen und Interessierten einen guten Überblick über die Kosten und Leistungen der Hauptverwaltung und der Bezirke für das Haushaltsjahr 2017 bieten.

Seit mittlerweile acht Jahren werden die gesamtstädtischen Leistungen der einzelnen Senatsverwaltungen auf diesem Wege transparent und mit einer Zeitreihe vergleichbar gemacht. Bereits zum 18. Mal werden auf kommunaler Ebene für die Bezirke die Kostenunterschiede bei den Leistungen aufgezeigt. Dieser bezirksübergreifende Vergleich soll entscheidend dazu beitragen, die Leistungen der Verwaltungen besser nachvollziehen und bewerten zu können. So ist auch die Einschätzung von Berlins Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz: “Die Broschüre schafft Transparenz und bietet uns und den Bürgerinnen und Bürgern einen guten Überblick über die Kosten und Leistungen der einzelnen Verwaltungsbereiche. Der jährliche Vergleich trägt zu einer wesentlich effektiveren Bewertung unserer Angebote und Services bei. Denn anhand

des Benchmarks sehen wir ganz genau, in welchen Bereichen wir besser geworden sind und wo wir noch nachsteuern müssen. Das hilft uns sehr, unsere Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen Bundesländern, Großstädten und dem Bund einzuordnen.”

Für das Haushaltsjahr 2017 hat sich gezeigt, dass die Verwaltungsaufgaben mit dem Bevölkerungswachstum stark zugenommen haben. Gleichzeitig erfordern die gestiegenen Investitionsvorhaben mehr Finanzkraft. Damit sind nicht nur klassische Investitionen im betriebswirtschaftlichen Sinne gemeint, sondern auch verstärkte Mehraufwendungen. So liegt beispielsweise mit der Berliner Schulbauoffensive ein Schwerpunkt auf der Sanierung und dem Ausbau der schulischen Infrastruktur. Die im Rahmen der Verwaltungsreform eingeführten betriebswirtschaftlichen Steuerungs -

“Unsere Expertinnen und Experten konnten viele Steuerbehörden im In- und Ausland dadurch in ihrer Arbeit unterstützen. Über 280.000 Dokumente zu über 1.500 Offshore­Firmen hat unser Auswertungsteam in Kassel bereits weitergegeben”, erklärte Schäfer. Eine eigens unter Beteiligung der Oberfinanzdirektion Frankf ur t am Main sowie des Finanzamts Kassel II­Hofgeismar und mit Unterstützung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main beim Bundeskriminalamt eingerichtete Besondere Aufbauorganisation (BAO) organisiert die Auswertung. Die Hessische Steuerverwaltung sichtet die Datensätze und liefert sie aktiv wie auf Nachfrage an die zuständigen Steuerbehörden im In- und Ausland, die dann die weitere Ermittlungsarbeit machen. Auch an hessische Fahndungsstellen hat das Auswertungsteam in Kassel bereits Fälle abgegeben.

“Die Panama Papers sind das größte Daten-Leak, das bisher von einer Steuerverwaltung ausgewertet wird. 3,7 Terabyte an Daten liegen vor. Es handelt sich dabei um fast 49 Millionen Dokumente, die mal nur einzelne, aber durchaus auch mehrere Tausend Seiten umfassen”, so Schäfer . Die Auswertung sei äußerst komplex und erfordere akribische Aufklärungsarbeit. “Aufklärungsarbeit, die im Sinne der Steuergerechtigkeit absolut notwendig, aber zugleich mühsam und langwierig ist.”

Aus Deutschland gingen bislang

bei der Hessischen Steuerverwaltung über 130 Anfragen von Finanzbehörden zu den Panama Papers ein, aus dem Ausland über 80. Innerhalb Deutschlands wurden vom Kasseler Auswertungsteam über 250.000 Dokumente zu über 1.350 OffshoreFirmen zur Verfügung gestellt. Über 31.700 Dokumente zu über 151 Offshore­Firmen gingen an internationale Finanzbehörden. Die Panama Papers gäben den Ermittlern wertvolle Einblicke in das Treiben in sogenannten Steueroasen, die für ihn eher Steuersümpfe sind, da dort Geld, das der Allgemeinheit in Form von Steuern zustehe, versacke, weil sich Einzelne bereicherten, erklärte Schäfer. “Die Einblicke sind aber auch ernüchternd und zeigen, dass die Bekämpfung von Steuerkriminalität für viele nur ein Lippenbekenntnis ist”, so der Minister weiter. In Ländern, die sich zum Teil öffentlich zu allgemeinen Richtlinien gegen die Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerhinterziehung bekennen w ürden, sei es tat -

MELDUNG

sächlich problemlos möglich, anonym oder über Strohleute Firmen zu errichten, Konten zu eröffnen und Geld ohne Prüfung der Herkunft zu bewegen. Compliance-Richtlinien würden bei Finanzdienstleistern, aber auch bei Banken, die im Umfeld der internationalen Offshore-Firmen tätig seien, umgangen oder nur zum Schein vordergründig erfüllt, ohne jedoch ernsthaft betrieben zu werden, ärgerte sich Schäfer Ausländische Banken bedienten sich nach wie vor der Möglichkeit, für ihre Kunden Geld international zu anonymisieren und Geldbewegungen zu verschleiern. Sein Fazit: “Weltweit muss sich im Kampf gegen Steuerkriminalität und für Steuergerechtigkeit noch viel tun. Was wir in Hessen und Deutschland dazu beitragen können, machen wir.” Neben den Panama Papers ist Hessen auch an der Sichtung der Paradise Papers sowie weiterer Leaks – ebenfalls in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt – federführend für die deutschen Länder beteiligt.

Eckpunkte der Grundsteuerreform stehen (BS/gg) Bund und Länder haben sich auf Eckpunkte für die Reform der Grundsteuer verständigt. Der Bund muss nun auf der Grundlage dieser Eckpunkte einen Gesetzentwurf vorlegen, der bis Ende des Jahres von Bundestag und Bundesrat verabschiedet

werden muss, so die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Nach derzeitigem Stand soll die Neuregelung und -bewertung auf der Grundlage eines werteabhängigen Modells in den Kommunen umgesetzt werden.

Digitale Finanzverwaltung

Wie setzt man die Grundsteuerreform unbürokratisch um?

(BS/Karl-Heinz Krug) Die Grundsteuer ist mit 14 Milliarden Euro Aufkommen und 35 Millionen Grundstücken eine wesentliche Finanzierungsquelle der Kommunen. Der Grundsteuermessbetrag wird durch die Finanzämter festgesetzt, aber mit dem individuellen Hebesatz – multipliziert als Grundsteuer A (agrarisch) und B (baulich) – durch die Kommunen erhoben. Doch es besteht Handlungsbedarf: Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2018 entschieden, dass die Bewertung von Grundvermögen nach dem Einheitswert mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar ist. Der alternative Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz wird gerade diskutiert. Die Reform muss jedoch kein Bürokratiemonster werden, sondern birgt vielmehr Chancen für eine digitale Finanzverwaltung.

instrumente wie die Kosten- und Leistungsrechnung ermöglichen es, die gewachsenen gesamtstädtischen Aufgaben besser zuzuordnen und ei n internes Controlling zu den eingesetzten Ressourcen und den erbrachten Leistungen zu gewährleisten. Das trifft auch auf die Bezirke zu, die ihre Finanzmittel auf Grundlage von produktbezogenen Budgets erhalten. Vor dem Hintergrund der ab 2020 wirksamen Schuldenbremse ist es erforderlich, Ressourcen besonders effizient einzusetzen. Der Kosten ­ und Leistungsvergleich soll maßgeblich dazu beitragen, vorhandene Qualitäten zu sichern und zu verbessern. Außerdem soll damit ein effektiver und effizienter Umgang mit den Ressourcen gefördert werden. Die Broschüren “Was kostet wo wie viel?” sind auf der Homepage der Senatsverwaltung für Finanzen Berlin abrufbar.

Der aktuelle Vorschlag von Scholz ist umstritten, da er als aufwendig gilt. Die Immobilienwirtschaft, das Ifo-Institut und auch mehrheitlich die Länder hatten ein Modell favorisiert, das die Grundsteuermessbeträge nur nach Wohn- und Grundstücksfläche festsetzt. Ein einfacheres, aber nicht unbedingt gerechteres Modell. Denn während sich die Immobilienwerte in Ballungsräumen mit kleineren Wohnungsgrößen verteuert haben, sind diese im ländlichen Raum mit größeren Grundstücken teilweise sogar gefallen. Der Vorschlag des Bundesfinanzministers sieht mehrere Komponenten vor, die in die Berechnung einfließen sollen. Neben (fiktiver) Nettokaltmiete sind dies Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und Bodenrichtwert. Aktuell befindet sich das konkrete Modell in Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Die Reform soll bis Ende 2019 von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden und ab 2020 sollen Bürger ihre Steuererklärungen abgeben, um ab 2025 die Grundsteuer nach der neuen Berechnung erheben zu können.

Bürokratievermeidung durch Datenintegration

Derzeit fürchten die Länder einen hohen bürokratischen Aufwand, den auch die Immobilienwirtschaft und das Ifo-Institut ins Feld führen: Neue Steuererklärungen für 35 Millionen

Karl Heinz Krug, ehemaliger Bürgermeister und Stadtkämmerer von Bad Homburg v. d. Höhe, ist als Managing Business Analyst Öffentliche Finanzen für Capgemini tätig.

Foto: BS/Capgemini

Grundstücke könnten Verwaltung und Bürger überfordern. Ei n Lös ungsansatz wäre eine “vorausgefüllte Steuererklärung” der Finanzämter. Durch die Integration von Daten, die über Open Data oder innerhalb der Finanzverwaltung direkt zur Verfügung stehen, könnte ein Großteil des Erfassungsaufwandes reduziert werden. Capgemini hat hierzu in einem ersten Modellansatz eine Simulation der Auswirkungen verschiedener bislang diskutierter Modelle vorgenommen.

Dazu zählen neben dem bereits erwähnten Flächenmodell auch das Bodenwertmodell oder das Kostenwertmodell. Jedes Modell benötig seine eigenen spezifischen Daten, deren Integration aus verschiedenen Datenquellen gleich mehrere Vorzüge bieten.

So könnte die Finanzverwaltung den Grundstückseigentümern mithilfe der Datenintegration eine bereits vorausgefüllte Steuererklärung zukommen lassen, die diese nur noch zu prüfen haben. Der befürchtete Aufwand der Erstellung einer Steuererklärung

für jedes Grundstück entfiele damit. Zugleich wären auf Basis eines solchen Modells die erhebenden Kommunen in der Lage, konkrete Auswirkungen zu simulieren und die Hebesätze entsprechend zu planen. Gleiches gilt für die aktuell diskutierten, nach Stadtteilen differenzierten Hebesätze, um mögliche Verwerfungen zu vermeiden. Denn das Bundesfinanzministerium setzt darauf, dass die Kommunen ihre Hebesätze so planen, dass ihre Einnahmen und die Belastungen der Bürger in etwa gleich bleiben. Mögliche Verschiebungen des Steueraufkommens für die Länder ließen sich dabei über die Landkreise simulieren.

In die Modelle könnten Daten wie Bodenrichtwerttabellen, Regionalstatistiken, Geodaten – teils satellitengestützt von Copernicus-, aber au ch Bewegungsdaten der Grunderwerbsteuer einbezogen werden. Wir haben heute die Möglichkeiten, Daten aus unterschiedlichen Quellen sinnvoll zusammenzuführen und anspruchsvolle Projekte wie die Grundsteuerreform bürgerfreundlich umzusetzen. Dies wäre nicht zuletzt ein guter Beitrag zur vorausgefüllten Steuererklärung und damit ein zentraler Schritt zur digitalisierten Finanzverwaltung.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 8 Finanzen
Erläuterte unterschiedliche Analytics-Ansätze: Dr. Martin Setnicka, Leiter des Predictive Analytics Competence Centers des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen. Fotos: BS/Dombrowsky Dierk Op‘t Eynde, Senior Advisor Strategic Support beim Föderalen Öffentlichen Dienst Finanzen Belgiens, ging auf Analytics-Anwendungen in seinem Land ein.

Ausgezeichnete Kooperation

Gemeinsames Projekt zweier Sozialversicherungsträger erhält Preis (BS/jf) Die Vergabestelle der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) ist der Gewinner des Hamburger Vergabepreises 2019. Die Jury überzeugte nicht nur die Organisation der Vergabestelle, sondern auch ein herausragendes Projekt der gesetzlichen Unfallversicherung.

Vielfalt überfordert Bieter

E-Vergabe in Hamburg und in der Rechtsprechung

(BS/Jörn Fieseler) Die Rechtsreform ist abgeschlossen und bei Oberschwellen-Vergaben sind für die elektronische Vergabe (E-Vergabe) sämtliche Fristen abgelaufen. Doch in der Praxis muss noch vieles verbessert werden – wie auch die jüngeren Entscheidungen der Vergabekammern (VK) und Oberlandesgerichte (OLG) zeigen.

“Die Jury überzeugte vor allem die Kooperation der VBG mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege (BGW)”, erläuterte Manuela Haddadzadeh, Leiterin der Abteilung Einkauf und Logistik beim Norddeutschen Rundfunk. Die Errichtung des ersten gemeinsamen Präventionszentrums im Quartier Elbbrücken in Hamburg sei nicht nur die Zusammenarbeit zweier großer Berufsgenossenschaften, sondern auch die erste Kooperation der Vergabestellen zweier eigenständiger Träger in der Sozialversicherung, bei dem die VBG die Federführung übernom-

men habe. Dazu wurden eigens Verfahr ensanweisungen und notwendige Grundsätze für die Durchführung der Beschaffung geregelt und deren Einhaltung stichprobenartig geprüft. Ebenso wie die Qualität der Vergabedokumentation. Ein Mehr-Augen-Prinzip zur Gewährleistung des Verwaltungshandelns beim Abschluss der Rechtsgeschäfte Standard.

Interessierte hospitieren

“Diese Vorgehensweise stellt eine Vorbildfunktion für die über eine Mio. Mitgliedsunternehmen dar”, so die Laudatorin. Das Projekt wecke die Neugier weiterer

Vergabestellen von Sozialversicherungsträgern, die sich für die Arbeitsweise interessierten und bereits bei der VBG hospitierten. Darüber hinaus beeindruckte die Jury das weite Spektrum der Beschaffung von Reinigungsdienstleistungen bis zu technologisch komplexen Anlagen und IT-Systemen der Vergabestelle, die “in kürzester Zeit eine professionelle Ausschreibungsabteilung aufgebaut hat”, heißt es weiter in der Begründung. Pro Quartal würden diverse Vergabeverfahren von Direktaufträgen bis zu europaweiten Ausschreibungen durchgeführt, unterstrich Haddadzadeh

Zu Beginn ans Ende denken

Nachprüfungsverfahren und Vergleiche

(BS/jf) Unterlegene Bieter sollten bei einem angestrebten Nachprüfungsverfahren vor allem die Zeit im Blick behalten. Denn die Vergabekammern müssen innerhalb von fünf Wochen zu einer Entscheidung kommen, so Dr. Gerrit Brauser-Jung, hauptamtlicher Beisitzer der zweiten Vergabekammer des Bundes im Bundeskartellamt. Nur auf eines sollten sie nicht setzen.

Auf jeden Fall sollten unterlegene Bieter ein Interesse an dem Auftrag haben, betonte der hauptamtliche Beisitzer vor den 360 Teilnehmern des Hamburger Vergabetages. Wollten sie er nur einen Schadensersatz einfordern, sei die Nachprüfung erfolglos. Schließlich gebe es kein hilfsweises Interesse, zitierte Brauser-Jung eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz.

Präklusionsgefahr

Zudem sollten Rügen nicht in Angeboten versteckt werden. Diese würden erst im Zuge der Angebotsöffnung bekannt und nicht vor Ablauf der gesetzten Fristen. Dann komme es zur Präklusion, sprich zum Ausschluss der Rügen.

Zudem riet der Jurist den Bietern, keine Anträge für ein

Nachprüfungsverfahren kurz vor Ablauf der Zuschlagsfrist zu stellen. Dieses Vorgehen sei ein kritisches Spiel auf Zeit. Denn wenn es zu Nachfragen durch die Kammer komme, werde die Zeit überschritten und ein Nachprüfungsantrag müsse dann auf einen Feststellungsantrag umgeschrieben werden. Die Bieter sollten deshalb die Konsequenzen ihrer Vorgehensweise bedenken, so der Beisitzer der zweiten VK Bund.

Niemals angeregt

Keine Option für den Ausgang eines Nachprüfungsverfahrens sei der Vergleich. Zu dessen Wesen gehöre einerseits das gegenseitige Entgegenkommen und andererseits, dass er am Ende nicht angefochten werden könne, erläuterte Hermann Summa, Zudem argumentierte der

Neues für die IT-Vergabe

IT-Sicherheit und Datenschutz in der Beschaffung (BS) IT-Sicherheit und Datenschutz sind in der öffentlichen Beschaffung in zweierlei Hinsicht zu beachten. Einerseits bei der Beschaffung von Leistungen und Produkten, andererseits bei der Durchführung von Vergabeverfahren selbst.

Sowohl das IT-Sicherheitsgesetz, das BSI-Gesetz als auch die EUDatenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) sind bei der Vergabe von IT-Leistungen zu beachten. Die Gefahr ist groß, dass bei unkonkreter Anwendung illegale Datenverarbeitungen stattfinden.

Parallel sind diese in Vorgaben der Vergabeverordnung (VgV) für die IT-Sicherheit im Vergabeverfahren festgelegt. Und auch die sogenannte “No-Spy”-Regelung in der EVB-IT verdeutlicht, wie umfassend das Thema IT-Sicherheit bei IT-Vergaben ist.

Einen umfassenden Überblick

über die verschiedenen rechtlichen Regelungen und ihr Zusammenwirken bei der öffentlichen Beschaffung vermittelt das Seminar “IT-Sicherheit und Datenschutz – neue Schwerpunkte für die IT-Vergabe” der Cyber Akademie am 25. Juni 2019 in Berlin. Dabei werden die wichtigsten Anforderungen zum Datenschutz und zur ITSicherheit sowohl aus Sicht des Auftraggebers als auch aus Sicht der Bieter vorgestellt.

Weitere Informationen unter www.cyber-akademie.de, Suchwort “IT-Vergabe”

Die D iskussionen um die EVergabe würden den Anschein erwecken, öffentliche Auftraggeber und Bieter würden Neuland betreten, skizzierte Betina Lentz, Staatsrätin bei der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, die aktuelle Situation. Jedoch würden schon seit über zehn Jahren Softwarelösungen und Plattformen bei der Auftragsvergabe eingesetzt. Allerdings wür de die Digitalisierung der Vergabestellen einhergehen mit der Zentralisierung und Professionalisierung der selbigen. Nichtsdestotrotz: “Die Softwarehäuser sollten mehr die Nutzung durch den Bieter berücksichtigen”, fordert Lentz auf dem siebten Hamburger Vergabetag des Behörden Spiegel.

Bieterinteressen nicht berücksichtigt

Deutlicher wurde Thomas Rath Vorstandsmitglied der hamburgischen Handwerkskammer. Er sieht nicht nur die Anbieter von E-Vergabelösungen in der Pflicht, sondern auch die Vergabestellen: “Vor zwei Jahren gab es schon drei unterschiedliche E-Vergabe-Systeme in Hamburg. Mein damaliger Appell, diese zu vereinheitlichen, hat leider nicht gefruchtet. Heute sind sechs unterschiedliche Systeme im Einsatz”, kritisiert Rath Und weiter: “Bei der Einführung der E-Vergabe sind die Bieterinteressen nicht berücksichtigt worden.”

Diese Entwicklung stehe ganz im Gegensatz zum hamburgischen Mittelstandsförderungsgesetz.

der Vergabekammer der Finanzbehörde Hamburg zusammen. Unklar ist noch, was bei einer Bekanntmachung an Unterlagen bereitgestellt werden muss. E-Vergabe in der Entscheidungspraxis

Nach dem OLG Düsseldorf ist ein Vertragsentwurf nicht erforderlich für die Entscheidung über die Teilnahme an einer Vergabe. Im Gegenzug habe das OLG München entschieden, “vollständig abrufbar” bedeute, es dürfe nichts fehlen. “Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, ich rate, lieber mehr bereitzustellen als weniger”, so Schurig Allerdings sei es nicht zulässig, Unterlagen bereitzustellen, durch die der Bieter sich durchklicken müsse oder auf eine Übersichtsseite zu verweisen, wo die Unterlagen herausgesucht werden müssten. “Entscheidend ist, dass sich beteiligende Unternehmen

alle relevanten Formulare und Eignungskriterien ohne Hilfe durch die Vergabestellen finden und ausfüllen können”, so Schurig. Dies gehe zum Beispiel mit einem Direktlink. Darüber hinaus bestehe eine weitere Herau sforderun g: das Nachprüfungsverfahren. “Hier muss der Gesetzgeber noch die Schnittstelle und den Zugang zu den digitalen Akten für die Vergabekammer und die OLGs regeln”, betont Schurig. Wenn es keine Papierakte mehr gebe, müssten andere Mittel zum Einsatz kommen. Bei den Leserechten habe die Nachprüfungsinstanz jedoch das gleiche Problem wie die Unternehmen – sie litten ebenfalls an der Vielzahl der Plattformen und deren jeweils eigener Ablagesystematik. Und würden die Unterlagen per Datenträger bereitgestellt, bestehe die Gefahr, dass die eigene IT beeinträchtigt werde.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen

frisch pensionierte Richter des O LG Koblenz, das gegenseitiges Entgegenkommen bedeute, dass eine Seite von der rechtlich richtigen Position abweiche in eine unrichtige. Allerdings könne sich der Antragsteller gar nicht vergabewidrig verhalten. Deshalb habe er in seiner 20-jährigen Richtertätigkeit auch keinen Vergleich angeregt. Und letztlich könne ein Vergleich auch einen Kartellrechtsverstoß beinhalten, ergänzt Dr. Jan Scherf, Fachanwalt für Vergaberecht, Partner der GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten.

Ziel des Gesetzes sei es, Bürokratie für Bieter, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), zu erleichtern. Doch die sechs Softwareprogramme zwängen diese, Plattformexperten zu werden. Wenn die öffentlichen Auftraggeber auf die strategische Beschaffung setzten und Bedarfe bündelten, dann müssten sie sich nicht wundern, wenn die Handwerker einen strategischen Verkauf einführten, sprich sich auf weniger Auftraggeber mit nur einer Plattform fokussierten, so Rath. Ein erster Schritt zur Lösung dieses Dilemmas sei die ausschließliche Nutzung von X-Vergabe-fähigen Plattformen. Was die Rechtsprechung zur E-Vergabe entschieden hat, fasste Dr. Tim Schurig, Vorsitzender

E-Rechnungen in der Praxis

Praxisnahe Strategien zur sicheren Einführung

(BS) Die ersten Bundesbehörden müssen seit drei Monaten die elektronische Rechnung (E-Rechnung) annehmen. Ab November 2019 müssen auch andere öffentlichen Auftraggeber, die keine oberste Bundesbehörde oder Verfassungsorgane des Bundes sind, in der Lage sein, elektronische Rechnungen zu verarbeiten. Und spätestens ab November 2020 müssen auch die Rechnungssteller elektronische Rechnungen an öffentliche Auftraggeber versenden.

Für die Verwaltung ergibt sich hieraus die Chance, mithilfe einer einheitlichen und medienbruchfreien Rechnungsbearbeitung Abläufe zu beschleunigen und Kosten zu senken. Damit gehen aber auch regulatorische Anforderungen einher, die für eine gesetzeskonforme Einführung der elektronischen Rechnung zu beachten sind.

D ie aktuellen Rahmenbedingungen und mögliche Lösungsansätze werden in dem Seminar “ E-Rechnungen in der Praxis – praxisnahe Strategien zur sicheren Einführung” der Cyber Akademie beleuchtet, um die Po t enziale der elektronischen Rechnungsbearbeitung anhand verschiedener Praxisbeispiele aufzuzeigen und für Behörden

und andere öffentliche Organisationen zielgerichtet nutzbar zu machen.

Gleichzeitig wird veranschaulicht, wie eine rechtskonforme Transformation von der herkömmlichen Rechnungsbearbeitung hin zur elektronischen Rech n ung praxisnah gelingen kann und wie bereits existierende Bestandteile der Organisationsstruktur – beispielsweise ein Informationssicherheitsmanagementsystem – dazu beitragen können, die Einführung zu vereinfachen.

Das Seminar findet am 2. April 2019 in Berlin statt.

Weitere Informationen unter www.cyber-akademie.de, Suchwort “E-Rechnung”.

Seite 9 Behörden Spiegel /Februar 2019 Beschaffung / Vergaberecht
Pierre Stage (2.v.r.) und sein Team (links von ihm) von der Vergabestelle der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) nach der Übergabe des Hamburger Vergabepreises 2019 durch Laudatorin Manuela Haddadzadeh. Foto: BS/Fieseler

Spielräume nutzen

Vergaberecht für Jobcenter

(BS/Dr. Daniel Soudry) Jobcenter entwickeln – als gemeinsame Einrichtungen von der Bundesagentur für Arbeit (BA) und kommunalem Träger oder als Optionskommunen – zunehmend innovative Maßnahmen und einzelfallbezogene Konzepte für die Eingliederung Erwerbsloser in den Arbeitsmarkt. So können sie die individuellen Belange und Bedürfnisse vor Ort berücksichtigen und ihre Ziele nachhaltig erfüllen, statt auf die Standardlösungen der regionalen Einkaufszentren (REZ) zurückzugreifen. Dabei gilt es, die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen einzuhalten und bestehende Spielräume sinnvoll zu nutzen. Vor allem an der richtigen Wertung von Angeboten entbrennt immer wieder Streit, wie zwei aktuelle Entscheidungen zeigen.

Bei der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen ist häufig zu beobachten, dass für spezielle Maßnahmen nur ein Angebot des Bieters eingeht, der die Maßnahme bereits seit einigen Jahren – häufig durchaus erfolgreich – durchführt. Neue Bieter sind wegen hoher Eintrittsschwellen (insbesondere Referenzen) kaum zu erwarten. Für die Vergabe einer “Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen kooperativ” (BaE-koop-Maßnahme) nach § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 76 SGB III hat das OLG Düsseldorf (19.09.2018, VII-Verg 37/17) nun klargestellt: Öffentliche Auftraggeber dürfen die Angebote von Newcomern besser bewerten als die Angebote erprobter Unternehmen, wenn sie sonst keine echten Zuschlagschancen haben.

Bevorzugung von Newcomern zulässig

In dem entschiedenen Fall wurde die Qualität bisheriger Dienstleistungen, wie üblich, mit null bis drei Punkten bewertet. Newcomer, die noch gar kei ne vergleichbaren Leistungen durchgeführt hatten, sollten einen Mittelwert von zwei Punkten erhalten. Damit wurden Bieter, die nachgewiesene, aber

Für die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen können Jobcenter neue Wege gehen, sofern sie die rechtlichen Rahmenbedingungen beachten. Foto: BS/ © bluedesign, stock.adobe.com

verfügten. Hiergegen wehrte sich ein erfahrener Bieter, der sich diskriminiert fühlte.

Ohne Erfolg! Der Vergabesenat räumte zwar ein, dass darin eine Ungleichbehandlung liegt.

Das Vorgehen sei aber “durch gewichtige objektive Gründe” gerechtfertigt. Indem für Newcomer eine durchschnittli che Qualität unterstellt werde, werde der Wettbewerb nicht geschwächt, sondern erweitert. Ein Bieter, dessen Leistungen aufgrund nachgewiesener Erfahrungen als unterdurchschnittlich bewertet würden, habe dies hinzunehmen.

► Entscheidungen zum Vergaberecht

► ANGEBOTSFRIST

Verlängerung möglich Angemessenheit entscheidend Darf der Auftraggeber auf Antrag eines einzelnen Interessenten die Angebotsfrist verlängern? Die Frage klingt banal, die Antwort lautet selbstverständlich: Nein. Oder doch nicht?

Save the Date

Der Autor thematisiert die vergaberechtlichen Handlungsspielräume für Jobcenter in zwei Seminaren des Behörden Spiegel. Im ersten Seminar / Modul am 20.03.2019 in Berlin werden die Grundlagen der Beschaffung und der Rechtsrahmen für Verfahren ober- und unterhalb der Schwellenwerte thematisiert. Im zweiten Modul am 6. November 2019, ebenfalls in Berlin, werden die Kenntnisse anhand mehrerer Praxisbeispiele vertieft.

Vor der Vergabekammer des Bundes spielte sich ein Fall ab, der wieder einmal zeigt, dass die alte Juristenweisheit gilt: Es kommt darauf an. Nämlich darauf, ob die Verlängerung den Wettbewerb schädigt oder ihn erst ermöglicht. Hier ging es um die Errichtung einer Fernwärmeversorgung für einen Großverbraucher. Dazu mussten die potenziellen Lieferan ten jeweils eine Leitung von ihrem Heizwerk zur Abnahmestelle planen. Die Trassenplanung für diese Leitung erwies sich für ein etwas abgelegenes Heizwerk als unerwartet schwierig.

In der ohnehin schon langen Frist von 117 Tagen wurde das Angebot nicht fertig. Auf dessen Betreiben hin verlängerte der Auftraggeber die Frist um weitere sechs Wochen.

sei der Inhalt ja nicht zweifelhaft gewesen, sondern basiere zweifelsfrei auf dem falschen Formular. Zum anderen treffe den Auftraggeber ohnehin insoweit keine Aufklärungspflicht. Das Massengeschäft der Ausschreibungen erlaube es nicht, bei jeder formalen Abweichung beim Bieter nachzufragen, was er mit dem falschen Formular wirklich habe erklären wollen. VK Bund

(Beschl. v. 17.07.2018, Az.: VK 2-54/18)

► MUSTER

Lieferantenfehler

Falsche Steine vorgelegt

unterdurchschnittlich bewertete Leistungen erbracht hatten, schlechter gestellt als Bieter, die über keinerlei Erfahrungen

Häufiger Streitfall: Bewertung früherer Aufträge Ein weiterer Fall betraf die Vergabe von BVB-Maßnahmen nach §§ 51, 53 SGB III durch ein REZ der BA. Neben den geforderten Konzepten bew e rtete es im “Wertungsbereich VI” anhand der Eingliederungs-, Abgangs- und Abbruchquoten auch die “bisherigen Erfolge und Qualität” früherer Leistungen der Bieter. Dabei berücksichtigte das REZ nur Maßnahmen, die an einem Stichtag (30.04.) bereits

qanuun-aktuell

Vorsicht mit Komplimenten von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune

Die Aufforderung, ich solle bitte “die Kirche im Dorf lassen” erreicht mich häufiger dann, wenn ich in Fortbildungsveranstaltungen auf die relativ niedrige Strafbarkeitsschwelle der Vorteilsannahme hinweise, insbesondere im Zusammenhang mit dem sog. “Anfüttern”. Man müsse ja wohl noch “nett und freundlich” zueinander sein können, ohne dass gleich der Staatsanwalt eingreifen würde.

Dem stimme ich zu, schließlich liegt es mir fern, das soziale Gefüge mittels Schwarzmalerei durcheinanderzubringen. Allerdings beschlich mich anschließend die Frage, wie freundlich wir denn wirklich zueinander sind.

So ließ mich die Nachricht, die ich neulich unter der Rubrik “Aufgelesen” in einer Berliner Tageszeitung gelesen habe, aufhorchen. In Vietnam sind fortan Komplimente am Arbeitsplatz verboten; Zuwiderhandlungen werden mit Disziplinarmaßnahmen sanktioniert. Auch wenn der Ausgangspunkt wohl vor allem im Öffentlichen Dienst übertriebenes Anbiedern beim Vorgesetzten war, will man jetzt in Hanoi unter dem Gesichtspunkt Integrität den Arbeitsplatz von den übrigen Lebensbereichen verhaltenstechnisch trennen.

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention.

Foto: BS/www.qanuun.org

Abgesehen davon, dass Komplimente hierzulande nicht unter den strafrechtlichen Vorteilsbegriff fallen, ganz gleich wer sie macht, zeigt dieses Beispiel, wie groß kulturelle Unterschiede sein können. Ist es überhaupt vorstellbar, dass in Deutschland Komplimente – auch die unaufrichtigen – derart häufig gemacht werden, dass sie Anknüpfungspunkt für eine Sanktion sind? Betrachten Sie bitte Ihren Alltag, und dann zählen Sie am Ende des Tages die Komplimente, die Sie gemacht haben und die Ihnen gem ac ht wurden. Vielleicht sind die Umgangsformen in Vietnam – ausgenommen am Arbeitsplatz – künftig durchaus überlegenswert…

Weitere Informationen und Anmeldung unter www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwort “Job”

länger als sechs Monate liefen, auch wenn diese noch nicht abgeschlossen waren. Ein Bieter sah sich benachteiligt, da die Vermittlungserfolge seiner noch laufenden Maßnahme erst zum Beginn des neuen Schuljahres im Sommer, also erst in Zukunft eintreten würden.

Die VK Bund (20.09.2017, VK 1 – 89/17) hielt diese Beanstandung für begründet: Zwar sei die Wertung der bisherigen Erfolge und Qualität der Bieter gemäß §§ 65 Abs. 5, 58 Abs. 2 S. 2 Nr.

2 VgV grundsätzlich zulässig. Der Betrachtungszeitraum von sechs Monaten sei aber zu kurz, um den Erfolg einer Maßnahme verlässlich bewerten zu können. Denn die Zuweisung der Maßnahmenteilnehmer in Ausbildungsbetriebe und damit die Erfolgsquoten unterliegen, etwa durch Schulferien, saisonalen Schwankungen. Deshalb, so die VK Bund, sei ein Betrachtungszeitraum von mindestens einem Jahr erforderlich.

Beide Beispiele zeigen: Jobcenter und Optionskommunen sollten mit den Vorgaben der Rechtsprechung vertraut sein. Dann bestehen bei der Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen große Wertungsspielräume, die genutzt werden sollten, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.

MELDUNG

Künftig messbar

(BS/jf) Die Umweltverträglichkeit von Software ist seit Kurzem messbar. Dazu hat das Umweltbundesamt (UBA) verschiedene Standardnutzungsszenarien, eine Messmethode sowie unterstützende Werkzeuge entwickelt. Damit sei es möglich, den Energieverbrauch von Software anteilig an der IT-Hardware zu ermitteln. Zur Messmethode gehört ein Kriterienkatalog mit über 70 Einzelkriterien, deren Aussagekraft das UBA in mehreren Testreihen überprüft hat. Mehr auf: www.umweltbundesamt.de

Zu Recht, meint die Vergabekammer. Denn oh ne diese Fristverlängerung hätte der Interessent gar nicht anbieten können. Es bestand die Gefahr, dass ein Scheinwettbewerb stattfindet, in dem sonst als einziger das örtliche Heizwerk hätte anbieten können. Es ging hier also nicht um eine wettbewerbsschädliche Bevorzugung des beantragenden Bieters, sondern darum, überhaupt erst Wettbewerb möglich zu machen. Zu guter Letzt ging dann unerwartet in der verlängerten Frist sogar noch ein drittes Angebot ein. Damit war klar, dass die Verlängerung auch faktisch nicht nur einem einzelnen Bieter zugute gekommen war.

VK Bund

(Beschl. v. 15.10.2018, Az.: VK 1-89/18)

► AUFKLÄRUNG

Zumutbarkeitsgrenze Auftraggeber muss nicht alles hinterfragen

Der Auftraggeber schreibt in großem Umfang immer wieder ähnliche Leistungen aus. Deswegen hat er ein System erschaffen, mit dem die elektroni sch auszufüllenden Angebotsformulare technisch mit den Dateien für die Rahmendaten des Auftrags verknüpft sind. Ändert sich in einer Rahmendatei also z. B. der Erfüllungsort, geht diese Änderung automatisch in das Angebotsformular ein.

Als nun in einem laufenden Verf ahren der Erfüllungsort geändert und daher den Bietern neue Dateien zur Verfügung gestellt wurden, hatte ein Bieter irrig das alte Angebotsformular verwendet, das auf der ersten Blick ja unverändert aussah. Sein Angebot wurde wegen der Verwendung eines veralteten Formulars ausgeschlossen.

Dagegen wehrte er sich, jedoch ohne Erfolg. Es komme nicht darauf an, ob das Formular vordergründig gleich aussehe, wenn in den Vergabeunterlagen eindeutig gefordert war, die neuen Dateien zu verwenden, macht die Vergabekammer deutlich. Auch sei das Angebot nicht einer Aufklärung zugänglich. Denn zum einen

Wenn die Ferienzeit naht, wird in vielen Betrieben die Personaldecke eng. Der vorausschauende Bieter wird also Vorsorge treffen für die Zeit, in der Mitarbeiter in Urlaub sind, welche an laufenden Vergabeverfahren beteiligt sind. Dies zu unterl assen, kann später gravierende Folgen haben. So geschehen bei der Bemusterung von Pflastersteinen. Der mit dem Angebot betraute Mitarbeiter war gerade in den Urlaub aufgebrochen, als der Auftraggeber die zuvor angekündigte Musterlieferung einforderte – mit der ebenfalls bekannt gemachten Frist von sechs Tagen. Das konnte also nicht bis zur Rückkehr des Beschäftigten an den Arbeitsplatz warten. So beauftragte der Mitarbeiter aus dem Urlaub heraus seinen Baustofflieferanten, vier Mustersteine an den Auftraggeber zu senden. Unglücklicherweise war aber auch der Verantwortliche im Baustoffbetrieb in Urlaub. Seine Vertretung lieferte falsche Steine aus. De n Ang ebotsausschluss konnte der Bieter nicht mehr verhindern. Seine Bestrebungen, seine Nachlieferung nach der Rückkehr aus dem Urlaub noch zuzulassen, waren auch vor der Vergabekammer erfolglos. Schließlich habe er vor dem Urlaub gewusst, dass eine kurze Einreichungsfrist drohe. Er hätte also die Muster schon vorab besorgen und bereitlegen können. Die einzig fristgerecht eingegangenen Steine hatten jedenfalls eindeutig nicht den geforderten Farbton RAL 7016, wie ein Abgleich mit der Farbtafel in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat.

VK Bund

(Beschl. v. 08.10.2018, Az.: VK 2-84/18)

► PROJEKTANT

Doppelte Beratung Mittelbare Interessenkollision

Der Sektorenauftraggeber will sich um eine Stromkonzession bewerben. Um diese Bewerbung vorzubereiten, sucht er einen spezialisierten Unternehmensberater. Diesen Auftrag schreibt er im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus.

Mit der Durchführung dieser Ausschreibung beauftragt er einen Verfahrensbevollmächtigten. Der wiederum schaltet einen Fachberater ein. Dieser Fachberater al lerdings berät auch solche Unternehmen, die sowohl um den Beratungsauftrag als auch um Stromkonzessionen selbst bieten könnten.

In diesem Berater-Wirrwarr passierte nun das, was in einem Markt mit einer überschaubaren Anzahl von Akteuren zu befür c hten war: Der Berater

des Bevollmächtigten für die Beraterausschreibung beriet in einem anderen Verfahren einen anderen Bevollmächtigten eines anderen Unternehmens, dessen Tochterfirma sich unangenehmerweise um den Beratungsauftrag bewarb. Dieses Tochterunternehmen streitet sich vor Gericht mit einem weiteren Bieter um genau solchen Streitstoff aus einem früheren Verfahren, der maßgeblich ist für einen Teil des abzugebenden Angebotes. Das OLG Karlsruhe verfügt die Rückversetzung der Ausschreibung und die Fernhaltung des Beraters aus dem wiederholten Verfahren. Auch wenn er sowohl auf Auftraggeber- als auch auf Bieterseite nur mittelbar an den jeweiligen Verfahren beteiligt ist, so gibt es doch so vielfältige Überschneidungen in seiner Tätigkeit, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass er zumindest unbewusst Erkenntnisse aus den Verfahren vermischen könnte und darob seine Unvoreingenommenheit leide. Allein diese Möglichkeit genüge, um einen Interessenkonflikt im Sinne der SektVO (und auch der KonzVgV) anzunehmen. Gleiches würde übrigens auch für die VgV gelten. OLG Karlsruhe (Beschl. v. 30.10.2018, Az.: 15 Verg 6/18)

VORBEHALT

Irrtum ausgeschlossen

Unklare Angebote nicht wertbar

Kleingedrucktes in bietereigenen Formularen kann verhängnisvoll sein. Ein Klassiker sind die rückseitigen AGB auf dem Briefpapier oder Angaben zum Erfüllungsort oder Gerichtsstand, die manche Unternehmen in ihre Briefköpfe integrieren. Widersprechen solche Angaben den Vergabeunterlagen, führt das zum Angebotsausschluss.

Im Vergabeverfahren bezüglich des Kaufs eines Baggers hat ein Bieter sein für den Fahrzeughandel typisches Angebotsformular verwendet.

Auf dem war standardgemäß erwähnt, dass “technische Änderungen, Zwischenverkauf, Eingabefehler und Irrtümer” im Angebot vorbehalten seien. Ein solches Angebot sei nicht zuschlagsfähig, meint die Vergabekammer. Es fehle an der Ver bi ndlichkeit. Mit diesem Zusatz werde aus dem vermeintlichen Angebot lediglich die Aufforderung an den Auftraggeber, seinerseits ein Angebot für den Kauf des Baggers zu unterbreiten. Mit einer solchen Formulierung werde das Risiko eines fehlerbehafteten Angebotes auf den Auftraggeber übe rtragen. Dies entspreche nicht dem vergaberechtlichen System von Angebot und Annahme. Insofern decke sich das Angebot nicht mit den Vergabeunterlagen.

VK Sachsen-Anhalt (Beschl. v. 14.11.2018, Az.: 3 VK LSA 63/18)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 10 Beschaffung / Vergaberecht
Dr. Daniel Soudry LL.M. ist Fachanwalt für Vergaberecht und Partner der Sozietät Soudry & Soudry Rechtsanwälte, Berlin. Foto: BS/privat

Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg Stand: Januar 2019

ANSCHRIFT

Dienstgebäude:

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Postfach 103453, 70029 Stuttgart

Außenstellen:

HPR/HVT (Königstr. 38)

Abt. 4, Ref. 24 (Königstraße 44)

Internet: www.mwk.baden-wuerttemberg.de

Mailadresse: poststelle@mwk.bwl.de

Beauftragte für Chancengleichheit

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Abteilung 1

Finanzen, Personal, Bauangelegenheiten, Organisation, IT in der Verwaltung

Dr. Hans J. Reiter -3030

Stabstelle Informationssicherheit und Berichtswesen

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Referat 11 Haushalt, Finanzen, Kassen- und Rechnungswesen

Hartmut Römpp -3110

Referat 12

Personal des Ministeriums, Chancengleichheit, Ordensangelegenheiten

Dr. Friederike Kaiser -3020

Referat 13

Personalangelegenheiten des nachgeordneten Bereichs, Beamten-, Besoldungs-, Disziplinar- und Arbeitsrecht

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Referat 14 Bauangelegenheiten

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Referat 15

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Grundsatzangelegenheiten der Hochschulentwicklung, Internationalisierung, Rechtsangelegenheiten, Studium und Lehre, soziale Betreuung der Studierenden

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Referat 21 Grundsatzangelegenheiten der Hochschulentwicklung, Internationalisierung, Hochschulstatistik, Kapazitätsermittlung

Dr. Hans-Georg Wolf -3340

Referat 22

Justiziariat, Hochschulrecht, Hochschulzugang, Hochschulgebühren

Lutz Bölke -3150

Referat 23

Studienorientierung, Grundsatzfragen

Studium und Lehre, wissenschaftliche

Weiterbildung, KMK und HRK

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Referat 24

Soziale Betreuung der Studierenden, Studierendenwerke, Ausbildungsförderung, Verfasste Studierendenschaft

Dr. Andreas Barz -3237

Ministerin

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Persönlicher Referent Justyna Oser -3006

Politische Staatssekretärin

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Abteilung 3 Forschung, Technologietransfer, Digitalisierung, Europäische Union

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Referat 31 Gemeinsame Forschungsförderung, Forschung in Sozial- und Geisteswissenschaften, wissenschaftlicher Nachwuchs

Dr. Helmut Messer -3341

Referat 32

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Referat 33 Forschungs- und Innovationspolitik, Forschung in den Bio- und Naturwissenschaften

Dr. Caroline Liepert -3315

Referat 34 Digitalisierung, Informationsinfrastrukturen, Forschung im IuK-Bereich Peter Castellaz -3120

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Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

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M Politische Koordinierung, Kabinett, Parlament, Büro des Ministers und der Staatssekretärin Corinna Fischer -2410

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Leitung: Rüdiger Eichel -2483

11 Lebenswissenschaften, Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, Nachhaltige Entwicklung, Wissenschaftliche Bibliotheken

Dr. Marcus Beiner -2519

12 Naturwissenschaften, Forschungsethik, Gleichstellung

Dr. Barbara Hartung -2524

13 Ingenieurwissenschaften, Wissenstransfer

Dr. Sebastian Huster -2466

15 Bauangelegenheiten, Hochschulmedizin

Arkadiusz Owcarz -2572

16 Bauangelegenheiten (ohne MHH und UMG)

Susanne Fiehe -2623

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Minister Björn Thümler

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Staatssekretärin Dr. Sabine Johannsen

Abteilung 2 Hochschulen

Leitung: Carsten Mühlenmeier -2528

21

Hochschulrecht: TU Br, TU Cl, U H, NTH, St U Gö, Lb Stefan Jungeblodt -2515

22 Hochschulen, Europa und Internationale Zusammenarbeit

St U Hi, U Ol, U Os, VEC, HBK, HMTMH

Dr. Stephan Venzke -2477

23 Medizin: MHH, UMG, St TiHo, EMS

N. N.

24 Fachhochschulen, Berufsakademien

Birgit Clamor -2446

25 Ausbildungsförderung, Studentische Angelegenheiten, Studentenwerke Jörg Nittscher -2503

26 Hochschulentwicklung, Qualitätssicherung, Lehrerbildung

Christof Schiene -2453

27 Hochschulcontrolling, Bildungsökonomie

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Stabsstelle Projektsteuerung Bauvorhaben MHH und UMG Dr. Marc Hennemann -2585

Abteilung 3 Kultur

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Abteilung 5 Kunst

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Referat 52 Museen und Bildende Kunst Jutta Ulmer-Straub -2960

Referat 53 Kunst- und Musikhochschulen, Musikförderung, internationale Kulturbeziehungen, Soziokultur Dr. Volker Wedekind -2980

Referat 54 Medien und Film, Kulturgutschutzgesetz Jochen Laun -3087

Referat 55 Kulturbauten, Breitenkultur, Literatur, Archive, Landesbibliotheken Andreas Schüle -3350

Abt. 4: 0711/279-3221

Abt. 5: 0711/279-3213

HPR: 0711/279-3215

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur Stand: Januar 2019

Geschäftsstelle der Wissenschaftlichen Kommission des Landes Niedersachsen Dr. Mathias Pätzold -8854

Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung Ulrika Engler -7501

Leitung: Dr. Annette Schwandner -2571

31 Grundsatzangelegenheiten der Kultur Frauke Patzke -2578

32 Kulturentwicklung, Kulturförderung, Kulturelle Bildung, Literatur Dr. Henning Krüger -2504

33 Theater, Musik Detlef Lehmbruck -2568

34 Museen, Bildende Kunst Dr. Kathrin Höltge -2561

35 Denkmalpflege, Schutz von Kulturgut Dagmar von Reitzenstein -2562

36 Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Informationsmanagement

Kurt Neubert -2513

Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler Editha Westmann -7581

L Verbindungsbüro zur Landesbeauftragten für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler Christian-Patrick Stichternath -7582

Referatsgruppe Z

Zentrale Angelegenheiten

Leitung: Dr. Sandra Roddewig -2543

Z1

IuK, E-Akte, Informationssicherheit und Innerer Dienst

Dr. Sandra Roddewig m.d.W.d.G.b. -2543

Z2 Personal, Organisation und Inklusion

Dr. Sandra Roddewig -2543

Z3

Mittelfristige Finanzplanung, Haushaltsmanagement

Dr. Diana Reers -2478

Gleichstellungsbeauftragte

Ina Farwick -2459

Beauftragter für den Datenschutz

Peter Waue -2511

HPR – Vorsitzende

Andrea Horn -2673

PR – Vorsitzende

Claudia Idel -2557

VP der Schwerbehinderten

Katja Schäfer -2424

HVP der Schwerbehinderten

Jürgen Bauch -2574

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 11 Personelles

Dr. Crnogorčević sieht die schleichende Auflösung Jugoslawiens von seinen Dienstorten in Syrien, Schweden und Finnland weiland aus der Ferne.

Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist er wieder im Belgrader Außenministerium und Serbien ein Staatenbund mit Montenegro. 2005 ist der damals 57­Jährige Botschafter in Rumänien und sein Land bald “solo”. Der Bundesgenosse erklärt sich nämlich 2006 für unabhängig. Nach einer Stage in Schweden kommt er im Dezember 2015 als Chefdiplomat zu uns. Hier befinden sich die bilateralen Beziehungen im Aufwind und setzen sich bis heute politisch und wirtschaftlich kontinuierlich fort.

Deutschland auf Platz eins

“Die Bundesrepublik schenkt Serbien, dem Schlüsselland auf dem Westbalkan, weiterhin starke Unterstützung auf dem Weg seiner EU­Integration. Der Trend bedeutender Investitionen in die serbische Wirtschaft setzt sich fort. Die Zahl deutscher Unternehmen in Serbien steigt ständig, sodass etwa 50.000 neue Arbeitsplätze entstehen. In unserem Außenhandel hält Deutschland nach wie vor den ersten Platz, sodass wir in diesem Jahr voraussichtlich eine Exportsumme von mehr als fünf Milliarden Euro erzielen werden”, so Crnogorčević.

Das dürfte der bis 2025 angestrebten EU­Mitgliedschaft des Beitrittskandidaten durchaus frommen. “Hierfür hat unsere Regierung die Reformschwerpunkte auf Schlüsselbereiche wi e Rechtsstaatlichkeit, Justiz ­ und Wirtschaftsreformen, Bekäm pfung von Korruption und organisierter Kriminalität gelegt. Bedauerlicherweise ist das Tempo des Fortschritts der Verhandlungen mit Brüssel langsam und demotivierend. Ich hoffe, dass sich das ändert, denn dadurch würde die europäische Orientierung des Landes und die Unterstützung der Bevölkerung im Hinblick auf die notwendigen Reformen gestärkt”, sagt der Diplomat.

Dialog mit Pris˘tina Gute nachbarschaftliche Beziehungen und die Lösung aller damit zusammenhängende Fragen, auch mit Priština, um so einen tragfähigen Kompromiss in der Kosovo­ und Metochienfrage (Bezeichnung für den westlichen Teil des Kosovo) zu erzielen, seien weitere Prioritäten der Politik.

Serbien habe den Dialog mit Priština begonnen, um vor allem das Leben der Bevölkerung zu erleichtern, Ausbildungen zu ermöglichen, Waren­ und Dienstleistungen sowie eine sichere Bewegungs ­ und Reisefreiheit zu gewährleisten. “Allerdings stellt sich heraus, dass wir unterschiedliche Ansichten in Bezug auf den Verlauf und die Ergebnisse des Dialogs haben. Unser Ziel habe ich soeben erläutert, wohingegen alle Bemühungen seitens Prištinas offensichtlich auf nur ein Ziel fokussiert sind – die Anerkennung der einseitig

Serbien ist ein Schlüsselland

Ein Gespräch mit dem serbischen Botschafter Dus˘an Crnogorc˘evic´

(BS/ps) Seit letzten November ist Dr. Dus˘an Crnogorc˘evic´ drei Jahre Botschafter Serbiens in Deutschland. Der heute 70-jährige Jurist tritt 1978 in den diplomatischen Dienst, als es den Staat Jugoslawien noch gibt. 2006 wird daraus: Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzogowina, Montenegro, Mazedonien und Serbien, größter Teilstaat der seligen Sozialistischen Föderativen Republik, dessen Hauptstadt immer noch Belgrad ist.

den eigenen Schutz zerstreuen. Die KFOR­Truppen müssen der Hauptgarant für die Sicherheit im Kosovo, im Einklang mit der Resolution 1244 des UN­Sicherheitsrates, bleiben.”

Im Dienste seines Landes Seit 40 Jahren ist Dr. Crnogorčević in diplomatischen Diensten für vier verschiedene Staaten: Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien, Bundesrepublik Jugoslawien, Staatenunion Serbien­Montenegro und nun die Republik Serbien. Das ist mehr als die Hälfte seines bisherigen Lebens – möchte er denn noch mal etwas ganz anderes machen? “Im vergangenen November waren es drei Jahre, dass ich in Berlin arbeite und lebe. Mein weiteres Engagement hier hängt ausschließlich von der Entscheidung der Leitung meines Landes ab. Ich werde mich bis zum letzten Arbeitstag in Berlin der Förderung der Beziehungen zwischen Serbien und Deutschland widmen, mit dem Wunsch, dass die Ergebnisse besser werden als bisher. Das dürfte für jeden Diplomaten zutreffen und auch ich folge in Gänze dieser Praxis. Nach meiner Rückkehr nach Belgrad werde ich eine Entscheidung über mein weiteres Engagement treffen. Wo und wie, habe ich noch nicht entschieden, aber es ist gewiss, dass ich im Bereich der Außenpolitik aktiv bleiben werde.”

Plädoyer für Europa

verkündeten Unabhängigkeit im Februar 2008”, erläutert der 70­Jährige.

Zehn Jahre später, Ende August 2018, besteht für kurze Zeit Hoffnung, dass es zum Durchbruch im Dialog kommt. Die Präsidenten beider Länder, Aleksandar Vucic (Serbien) Und Hasim Taci (Kosovo), legen erstmals einen gemeinsamen Lösungsvorschlag über die künftigen Beziehungen vor. Dieser stößt im ersten Augenblick auf positive Reaktionen, wird allerdings von einigen Staaten als die “Überschreitung der roten Linien” eingeschätzt. “Die Idee hat in Priština offene politische Konflikte ausgelöst. Es kann zur Erhebung von Zöllen von zehn bis hin zu 100 Prozent für Erzeugnisse aus Serbien, Bosnien und Herzegowina und führt im November 2018 schließlich

Botschafters Rezept Ćevapčići mit Ajvar

Zutaten: (2 Portionen):

1 Knoblauchzehe, 1 Zwiebel, 3 EL Öl , 2 EL mildes Ajvar, (Paprikamus, Glas) 1/4 TL scharfes Paprikapulver, 1 TL edelsüßes Paprikapulver, 250 g Rinderhack, Salz, Pfeffer. Zubereitung: 1 Knoblauchzehe fein hacken, 1 Zwiebel fein würfeln, beides in 1 EL heißem Olivenöl andünsten, 2 EL mildes Ajvar , 1/4 TL scharfes Paprikapulver und 1 TL süßes Paprikapulver zugeben, kurz rösten. Mischung in einer Schüssel abkühlen lassen. 250 g Rinderhack, Zwiebelmischung, etwas Salz und Pfeffer gut kneten und evtl. nachwürzen. Dann mit leicht geölten Händen zu 8 Rollen von 8 cm Länge formen. Auf 8 Schaschlikspieße stecken. In 2 EL heißem Olivenöl in einer beschichteten Pfanne rundherum 8-10 Min. bei mittlerer Hitze braun anbraten. Mit dem Bratöl servieren. Dazu passen Bier und klarer Schnaps.

zum kompletten Stillstand des Handelsverkehrs. Dennoch ist meine Regierung zur Fortsetzung des Dialogs bereit, erwartet jedoch, dass Priština zuvor die Zollmaßnahmen zurücknimmt”, unterstreicht Crnogorčević. Und weiter: “Uns geht es letztlich um die allumfassende Normalisierung unserer Beziehungen. Nur eine Lösung im gegenseitigen Interesse kann dazu beitragen, dass junge Serben und Albaner die Teilungen überwinden, indem sie die Unterschiede achten und akzeptieren und gleichzeitig die Ähnlichkeiten, die es zweifelsohne gibt, suchen und hervorheben.”

Lösung noch in diesem Jahr?

Belgrad und Priština könnten 2019 ein Abkommen unterschreiben, das ein Schritt in diese Richtung ist. Es sieht einen Gebietstausch vor, um das gespannte Verhältnis Serbiens zu seiner ehemaligen Provinz zu entspannen. Der Norden des Kosovo, serbisch bewohnt, soll zu Serbien kommen und Kosovo dafür mit einem albanisch besiedelten Landstrich, im Süden Serbiens, entschädigt werden. Soweit der Plan. “Doch der Wille lockt die Taten nicht herbei”, heißt es bei Johann Wolfgang von Goethe auch nicht auf dem Balkan.

“Nach den neuesten Entwicklungen, ist die Unterzeichnung des Abkommens dieses Jahr wohl zu optimistisch”, erklärt Botschafter Crnogorčević nüchtern. “Vorgesehen ist im Übrigen hiernach die Verschiebung der

Grenzen und kein Gebietsaustausch. Hier denkt man vor allem an mögliche negative Folgen im Falle eines Tausches in der Region oder darüber hinaus. Ich möchte daran erinnern, dass ein Teil der internationalen Gemeinschaft sowie jene EU­Staaten, welche die einseitig verkündete Unabhängigkeit des Kosovo anerkannten, die Causa Kosovo von Anfang als einzigartigen Fall –sozusagen “sui generis” ansehen. Ein solcher verlangt auch eine ebensolche Lösung, die keinerlei Auswirkungen auf andere Fragen

zeigt. Das setzt jedoch Teilnehmer voraus, die die politische Realisierung der Absprachen garantieren. Fehlen jene und die Bereitschaft Prištinas eine Lösung zu finden, erschwert dies mögliche Vereinbarungen.”

Derzeit könne man nicht einschätzen, wie es weitergehe. Zu den Voraussetzungen einer Lösung gehöre nicht nur ein politisch verantwortungsvoller Dialog und das ernsthafte Bemühen um eine Problemlösung, sondern auch, alles zu vermeiden, was die Absprache erschweren oder gefährden könne oder diese unmöglich mache. (Siehe hierzu die Ausführungen des Botschafters des Kosovo Beqë Cufai im Behörden Spiegel, Januar 2019, Seite 12).

“Neben der Einführung von Zöllen von 100 Prozent für Waren aus Serbien, Bosnien und Herzegowina, hat Priština auch andere Schritte eingeleitet, die zur Destabilisierung der Region führen können. Hierbei denke ich in erster Linie an den Beschluss des Gesetzes über den Aufbau einer eigenen Armee im Kosovo”, berichtet Crnogorčević und fordert zugleich: “Das wird weder zum Dialog beitragen noch die Besorgnis der serbischen Gemeinschaft über

Zwar würde er gerne mal für einen Tag lang mit UN­Generalsekretär António Guterres und dem Tennisspieler Novak Ðoković tauschen, um letztlich doch seinem Metier, insbesondere der Europapolitik, treu zu bleiben. “Die starke, einzigartige Europäische Union ist immer noch eine Garantie für Stabilität und Wohlstand in Europa. Es existiert kein ähnliches und gleichzeitig erfolgreiches Projekt in der bisherigen Geschichte, eine Staatengemeinschaft als Friedens ­ , Wirtschafts ­ und Politikprojekt, welches auf den höchsten demokratischen Werten und Menschenrechten basiert. Nur ein vereintes, starkes Europa kann in turbulenten Zeiten der Weltpolitik und ­wirtschaft überleben.”

“Als Serbe fühle ich mich als Europäer und wünsche mir, dass Europa weiter gedeiht und human bleibt, entgegen den vielen dunklen Wolken am politischen Horizont. Ich glaube an seine gemeinsame Zukunft und war immer dafür, dass Serbiens Platz, als ein altes europäisches Land, in der Europäischen Union ist. Dies ist mit Sicherheit die beste Lösung für alle: für Serbien, seine Bürger, die Region und Europa.” Well roarad, lion! – doch Britannien scheint dies nicht zu hören.

Neue Regeln für mehr Transparenz

Europaparlament stimmt knapp für neuen Verhaltenskodex

(BS/ab) Das Europaparlament hat für strengere Regeln bei Treffen zwischen Abgeordneten und Lobbyisten abgestimmt. Mit 380 zu 224 Stimmen votierten die Parlamentarier für eine Überarbeitung der Geschäftsordnung ihres Hauses. Damit waren es nur knapp vier Stimmen mehr als benötigt wurden.

Demnach müssen wichtige Abgeordnete, Berichterstatter und Gruppenvorsitzende Treffen mit Interessensvertretern zukünftig online publik machen. Auf Antrag der Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) verlief die Abstimmung geheim.

Im Verfassungsauschuss des Europaparlaments hatten sich nach dem Grünen­Abgeordneten Sven Giegold vor allem Sozialdemokraten, Linke, Grüne und EUSkeptiker für strengere Regeln ausgesprochen. “Lobbyismus muss endlich in allen EU­Institutionen transparent werden. Die Vertreter der EU­Regierungen in

Brüssel sind unerträglich weniger transparent als Europaabgeordnete und EU­Kommissare”, kritisiert Giegold. WirtschaftsLobbyisten würden bei den EURegierungsvertretern ein und aus gehen, das Allgemeinwohl habe das Nachsehen, so der Abgeordnete. Beim Nichtunterschreiben des neuen Kodex könnten solchen Abgeordneten zukünftig hochrangige Positionen in Gremien und Verhandlungsgruppen verwehrt werden. Jedoch ist der Weg noch nicht komplett beschritten, wenn es nach Giegold geht: “Die Bundesregierung muss erlauben, dass Bürger wissen, wen ihre

Vertreter in Brüssel treffen und dafür Lobbytreffen der Ständigen Vertretung öffentlich auflisten. Die Lobbytransparenz der deutschen EU­Botschaft sollte dem guten Vorbild der niederländischen, irischen und rumänischen Botschaft folgen. Transparente Entscheidungen sind gut für das Gemeinwohl, gut für mehr Vertrauen in die EU­Politik und das beste Mittel gegen Populismus.”

Die EVP spricht sich ferner für eine Offenlegung bei Treffen mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Anwaltsfirmen aus. Mehr zum Thema AbgeordnetenTransparenz auf Seite 7

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 12 Diplomaten Spiegel
Seit über drei Jahren Serbiens Vertreter in Deutschland: Botschafter Dr. Dus˘an Crnogorc˘evic´ Fotos: BS/Dombrowsky
Die Botschaft in der Taubertstraße in Berlin

Kommune

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.de Berlin und Bonn / Februar 2019

Befund: negativ

Kommunale Krankenhäuser kränkeln

(BS/Katarina Heidrich) Personalmangel, Pflegenotstand, Schließungen, Investitionsstau: In Deutschland sind viele Krankenhäuser in schlechtem Zustand und seit Jahren in den roten Zahlen. Viele kommunale Kliniken, vor allem auf dem Land, stehen vor dem Aus beziehungsweise der Übernahme durch Privatinvestoren. Doch ist dies einfach nur ein Wirtschaftlichkeitsproblem einzelner Häuser oder ein strukturelles?

Die Kreisklinik Groß-Gerau in Südhessen hat gerade die Hiobsbotschaft verarbeitet, dass das letzte Jahresdefizit mit 9,5 Millionen Euro rund drei Millionen höher liegt als geplant. Trotzdem hält der Kreis daran fest, die kommunale Klinik zu erhalten. Ein Sanierungskonzept bis zum Jahr 2026 wurde beschlossen. Anfang 2019 wurde das neue Medizinische Versorgungszentrum an der Kreisklinik eröffnet.

Thomas Will (SPD), Landrat des Kreises Groß-Gerau, sieht verschiedene Gründe für die finanzielle Schieflage. Zum einen bei der Klinik selbst: “Statt die Gesamtversorgung der Bevölkerung in die Grund- und Regelversorgung zu übernehmen, wurde sich auf wenige Spezialisten konzentriert, die aber teure Personal- und Sachkosten verursacht haben und das Gesamtspektrum nicht abdecken konnten.” Dadurch hätten viele potenzielle Patienten und die niedergelassenen Ärzte als Zuweiser der Klinik den Rücken gekehrt.

Personaluntergrenzen trotz

Personalmangels

Laut Will stünden zum anderen viele kommunale Kliniken vor Finanzproblemen, da die Landesbasisfallwerte für die Vergütung der Krankenhausbehandlung nicht die tatsächlichen Personal- und Sachkosten deckten.

Dazu zahlten die kommunalen im Gegensatz zu privaten Krankenhausträgern weiter Tariflohn. Die Gegenfinanzierung über die Landesbasisfallwerte stehe immer weit hinter den Tariflohnsteigerungen zurück. Der Landrat sieht die Bundesregierung in der Pflicht die Finanzierung der Pflegepersonalkosten neu zu regeln.

Die D eutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG) sieht Fehlentwicklungen ebenfalls

in einer Überregulierung – etwa durch die pauschalierenden stationären Vergütungssysteme. “Kein anderer Bereich im deutschen Gesundheitswesen hat in den vergangenen Jahren so viele Reformen erfahren wie der Krankenhausbereich. Die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen zahlreicher Vorschriften sowie die Belastung und die Wertschätzung gegenüber den Menschen, die die Patientenversorgung in deutschen Krankenhäusern rund um die Uhr sicherstellen, sind hierbei völlig aus dem Blick geraten und haben tragfähige Grenzen weit überschritten”, heißt es von der DKG.

Eine dieser Reformen beinhaltet Personaluntergrenzen in vier pflegeintensiven Krankenhausbereichen. Seit Januar 2019 gelten sie Ingo Morell, Vizepräsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. (KGNW), kritisiert, dass die Einhaltung der

12. Bürgermeisterkongress

Personaluntergrenzen aufgrund fehlender Pflegefachkräfte für die meisten Krankenhäuser schwer zu erfüllen sei. Dies habe dann wiederum finanzielle Nachteile für die Kliniken. “Krankenhäuser bildeten in den letzten Jahren schon mehr aus, die Ausbildungskapazitäten wurden hochgefahren, dennoch fehlen Pflegekräfte”, beschreibt Morell die Situation als Strukturproblem. Auch KGNW-Präsident Jochen Brink gibt zu bdenken: “Unsere Sorge ist, dass unterm Strich Betten gesperrt werden müssen, um die Untergrenzen einzuhalten.” Privatisierungen um jeden Preis verhindern

In keinem anderen europäischen Land wurden in den letzten 15 Jahren so viele Krankenhäuser privatisiert wie in Deutschland. Oft lässt sich augenscheinlich der Verkauf von Kliniken an private Betreiber kaum vermeiden, da die finanzielle Lage der Kommu-

Risiken und Katastrophen

in Deutschland

7. – 8. Mai 2019

Dorint Hotel, Magdeburg

www.buergermeisterkongress.de

Top-Themen:

• Extremwetter – Probleme für Städte und Gemeinden

nen häufig angespannt ist. Um dennoch eine flächendeckende medizinische Versorgung für die Bevölkerung auch abseits der Ballungsgebiete zu gewährleisten, rücken vermehrt interkommunale Partnerschaften in den Fokus. Diese haben es sich zum Ziel gesetzt, Versorgungszentren und Kliniken in kommunaler Hand zu halten. Die Klinik-Kompetenz-Bayern eG (KKB) etwa wurde schon 2011 als “Kooperation für Gesundheit mit Zukunft” von zehn Trägern mit 25 angeschlossenen Kliniken gegründet. Inzwischen setzt sich der Verbund aus 33 kommunalen und freigemeinnützigen Trägern aus ganz Bayern mit insgesamt 66 Akut-Kliniken und zahlreichen Medizinischen Versorgungszentren sowie RehaKliniken zusammen. Über 30.000 Mitarbeiter sind in den Häusern beschäftigt, die über 11.400 Betten im akutstationären Bereich und fast 400 Reha-Betten verei-

KNAPP

Deal or No Deal

nen. Mit einem Gesamtumsatz von rund 1,8 Milliarden Euro. Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft “Kommunale Pflege Bayern”, die nochmals 12 kommunale Träger und 44 Pflegeheime “beisteuert”, ist eine enge Kooperation mit Blick auf die Versorgungsstruktur entstanden.

“Die klare Strategie der KKB ist der Erhalt der kommunalen Kliniken in Bayern”, heißt es von dort. Mithilfe dieser verbindlichen Form der Zusammenarbeit soll die Markt- und Wettbewerbsfähigkeit der angeschlossenen Kliniken gestärkt werden – gegenüber den privaten Kliniken, aber auch gegenüber den Krankenkassen. Beispielsweise können durch gemeinsamen Materialeinkauf und Erfahrungsaustausch Kosten und Mühen eingespart werden.

Kommune will sich beteiligen Dass es aber auch vice versa ablaufen kann, lässt sich derzeit in Thüringen sehen. Ende 2018 wollte die DRK-Krankenhausgesellschaft Thüringen-Brandenburg das Manniske-Krankenhaus in Bad Frankenhausen/ Kyffhäuser eigentlich schließen. Dann meldete das Unternehmen Insolvenz an, ein Wirtschaftsberatungsunternehmen arbeitete ein Sanierungskonzept aus. Aus Sorge um Erfüllung des Versorgungsauftrags legte das thüringische Sozialministerium dem DRK nahe, alle drei Standorte an eine kommunale Trägerschaft abzutreten. Beteiligen an dieser Trägerschaft will sich neben dem Kyffhäuserkreis womöglich das Südharz-Klinikum in Nordhausen, das zu 74 Prozent in der Hand des Landkreises liegt und zu 26 Prozent in der der Stadt. Ein Sonderstadtrat soll sich Ende Februar mit der Übernahme beschäftigen.

(BS/kh) Ungeachtet dessen, ob es zu einem “harten” oder “weichen” Brexit kommen wird, die derzeit in Deutschland lebenden Briten verlieren automatisch mit Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU das aktive sowie das passive Kom munalwahlrecht. Selbst wenn der Brexit mit Abkommen erfolgt und sich eine zweijährige Übergangsphase bis zum 31. Dezember 2020 mit Festhalten an allen EU-Regeln ergibt, bleibt das Kommunalwahlrecht davon unbetroffen, wie es in der Ant wort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP heißt. Das bedeutet konkret: Wer als in Deutschland lebender britischer Staatsbürger ein politisches Mandat auf kommunaler Ebene hat, verliert dieses unverzüglich mit dem Austritt. Auch an Kommunalwahlen in Deutschland – wie sie im Mai 2019 in zehn Bundesländern stattfinden – können britische Staatsbürger dann nicht mehr teilnehmen.

Kooperation für bezahlbares Wohnen (BS/kh) Um schnell entbehrliche bundeseigene Flächen für den Wohnungsbau zu mobilisieren, wollen die Kommunen und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) künftig enger kooperieren. Dazu haben die BImA, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund ein gemeinsames Informationsschreiben unterzeichnet. Dessen Inhalt sind die wesentlichen Verbesserungen der neuen Verbilligungsrichtl i nie (VerbR 2018) – wie etwa ein Preisnachlass in Höhe von 25.000 Euro je neu geschaffener Sozialwohnung im Geschosswohnungsbau. Zudem gibt es für die Kommunen jetzt auch die Möglichkeit, verbilligt erworbene Liegenschaften an private Dritte weiterzuveräußern, wenn diese den Verbilligungszweck erfüllen.

• Die demografische Entwicklung – eine wachsende Herausforderung in den Kommunen

• Mein Krisenfahrplan – die Katastrophe vor Ort

Eine Veranstaltung des

Beratend: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Die Diagnose für kommunale Krankenhäuser lautet: chronische Unterfinanzierung. Foto: BS/© Zerbor, stock.adobe.com
Bernd Kasper, pixelio.de; Lichtkunst.73, pixelio.de; panimia, pixabay.com; M.Großmann, pixelio.de

Behörden Spiegel: Der häufig genutzte Begriff “Bleibeperspektive” wird mehr und mehr kritisch gesehen – sollte die öffentliche Diskussion mit anderen Fokuspunkten geführt werden?

El-Mafaalani: Der Begriff ist nicht unproblematisch, weil die reale Bleibeperspektive sich nicht ohne Weiteres im Vorhinein bestimmen lässt. Häufig ist sie beeinflussbar und entwickelt sich erst im Zeitverlauf.

Behörden Spiegel: Viele Migranten halten sich trotz schlechter Perspektive in Deutschland auf, werden allerdings von vielen Bildungs- und Qualifizierungsangeboten ausgeschlossen. Wie soll man mit diesen Menschen ohne wirkliche Bleibeperspektive vonseiten der Behörden umgehen?

El-Mafaalani: Alle Menschen sollten unabhängig von der rechtlichen Situation auf jeden Fall Zugang zu Bildungs- und Qualifizierungsangeboten haben. Es handelt sich um einen Personenkreis, der häufig spezielle Angebote benötigt oder zumindest professionelle Begleitung. Meist sind es junge Erwachsene, die aufgrund der Umstände im Herkunftsland und insbesondere während der Flucht unterbrochene Bildungsbiografien aufweisen. Dann darf es nicht sein, dass es in Deutschland so weitergeht. Auch dann, wenn man davon ausgehen kann, dass es nach ein oder zwei Jahren zu einer Rückführung kommt, rechtfertigt das nicht, Menschen auszuschließen.

Behörden Spiegel: Die Debatte ist oft von fehlendem Verständnis auf allen Seiten geprägt. Wie kann die Politik eine klare Strategie vorgeben, mit der das Thema in der Öffentlichkeit konstruktiver diskutiert werden kann?

El-Mafaalani: In meiner Wahrnehmung sind die meisten politischen Parteien in sich gespalten

Niemanden vom Leben ausschließen

Wie eine Integration mit gerechter Teilhabe funktionieren kann

(BS) Durch seine Forschung als Professor für Politikwissenschaften und Politische Soziologie an der FH Münster hat sich Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani nicht nur bei Behörden und Sozialorganisationen einen Ruf als wichtiger Ratgeber zu allen Themen rund um die Integration von Geflüchteten aufgebaut. Im vergangenen Jahr wurde der Integrationsexperte von der NRW-Landesregierung zum Abteilungsleiter im Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in Düsseldorf berufen und koordiniert von dort aus die Integrationspolitik des Landes. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erklärt er, warum auch Menschen mit schlechten Bleibeaussichten Zugang zu Bildung erhalten sollten und wie die Bevölkerung sich durch die Migration neu definieren muss. Die Fragen stellte Wim Orth.

– genauso wie ein großer Teil der Bevölkerung. Es finden derzeit enorm viele Prozesse statt, die man insgesamt als Entwicklung hin zu einer Mi grat ionsgesellschaft zusammenfassen könnte. Die Gesellschaft verändert sich, was immer passiert. Der soziale Wandel vollzieht sich nun in einer beschleunigten Weise, nicht nur, aber auch durch Migration und Integration.

Behörden Spiegel: Findet in der Bevölkerung langsam ein Umdenken statt, dass die Zuwanderung kein zeitlich begrenztes Phänomen ist, sondern eine langfristige gesellschaftliche Realität?

El-Mafaalani: Ja, ganz eindeutig. Genau dieses geschärfte Bewusstsein führt zu der Spaltung. Bis vor 20 Jahren wollte man nicht wahrhaben, ein Einwanderungsland zu sein.

Die Migranten und ihre Nachkommen wurden nicht als zugehörig, nicht als Teil der Gesellschaft betrachtet. Deshalb hat man vieles ignoriert oder einfach hingenommen. Heute wird sehr kritisch auf die Entwicklungen geschaut, weil nun wirklich allen klar ist, dass es sich um eine gesellschaftliche Realität mit langfristigem Einfluss handelt.

In relativ kurzer Zeit hat sich die gesellschaftliche Aufmerksamkeit um 180 Grad gedreht, von allgemeiner Ignoranz hin zu extremer Fokussierung. Deshalb werden viele positive Entwicklungen nicht allgemein erkannt, weil

nicht wahrgenommen werden kann, wie es früher war.

Behörden Spiegel: Wie kann man in der Bevölkerung die Erkenntnis fördern, dass die Zuwanderung keine grundsätzlich negative Entwicklung ist?

El-Mafaalani: Ich glaube, man muss an zwei Punkten ansetzen. Zum einen gilt es zu zeigen, dass sich das Integrationspotenzial der deutschen Gesellschaft enorm erhöht hat und dass ein besonders hoher Migrantenanteil insbesondere in den erfolgreichsten Großstädten zu finden ist, etwa Frankfurt am Main, München und Stuttgart. Zum anderen müssen wir stärker reflektieren, dass es zu gesellschaftlichen Veränderungen kommt, insbesondere durch Integrations- und Normalisierungsprozesse. Ist die Zu gehörigkeit von Menschen, die keine andere Heimat als Deutschland haben und sich

Very British

Der Brexit und das Aufenthaltsrecht

“Humanität und Schutz sollten nutzenunabhängig bleiben”, sagt Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani von der FH Münster.

Foto: BS/Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge undIntegration des Landes Nordrhein-Westfalen

in die Gesellschaft einbringen, aber aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion bisher nicht als Deutsche wahrgenommen wurden, unstrittig? In den meisten westdeutschen Großstädten ist der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund bei über 50 Prozent. Akzeptieren wir bedingungslos, dass das Kinder der deutschen Gesellschaft, deutsche Kinder sind? Die Zugehörigkeit der Anderen bedeutet nicht die Aufgabe der eigenen Identität, aber sie erfordert durchaus eine gewisse Offenheit.

Behörden Spiegel: Häufig haben Migranten die besseren Chanen, wenn sie “nützlich” für die Gesellschaft sind. Wie kann man dieser Entwicklung begegnen?

El-Mafaalani: Nutzen ist eine Kategorie, die gesellschaftlich eine zunehmende Rolle spielt. Rhetorisch nehme ich diese Unterteilung auch wahr, aber gleich-

zeitig wird ja häufig gerade nicht so gehandelt. Regelmäßig hörten wir doch von Fällen, in denen jemand abgeschoben wurde, der die Sprache erlernt und einen Arbeitsplatz gefunden hatte. Gerade von Arbeitgebern wird derzeit ein gewisser Druck aufgebaut, potenzielle Fachkräfte nicht abzuschieben. Die Kategorie der Nützlichkeit ist ambivalent. Humanität und Schutz sollten in jedem Falle nutzenunabhängig bleiben.

Behörden Spiegel: Inwieweit müssen für eine ausgeglichene gesellschaftliche Teilhabe auch eigene institutionelle Strukturen reflektiert werden?

El-Mafaalani: Die meisten staatlichen Institutionen sind historisch gewachsene Gebilde. Deshalb sorgen sie für Stabilität, das ist gut, aber dadurch reagieren sie erst relativ spät auf bestimmte gesellschaftliche Veränderungen. In diesem Spannungsfeld bewegen sich Institutionen immer. Grundsätzlich sollten sie die Bevölkerung repräsentieren, nach innen und nach außen. Es reicht natürlich nicht aus, zu sagen, die kommen nicht zu uns oder bei uns bewerben sich bestimmte Personen nicht auf Stellenausschreibungen. Man sollte sich systematisch fragen, warum das so ist und wie man das ändern kann. Häufig hat es etwas mit Strukturen, Routinen oder Haltungen zu tun.

(BS/Katarina Heidrich/Wim Orth) Derzeit leben rund 100.000 Briten in Deutschland. Noch. Denn was nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU Ende März passiert, steht in den Sternen. Regelungen für das Aufenthaltsrecht derjenigen, die über keine doppelte Staatsbürgerschaft verfügen oder sich einbürgern lassen, müssen trotzdem schon geschaffen werden.

EU-weit geht es um die Frage nach Aufenthaltsrechten von circa drei Millionen EU-Bürgern, die i m Vereinigten Königreich leben, und rund einer Million Bürgern des Vereinigten Königreichs, die auf dem Gebiet der EU-27 leben. Der Austritt Großbritanniens und Nordirlands aus der EU und die damit verbundene Wandlung zum Drittstaat geht mit dem Statuswechsel der betroffenen Bürger einher. Die Bundesregierung plant ein verpflichtendes Antragsverfahren für einen neuen Aufenthaltsstatus für in Deutschland lebende britische Staatsangehörige. Ob auch in anderen EU-Staaten eine Bewerbung für einen neuen Aufenthaltsstatus verlangt wird, ist noch unklar. Das Vereinigte Königreich selbst plant, den EUBürgern, die bis zum Ende der Übergangsfrist am 31. Dezember 2020 (mit Abkommen) ständig seit fünf Jahren dort gelebt haben, den Status “dauerhaft ansässig” zu erteilen – mit den gleichen Rechten wie die britische Bevölkerung. Diejenigen, die die Fünf-Jahres-Marke noch nicht erreicht haben, erhalten eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Beide Status müssen beantragt werden.

Für den Fall, dass das Vereinigte Königreich ohne Austrittsabkommen die EU verlässt, beabsichtigt das Bundesinnenministerium (BMI), eine Verordnung als Überleitung für den Statuswechsel zu erlassen. Diese sieht vor, dass die bisher freizügigkeitsberech-

Briten in Deutschland benötigen bald eine Aufenthaltserlaubnis im Pass.

Fotos: BS/©Gary Perkin, stock.adobe.com

tigte britische Bevölkerung und ihre Familienangehörigen für eine Übergangsfrist von zunächst drei Monaten ohne weitere ausländerrechtliche Maßnahmen in Deutschland leben und arbeiten können wie bisher. In dieser Zeit müssen sie bei ihrer zuständigen Ausländerbehörde einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels stellen. Um dies den Briten in Deutschland möglichst einfach zu machen, haben einige Länder mit besonders hohem Anteil britischer Staatsbürger digitale Angebote geschaffen, damit beide Seiten frühzeitig und koordiniert für Planungssicherheit sorgen können. Vorweg geht dabei die Bundeshauptstadt Berlin, die mit insgesamt rund 18.000 Briten fast ein Fünftel der gesamten Exklave in Deutschland vereint. Die Berliner Ausländerbehörde

hat zu Beginn des Jahres auf der kommunalen Plattform “berlin. de” ein Angebot eingestellt, mit dem in Berlin wohnhafte britische Staatsangehörige kostenfrei die Möglichkeit haben, vom heimischen Rechner aus “einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Nachweises über das Aufenthaltsrecht zu stellen”, wie die Stadt es formuliert. Der eingereichte Antrag kann von den bet reffenden Personen ausgedruckt werden und gilt anschließend als rechtlich verbindlicher Nachweis, dass sie sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten. Die Stadt Berlin will die registrierten Bürger in der Folge des Brexits nach und nach zur Prüfung des Aufenthaltstitels in die entsprechenden Ausländerbehörden einladen. Sollte es wider Erwarten nicht zu einem

Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU kommen, werden hingegen alle erfassten Daten “umgehend gelöscht”.

N eben B erlin planen auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, Hilfs- und Antragsangebote für Briten über ihre jeweiligen Internetportale zur Verfügung zu stellen. Während vereinzelte Länder wie beispielsweise Sachsen und das Saarland noch pr üfen, ebenfalls digitale Registrierungsmöglichkeiten anzubieten, verweist das Gros der übrigen Länder auf die Inf or mationsangebote sowie die Vorgaben des BMI und will diese durch die zuständigen lokalen A usländerbehörden umsetzen lassen. Diese Vorgehensweise wird größtenteils mit der geringen Anzahl britischer Bürger im ei ge nen Organisationsbereich begründet, die teilweise gezielt mit Postwurfsendungen kontaktiert und über ihre Möglichkeiten informiert werden, im Land bleiben zu können. In Ländern mit lokalen Hochburgen britischer Staatsbürger, wie beispielsweise dem brandenburgischen Landkreis Teltow-Fläming, wo im dortigen Rolls-Royce-Werk vi ele Briten beschäftigt sind, sind ebenfalls gezielte Informationsveranstaltungen geplant. Grundsätzlich sind sich aber so gut wie alle Akteure aus den Ländern einig, dass es wichtig ist, den betroffenen Menschen aus Großbritannien möglichst gut zu helfen, in Deutschland bleiben zu können.

eher man das erkennt, umso strategischer und nachhaltiger kann man handeln. In Ansätzen erkenne ich diese Perspektive in der Debatte schon, in Ansätzen…

Behörden Spiegel: Insbesondere in Bezug auf den Demografischen Wandel wird häufig von der Idee des “Mehrwertes“ gesprochen, den Migration für die Gesellschaft haben soll. Muss das Thema noch stärker als Chance für die deutsche Gesellschaft begriffen werden?

El-Mafaalani: Sie ist Chance und Herausforderung zugleich. Ganz sicher ist es anstrengend, eine Migrationsgesellschaft zu sein. Offene Gesellschaften sind erfolgreich, innovativ und dynamisch, aber auch komplex, weniger Orientierung stiftend und manchmal etwas chaotisch. Wir müssen beide Seiten sehen und beschreiben. Nur die Chancen zu benennen, hilft nicht weiter. Die Risiken und Nebenwirkungen entscheiden genauso über die Tauglichkeit eines Medikaments wie die Wirkung. Die Qualität der Bremsen bestimmt sinnvollerweise genauso die Fahrgeschwindigkeit wie die PS. Klar ist aber auch: Die erfolgreichsten Länder der Welt sind liberale Einwanderungsgesellschaften. Wenn einer Gesellschaft nichts anderes mehr einfällt, als Mauern zu bauen, dann ist das der Anfang vom Ende. Über Mauern freuen sich Archäologen, wenn sie die Mauern der untergegangenen Kulturen ausgraben.

Behörden Spiegel: Politik und Gesellschaft wollen oft strikte Fahrpläne für eine Integration aller Migranten entwerfen. Wie kann man diese individueller gestalten, um eine individuelle Behandlung von Einzelfällen zu ermöglichen?

Behörden Spiegel: Wie kann aus dem Thema Integration ein wechselseitiger Prozess werden, in dem auch die Migranten die Möglichkeit zu einer gesellschaftlichen Teilhabe auf Augenhöhe bekommen?

El-Mafaalani: Ich sehe in beidem einen wechselseitigen Prozess. Damit es gleichberechtigte Teilhabe gibt, müssen die einen teilhaben können und wollen, die anderen müssen teilen. Um teilzuhaben, muss man sich durchaus zum Teil anpassen, damit man mitmachen kann. Genauso hat die Integration von einigen Menschen Auswirkungen für alle. All das führt bildlich gesprochen dazu, dass mehr und immer unterschiedlichere Menschen am Tisch sitzen und die Tischgesellschaft dadurch erhalten und verändern. Es bedeutet letztlich für alle Seiten sowohl die Notwendigkeit der Anpassung als auch die Möglichkeit der Mitgestaltung. Je

MELDUNG

Papieratlas 2019

(BS) Der Startschuss für den Wettbewerb um die höchsten Recyclingquoten ist gefallen. Die Initiative Pro Recyclingpapier (IPR) sucht gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte-und Gemeindebund, dem Deutschen Landkreistag sowie dem Deutschen Hochschulverband erneut die recyclingsfreundlichsten Städte, Landkreise und Hochschulen Deutschlands. Alle Landkreise, alle Städte ab 50.000 Einwohnern sowie Hochschulen

El-Mafaalani: Menschen müssen dort abgeholt werden, wo sie stehen. Dieser pädagogische Leitsatz ist nach wie vor richtig. Aber in diesem unscheinbaren Satz steckt enorme Komplexität. Dafür muss man nämlich wissen, wo die Menschen stehen, wo man selbst steht, wer oder was im Weg stehen könnte, wo man hin will und wie man vom Ausgangspunkt am besten dorthin kommt. Es gibt kaum etwas Anspruchsvolleres, aber man muss es versuchen.

Behörden Spiegel: Welche internen Hürden müssen innerhalb öffentlicher Bildungseinrichtungen noch fallen, um einen besseren Umgang mit dem Thema Migration zu erreichen?

El-Mafaalani: Es gäbe viel zu sagen, von der KITA bis zur Hochschule. Aber entscheidend ist, dass man die Bildungseinrichtungen wirklich substanziell besser ausst att et, damit man notwendige Veränderungsprozesse in die Wege leiten kann. Ausnahmslos alle sind sich einig, dass kaum etwas sinnvoller ist als Investitionen in Bildung. So große Einigkeit ist selten und paradoxerweise geschieht vergleichsweise wenig.

ab 5.000 Studierenden sind aufgerufen, ihren Papierverbrauch und ihre Recyclingpapierquoten für den Papieratlas offenzulegen. Erstmals können sich aber auch Städte ab 40.000 Einwohnern und kleinere Hochschulen für eine Teilnahme an die IPR wenden. Bis zum 31. März 2019 können sich Interessierte beteiligen, im Herbst erfolgt die Auszeichnung im Bundesumweltministerium in Berlin. Alle Teilnehmer werden im Papieratlas öffentlich gewürdigt.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 14 Kommunalpolitik

“Diemeisten sind in die Großstädte Madrid, Barcelona, Valencia oder Sevilla gezogen, weil sie keine Arbeit in Chumillas finden konnten”, erzählt de Verona. Der Grund war die Mechanisierung der Landwirtschaft und die Entstehung neuer Arbeitsplätze in den Städten durch die Industrialisierung. Er erinnere sich noch ganz genau an di e Abschiedsfeiern seiner Nachbarn und Freunde: “Sie hatten außerdem nicht vor, zurückzukehren. Sie haben sich für immer verabschiedet.”

Nur noch 25 Einwohner hatte Chumillas, als de Verona im Jahr 2007 die Kommunalwahlen gewann und ins Rathaus des bescheidenen Dorfes einzog. “Damals wohnte ich in Russland, ich habe viele Anrufe von Nachbarn bekommen, die mich gebeten haben, zu kandidieren. Am Ende haben sie mich überzeugt und ich bin nach Spanien zurückgekehrt”, erzählt er.

Erste Maßnahme: die Schule im Ort

Das erste Vorhaben des neuen Bürgermeisters hielten einige für unrealistisch: De Verona plante die Wiedereröffnung der Schule, die seit mehr als 20 Jahren geschlossen war. Im Dorf gab es aber nicht genügend Kinder, denn in einer Kommune in Spanien sind mindestens fünf Kinder erforderlich, um eine Schule zu eröffnen. In Chumillas gab es damals nur drei Mädchen, eines davon war die dreijährige Tochter des Bürgermeisters. “Glücklicherweise habe ich eine Familie mit Kindern im Schulalter gefunden, die Interesse daran hatte, in Chumillas zu wohnen”, sagt de Verona. Sie ist ins Dorf

“Die Würde zurückgeben”

Spanien: Strategie zur Wiederbevölkerung ländlicher Regionen für 2019 angekündigt

(BS/Ignacio Gómez Alberdi) In den sechziger Jahren war Chumillas ein “lebendiges Dorf”, wie Pedro de Verona es beschreibt. Er ist der Bürgermeister dieser kleinen Ortschaft in der Provinz Cuenca, südöstlich von Madrid, in der derzeit 55 Personen leben. Er erzählt, dass etwa 400 Personen in Chumillas wohnten, als er zur Schule ging, zusammen mit 70 anderen Kindern. Damals hörte man zu Hause die Geräusche von auf der Straße spielenden Kindern. Doch Anfang der siebziger Jahre fingen viele an, in die Städte zu ziehen – wie in vielen anderen Landesteilen auch.

eingezogen und somit wurde die Schule wiedereröffnet. Derzeit gehen 14 Kinder zur Schule von Chumillas, fünf Jugendliche fahren zum Gymnasium in einem nahe liegenden Dorf mit einem kleinen Schulbus, die Beförderung ist kostenlos. Das leere Spanien Chumillas befindet sich im sogenannten “keltiberischen Bergland”, einem bergigen und menschenleeren Gebiet im Nordosten Spaniens. In diesem Gebiet gibt es zahlreiche Kommunen mit sinkenden Einwohnerzahlen, die genauso wie Chumillas von Entvölkerung bedroht sind. Die Bevölkerungsdichte des keltiberischen Berglands beträgt weniger als acht Einwohner pro Quadratkilometer, dabei umfasst das Gebiet eine Fläche von ungefähr 63.000 Quadratkilometern, somit ist es so groß wie Lettland. Es hat aber nur etwa 500.000 Einwohner. Aus diesem Grund wird es auch das “Lappland Spaniens” oder das “leere Spanien” genannt.

50 Prozent bedroht

Doch nicht nur in dieser Region droht die Entvölkerung, wie der Bericht “Bevölkerung und Entvölkerung in Spanien im Jahr 2016” vom Verband der spanischen Kommunen und Provinzen (FEMP) zeigt. Danach ist die Hälf-

Spaniens Bevölkerung lebt zu 90 Prozent in den grün markierten Bereichen. Die Hälfte des Landes ist fast unbewohnt.

te aller Kommunen des spanischen Staatsgebiets (etwa 4.000) von Entvölkerung bedroht. Die Anzahl der Kommunen mit weniger als 100 Einwohnern liegt bei 1.286. Der Verband hebt darüber hi naus hervor, dass mehr als 80 Prozent der Kommunen in 14 Provinzen weniger als 1.000 Einwohner haben; unterhalb der 17 Autonomen Gemeinschaften (vergleichbar mit den Bundesländern in Deutschland) ist Spanien in 50 Provinzen unterteilt. Die Erhöhung der Kosten bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sowie die Nichtnutzung der Ressourcen im ländlichen

Smart Home für attraktive Kommunen

Nachhaltige, integrierte und kosteneffiziente Stadtentwicklung

(BS/Patrick Ney) Im altersübergreifenden Durchschnitt nutzen 16 Prozent der Deutschen Smart-Home-Produkte, in der mittleren Altersgruppe fast jeder vierte Deutsche, so die Ergebnisse der Umfragen des Bitkoms “Home Smart Home” sowie von Deloitte “Smart Home Consumer Survey” aus dem Jahr 2018. Daher sollten sich Kommunen der Lebenswelt ihrer Bürgerinnen und Bürgern öffnen und Potenziale erkunden. In einigen Städten ist es bereits Teil des strategischen Handlungsfeldes, um nachhaltige, integrierte und kosteneffiziente Stadtentwicklung zu betreiben.

Bisher nutzen einige Stadtwerke smarte Technologie zur Energiesteuerung oder das kommunale Gebäudemanagement greift auf Sensoren und Kameras zum Schutz von sensiblen Bereichen zurück. Aber ebenso können Bürger durch die Anwendungen bei dem Wunsch nach Komfort und Sicherheit unterstützt werden.

Ambient Assisted Living (AAL) und E-Health-Konzepte helfen eingeschränkten Menschen, in Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu Hause im Quartier weiterzuleben. Assistive Technologien in der eigenen Wohnung können sich al s neue W ohnalternative im Alter etablieren und Kosten sparen. Dabei sind

Smart-Home-Produkte Teil einer alter(n)sgerechten Wohnung, die sich den Bedarfen der Nutzer situativ und modular anpasst.

Geräte zur Aktivitätskontrolle, automatische Lichtsteuerung zur Sturzvermeidung oder automatische Herdabschaltungen können pflegende Angehörige (emotional) entlasten.

Kommunen könnten sich im Rahmen der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege durch technische Care-Pakete beteiligen und damit ihre Position als moderne Arbeitergeber stärken. Auch Pflegepersonal in stationären Einrichtungen kann in seinem Alltag mit Sturzsensoren oder intelligenten Matratzen, die Vitaldaten erfassen, unterstützt werden. Der Bedarf nach barrierefreiem

Wohnraum steigt. Doch neben den (Um-)Bau von entsprechenden Objekten bauen nur wenige Menschen ihre Wohnung oder das Haus proaktiv um, wie die Untersuchung des Bundesinsti-

Patrick Ney ist Projektmanager für Digitalisierung der Seniorenarbeit und in der alter(n)sgerechten Quartiersentwicklung, Digital Scout und Datenschutzbeauftragter der Stadt Hannover.

tut für Bau-, Stadt- und Raumforschung mit “Wohnen im Alter – Bestand und Bedarf altersgerechter Wohnungen” von Verena Lihs aufzeigt. Smarte Technologien, die Komfort und Sicherheit versprechen, könnten sich positiv auf die altersunabhängige Verbreitung von Barrierefreiheit in Deutschland auswirken. Auch Wohnungs- und Immobiliengesellschaften gehen von einer zunehmend stärkeren Nachfrage für AAL und Smart Home im mittleren Alterssegment aus, so die Ergebnisse der Studie “SmartHome- und AAL-Technologien in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft” aus dem Jahr 2016.

Kompetenzen aufbauen

Erfahrungen der kommunalen Technikberatung des Fachbereich Senioren sowie der smarten Must e rwohnung in Hannover zeigen, dass sich zunehmend mehr Ältere und junge Menschen mit Behinderungen für Anwendungen wie z. B. Sprachsteuerungssysteme interessieren.

Diese Produkte wirken weniger stigmatisierend, sind einfach zu bedienen und bieten zahlreiche Funktionen wie Gerätesteuerung oder Aktivierung des Hausnotrufs per Sprachbefehl.

Raum wären die Folgen der Ausbreitung dieser demografischen Wüste. Suche nach Lösungen Vor dem Hintergrund der schnell zunehmenden Anzahl von entvölkerten Landstrichen entschied die Zentralregierung im Januar 2017, das Amt des “Beauftragten der Regierung für die Demografische Herausforderung” zu schaffen. Die Aufgabe der derzeitigen Amtsinhaberin, Isaura Leal, besteht im Wesentlichen darin, eine nationale Strategie zur Bekämpfung der Entvölkerung zu entwickeln. Im Rahmen dieser nationalen Strategie sollten ebenfalls Maßnahmen hinsichtlich der Alterung der Bevölkerung getroffen werden. Im Laufe der letzten zwei Jahre wurden aber keine

konkreten Ergebnisse vorgelegt. Leal kündigte an, die Strategie im Frühling dieses Jahres zu präsentieren.

Aber trotz der Bemühungen der Regierung, die Wiederbevölkerung der ländlichen Regionen zu fördern, fühlen sich die Kommunalverwaltungen abgehängt.

“Ausschüsse werden immer wieder geschaffen, ab und zu fahren auch manche Politiker in die Dörfer, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Doch dann passiert nichts”, sagt de Verona Tatsächlich sind die Kommunalverwaltungen bei der Bekämpfung der Entvölkerung auf die Hilfe der Regierung und der Autonomen Gemeinschaften angewiesen, denn alleine können sie das Problem nicht lösen. “Wir suchen Arbeit für die Eltern, die vor Kurzem ins Dorf eingezogen sind. Wir versorgen aber auch die Familien mit Kindern im Schulalter mit Unterrichtsmaterial und Schulbüchern und wir haben die ehemaligen Wohnungen der Lehrer saniert, damit neue Familien auch hier im Dorf wohnen konnten”, berichtet de Verona über die Maßnahmen, die in Chumillas getroffen werden. Aber das reicht nicht. In Cuenca, einer Provinz, in der die Bevölkerung schon seit den Fünfzigerjahren kontinuierlich sinkt, setzt der Provinzialrat unter anderem auf die Förderung des Kulturgutes, um damit den Tourismus in der Region zu stärken. In den letzten acht Jahren wurden mehr als 20 Millionen

Euro in die Erhaltung archäologischer Kulturgüter investiert. “Dank dieser Investitionen haben wir im letzten Jahr eine Steigerung von zehn Prozent bei der Besucherzahl der P rovin z verzeichnet. Auch die Gebiete mit sinkenden Einwohnerzahlen haben großes wirtschaftliches Potenzial”, sagt Benjamín Prieto, Präsident des Provinzialrates in Cuenca.

Symptome einer Krankheit

Doch können diese Maßnahmen zur Wiederbevölkerung des ländlichen Raumes beitragen? Für Isaura Leal sind die Landflucht und das Sterben der Dörfer “die Symptome einer schweren Krankheit”, wie sie es nennt. Damit meint sie die soziale Ungleichheit zwischen dem ländlichen und dem städtischen Raum; und nur jene Maßnahmen, die diese Ungleichheit minimierten, könnten dazu führen, dass die Menschen wieder auf dem Land wohnen wollten. “Aber wenn ich eine konkrete Maßnahme nennen müsste, dann der Ausbau des schnellen Internets, denn alle sollten über einen angemessenen Internetzugang verfügen, egal wo sie wohnen. Das ist prioritär”, sagt sie.

Leal kritisiert aber auch das alte und weitverbreitete Vorurteil, die auf dem Land lebenden Menschen seien Versager oder Nichtsnutze. “Es gilt, diese Mentalität zu korrigieren. Dabei spielen die Medien eine ausschlaggebende Rolle. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Galizien und als ich klein war, haben meine Eltern mir immer gesagt, in der Stadt gebe es die besten beruflichen Perspektiven. Über Jahrzehnte hinweg hat man diese Idee von Generation zu Generation vermittelt, und das ist ein großer Fehler”, sagt Leal. Es gehe darum, den Menschen in den Dörfern ihre Würde zurückzugeben.

Foto: BS/privat

Mit der Verringerung baulicher Barrieren, technischer Assistenz, Service-Di enstleistungen und Quartiersentwicklung können Wohnungsunternehmen und Kommunen f ür zukunftsfähige Versorgungsstrukturen sorgen.

Dafür sollten Kommunen Kompetenzen für Smart Home, AAL sowie E-Health aufbauen und in bestehende Beratungsstrukturen wie Wohn- oder Pflegeberatung integrieren.

Nach diesem Ansatz berät die Landeshauptstadt Hannover u. a. ältere Menschen, Angehörige, Menschen mit Behinderungen, Selbsthilfeinitiativen, Architekten und Wohnungsunternehmen. Eine Musterwohnung mit baulichen und technischen Anpassungen in Kooperation mit Wohnungswirtschaft und Forschung dient als Experimentierraum sowie zur Sensibilisierung, denn vielfach sind technische Lösungen den Zielgruppen unbekannt.

Neben der Verfügbarkeit von leistu ngsfähigem Internet in Kommunen können freiwillige Aktivitäten im Bereich SmartHome oder AAL zur Erfüllung der digitalen Daseinsvorsorge beitragen und ein Standortfaktor sein. Dadurch, dass sich Smart Home im Privathaushalt ausbreitet, könnten Kommunen Schnittstellen für Sprachsteuerungssysteme bereitstellen, um Bürger direkt bei Fragen zu Anträgen zu unterstützen.

Seite 15 Behörden Spiegel / Februar 2019 Kommunalpolitik
Foto: BS/Ministerium für Raumordnungspolitik Spanien
Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 16 Personelles
Seite 17 Behörden Spiegel / Februar 2019 Personelles

OB Gerich tritt nicht erneut an

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruptionsverdacht

(BS/ab) Der Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) tritt nicht zur Wiederwahl am 26. Mai 2019 an. Momentan wird gegen ihn seitens der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Korruption ermittelt. Gerich habe im Zuge einer Pressekonferenz eingeräumt, dass er Fehler begangen habe, aber nicht bestechlich sei.

“Mit dem heutigen Schritt, der mir nicht leichtfällt, hoffe ich in diesem Sinne weiteren Schaden von den Institutionen dieser Stadt abzuwenden, da ich meinen Gegnern keine weitere Angriffsfläche mehr biete”, erläuterte er. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Oberbürgermeister wegen einer Spanienreise, die er im April 2014 getätigt hatte. Diese hatte er zusammen mit dem CDU-Politiker Ralph Schüler unternommen. Kurz vor Reiseantritt war der CDU-Politiker zum Geschäftsführer der Wohnen, Versorgung und Verkehr (WVV) Wiesbaden Holding berufen worden. Nachdem er in seiner Geschäftsführertätigkeit seine Hausverwaltungs-Immobiliengesellschaft damit kombiniert habe, wurde er gekündigt. Daraufhin zeigte er sich selbst an. Durch seine dann folgenden Aussagen sei die Staatsanwaltschaft erst auf den Oberbürgermeister auf-

Der Wiesbadener Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) tritt nach den Korruptionsvorwürfen nicht noch einmal zur Wiederwahl an.

Foto: BS/Stadt Wiesbaden

merksam geworden. So soll Schüler die Kosten der damaligen Spanienreise für Gerich und dessen Lebensgefährten in großen Teilen übernommen haben. Wobei der Wiesbadener Oberbürgermeister sich dahingehend äußerte, er habe die fehlenden Beträge in bar zurückerstattet. Der hessische SPD-Landesvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel äußerte sich ebenso zu dem Sachverhalt, er sprach Gerich seinen Respekt aus, dass er Verantwortung übernehme, um Schaden vom Amt des Oberbürgermeisters, der Familie, der Stadt und sich selbst abzuwenden. Die SPD Wiesbaden muss nun selbst einen geeigneten Kandidaten finden. Bislang ging nab davon aus, dass der amtierende Amtsinhaber wieder antreten würde.

Die CDU fordert ausführliche Erläuterungen von Gerich. Auch solle er an den Sitzungen des Revisionsausschusses ständig teilnehmen, statt sich vertreten zu lassen. Rücktrittsforderungen werden aus der Partei jedoch kaum laut – verständlich, wo ebenso ein eigener Politiker betroffen ist.

Kommunalpolitik / Personelles

Mimik, Gestik, Ton und Haltung

Kommunikation ist alles – und alles ist Kommunikation

(BS/Gerda Schneider) Kommunikation ist nicht nur Informationsaustausch, sondern gibt auch Auskunft über Beziehungen, Interessen und Emotionen. Dabei spielt vor allem die Körpersprache eine große Rolle.

Kommunikation verbindet Menschen und ist das Schmiermittel jeder Organisation. Bei jeder Nachricht schwingt mit, was ich von dem anderen halte und welche Bedürfnisse, Einstellungen, Werte und Gefühle ich habe. Das meiste davon wird durch die nonverbale Kommunikation übermittelt. Was davon beim anderen ankommt, ist höchst individuell. Denn jeder hat sein Bild der Welt im Kopf und interpretiert auf seine Weise. Man könnte fast sagen: Missverstehen ist der Normalfall. Trotzdem ist Kommunikation alles – und alles ist Kommunikation. Mimik, Gestik, Tonfall, Haltung und Bewegung sprechen für sich. Der Körper verrät unsere Gefühle und unsere innere Haltung. Die Stimme offenbart unsere Stimmung. Körpersprache anderer lesen

Die Schärfung der Wahrnehmung körpersprachlicher Signale ist die Grundlage dafür, andere besser zu verstehen. Um die Körpersprache zu lesen, gilt es genau zu beobachten und die Bedeutung verschiedener Merkmale zu kennen. Besonders die Mimik und die sogenannten Mikroexpressionen geben Hinweise auf Emotionen. Paul Ekman, ein amerikanischer Anthropologe und Psychologe, hat in empirischen

Gerda Schneider ist seit 2008 als Trainerin für öffentliche Verwaltungen tätig. Foto: BS/privat

Studien sieben Basisemotionen nachgewiesen, die von Menschen unabhängig von ihrer Herkunft und Sozialisation entschlüsselt werden können. Das Erkennen von Emotionen öffnet eine Tür der Verständigung zur anderen Person. Ich fühle, was der andere fühlt und habe damit die Möglichkeit, angemessen darauf zu reagieren.

Eigene Körpersignale kennen Je mehr Einfühlungsvermögen ein Mensch in die eigene Gefühlswelt hat, desto mehr wird er sich auch in andere einfühlen können. Ich sehe, fühle und höre mich anders als es andere tun. Selbstund Fremdwahrnehmung sind niemals gleich. Jeder hat einen blinden Fleck, also etwas, das die anderen sehen, aber mir verborgen bleibt. Die äußere Haltung gibt Aufschluss über Stimmungen, Emotionen und Gedanken. Gleichzeitig spiegelt die Körper-

sprache die innere Haltung mehr oder weniger direkt wider. Nur wenn die innere und die äußere H altung zusammenpassen, wird die Kommunikation als stimmig und überzeugend erlebt. Gedanken und Körpersprache bilden eine Einheit.

Die Macht des Unterbewussten

Die Körpersprache ist Ausdruck unseres Unterbewusstseins und ein wichtiger Spiegel unseres Befindens. Viele Vorhaben und Ideen scheitern nicht an der sichtbaren Ebene der Argumente, sondern an der emotional-unbewussten Ebene der Emotionen, verdeckten Interessen und Zielen. Viele Konflikte beruhen nicht auf sachlichen Auseinandersetzungen, sondern auf unterbewussten Glaubenssätzen, Werten und Einstellungen. Die Körpersprache liefert uns wertvolle Hinweise auf das, was sonst verborgen bl ei bt. Die Wahrnehmung zu schärfen, genau zu beobachten und richtig zu interpretieren, kann dazu beitragen, dass wir einander besser verstehen. Mit universellen Regeln zum Lesen

Gescheit scheitern

Ihre Aufgaben sind abwechslungsreich und komplex:

• Support und Hotlineunterstützung via Telefon, E-Mail und PC-Aufschaltung

• Schulung und Beratung beim Kunden

• Erstellen von Schulungsmaterialien, Dokumentationen und Präsentationen www.gfop.de, Telefon: 033205 / 211-0

der Körpersprache sollte man jedoch sehr vorsichtig sein. Jeder Mensch ist einzigartig und hat seine eigene Körpersprache. In einem Gespräch sollte zunächst die Körpersprache bei belanglosen Themen beobachtet werden, die sogenannte Baseline, und dann können aus den Abweichungen Schlüsse gezogen werden. Dabei sollte stets die Chance genutzt werden, die Interpretation durch Fragen zu überprüfen und daraus zu lernen. Nur so wächst das Wissen über Körpersprache. Unsere Körpersprache ist ein mächtiges Instrument der Kommunikation. Das Wissen über körpersprachliche Signale hilft, einander besser zu verstehen und mehr Empathie zu entwickeln. Damit gelingt es leichter, Vertrauen zu gewinnen, überzeugend aufzutreten und schwierige Situationen zu meistern.

Save the date

Was jeder über Körpersprache wissen sollte, thematisiert die Autorin in dem Seminar des Behörden Spiegel “Der Körper spricht immer” am 3. und 4. April 2019 in Berlin. Weitere Informationen unter www.fuehrungskraefte-forum. de, Suchwort “Körper”

Misserfolge als Voraussetzung für persönliches Wachstum und Erfolg (BS/ Gerald Kunzmann) Eine junge Frau aus England, die sich selbst später als “intelligentes Mauerblümchen” bezeichnet, möchte Schriftstellerin werden. Sie schreibt zwei Romane, findet jedoch keinen Verleger – beide Werke sollen nie veröffentlicht werden. Sie zieht nach Portugal, gründet eine Familie und arbeitet an einem neuen Buchprojekt. Die Ehe scheitert und sie geht mit ihrer Tochter wieder zurück auf die Insel. Alleinerziehend und von Sozialhilfe lebend, arbeitet sie in Edinburgh weiter an ihrem Buch. Als sie dieses fertig hat, beauftragt sie einen Agenten, einen Verlag für ihr Buch zu finden. Zahllose Verlage lehnen ab. Einer erbarmt sich jedoch und nimmt das Buch mit einer Auflage von 500 Stück an. Dafür lässt der Agent sich von der jungen Frau das Versprechen geben, sich einen ordentlichen Job zu suchen, weil sich mit der Schriftstellerei für sie kein Lebensunterhalt bestreiten ließe.

Das ist die Geschichte von J.K.Rowling, die exakt neun Jahre später erstmals in der ForbesListe als Milliardärin gelistet wurde und zahllose Auszeichnungen und Preise gewonnen hat. Das Buch ist inzwischen in mehreren Auflagen erschienen und wurde geschätzte 107 Millionen Mal verkauft. Die Rede ist natürlich vom ersten Harry-Potter-Roman. Was unterscheidet Rowling vom großen Heer der Namenlosen, die sich in ihren Leidenschaften verwirklichen wollen? Talent? Gut möglich. Vermögen? Kontakte? Wohl kaum. Dass Rowlings Lebensgeschichte viele Menschen fasziniert hat und auch verfilmt wurde, lässt sich nicht auf ihre schriftstellerischen Fähigkeiten reduzieren. Vielmehr fasziniert

uns ihre Fähigkeit, trotz vermeintlicher Schicksalsschläge nicht aufzugeben und unbeirrt ihr Ziel zu verfolgen. Scheitern und Misserfolg gehören zum Leben dazu. Sie passieren jedem von uns – von unserer Geburt bis ins hohe Alter. Eine schlechte Beurteilung, eine erfolglose Bewerbung, eine zer -

Der Landkreis Börde beabsichtigt zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Stelle Dezernent (m/w/d) für das Dezernat 3 unbefristet zu besetzen.

Das Dezernat 3 des Landkreises Börde umfasst die Ämter Bildung, Jugend, Soziales und Migration mit derzeit ca. 350 Mitarbeitern.

Die Bewerbungsfrist endet am 28.02.2019.

Für nähere Informationen zum Aufgaben- und Anforderungsprofil sowie den arbeitsrechtlichen Bedingungen besuchen Sie uns unter www.landkreis-boerde.de

brochene Liebe. Richard Cobden sagte: “Der Erfolg hat viele Väter. Der Misserfolg ist ein Waisenkind.”

Und tatsächlich – Misserfolge führen oft dazu, dass wir uns selbst zurückziehen und andere sich abwenden und distanzieren. In unserer Gesellschaft gilt das Scheitern als Stigma, wir reden nicht oft darüber, sondern empfinden es als Tabu. Obwohl Scheitern und Misserfolg zum Leben gehören, tun wir uns schwer im Umgang damit. Die gute Nachricht: Den Umgang mit Scheitern und Misserfolg kann man lernen. Eine positive und konstruktive Sichtweise auf das eigene Scheitern ist nicht nur gesünder – es ist die wesentliche Voraussetzung für persönliches Wachstum und damit auch für künftige Erfolge. Das Lernen beginnt mit der Sensibilität für die eigene Haltung: Wenn sich ein Paar nach 30 Jahren Ehe scheiden lässt, sprechen Sie dann von einer gescheiterten Ehe? Oder davon, dass die Ehe 30 (oder vielleicht auch nur 20) Jahre erfolgreich war? Es geht jedoch nicht darum, Dinge einfach schönzureden. Menschen neigen jedoch dazu, Dinge in Gänze als gut oder schlecht zu bewerten. Wenn jemand über seine Arbeit schimpft, wird er in aller Regel den ganzen Job schlechtreden, ohne zu unterscheiden zwischen Einzelfaktoren wie Arbeitsort, Kollegen, Vorgesetzten, Bezahlung, Arbeitszeiten und vielen anderen. Durch diese negative Pauschalisierung können wir jedoch nicht erkennen, was uns

im Ein zeln en guttut, was wir schätzen und woraus wir lernen können. Genauso verhält es sich mit dem Scheitern: Erst wenn wir uns vom Gefühl des pauschalen Malus lösen können, öffnet sich unser Blick für eine sachliche Analyse: Warum bin ich konkret gescheitert? Was habe ich dennoch gut gemacht? Worauf muss ich künftig achten? Wenn man sich diese Fragen ehrlich beantwortet hat, gilt es dann, selbst aktiv zu werden: Wandeln Sie die Antworten in Aktionen um, damit Sie sich wieder in die Erfolgsspur bringen. Mit einfachen Mitteln und Methoden kann man hierfür eine Strategie entwickeln. Das wichtigste dabei: Übernehmen Sie das Heft des Handelns, arbeiten Sie aktiv an Ihrer persönlichen Fail-ForwardStrategie! Genau dann können Sie persönlich wachsen und auch aus Ihrem Leben einen Bestseller machen.

Mehr

zum

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 18
Der Autor vermittelt die hier dargestellte Perspektive in einem Seminar des Behörden Spiegel am 8./9. Mai 2019 in Berlin. Dabei stellt er Techniken und Methoden vor, die helfen, aus Krisen und Misserfolgen gestärkt hervorzugehen. Programm und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “Scheitern” Auch beim Digitalen Staat steht das Scheitern auf der Agenda. Am 2. April 2019 moderiert Horst Westerfeld, Staatssekretär a. D., ab 18:15 Uhr die “Nacht des Scheiterns”. Mehr unter: www.digitaler-staat. org Thema
Gerald Kunzmann arbeitet bundesweit als Berater, Trainer und Coach. Foto: BS/privat
Wir bieten eine unbefristete Stelle als Fachberater (m/w/d) für Kommunalsoftware.

Hierzu konnten der Vorstandsvorsitzende der NRW.Bank, Eckhard Forst, und Moderator Dr. Jörg Hopfe , Bereichsleiter Förderberatung und Kundenbetreuung, zahlreiche Kämmerer und kommunale Finanzexperten aus ganz NRW in der Zentrale der Förderbank in Düsseldorf begrüßen.

NRW-Kommunalministerin Ina

Scharrenbach unterstrich in ihrer Rede einerseits die Bereitschaft des Landes, diese auch zukünftig tatkräftig zu unterstützen, etwa durch die Anhebung der Mittel d es Gemein definanzierungsgesetzes, Modernisierung der Wohnraumförderung oder bei der Lösung der Altschuldenproblematik. Die Ministerin erinnerte die Kommunen jedoch auch an deren finanzielle Eigenverantwortung: “Sie entscheiden, ob die Mittel konsumtiv oder investiv verwendet werden.”

Nicht nur Mütter, auch Töchter

Eine Erleichterung für die Kommunen soll auch die oben angesprochene Abschaffung der Verpflichtung zum Gesamtabschluss sein, wohl auch aus der Erkenntnis heraus, dass viele Kommunen bei der Verabschiedung der “Konzernbilanz” Jahre zurückliegen, weil sie diese personell nicht stemmen können.

Dieser Paradigmenwechsel wurde in Düsseldorf sowohl aus den Reihen der Kämmerer als auch

Doppik light

NRW verabschiedet sich vom verpflichtenden Gesamtabschluss

(BS/gg) Der Gesamtabschluss wurde im Zuge der Doppik-Einführung auf kommunaler Ebene lange Zeit als das Instrument dargestellt, um die erforderliche finanzielle Transparenz über alle Beteiligungen im “Konzern Kommune” herzustellen. Mit dem im Dezember 2018 beschlossenen

2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz müssen die Kommunen in Nordrhein-Westfalen nun für das vergangene Jahr letztmalig verpflichtend einen Gesamtabschluss aufstellen. Ab diesem Jahr genügt dann ein Beteiligungsbericht den gesetzlichen Anforderungen. Eine Entwicklung, die auch die Diskussion auf dem 13. Kommunalen Finanzmarktforum der NRW.Bank maßgeblich prägte.

von Expertenseite kritisiert – allerdings mit unterschiedlicher Stoßrichtung. So verstanden die kommunalen Praktiker nicht, warum sie, die teilweise mit den Abschlüssen noch Jahre zurückliegen, für das Jahr 2018 noch einen Gesamtabschluss vorlegen sollen und man nicht hier bereits auf den Beteiligungsbericht umgestellt hat. Das Argument der Ministerin, man habe diese Frist bewusst gewählt, um nicht die Untätigen zu belohnen und diejenigen zu bestrafen, die bereits am Gesamtabschluss 2018 arbeiteten, überzeugte die Kämmerer im Publikum zum Zeitpunkt der Veranstaltung Mitte Januar nicht, da wohl die wenigsten, wenn überhaupt jemand zu diesem schon mit dem Gesamtabschluss 2018 begonnen habe. Kritik am Abschied vom verpflichtenden Gesamtabschluss übte auch Prof. Dr. Dennis Hilgers, Leiter des Instituts für Public und Nonprofit Management an der Johannes-Kepler-Universität

Vielfalt stärken

NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach will bis zum Sommer auch zum Problem der kommunalen Altschulden eine Lösung auf den Tisch legen.

Fotos: BS/NRW.Bank

Linz (Österreich). “Die kommunale Familie besteht nicht nur aus Müttern, sondern auch aus Töchtern”, so Hilgers. Das Konzernbild sei daher die zentrale Perspektive der tatsächlichen V ermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Kommune als Ganzes. Sonst bestehe die Gefahr von Sc hattenhaushalten bzw. “Verschiebebahnhöfen”. Dieses

Forderung nach Bankenregulierung in Europa

(BS/gg) Um sich für die Vielfalt an Geschäftsmodellen, Rechtsformen und Angeboten stark zu machen, wurden die drei kommunalen Spitzenverbände, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund, sowie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband in Brüssel vorstellig.

Die Spitzenvertreter der vier Häuser unterstrichen, dass kommunale Kreditinstitute wie die deutschen Sparkassen sowohl in der Finanzmarkt- als auch in der Wirtschaftskrise Teil der Lösung und nicht Teil des Problems waren. Sie hätten stabilisierend auf Wirtschaft und Gesellschaft gewirkt. Die Bankenregulierung in Europa müsse daher – ähnlich wie in den USA – klarer zwischen Größe, Risiko und Geschäftsmodellen unterscheiden, um die Vielfalt auf dem europäischen Bankenmarkt zu stärken.

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, erklärte: “Mit dem Bankenpaket wird erstmals eine deutlichere Abstufung der Bankenregulierung in Europa etabliert. Dahinter darf auch die nächste EU-Kommission bei der Umsetzung der neuen Baseler Anforderungen nicht zurückfallen.”

Für Marcel Philipp, Oberbürgermeister von Aachen und Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages, erbringen Sparkassen zahlreiche wirtschaftliche, soziale und kulturelle Dienstleistungen, von denen die jeweiligen Kommunen, die lokale Wirtschaft und die Menschen vor Ort profitierten. Sie erfüllten einen öffentlichen Auftrag und seien wesentliche Finanzierungspartner der Kommunen. “Diese breite regionale Verankerung muss erhalten bleiben. Deshalb brauchen die Sparkassen einen wirksamen Schutz vor Überregulierungen.”

Vorschläge der EU für eine zentralisierte europäische Einlagensicherung (EDIS) lehne man ab. Solche Pläne stellten das bewährte System der Institutssicherung der Sparkassen-Finanzgruppe infrage. Der stabile und risikoarme Sparkassenverbund würde für fremde Risiken haften müssen, ohne eigene Steuerungsmöglichkeiten zu haben.

Diemert folgt auf Klug

Wechsel der Stadtkämmerin in Köln (BS/har) Prof. Dr. Dörte Diemert (parteilos) ist an die Spitze des Dezernates Finanzen der Stadt Köln gewählt worden. Die 44-jährige Juristin folgt in der Domstadt ihrer Vorgängerin Gabriele C. Klug nach. Diemert leitet dort seit Ende 2018 sowohl die Stadtkämmerei als auch das Steueramt.

Die neue Stadtdirektorin kam von der Stadt Duisburg, wo sie ebenfalls Kämmerin war, zur Stadtverwaltung Köln.

Zwischen 2014 und 2016 war si e bei m Deutschen Städtetag als Hauptreferentin für Kommunalfinanzen tätig. Vorher war sie Referentin des Landkreistages NRW. Diemert gehört zahlreichen Gremien und Verbänden an. Sie ist zum Beispiel im Vorstand des Verbandes kommunaler Unternehmen NRW organisiert. Diemert hat neben der beruflichen auch eine wissen-

Die Juristin Prof. Dr. Dörte Diemert wechselt von der Stadt Duisburg, wo sie Stadtdirektorin und Kämmerin war, zur Stadt Köln. Hier leitet sie als Stadtdirektorin das Dezernat Finanzen.

Foto: BS/Ralf Bauer

schaftliche Karriere absolviert. Sie ist langjährige Lehrbeauftragte für Kommunalfinanzen. Die Rechtswissenschaftlerin lehrt seit 2016 als Honorarprofessorin an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster.

werde durch die im 2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz vorgesehene Befreiung verwässert.

Appell für mehr Nachhaltigkeit

Neben Fragestellungen des Haushalts- und Rechnungswesens wurde auf der Veranstaltung auch das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz in Kommunen aufgegriffen, mit dem sich Bonns Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan auseinandersetzte. Dabei ging der ehemalige Kämmerer der Stadt Königswinter, der heute Präsident des International Council for Local Enviromental Initiatives (ICLEI) ist, u. a. auf die Herausforderungen der Klimafinanzierung bzw. die Finanzierung des Umgangs mit Klimafolgen ein, die nach seiner Erfahrung bei den Verhandlungen, etwa im Rahmen von Klimakonferenzen, immer eines der schwierigsten Themen

Bonn werde bis 2030 sämtliche Finanzanlagen nach ethischen und ökologischen Kriterien ausrichten, so der Oberbürgermeister der Bundesstadt, Ashok-Alexander Sridharan.

sei. Letztlich scheiterten hier gute Ideen und Absichten oft an deren Finanzierung.

Klimafinanzierung sei auch ein Thema von kommunaler Bedeutung, so Sridharan. “Wir hier in Deutschland haben den Luxus, auf viele staatliche oder europäi-

sche Förderprogramme zugreifen zu können. Um aber die Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen auch in Entwicklungsländern voranzubringen, brauchen wir zuverlässige Finanzierungsinstrumente”, so der Bonner Oberbürgermeister. Ein Beispiel hierfür sei der Grüne Klimafonds. Damit dieser zum Erfolg werde, müssten die Industrieländer ihren Verpflichtungen und Zusagen mehr als bisher nachkommen. Zudem müsse gewährleistet sein, dass Kommunen und Regionen weltweit Zugriff auf diese Instrumente bekämen. Bei der Erreichung der Klimaziele spielen für Sridharan die kommunalen Finanzmärkte und die öffentlichen Investitionen eine wichtige Rolle. “Daher hat die Stadt Bonn beschlossen, bis 2030 sämtliche Finanzanlagen nach ethischen und ökologischen Kriterien auszurichten”, erklärte er. Bereits heute liege dieser Wert bei 80 Prozent. Auch durch faire und nachhaltige Beschaffung könnten Kommunen einen wirkungsvollen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten. Er sei stolz darauf, dass die Stadt Bonn bereits seit 2010 für ihr besonderes Engagement für den fairen Handel als Fair Trade Town ausgezeichnet werde.

Bernd Lange, Landrat des Landkreises Görlitz und Mitglied des Deutschen Landkreistages im Europäischen Ausschuss der Regionen (AdR), machte klar: “Europäische Vorgaben umzusetzen, stellt die kommunal getragenen Sparkassen sowie die Genossenschaftsbanken, die gerade für die Entwicklung der ländlichen Räume eine große und unverzichtbare Rolle spielen, vor große Herausforderungen.” Sein Verband fordere, bei europäischen Gesetzgebungsvorschl ägen künftig stärker als bisher das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen, um eine differenzierte Regulierung von Instituten mit einfachen Geschäftsmodellen und niedrigem Risikoprofil zu erreichen. Kleinere Finanzinstitute sollten nicht den gleichen Vorgaben unterliegen “wie große, systemrelevante Banken”, forderte Lange.

“Gerade in der vor Jahren von Großbanken verursachten internationalen Finanzkrise haben die Sparkassen ihren Wert und ihre Stabilität gezeigt”, so Uwe Zimmermann , Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds. Sparkassen stünden für Kundenvertrauen, regionale Verbundenheit, Verlässlichkeit und Qualität. Sparkassen und öffentliche Banken stärkten und stabilisierten die Finanzmärkte und den Binnenmarkt. Das müsse geseh en u nd gewahrt werden und die Regulierung mit Augenmaß erfolgen.

Seite 19 Behörden Spiegel / Februar 2019 Kommunaler Haushalt

Kein Rollout in Sicht

Digitalisierungsbarometer macht Mängel deutlich (BS/Katarina Heidrich) Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebene “Barometer Digitalisierung der Energiewende” untersucht den Umsetzungsstand des Gesetzes für die Digitalisierung der Energiewende (GDEW). Während das Wirtschaftsministerium für das Berichtsjahr 2018 wichtige Meilensteine lobt, kritisiert der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) den Digitalisierungsgrad der Energiewende als “mehr als unzureichend”.

“Auf einer Skala von eins bis 100 erreicht die deutsche Energiewende lediglich einen Digitalisierungsgrad von 22. Das entspricht der Schulnote fünf, “nicht ausreichend”. Das ist ein inakzeptables Ergebnis für eine Industrienation, die einst eine Vorreiterrolle bei der Energiewende eingenommen hatte. Dabe i ist die Digitalisierung dringend notwendig, um die deutsche Energiewende erfolgreich umzusetzen”, betont bneGeschäftsführer Robert Busch Ein dezentrales Energiesystem auf Basis Erneuerbarer Energien mit einer Vielzahl an Akteuren und kleinen PV-Anlagen, Speichern, Wärmepumpen oder Ladepunkten für Elektroautos sei nur mit der Digitalisierung zu realisieren. Sie sei die Voraussetzung dafür, regenerative Energien zu integrieren und die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität miteinander zu koppeln. Die Zertifizierung eines SmartMeter-Gateways Ende 2018 sei ein wichtiger Meilenstein gewesen und habe ein zentrales Signal für ein zukunftstaugliches Smart Grid gesetzt, heißt es vom BMWi. Acht weitere befinden sich derzeit in Zertifizierung. Der bne allerdings kritisiert, der Zertifizierungsprozess intelligenter Messsysteme gehe “komplett an den Bedürfnissen von Verbrauchern und Marktakteuren vorbei”. Der

Verband fordert, die gesetzlichen und behördlichen Vorgaben auf grundlegende Mindestanforderungen zu begrenzen. “Derzeit gibt es lediglich ein Smart-MeterGateway auf dem Markt, das vom BSI zertifiziert ist. Erst wenn mindestens drei Smart-Meter-Gateways zertifiziert sind, kann das Bundesamt eine Markterklärung abgeben, welche Grundlage für den Rollout intelligenter Messsysteme ist. Allerdings können diese Smart-Meter-Gateways der ersten Generation kaum mehr Messdaten liefern als die bisher genutzten analogen Zähler, sodass der Nutzen für den Kunden ohnehin gegen null tendiert,” bemängelt Busch Nach Ansicht

des bne sei der im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) angelegte Zertifizierungsprozess strukturell problematisch und Grund für den verzögerten Rollout. Da der Gesetzgeber es versäumt habe, dem BSI genaue Vorgaben zu Zeit- und Kostenintensivität zu machen, bremse der Prozess Innovationen. “Nur wenn die Politik die Rahmenbedingungen auf die Innovationsgeschwindigkeit von Technologien und Märkten anpasst, kann in Deutschland ein flächendeckender Rollout innovativer Messsysteme beginnen, die sowohl einen attraktiven Kundennutzen bieten und den Rollout zu bezahlbaren Kosten ermöglichen”, fordert Busch.

Marktstammdatenregister geht online

Register für den deutschen Strom- und Gasmarkt (BS/kh) Die Bundesnetzagentur geht nach zweijähriger Verzögerung mit dem Internetprotal “Marktstammdatenregister (MaStR)” ans Netz. Ab sofort ist die Plattform online, auf der künftig die Stammdaten aller Anlagen und Akteure des deutschen Strom- und Gasmarktes veröffentlicht werden.

Die Datenbank für alle Energieerzeuger soll nun sämtliche Bürokratieebenen und Meldepflichten bündeln. Darin werden neben erneu erbaren un d konventionellen Stromerzeugungsanlagen auch Gaserzeugungsanlagen und industrielle Verbrauchsanlagen im Strom- und Gasbereich enthalten sein. Etwa zwei Millionen Anlagen müssen registriert werden. Das Portal soll zum einen

Für die eine “wahre” Zahl

Integration von Datenbanksoftware in das Beteiligungsmanagement (BS/Lars Scheider) Die Implementierung einer Datenbanksoftware für eine maßgeschneiderte Lösung für das Beteiligungsmanagement vor Ort steht und fällt mit der Auswahl des Anbieters. Die Einführung der Software verändert Arbeitsabläufe am Arbeitsplatz, Verwaltungsabläufe in den Verwaltungseinheiten und Kompetenzen zwischen den Beteiligten. Insofern ein echtes Change-Management-Projekt und damit Führungsaufgabe.

Der Durchbruch vom passiven Verwaltung zum aktiven Steuern erfolgt in Frankfurt am Main mithilfe einer modern, datenbankorientierten Software, die seit 2006 im Einsatz ist und alle Informationen zum Beteiligungsportfolio der Stadt aus einer Quelle bietet. Seit dem ersten Quartalsbericht über die Beteiligungen Frankfurts im Jahr 2003 sowie dem Systemwechsel auf eine moderne Beteiligungssoftware im Jahr 2006 konnte das Beteiligungscontrolling im Beteiligungsmanagement der Mainmetropole kontinuierlich optimiert werden.

Anforderungen

Eine Datenbanklösung (als sog. Data-Warehouse-Lösung) ist notwendig, um alle relevanten Daten für die Beteiligungssteuerung aus einer Hand zu bekommen und nur eine “wahre” Zahl/Datenangabe (single point of truth) für die Gesamtorganisation (Stadt/ Bet eiligungsmanagement) zu generieren. Entscheidend ist eine web-basierte Lösung, so dass die Dateneingabe für die Standardberichte auch durch die Beteiligungsunternehmen durchgeführt werden kann und somit eine der “goldenen Regeln” des Beteiligungsmanagements, Prozesse zu organisieren aber nicht durch Standardarbeit Arbeitsressourcen binden lassen, eingehalten werden kann. Die Pflegeoberfläche sollte PCund webbasiert (für dezentrale Datenerfassung) sein. Gerade durch die PC-Pflegeoberfläche wird für den Mitarbeiter des Beteiligungsmanagements die Bearbeitung mit den MicrosoftOffice-Paket-Kenntnissen des Arbeitsplatzes einfacher. Die

Ass. jur. Lars Scheider leitet die Abteilung Beteiligungsmanagement der Stadtkämmerei der Stadt Frankfurt am Main. Foto: BS/privat

Software sollte alle beteiligungsrelevanten Informationen im Rahmen der Stammdatenpflege erfassen können. Aufgrund der Gedächtnisfunktion der Verwaltung sollte die Software eine historische Datenbank (welche Feldinhalte wurden von wem wann und weshalb geändert) haben. Dies ist sehr wichtig, z.B. bei der Frage, wer war wann im Aufsichtsrat etc. Die Software sollte frei definierbare Berichtsschemata (Bilanz, GuV, diverese Kennzahlen) haben. Die Erfassung der Abschlüsse nach verschiedenen Rechnungslegungsvorschrift (z.B. HGB, IFRS etc.) sollte möglich sein. Die Berichterstellung sollte maximale Gestaltungsmöglichkeiten gewähren. Eine automatische Berechnung von Beteiligungsquoten ist sehr hilfreich. Außerdem ist die Abbildung des

Save the Date:

Beteiligungsportfolios (auch mit grafischer Darstellung) nicht nur für den Beteili gungsberi cht, sondern auch für ad-hoc-Berichte (z.B. Pressemitteilung) sehr wichtig. Die Software sollte unbedin gt eine Excel-Schnittstelle und eine SAP-Schnittstelle haben, weil dies die häufigsten Anwendungen sowohl in der Verwaltung als auch in den Beteiligungsunternehmen sind. Eine automatisierte Importfunktion reduziert den Arbeitsaufwand für die Dateneingabe bei den Beteiligungsunternehmen sehr.

Herausforderung

Durch die Einführung einer zentralen Datenbank für das Beteiligungsmanagement verändern sich Arbeitsabläufe, Verwaltungsabläufe und Kompetenzen. Deshalb ist die Einführung nicht nur eine technische/fachliche Herausforderung, sondern eine Führungsaufgabe! Die Kommunikation der Implementierungsprozesse hat zentrale Bedeutung für den Erfolg der Umsetzung.

Der Autor thematisiert die Anforderungen an das Beteiligungsmanagement und die vorhandenen Instrumente für ein solches im Rahmen des Behörden Spiegel-Seminars “Instrumente eines modernen Beteiligungsmanagements – vom passiven Verwalten zum aktiven Steuern” am 7./8. Mai 2019 in Berlin. Darüber hinaus geht er einen Tag später, am 9. Mai 2019 ebenfalls in Berlin, in einem weiteren Seminar auf die Rechte und Pflichten von Aufsichtsräten in öffentlichen Unternehmen ein.

Weitere Informationen unter www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Grundlagenseminar”

dazu dienen, Daten automatisiert abzurufen und zum anderen die Netzbetreiberprüfung abzuwickeln. “Viele behördliche Meldepflichten können zukünftig durch die zentrale Registrierung vereinheitlicht, vereinfacht oder ganz abgeschafft werden”, heißt es von der Bundesnetzagentur.

Hintergrund ist die am 1. Juli 2017 in Kraft getretene “Verordnung über das zentra-

le elektronische Verzeichnis energiewirtschaftlicher Daten – Marktstammdatenregisterverordnung – MaStRV”. In der Verordnung ist geregelt, wer sich registrieren muss und welche Anlagen gemeldet werden müssen. Im November 2018 trat die Novellierung der MaStRV in Kraft, die vor allem eine Anpassung der Fristenregelungen aufgrund des verzögerten Starts enthielt.

MELDUNG

Ausbaubeiträge für Umstellung auf LED-Beleuchtung (BS/kh) Das Verwaltungsgericht Koblenz hat entschieden, dass eine Kommune, die ihre Straßenbeleuchtung von Quecksilberdampflampen auf LED umstellt, von den Anliegern einen einmaligen Beitrag aus der Ausbaubeitragssatzung verlangen kann.

Hintergrund war die Klage eines Anwohners gegen die Ortsgemeinde Kirburg (Teil der Verbandsgemeinde Bad Marienberg im Westerwaldkreis). Die Kommune erneuerte in der Straße, in der sein Grundstück liegt, die Straßenbeleuchtung mit Umstellung

der Quecksilberdampflampen, deren Herstellung nach europäischem Recht seit 2015 verboten ist, auf LED-Beleuchtung. Das Gericht beurteilte dies als be i tragspflichtige Erneuerung der Teileinreichtung Straßenbeleuchtung.

Zukunft Abfallwirtschaft

Effizient.Kooperativ.Nachhaltig

27. März 2019, :metabolon, Lindlar

www.zukunft-abfallwirtschaft.de

Kreislaufwirtschaft als Daseinsvorsorge

Ziele und Funktionen der Abfallwirtschaft in einer nachhaltigen Wirtschaft

Kommunikationsbedürfnisse der Abfallwir tschaf t

Kreislaufführung in der Wertstoffwir tschaf t

:metabolon – Von der Deponie zum Innovationsstandor t (Vorstellung/Rundgang/Demonstration)

Eine Veranstaltung des:

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 20 Kommunalwirtschaft / Stadtwerke
In Deutschland ist bisher lediglich ein Smart-Meter-Gateway vom BSI zertifiziert – der Rollout liegt noch in weiter Ferne. Foto: BS/© krisana, stock.adobe.com

Radschnellwege in Planung

2022 könnte erster Baubeginn in Berlin sein (BS/ab) In Berlin wird momentan die Streckenführung für zehn potenzielle Radschnellverbindungen untersucht, die mindestens 100 Kilometer umfassen sollen. Für die ersten drei Radschnellverbindungen läuft die Untersuchung der bestmöglichen Streckenführung bereits, für weitere sieben startet diese in Kürze. In einer ersten Veranstaltung haben die Bürger über die Teltowkanalroute mitdiskutiert.

Die Machbarkeitsuntersuchungen sollen die Basis für die nächsten Planungsschritte bilden. Für die Tel t owkanalroute hat im Rathaus Schöneberg die erste öffentliche Informations- und Dialogveranstaltung stattgefunden, bei der mögliche Streckenvarianten vorgestellt und mit den Bürgern erörtert wurden. Die Route ist dabei rund 10,5 Kilometer lang, beginnt an der Landesgrenze von Berlin-Brandenburg bei Teltow und soll – teils entlang des Teltowkanals – durch die Stadtteile Lichterfelde, Lankwitz und Steglitz (Bezirk Steglitz-Zehlendorf) führen sowie durch den Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Mit einem Baubeginn wird 2022 gerechnet. Eine Weiterführung bis in den Bezirk Mitte wird geprüft. In ihrer Rede zu den Radschnellwegen betonte die Se-

MELDUNG

Die Radschnellwege beinhalten wenige Stopps und zeichnen sich durch ihre Breite, ihre Trennung von Fußwegen sowie die Vorrangregelung für Radfahrer an Kreuzungen aus.

Foto: BS/fgmsp, CC0, pixabay.com

natorin für Umwelt, Verkehr und Kli m aschutz, Regine Günther: “Die Radschnellverbindungen sind ein veritables Großprojekt

1,1 Mio. Euro für Wasserstoffförderung in NRW

(BS/ab) 1,1 Mio. Euro erhalten die Regionen Düsseldorf/Wuppertal/Rhein-Kreis Neuss, die Region Köln mit Brühl, Hürth und Wesseling, dem RheinischBergischen-Kreis und dem RheinSieg-Kreis sowie der Kreis Steinfurt. Dies geschah im Rahmen der ersten Runde des Wettbewerbes “Modellkommune/-region Wasserstoffmobilität NRW” durch das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium. Das Land Nordrhein-Westfalen will damit den Ausbau klimaschonender Wasserstofftechnologie fördern. Wirtschafts- und Energieminister

Prof. Dr. Andreas Pinkwart äußerte sich: “Das große Interesse an unserem Wettbewerb und die hohe Q ualität der eingereichten Grobkonzepte zeigen, dass viele Regionen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen sich bereits jetzt stark im Bereich der Wasserstoff-Mobilität engagieren Wir möchten die ausgewählten Regionen dabei unterstützen, ihre Aktivitäten auszubauen. So kann die klimafreundliche Transformation des Mobilitätssektors gelingen.” Die Gewinnerkommunen haben bis Ende des Jahres Zeit, ihre Konzepte auszuarbei-

Keine Glasfaser? Nicht mit uns!

Kontinuierlicher Glasfaserausbau bis ins Haus (BS/Hans Güldenpenning*) Glasfaser für alle – das ist das Motto der DNS:NET, die seit Jahren kontinuierlich in die Erschließung mit Breitband vor allem in ländlichen Regionen investiert. Das betrifft sowohl den flächendeckenden Ausbau weißer Flecken als auch die Lückenschließung bei neuen Bauvorhaben sowie den Anschluss kleinerer Ortschaften und Dörfer, die jahrelang auf schnelles Internet warten mussten. Für die Analyse und Umsetzung der jeweiligen Infrastruktur arbeiten Kommunen, Verwaltung, Bauträger und der Bereich Netzausbau, Projektmanagement und Vertrieb der DNS:NET vor Ort eng zusammen.

für den Radverkehr in Berlin. Sie verbessern die Radinfrastruktur entscheidend. Denn lange Strecken können sicher und komfortabel zurückgelegt werden. Das ist ein Anreiz, etwa für den Weg zur Arbeit vom Auto auf das Rad umzusteigen. So bringen wir die Verkehrswende voran.”

In den kommenden Monaten sind für die weiteren Radschnellverbindungen ebenso Dialogveranstaltungen geplant, zu denen die Senatsverwaltung für Verkehr einladen wird. Eine elfte Radschnellverbindung plant die Senatsverwaltung entlang der Tangentialverbindung Ost (TVO). Die beiden anderen Machbarkeitsstudien handeln über die Trasse Königsweg-Kronprinzessinnenweg und die Y-Trasse, die über Neukölln in Richtung Südosten/Schönefeld verläuft.

ten. Aus diesen drei Konzepten wird die Jury das beste Konzept zur Modellregion WasserstoffMobilität NRW küren. In den drei großen Regionen finden sich bereits Wasserstoffprojekte. Zum einen wird Wasserstoff durch biogenen Anteil von Müllheizkraftwerken, als Nebenprodukt industrieller Prozesse sowie mittel- und langfristig durch die Erneuerbaren Energien erzeugt. Zum anderen wird dieser dann in Fahrzeugen mit Brennstoffzellen, im ÖPNV und der Logistik, aber auch als Speichermedium für Strom genutzt.

Beteiligung ist keine Eintagsfliege!

Kommunikation über das Verfahren hinaus notwendig (BS/Leonie Arzberger*) Viele Verwaltungen und Behörden stellen sich zunehmend dem Wunsch der Bevölkerung nach Beteiligung. Sie organisieren spannende Verfahren und binden Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungsprozesse ein. Doch kaum ist der Prozess vorbei und alle hatten die Gelegenheit, sich einzubringen, endet oft die Kommunikation. Dies ist fatal: Denn die tatsächliche Arbeit für Behörden beginnt meist erst nach dem Beteiligungsverfahren. Wenn gerade dann der Austausch mit der Bevölkerung stoppt, führt dies zu neuer Frustration. Die Lösung hierfür ist einfach.

Nutzen wir zur Verdeutlichung

das Beispiel einer vom Durchfahrtsverkehr stark belasteten Gemeinde in Oberbayern: Die Frage der Verkehrsführung spaltete dort die Gemeindemitglieder. Der erste Bürgerentscheid zum Thema fiel mit 50,75 Prozent äußerst knapp gegen den Bau einer Umgehungsstraße aus und konnte daher nur wenig zur Klärung beitragen. Um den immer hitzigeren Diskussionsprozess konstruktiv zu gestalten, beschloss die Gemeinde, ein Bürgerbeteiligungsverfahren zu starten. In zwei Bürgerwerkstätten wurde Ideen und Diskussionen Raum gegeben. Parallel dazu gab es neue Erhebungen, Fachgespräche, einen weiteren Bürgerentscheid und eine abschließende Gemeinderatsklausur. Dank dieser Maßnahmen konnte viel Vertrauen seitens der Bevölkerung in die kommunale Lösungsfindung aufgebaut werden.

Vertrauensverlust folgte

Doch dann passierte, was bei öffentlichen Projekten häufiger der Fall ist: Gemeinsam gefundene Vereinbarungen und Termine konnten nicht gehalten werden, da nun Genehmigungen eingeholt und Anträge gestellt werden mussten, Gelder gerade nicht zur V erfü gung standen oder neue

Gutachten nötig wurden. Als schließlich mit eineinhalb Jahren Verzögerung die Sanierung der Durchfahrtsstraße absehbar war, war das Vertrauen der Bevölke-

rung in die Gemeindeverwaltung weg und die Wut dafür da. Bei Stammtischen wurde über die vermeintliche Untätigkeit des Bürgermeisters geschimpft und in öffentlichen Versammlungen waren unmittelbar betroffene Anwohner plötzlich überrascht, welche der besprochenen möglichen Ideen nicht realisiert werden würden. Der notwendige Zusammenhalt, um die Belastungsprobe einer Straßensanierung gemeinsam durchhalten zu können, war verloren.

Der Prophet zum Berg

Diese Situation hätte durch eine konstante Kommunikation durch die Gemeinde vermieden werden können. Verwaltungsprozesse dauern; da sind auch einer Kommune oft die Hände gebunden. Dennoch ist es wichtig, über Teilschritte zu informieren – sei es nur über eine Antragstellung beim Straßenbauamt oder eine Abstimmung im Gemeinderat –, sonst entsteht wie im oben beschriebenen Fall der Eindruck von Untätigkeit. Dafür ist es allerdings heute nicht mehr ausreichend, die Informationen auf der eigenen Website zur Verfügung zu stellen. Denn dies setzt voraus, dass die Information bewusst eingeholt wird. Wir sind es dank der Digitalisierung jedoch zunehmend gewöhnt, dass Informationen zu uns kommen. Hier müssen also auch Behörden umdenken: Haben Sie keine Angst vor Sozialen Medien. Nutzen Sie diese zu Ihrem

So nahm DNS:NET in den letzten Wochen knapp 20 weitere Technikverteiler in Brandenburg in Betrieb. Im Zuge des kontinuierlichen Ausbaus ging unter anderem auch Michendorf (PotsdamMittelmark) im Dezember ans Glasfaser-Netz der DNS:NET. Hier können jetzt 2.000 weitere Haushalte Highspeed-Internet von DNS:NET nutzen. Der letzte Bauabschnitt mit ca. 700 Haushalten wird in Kürze fertiggestellt. Michendorf ist – wie zuvor auch bereits Wilhelmshorst – an den Glasfaserring der DNS:NET angeschlossen, der aktuell ca. 40 Gigabit in die Orte bringt. Schnelles Internet bis in das Haus Mit FTTH(Fiber-to-the-Home)Anschlüssen – also Glasfaser

direkt bis ins Haus – erschlossen werden derzeit verschiedene Bauvorhaben und Siedlungen wie in Zernsdorf (Landkreis Dahme-Spreewald), wo derzeit in der Wohnsiedlung “Wohnen am See” 90 Wohneinheiten angeschlossen werden. Auch in Dallgow-Döberitz im Osten des Landkreises Havelland und Ludwigsfelde (Landkreis Teltow-Fläming) werden so de r zeit knapp 300 neue Wohneinheiten ans Netz gebracht, wobei die Glasfaser vom Verteilerkasten direkt bis ins Haus verlegt wird. Gestartet wird zu Beginn des Jahres zudem mit den Planungen für den Anschluss weiterer Tausend Haushalte in Brandenburg im nordöstlichen Bereich des Berliner Speckgürtels. Seit 2008

investiert DNS:NET in den Ausbau weißer Flecken.

Seit 2013 nur noch echte Glasfasernetze

Seit 2013 realisiert das Unternehmen nur noch Netze auf Basis echter Glasfaserleitungen mit Gigabitgeschwindigkeit, außerdem werden kontinuierlich ältere Infrastrukturen umgerüstet. Auch in Sachsen-Anhalt wird auf reine Glasfaser gesetzt. Die Kommunen in der Altmark und im Bördelandkreis setzen auf reine Glasfasernetze und FFTH oder FTTB (Fiberto-the-Building) in der Fläche und sichern so die kommunale Infrastruktur.

Vor-Ort-Betreuung und Kooperation

Die Gigabit-Glasfaserinfrastruktur kann beliebig erweitert werden, sodass für alle Zwecke entsprechend hohe Geschwindigkeiten möglich sind.

Bei der Erschließung neuer Gebiete wird Wert darauf gelegt, dass neue Infrastrukturen, wenn möglich, grundhaft gebaut werden. Die Zusammenarbeit mit den Kommunen und Bauträgern erfolgt so, dass das Projektmanagement der DNS:NET von Beginn an in alle Prozesse und Planungen involviert ist. Die Zusammenarbeit beruht auf dem Prinzip von Kooperation und Vor-Ort-Betreuung.

eigenen Vorteil! Sie können etwa eine Facebookseite laufend mit aktuellen Entwicklungen speisen und der Bürger wird diese zumindest passiv regelmäßig in seinem News Feed sehen.

Nicht nur über Erfolge informieren

Dabei gilt stets: Nicht nur Erfolge sind Nachrichten! Wird zum Beispiel ein Antrag bei einer übergeordneten Behörde abgelehnt, so ist es trotzdem wichtig, die Bevölkerung darüber zu informieren.

Auf diese Weise vermitteln Sie aktiv Ihre stete Bemühung, im Interesse Ihrer Bürger zu handeln. Gleichzeitig bestimmen Sie, mit welcher Geschichte ein vermeintliches Scheitern verbunden wird.

Machen Sie Verwaltungshandeln – mag es noch so langweilig erscheinen – sichtbar! Beteiligung ist keine Eintagsfliege, die wir kurz einsetzen können, um Bürgerinnen und Bürger zu beschwichtigen oder ein akutes Problem zu lösen. Beteiligung verlangt Kommunikation vor, während und vor allem auch nach einem Beteiligungsprozess, sonst laufen alle Bemühungen ins Leere – oder noch schlimmer, sie führen zu Frustration und Wut. Kommunikation kostet nur auf den ersten Blick Arbeit und Zeit, denn auf lange Sicht zahlt sie sich auch für öffentliche Verwaltungen aus.

*Leonie Arzberger ist Referentin für Kommunikation der koiné GmbH.

DNS:NET baut nicht nur Glasfasernetze, sondern legt vor allem Wert auf den Anschluss bis ins Haus (Fiber-to-the-Home).

Foto: BS/AnneVerschraagen, CCO, pixabay.com

*Hans Güldenpenning ist freier Journalist und Fotograf.

Seite 21 Behörden Spiegel / Februar 2019 Kommunale Infrastruktur

Aus dem Schatten treten

Fußgänger- und Radverkehr kommen aus der Nische (BS/ab) Fußverkehr und Radverkehr fristen in Deutschland ein Nischendasein. Dabei bieten sich beide Verkehrsarten gerade in Städten für kurze und mittellange Strecken an. Jedoch blockieren rechtliche Rahmenbedingungen sowie die Finanzierung den Fortschritt. Trotzdem leisten einige Kommunen Widerstand und sind aktiv in der Förderung.

“In Deutschland wird das Fahrrad als Alternative zum Auto noch nicht richtig ernst genommen. Dabei ist mehr Radverkehr die Antwort auf zentrale gesellschaftliche Herausforderungen wie Verkehrs- und Energiewende, Klimawandel und Gesundheit”, kritisiert Johanna Weidauer vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Die meisten Menschen würden jedoch nur Fahrrad fahren, wenn sie sich sicher fühlten. “Genau hier liegt das Problem: Die Infrastruktur für Radfahrer ist denkbar schlecht, Radwege sind zu schmal, in zu schl echtem Zustand oder gar nicht erst vorhanden”, betont Weidauer. Insgesamt würden 50 Prozent aller Wege unter fünf Kilometer in Deutschland trotzdem mit dem Auto zurückgelegt. Davon könnte gut ein Drittel mit dem Rad erledigt werden.

Unsicherer Alltag

Ein weiteres Kernproblem ist die Konfliktsituation zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern, deren Wege sich oft im Straßenverkehr kreuzen und wo sich Fußgänger sowie insbesondere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen von Zweiradrasern bedrängt fühlen. Mittlerweile kann dies durch vorausschauende Planung gelöst werden, wie die Bielefelder Nahmobilitätsbeauftragte Barbara Choryan erläutert: “Bei jeder Maßnahme für den Radverkehr wird der Fußverkehr mit einbezogen. Eine weitestgehende räumliche Trennung w ird angestrebt und durch Aufklärung auf gegenseitige Rücksichtnahme hingewirkt. Geplant ist außerdem die Erstellung eines Fußverkehrskonzeptes.”

Trotzdem kann es momentan noch zu Berührungspunkten kommen, vor allem wenn Fahrradfahrer die Gehwege mitbenutzen. Deshalb fordert der Fußverkehrsverantwortliche der Stadt Leipzig, Friedemann Goerl, beispielsweise die Markierungen von Radfahrstreifen oder Schutzstreifen auf der Fahrbahn. “Hier können Rad- und Fußverkehrsförderung Hand in Hand arbeiten.” Aber beide Verkehrsarten haben unterschiedliche rechtliche Hemmnisse, die sowohl die Sicherheit als auch die Planung gefährden. “Ein konkretes Beispiel wäre hier die Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (umgangssprachlich Zebrastreifen). Diese erfreuen sich bei Bewohnern unserer Stadt zu Recht einer

Welche Rolle spielt Elektromobilität für die Kunden des DKV?

Unsere Kunden bewegen sich immer mehr im Bereich der Elektromobilität und wollen ihre Versorgung sicherstellen. Damit sie das an öffentlichen Ladepunkten tun können, haben wir bereits 2015 die Hybridkarte DKV CARD +CHARGE eingeführt. Mit ihr können DKV Kunden sowohl herkömmliche Kraftstoffe, Mauten und Fahrzeugservices abrechnen als auch Strom laden.

Wie wird die aktuelle Versorgungssituation für Elektrofahrzeuge in Deutschland eingeschätzt?

Trotz starken Wachstums reicht die Netzdichte noch nicht aus. D enn der Ladevorgang benötigt deutlich mehr Zeit als ein Tankvorgang. Zudem wird nur ein Bruchteil der bundesweiten Ladevorgänge öffentlich abgewi-

großen Beliebtheit. Jedoch sind hier die festgelegten Einsatzgrenzen streng formuliert, sodass ein Einsatz dieser Querungshilfen oft nicht angeordnet werden kann”, kritisiert Goerl Choryan wiederum sieht in den unterschiedlichen Anforderungen der Baulastträger die Herausforderungen. “Die Förderlandschaft ist zwar massiv ausgeweitet worden, Förderzeiträume passen jedoch n icht zur Behördenstruktur und dem Zeitbedarf politischer Willensbildung”, merkt sie an. Eine projektbezogene personelle Aufstockung sei notwendig, jedoch durch die aktuelle Arbeitsmarktsituation schwierig. Das Vergaberecht verschlimmere diese Probleme durch langwierige Vergabeverfahren zusätzlich. “Haushaltsrechtlich sind die finanziellen Radmittel bisher als freiwillige Leistungen eingestuft und daher für Kürzungen oder andere Zugriffe anfällig”, fasst sie die Kernprobleme zusammen.

Förderung mit Strategie

Trotzdem wurde in Bielefeld mittlerweile ein eigenes Fahrradbudget von 2,65 Mio. Euro für das Jahr 2019 eingerichtet, welches sukzessive erweitert werden soll. “Die Stadt möchte weg von zumeist isoliert betrachtete und langwierigen Prozessen hin zu Maßnahmen, “welche Teil einer Gesamtstrategie sind und von einer breiten Mehrheit getragen werden”, erläutert die Nahmobilitätsbeauftragte. Hierfür sind unter anderem ein standardisiertes Konzept “Sustainable Urban Mobility Plans (SUMP)” erarbeitet sowie ein standardisiertes Verfahren “Bicycle Policy Audit (BYPAD)” durchgeführt worden. In deren Nachgang wurden zwei unterstützende Gremien eingerichtet, wodurch der Dialog mit der Fahrradlobby nachhaltig und zielorientiert verbessert worden sei. Es befänden sich zudem sowohl ein Radverkehrskonzept als

auch eine Gesamtmobilitätsstrategie in Bearbeitung. Netzwerke, auch in die Region und darüber hinaus, würden gebildet und verstärkte Marketingmaßnahmen könnten die Radverkehrsförderung zusätzlich unterstützen. Ferner erklärt Weidauer, dass für die Lösung des Raumkonfliktes mehr Platz nötig sei und dies zulasten des Autoverkehrs. Auch schlägt sie vor: “Es braucht mutige politische Entscheidungen und viel Investitionen. Der ADFC fordert, 30 Euro pro Einwohner und Jahr in den Radverkehr zu investieren, aktuell geben deutsche Städte unter fünf Euro für den Radverkehr aus.” Für den

Fußverkehr wiederum braucht es nach Goerl einen Mentalitätswandel. Das übergeordnete Ziel einer Fußverkehrsplanung sei, eine Stadt der kurzen Wege in menschlichen Dimensionen zu fördern, erläutert der Fußverkehrsverantwortliche. Zur aktiven Förderung des Fußverkehrs gehöre auch, die Aufenthaltsqualität und Attraktivität von Straßenzügen und Plätzen zu steigern, weshalb sich darauf stärker fokussiert werden müsse. Damit ein stärkeres Umdenken stattfinde, müssten sowohl die Bürger als auch die Politiker adressiert werden: “Hier muss das Problembewusstsein geweckt und auf die Qualitäten des Gehens, von Aufenthalt, Verweilen, Kommunikation und Sicherheit im öffentlichen Raum hingewiesen werden, welche elementar für unsere urbane Gesellschaft sind”, so Goerl. Hinzu komme, dass in der Regel nur große Bauprojekte im medialen Diskurs berücksichtigt würden. “Dabei sind es aber oft die scheinbar banalen Dinge wie eine fehlende Bordsteinabsenkung oder ein fehlender Fußgängerüberweg, welche das alltägliche Leben in unserer Stadt maßgeblich beeinträchtigen.”

MELDUNGEN

87 Mio. Euro für alternative Kraftstoffe (BS/ab) Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) fördert 150 Projekte in seiner Forschungsinitiative “Energiewende im Verkehr”. Forschung, Entwicklung und Demonstrationen von neuen Technologien und Konzepten für synthetische Kraftstoffe sollen mit 87 Mio. Euro über die nächsten drei Jahre bezuschusst werden. Die synthetischen Kraftstoffe können hierbei helfen, die Luft vor allem in stark belasteten Kommunen sauberer zu gestalten.

Thomas Bareiß, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWi, äußerte sich zu der Initiative: “Alternative Kraftstoffe sind insbesondere bei großen Transportmengen und Entfernungen, wie im Luftverkehr oder in der Schifffahrt, eine vielversprechende Option zur Umsetzung der Energie-

wende im Verkehrssektor. Zudem erweitert die damit verbundene Kopplung der Infrastrukturen für Energie und Verkehr die politischen Handlungsoptionen.” 16 Projekte sollen als Kooperationen zwischen Industrie und Forschung realisiert werden. Darin werden unter anderem die Herstellung oder Nutzung von strombasierten Kraftstoffen wie Ethanol und synthetisch hergestelltem Erd- und Biogas mit Wasserstoffanteilen aufgegriffen. Zudem könnten manche der Alternativen direkt den gängigen Antriebsmitteln von Pkws beigemischt werden. Im Jahr 2022 soll eine Roadmap basierend auf den Forschungsergebnissen erstellt werden. Handlungsempfehlungen für die Entwicklung, Produktion und Markteinführung sollen darin abgeben werden.

33,2 Mio. Euro für kommunale Projekte (BS/ab) Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) übergab die “Zukunftsschecks” mit über 33,2 Mio. Euro Fördervolumen an Städte, Landkreise, Organisationen und Unternehmen. Diese Akteure beteiligen sich in knapp 150 kommunalen Projekten an der Elektromobilität im Rahmen des “Sofortprogramms Saubere Luft 2017-2020” und des Bundesprogramms Ladeinfrastruktur.

Scheuer äußert sich diesbezüglich: “Wir bringen die Zukunft der Mobilität direkt auf die Straße. Mit 33,2 Millionen Euro Fördermitteln ermöglichen wir die Beschaffung von 3.400 E-Fahrzeugen, den Aufbau von 1.100 neuen Lademöglichkeiten und 285 zusätzlichen Normal- und Schnellladesäulen. Das bedeutet zeitgemäße urbane Mobilität und noch bessere Luft in unseren Städten.”

“Mobilität”

Garantiert mobil – auch im ländlichen Raum!

von Dr. Ulrich Keilmann

Gerade für den ländlichen Raum ist Mobilität ein zentrales Thema. Ein dem Standard von Großstädten entsprechendes flächendeckendes ÖPNVAngebot ist regelmäßig nur mit großem finanziellem Aufwand zu erreichen. Um Mobilität in ländlicheren Gebieten sicherzustellen, initiierte der Odenwaldkreis (mit knapp unter 100.000 Einwohnern der kleinste Landkreis Hessens) mit seiner Nahverkehrsorganisation das Projekt “Garantiert mobil”. Kerninhalt des Programms ist eine Mobilitätsgarantie zwischen fünf und 22 Uhr, um die Bürgerinnen und Bürger mit verschiedenen Bedienformen in die zentralen Orte des Landkreises befördern zu können. Als Bedienform standen Bus, Rufbus, “taxOmobil” und private Mitnahmefahrten zur Verfügung. Die Nahverkehrsorganisation stellte ihr Angebot der Mobilitätsgarantie über eine

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/privat

Website und sogar eine App zur Verfügung. Auf diesen Plattformen wurden die gewünschten Fahrten der Bürgerinnen und Bürger mit einem Fahranbieter vermittelt.

Für die gängigen ÖPNV-Leistungen galt der Tarif des Verkehrsverbundes RMV. Bei dem taxOmobil handelte es sich um M i tfahrgelegenheiten von gewerblichen Anbietern, die es auf allen Strecken im Bedienzeitraum gab, auf denen die Mobilitätsgarantie galt. Für die Benutzung solcher Taxifahrten erhob die Nahverkehrsorganisation einen Zuschlag. Neu an

Der Weg zur E-Mobilität

diesem Modell war, dass auch Private ihre Fahrten ebenfalls im System hinterlegen und damit für potenzielle Mitfahrer anbieten konnten und die Mitfahrenden ebenfalls den RMVTarif bezahlen mussten.

Die Realisierung dieses Ansatzes war für die Nahverkehrsorganisation allerdings zunächst mit einigen rechtlichen Hürden verbunden, weil das zuständige Regierungspräsidium die privaten Mitnahmefahrten als genehmigungspflichtige Personenbeförderung qualifizierte.

Dies hätte bedeutet, dass jede Person, die ihr Kraftfahrzeug für derartige Mitnahmefahrten zur Verfügung gestellt hätte, unter anderem einen “Personenbeförderungsschein” (Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nach § 48 Absatz 1 FahrerlaubnisVerordnung) benötigt hätte. Die Bedenken konnten schließlich jedoch ausgeräumt werden. Bedingung dafür war ein Entgelt

Zwischen Versorgungskonzepten, Ladeinfrastrukturen und der Zukunft (BS/Christopher Schäckermann) Als einer der führenden Mobilitätsdienstleister mit rund 80.000 markenübergreifenden Akzeptanzstellen (Tankstellen, Mautstellen, Werkstätten etc.) in über 40 Ländern macht der DKV Euro Service gewerbliche Fuhrparks effizienter. Auch im Bereich Elektromobilität hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren einiges an Know-how aufgebaut – und sich zusammen mit starken Partnern zum FullService-Provider entwickelt. Im Behörden Spiegel werden Fragen zur Elektromobilität und damit einhergehend zur Ladeinfrastruktur beantwortet.

ckelt. Somit benötigt der Nutzer aber ei n Versorgungskonzept, dass seinen Tagesablauf abbildet und die immer noch vergleichsweise geringen Reichweite der am Markt erhältlichen Elektrofahrzeuge berücksichtigt. Hier set z en wir an und entwickeln gemeinsam mit dem Kunden eine praxistaugliche Versorgungssituation.

Wie soll dies erreicht werden?

Unser Portfolio umfasst das Laden Zu Hause, auf der Arbeit und an öffentlichen Ladepunkten –kurz: @home, @work und @road. Wie bei herkömmlichen Tankvor-

gängen bieten wir eine korrekte Erfassung und Verrechnung. Hier verfügen wir als langjähriger Abrechnungsintegrator über eine ausgezeichnete Expertise. Schließlich rechnen wir europaweit Tank- und Mautvorgänge bei rund 200.000 Kunden ab. Ob dabei Liter oder Kilowattstunden abgerechnet werden, ist für uns unerheblich.

Ein solches Versorgungskonzept setzt entsprechende Hardware –wie Wallboxes – voraus. Existieren hierfür die notwendigen Partner?

Wir haben in der Vergangenheit unser Portfolio im Bereich

Ele kt romobilität konsequent ausgebaut. Jüngstes Beispiel ist die Gründung der Charge4Europe GmbH gemeinsam mit innogy. Im Rahmen des Joint Ventures werden wir gemeinsam ein europaweites Roamingnetz öffentlicher Ladepunkte für EFlotten aufbauen. Um seinen Kunden auch Lösungen für das Laden zu Hause und auf der Arbeit (@home, @work) anbieten zu können, wird der DKV über das Joint Venture hinaus auch eine Vertriebspartnerschaft mit innogy eingehen. Dadurch können DKV-Kunden über den Mobilitätsdienstleister auch Wallboxen und Ladesäulen beziehen, sie

für den Anbieter der Mitnahmefahrt, das die Kosten der Beförderung nicht übersteigt. Als nicht kostendeckendes Entgelt wurde letztlich ein Kilometersatz von 0,12 Euro je km quantifiziert.

Aus Sicht der Überörtlichen Prüfung ist dieses Konzept, die Mobilität im ländlichen Raum deutlich zu erhöhen oder gar überhaupt erst zu ermöglichen, zu begrüßen. Die Prüfung zeigte aber auch, dass der Rechtsrahmen auf Bundesebene noch nicht den örtlichen Anforderungen und Bedarfen flexibler Bedienformen entspricht.

Lesen Sie mehr zum Thema Öffentlicher Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) im Kommunalbericht 2018, Hessischer Landtag, Drucksache 19/6812 vom 13. Dezember 2018, S. 224 ff. (244 f.). Der vollständige Kommunalbericht ist kostenfrei unter rech nungshof.hessen.de abrufbar.

zu Hause und am Arbeitsplatz i nstallieren lassen und über ihren Arbeitgeber transparent abrechnen.

Mit welcher Entwicklung kann in den nächsten drei bis fünf Jahren gerechnet werden?

Ich denke, dass das Thema langsam, aber sicher Fahrt aufnimmt – nicht nur, weil es auf der pol i tischen Agenda steht. Wir sehen hier allerdings mehr eine Evolution als eine Revolution. Denn der Verbrennungsmotor wird nicht über Nacht verschwinden. D aneben gibt es aus unserer Sicht weitere vielversprechende Ansätze wie beispielsweise den Wasserstoffantrieb. Entscheidend bleibt für unsere Kunden, dass Mobilität und Arbeit nicht unterbrochen werden. Deshalb wird immer auch das dazugehörige Versorgungskonzept eine zentrale Rolle spielen.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 22 Kommunale Infrastruktur / Elektromobilität
Foto:
Christopher Schäckermann ist Head of Product Management eMobility bei DKV Euro Service GmbH + Co. KG. BS/DKV Euro Service GmbH + Co. KG Fuß- und Fahrradverkehr kommen aus ihren Nischen raus. Leipzig und Bielefeld besitzen Beauftragte, die ihr Augenmerk auf deren Förderung ausrichten und dabei auch Grenzen aufzeigen. Foto: BS/© Werner, stock.adobe.com

Behörden Spiegel: Der Dieselskandal hat nochmal das Bewusstsein für eine Wende geschärft. Wie steht es um die Verkehrswende in Deutschland?

Gelbhaar: Die Bundesregierung arbeitet sich am Wort “Verkehrswende” ab. Am Wort. An Taten fe hl t es. Dabei ist klar: Wir müssen mehr Straßenraum für Bus und Bahn, Rad- und Fußverkehr bereitstellen. Und den bestehenden umgestalten, den Menschen den öffentlichen Raum in den Städten und Gemeinden zurückgeben. Dazu brauchen wir ein Angebot, dass alle von einem eigenen Auto möglichst unabhängig macht. Ob in sich verdichtenden Städten, wo der Platz für’s Auto einfach nicht mehr da ist. Oder wegen der vielen Menschen im hohen Alter ohne Auto – oder bei den Jungen auf dem Land. Und da haben wir noch kein Wort über die Herausforderungen in Sachen Umwelt und Klima, Stichwort Pariser Klimaschutzabkommen, oder Verkehrssicherheit gesprochen: Die Verkehrswende ist bitter nötig, es ist viel zu tun.

Behörden Spiegel: Wie können Kommunen die Verkehrswende nach vorne treiben?

Gelbhaar: Stadt- und Verkehrsplanung ist eine der wichtigsten Aufgaben. Gerade bei der Aufteilung des Raumes, dem Ausbau des Angebots von Bus und Bahn, der Einrichtung von sicheren Schul- und Radwegen. Die Kommunen müssen Fachleute binden, eine neue Verkehrskultur planen und umsetzen, müssen neue Busse und Bahnen ordern. Es ist eine ungemeine Fülle an Aufgaben. Aber klar ist auch: Kommunales Engagement alleine reicht nicht aus, wenn der Bund nicht die entsprechenden Grundlagen schafft. Noch immer liegt dort der Fokus auf dem Auto, vom Verkehrsrecht bis zum Autobahnbau sogar in Städten. CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer konzentriert sich darauf, Dieselgate und Fahrverbote wie ein Wirtschaftsminister zu behandeln, statt engagiert die Verkehrswende voranzubringen. Nur fünf ÖPNV-Modellstädte auszurufen, ist lächerlich und spielt auf Zeit. Oder um es anders zu sagen: Eine engagierte Verkehrsdezernentin kann viel wettmachen, was der Bund rechtlich oder finanziell nicht ordentlich aufstellt. Jedoch stehen viele Herausforderungen und Aufga-

Dezernent kann nicht alles ausbügeln

Das fehlende Engagement bei der nötigen Verkehrswende

(BS) Stefan Gelbhaar, Mitglied des Bundestages, Sprecher für städtische Mobilität und Radverkehr-Obmann im Verkehrsausschuss für Bündnis

90/Die Grünen, erläutert im Behörden Spiegel Interview die wichtigen Aspekte der Verkehrswende und die entscheidende Rolle der Kommunen. Er kritisiert jedoch ebenso die schlecht ausgearbeiteten Rahmenbedingungen durch die Bundesregierung und wie eine clever genutzte Digitalisierung sowohl den Städten als auch den Gemeinden zu einem besseren Mobilitätsangebot verhelfen kann. Die Fragen stellte Adrian Bednarski.

ben an, sodass alles Aufwendige schließlich häufig aufgeschoben werden muss.

Behörden Spiegel: Inwiefern?

Gelbhaar: Nehmen wir als ein einfaches Beispiel die Einrichtung von Fahrradstraßen.

Momentan muss die Kommune nachweisen, wie viel Radverkehr auf der Straße erwartet wird.

Solche Analysen sind aufwendig und binden knappes Fachpersonal. Ein weiteres Beispiel ist die Gemeindeverkehrsfinanzierung. Darin sind Passagen enthalten, die nur Neubau statt Sanierung fördern. Der Ausbau von Straßenbahnen wird nur auf eigenen Trassen gefördert, statt diese die Straßen mitnutzen zu lassen.

Das könnte der Bund ändern – bis jetzt hängt das oder wird gar nicht angegangen. Stattdessen wird das Geld weiter in teure Großprojekte versenkt. Dabei existieren viele kleine Projekte, die in ihrer Gesamtheit eine deutlich höhere Wirkung erzielen würden.

“ Kommunales Engagement alleine reicht nicht aus, wenn der Bund nicht die entsprechenden Grundlagen schafft.”

Behörden Spiegel: Welche konkret?

Gelbhaar: Exemplarisch für den Schienenverkehr gesprochen: hier eine weitere Weiche, dort ein drittes Gleis, auch die Digitalisierung von Bahnstrecken im Nahverkehr, um dort autonomes Fahren und damit dichtere Takte zu ermöglichen.

Behörden Spiegel: Was müsste Ihres Erachtens getan werden, um dem Abhilfe zu schaffen?

Gelbhaar: Die Förderangebote und Finanzierungsinstrumente des Bundes müssen überprüft, teils ausgeweitet, teils auch nur aktualisiert werden – etwa im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG). Und es braucht deutlich mehr finanzielle Mittel

vom Bund. Denn der Grundsatz, der von der Bundesregierung außer Acht gelassen wird, ist: Verkehrspolitik ist Angebotspolitik. Wer Bus, Bahn, Fuß und Fahrrad will, muss attraktive Bahnhöfe, Radschnellwege, Fußverkehrsbrücken bauen, Takte verdichten –als ein paar Beispiele. Die Lippenbekenntnisse der Koalition reichen da nicht, zumal zugleich noch und nöcher Geld in Autobahnbau gesteckt wird. Klar ist aber auch: 50 Jahre autofreundliche Stadtplanung können nicht binnen Monaten rückgängig gemacht werden.

Behörden Spiegel: Es wirkt so, als sei der Bund sehr stark involviert?

Gelbhaar: Bund und Länder setzen den Rahmen, die Kommunen sind vielfach entscheidend bei der Umsetzung. Schauen wir uns kurz die Radschnellwege an, als zusätzliches Instrument für die Bewältigung der zunehmenden Pendlerverkehre. Es ist schier unfassbar, dass die Kriterien für die Förderung von Radschnellwegebau zwei Jahre gebraucht haben. Oder: Mobilität muss einfach sein. Deshalb sprechen wir uns für einen Mobilpass aus. Wir brauchen dazu die Verzahnung

Neue Mobilität

7.

Top-Referenten:

rstandes

Netzwerk intelligente Mobilität e. V., Fachlicher Leiter der Tagung

Landeshauptstadt Düsseldorf

Veranstaltungspartner:

“Es braucht deutlich mehr finanzielle Mittel vom Bund.”

Stefan Gelbhaar kritisiert die Bundesregierung für ihre Plan- und Tatenlosigkeit und erläutert, welche Rolle die Digitalisierung für die Verkehrswende hat.

Foto: BS/Adrian Bednarski

der verschiedenen Angebote von Fernbahn und ÖPNV und Sharing-Mobilitätsdiensten. Da fehlt der Bundesregierung eine Idee für eine rasche digitale Verknüpfung – die aber Voraussetzung ist. Die Bundesregierung muss endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, muss moderne Rahmenbedingungen schaffen, vom Mobilpass über die Regelung von Elektro-Kleinstfahrzeugen, genauso steht die Novellierung des Personenbeförderungsrechts oder der Gemeindeverkehrsfinanzierung aus.

Behörden Spiegel: Was kann die Digitalisierung genau für die Mobilität bewirken?

Gelbhaar: Sie kann gut gemacht ein starker Push-Faktor sein. Nehmen wir On-Demand- oder Ride-Sharing-Dienste. Die werden gerade vielfach ausprobiert

– aber in Innenstädten. Dabei müsste das auf dem Land ausprobiert werden. Vorbei die Zeit, als gar keine Busse oder fast leere Busse stur Routen abfuhren. Hierfür müsste das Personenbeförderungsgesetz durch den B und angepasst werden. Die Bundesregierung hat noch keinen Plan dafür. Die aktuellen Dienste laufen alle über die Experimentierklausel – für vier Jahre und auch nur in Städten. Weil sie nicht im Gesetz verankert sind, dort wird klassisch in Taxen, Busse oder Mietwagen unterteilt. Wenn keine Nachfolgeregelungen gefunden wird, laufen die einfach aus.

Behörden Spiegel: Nur für On-Demand-Dienste bräuchte es doch nicht die Digitalisierung. Was ist mit dem Taxigewerbe, das könnte es doch ebenso leisten?

Gelbhaar: Das Taxigewerbe wird auch künftig eine wesentliche Rolle spielen, und dabei meine ich nicht nur Inklusionstaxis. Die Taxiunternehmen besitzen vielfach die notwendige Technik, Organisation und Erfahrung für die neuen Mobilitätsangebote. Es gilt, die Jobs und vernünftige Arbeitsbedingungen zu sichern, auch wenn die Dienstleistung anders strukturiert wird. Interessanterweise führen einige Unternehmen diese Debatte, jedoch steht auch hierbei die Bundespolitik am Rande. Wie beim gesamten Thema Digitalisierung. Für eine Verknüpfung der Angebote rückt das Thema Open Data in den Fokus.

Behörden Spiegel: Bei Open Data bricht doch insbesondere dem Datenschützer der kalte Schweiß aus.

Gelbhaar: Es geht um die Verkehrsdaten der verschiedenen Verkehrsunternehmen, nicht um personenbezogene Daten. Es existieren zudem genügend Möglichkeiten, anonymisierte Daten zu erheben. Dabei muss klar sein: All jene Unternehmen, die im Verkehrsbereich unterwegs sind und die Daten etwa öffentlicher Verkehrsunternehmen nutzen möchten, müssen auch selbst Daten bereitstellen. Dadurch vertiefen wir den Datenraum, erweitern den Austausch und gewinnen Erkenntnisse über Verkehrsentwicklungen, notwendige neue Angebote, bei der Optimierung der Umsteigezeiten und vielem mehr.

Behörden Spiegel: Wo wir bei neuen Technologien sind, welche Rolle spielt die E-Mobilität hierbei?

“Es braucht nicht nur die Antriebswende, sondern insgesamt eine Verkehrswende”, betont Gelbhaar.

Foto: BS/Th. Reinhardt, pixelio.de

Gelbhaar: Im ÖPNV sind Elektroantriebe gut implementiert, auch die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist in einigen Städten und G emei nden im Bahnbereich erfolgt. Auf einigen Bahnstrecken steht allerdings die Elektrifizierung noch aus, alternativ sind auch Wasserstoffantriebe zu prüfen. Bei Bussen und Autos steht die Antriebswende am Anfang – auch hier hat die Bundesregierung geschlafen, nun braucht es vorrangig privates oder gezielt auch kommunales Engagement bei der Ladeinfrastruktur mit Ladesäulen, in Straßenlaternen oder mobilen Ladediensten. Dabei muss der Fokus sein: Es braucht nicht nur eine Antriebswende, sondern insgesamt eine Verkehrswende.

Tanja Gaspers Kämmerin und Projektleiterin „Elektromobile Stadtverwaltung Dormagen“

THEMEN DE R KO NFERENZ , u. a.:

► Moderne Mobilitätskonzepte für die Kommune

► Elektromobilität in NRW

► Flächendeckende Infrastrukturen für Elektromobilität

► E-Busse: viel Potenzial für deutsche Innenstädte

► Nachhaltige Mobilitätsstrategien und klimafreundliche Verkehrsentwicklung

Seite 23 Behörden Spiegel / Februar 2019 Kommunale Infrastruktur / Elektromobilität
Kommunen
Strategien für
und öffentliche Fuhrparks
Eine Veranstaltung des Fotos: Toby Giessen, Behörden Spiegel; www.duesseldorf.de; www.dormagen.de
Mai 2019, Düsseldorf www.kommunale-mobilitaet.de

Wiedereingliederung von entlassenen Strafgefangenen

(BS/Dr. Gerd Portugall) Das jeweilige Vergehen oder Verbrechen ist mit der Entlassung des Täters aus dem Gefängnis rechtlich gesühnt. Administrativ sind danach jedoch noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen. Es gilt, den entlassenen Häftling zu resozialisieren, d. h. ihn wieder in die Gesellschaft einzugliedern und den Übergang zwischen Strafhaft und Freiheit zu managen. Dabei müssen Justiz- und Kommunalverwaltungen eng miteinander kooperieren. Anderenfalls besteht ein hohes Rückfallrisiko.

Wie dieses minimiert und die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure optimiert werden kann, beleuchtete das “Fachforum Resozialisierung –Chancen und Herausforderungen bei der Wiedereingliederung von entlassenen Strafgefangenen”, vom Behörden Spiegel Ende Januar in Bonn veranstaltet.

Der fachliche Leiter dieser Tagung, Ministerialdirigent Jörg Jesse, ist Leiter der Abteilung “Justizvollzug, ambulante Straffälligenarbeit und Gnadenwesen” im Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass es das Ziel der Veranstaltung sei, A ustausch und Zusammenarbeit zwischen Justizverwaltungen und Kommunen zu erleichtern. Dabei sollten “nicht nur Probleme, sondern auch Lösungsvorschläge” zur Sprache kommen, so der Moderator.

Gerwin Stöcken, Stadtrat f ür Soziales, Wohnen, Gesundheit und Sport der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel, sagte zum Thema “Wohnraumsicherung bei Inhaftierung”, dass Obdachlosenhilfe die Kommunen teurer zu stehen komme als die Sicherung vorhandenen Wohnraums. Da bei einer Mietschuld von einem Monat und vier Tagen die sofortige Räumungsklage drohe, müsse die jeweilige Kommune schnell reagieren. Dabei müssten unbedingt die jeweiligen Sozialämter und Jobcenter eingebunden werden. Wie virulent die Wohnraumsi-

cherung sei, zeige der Umstand, dass immerhin 45 Prozent aller Strafgefangenen eine Haftstrafe von unter einem Jahr verbüßten, so Ministerialdirigent Tobias M. Berger, Leiter der Abteilung für Justizvollzug/Ambulante Soziale Dienste der Justiz/Freie Straffälligenhilfe im schleswigholsteinischen Justizministerium. Erschwerend komme hinzu, dass es eine hohe Korrelation

Maritimer Schallschutz

Seecontainer bieten Lärmschutz auf Großveranstaltungen

(BS/Marisa Lutter*) Die Zahl von Open-Air-Konzerten, Public Viewings und weiteren Events nimmt zu. Was Besucher freut, stellt Behörden vor Probleme: Regelmäßig klagen Anwohner über die erhöhte Geräuschkulisse.

zwischen Obdachlosigkeit und Straffälligkeit gebe, so der leitende Ministerialbeamte aus Kiel.

RESI-Projekt in Köln

Prof. Dr. Hans-Joachim Plewig, Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und soziale Nachhaltigkeit an der Leuphana-Universität Lüneburg, berichtete über seine – teils sehr ernüchternden – Erfahrungen mit dem Koope-

rationsprojekt “Resozialisierung und Soziale Integration” (RESI) der Stadt Köl n, das zwischen 2009 und 2012 durchgeführt worden war. Die Erkenntnis leitende Fragestellung dieser Untersuchung lautete: Unter welchen Rahmenbedingungen lassen sich Integrierte Hilfen dauerhaft gestalten?

Es braucht klare Strukturen Als Arbeitshypothese wurde formuliert: Nur wenn es klare Strukturen (Gesetze/Richtlinien; Finanzierung) gibt und das notwendige Bewusstsein (Bereitschaft/Wille) für solch eine Umgestaltung besteht, gibt es realistische Aussichten auf “Resozialisierung der Integrierten Hilfen”. Bei den 24 straffällig gewordenen Jugendlichen und Heranwachsenden, die an dem Projekt beteiligt waren, seien die Rückfallquote und die Betreuungskosten um je rund 75 Pr oze nt gesunken. Das an sich vielversprechende Projekt sei letztlich gescheitert, so Prof. Plewig, weil die Projektbeteiligten das Interesse verloren hätten und deshalb keine Anschlussfinanzierung bewilligt worden sei. De t ails seien nachzulesen in dem 2016 erschienenen Buch “Erfolgreich, aber gescheitert –der steinige Weg der Umsetzung von Innovationen in der Kriminalpolitik”, herausgegeben von ihm und von Prof. Dr. Bernd Maelicke, Direktor des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft (DISW) und Honorarprofessor an der Universität Lüneburg.

Damit Betroffene nicht unter der Lautstärke leiden müssen, entwickeln Experten mögliche Lösungsansätze. Als effektiv erweisen sich dabei die Seecontainer der Bloedorn Container GmbH. Zunächst als Lärmschutz auf Baustellen eingesetzt, werden sie immer öfter auch auf Großveranstaltungen platziert. “U nsere Seecontainer liefern wir deutschlandweit. Der Aufbau erfolgt schnell und unkompliziert. Nach dem Einsatz unserer Con-

tainer gab es bisher keine Beschwerden von Anwohnern – sie sind enorm effektiv” so Mathias Weber, Geschäftsführer der Bloedorn Container GmbH. Damit werden sie etwa zur Alternative zum Membrankissen, das nur einen unzureichenden Schallschutz bietet. We i tere Informationen: www. bloedorn-container.de

*Marisa Lutter ist Gründerin der Agentur WI-COMMS.COM.

Schlagstock ja oder nein?

Uneinigkeit über Ausstattung Kommunaler Ordnungsdienste

(BS/mfe) Die Mitarbeiter der Kommunalen Ordnungsdienste in den einzelnen Städten und Gemeinden sind unterschiedlich ausgerüstet. Während einige nicht einmal Pfefferspray mit sich führen, verfügen andere sogar über Diensthunde. Auch Einsatzmehrzweckstöcke sind im Einsatz.

Auf sie wird in mehreren Städten Nordrhein-Westfalens zurückgegriffen. Dazu gehören unter anderem Bonn, Wuppertal, Hagen, Düren und Dortmund. In Dortmund sollen bis Ende März alle 46 Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes derart ausgestattet sein. Der Wunsch nach diesem Ausrüstungsgegenstand kam aus der Belegschaft selbst. Der Einsatzstock darf im bevölkerungsreichsten Bundesland von Kräften der Kommunalen Ordnungsdienste allerdings nicht zur Durchsetzung des unmittelbaren Zwangs genutzt werden. Es ist ihnen nur erlaubt, ihn zu tragen und ihn zum Zweck der Selbstverteidigung bei Notwehr oder Nothilfe zu benutzen. Aber selbst in Nordrhein-Westfalen ist der Einsatzmehrzweckstock

bei den Kommunalen Ordnungsdiensten nicht flächendeckend vorhanden. So müssen etwa die Kräfte in Gelsenkirchen bisher auf ihn verzichten. Auch im baden-württembergischen Freiburg sind die Beschäftigten des Ordnungsdienstes nich t mit S chlagstöcken ausgestattet. Sie verfügt nur über Schutzwesten, Pfefferspray und Handschellen, heißt es aus der Stadtverwaltung. Gleiches gilt für den Leipziger Stadtordnungsdienst. Der Leiter des dortigen Ordnungsamtes, Helmut Loris erkl ärt: “In einem Beschluss des Leipziger Stadtrates vom Dezember 2017 wurde ein Pilotprojekt zum Einsatz von Rettungsmehrzweckstöcken an die Stadtverwaltung beauftragt. Eine Prüfung in Zusammenarbeit mit

der Polizeidirektion Leipzig führte zur Feststellung, dass als Einsatzstock nicht der klassische Rettungsmehrzwecksock, sondern ein Teleskopschlagstock infrage kommt.”

Durch den Freistaat Sachsen sei seit längerer Zeit die Einführung eines Polizeibehördengesetzes mit konkreten Aussagen zu Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs durch den gemeindlichen Vollzugsbediensteten avisiert. Dieses befinde sich momentan noch im parlamentarischen Verfahren. Mit einem Erlass sei in den kommenden Monaten zu rechnen, so Loris. “Abhängig von den neuen Regelungen wird über den Einsatz solcher Einsatzmittel auch im Leipziger Stadtordnungsdienst entschieden”, kündigt er an.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 24
Kommunale Ordnung
“Sie kommen wieder nach Hause”
Berichtete vom Kölner RESI-Projekt: Prof. Dr. Hans-Joachim Plewig. Foto: BS/Portugall Einsatz von Bloedorn-Containern beim Abriss der Pferderennbahn in Frankfurt/ Main Foto: BS/Bloedorn

Digitaler Staat

Behörden Spiegel www.behoerdenspiegel.de Berlin und Bonn / Februar 2019

Das Rad nicht neu erfinden

Beim Portalverbund auf den kommunalen Erfahrungsschatz bauen

(BS/Wim Orth) Eineinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass im August 2017 das Onlinezugangsgesetz (OZG) verabschiedet wurde. Seitdem sind Bund, Länder und Kommunen ganz offiziell verpflichtet, bis 2022 gemeinsam mehr als 570 Fachverfahren zu digitalisieren und diese in einem ebenenübergreifenden Portalverbund anzubieten. Die Herausforderung ist groß, und ähnlich groß ist bis heute die Aufmerksamkeit, die das Thema in der öffentlichen Verwaltung genießt, seit das Gesetz verabschiedet wurde. Auch kommt kaum eine Veranstaltung zur Verwaltungsmodernisierung noch ohne Programmpunkt zu den beiden Mammutvorhaben aus. Dabei sind gerade die Kommunen schon auf einem guten Weg.

Dort geht man bereits seit einer Weile voran und schließt sich in Verbünden zusammen, um Synergien bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen zu heben. Die Kommunen verfügen also über einen Erfahrungsschatz, aus dem viele Schätze gehoben werden können.

U m den Weg zu ei nem bundesweit flüssig funktionierenden Portalverbund zu ebnen, hat die entsprechende Koordinierungsgruppe des IT-Planungsrates im vergangenen Jahr eine Roadmap erarbeitet. Diese wurde im Sommer vorgestellt und definiert vier Kernpunkte, mit dem die Basisfunktionen bis 2022 stufenweise eingerichtet werden sollen: So müssen die Verwaltungsportale im Verbund jeweils ein interoperables Nutzerkonto für natürliche Personen sowie Organisationen anbieten. Dazu kommen verpflichtend für alle teilnehmenden Portale ein digitales Postfach, ein Statusmonitor, die konsequente Einführung und Nutzung des Once-Only-Prinzips sowie eine Anbindung von EPayment-Möglichkeiten. Die Verwaltungsportale von Bund und Ländern werden anschließend über einen Online-Gateway verknüpft. Gleichzeitig müssen die Länder dafür sorgen, dass ihre jeweiligen Kommunen über ein zentrales Länderportal in den Verbund integriert werden.

Nicht mit neuen Standards bestrafen

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, hat zum Jahresbeginn eine Stellungnahme zu dieser Roadmap herausgegeben, um zu zeigen, dass das wichtigste Know-how für den Aufbau eines funktionierenden Portalverbundes in den Kommunen bereits

Neben Once-Only-Prinzip und digitalem Postfach fordert Vitako bei der Umsetzung des Portalverbundes außerdem die Einführung eines Statusmonitors, damit Bürger den Bearbeitungsstand ihrer Anträge einsehen können, sowie die Möglichkeit, Behördenleistungen per E-Payment bezahlen zu können. Foto:

zu G enüge vorhanden ist. Da in der Fläche bereits ein große Fülle von kommunalen Dienstleistungs- und Zweckverbänden existiert, in denen bereits eine breite Palette digitaler Dienstleistungen medienbruchfrei über Portale angeboten werden, sind die meisten “Kinderkrankheiten” einer solchen Portallösung schon seit geraumer Zeit bekannt und erforscht. Viele Lösungen sind laut Vitako-Geschäftsführer Dr. Ralf Resch sogar so weit, dass sie nur auf die Ebenen von Land und Bund skaliert werden müssten: “Kommunen bieten seit vielen Jahren Online-Dienste über eigene Portale an, die nun interoperabel in den Portalverbund zu integrieren sind. Besonders w i chtig erscheint uns, dass man die vorhandenen Lösungen als Grundlage nimmt und darauf aufsattelt und nicht das Rad neu erfinden will. In den Bundesländern, die noch keine

Portallösungen besitzen, sollten die Landesportale mit den vorhandenen kommunalen Portalen kompatibel sein.” Die zentrale Vitako-Forderung ist daher, “in der Phase der Konzepterstellung Experten aus der Verwaltung, dem Verwaltungsrecht und dem Datenschutz einzubeziehen, die bereits mit initialen Konzeptständen ein robustes, diskussionsfähiges und praxisnahes Fundament legen” können. Gleichzeitig fordert die Arbeitsgemeinschaft der IT-Dienstleister, die Kommunen nicht mit neuen Standards für bereits erledigte Arbeit zu bestrafen, sondern die bestehenden Lösungen auf kommunaler Ebene in den Portalverbund zu integrieren. Gleichzeitig wäre der personelle und finanzielle Ressourcenaufwand für eine Neukonzeption vonseiten der Kommunen erheblich, erklärt Resch: “Auch wenn der Bund, was er sich gar nicht leisten kann, die

Kosten für eine komplette Neuorganisation der kommunalen IT übernehmen würde, wäre dies ein volkswirtschaftlicher Irrsinn. Und wie man Kommunen dazu bewegen könnte, aus freien Stücken und auf eigene Kosten wieder bei null anzufangen, dazu reicht meine Fantasie nicht aus. Unabhängig davon wäre dies ein Eingriff in die Organisationshoheit der Kommunen und dies halten wir für politisch weder opportun noch durchsetzbar.” Auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, fordert eine Einbindung der kommunalen Lösungen. Denn diese böten “gleichermaßen Aufgaben der Daseinsvorsorge und der Wirtschaftsförderung und vermitteln eine lokale Identität als wichtiges Element des kommunalen Selbstverständnisses”. Vitako begrüßt dabei den Ansatz, den Zugang zu Verwaltungsdiensten für Bürger und Unternehmen möglichst

IKT-Beschaffertage 2019

12. – 13. März 2019, München

Die Beschaffung von Leistungen aus dem Bereich der Infor mationsund Kommunikationstechnologie (IKT) stellt regelmäßig besondere Anforderungen sowohl an die Vergabestellen als auch an die potenziellen Bieter. Die Vergabever fahren müssen den hohen Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte gerecht werden. Eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung ist daher für einen wirtschaftlichen Vergabewettbewerb unerlässlich. Diesen und weiteren Themen widmen sich die IKT-Beschaffertage – wir freuen uns auf eine spannende Tagung gemeinsam mit Ihnen.

Veranstalter: Fachliche Leitung: www.ikt-beschaffertage.de

KNAPP

einfach zu gestalten und keine tiefgreifenden Kenntnisse der genauen Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung vorauszusetzen.

Ebenso wird gelobt, dass auf bereits vorhandene technische Lösungen wie beispielsweise XZuFi, welches einen Standard zur Vereinheitlichung von Daten zum behördenübergreifenden Austausch definieren soll, gesetzt werden soll, um Kosten und Aufwand einzusparen. Auch für Dedy ist eine “Anbindung von Kommunen an standardisierte Schnittstellen sinnvoll und erleichtert die Arbeit von Kommunalverwaltungen”.

Nutzerfreundlich und rechtssicher

Vitako hat sich auch eine Meinung zu den weiteren Abschnitten der Roadmap gebildet, wie zum Ziel eines konsequent umgesetzten Once-Only-Prinzips. Resch fordert hier “Digitallösungen, die ein Maximum an Komfort für den Anwender bringen”. Dazu zähle auf jeden Fall das OnceOnly-Prinzip, denn das OZG biete hier eine Möglichkeit, “wo wir Dinge in die richtige Richtung bewegen können”. Daher sollte man “nicht aus Kurzsichtigkeit nur “halbe Lösungen” verfolgen”. Zudem wird die Einführung eines digitalen Postfaches als wichtiger Schritt betrachtet. Ein solches Postfach müsse zu jedem Servicekonto gehören, allerdings solle man Bürger und Verwaltung für eine bessere Akzeptanz schrittweise daran gewöhnen. Zudem sollten die Postfächer dezentral verwaltet werden, da eine zentrale Struktur technisch zu anspruchsvoll sei und den weiteren Umsetzungsprozess des OZG verlangsamen könnte. Außerdem widerspreche ein zentral verwaltetes Postfach dem dezentralen Ansatz des Portalverbundes.

Themen 2019, u. a.:

» Outsourcing des IT-Betriebs

Digitalisierungsabteilung in Brandenburg (BS/wim) Das Innenministerium des Landes Brandenburg hat zur Konzentrierung seiner Digitalisierungsbemühungen eine neue Abteilung eingerichtet, die alle Fragen zur Digitalisierung unter einem Dach bündeln und bearbeiten soll. Die zu diesem Zweck neu gegründete Abteilung 6 läuft unter der Bezeichnung “Digitalisierung, E-Government und ITLeitstelle” und wird zu Beginn mit vier Referaten ausgestattet. Die Leitung des neuen Bereichs wurde vom bisherigen Leiter der Zentralabteilung des Ministeriums, Jörg Wollny, übernommen.

Cyber-Sicherheitsagentur in den Osten (BS/iga) Der Hauptsitz der neu eingerichteten Agentur für CyberSicherheit wird in der Region Leipzig/Halle angesiedelt. Das Projekt wird unter Federführung des Bundesverteidigungsministeriums realisiert und soll mit allen Cyber-Stellen der Bundeswehr zusammenarbeiten. Im Zeitraum von 2019 bis 2023 ist ein Budget von rund 200 Millionen Euro “Startkapital” vorgesehen. 80 Prozent der Finanzmittel sollen direkt in Forschungs- und Innovationsvorhaben fließen. Zudem sollen in der neuen Einrichtung rund 100 hochqualifizierte Arbeitsplätze entstehen.

Digitale Statusabfrage in Berlin (BS/wim) In Berlin kann man bei neu angeforderten Personalausweisen und Reisepässen den Bearbeitungsstatus online einsehen. Um besser informiert zu sein, wie lange das Dokument noch braucht, bis es im Bürgerbüro abgeholt werden kann, können Bürger der Hauptstadt anhand einer Seriennummer sowie eines individuellen QR-Codes online und telefonisch über die 115 abfragen, wann sie ihr neues Dokument abholen können.

» Datenschutz und IKT-Beschaffung

» Bewertung und Benchmarking von IT-Geräten

» Die neue EVB-IT-Cloud

» Lebenszykluskosten bei der IKT-Beschaffung

BS/© adam121, Fotolia.com

Zukunftskongress Bayern

Um ein Zeichen für die Bedeutung des Themas zu setzen, hat der Freistaat Bayern als erstes Bundesland ein gesondertes Ministerium für Digitales eingerichtet. Mit Vorhaben zur aktiven Gestaltung des Wandels in Gesellschaft und öffentlicher Verwaltung sei man bei ihr nun an der richtigen Adresse, versicherte Gerlach die sich freute, schon nach weniger als 100 Tagen im Amt als Schirmherrin den Zukunftskongress Bayern unterstützen zu können. In den ersten Wochen seit Amtsübernahme sei bereits ein schlagkräftiges Team zusammengestellt worden, die Arbeit an den zentralen Themen habe begonnen.

Aufgabe der frisch gebackenen

Staatsministerin für Digitales wird es sein, die Digitalisierungsbemühungen aller Ressorts und die strategische Ausrichtung des Freistaats zu koordinieren. Leit end sei dabei der Anspruch, auch in der digitalen Welt Sicherheit und Ordnung zu garantieren und den Menschen Zukunftsperspektiven zu bieten. Wesentliche Voraussetzung sei der Ausbau der digitalen Infrastruktur auch in den ländlichen Räumen. Bayern habe hier bereits notwendige Förderungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro beschlossen. Beim Ausbau von Glasfaser, W-LAN und zukünftig auch 5G-Netzen sei aber noch Luft nach oben.

Topthema Infrastruktur

Den Fokus auf der Infrastruktur begrüßte Josef Niedermaier, Landrat des Landkreises BadTölz Wolfratshausen, ausdrücklich. Der Fortschritt dürfe aber nicht nur in den großen Zentren vorangetrieben werden. “Wenn man die Bürger befragt, sehen viele ihre Zukunft durchaus im Ländlichen. Das heißt, dass der Wandel auch dort ankommen muss, damit die Kommunen

Home, sweet digital home

Staat und Kommunen als digitale Heimat

(BS/stb/wim) “Unsere Wirtschaft, unser Wohlstand und unser demokratisches Miteinander hängen vom Gelingen der digitalen Transformation ab”, stellte die erste Bayerische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach, zur Eröffnung des fünften Zukunftskongresses Bayern klar. Unter dem Credo “Staat und Kommunen als digitale Heimat für Bürger und Wirtschaft” kamen in München rund 350 Entscheider, Experten und Interessierte zum intensiven Austausch zusammen.

den Blick. Aber nicht nur die: “Schüler sind schon in der digitalen Welt daheim, oftmals sind sie da aber sehr gefährlich unterwegs”, so Bauer. Ihnen gebe man in den Labs Anregungen, wie man Möglichkeiten im Netz sicher nutzen könne.

“Es muss aber auch stark in die Kompetenz der Mitarbeiter in der Verwaltung investiert werden”, machte Jan-Lars Bey, Partner bei Cassini Consulting, deutlich. “Sonst können die innovativen Angebote von Staat und Kommune nicht bei den Bürgern ankommen.” Dem stimmten auch die anderen Podiumsteilnehmer zu.

In einer Podiumsrunde wurde intensiv diskutiert, wie die digitale Welt als Heimat zu fassen ist und wie die Verwaltung die Chancen für sich, aber auch für Unternehmen und Bürger aktiv mitgestalten kann.

auch im Digitalen eine Heimat sind.” Die Chancen, die sich in Gesundheit, Bildung und bei altersgerechten Dienstleistungen ergäben, müssten beherzt ergriffen werden. Vom neuen Digitalministerium erhofft Niedermaier sich eine Erhöhung des Vernetzungsgrades. “In der Smart City und im Smart Country muss alles reibungslos ineinandergreifen. Das erfordert ressort- und sektorübergreifend enge Zusammenarbeit, insbesondere brauchen die Kommunen aktive Unterstützung”, so der Landrat. In dieselbe Kerbe schlug auch Franziska Neuberger, Referatsleiterin Digitalisierung, IKT und Medien bei der IHK für München und Oberbayern, die das Thema

Umsetzung läuft

aus Sicht der Wirtschaft betrachtete. Gerade für die aktuellen Schlüsselthemen wie Künstliche Intelligenz und Blockchain, bei denen die bayerische Wirtschaft nicht nur bundesweit vorneweg gehen, sondern eine weltweite Führungsrolle übernehmen wolle, sei eine konkurrenzfähige Infrastruktur unabdingbar. Allerdings sei diese noch extrem ausbaufähig und den aktuellen Herausforderungen kaum gewachsen, so Neuberger: “Rund 40 Prozent unserer Unternehmen sind unzufrieden mit der IKTInfrastruktur in ihrer Region, das müssen wir ändern”, forderte die Referatsleiterin. Um die Wirtschaft zu unterstützen, brauche es neben schnellem Internet ei-

Die öffentliche Verwaltung hat noch mit der DSGVO zu tun (BS/stb) Die Umsetzung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) war insbesondere um den Stichtag im Mai 2018 herum von viel Unsicherheit und zum Teil zweifelhafter Berichterstattung in den Medien geprägt. Inzwischen ist es ruhiger geworden und befürchtete Wellen von Abmahnungen und Bußgeldern sind ausgeblieben. Eine Einschätzung zur aktuellen Situation im öffentlichen Sektor gab der bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri.

Was es vielen Organisationen im Alltag schwer mache, so der Datenschützer, seien unter anderem die neuen Rechenschaftspflichten, die vor allem einen Dokumentationsaufwand bedeuteten. Viele Stellen seien nach wie vor unsicher, wie detailgenau Verarbeitungstätigkeiten darzustellen seien. Im Sinne der Betroffenen sei es aber gut, dass die Beweislast klar beim Verarbeiter liege, gab Petri zu bedenken: “Wie sollten Betroffene eine unrechtmäßige Datenverarbeitung nachweisen können? Sie sehen schließlich nur die für sie ungünstigen Auswirkungen.”

Aufwand ergibt sich aber nicht nur aus der Dokumentation. Die DSGVO verlangt vom Verantwortlichen, ein Rechtemanagement aufzusetzen, das es Betroffenen erleichtert, ihre Rechte auch tatsächlich wahrnehmen zu können. “Es ist alles andere als trivial, festzulegen, wie mit allgemeinen Auskunftsersuchen umgegangen werden kann”, so Petri . Die DSGVO fordere, sowohl umfassend als auch leicht verständlich zu informieren, was nur schwer zusammenzubringen sei.

“Die Fristen für Auskünfte sind sehr knapp bemessen”, räumte Pet r i außerdem ein. “Größere Kommunen müssen alle möglichen Abteilungen anfragen und di e entsprechenden Daten zusammentragen. In vielen Bereichen dürfen die Daten schließlich gar nicht zusammengehalten werden.” Der Landesdatenschutzbeauftragte rät zu einem mehrstufigen Verfahren. Im ersten Schritt könne man eine allgemeine Anfrage mit einer überblickhaften Darstellung der relevanten Datenverarbeitungsprozesse beantworten und den Betroffenen zur Konkretisierung auffordern, welcher Bereich ihn im Detail interessiere. Gerade im Kommunalbereich habe seine Behörde mit einem hohen Beratungsbedarf zu kämpfen, berichtete Petri. Aufwände ergeben sich außerdem durch einen Anstieg der Beschwerdeeingänge um rund 50 Prozent. Vom neue n Sankt ionsregime mache er nur mit Augenmaß Gebrauch. So habe er bisher kein einziges Bußgeld gegen öffentliche Unternehmen verhängt. “Die datenverarbeitenden Stellen haben genug zu tun, das geltende

Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Prof. Thomas Petri sieht gerade bei kleinen datenverarbeitenden Stellen großen Aufwand und viel Unsicherheit bei der DSGVO-Umsetzung.

Recht umzusetzen und böswillige Verstöße sind meiner Erfahrung nach äußerst selten.” Mit einer Vorwarnung erreiche er oft schon sein Ziel, bevor er überhaupt eine Anordnung erlassen müsse. Kommt es hart auf hart, will Petri aber nicht vor der Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Mittel zurückschrecken. “Ich kann Ihnen versichern, das erste Bußgeld, das ich ausspreche, wird ein fettes sein.”

Bayerns erste Digitalministerin und Schirmherrin des fünften Zukunftskongresses Bayern, Judith Gerlach, begrüßte in München die rund 350 Teilnehmer aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft.

nen besser gesteuerten Transfer von Wissen aus der Forschung in die Wirtschaft sowie regionale Digitalisierungszentren.

Digitale Welt als Heimat

In einer Podiumsdiskussion wurde diskutiert, wie man sich dem Konzept digitale Heimat weiter nähern könne. Roland Ledinger , Geschäftsführer der Plattform Digitales Österreich im österreichischen Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, sagte: “Wir haben die digitale Heimat heute in unserer Hosentasche.” Freunde und berufliche Kontakte, der Zugang zu Informationen und Unterhaltung und sogar Erinnerungen seien gebündelt über un-

sere Smartphones zu erreichen. Um diesen Raum nachhaltig als Heimat, als lebenswerten und positiv gestaltbaren Ort erfahren zu können, müsse der Staat Grundvoraussetzungen schaffen. N eben der technischen Infrastruktur seien das auch Rahmenbedingungen für das Miteinander im privaten und geschäftlichen Umfeld. Jeder brauche außerdem Basiskompetenzen. Hier knüpfte Dr. Rainer Bauer an. “Wir nehmen die Frage, wie wir die Menschen in die digitale Heimat bekommen, sehr ernst”, betonte der Abteilungsleiter IT im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Mit den BayernLabs als spielerische Lernzentren nehme man gezielt Senioren in

Ein einziger Klick

Eine gewisse skeptische Grundhaltung, wenn die Verwaltung sich digitalisiere, sei nicht nur bei Bürgern, sondern auch bei den Mitarbeitern weit verbreitet. Man müsse Wege finden, beide Seiten mitzunehmen, indem man nützliche und gleichzeitig transparente Vorzeigeprojekte schaffe. “Wenn die Daten laufen und nicht der Bürger oder die Unternehmen, bringt das letztlich auf beiden Seiten Erleichterungen”, regte Florian Wüchner an: “Es wird noch viel zu viel Papier hin- und her geschickt”, so der Bereichsleiter Public Sector bei der msg systems AG weiter. “Als Bürger hätte ich es doch viel lieber wie beim Onlineshopping. Dort kann ich jederzeit den Status meiner Bestellungen einsehen – warum nicht auch bei Verwaltungsdienstleistungen?”

JETZT VORMERKEN!

Der nächste Zukunftskongress Bayern findet am 13. Februar 2020 erneut im Haus der Bayerischen Wirtschaft in München statt. www.zukunftskongress.bayern

Risiken für Verwaltung und Wirtschaft in den Griff bekommen (BS/stb) Cyber-Sicherheit entscheide die digitale Zukunft, daher werde sich Bayern unter der Koordination ihres Hauses dem Thema intensiv widmen, so Bayerns Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach. Eine wegweisende Maßnahme hat der Freistaat aber schon vor einem Jahr mit der Errichtung des Landesamts für Sicherheit in Informationstechnik (LSI) ergriffen. Seitdem habe die neue Behörde einen guten Wachstumspfad hinter sich, freute sich ihr Präsident Daniel Kleffel.

Obwohl die Fachkräftegewinnung gerade im IT-Sicherheitsbereich eine Herausforderung darstelle, habe man inzwischen rund 60 Mitarbeiter. “Wir haben hunderte Gespräche geführt und auch wirklich sehr gute Leute bekommen”, so Kleffel . Als einen besonders wichtigen Aspekt nannte er die Sensibilisierung der Mi tarbeiter. Schließlich seien schadhafte E-Mails nach wie vor bei einem Großteil der massenhaften, aber auch der professionellen und gezielten Cyber-Angriffe im Spiel. “Der Erfolg von Awareness-Maßnahmen ist schwer zu messen, aber die Fallzahlen bei der jüngsten Welle mit “emotet” zeigen, dass noch deutlich Luft nach oben ist.” Einen bleibenden Eindruck hinterlasse es bei Mitarbeitern, wenn man ihnen modellhaft zeige, wie viele Prozesse ein einziger Klick bei einer emotet-Mail im H i ntergrund auslösen könne und wie für den Nutzer unbemerkt weiterer Schadcode aus dem Internet nachgeladen und ausgeführt werde.

Neben der Kernaufgabe, die Verwaltungs-IT und das Behördennetz in Bayern abzusichern

(mehr dazu auf Seite 36), berät und unterstützt das LSI auch Kommunen sowie öffentliche Unternehmen und schafft Informationsangebote für Bürger. Die Bayerische Wirtschaft dagegen ist vor allem mit Blick auf Sabotage und Spionage Adressat des Cyber-Allianz-Zentrums (CAZ) im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), wie Florian Seitner erklärte. Der Rohstoff des Wohlstandes hierzulande sei in erster Linie Know-how. “Wenn wir es nicht schaffen, das zu schützen, werden wir ein großes Stück vom Wohlstandkuchen abgeben müssen.” Im Fokus oft staatlich unterstützter Cyber-Spione stünden insbesondere High-TechUnternehmen in Branchen wie B iotechnologie, Chemie und Pharma, Automotive oder Rüstung. Und das ungeachtet der Größe: “Auch Kleinstunternehmen, die naturgemäß keine eigene Cyber-Sicherheitseinheit haben, sind gefährdet, wenn sie über wertvolle Informationen verfügen.”

Abgesehen von der Präventionsarbeit und der Unterstützung bei konkreten Vorfällen fungiert das CAZ auch als Lage- und Warn-

zentrum. “Uns wird eine große Zahl an Verdachtsfällen gemeldet, so lernen wir viel über Ziele und Angriffsmethoden”, sagte Seitner Bei herausgehobenen Fällen würden auch branchenweite Warnungen vertraulich ausgesprochen. “Innerhalb vieler Branchen sind die IT-Architekturen vergleichbar aufgebaut”, so Seitner. “Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Angreifer schon aus Effizienzgründen mit ihren Kampagnen immer mehrere Ziele ins Visier nehmen.”

Mitarbeiter-Awareness sei nach wie vor ein brennendes Thema, so LSI-Präsident Daniel Kleffel.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 26
Fotos: BS/Gierke

Nicht nur den Bürger als Nutzer betrachten

Systeme müssen auch für Verwaltungsmitarbeiter einfach nutzbar sein (BS/Wim Orth/Prof. Dr. Manfred Mayer*) Rund um die Frage, wie sich das Onlinezugangsgesetz in Bayern trotz der knappen Zeit erfolgreich und für alle Seiten zufriedenstellend umsetzen lässt, drehte sich das Fachforum “E-Government” im Rahmen des Zukunftskongresses Bayern.

Der Freistaat hat sich eine besondere Hürde gesetzt, indem er per Landesgesetz alle wichtigen Verfahren bereits 2020 digital anbieten will und somit zwei Jahre früher als vom Bundesgesetz vorgesehen. Grundlage für die Umsetzung ist dabei das Bayernportal, welches Bürgerservice, Unternehmerservice und Verwaltungsservice vereint und diese drei Gruppen zusammenführen will, wie Carolin Stimmelmayr, Leiterin des Referats E-Government und Digitale Verwaltung beim Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, erklärt: “Die Rollen sind dabei klar verteilt: Das Portal und die Anbindung an die Kommunen und den Bund wird vom Digitalisierungsministerium übernommen, während die Kommunen für die aktive Gestaltung der digitalen Verwaltungsleistungen zuständig sind.” Durch ein Redaktionssystem, das vonseiten der Kommunen und des Landes her gepflegt wird, können alle Onlinedienste der Kommunen mit dem Portal verknüpft werden. Klickt der Bürger auf die Dienste, wird er mit der Kommune verbunden und kann sein Anliegen auf digitalem Wege abwickeln. Anmelden kann sich der Bürger hierbei über die sogenannte BayernID, das Servicekonto des Freistaats. Bei der OZG-Umsetzung sei allerdings besonders wichtig, dass man sich nicht nur auf den Bürger als Nutzer fokussiere, sondern auch auf die Verwaltung, so Stimmelmayr: “Die Verwaltungsmitarbeiter müssen schließlich jeden Tag stundenlang mit den Systemen arbeiten, daher müssen sie gerade auch für diese Menschen einfach und leicht verständlich zu handhaben sein.” Für eine bessere Nutzerorientierung sprach sich auch Torsten Frenzel, Bereichtsleiter Projektmanagement eGovernment bei der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) aus. So habe die AKDB bei ihrer Umsetzung eines Nutzerkontos für die BayernID bewusst auf Einheitlichkeit gesetzt, in dem lediglich zwischen juristischen und natürlichen Personen unterscheidet. Zudem sei das Konto durch das Prinzip des Single Sign on für alle Dienste der öffentlichen Verwaltung nutzbar.

Im Rahmen eines BMI-Projektes zur Interoperabilität von Servicekonten verschiedener Länder arbeite man derzeit an der Vernetzung von BayernID und Servicekonto.NRW. Aber nicht nur das OZG ist aktuell Thema in

Smart und innovativ

In Behörden, Kommunen und Regionen

(BS/gg/wim) “Jede Smart City ist anders”, so Dr. Robert Fischer von Cassini Consulting, die mit dem “Smart City Canvas” ein Werkzeug anbieten, mit dem einzelne Kommunen oder Regionen zu Beginn des Prozesses an ihren individuellen Zielen, Strategien und der Umsetzungsplanung arbeiten können.

Für Carolin Stimmelmayr, Leiterin des Referats E-Government und Digitale Verwaltung beim Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat, sind die Rollen klar verteilt. So seien die Kommunen für die Digitalisierung der Leistungen zuständig, während das Land für die Portalinfrastruktur und die Anbindung an den Bund zuständig sei. Fotos: BS/BILDSCHÖN, Gierk

ne Lieferung oder eine Leistung elektronisch verarbeitet werden.

In Ergänzung zur rechtlichen Perspektive sprach Frank Fischer aus dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat über die technische Umsetzung der ERechnungsrichtlinie im Freistaat und stellte die dafür notwendigen Datenformate vor.

Holger Gehringer, stv. Leiter des Geschäftsfelds Finanzwesen bei der AKDB, stellte anschließend dar, wie aus der Papierrechnung künftig eine elektronische Rechnung werden kann. Dabei verwies er insbesondere auf eine Kooperation mit den Sparkassen, die dafür entsprechende Werkzeuge zur Verfügung stellten. Andrea Bastian Referentin bei der GiroSolution GmbH, erläuterte in diesem Zuge, wie die Services der Sparkassen und von GiroSolution diesen Prozess unterstützen. Die Umwandlung einer Papierrechnung in eine ERechnung sei demnach heute schon ebenso möglich wie die Erstellung einer E-Rechnung auf Web-Basis. Florian Scheld vom IT-Dienstleister Governikus berichtete über Best-Practice-Beispiele im Rahmen eines Kooperationsprojekts mit dem Titel “Umsetzung der eRechnung”, mit der die Firma den ITPlanungsrat bei der Einführung der E-Rechnung unterstützt.

Harald Riedel, Referent für Finanzen, Personal, IT und Organisation, zeigte in einem “Werkstattbericht” zur Smart-City-Strategie “seiner” Stadt Nürnberg, wie umfänglich sowohl die Zielsetzung (“Mehr als digitale Verwaltung”) als auch die Zahl der beteiligten Akteure in einem solchen Strategieentwicklungs- und Umsetzungsprozess ist. Allein für den Weg zur digitalen Stadtverwaltung werde man in den nächsten Jahren im Zuge der Umsetzung der Programme “digital.stadt. nuernberg.de” massiv investieren, insbesondere auch in Personal.

Ludwig Götz, Leiter der Wirtschaftsförderung beim Landratsamt Landshut, stellte das “Silicon-Vilstal-Festival” vor, einen durch privates Engagement entstandenen bürgernahen Smart-Region-Ansatz mit hohem Mitmach-Faktor zur Förderung des Innovationsgeistes. Das Festival, welches Ende September erneut stattfinden wird, versteht sich auch als Schau dessen, was im ländlichen Raum bereits an digitaler Innovation existiert. Frank Linowski, T-Systems, stellte mit “Park and Joy” und der “One Smart City App (OCSA)” zwei Lösungen vor, die verschiedene digitale Services in der Kommune gebündelt in einer Anwendung anbieten.

Harald Riedel gab in München einen Einblick in die Dachstrategie “Digitales Nürnberg”.

stadt Darmstadt gerade dabei, ein Datenplattform-Projekt umzusetzen.

Blockchain, KI und Co.

Dr. Daniela Rothenhöfer, Hauptabteilungsleiterin IT-Strategie und ITSteuerung / IT-Controlling (STRAC), stellte die Aktivitäten der Landeshauptstadt München zum Thema “Digitalisierung als Treiber für Geschäftsprozessmanagement” vor.

den Verwaltungen. Ab dem 18. April 2020 sind Freistaat und Kommunen laut E-Rechnungsgesetz dazu verpflichtet, Rechnungen elektronisch zu empfangen, weiterzuverarbeiten und revisionssicher abzulegen.

Vom Papier zur E-Rechnung

Daniel Schneider aus dem Bayerischen Staatsministerium für Digitales stellte die Rechtsgrundlagen für eine Umsetzung der E-Rechnungsrichtlinie im Freistaat Bayern dar. Anders als der Bund, der bei der Umsetzung der Richtlinie für die Bundesbehörden die E-Rechnung ab einem Rechnungsbetrag von 1.000 Euro eingeführt hat, beschränkt sich das Land Bayern auf eine direkte Umsetzung der Richtlinie, also erst ab wichtigen Schwellenwerten im Sinne des Vergaberechts. So muss eine Rechnung erst ab einem Betrag von über 221.000 Euro für ei-

Die Ängste der Mitarbeiter ernst nehmen

Die Digitalisierung wird auch die Arbeit in den Behörden nachhaltig prägen und Prozesse sowie Strukturen verändern. Dr. Thomas Ortseifen von der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden betonte auf die Frage besserer Optimierung behördlicher Prozesse hin zu einer reinen EVerwaltung die Bedeutung der Mitarbeiter. Diesen müsse man durch konstruktive Motivation die Hemmungen und Ängste vor Veränderungen und Innovationen nehmen, um neue Prozesse und Strukturen erfolgreich implementieren zu können.

Jürgen Fritsche, Mitglied der Initiative D21 und der Geschäftsleitung Public Sector der msg systems AG, erklärte zusätzlich, dass der Schlüssel zum Erfolg bei der Verwaltungsdigitalisierung in einer deutlichen Steigerung der Zufriedenheit der Bürger als Kunden der Verwaltung liege.

*Prof. Dr. Manfred Mayer ist Fachlicher Leiter sowie Moderator des Zukunftskongresses Bayern.

Viele Fragen, viele Antworten

(BS/wim) Zum zweiten Mal wurden auf dem Zukunftskongress Bayern bei “E-Government kontrovers” Vertreter aus der öffentlichen Verwaltung (freiwillig) auf den “heißen Stuhl” gesetzt. Neben Fragen aus dem Publikum gab es für die Teilnehmer des Kongresses auch die Möglichkeit, Fragen auf anonymem Wege einzureichen und diese durch Moderator Prof. Dr. Manfred Mayer (2. v.r.) in die Diskussion einzubringen. Neben zwei Vertretern der öffentlichen Verwaltung, Dr. Maximilian Wanderwitz, Juristischer Berater bei der Landeshauptstadt München (r.) und Christian Bähr, Abteilungsleiter IT-Strategie, IT-Steuerung und Digitale Verwaltung, Bayerisches Staatsministerium für Digitales (2. v.l.), stellte sich auch Franziska Neuberger, Referatsleiterin Digitalisierung, IKT und Medien bei der IHK für München und Oberbayern (l.) den Fragen des Publikums, um diese aus Sicht der Wirtschaft zu beantworten. Diese deckten ein Feld ab, das so breit ist wie die Digitalisierung selbst. So ging es um Gefahren durch Abhängigkeit der IT über gemeinsame Infrastrukturen bis hin zu Problemen mit dem Vergaberecht und das Onlinezugangsgesetz. Fotos: BS/BILDSCHÖN, Gierk

Christopher Hönn, Software AG, bemängelte, dass bislang ein Anbieter für eine kommunale Datenplattform in Bayern fehle. Sein Unternehmen ist gemeinsam mit der SAP in der Digital-

Dr. Maximilian Wanderwitz, Juristischer Berater bei der Landeshauptstadt München, teilt die moderne Verwaltung in Digital Government und Legal Tech. Letzteres arbeitet an den Chancen und Herausforderungen einer digitalen juristischen Entscheidungsfindung sowie der Automatisierung juristischer Prozesse. Fotos: BS/BILDSCHÖN, Gierk

Zunehmend innovativer werden auch die in den Behörden eingesetzten Technologien. Hier geht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seit einiger Zeit vorneweg. Eines der aktuellen Schlüsselthemen ist dort die Arbeit auf Basis von Blockchain-Technologie im Sinne eines effizienteren Asylprozesses. Alexander Ebeling, T-Systems, erklärte zunächst, dass die Anwendungsgebiete vom Aufbau digitaler Verwaltungsregister über E-PaymentLösungen bis hin zu digitalen Wahlen reichten. Für das BAMF besonders hilfreich sei die Arbeit mit Identitätsdaten und Herkunftsnachweisen. Wichtige Informationen würden in der Blockchain unveränderbar und fast “unhackbar” gespeichert und für andere Behörden einsehbar gemacht. So gibt es laut Ebeling eine extrem hohe Integrität der Daten, die sicher und transparent abgelegt seien. Allerdings gebe es noch Hürden zu nehmen, da es oft an einheitlichen Standards oder Rechtsgrundlagen fehle. Tobias Tummescheit, Referatsleiter Organisation beim BAMF, erläuterte zudem, wie die Gerichtskommunikation durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz im BAMF von sechs Minuten auf bis zu 30 Sekunden pro Nachricht verkürzt werden könne.

Der Star ist die Mannschaft

Digitale Behörde fördert Agilität und Teamfähigkeit (BS/gg) Die Behörden befinden sich gegenwärtig in einem Transformationsprozess von einer auf Stabilität ausgerichteten, vertikal organisierten Organisation hin zu einer agilen, auf Veränderung ausgerichteten und teamorientiert horizontal organisierten Institution.

Auf dem “Agilen Campus” der Bundesagentur für Arbeit (BA) wird die Arbeit in Teams bereits gelebt, nicht zuletzt auch mit der Unterstützung des Personalratsvorsitzenden des IT-Systemhauses der BA, Harald Mohr. Der Grad der Autonomie werde erhöht, damit die Mitarbeiter in diesen Teams selbstverantwortlich und selbstbestimmt agieren könnten. Das Team lege dabei die Anzahl der Arbeitspakete selbst fest und ebenso, in welcher Phase die Aufgaben durch wen bearbeitet würden. Zudem organisiere das Team seine Auslastung in Eigenregie. Dies sei zu Beginn eine enorme Herausforderung gewesen, aber, konstatierte Mohr: “Manchmal muss man über Steine gehen, um zum Strand zu gelangen.”

Für Jan Kießling, Leiter des Projektes “Münchner Kompetenzmanagement” bei der Landeshauptstadt München, braucht man als Grundvoraussetzung in den Behörden ein Lernen, das es ermöglicht, selbstorganisiert in komplexen Situationen zu handeln. Hierzu müssten entsprechende Rahmenbedingungen und eine lernförderliche Organisationskultur geschaffen werden. “Wir brauchen Mitarbeitende und Führungskräfte, die Verantwortung übernehmen, sich aktiv mit Entwicklung auseinandersetzen und das als regelmäßige Aufgabe verstehen”, so Kießling. Auch die Entwicklung einer solchen Organisationskultur sei ein Lernprozess Der aktuelle Trendreport Digitaler Staat der Prognos AG und des Behörden Spiegel “Auf dem Weg zur digitalen Organisation”

Die Deutsche-Post-Lösung SIMSme ist heute bereits in einigen bayerischen Behörden im Einsatz. Marco Hauprich will die Verbreitung dieses Messenger-Dienstes für sichere mobile Kommunikation im Freistaat und darüber hinaus weiter vorantreiben.

Fotos: BILDSCHÖN, Gierke

geht genau der Fragestellung nach, welche Kompetenzen für die digital vernetzte Verwaltung zukünftig erforderlich sein werden. Marcel Hölterhoff gab den Teilnehmern einen Einblick in die Erkenntnisse (kostenloser Download unter www.digitalerstaat.org/trendreport).

Messenger auf dem Vormarsch

Messenger-Dienste haben heute die Arbeitswelt weitgehend durchdrungen. Marco Hauprich, Deutsche Post, stellte die Messenger-Lösung SIMSme Business vor, die hierzulande bereits bei zahlreichen Behörden als sichere Kommunikationslösung verwendet wird. So ist SIMSme beim Kommunalen

Durch die Digitalisierung entstünden neue Herausforderungen an ein ganzheitliches Personalmanagement, nicht zuletzt, um durch eine Erhöhung der Resilienz die körperliche und geistige Gesundheit der Mitarbeiter zu erhalten, wie Staatssekretär a.D. Dr. Ralf Kleindiek, Direktor bei Boston Consulting, den Teilnehmern erläuterte.

Außendienst München im Einsatz, um eine schnelle Abstimmung vor Ort zu ermöglichen. Die Landräte des Freistaats nutzen die Lösung, um unter dem Dach des Bayerischen Landkreistages miteinander zu kommunizieren. Der Messenger-Dienst lässt sich medienbruchfrei in Fachanwendungen integrieren, etwa bei der Parkraumüberwachung. Auch Chatbots laufen über den Messenger. Dort eingebrachte Informationen können zudem unmittelbar in vorhandene E-Akte-Systeme integriert werden. Nicht zuletzt lässt sich SIMSme in Kommunen als “Stadt-Kanal” einsetzen, um Mitarbeiter und Bürger über verschiedene Newskanäle zu erreichen.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 27 Zukunftskongress Bayern

Initiative D21 präsentiert die Zahl

des Monats

Was die Menschen …

von einem Bürgerkonto wollen – und was nicht (BS/Roland Dathe*) Ach, wäre das nicht eine schöne Vorstellung, wenn man Verwaltungsangelegenheiten erledigen könnte, ohne jedes Mal aufs Neue die dafür notwendigen Dokumente vorlegen zu müssen? Die Lösung dafür könnte ein “Bürgerkonto” sein, in dem alle persönlichen Dokumente hinterlegt sind.

Für den eGovernment MONITOR

2018 haben die Initiative D21 und fortiss die Menschen gebeten, sich ein Bürgerkonto vorzustellen, bei dem alle wichtigen Daten und Dokumente hinterlegt werden können und die Behörden im Bedarfsfall nach Zustimmung der Benutzerinnen und Benutzer Zugang zu diesen Dokumenten erhalten. Dazu stellten wir ihnen verschiedene Fragen und erhielten interessante Einblicke, was die Menschen wirklich wollen –und was sie nicht wollen.

Gefragt danach, wie wohl sich die Menschen beim Hinterlegen verschiedener Dokumente fühlen, zeigt sich, dass lediglich beim Speichern einer Meldebescheinigung knapp die Hälfte der Deutschen ein gutes Gefühl hat. Bei allen anderen Unterlagen steht eine deutlichere Mehrheit dagegen. Die Zustimmung sinkt, je “weniger offiziell” die Dokumente werden; während sich noch 37 Prozent vorstellen können, ihre Ausweisdokumente zu hinterlegen, sind bei ihrem Mietvertrag lediglich 23 Prozent bereit, bei medizinischen Unterlagen sogar nur noch 16 Prozent.

Mehr als die Hälfte fürchtet durch zentrale Speicherung von

56% 

fürchten den “gläsernen Bürger” beim Zugriff des Staats auf (private) Unterlagen.

persönlichen Daten den “gläsernen Bürger”, ebenso findet eine Mehrheit, dass die Unterlagen die Behörden schlicht nichts angehen. Knapp die Hälfte hat Angst vor Datendiebstahl oder fühlt sich nicht ausreichend informiert, was mit den Daten passiert.

Das zeigt, dass vor allem Kontrolle und Transparenz die Schlüssel zu mehr Akzeptanz sind. Für die Mehrheit ist es wichtig, steuern und nachvollziehen zu können, wer wann Zugriff auf welche Daten erhält, sodass Behörden nur nach expliziter Zustimmung auf die im Konto gespeicherten Unterlagen zugreifen können. Knapp die Hälfte möchte unterschiedliche Zugriffsrechte je nach Behörde vergeben.

Reizvoll erscheint den Befragten allerdings eine automatische Benachrichtigung bei Fristen oder ablaufenden Dokumenten und

teilweise sogar bei neuen Behördendiensten.

Für die Akzeptanz und den Erfolg eines Bürgerkontos sind also die administrativen Entscheiderinnen und Entscheider in der Verantwortung, frühzeitig, transparent und verständlich zu kommunizieren. Bei der Entwicklung von Lösungen eines Bürgerkontos sollten Konzepte für Kontrolle und Transparenz in die Lösungen integriert werden. Dann wirken sie beispielsweise Ängsten vor dem “gläsernen Bürger” frühzeitig entgegen. So könnten Transparenz, gepaart mit Kontrolle und einer leichten Bedienung einen großen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger schaffen und mittelfristig für eine breite Akzeptanz sorgen.

*Roland Dathe ist Pressereferent bei der Initiative D21.

115 – was war – was bleibt

Horst Westerfeld, Staatssekretär a. D., ehemaliger CIO der Hessischen Landesregierung

(BS) 115, eine gute Idee: Überall in Deutschland können mit der Wahl von nur drei Ziffern 1-1-5 alle Fragen und Wünsche gegenüber Behörden erfüllt werden. Die Idee kam 2006 zum ersten IT-Gipfel der Bundeskanzlerin gerade recht. Die Bundeskanzlerin poussierte mit dem 115-Telefon und versprach den Bürgerservice “Wir lieben Fragen”. Dreizehn Jahre später kennt kaum einer die Rufnummer 115 und was sich dahinter verbirgt. Man könnte sagen, das ist doch normal, denn das gilt für fast alle angekündigten Initiativen der letzten zwölf IT-Gipfel der Bundeskanzlerin.

Vernetztes Wissen zur Beratung der Bürger

Zurück zur 115. Anfangs finanziert von Hessen und Bund, erreichte das 115-Projekt schnell Fortschritte und viele Städte und Kreise in NRW, Hessen, Berlin und Hamburg machten sofort bei der Pilotierung mit. Nicht nur, dass die Nummer 115 etabliert und vernetzt wurde, die beteiligten Call Center nutzten eine gemeinsame Wissensdatenbank über alle möglichen Fragen zu Angelegenheiten der Bundes- und Länderbehörden, der Kreis- und Stadtverwaltungen. Das Lebenslagenmanagement war geboren. Der Behördenfinder wurde integriert, sodass jedes meist kommunale 115-Call-Center auch umfassend Auskunft über Bundes- und Länderthemen geben konnte. Die Zusammenarbeit zwischen Bund. Ländern und Kommunen funktionierte ohne neue Gesetze. Mit der Einfügung des Artikels 91c in das Grundgesetz im Jahre 2009, Bund

und Länder können in IT-Fragen zusammenarbeiten, stand dann auch verfassungsrechtlichen Bedenkenträgern nichts mehr im Wege und die Digitalisierung der Verwaltungen hätte mit Volldampf voranschreiten können. Mit der folgenden Etablierung des IT-Planungsrats im Jahre 2010 sollte der Bürgerservice 115 weiterentwickelt und fl ächendeckend bereitgestellt werden. Doch vor allem Bayern war dagegen und so blieb die Finanzierung der Weiterentwicklung von 115 ein Projekt der (Frei-) Willigen. Dennoch ging es bei fast allen großen Städten inklusive der bayerischen voran. Die Vorteile der gemeinsamen Pflege der Wissensdatenbank, des Behördenfi nders und der Vernetzung untereinander sprachen dafür. Effizienzgewinne und Bürgerfreundlichkeit durch professionelle kommunale Call Center waren weitere Argumente.

Kaum Bekanntheit in der Bevölkerung

Die interkommunale Zusammenarbeit wurde gefördert, sodass z. B. das Call Center der Stadt Frankfurt den Bürgerservice für die Stadt Offenbach und weitere Kommunen übernahm. Das Gleiche funktionierte bei der Stadt Ludwigshafen, die sogar Länderübergreifend in der Metropolregion Rhein-Neckar für den Bürgerservice 115 sorgte. Mehr als 500 Kommunen, zwölf Länder und die gesamte Bundesverwaltung haben sich dem 115-Verbund angeschlossen. Eigentlich eine Erfolgsgeschichte.

Doch ist nach dreizehn Jahren die Flächendeckung noch immer nicht erreicht. Weiter sträuben

sich einige Länder, mitzumachen und, wie im heutigen Föderalstaat üblich, übernehmen die Call Center der Kommunen die Aufgaben von Bund und Ländern, ohne ausreichende Finanzierung zu erhalten. Die Marke “115” ist weiter kaum bekannt. Die 115-Call-Center werden meist über die lokalen Service-Rufnummern der Städte und Kommunen angerufen. Telefon und Internet müssen sich ergänzen

Ist damit das Projekt 115 gescheitert? Die Nummer vielleicht, aber auf keinen Fall der telefonische Bürgerservice der Kommunen. Mit dem Projekt 115 wurden über 500 kommunale Call Center etabliert, professionalisiert und auf Bürgerfreundlichkeit ausgerichtet. Es wurden Qualitätsstandards gesetzt, die viele Call Center der Privatwirtschaft nicht erreichen. Und der Kern, das Wissensmanagement über Behörden-Fragen und -Antworten, wurde und wird immer besser sowie umfassender. Das wird so weitergehen. Ohne das Projekt 115 wäre das nicht passiert. Doch was hätte sein können, wenn der IT-Planungsrat sich einig wäre, wenn Bund und alle Länder die Marke 115 über die Telefonnummer hinaus zu einem Bürger-Serviceportal erweitert hätten? Diese Idee wurde bereits vor sieben Jahren im IT-Planungsrat diskutiert. Seit fünf Jahren will man nun mit dem Projekt “Portalverbund” das umsetzen. Ob das was wird, wo doch die Marke 115 einst viel griffiger war? Ein gutes Ziel ist immer noch, wenn sich OnlineServices per Telefon und Internet ergänzen.

Niedersachsen will modernisieren

Regierungskommission für digitale Projekte eingerichtet

(BS/wim) Die niedersächsische Landesregierung hat im Januar die Einrichtung einer neuen Regierungskommission mit dem Ziel “Moderne Verwaltung für ein modernes Niedersachsen” beschlossen. Die Aufgabe der neuen Kommission soll darin bestehen, zukünftig zu überprüfen, ob Organisation und Prozesse in der Hannoveraner Landesverwaltung zukunftsfest aufgestellt sind und wie sie sinnvoll und effizient für die digitale Transformation vorbereitet werden können.

Der Hauptfokus soll im Rahmen der Untersuchung auf den Chancen und Möglichkeiten liegen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. So will die Regierung eine gleichsam leistungsfähige und bürgerfreundliche Landesverwaltung erreichen. In der Sache soll ein Schwerpunkt auf die effiziente Abwicklung von großen Infrastrukturvorhaben gelegt werden.

Sicherung der Leistungsfähigkeit

Mit Einrichtung der Kommission verfolgt die Landesregierung das primäre Ziel, die Leistungsfähigkeit der Landesverwaltung dauerhaft zu sichern. Die neue Kommission soll daher die Prozesse und Organisationsstrukturen der Landesverwaltung mithilfe von externen Beratern untersuchen und Empfehlungen abgeben, wo Vereinfachungs- und Optimierungspotenziale liegen. Ausnahmen der Untersuchung sind die Bereiche Polizei-, Steuer- und Schulverwaltung sowie Justiz und Hochschulen.

Die Optimierung der Landesverwaltung ist in Niedersachsen – wie auch in vielen anderen Ländern – notwendig, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Insgesamt

Die niedersächsische Landesregierung will das Land fit für eine digitale Zukunft machen. Die Digitalisierung soll auch dabei helfen, das Ausscheiden von rund 60.000 Verwaltungsmitarbeitern bis zum Jahr 2030 zu kompensieren. Foto: BS/Staatskanzlei Niedersachsen

rund 60.000 Verwaltungsmitarbeiter werden in den nächsten elf Jahren altersbedingt aus dem Dienst ausscheiden und bereits jetzt muss das Land um geeignete Nachwuchskräfte kämpfen. Das Land ist also gezwungen, im Zuge dieser Entwicklung mögliche Synergiepotenziale zu finden.

Demografischer Wandel schlägt zu Geleitet werden soll die Regierungskommission “Moderne Verwaltung für ein modernes

Niedersachsen” von Jörg Mielke, dem Chef der niedersächsischen Staatskanzlei in Hannover. Die Kommission wird aus einem Lenkungsausschuss und einem Plenum bestehen. Gleichzeitig wird zusätzlich zur Unterstützung und Betreuung eine Geschäftsstelle bei der Staatskanzlei eingerichtet.

Für die finanziellen und personellen Ressourcen zeichnen Staatskanzlei, Innenministerium und Finanzministerium gemeinsam verantwortlich.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 28 Informationstechnologie
Kommentar

Dieser Hype wiederholt sich alle fünfzehn Jahre, ohne dass erkennbar ist, was eigentlich den immer wieder aufkeimenden Optimismus rechtfertigt.

Alleine das simple Wort “lernen” hat biologische, psychologische, soziologische und pädagogische Aspekte – nur um die Wichtigsten zu nennen. Was macht intelligentes Verhalten aus? Was muss ein Computer können, damit er wirklich “Konkurrenz” für uns Mensch sein kann? In der Erkenntnistheorie wird zwischen Verstand und Vernunft unterschieden. Der Verstand umfasst das Vermögen, Begriffe zu bilden und diese zu Aussagen zu verbinden. Genau das machen viele KI-Systeme. Sie nutzen algebraische Modelle, um Begriffe zu prägen (z. B. mit prädikativer Logik) und darüber Aussagen formal zu beschreiben. Verstand ist, nach allem was wir wissen, keine rein menschliche Eigenschaft. Viele Tiere besitzen (vermutlich) so etwas wie Verstand und können in diesem Sinne erstaunliche Intelligenzleistungen hervorbringen.

Der Begriff der Vernunft umfasst die Fähigkeit, Begriffe und Aussagen in einen allgemeingültigen Zusammenhang zu stellen. Vernunft schafft Bedeutung, erkennt Regeln und Prinzipien, die unser Handeln prägen. Beispiele sind: Reflektion, Bewusstsein, Intuition etc. Selbst die freie Bewegung unseres Körpers im Raum gehört zu den härtesten Problemen der KI. Das beherrscht selbst eine Hausbiene, die mit rund einer Millionen Neuronen weder über Verstand noch über Vernunft verfügt. Wir haben derzeit keine Idee, wie sie das schafft.

Die gerade getroffene

Aussage, dass es kein Modell der menschlichen Vernunft gibt, heißt nicht, dass es das nicht geben kann. Damit es Computer mit Eigenschaften

Künstliche Intelligenz

Die Lebenslüge der Informatiker

(BS/Dr. Michael Neubauer) Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Hype-Thema. Auch im öffentlichen Bereich gibt es viele Artikel, Diskussionen und vor allen Dingen Prognosen zu dem Thema. Genereller Tenor: Die Fortschritte in der KI sind revolutionär und in Zukunft werden weitere rasante Entwicklungen unsere Gesellschaft fundamental verändern. Weil die Computer demnächst “superklug” sind, brauchen wir viele Berufe und Mitarbeiter nicht mehr. Wir verdummen, weil Computer für uns denken und werden unfrei, weil sie für uns entscheiden.

nen, die Gesichter erkennen und die auf schwierige Fragen richtige Antworten geben können?

Immer wieder wird behauptet, dass schnellere Rechner die Problemlösung seien. Informatiker können die Grenzen unserer Computer sehr genau benennen.

KI bringt genau diese Grenzen zutage.

Um das zu veranschaulichen, will ich es mit einem Beispiel verdeutlichen. Schon 1.650 v.Chr. hatten die Ägypter folgende Annährung an die Zahl == 3,16049. Sie weicht nur um 0,19 von der tatsächlichen Größe ab und ist damit eine sehr gute Näherung.

Erst 1706 gelang es John Machin, 100 Stellen der Zahl zu berechnen. Alle Stellen der Zahl werden sich nie berechnen lassen: Es gibt unendlich viele. So ähnlich ist es auch mit intelligentem Verhalten: Wir kommen ihm näher, ohne es auch nur annähernd zu erreichen.

Energieverbrauch von Rechnern

“Die australische Firma Appen beschäftigt weltweit eine Million Menschen, die nichts anderes tun, als Suchanfragen zu bewerten und in die Sprache der Computer zu übersetzen.”

gibt, die an die Leistungen eines ganz normalen Menschen heranreichen, müsste es einen Quantensprung im Bereich der Grundlagenforschung zur menschlichen Intelligenz und der Computer geben.

Maschinelles Lernen will gelernt sein

Damit ein Computer etwas maschinell lernen kann, müssen ihm Daten mit möglichst korrekten Aussagen bereitgestellt werden. Das ist aufwendig und in der Regel nicht automatisierbar. Hier muss der Mensch helfen.

Lernen in der Realität, wie es zzt. beim autonomen Fahren propagiert wird, ist auch nicht so einfach, weil man einen Fahrer braucht, der das System überwacht und anleitet. Das dauert so lange, dass z. B. das Unternehmen NVIDIA dazu übergegangen ist, die Testfahrten wieder in einen Simulator zu verlegen, weil die Lernphase sonst Jahrzehnte dauern würde.

Wenn das alles so schwierig ist, warum gibt es dann Computer, die Schach und Go spielen kön-

Schaut man auf ein paar Leuchttürme der KI, so wird deutlich: Rechenpower ist alles. So bestand der Rechner, der die Jeopardy-Champions Brad Rutter und Ken Jennings schlug, aus 90 Rechnern, die jeder rund 2,3 KW Strom verbrauchten. Nimmt man Speichersysteme, Netzwerktechnik und Kühlung dazu, dann verbraucht das System knapp ein Megawatt. Die Gehirne der beiden Kandidaten verbrauchen nicht mehr als eine Glühbirne. Hier vergleicht man die Leistung eines Windrades mit dem Energieeinsatz eines untrainierten Fahrradfahrers.

Natürlich hat sich der Energieverbrauch der Rechner in den letzten Jahrzehnten dramatisch verringert. Selbst wenn das so bleibt, würde diese Art der KI mehr Energieprobleme verursachen als der Autoverkehr und die Wärmeversorgung zusammen.

Dann eben einfach: ChatBots

Nach so viel Theorie – jetzt die Praxis: Wenn man vielen Autoren glaubt ,sind ChatBots das praktische Beispiel für KI-Anwendungen. Da geht es um eine einfache Frage und eine einfache Antwort. Im amerikanischen Wahlkampf haben sie (angeblich) die Wähler verführt. Viele haben sie schon benutzt und gar nicht gemerkt, dass sie es nicht mit einem Menschen, sondern mit KI zu tun hatten. Als das Grammophon erfunden wurde, verwechselten es viele mit echten Musikern. Die Hörer erwarteten keine reproduzierte Musik. So ist

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de

es auch mit den ChatBots. Wenn man nicht weiß, dass es sie gibt, denkt man halt, es ist ein etwas schlichter Zeitgenosse, mit dem man chattet. Die Zeitschrift Test

hat im Oktober 2018 ChatBots großer Firmen untersucht. Das Ergebnis ist ein Desaster. Die meisten Systeme verstehen das Anliegen des Anfragers nicht,

geben falsche Auskünfte oder chatten nur “dummes Zeug”. Damit ein KI-System “intelligent” reagiert, braucht es Informationen über die Welt und den Kontext des Fragers. Aber wie kommt ein Computer an Informationen aus der realen Welt? Nun, sie muss mühsam durch Menschen bereitgestellt werden. Die australische Firma Appen beschäftigt weltweit eine Million Menschen, die nichts anderes tun, als Suchanfragen zu bewerten und in die Sprache der Computer zu übersetzen.

Ist die Angst vor KI berechtigt?

befürchten die Weltherrschaft der Computer.

Computer automatisieren auch ohne KI einfache Aufgaben. Tätigkeiten fallen weg, weil sie nicht mehr notwendig sind. Wie gerne würde ich auch heute noch meine Fahrkarte von einem Menschen kaufen. Wir machen sozialversicherungspflichtige Arbeit allerdings so teuer, dass deren Automatisierung, trotz vieler Nachteile, der preiswertere Weg ist.

“Selbst die freie Bewegung unseres Körpers im Raum gehört zu den härtesten Problemen der KI.”

Nicht nur Laien, sondern auch Menschen wie Elon Musk oder der verstorbene Stephen Hawking

Verlierer werden daher auch weiterhin – wie in den letzten fünfzig Jahren auch – die weniger qualifizierten Arbeitnehmer sein. Dagegen wird es viele neue qualifizierte Tätigkeiten geben, um die “Vernunft” in den Rechner zu bringen. Mit anderen Worten: Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte setzt sich kontinuierlich fort. Woher der eine oder andere Informatiker die Behauptung nimmt, dass die KI vor einem entscheidenden Durchbruch steht, ist auch vor dem Hintergrund steigender Rechenleistung kaum zu verstehen.

Seite 29 Behörden Spiegel / Februar 2019 Informationstechnologie
Dr. Michael Neubauer ist Geschäftsführer der SIT GmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Zweckverbandes Südwestfalen-IT, mit Sitz im sauerländischen Hemer. Foto: BS/SIT GmbH

Digitaler Staat 2019 Aufbruchstimmung zum Durchbruch nutzen

2.–3. APRIL 2019, KO S MOS , Berlin

Programm, 2. April 2019

08:00Registrierung, Eröffnung Ausstellung

08:30 Eröffnung Kongress

R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel

08:35 Revolution von innen: Wo der Staat als Treiber der Digitalisierung vorangeht

Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt

08:55 Ein digitaler Staat braucht eine vernetzte Verwaltung

Werner Achtert, Geschäftsleitung Public Sector, msg systems

09:15 Keynote

Prof. Dr. Andreas Pinkwart*, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

09:35 STATHMIN versus DIGITAL

Christian R. Maierhofer General Director A/V Software Solutions 360°, Bechtle

09:55Kaffeepause

10:25 Architektur für die Digitalisierung – Beratung

Moderation: R. Uwe Proll, Chefredakteur und Herausgeber Behörden Spiegel

Dr. Katrin Suder, Vorsitzende Digitalrat

Marit Hansen*, Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung

Saskia Esken, Mitglied der Enquete-Kommission des deutschen Bundestages „Künstliche Intelligenz“

Mathias Oberndörfer Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor, KPMG

11:05 Architektur für die Digitalisierung – Umsetzung

Dr. Annette Schmidt, Leiterin Aufbaustab Föderale IT-Kommunikation (FITKO)

Dr. Myriam Boeck*, Leiterin Aufbaustab AIC, Bundesministerium der Verteidigung

NExT – Eine Er folgsgeschichte (Seite 8)

Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas*, Leiter Forschung für Digitalisierung und Innovationen, Bundesministerium für Bildung und Forschung

N.N., eGovernment-Agentur (noch in Gründung)

Florian Breger, Leiter Geschäftsbereich IBM Öffentlicher Dienst, IBM Deutschland

11:50Kaffeepause

12:00 FACHPROGRAMM: Digitale Staatskunst Fachforen 1 – 5

Das Fachprogramm Digitale Staatskunst und die Foren E-Government 1 - 5 finden parallel statt.

13:30Mittagspause

14:30 FACHPROGRAMM: Digitale Staatskunst Fachforen 6 – 10

Das Fachprogramm Digitale Ethik und die Foren E-Government 6 - 10 finden parallel statt.

16:00Kaffeepause

16:30 Demokratiestütze?! – Der digitale Kommunikationsraum

Moderation: Rudolf Scharping, Bundesminister und Ministerpräsident a. D.

Nicola Beer, MdB, Staatsministerin a. D., Generalsekretärin der Freien Demokraten

Markus Blume, MdL, Generalsekretär der CSU

Lars Klingbeil, MdB, Generalsekretär der SPD

Konstantin von Notz, MdB, Bündnis 90/Die Grünen

17:15 Bürgermeisterrunde – innovativ, smart und kommunal

Moderation: Guido Kahlen, Stadtdirektor der Stadt Köln a. D.

Thomas Geisel, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf

Werner Spec, Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg

Stefan Schostok, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover

Markus Bauer, Landrat des Salzlandkreises

18:00 Vorstellung des neuen Trendreports „7 Gründe des Scheiterns“

Marcel Hölterhoff Bereichsleiter Managementberatung, Prognos

Jan Tiessen Senior-Projektleiter im Bereich Organisation & Umsetzungsberatung, Prognos

18:30 Nacht des Scheiterns

Moderation: Horst Westerfeld, Staatssekretär a. D. Abendempfang / Buffet

Weitere Programmpunkte, 2. April 2019

10:25 Uhr – 11:50 Uhr

1 Jahr NExT – eine Erfolgsgeschichte der behördenübergreifenden Digitalisierung

Moderation: Dr. Markus Richter, Vizepräsident Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Sven Stephen Egyedy, Chief Technology Officer, Auswärtiges Amt Kapitän zur See Roland Obersteg, Abteilungsleiter Führung, Kommando Cyber- und Informationsraum

Dr. Hans Günther Gaul, IT-Direktor Bundesnotarkammer

Thomas Riede, Gruppenleiter Digitale Agenda, Statistisches Bundesamt Jürgen Renfer, CIO Kommunale Unfallversicherung Bayern

Dorothee Bär

Fachforen, 2. April 2019

Fachforum 1: E-Rechnung – vom Projekt zum Standard

Fachforum 2: Organisationsgestaltung und Prozessmanagement

Fachforum 3: Machine Learning

Fachforum 4: Open Data

Fachforum 5: Behördenübergreifende Services für digitale Verwaltung: Wie erreicht man das?

Digitale Staatskunst, digitale Wirtschaft und digitale Daseinsvorsorge bilden neben den klassischen Themen rund um die digitale Verwaltung im Jahr 2019 die thematischen Hauptsäulen des „Digitalen Staats”. Im Berliner Kosmos treffen sich erneut Innovatoren, Modernisierer und Trendsetter, um auf dem jährlichen Fachkongress die Digitalisierung von Staat, Verwaltung und Gesellschaft voranzutreiben und sich an zwei Tagen intensiv den Herausforderungen zu widmen, die die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt. Die begleitende Fachausstellung und verschiedene Side-Events bieten zudem die Möglichkeit, sich umfassend über Angebote für die digitale Verwaltung zu informieren sowie Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen.

Programm, 3. April 2019

08:30 Eröffnung Ausstellung

08:45 Onlinezugangsgesetz – Stand und Umsetzung

Hans-Henning Lühr, Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen

09:15 Die Zukunftsfähigkeit meiner Behörde

Dr. Ralf Kleindiek, Staatssekretär a. D. und Direktor von The Boston Consulting Group

Transparenter Haushalt

Projekt-Pitch (IT-Planungsrat)

Meet & Match: Star t-ups und „Sozialentrepreneure“

angefragt

Fachforum 6: Urbane Datenräume als Kern smarter Verwaltungen und Städte

Fachforum 7: E-Akte – was bedeutet die OZG-Umsetzung für den weiteren Einführungsprozess?

Fachforum 8: Stadtlabor

Fachforum 9: Digitale Transformation in der öffentlichen Verwaltung

Fachforum 10: Sichere Cloud-Dienste

16:30 Uhr – 18:00 Uhr

Transparenter Haushalt und digitale Konzernsteuerung

Moderation und Impuls: Arne Schneider, Haushaltsdirektor Freie und Hansestadt Hamburg

Oliver Rohbeck, Leiter Haushaltsgrundsatzreferat, Senatsverwaltung für Finanzen Berlin

Holger Duveneck*, Haushaltsdirektor Freie Hansestadt Bremen

Heiko Willmann*, Leiter des Fachbereiches Soziales, Jugend, Schule und Gesundheit, Landkreis Pinneberg

André Zeranski, Projektleiter robotron

„Einer für Alle“ – Digitale Portale

Moderation: Matthias Kammer, Senatsdirektor a. D.

Dr Ariane Berger Referentin für eGovernment und Verwaltungsorganisation, Deutscher Landkreistag

Maximilian Strotmann, Communication Adviser (Member of Cabinet Andrus Ansip), Europäische Kommission

Prof Dr. Jörn von Lucke, Direktor des Lehrstuhls für Verwaltungs- und Wirtschaftsinformatik, Zeppelin Universität

Hans-Henning Lühr, Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Beauftragter der Bundesregierung für Informationsechnik

10:30Kaffeepause

10:55

11:15

11:35

FACHPROGRAMM: Digitale Daseinsvorsorge

Klaus

der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Fachforen, 3. April 2019

Von der digitalen Verwaltung zur intelligenten Verwaltung –ein logischer nächster Schritt!

Susanne Diehm, Leiterin Public Services & Healthcare, Mitglied der Geschäftsleitung, SAP Deutschland Der datafizier te Staat Prof Dr. Manfred Hauswirth, Geschäftsführender Institutsleiter Fraunhofer FOKUS Europe facing Cyberwar – Verteidigung der digitalen Demokratie Jan Lindner, Vice President N.C. Europe, Panda Security

11:50Kaffeepause

12:00 FACHPROGRAMM: Digitale Wirtschaf tFachforen 11 – 14

Das Fachprogramm Digitale Wirtschaft und die Foren E-Government 11 14 finden parallel statt.

Nähere Informationen hierzu auf den kommenden Seiten.

13:30Mittagspause

14:30 FACHPROGRAMM: Digitale Wirtschaf tFachforen 15 – 18

Das Fachprogramm Digitale Wirtschaft und die Foren E-Government 15 18 finden parallel statt.

16:00Ende des Kongresses

Referenten, u. a.

Hans-Henning Lühr Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen und Vorsitzender des IT-Planungsrats 2019

Projekt-Pitch des IT-Planungsrats mit anschließendem „Meet the Speakers“

Der IT-Planungsrat hat auf seiner Sommersitzung 2018 mit der Verabschiedung des OZG-Umsetzungskatalogs einen zentralen Schritt für die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) gemacht. Ausgewählte Themenfelder des OZG-Umsetzungskatalogs werden beim Pitch durch die Länder vorgestellt und aktuelle Entwicklungen präsentiert.

Moderation: Hans-Henning Lühr, Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen

Meet & Match: Star t-ups und „Sozialentrepreneure“

Start-ups und „Sozialentrepreneure“ sprechen und diskutieren mit Vertretern aus Verwaltung und Wirtschaft über innovative Ideen.

Teilnehmer aus Verwaltung und Wirtschaft:

Moderation: Dr. Eva-Charlotte Proll, Lead Business Analystin, Capgemini

Dr. Markus Richter, Vizepräsident Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Roland Jabkowski, Co-CIO Hessisches Ministerium der Finanzen

Fachforum 11:

IT-Sicherheit – Kommunikation und Netzwerk

Fachforum 12:

Konsolidierung der Bundes-IT

Fachforum 13:

Onlinezugangsgesetz

Fachforum 14:

Digitale Assistenten

Fachforum 15:

Agile und innovative IT-Projekte

Fachforum 16:

Prozessoptimierung und Automation in der Verwaltung

Fachforum 17:

Digitale Kommune

Fachforum 18:

Chancen durch künstliche Intelligenz

Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt www.digitaler-staat.org

www.facebook.com/digitalerstaat

twitter #digistaat

Eine Ve ranstaltung des
www.instagram.com/digitaler_staat Themenpartner
2. April 2019, 16:30 Uhr – 17:30 Uhr 17:30 Uhr – 18:30 Uhr
Vitt Beauftragter Dr. Katrin Suder Vorsitzende des Digitalrats Thomas Geisel Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Düsseldorf Rudolf Scharping Bundesminister und Ministerpräsident a. D.

Behörden Spiegel: Herr Dr. Thiel, das Statistische Bundesamt beschäftigt sich naturgemäß mit einer sehr breiten Palette an Daten. Welche Rolle spielen Geodaten dabei?

Thiel: Der Bedarf nach kleinräumigen Informationen in Politik und Öffentlichkeit ist groß und wächst beständig. Für das Statistische Bundesamt besteht durch das wachsende Angebot georeferenzierter Statistiken die Chance, diesen öffentlich artikulierten Bedarf zu einem wesentlichen Teil zu decken und uns als seriöser Datenproduzent und Dienstleister zu positionieren.

Behörden Spiegel: Wie viele georeferenzierbare Statistiken gibt es aktuell?

Thiel: Hier muss man zunächst zwischen Georefenzierbarkeit und Geokodierbarkeit unterscheiden. Letzteres bezeichnet allgemein die Zuordnung von Koordinaten zu Fachobjekten in einem räumlichen Bezugssystem, während man die Analyse und Verknüpfung von Informationen mit Raumbezug als Georeferenzierung versteht.

Eine neue Qualität

Georeferenzierung hält Einzug in amtliche Statistiken

(BS) Die Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) und der Statistikämter der Länder sind nah dran an den Bürgern und können so der öffentlichen Verwaltung vor Ort durch ihr erhöhtes Analysepotenzial einen echten Mehrwert bieten. Um diese Entscheidungsgrundlage weiter zu verbessern, sollen nun bis Ende 2019 alle georeferenzierbaren Statistiken geokodiert werden, den Datensätzen also Geokoordinaten zugespielt werden, wie Destatis-Präsident Dr. Georg Thiel im Interview mit Behörden Spiegel Redakteur Guido Gehrt erklärt.

susatlas bereits im Jahre 2011 an den Start gebracht. Unser neuestes Produkt ist der Straßenverkehrsunfallatlas, den wir im September 2018 veröffentlicht haben. Dieser ermöglicht zum Beispiel eine detaillierte Betrachtung unfallgefährdeter Stellen auf den täglichen Wegen.

“Erste Produkte haben wir mit dem Agraratlas und dem Zensusatlas bereits im Jahre 2011 an den Start gebracht.”

Als nächstes werden wir einen Krankenhausatlas anbieten, der über die Erreichbarkeiten von Krankenhäusern informiert. Dieser kombiniert die Daten des Zensus mit den Standorten von Krankenhäusern und kann dadurch für Simulationsanalysen genutzt werden, etwa wenn es um die Fragestellung geht “Wie wirkt sich die Eröffnung oder Schließung eines Krankenhauses auf die Erreichbarkeit aus?”.

ebenfalls einen Raumbezug aufweisen, kombiniert werden, beispielsweise Satellitendaten, OpenStreetMap, Wetterdaten oder ähnliches, um weitere Analysen durchführen zu können.

für Kartographie und Geodäsie geokodiert werden, sind dezentrale Statistiken.

Behörden Spiegel: Können Sie uns ein paar Beispiele für Verwendungsmöglichkeiten geben?

Thiel: Sogenannte Hot-SpotAnalysen ermöglichen beispielsweise die Beschreibung der räumlichen Verteilung durch die Identifikation von entsprechenden Clustern bzw. Ballungsräumen. So können etwa Regionen mit erhöhtem Unfallrisiko im Straßenverkehr identifiziert werden.

Krankenhaus in ländlichen Gebieten in Deutschland im Durchschnitt?” beantworten zu können.

Derartige Nachbarschafts- und Erreichbarkeitsanalysen können übrigens auch mit stichprobenbasierten Statistiken wie dem Mikrozensus durchgeführt werden. Hierdurch ist es möglich, das Erhebungsprogramm um zusätzliche Merkmale zu ergänzen, ohne diese erfragen zu müssen.

Auf diese Weise können auch die Auskunftgebenden entlastet werden. Nicht zuletzt ist man mit georeferenzierten Informationen auch in der Lage, Zeitreihen unabhängig von Verwaltungsgrenzen zu erstellen.

Behörden Spiegel: Ihr Angebot wird sich dadurch also quantitativ und qualitativ deutlich weiterentwickeln.

Derzeit sind 194 Statistiken geokodierbar. Hierzu zählen Erhebungen, Rechenwerke und Register, die vom Statistischen Bundesamt und den Statistischen Ämtern der Länder – dem Statistischen Verbund – betreut werden.

Erste Produkte haben wir mit dem Agraratlas und dem Zen-

Nachdem wir durch die Geokodierung des Statistischen Angebots die Grundlage geschaffen haben, um Analysen auf der Basis von statistischen Daten mit Raumbezug durchzuführen, wird in Zukunft unser Fokus auf diesem Bereich liegen. Ebenso sollen die Daten des Statistischen Verbundes mit Daten, die von Dritten angeboten werden und

Behörden Spiegel: Wie läuft der Prozess der Geokodierung des Angebots ab?

Thiel: Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder arbeiten gemeinsam an der Geokodierung aller geokodierbaren Statistiken. Dies wurde als strategisches Ziel für den Statistischen Verbund durch die Amtsleitun-

gen im November 2017 festgelegt. Ende vergangenen Jahres waren 80 Prozent der Statistiken, die einen Raumbezug unterhalb der Gemeindeebene aufweisen, mit einer Geokoordinate versehen. Die restlichen Statistiken werden bis Ende 2019 geokodiert, solange keine übergeordneten Hindernisse überwunden werden müssen, beispielsweise die Rechtsgrundlage angepasst werden muss.

Im Statistischen Verbund ist ein Steuerungsgremium eingesetzt, welches die Tätigkeiten koordiniert. 140 der Statistiken, die bis Ende 2019 durch das Bundesamt

Mit geokodierten Informationen lassen sich auch Nachbarschaftsanalysen durchführen, beispielsweise mit Blick auf die Hochwassergefährdung oder die Lärmbelastung durch die Verkehrsinfrastruktur, aber auch Erreichbarkeitsanalysen, etwa wenn man an Schulen oder Krankenhäuser denkt. Gerade durch solche Analysen können auch strukturelle Aggregataussagen generiert werden, um Fragen wie “Wie viele Menschen in Deutschland sind unmittelbar von Fluglärm betroffen?” oder “Wie lange dauert der Weg zum nächstgelegenen

“Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder arbeiten gemeinsam an der Geokodierung aller geokodierbaren Statistiken.”

Thiel: Absolut richtig. Der Auftrag des Statistischen Bundesamtes, statistische Informationen, die für die Willensbildung und die Entscheidungsprozesse in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind, bereitzustellen und zu verbreiten, wird durch die Integration von statistischen und geografischen Daten auf ein anderes Niveau gehoben. Durch georeferenzierte Informationen, die objektiv, unabhängig und qualitativ hochwertig sind und Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stehen, können evidenzbasierte Entscheidungen auf lokaler Ebene mit einem Höchstmaß an Transparenz getroffen werden.

MELDUNGEN

ITZBund schließt sich NExT an

(BS/wim) Das ITZBund ist seit dem Jahreswechsel das neueste Mitglied des “Netzwerkes Experten digitale Transformation der Verwaltung” (NExT). Das Netzwerk, welches im Januar des vergangenen Jahres gegründet wurde, um ressortübergreifend die Digitalisierung voranzutreiben, vereint laut Stellungnahme “Vordenkende und aktiv Gestaltende der Digitalisierung im öffentlichen Sektor”. NExT wurde von den Gründern mit dem motivierten Anspruch aus der Taufe gehoben, die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung maßgeblich zu gestalten und voranzubringen.

Dabei ist das ITZBund nicht komplett neu in der Partnerschaft. Schon vor Beginn der

Mitgliedschaft war der Rechenzentrumsdienstleister des Bundes immer wieder mal als Partner des Netzwerks aktiv. Im September 2018 war das ITZBund zum Beispiel Gastgeber eines NExTWorkshops zum Thema Cloud Computing in der öffentlichen Verwaltung. Der Direktor des IT-Dienstleisters des Bundes, Dr. Alfred Kranstedt, sieht den Beitritt als Win-win-Situation für beide Seiten: “NExT bietet dem ITZBund wertvollen Input und die Möglichkeit, sich mit seinen Themen und seiner Expertise aktiv einzubringen. Als Mitglied von NExT werden wir unseren Austausch und die Vernetzung mit Expertinnen und Experten aus anderen Behörden weiter intensivieren.”

Dataport mit Top4Women-Signet ausgezeichnet

(BS/wim) Der IT-Dienstleister für Hamburg, Bremen, SchleswigHolstein und Sachsen-Anhalt, Dataport, betreibt vorbildliche Arbeit bei der Einbindung von Frauen in das Unternehmen.

Für Werte von 30 Prozent im Gesamtunternehmen und ebenfalls 30 Prozent in Führungspositionen sind die Altenholzener nun mit dem Top4Women-Signet ausgezeichnet worden.

Die “Agentur ohne Namen”, die die Auszeichnung vergibt, nennt als besondere Punkte den “transparenten und offensiven Umgang mit weiblichen Talenten und Rahmenbedingungen,

die die Karrierechancen von Frauen erhöhen.” So sei es bei Dataport fast allen Mitarbeitern möglich, auf Wunsch im HomeOffice zu arbeiten. Zudem seien flexible Arbeitszeiten, Jobsharing und eine aktive Unterstützung beim Wiedereinstieg nach der Familienzeit Voraussetzungen, die vor allem für Frauen wichtig seien und diesen die Arbeit mit Familie erleichterten.

Das Top4Women-Signet wird an Unternehmen vergeben, die weibliche Talente aufbauen, einsetzen und langfristig an das Unternehmen binden.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 32 Informationstechnologie
Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes, will das Angebot seiner Behörde durch die Integration von statistischen und geografischen Daten auf ein anderes Niveau heben. Foto: BS/Destatis

In Zeiten des bevorstehenden Brexits und des Erstarkens nationalistischer Strömungen auch in anderen Mitgliedsstaaten sehen viele die Wahlen zum Europäischen Parlament, die vom 23. bis 26. Mai durchgeführt werden, als eine Art Bewährungsprobe für die EU. Für Akteure, die den Zusammenhalt weiter schwächen wollen, sind sie ein lohnendes Ziel. Eine Störung des Wahlablaufs oder eine Manipulation des Ergebnisses könnte Misstrauen in die demokratischen Strukturen säen und Vorbehalten weiter Vorschub leisten – selbst wenn es beim Versuch bliebe (siehe auch Behörden Spiegel Oktober 2018, Seite 25). Die EU-Kommission hat das Thema schon länger auf ihrer Agenda und sich mit Warnungen und Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten gewandt. Diese sind letztlich für die Durchführung und damit auch für die Gewährleistung der Informationssicherheit bei den Wahlprozessen selbst verantwortlich.

In Deutschland unterscheiden sich die Abläufe grundsätzlich nicht von denen bei Bundestagswahlen, sind also weitgehend analog. Die Stimmabgabe erfolgt mit Zettel und Stift, das endgültige Wahlergebnis wird anhand von Niederschriften der Wahlvorstände und Wahlausschüsse ermittelt. “Eine Manipulation des endgültigen Ergebnisses durch Cyber-Angriffe ist ausgeschlossen”, so Bundeswahlleiter Thiel

Zur Feststellung des vorläufigen Ergebnisses in der Wahlnacht, in Deutschland am 26. Mai, kommt aber durchaus Informationstechnik zum Einsatz. Die Stimmen werden in den Wah lbezirken ausgezählt und dann über die Gemeindebehörden, die Kreisbzw. Stadtwahlleitungen und die Landeswahlleitungen jeweils per elektronischer Schnellmeldung bis zum Bundeswahlleiter weitergeleitet. Dazu Thiel: “Bei der Ermittlung des vorläufigen Wahlergebnisses hat die Absicherung der IT-Systeme höchste Priorität. So arbeiten wir in der Wahlnacht zum Beispiel mit mehreren unabhängigen Rechenzentren.” Die Kommunikation mit den Landeswahlleitungen erfolge verschlüsselt über das abgesicherte Verwaltungsnetz. Wahlergebnisse würden in einem internen, vom Internet abgeschotteten System ermittelt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) berät

Gegen Hacking und Desinformation

Wie Deutschland und die EU sich für die Europawahl rüsten

(BS/Benjamin Stiebel) Die Europäische Union bereitet sich auf die Europawahl im Mai vor. Nachdem es in den letzten Jahren unter anderem bei großen politischen Wahlen in den USA und Frankreich zu Irritationen gekommen war, hat der Schutz vor Cyber-Angriffen und Manipulationsversuchen hohe Priorität. Für den Wahlablauf sind die Mitgliedsstaaten jeweils selbst verantwortlich, die Bundesrepublik sieht der Bundeswahlleiter, Dr. Georg Thiel, gut aufgestellt. Den Kampf gegen Wahlbeeinflussung koordiniert dagegen die EU-Kommission. Die Unternehmen sollen freiwillig mitwirken, bleiben jedoch hinter den Erwartungen zurück.

zubauen. Dieses soll dem Austausch über Bedrohungen und geeignete Schutzmaßnahmen zu Wahlprozessen dienen und in konkreten Fällen schnelle gegenseitige Warnungen ermöglichen. Zunächst liegt der Fokus auf der Europawahl, langfristig soll aber die sichere Durchführung aller politischen Wahlprozesse in der EU Thema sein. 2019 sind vier Treffen anberaumt, das erste hat im Januar bereits stattgefunden, das nächste soll noch vor dem Wahltermin stattfinden. Ab 2020 sind halbjährliche Treffen vorgesehen. Auf deutscher Seite ist das Referat Wahlrecht und Parteienrecht des Bundesinnenministeriums beteiligt.

und sanktionieren können, wenn zum Beispiel Vorwürfe von Datenmissbrauch im Raum stehen. Soziale Netzwerke in die Pflicht nehmen

Auch wenn der Urnengang analog abläuft, lauern digitale Gefahren: Deutschland und die EU wollen die Europawahl gegen Cyber-Angriffe und die Wähler gegen intransparente Werbung und Desinformationskampagnen immunisieren. Foto: BS/©vchalup, stock.adobe.com

den Bundeswahlleiter permanent zur Sicherheitsarchitektur der Systeme und unterstützt insbesondere in der Wahlnacht bei der Abwehr von Gefahren.

IT in föderaler Verantwortung

Unabhängig vom konkreten Prozedere für die Schnellmeldungen kann auf allen föderalen Ebenen Wahlsoftware zur Organisation der Abläufe eingesetzt werden. Es gibt aber keine zentrale Lösung, vielmehr entscheidet jede Ebene selbst, welches Produkt eingesetzt wird. Entsprechend ist auch die Verantwortung für die IT-Sicherheit in föderalen Händen. “Der Bundeswahlleiter kann nicht anordnen, wie vor Ort gearbeitet wird und welche Technik eingesetzt wird”, so Thiel.

“Dennoch sehe ich natürlich eine Verantwortung im Sinne einer Koordinierungsfunktion.” Um den Austausch über die Ebenen hinweg noch besser abzusichern, wurde unter anderem eine Arbeitsgruppe eingesetzt, der neben dem BSI der Bundeswahlleiter und die Landeswahlleitungen angehören. Das Gremium hat mit Blick auf die Europawahl noch im Jahr 2018 Verbesserungs -

vorschläge zur Absicherung der Ergebnisermittlung ausgearbeitet. Die konkreten technischen und organisatorischen Schritte richten sich an alle Ebenen bis hinunter auf die Kommunen. Intensiv behandelt wurde der Einsatz von Wahlsoftware. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 hatten Experten Sicherheitsmängel in einem in mehreren Ländern und Kommunen eingesetzten Produkt festgestellt. Sicherheitsvorfälle hatte es letztlich nicht gegeben. Infolgedessen sei aber die Sensibilität bei den Beteiligten noch einmal geschärft worden, betont Thiel. Um Fehler oder Manipulation auszuschließen, würden übermittelte Ergebnisse immer auf Plausibilität geprüft. “Bei unplausiblen Meldungen gibt es Rückkopplungen zwischen den einzelnen Ebenen”, so der Bundeswahlleiter. Zi e l für Cyber-Angriffe muss aber nicht der Wahlprozess selbst sein. Beispiele der letzten Jahre haben gezeigt, dass es für Angreifer leichter sein kann, sensible Inf or mationen über Kandidaten oder Parteien durch Hacking zu erlangen und während des Wahlkampfes gezielt bekannt zu

UNGESICHERTE IT-HARDWARE – EIN UNTERSCHÄTZTES RISIKO

Abfangen von sensiblen Nutzerdaten durch Anstrahlen mit Radar (BS/Joachim Stäcker*) Für jede Situation der illegalen Informationen-Gewinnung stehen heute professionellen Datendieben geeignete, einfache Methoden zur Verfügung. Ist die Entfernung zum Zielcomputer etwas größer, greift man auf hochfrequente Anstrahlung mit handlichen Radar-Geräten zurück.

Für eine Angriffsvariante wird

zum Beispiel das Monitor- und Tastaturkabel manipuliert.

Dazu wird ein extrem kleiner “Signalverstärker” unsichtbar in die Kabel integriert, der aus größeren Entfernungen angestrahlt werden kann. Aus den zurückgesendeten Radarstrahlen kann direkt online rekonstruiert werden, was auf dem Bildschirm in Verbindung mit den Tastatureingaben des Zielcomputers zu sehen ist. Dieses Verfahren eignet sich auch zur akustischen Raumüberwachung über passive Audio-Wanzen.

Risiko des spurlosen

Datendiebstahls

Diese Angriffsart gehört zu einer Datenraub-Familie, die unter Profis als “Böse Nachbarn” bezeichnet wird. Sie ermöglicht den Datendieben eine dauerhafte

“Deep Packet Inspection”, also eine komplette Durchleuchtung der Aktivitäten am angegriffenen IT-Arbeitsplatz ohne systemverändernde Eingriffe. Die dazu

Grafik: BS/Heinen ICS

eingesetzten Radaranlagen, von denen auch eine gesundheitliche Schädigung der Mitarbeiter in den betroffenen Behörden, staatlichen Einrichtungen und Unternehmen ausgehen kann, arbeiten im Bereich zwischen ein und zwei Gigahertz mit einer Leistung von bis zu einem Kilowatt.

machen. Für den Schutz ihrer IT-Systeme sind die politischen Akteure selbst verantwortlich.

In Deutschland bietet das BSI den Parteien wie auch schon vor der letzten Bundestagswahl Unterstützung an. (Näheres zur IT-Sicherheit bei Abgeordneten und Parteien in Deutschland im Text auf Seite 35) EU errichtet Kooperationsnetz 2018 hat die EU-Kommission unter Beteiligung der verantwortlichen Stellen in den Mitgliedsstaaten und der europäischen Cyber-Sicherheitsbehörde ENISA ein Kompendium zur Cyber-Sicherheit bei Wahlen ausgearbeitet. Im Maßnahmenpaket zur Europawahl vom Herbst wurden die Mitgliedsstaaten aufgerufen, nationale Netzwerke zum Thema aufzubauen und Kontaktstellen für ein übergeordnetes europäisches Kooperationsnetzwerk auf-

Im Mittelpunkt der EU-Maßnahmen steht aber nicht nur der Schutz technischer Abläufe, sondern die Vorbeugung vor Manipulation in einem größeren Kontext. Die Pro-Brexit-Kampagne und der Skandal um Cambridge Analytica sind eine Lehre. “Das Risiko reicht von nicht transparenter politischer Werbung bis hin zum Missbrauch personenbezogener Daten”, so Justizkommissarin Věra Jourová. “Ich möchte, dass die Europäer bei der Stimmabgabe eine freie Entscheidung treffen können. Um dies zu gewährleisten, muss der im Internet herrschenden Anarchie im Bereich der Wahlvorschriften ein Ende gesetzt werden.”

Um mehr Transparenz bei der politischen Werbung durchzusetzen, soll die erst 2016 gegründete Behörde für europäische politische Parteien und europäische politische Stiftungen ausgebaut werden. Bisher schauen hier nur drei Mitarbeiter auf die Finanzierung der Parteien. In Zukunft soll die Behörde auch ermitteln

Sicher ist sicher

Besonders hat sich die EU den Kampf gegen Desinformationskampagnen über die Sozialen Netzwerke auf die Fah n e geschrieben. Da die Verbreitung falscher Informationen nicht per se illegal ist und das Recht auf freie Meinungsäußerung berührt ist, ist das Thema allerdings heikel. Vor allem will die EU vermeiden, Mitgliedsstaaten, in denen Presse- und Meinungsfreiheit bereits bedroht sind, einen Freibrief für Zensur im Netz auszust el len. Die Kommission setzt daher zunächst auf Selbstregulierung der Plattformen. Unter anderem Facebook, Twitter und Google hatten sich im Herbst 2018 einem Verhaltenskodex zur Bekämpfung von “Fake News” unterworfen – nach langem Gerangel und einem ersten Aufschlag, der der Kommission nicht weit genug gegangen war. Die Plattformen verpflichten sich, nun intensiver gegen gefälschte Accounts vorzugehen, politische Werbung kenntlich zu machen und Werbetreibende, die falsche Informationen verbreiten, auszuschließen. Die ersten Berichte zur bisherigen Umsetzung des Kodex und weitere Pläne hat die EU-Kommission jüngst ausgewertet und zeigt sich ernüchtert. Insbesondere die Berichterstattung von Facebook sei “etwas lückenhaft, undurchsichtig und selbstreflektierend in Bezug auf ihre Abdeckung”, so der EU-Kommissar für die Sicherheitsunion Julian King. Google stelle bestimmte Instrumente bislang nur in einigen EU-Staaten zur Verfügung. Nun fordern die Kommissare den Unternehmen mehr Tempo ab. Bis zur Europawahl werde monatlich über die Fortschritte berichtet. Eine umfassende Bewertung soll dann Ende des Jahres erfolgen. Wenn bis dahin keine zufriedenstellenden Ergebnisse vorliegen, will die Kommission Gesetze vorschlagen.

Damit eID und eIDAS auf breite Zustimmung stoßen

(BS/ab) Die elektronische Identität (eID) und die damit einhergehende eIDAS (electronic IDentification, Authentication and trust Services)-Verordnung bringen Europa und die Bürger sowie die Unternehmen hinsichtlich der Digitalisierung voran. Dabei befinden sie sich in einem Spannungsfeld zwischen Zertifizierungen und Notifizierungen, damit die Zukunft und die digitale Identität so sicher wie möglich ist.

Matthias Fischer aus dem Referat für Cyber-Sicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft des Bundesinnenministeriums (BMI) erläutert die formale Annahme des EU Cyber Security Acts: “Mit dem Act wird ein einheitlicher Zertifizierungsrahmen etabliert und implementiert, der für ITProdukte, IT-Services und ITDienstleistungen im europäischen Binnenmarkt gilt.”

findet auf der Grundlage der eIDAS-Verordnung nur statt, wenn der notifizierende Mitgliedsstaat oder andere Mitgliedsstaaten dies wollen. “Das Verfahren funktioniert dabei grundsätzlich gut und ist sinnvoll”, erläutert Dr. Jens Bender, Referent im Referat eID-Technologien und Chipkarten des BSI.

Es ist kein Audit

Prof . Dr. Wilfried Bernhardt , Staatssekretär a.D. und Rechtsanwalt, merkt an: “Es ist begrüßenswert, dass beide Instrumente – der EU Cyber Security Act und das Notifizierungsverfahren dem Ziel dienen, das Vertrauen der Bürger und Unternehmen in Europa in bestimmte geprüfte Instrumente und Dienste zu stärken und umgekehrt sie vor unsicheren Instrumenten und Diensten zu schützen.”

Sicherheitsexperten haben keine Möglichkeit, diese spurlosen Datenraub-Attacken nachträglich nachzuweisen, deshalb sind entsprechende NoSpy-HardwareProdukte von Heinen ICS ein Weg zu mehr präventiver Sicherheit.

*Dipl.-Ing. Joachim Stäcker ist Bereichsleiter bei HEINEN ICS.

Im Endeffekt gebe der Act vor, was die einzelnen Zertifizierungsschemata enthalten sollen.Vor all em Sicherheitsanforderungen und die Vertrauensniveaus würden sich dort wiederfinden: “Damit soll die Zertifizierung von Technologien der Informationstechnik effizienter und schneller werden. Indem auch Zertifikate dann europaweit gelten und anerkannt werden.” Jedoch sei der Zertifizierungsrahmen freiwillig, die Anbieter müssten ihre Produkte nicht zertifizieren. Wiederum könne die Kommission jederzeit diesen Rahmen verbindlich machen, merkt er an.

Notifizierung in der Europäischen Union

Das Verfahren eines Peer Review, also der “Begutachtung” des eID-Systems vor der Notifizierung wie es bei der eID-Funktion des Personalausweises geschah,

Es helfe dem gegenseitigen Verständnis und dem Vertrauen der Systeme. Aber nicht immer gehe es in die Detailfragen hinein, denn das Verfahren sei kein Audit, welches sehr zeitaufwendig wäre. Noch nicht abschließend geklärt sei das Vorgehen, wenn ein Identitätsprovider mit einem neuen Produkt auf den Markt möchte. Bisher stünden drei Möglichkeiten zur Debatte. Entweder müsse er sich nur an den nationalen notifizierten Anforderungen orientieren, werde er in eine Provider-Liste aufgenommen oder er müsse sich selbst notifizieren und damit als vertrauenswürdig eingestuft werden.

Zur letzteren Option tendiert Bender: “Jeden potenziellen Identitätsprovider sollte man sich anschauen können und jeder Teilnehmer sollte sich dem Peer Review stellen.”

Gut, aber...

Jedoch sei das Ergebnis eines Peer Review-Verfahrens im Sinne eines Reports an das Kooperationsnetzwerk nicht bindend für die Notifizierung. Deshalb, so Bernhardt, sei es wichtig, den Sachverstand der Experten der anderen Mitgliedsstaaten für die sehr relevante Frage der Sicherheit eines eID-Systems zu nutzen. Mehr Verbindlichkeit wäre für die Ergebnisse des Peer Review wünschenswert. Vielleicht im Sinne einer Veto-Option gegen die Notifizierung, wenn das Verfahren zu einem negativen Begutachtungsergebnis geführt habe. Denn das Vertrauen in die eID-Systeme und die Bereitschaft zur Nutzung der eID-Systeme könne nur gewährleistet werden, wenn diese technisch “absolut sicher sind”.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 34 IT-Sicherheit

Solch eine Offenheit ist nicht branchenüblich. Nachdem wegen möglicher Spionagevorwürfe Huawei in Neuseeland und Australien bereits vom Aufbau des 5G-Netzes gänzlich ausgeschlossen wurde, in Kanada und den USA droht dies, in Holland ebenfalls, ging die chinesische Firmenführung auf Dialogkurs.

Dabei hilft ihr, dass die Partner dieses Dialoges, nämlich die Telekom und das BSI, nicht nur in Europa hohes Ansehen genießen und damit deren Aussage besonderes Gewicht haben.

Die Telekom spricht davon, dass sie Huawei-Geräte untersucht habe und dabei keine Anomalien festgestellt werden konnten.

Dies sagen unisono auch die deutschen Geheimdienste und auch die Beamten des BSI, die nun regelmäßig das Security Innovation Lab des Konzerns besuchen, haben bisher keinen Verdacht belegen können. Auf der Verbannungsliste für Regierungsnetze standen bisher in Deutschland, aber auch den USA der rein staatliche chinesische Telekommunikationsausrüster ZTE und der russische Sicherheitssoftwarelieferant Kaspersky. Letzterer reagierte ähnlich wie Huawei jetzt und verlegte sein Sicherheitsforschungszentrum in die Schweiz, um sich russischem Staatszwang zu entziehen und Dialogbereitschaft zu zeigen.

Die Bundesregierung hat nun beschlossen keine “Lex Huawei” zu verabschieden, dennoch noch vor der Ausschreibung der 5GLizenzen im kommenden März die Sicherheitsanforderungen zu erhöhen. Dies soll insbesondere über eine Verschärfung der “Technischen Schutzmaßnahmen” in Paragraf 109 des gleichnamigen Gesetzes erfolgen. Aber nicht nur die BNetzA ist hierfür zuständig, auch das BSI soll Zertifizierungsformulierungen finden, die dann alle Bewerber um eine 5G-Lizenz erfüllen müssten. Außerdem hat die Bundesregierung beschlossen, von den Unternehmen, gegebenenfalls von den jeweiligen Regierungen, eine

Trotz jüngster Forderungen, Mandatsträger sollten besser vor Cyber-Angriffen geschützt werden, wird im Bundestag kein akuter Handlungsbedarf in Bezug auf den internen IT-Betrieb als direkte Reaktion auf den “Politikerhack” gesehen. Das Netz und die IT-Ausstattung für die Bundestagsabgeordneten und ihre Mitarbeiter, Parlakom, wird du rch die Bundestagsverwaltung betrieben. Die operative IT-Sicherheit inklusive Service und Vorfallsbearbeitung gehört ebenfalls zum Aufgabenbereich.

Übergeordnete strategische Entscheidungen zur IT-Ausstattung und zum Sicherheitsmanagement trifft die Kommission für den Einsatz neuer Informationsund Kommunikationstechniken und -medien (IuK-Kommssion) des Ältestenrates.

Nach dem Weckruf 2015 wurden Schritte eingeleitet, um das Sicherheitsniveau im Parlamentsnetz zu verbessern. Darunter waren auch Maßnahmen, die für größere Organisationen eigentlich schon lange selbstverständlich sind, wie technisch erzwungene Mindestlängen von Nutzer-Passwörtern oder die Sperrung bekannter schadhafter Webseiten. Außerdem wurden die Netzsegmentierung verstärkt und die Angriffserkennung ausgebaut. Für externen Mail-Austausch stellt der Bundestag PGPVerschlüsselung zur Verfügung. Das stellt naturgemäß aber nur einen Gewinn dar, wenn die Gegenseite ebenfalls die Verschlüsselung nutzt. Bei Si cherheitsvorfällen an Endgeräten erfolge grundsätzlich eine Neuinstallation, berichtet ein Abgeordneter. Das komme

IT-Sicherheit

Blick hinter die Fassade

Huawei ist beim 5G-Ausbau dabei – aber unter Beobachtung

(BS/R. Uwe Proll) Die technischen Beamten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) können sich zu Fuß auf den Weg machen, vorbei an der Telekom und in Blickweite die Bundesnetzagentur (BNetzA). Ihr Ziel ist ein unscheinbares Gebäude im ehemaligen Regierungsviertel in Bonn. Es ist seit Längerem Sitz von Huawei, dem in die Schlagzeilen geratenen chinesischen Telekomausrüster. Der hat von hier aus die Verhandlungen für den Großauftrag mit der Telekom vor Jahren geführt. Huawei ist Großlieferant für Netzwerktechnologie nicht nur der Telekom, auch für Vodafone und Telefónica. Der chinesische Konzern hat seit November hier sein Security Innovation Lab eingerichtet. Dies ist regelmäßig Ziel der BSI-Mitarbeiter. Sie betreten das Gebäude, müssen durch Sicherheitsschleusen in das Labor, beim Verlassen bleiben ihre mitgebrachten Laptops jedoch zurück und werden geschreddert. Grund: Sie erhalten hier Einsicht in zumindest Teile der Quellcodes der chinesischen Software.

Verpflichtung zum Spionageverzicht zu erwirken. Die erstgenannten Maßnahmen dürften mit geringen Anstrengungen für alle Netzwerkausrüster zu schaffen sein. Eine No-Spy-Vereinbarung zwischen den Lieferunternehmen und der Bundesregierung gilt vielen als ein interessanter, wenn auch nicht aussichtsreicher Weg. Weder die chinesische noch die amerikanische Regierung werden solche Verzichtserklärungen abgeben und daher werden es die Unternehmen aus diesen Ländern nicht können. In den USA gilt nach wie vor der Patriot Act, der US-Unternehmen verpflichtet, alle Daten auf Anforderung der Si cherheitsbehörden auszuhändigen, auch dann wenn sie auf ausländischen Rechnern und Staatsgebiet lagern. Ähnlich regelt es das Nationale Geheimdienstgesetz, das alle chinesischen Firmen zur Kooperation zwingt. Am Ende des Tages könnte es auch noch Diskussionen um T-Mobile in den USA und deren Verknüpfung mit dem globalen N etzwerk des Mutterkonzerns Telekom geben. Daher warnen manche Beobachter vor einer zu ambitionierten Position gegenüber den USA. Gleiches gilt aber auch für eine zu harte Position gegenüber chinesischen Firmen, denn Peking könnte sich revanchieren.

Längst geplant

Das BSI wie andere Sicherheitsbehörden diskutieren das Thema jedoch schon intensiv seit mindestens einem Jahr. Die Lösung ist im Prinzip auch mit den drei großen Carriern verabredet. Im

Im neuen Security Innovation Lab am Bonner Unternehmensstandort gewährt Huawei dem BSI ungewöhnliche Einblicke in den Quellcode seiner Produkte.

eigentlichen Kernnetz soll keine neue Huawei-Technik mehr verbaut werden. Vodafone zeigt hier Bereitschaft, bei der Telekom heißt es hingegen noch, dass zumindest die Mobilfunkmasten wegen des technologischen Vorsprungs der Huawei-Technik hiermit versorgt werden müssten. Eine andere Idee, die das BSI ins Spiel brachte, ist, Teile des Netzes, also nicht nur das Kernnetz selbst, sondern einzelne Regionen oder Schichten mit Huawei-Wettbewerbern zur Erhöhung der Redundanz auszubauen. Die Wettbewerber sind die beiden europäischen Unternehmen Nokia (Übernahme der Telekommunikationsausrüstung von Alcatel) und Ericsson, aber eben auch Cisco. Etwas aus der Reihe schert United Internet, derzeit als Reseller im Mobilfunk unterwegs. Das Unternehmen aus Montabaur möchte ein viertes Mobilfunknetz neben Telekom, Vodafone und Telefónica a uf ba uen und dazu Lizenzen erwerben. Ausgerechnet United Internet möchte aber das Staats-

unternehmen ZTE dazu gewinnen, dieses Netz komplett zu errichten, um es dann zu leasen. ZTE steht nun aber ganz oben auf der Verdachtsliste.

Welche Gefahr droht?

In der Diskussion der Bundesregierung wie auch in der Öffentlichkeit wird als Problem Spionage und Abhören genannt. Dazu bedürfte es einer Hintertür in der Software, über die Informationen abfließen können und damit die Vertrauenswürdigkeit der Kommunikation

kompromittiert ist. Dies kann für Wirtschafts- wie militärische Spionage genutzt werden. Nach den Snowden-Enthüllungen dürfte jedoch klar sein, dass der Verdacht möglicher Backdoors nicht allein chinesische Produkte, sondern insbesondere amerikanische trifft. Die kontroversen Disku ssion en zwischen Cisco und dem damaligen Präsidenten Barack Obama sind dafür reger Beleg. Spionage findet ständig statt und lässt sich nicht wirklich verbieten, es ist das zweitälteste Gewerbe der Welt. Spionage lässt sich einschränken, das Risiko für die Spione erhöhen. Doch technische Spionage stellt für die Mitarbeiter eines fremden Geheimdienstes keine unmittelbare Gefahr dar, lädt daher geradezu einer Realisierung des technisch Möglichen ein. Für sicherheitsrelevante Informationen empfiehlt sich daher eine Kryptierung, wie sie im Netz der Bundeswehr durch deren Dienstleister BWI realisiert wurde. Verbaut sind dort nämlich Cisco-Router. Ein vom deutschen Krypto-Hersteller Rohde & Schwarz geliefertes Plug

5G – Basisinfrastruktur der Zukunft

(BS) Der kommerzielle Ausbau von Netzen nach dem Mobilfunkstandard 5G wird in Industrienationen bereits intensiv vorbereitet. Anders als bei früheren Generationswechseln im Mobilfunk versprechen sich Staaten, Telekommunikations- und Onlinedienste-Anbieter sowie Nutzer auf Industrieseite, dass 5G den digitalen Wandel sprunghaft nach vorne treiben wird. So sollen nicht nur erheblich höhere Datenübertragungsraten realisiert werden. Der neue Standard soll auch eine Vernetzung

Schwachstelle Abgeordnete

In sorgt dafür, dass verschlüsselte Daten in den Router hineinund auch wieder herauskommen. Spionage ist nach derzeitigem Stand hier unmöglich. Sicherheitsexperten sehen daher die Gefahr an anderer Stelle, beim sogenannten Kill-Switch. Eine versteckte Softwarefunktion, die zu finden fast unmöglich ist, könnte auf ein Softwareinitial hin die Bauteile eines Lieferanten im Netz verlangsamen oder gar abschalten. Vorstellbar wäre dies bei politischen Krisen oder dem Versuch kriegerischer Attacken auf die Kommunikations- und sonstige Infrastruktur. Dies ist bei der Einführung des 5G-Netzes von besonderer Brisanz, denn die Betreiber Kritischer Infrastrukturen streben den Aufbau eigener 5G-Netze an. Ein großer deutscher Chemiehersteller will sich von LTE und WLAN trennen, um ein eigenes 5G-Netz aufzubauen. Damit ließe sich nicht nur die Logistik von Mensch und Maschine auf dem gesamten Werksgelände steuern, sondern auch die komplette Produktion kontrollieren. Hier sehen Beamte des BSI dann ein signifikantes Risiko, wenn neben den drei oder eben vier Carriern zahlreiche Betreiber kleinerer 5G-Netze aus dem Bereich der Kritischen Infrastrukturen hinzukämen. Über die IT-Sicherheitsgesetzgebung könnten ihnen Auflagen bei der Verwendung von Netzwerkkomponenten gemacht werden, doch die Sache eilt sehr, denn im März soll die BNetzA die Versteigerung realisieren.

extrem vieler Geräte auf verhältnismäßig engem Raum und hochgradig zuverlässige Übertragungen mit sehr kurzen Reaktionszeiten ermöglichen. Damit werden 5G-Netze die Basisinfrastruktur stellen, auf die Zukunftsszenarien wie autonomes Fahren und Smart City aufsetzen. Dank engmaschiger Vernetzung von Sensoren, Maschinen und Steuerungen werden Disruptionen in zukünftigen Produktionsumgebungen, in Logistik, Landwirtschaft sowie beim Betrieb von Versorgungsnetzen erwartet.

IT-Sicherheit bei den Mitgliedern des Bundestages (BS/Benjamin Stiebel) Nach dem “Datenklau” um den Jahreswechsel mit vielen betroffenen Politikern aller Ebenen laufen die Diskussionen um die Informationssicherheit. Während einige die Anbieter von Kommunikationsdiensten in die Pflicht nehmen wollen, fordern andere, Mandatsträger als Kritische Infrastrukturen unter stärkeren Schutz zu stellen (siehe auch Behörden Spiegel Januar 2019, S. 5). Ein Blick auf die Organisation der IT-Sicherheit beim Deutschen Bundestag zeigt: Die Parlaments-IT beurteilen ihre Nutzer als gut abgesichert. Für die elektronische Kommunikation der Abgeordneten gilt das aber nicht. Ein großes Hindernis für mehr IT-Sicherheit ist gleichzeitig ein großes Gut: das freie Mandat.

auch hin und wieder vor, denn die Parlaments-E-Mail-Konten stehen unter Dauerbeschuss mit schadhaften Mails. Dass hin und wieder auch einmal Schadcode auf einem Rechner landet, ist bei um die 20.000 Endgeräten wohl nicht vermeidbar. Abgewehrt wurden in der Vergangenheit auch mehrfach DDoS-Angriffe (Überlastungsangriffe).

Personalfluktuation kritisiert

Kritisch sehen einige Abgeordnete, dass Teile des IT-Personals extern bestellt sind. Das habe zeitweise eine enorme Fluktuation zur Folge gehabt und zumindest im Servicebereich zu schwankender Qualität geführt. Als erste Ansprechpartner bei allen Arten von Störungen spielen diese Mitarbeiter eine wichtige Rolle im Vorfallsmanagement. Das Problem sei bekannt und werde inzwischen adressiert, heißt es weiter, indem der Bundestag beim Outsourcing nun etwas zurückrudere. Ein anderes Problem ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Die IuK-Kommission tage etwa drei- bis viermal im Jahr – zu selten, finden einige. In Verbindung mit einer klassisch verwaltungsmäßig funktionierenden IT-Abteilung führe das zu zähen Veränderungsprozessen. Ein Abgeordneter nennt die WLAN-Einführung als Beispiel.

Mobiles Arbeiten ist für die meisten Bundestagsabgeordneten selbstverständlich. Anders als im lokalen Parlamentsnetz sind sie dabei aber selbst für die Informationssicherheit verantwortlich. Foto: BS/© anyaberkut, stock.adobe.com

Die sei schon 2010 auf den Weg gebracht worden, eine flächendeckende Versorgung habe man erst im letzten Jahr erreicht.

Sicherheit wird umschifft

Das eigentliche Problem für die IT-Sicherheit sitzt aber wie so oft vor dem Bildschirm. Und das liegt nicht nur daran, dass Abgeordnete privat Online-Dienste verwenden und dabei zum Teil ähnlich sorglos mit persönlichen Daten, Passwörtern und Konten umgehen wie viele andere Menschen. Es hat auch damit zu tun, dass die Abgeordneten im Arbeitsalltag auf Annehmlichkeiten der digitalen und mobilen Welt nicht verzichten wollen. Und – das ist das Fatale – sie müssen es auch nicht. Im Parlakom-Netz

gibt es zwar Einschränkungen, z. B. welche Software installiert werden kann. Der Bundestag tut sich aber schwer damit, individuellen Arbeitsweisen einen Riegel vorzuschieben, mit denen das hohe Schutzniveau des Parlamentsnetzes umschifft wird.

Die Abgeordneten erhalten bis zu sech s E ndgeräte, darunter Notebooks, die sie für sich und ihre Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros oder ihren Wahlkreisbüros nutzen können. Außerhalb der Bundestagsliegenschaften erfolgt der Zugang zu Parlakom über eine VPN-Verbindung, also einen gesonderten, manipulations- und abhörsicheren “Tunnel” durchs öffentliche Netz. Die Bundestagsverwaltung empfiehlt, beim mobilen Arbeiten generell

VPN zu nutzen. Das Browsen im Internet ist aber auch ohne möglich. Inzwischen nutzen viele Mandatsträger allerdings ohnehin lieber selbst angeschaffte Tablets oder Smartphones. Diese können mit entsprechender Zulassung durch die Verwaltung und unter Wahrung der üblichen Restriktionen auch im Parlakom verwendet werden. In der Wahl der Hersteller und Typen sind die Nutzer aber relativ frei. So ergibt sich eine sehr heterogene Landschaft an Endgeräten, das Sicherheitsmanagement wird dadurch unweigerlich komplexer und anfälliger. Alltäglich ist darüber hinaus der Austausch von Daten über die Netzgrenzen hinweg, sei es über E-Mails oder Cloud-Dienste. Auch USB-Sticks werden verwendet. Während einige Abgeordnete dabei auf Verschlüsselung Wert legen oder sogar eine eigene Cloud betreiben, setzen andere auf Standard-Anbieter wie Dropbox oder kommunizieren über WhatsApp mit ihren Mitarbeitern. Hier können weder die Bundestagsverwaltung noch die Fraktionen Vorschriften machen. Die Bundestagsmitglieder sind in der Gestaltung ihrer Arbeitsweise unabhängig, das gehört zur Freiheit des Mandats dazu. Was aus demokratie-theoretischer Sicht ein hohes Gut

ist, ist aus IT-Sicherheitssicht ein echter Bremsklotz. Sowohl die Bundestagsverwaltung als auch die Fraktionen versuchen intensiv, mit Schulungen die Sensibilität zu erhöhen. Doch die Teilnahme an Live-HackingVeranstaltungen, Trainings oder Infoveranstaltungen ist freiwillig und der Terminkalender der Abgeordneten ist in der Regel voll. Sichere Alternativen anbieten Zunehmend wird auch versucht, gemeinsame Dienste für sicheren Datenaustausch oder Kommunikation zu etablieren.

So wird in einer Fraktion über die Anschaffung eines sicheren Messengers mit Telefoniefunktion als WhatsApp-Alternative nachgedacht. Auch der Bundestag will zusätzliche Angebote schaffen.

So hat die IuK-Kommission die Pilotierung einer Container-Sicherheitslösung für Smartphones auf den Weg gebracht. Dabei wird mittels eines virtuellen Betriebssystems eine abgeschottete und in sich verschlüsselte Umgebung eingerichtet, in der geschäftliche Anwendungen sicher genutzt werden können. Auch bei Verlust des Handys wären Daten im passwortgeschützten Container sicher. Der Fokus für den Test liegt einem Kommissionsmitglied zufolge auf dem Ausgleich von Sicherheit und leichter Handhabbarkeit. Für Mandatsträger gilt, was auch für Mitarbeiter in Behörden und Unternehmen gilt: Genutzt wird, was sicher ist, wenn es komfortabel ist.

Mehr zum IT-Betrieb in den Bundestagsfraktionen lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Behörden Spiegel.

Seite 35 Behörden Spiegel / Februar 2019
Foto: BS/Harbeke

Die Länder Niedersachsen, Sachsen und Saarland bringen derzeit Rechtsgrundlagen für die Analyse von Protokolldaten auf den Weg, die beim Betrieb der Informationstechnik in den Behörden und beim Betrieb der Landesverwaltungsnetze anfallen. Zwar werden längst in allen Ländern in irgendeiner Form anfallende Daten ausgewertet, um Gefahren zu erkennen und abwehren zu können. Eine zentrale und umfassende Sammlung muss jedoch auf solider gesetzlicher Basis stehen.

Unter Protokolldaten werden im Speziellen Informationen verstanden, die bei Übertragungen in IT-Systemen unabhängig vom eigentlichen Inhalt mitgeliefert und gespeichert werden. Sie ermöglichen erst die Verständigung zwischen Sender und Empfänger. Eine Auswertung kann wichtige Hinweise auf Störungen oder eben auch Angri ffe auf die IT liefern, zum Beispiel wenn Geräte ungewöhnliche Web-Adressen ansteuern oder unerwartet große Datenmengen gesendet oder empfangen werden. Die meisten Hard- und Softwarelösungen, die in professionellen Umgebungen eingesetzt werden, verfügen über Protokollierungsmechanismen. Das reicht von den Betriebssystemen über Server, Datenbanken und Speichersysteme bis hin zu internen Kommunikationssystemen, Webdiensten und Fachanwendungen. Die geloggten Daten sind unverzichtbar, um Versionsstände zu überprüfen, Fehlkonfigurationen zu erkennen sowie auf Ressourcenmängel oder beginnende Defekte vorausschauend reagieren zu können. Darüber hinaus ist das auch ein reichhaltiger Datenschatz, um Anomalien zu entdecken. Endpoint-Protection-Systeme und sonstige IT-Sicherheitslösungen liefern zusätzliche Daten bzw. greifen selbst auf vorliegende Protokolldaten zurück, um auf bekannte Angriffsmuster oder schädliches Verhalten anzuschlagen.

Trend zur zentralen Auswertung

Eine gebündelte Auswertung ist im Sinne der IT-Sicherheit sinnvoll und in diesbezüglich gut aufgestellten Organisationen Usus.

Auch Telekommunikationsprovider dürfen Protokolldaten wie IP- Adressen in gewissen Grenzen verarbeiten, um Störungen beseitigen oder Angriffe abwehren zu können. In der öffentlichen Verwaltung sieht das aufgrund von Ressortschnitten und historisch zusammengewachsenen ITStrukturen oft noch anders aus. Der Trend geht aber dahin, die Protokolldaten-Auswertung wie auch andere IT-Sicherheitsaufgaben zu bündeln. Zum Teil ist zum Zweck der Gefahrenabwehr auch eine automatisierte Auswertung von an den Schnittstel-

Cryptomining

Den Datenverkehr im Blick

Überwachung ist die halbe Verteidigung

(BS/Benjamin Stiebel) Die Überwachung von IT­Systemen und Netzen ist ein wesentlicher Baustein im Informationssicherheitsmanagement. Weil dabei auch personenbeziehbare oder andere sensible Daten über Abteilungen und Ressorts hinweg gesammelt und ausgewertet werden, braucht es klare Regeln. Einige Länder passen derzeit den gesetzlichen Rahmen zur Gefahrenabwehr im IT­Betrieb an oder haben schon eine Novellierung hinter sich. In Teilen orientieren sie sich an den Bedingungen, die in der Bundesverwaltung gelten.

len der Netze anfallenden Daten inklusive Inhaltsdaten erlaubt. Eine personenbezogene Analyse kann jedoch nur unter strengen Voraussetzungen im Zuge von Ermittlungen stattfinden. In Bayern wurden im Zuge der Errichtung des Landesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) klare Regeln für den umfangreichen Betrieb von IT-Sicherheitssensoren im Landesnetz geschaffen. “Wir haben die Rechtsgrundlage, sämtliche Protokolldaten unverzüglich automatisiert auszuwerten”, erklärt der LSI-Präsident Daniel Kleffel dem Behörden Spiegel. “Wenn es keine Auffälligkeiten gibt, sind diese auch unverzüglich wieder zu löschen. Wenn ein Sensor anschlägt, gibt es ein gestuftes Vorgehen, nach dem die Daten länger vorgehalten und auch Inhaltsdaten durch Mitarbeiter analysiert werden dürfen.” Im einfachen Verdachtsfall können Protokolldaten mit Personenbezu g längstens drei Monate vorgehalten werden, für Inhaltsdaten gilt eine Frist von zwei Monaten. Eine darüber hinausgehende Verarbeitung ist nur bei konkreten Gefahren und unter strengen Vorgaben möglich. Das Vorgehen sei mit dem bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, Prof. Thomas Petri, sehr eng abgestimmt worden, versichert Kleffel. “Er war in vielen Diskussionen im Rahmen der Kabinettsbehandlungen des Gesetzes eingebunden und hat das Konzept im Ergebnis befürwortet.”

Möglich ist die zentrale Überwachung, weil der Netzbetrieb konsolidiert ist, also alle entsprechenden Server im IT-Dienstleistungszentrum für den Freistaat Bayern (IT-DLZ) stehen. Dass der Dienstleister die Analyse-Aufgaben nicht selbst übernimmt, ist eine Besonderheit im Ländervergleich. Die Trennung des Betriebs von der IT-Sicherheit war ein Anliegen bei der Errichtung des LSI. Damit soll Interessenkonflikten ein Riegel vorgeschoben werden.

Dazu Kleffel: “Der Betreiber sollte eben nicht gleichzeitig der Überwacher sein. Das wird beim Bund ähnlich gehandhabt, genauso wie bei vielen Privatunternehmen.”

Streitfrage Speicherfristen

Die Handhabe beim Bund dürfte denn auch Vorbild für die Umsetzung in Bayern gewesen sein. Hier ist das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) seit jeher für die

– das Goldschürfen 2.0

Cryptojacking hat als neue Wortschöpfung nicht nur das Potenzial zum Unwort des Jahres, sondern stellt auch eine ernst zu nehmende Bedrohung für die IT von Unternehmen und Behörden dar. Gemeint ist das unbefugte Kapern von Computern, Tablets oder Smartphones mit dem Ziel, deren Rechenleistung für das Schürfen digitaler Währungen – also das Cryptomining – zu nutzen. Eine der am meisten verwendeten Techniken ist das Infizieren von Webseiten mit Cryptomining-Skripten, die den Zentral- oder Grafikprozessor des besuchenden Opfers missbrauchen. Die Anzahl solcher Angriffe ist im vergange-

In modernen IT-Strukturen fließt so einiges an Daten. Im Umgang mit Störungen oder IT-Sicherheitsvorfällen hilft eine zentrale automatisierte Auswertung. Foto: BS/©vschlichting, stock.adobe.com

Sicherheit der Verwaltungsnetze und die IT-Systeme zuständig. Das schließt auch die automatisierte Auswertung von Daten an den Netz-Schnittstellen und von Protokolldaten der Kommunikationstechnik ein. Kürzlich hat die Cyber-Sicherheitsbehörde einen Mindeststandard zur Protokollierung veröffentlicht. Damit soll die Erhebung der Daten bei Bundesbehörden und -Dienstleistern vereinheitlicht werden. Darüber hinaus wurde auch ein mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) abgestimmtes neues Rahmendatendatenschutzkonzept für die Protokollierung und Detektion erarbeitet. Festgesetzt wurde eine generelle 90-tägige Speicherfrist für Protokolldaten. BSI und BfDI wollen nach zwei Jahren eine Evaluierung vornehmen.

Der Hintergrund: Hochprofessionelle Angriffe werden häufig erst nach Monaten entdeckt. So bei dem Angriff auf die Bundes-IT 2017/2018, bei dem mutmaßlich russische Hacker sich im Laufe eines ganzen Jahres schrittweise bis zu Mitarbeiterrechnern im Auswärtigen Amt vorangearbeitet hatten. Für die IT-forensische Auswertung wäre eine längerfristige Sammlung der Protokolle hilfreich. Aus Datenschutzsicht würde das jedoch eine nicht mehr vertretbare Rechtseinschränkung darstellen. Die an dieser Stelle schwer zu vereinbarenden Ansprüche an IT-Sicherheit und Datenschutz werden schon seit Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Nicht nur beim Bund. Auch in Bayern wurde zuletzt um Fristen gerungen. Die Landesregierung hatte ursprünglich eine Speicherung bis zu einem Jahr bei Auffälligkeiten erlauben wollen. Die Datenschutzaufsicht hielt dies für unverhältnismäßig – für die Reaktion auf konkrete

kann teuer werden

von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

nen Jahr nahezu explodiert.

Allein im ersten Quartal 2018 wurden 2,9 Millionen Webseiten mit Cryptojacking gezählt.

Dunkelziffer unbekannt, denn häufig bleibt das Cryptomining unentdeckt. Mit kostspieligen

Folgen: Durch die unbefugte

CPU-Nutzung lässt nicht nur die Rechenleistung betroffener Geräte stark nach. Die zusätzliche CPU -B elastung kann schnell zu weiteren physischen Schäden an Firmengeräten führen.

Gleichzeitig steigt der Stromverbrauch sprunghaft an, denn der Energiebedarf für das Mining von Bitcoin, Monero und Co. ist immens. Nicht zuletzt bedeutet die “offene Tür”, durch

Vorfälle seien die letztlich vereinbarten Fristen erfahrungsgemäß ausreichend.

Länder bündeln Aufgaben

Die Landesregierung in Niedersachsen geht da moderater heran. Der Entwurf zu einem Niedersächsischen Gesetz über digitale Verwaltung und Informationssicherheit (NDIG) sieht eine Speicherfrist von sieben Tagen für auffällige Daten vor und orientiert sich damit an einem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2014. Darin wurde entschieden,

dass Telekommunikationsprovider im Sinne der Abwehr von Gefahren IP-Adressen von Kunden sieben Tage speichern dürfen. Bisher werden Protokolldaten in Niedersachsen schon bei den IT-Dienstleistern des Landes ausgewertet. Nun soll auch eine automatisierte Untersuchung von Inhaltsdaten erlaubt werden. Das Saarland und Sachsen streben mit ihren aktuellen Gesetzesinitiativen die bewährte Speicherfrist für Protokolldaten von drei Mo na ten bei Anfangsverdacht an. In Sachsen sollen auch an den Netzschnittstellen anfallende Daten automatisiert ausgewertet werden können. Bereits gültig sind vergleichbare Befugnisse auch schon in Brandenburg und Thüringen.

In den anderen Ländern gibt es keine expliziten Regelungen zur Speicherung. So verweisen die zuständigen Landesbehörden in Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz auf teils deutlich differenzierte Fristen je nach Datenquelle. In Berlin und Nordrhein-Westfalen wird lediglich auf die geltenden Datenschutzgesetze verwiesen.

Eine starke institutionelle Trennung von Betrieb und Überwachung wie beim Bund und in Bayern gibt es in den anderen Ländern nicht. Zumeist gilt: Die Auswertung erfolgt da, wo auch der Betrieb erfolgt. Erkennbar sind aber Bestrebungen, beides weitgehend zu bündeln. In Brandenburg übernimmt das beim Dienstleister ZIT-BB angesiedelte CERT die zentrale Auswertung von Protokolldaten. In Hessen sind alle wichtigen IT-Verfahren in der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) gebündelt, sodass der größte Teil der relevanten Protokolldaten ohnehin dort anfällt. Ähnlich verhält es sich in Baden-Württemberg mit dem Landes-IT-Dienstleister BITBW sowie in Nordrhein-Westfalen mit IT.NRW. Auch in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen übernehmen Dienstleister Überwachungsaufgaben für die bei ihnen betriebenen Verfahren und Systeme – ein guter Teil der Kompetenzen liegt aber dezentral in den einzelnen Behörden. Einen Sonderfall bilden Bremen, Hamburg, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein, die mit Dataport einen gemeinsamen IT-Dienstleister haben. Dort werden administrative Tätigkeiten und sicherheitsrelevante Ereignisse jeweils für die Netze und Fachverfahren erhoben und ausgewertet. Speicherfristen richten sich neben den geltenden gesetzlichen Vorgaben auch nach vertraglichen Vereinbarungen für die einzelnen Services.

Herausforderungen der EU­DSGVO

Detailfragen und Lösungen im Praxis-Check (BS/ab) Die EU­Datenschutzgrundverordnung (EU­DSGVO) bereitet vielen Kommunen noch Kopfzerbrechen, insbesondere beim Finden von personenbezogenen Daten in unstrukturierten Datenquellen. Aber auch die Löschung innerhalb von 30 Tagen gestaltet sich schwieriger als gedacht. Eine Lösungsmöglichkeit wurde im Seminar “EU­DSGVO im Praxis­Check” von ProSeminaris vorgestellt. Dabei wurde auch deutlich, dass es ohne einen Mentalitätswandel und eine klare Organisation nicht gelingen kann.

die die Cryptojacking-Malware das IT-Netzwerk infiltriert hat, auch, dass weitere Bedrohungen den Weg in das Unternehmen finden können. Entsprechend erfordert die Verteidigung gegen Cryptojacking einen ganzheitlichen Ansatz und den Aufbau einer komplexen Security-Architektur. Solch eine fortschrittliche Cyber-Sicherheitslösung basiert heute auf der detaillierten Sichtbarkeit aller Aktivitäten auf jedem Device (Client/Server) und bietet somit die Kontrolle über alle laufenden Prozesse auf allen Geräten.

Ihr Jan Lindner

Die personenbezogenen Daten zu finden, gestaltet sich in der Praxis oft schwierig. “Beispielsweise erhält ein Sachbearbeiter eine E-Mail nicht über den herkömmlichen Dienstweg, weil es in der modernen Zeit viele neue Kommunikationskanäle gibt”, erläuterte Uwe Nadler , Senior Berater für Informationsmanagement bei IBM. Das Finden der Daten in PDF-Dokumenten, EMails oder Excel-Tabellen und die gleichzeitige Verknüpfung mit Verzeichnissen sei jedoch mittels Software möglich. “Wir nutzen beispielsweise eine Software, welche bestimmte Inhalte von Daten wie Kfz-Kennzeichen oder Sozialversicherungsnummern in unstrukturierten Daten finden kann”, erörterte er. Auch eine semantische Intelligenz sei vorhanden. “Wenn ein Geburtsdatum gesucht wird, so kann die Software ein Datum identifizieren und analysieren, ob sich um dieses Datum herum Wörter wie “Geburt” und Varianten davon wiederfinden. Dadurch können z. B. Geburtsdaten von anderen Daten unterschieden werden.” Wenn die Daten bekannt und sauber dokumentiert sind, kann auch die Löschung effizienter in die Wege geleitet werden. Auch Software, die dem Datenschutzbeauftragten zeigt, wo welche Daten liegen und wer Zugriff hat, ist erhältlich.

Interne Mitarbeiter betrauen Einen Tipp bei der Umsetzung der Datenschutzmaßnahmen gab Christiane Grothues, Partnerin von Opalis Consulting: “Die Maßnahmen sollten als Projekte durchgeführt werden. Es ist transparenter und die Mitarbeiter, die die Projekte durchführen, haben eine bessere Durchschlagskraft.” Des Weiteren würden die Mitarbeiter dadurch in der Teamarbeit

geschult. Auch solle ein interner Mitarbeiter mit der Leitung betrauen werden, denn dieser kenne die internen Strukturen und Prozesse besser als externer Beistand. Sie warnte ferner davor, dass durchgeführte Projekte in Vergessenheit geraten. Es brauche einen kontinuierlichen Prozess des Überprüfens und der Neubewertung, um Prozesse und Maßnahmen zu verbessern.

Datenschutzmanagementsystem ist hilfreich Wichtig sei auch eine Absicherung im Sinne von Kontrollmechanismen und eines Notfallplans. “Wenn es zu einer Datenpanne kommen sollte, muss klar sein, welche Behörden innerhalb der ersten 72 Stunden kontaktiert und welche Maßnahmen durchgeführt werden. Der Stresspegel wird so hoch sein, dass es leichter ist, solche bereits vorgezeichneten Wege zu gehen”, erläuterte Hans Martin Frank, Geschäftsführer der advisio GmbH. Deshalb sei es besonders wichtig, vorab zu klären, wie Prozesse gehandhabt werden sollen. “Rechtsunsicherheiten hat die DSGVO unzählige. Die Rechtsprechung wird diese schrittweise beseitigen, aber ab-

warten und nichts zu tun hilft nicht. Nutzen sie proaktiv ihren Menschenverstand, auch wenn dies noch Restrisiken birgt.” Für die Umsetzung des Datenschutzes braucht es jedoch eines: einen Mentalitätswandel. “Der Datenschutzbeauftragte stärkt die Zusammenarbeit mit allen Organisationsbereichen, er ist aber nicht der Verantwortliche für den Datenschutz. Dies sind die Führungskräfte in Ihrer Behörde”, betonte Stefanie Kö hl , Geschäftsführerin von eGovernment Consulting and Development (eGovCD). Dementsprechend sei Datenschutz eine Frage der Steuerung und des Managements und ein Datenschutzmanagementsystem (DSMS) erforderlich, welches durchaus in ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) integriert werden könne. Der Entwicklungsstand einer Organisation und welche Anpassungen mittels Maßnahmen notwendig seien könnten durch einen sog. Verhaltenskodex (Code of Conduct) überprüft werden. “Solche Self-Assessments sind hilfreich, erfordern aber ein hohes Maß an Kompetenz, die nicht immer ohne Weiteres intern vorhanden ist”, erläuterte Köhl

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 36 IT-Sicherheit
Die EU-DSGVO hält viele Behörden noch in Atem und sorgt mit ungeklärten Detailfragen für Aufruhr, für die zum Teil Lösungen gefunden wurden. Foto: BS/geralt, CC0, pixabay.com

Sicherheit & Verteidigung

Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de Berlin und Bonn / Februar 2019

Mehraufwand an Flug- und Seehäfen

Bundespolizei und Zollverwaltung bei Brexit besonders betroffen

(BS/Marco Feldmann) Egal wie die Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreiches ausgehen, eines steht schon heute fest: In Deutschland sind Polizei- und Zollbehörden unmittelbar betroffen. Und das unabhängig von der Frage, ob es zu einem harten oder einem weichen Brexit kommt. Auswirkungen auf die tägliche Arbeit der Mitarbeiter dieser Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) hätten beide Szenarien. Anders sieht es beim grenzüberschreitenden Informationsaustausch aus.

Sollte es auf EU-Ebene eine Einigung mit Großbritannien zum Abschluss des Austrittsvertrages geben, ist darin eine Übergangsphase bis Ende 2020 vorgesehen. Bis dahin würde es laut Bundesinnenministerium (BMI) nach derzeitigem Verhandlungsstand keine Änderungen hinsichtlich des internationalen polizeilichen Nachrichten- und Informationsaustausches geben. Zudem fänden in dieser Zeitspanne wohl Verhandlungen über die künftige Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union statt.

Käme es hingegen zu einem “no deal”, endet mit dem Austritt der Briten aus der Staatengemeinschaft auch ihre Teilnahme am Europäischen Polizeiamt Europol sowie am Schengener Informationssystem. Dies müsste dann über eine verstärkte Nutzung des Fahndungssystems von Interpol sowie eine intensivere bilaterale Kooperation zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik ausgeglichen werden.

900 zusätzliche Zöllner

Eine solche finde im Bereich der Terrorismusbekämpfung –außerhalb des EU-Rahmens – bereits jetzt auf bi- und multilateraler Ebene statt, ist aus dem BMI zu hören. Hier könnten Daten nach den Vorschriften des Bundeskriminalamtgesetzes an das Vereinigte Königreich übermittelt werden, auch wenn dieses als Drittstaat gilt. Auch die Weitergabe personenbezogener Daten sei statthaft. Es sei momentan auch noch nicht absehbar, inwiefern der EU-Austritt Großbritanniens zu einem Personalmehrbedarf aufseiten des BKA führen werde.

Beim Zoll hingegen gibt es schon eine konkrete Zahl, die bereits im Bundeshaushalt berücksichtigt wurde. Sie lautet 900. So hoch ist

Im Falle eines “no deal” würden sich die Einreisebedingungen für britische Staatsbürger nach Deutschland verschärfen. Sie müssten den Kontrollbeamten der Bundespolizei (Foto) mehr Dokumente vorweisen als bisher. Dazu würden unter anderem ein gültiges Rückflugticket und ausreichende finanzielle Mittel gehören. Foto: BS/Bundespolizei

bundesweit der Personalmehraufwand. Laut Generalzolldirektion (GZD) ist vorgesehen, den Brexit-bedingten Mehrbelastungen in den kommenden Jahren durch eine verstärkte Ausbildung von Nachwuchskräften zu begegnen. Denn egal in welcher Art und Weise das Vereinigte Königreich die EU verlässt: Es werden dann Zollformalitäten zu beachten sein, die derzeit noch nicht zu erfüllen sind. Bei einem “no deal” müsste der Warenverkehr mit Großbritannien zollrechtlich sogar wie mit jedem anderen Land außerhalb der EU abgefertigt werden.

Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Bezirksgruppe Zoll innerhalb der Gewerkschaft der Poli z ei (GdP), sagt dazu: “Bei einem harten Brexit wäre das Vereinigte Königreich zollrechtlich ein einfaches WTO-Drittland ohne jegliches Abkommen mit der Europäischen Union. Das würde die Zollabfertigung verlängern. Außerdem müssten die Güter dann sehr genau kontrolliert

und von meinen Kollegen auch körperlich untersucht werden.” Zudem weist er darauf hin, dass die Zollabfertigung nicht nur eine abgabenrechtliche, sondern auch eine polizeiliche Aufgabe sei. “Schließlich überwacht der Zoll auch die Einhaltung von Verbringungsverboten, etwa im Bereich der Produktpiraterie.” Und hier habe man schon heute ein Kontrollproblem, kritisiert Buckenhofer. Der Zollverwaltung fehlten mindestens 2.000 bis 2.500 Kontrollkräfte und 1.000 Fahnder. Besonders groß sei der Personalfehlbestand an den Flug- und Seehäfen, also unter anderem in Frankfurt, Hamburg und Leipzig. Auch die GZD identifiziert die internationalen See- und Flughäfen als “besonders betroffene Aufgabenbereiche”. Der Gewerkschafter unterstreicht: “Zollkontrollen und - ermittlungen sind nicht dislozierbar.” Dies könne nur mit der eigentlichen Zollabfertigung geschehen. Sie wird laut GZD auch bereits disloziert. So

Sicherheit hat ein neues

Level erreicht

KNAPP

Nicht überall ruhegehaltfähig

seien für den Fall eines harten Brexits Notfallmaßnahmen festgelegt und vorbereitet worden. Einerseits sollen Nachwuchskräfte den besonders betroffenen Bedarfsbereichen zugewiesen werden. Auch Kräfte aus anderen Arbeitsbereichen sollen die Mitarbeiter an den Flug- und Seehäfen temporär unterstützen. Andererseits sind Verfahrensoptimierungen im elektronischen Abfertigungssystem ATLAS vorgesehen. So soll eine dezentrale Bearbeitung von Zollanmeldungen möglich werden. Kriminalitätsbekämpfung wird erschwert Buckenhofer berichtet mit Blick auf die Auswirkungen eines Brexits auf die Zollverwaltung allerdings auch, dass sich die EU-Staaten bisher bei der Erhebung von Steuern, zum Beispiel im Rahmen von Verfahren gegen Zigarettenschmuggel, gegenseitig unterstützt hätten. Hier gebe es – auf der Grundlage entsprechender Zollabkommen und EU-Verträge – momentan noch eine enge Kooperation zwischen Deutschland und Großbritannien. Bei einem Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU falle diese Möglichkeit jedoch weg. Buckenhofer prognostiziert: “Das führt zu neuen Problemen bei der Kriminalitätsbekämpfung sowie in Ermittlungsverfahren.” Auch wenn bei der Bundespolizei derzeit wohl noch kein Brexit-bedingter personeller Mehraufwand gesehen wird und es dort auch noch keine Planungen gibt, Personal zu verschieben, würde ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU die Tätigkeitsfelder der Behörde stark betreffen. Ernst G. Walter, Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, sagt mit Blick auf grenzpolizeiliche

Aufgaben zwar: “Da Flüge von und nach Großbritannien bereits heute kontrolliert werden, weil das Vereinigte Königreich nicht dem Schengen-Raum beigetreten ist, gibt es keine zusätzlichen Kontrollen.” Er meint aber auch: “Bei der Art und Weise der Kontrolle britischer Staatsbürger wird es erhebliche Änderungen geben, die auch mehr Zeitaufwand bei den Kontrollen bedeuten.” So dürften Briten bei einem “no deal” innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen nur noch für 90 Tage visumfrei nach Deutschland einreisen. Anschließend wäre das Verbleiben im Bundesgebiet – ohne Aufenthaltstitel – unerlaubt. Des Weiteren müssten Ein- und Ausreise mittels Grenzkontrollstempels dokumentiert werden. Walter ergänzt: “Briten dürften bei der Grenzkontrolle dann auch nicht mehr die EU-Spur nutzen. Außerdem wären sie verpflichtet, den Zweck der Reise nachzuweisen und bei der Einreise müssten sie ein Rückflugticket, die Bestätigung über den Abschluss einer Auslandskrankenversicherung sowie ausreichende finanzielle Mittel vorlegen beziehungsweise nachweisen.” Würden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, müsse die Einreise verweigert werden. Außerdem erläutert er für den Fall eines harten Brexits: “Dann wären alle Flüge aus Großbritannien als “unclean” zu betrachten, da in einem solchen Fall keine gegenseitigen Abkommen zwecks gegenseitiger Anerkennung der Luftsicherheitsmaßnahmen mehr bestehen würden und das Vereinigte Königreich als reines “Non-EU-Land” zu betrachten wäre.” Das bedeute zusätzliche Luftsicherheitskontrollen bei allen Transit- oder Transferflügen aus Großbritannien über Deutschland.”

(BS/mfe) Sachsen hat sie zwar kürzlich wieder eingeführt, in allen Bundesländern gibt es sie aber weiterhin nicht: die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage. Außer in Sachsen existiert sie momentan nur in Bayern sowie in Nordrhein-Westfalen. Dabei ist sie aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) unabdingbar. Ihr Bundesvorsitzender Rainer Wendt betont: “Die Ruhegehaltfähigkeit gehört für uns im Gesamtpaket einer angemessenen Alimentation ohne Wenn und Aber dazu.” Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) plädiert für die Wiedereinführung der Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage bundesweit.

Russisches Raketenschach mit INF (BS/por) Die Aufkündigung des INF-Vertrages aus dem Jahr 1987 über die Vernichtung aller landgestützten Flugkörper kürzerer und mittlerer Reichweite durch die USA und Russland schürt in Europa Ängste vor einem neuerlichen Wettrüsten. Aber: “Schon heute stellen die russischen Iskander-Raketen, die nuklearfähig sind, von Kaliningrad aus bereits ein politisches Erpressungspotenzial in Krisenlagen dar, u. a. gegen Berlin”, so Generalleutnant a. D. Dr. Klaus Olshausen in seinem Gastkommentar, der in der kommenden Ausgabe des Online-Newsletters “Verteidigung. Streitkräfte. Wehrtechnik” des B ehörden Spiegel erscheinen wird. Flankierend betreibe die Staatsführung in Moskau “eine Desinformationskampagne in den westlichen Staaten”. Deren Ziel sei das Schüren von “Uneinigkeit” innerhalb von NATO und EU, so Dr. Olshausen. Behörden Spiegel-Abonnenten können sich für den Newsletter unter www.behoerden-spiegel. de/newsletter/ registrieren lassen.

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BOS müssen Schritt halten

Polizeien und Nachrichtendienste benötigen zeitgemäße Kompetenzen (BS/mfe) Die Digitalisierung stellt auch die Behörden und Organisationen (BOS) vor neue Herausforderungen. Dazu gehören unter anderem immer komplexere Fälle von Cyber Crime sowie der Umgang mit dem Darknet. Um hier effektiv gegen Kriminelle vorgehen zu können, müssen die Sicherheitsbehörden mit den technischen Entwicklungen Schritt halten, auch hinsichtlich ihrer Kompetenzen.

Das verlangt der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenminister, Prof. Dr. Günter Krings (CDU). Er fordert: “All das, was die Polizei in der analogen Welt kann, muss sie auch in der digitalen Welt können und dürfen.” Außerdem plädiert Krings dafür, unterschiedliche Datensilos bei einzelnen Behörden aufzulösen. Informationen müssten für die BOS rasch abrufbar sein und schnell untereinander ausgetauscht werden können. In diesem Zusammenhang setzt er große Hoffnungen in das Programm “Polizei 2020”. Dieses werde die Analysebasis für die Polizeibehörden verbessern und so den Alltag der Beamten erleichtern, so der Politiker. Und noch ein Punkt ist Krings wichtig: Das Trennungsgebot zwi

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesinnenminister, Prof. Dr. Günter Krings (CDU), verlangt zeitgemäße Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. Foto: BS/Feldmann

Wirrwarr an Zuständigkeiten muss aufhören

Deutschland braucht eine nationale Ausländerbehörde (BS/Marian Wendt) Die Zuwanderung fordert spätestens seit 2015 sowohl den Staat als auch allgemein unsere Gesellschaft stark heraus. Selbstverständlich müssen wir Fragen von Asyl, Flüchtlingen und besonders die irreguläre Migration grundsätzlich gesamteuropäisch lösen. Nationale Alleingänge, die nur schwierig in der Praxis umsetzbar sind, können nicht in unserem Interesse sein. Derzeit bleibt eine klare und koordinierte Strategie auf EU-Ebene leider nur eine ambitionierte Absicht.

schen Polizeien auf der einen und Nachrichtendiensten auf der anderen Seite dürfe nicht dazu führen, dass Informationen nicht ausgetauscht würden.

Mandat erweitern

Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler, wiederum verlangte mehr operative Befugnisse für das Europäische Polizeiamt Europol. Zudem sollte die Europäische Staatsanwaltschaft, die 2020 ihre Arbeit aufnehmen wird, für mehr Deliktfelder als bisher geplant zuständig sein. Momentan sollen sich die Juristen nur um Finanz- und Steuervergehen kümmern. Fiedler verlangt eine Ausweitung auf Organisierte Kriminalität (OK), Cyber Crime sowie Terrorismus.

Wohl keine zeitnahe Einigung

Musterpolizeigesetz wahrscheinlich nicht vor 2020 (BS/mfe) Ein neues Musterpolizeigesetz wird es in Deutschland – wenn überhaupt – frühestens 2020 geben. Es könnte sogar noch länger dauern, obwohl das Vorhaben Eingang in den aktuellen Koalitionsvertrag gefunden hat und schon mehrfach Thema auf der Innenministerkonferenz (IMK) war und in Zukunft weiterhin sein wird. Davon gehen mehrere mit den Vorgängen vertraute Personen aus.

Auch der Innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, Konstantin Kuhle, ist skeptisch. Er glaubt nicht, dass das Musterpolizeigesetz noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten wird. Dies sei eine schlechte Nachricht für die Polizeibehörden von Bund und Ländern. Er verlangt von der Bundeseben, den Bundesländern in diesem Themenfeld einen konstruktiven Vorschlag zu machen. Zugleicht unterstreicht Kuhle aber auch, dass ein Musterpolizeigesetz nur dann sinnvoll sei, wenn es tatsächlich einen Mehrwert für die Zusammenarbeit der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben von Bund und Ländern mit sich bringe. Außerdem sei fraglich, ob die Norm zwingend den Namen “Musterpolizeigesetz” tragen müsse. Skeptischer zeigt sich die Innenpolitische Sprecherin der Grünen-B undestagsf raktion, Dr. Irene Mihalic. Sie sagt: “Ich bezweifele, dass jetzt noch eine Einigung der Innenminister mög-

DieDrohnenabwehrlösung “Guardion” der ESG Elek troniksystem- un d Lo gistik- GmbH und ihrer Kooperationspartner Rohde & Schwarz und Diehl Defence basiert auf einem bewährten System. Dieses war zur Absicherung der politischen Großveranstaltungen G7-Gipfel in Elmau 2015, des Staatsbesuchs von US-Präsident Obama im Juni 2016, des G20-Gipfels in Hamburg 2017, der ILA Berlin 2018 und der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Berlin 2018 erfolgreich im Einsatz. Die “Guardion”-Kooperation kombiniert die Zuverlässigkeit, nachgewiesene Expertise und jahrzehntelange Erfahrung der drei deutschen Firmen ESG, Rohde & Schwarz und Diehl Defence mit der agilen Innovationskraft euro pä isc her HighTech, Start-ups. Das modulare und ska lier bare Toolbox-Design des “Guardion”-Systems er mög licht kundenspezifische Lösungen für Militär, Behörden und Großindustrie, die je nach Einsatzgebiet in vollintegrierte Fahr zeuge, verlegefähige Boxen, integrierte Container oder

lich ist. Während immer mehr Länder ihre Polizeigesetze überarbeitet haben, steht der Entwurf des Musterpolizeigesetzes noch in den Sternen. Darüber hinaus ist das beim Bundesinnenminister als Blaupause geltende bayerische Polizeiaufgabengesetz hochumstritten und meines Erachtens verfassungswidrig.” Ein frühzeitiger bürgerrechtskonformer Entwurf hätte hingegen als klarer rechtsstaatlicher Kompass in der Sicherheitspolitik dienen können. Noch deutlicher wird die Innenpolitische Sprecherin der Linken im Deutschen Bundestag, Ulla Jelpke. Sie betont: “Ein Musterpolizeigesetz, dessen Zweck es ist, Druck für noch mehr Telekommunikationsüberwachung und andere Grundrechtseingriffe zu machen, ist ein Bärendienst an den Bürgerrechten. Es ist schon schlimm genug, dass die Polizeigesetze, die jüngst in einer Reihe von Ländern beschlossen wurden, die Befugnisse der Polizei zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger erweitern.”

Aus bürgerrechtlicher Perspektive wäre aus ihrer Sicht ei n Mustergeset z mit anderer Stoßrichtung fällig. Eines, das den Rückbau der polizeilichen Befugnisse und den Ausbau des Schutzes vor polizeilichen Eingriffen vorsähe. Konkret geht es ihr zum Beispiel um eine flächendeckende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte und die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen, an die sich sowohl Bürger als auch Polizeibeamte wenden können. Optimistisch bleibt nur der Innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka . Er meint: “Ein bundesweit einheitliches Musterpolizeigesetz ist eines der im Koalitionsvertrag von Union und SPD fixierten Vorhaben. Im Interesse der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung halte ich eine einheitliche Regelung auch für sehr sinnvoll.” Es sei jetzt Sache der Innenminister von Bund und Ländern, sich auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu verständigen.

Ohne die gesamteuropäische Lösung aufzugeben, sind wir in Deutschland umso mehr gefragt, für eine gesteuerte und zielorientierte Einwanderung sowie für eine effektive und rechtsstaatliche Asyl- und Migrationspolitik auf nationaler Ebene zu sorgen. Auch wenn im November 2018 die Zahl der Asylanträge in Deutschland mit 12.118 Erstanträgen deutlich unter dem Vorjahresmonat mit circa 16.468 Erstanträgen (26,4 Prozent weniger Erstanträge) lag und den Jahrestrend damit fortsetzt, bleiben Qualität, Beschleunigung und Optimierung von Asylverfahren das oberste Ziel. Wir müssen wissen, wer zu uns kommt und unterscheiden, wer wirklich Schutz braucht. Dafür muss der ZuständigkeitsWirrwarr aufhören. Denn ein Anis Amri mit seinen 15 Identitäten war nur möglich, weil mehrere Behörden von Bund, Ländern und Kommunen nachund nebeneinander zuständig sind. Diese Zuständigkeiten sind kaum zu überblicken: Während das BAMF und seine Außenstellen Asylanträge, inklusive Annahme, Prüfung, Anhörung und Entscheidung, bearbeiten, erteilen nach erfolgter Anerkennung, Abl ehnung o der Duldung die Ausländerbehörden von Ländern und Kommunen die entsprechende Aufenthaltserlaubnis und sind mit der Durchsetzung der Ausreisepflicht bei negativem Bescheid betraut. Wiederum den Kommunen obliegen die Unterbringung und Versorgung außerhalb der Erstaufnahmeeinrichtungen und di e Integration der Schutzberechtigten. Das BAMF ist für die Sprachkurse zuständig, wobei es auch andere Sprachangebote gibt. Die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter kümmern sich um die Arbeitsmarktintegration von Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen. Die Bundespolizei verantwortet die bundesdeutsche Grenzsicherung, während die Landespolizeien allgemeine Sicherheitsfragen und Herbeiführung der Ab zu schiebenden als Aufgabe haben. Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium (BMI) verhandeln mit EU-Drittländern über Rücknahmeabkommen. Wiederum das Bundesinnen -

Der Bundestagsabgeordnete Marian Wendt (CDU) ist Mitglied des Innenausschusses und Vorsitzender des Petitionsausschusses.

Foto: BS/privat

ministerium schließt bilaterale Verwaltungsvereinbarungen zur Übernahme von bereits in einem anderen EU-Land registrierten Asylbewerbern. Bei so einer Fülle an Akteuren ist es unvermeidlich, die bestehenden Strukturen zu vereinheitlichen und zu zentralisieren sowie die Verfahren zu optimieren. Nur so können wir Asyl und Migration effizient steuern und kontrollieren. Das Datenaustauschverbesserungsgesetz von 2015 war ein erster richtiger Schritt. Trotzdem können Vernetzung und Austausch bei so vielen Behörden kaum schnell und reibungslos funktionieren. Wenn es nach geltendem Recht durchaus möglich ist, dass der gleiche Asylfall in einem Bundesland zur Abschiebung und in einem anderen zur Duldung führt, müssen wir dringend etwas ändern. Strukturen entflechten Meiner Ansicht nach müssen wir die Strukturen entflechten, die Verfahren anpassen und vor allem zentralisieren. Eine neue, zentrale nationale Ausländerbehörde ist die richtige Antwort auf die Herausforderungen. Diese Behörde kann alle wichtigen Kompetenzen im Asyl- und Aufenthaltsrecht bündeln und eine konvergente E ntsch eidungspraxis gewährleisten. Hierzu gehören die Verleihung einer originären Zuständigkeit für den gesamten Ausländer- und Migrationsbereich, Fachaufsicht, Kontrollbefugnisse sowie bundesweit viele regionale Au ß enstellen. Schaffen wir neue oder vernetzen wir entsprechende Datenbanken, sind die Akteure jederzeit in der Lage, die notwendigen Informationen abzurufen. Kommunen und Länder sollen dann die Integration und Betreuung v on Pe rsonen mit festgestellter Bleibeberechtigung über -

Luftraumsicherheit durch UAV-Detektion und -Abwehr

Bedrohung muss unabhängig von Steuerungsart der Drohnen bekämpft werden können (BS/Ulrich-Joachim Müller*) Die jüngsten Ereignisse an den Flughäfen London-Gatwick und -Heathrow waren erneuter Beweis für den dringlichen Handlungsbedarf hinsichtlich der Bereitstellung einsatzerprobter Systeme für zuverlässige Detektion und effektive Abwehr von unkooperativen Drohnen als Beitrag zur Luftraumsicherheit von Kunden aus Militär, Behörden, Großindustrie und öffentlicher Sicherheit.

sta tionäre Festinstallationen ein gerüstet werden können. Fehlalarmrate möglichst niedrig

Die Vielzahl an marktgängigen Drohnenmodellen macht eine Kombination verschiedener Sensoren nötig, um auf möglichst jede potenzielle Bedrohung unabhängig von der Steuerungsart des Drohnenmodells reagieren zu

können. Bei der Auswahl dieser Sensoren war das höchste Kriterium eine möglichst geringe Fehlalarmrate, um die Detektionsleistung zu automatisieren und die Bedienung des Systems auch im 24/7-Betrieb zu erleichtern. Ausschlaggebend für die hohe Leistungsfähigkeit der durch die Hardware-unabhängige ESG ausgewählten Technologien sind hochentwickelte Algorithmen, die zum Beispiel Vogelflug oder andere Funkteilnehmer ausfiltern.

Die Sensordaten werden über die Kernintelligenz verarbeitet und zur Visualisierung und Bedienung des Systems über das intuitives Command-&Con trol-System “TARANIS®” in ein komplexitätsreduziertes und übersichtliches, karten -

basiertes Lagebild übertragen. Auf Grundlage dieses Lagebildes kann der Operator dann aus e inem Portfolio effektiver Ge gen maßnahmen gegen alle gängigen Steuerungsarten (auch gegen die autonomer Drohnen) wählen, bei kleinstmöglichen

nehmen, während die Bundespolizei die Abschiebungen verantwortet und durchführt. Auch vor dem Hintergrund künftiger Fachkräftezuwanderung, die wir gesetzlich bal d opt imieren, stellt eine nationale Ausländerbehörde die beste Lösung dar. Die nun angedachten Schwerpunkt-Ausländerbehörden für Fachkräftezuwanderung in den Lä nde rn gehen in die richtige Richtung, auch wenn ich befürchte, dass die föderale Lösung noch nicht optimal ist.

Den Austausch von Daten sehe ich noch an anderer Stelle bisher ungenügend gelöst beziehungsweise an die Herausforderungen der internationalen Terrorismusbekämpfung nicht angepasst. Das historisch begründete Trennungsgebot zwischen den Daten des Verfassungsschutzes über potenzielle Gefährder und zum Beispiel der Anwendbarkeit bei Identitätsfeststellungen durch die Polizei halte ich angesichts einer angespannten Sicherheitslage für nicht mehr zeitgemäß. Auch hier braucht es eine Konzentration der Kompetenzen auf der horizontalen wie vertikalen Ebene. Die enge Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden sowie ihr gemeinsam abgestimmtes Vorgehen sind für die Terrorismusbekämpfung unentbehrlich. Es braucht Vernetzung Diese Kooperation und der Austausch sind wiederum ohne Vernetzung von Registern und Datenbanken kaum möglich. Wenn wir unsere Sicherheitsorgane gesetzlich zu sehr in der prakt i schen Arbeit beschränken, sollten wir über eine Anpassung der Gesetze im Rahmen des verfassungsmäßigen Spielraums und im Sinne der Inneren Sicherheit nachdenken. Es sollte uns möglich sein, unsere Gesetze so zu modernisieren, dass der Rechtsstaat den modernen Herausforderungen des internationalen Terrorismus gegenüber gewappnet ist.

Kollateraleffekten. Der Schutz vor Spionage aus der Luft durch unautorisierte Drohnenflüge, sei es bei Großveranstaltungen oder über sicherheitsempfindlichen Einrichtungen wie Kraftwerken oder Testgeländen, stellt gerade auch Unternehmen vor eine besondere Herausforderung.

Da zu einer innovativen Sicher heitsorganisation auch das Erkennen und Detektieren von Drohnen gehört, setzt die Konzern-Sicherheit von Volkswagen das deutschlandweit einmalige mobile Drohnendetektionssystem auf Basis eines Volkswagen Crafters ein. Das Detektionssystem wurde nach Anforderungen von Volkswagen durch die Firma ESG entwickelt und zusammen mit Volkswagen als schnell einsatzfähiges, mobiles System in den Crafter integriert. Michael Schmidt, Chief Security Officer der Volkswagen

AG, sagt: “Industriespionage ist Diebstahl geistigen Eigentums und kann Arbeitsplätze kosten. Das wollen wir verhindern. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder unautorisierte Drohnenüberflüge festgestellt. Nicht in allen Fällen konnten w i r rechtzeitig herausfinden, wer das Gerät von wo aus steuert. Mit unserem mobilen Drohnendetektionssystem sind wir künftig deutlich schneller und können Gefahren früher und gezielter abwehren.” Präsentation auf dem Europäischen Polizeikongress Von den Vorteilen einer flexiblen Einsatzgestaltung durch einen mobilen Leitstand und autarke Energieversorgung durch die vollintegrierte Einrüstung des fahrzeuggestützten Systems in einen Volkswagen Crafter können sich Interessierte auf dem Europäischen Polizeikongress am 19. und 20. Februar 2019 in Berlin überzeugen (Ebene B, Stand Z8).

*Ulrich-Joachim Müller ist Leiter der Unternehmenskommunikation der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 38 Innere Sicherheit
Michael Schmidt, Chief Security Officer der Volkswagen AG (links) und Christoph Weber, Leiter ESG Defence + Public Security (rechts), anlässlich der Fahrzeugübergabe an Volkswagen Foto: BS/VW
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Sonder- und Spezialeinheiten der Polizei erleben eine regelrechte “Aufrüstung”, um dieser Bedrohung adäquat begegnen zu können. Durch eine umfangreiche Anpassung der Polizeiausrüstung und des behördlichen Fuhrparks, wie das Beispiel Survivor R eindrucksvoll zeigt, reagieren die Behörden auf diese neue Form der Sicherheitslage. Ein völlig neues Gesicht in diesem Bereich ist der LAPV 6.2, der derzeit unter der militärischen Bezeichnung ENOK auch in die Bundeswehr eingeführt wird. Sein Urahn ist die Mercedes G-Klasse, die nicht nur allseits bekannt, sondern auch vielfach bewährt ist. In internationalen polizeilichen Auslandsmissionen, beispielsweise in Afghanistan, ist dieses Modell als G-Klasse SSA (Sonderschutzausstattung) das Fahrzeug der Wahl. Bayern beschafft LAPV ENOK 6.2

Der LAPV ENOK 6.2, eine Weiterentwicklung des Vorgängers LAPV ENOK 5.4 ist, verglichen mit dem Survivor R, eine Nummer kleiner und leichter, für dynami sche, hoch komplexe polizeiliche Lagen im städtischen Umfeld aufgrund seiner geringeren Abmessungen und höheren Agilität jedoch deutlich besser geeignet. Die bayerische Landespolizei hat sich Ende 2018 auch aus diesen Gründen für den kleinen, wendigen ENOK zur Beschaffung entschieden. Bis Ende 2019 werden die ENOKs als geschützte Offensivfahrzeuge in einer speziellen LandespolizeiVariante an die bayerischen Spezialeinheiten ausgeliefert. Völlig neu sind dabei das 4+2-Sitzkonzept und die Hecktüre zum schnellen taktischen Aussteigen. Entwickelt und gebaut wird der LAPV 6.2 als Gemeinschaftspro-

Neue Herausforderungen bewältigen

Geschützte Fahrzeugkonzepte für den polizeilichen Einsatz

(BS/Andreas Höche*) Die Polizei- und Sicherheitsbehörden stehen vor dem Hintergrund der aktuelle Bedrohungs- und Sicherheitslage durch den nationalen und internationalen Terrorismus vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Die Anschläge der jüngsten Zeit in Deutschland verdeutlichen eine massiv gesteigerte Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus auch mit modernsten Sturmgewehren und Sprengstoffen.

duk t der Firmen Daimler AG, Magna Steyr und ACS Armoured Car Systems GmbH. Bei ACS Armoured Car Systems GmbH im bayerischen Friedberg erfolgen die Entwicklung und Konstruktion aller Schutz- und Panzerungselemente sowie die Endmontage der Fahrzeuge.

Die Firma ACS Armoured Car Systems, im Jahr 2003 hervorgegangen aus einem deutschen Rüstungskonzern, ist heute ein eigenständiges Unternehmen der GRUMA-Gruppe.

Am Firmenstandort Friedberg beschäftigt das Unternehmen heute knapp 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch die Kooperation dieser Firmen vereint der LAPV ENOK 6.2 das Beste aller Welten: die Fahrwerkkompetenz der Weltmarke Daimler AG, die Expertise des “Mutterhauses” aller G-Modelle, Magna Steyr, vereint mit dem Knowhow der Panzer-Spezialisten. Mit dem LAPV ENOK 6.2 stellt die ACS Armoured Car Systems GmbH dem Markt eine einzigartige Plattform zur Verfügung, die in ihrer Fahrzeugklasse derzeit konkurrenzlos ist.

Weiterer Neuzugang Entsprechende Beschaffungen aus dem Bereich der Bundespolizei und der GSG 9 verdeutlichen, dass auch im bundesbehördlichen Bereich das Leistungsvermögen des ENOK überzeugt hat und dieser als

Der LAPV ENOK 6.2 ist für dynamische, hochkomplexe polizeiliche Lagen im städtischen Umfeld sehr gut geeignet.

sinnvolle Ergänzung des bestehenden Fuhrparks in speziellen Einsatzszenarien gewertet wird. Ein künftiger Neuzugang in der Familie der hoch geschützten Spezialfahrzeuge wird der ENOK 7.X sein. Um ein hochgeschütztes taktisches Sonderfahrzeug mit 6+2 Sitzplatzen und einer Räumschildoption künftig anbieten zu können, hat die ACS Armoured Car Systems GmbH eine Chassis-Eigenentwicklung voran getrieben und kann den BOS-Behörden nun künftig ein Fahrzeug mit circa acht Tonnen zulässigem Gesamtgewicht und, je nach (Schutz-)Ausführung, einer verfügbaren Zuladung von mindestens zwei Tonnen anbieten. Gleichzeitig wird bei extremsten Geländeeigenschaften eine Pkw-ähnliche Agilität

Polizei setzt auf alternative Antriebe

Neue Funkstreifenwagen für Niedersachsen

(BS/mfe) Die niedersächsische Polizei hat von Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) mehrere neue Funkstreifenwagen erhalten. Die Fahrzeuge verfügen entweder über einen hybriden oder einen vollelektrischen Antrieb. Bei ihnen handelt es sich erstmals um Wagen, die im Zuge einer bundesweiten Förderung primär für solche Kommunen beschafft wurden, die durch Schadstoffbelastungen oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte betroffen sind.

Die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD NI) hatte Ende Januar vergangenen Jahres stellvertretend für die Landespolizei unter dem Projektnamen “air” (alternativ-innovativ-regenerativ) den entsprechenden Förderantrag beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur eingereicht. Anschließend erhielt sie einen Förderbescheid über 2,4 Millionen Euro für die Beschaffung von bis zu 185 Fahrzeugen, darunter auch erstmals leichte und rein elektrisch betriebene Nutzfahr-

zeuge. Darüber hinaus sollen bis zu 188 Ladestationen mit Fördermitteln des Bundes beschafft und installiert werden. Ressortchef Pistorius sagte zu der Beschaffung: “In Niedersachsen haben wir mit Hannover, Hildesheim, Hameln, Osnabrück und Oldenburg fünf Kommunen, die ihre Schadstoffbelastung in den Innenstädten durch verschiedene Maßnahmen verringern wollen. Diese S täd te werden durch die extrem emissionsarmen und teils -freien Fahrzeugen profitieren.”

Niedersachsens Polizei hat neue Funkstreifenwagen erhalten, die entweder über einen Hybridantrieb verfügen oder rein elektrisch angetrieben werden.

Foto: BS/Pressestelle IM NI

Rund 12.500 Delikte aufgedeckt

Bayerische Grenzpolizei mit zahlreichen Feststellungen

(BS/mfe) Die Bayerische Grenzpolizei hat bisher etwa 12.500 Straftaten und Verkehrsdelikte festgestellt. Hinzu kommen zahlreiche Fahndungstreffer, darunter über 300 offene Haftbefehle. Die Behörde existiert seit dem 1. Juli vergangenen Jahres. Die etwa 500 Mitarbeiter setzen insbesondere auf die Schleierfahndung. Hinzu kommen – in Absprache mit der Bundespolizei – Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze.

Im Zuge dieser beiden Maßnahmen konnten die Fahnder unter anderem 1.578 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, 917 Fälle von Urkundenfälschung, 509 Waffen- und Sprengstoffdelikte, fast 370 Eigentums- und Vermögensstraftaten, 2.279 Verkehrsdelikte und 6.140 Fahndungstreffer verzeichnen. Zu Letzteren gehörten neben den offenen Haftbefehlen unter anderem 20 Wiedereinreisesperren sowie 49 Personen, die europaweit zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben waren. Des Weiteren wurden 37 Schleuser verhaftet und fast 700 il -

Bei ihren Kontrollen konnte die Bayerische Grenzpolizei bereits zahlreiche Fahndungstreffer erzielen und Straftaten aufdecken.

Foto: BS/© Picture Factory, Fotolia.com

vergleichbar einem LAPV ENOK erreicht. Somit schließt der ENOK 7.X die derzeitige taktische Lücke zwischen LAPV ENOK 6.2 und Survivor R. Diese Plattform tritt auch bereits im Beschaffungswettbewerb um die Nachfolge der künftigen Spezialfahrzeuge in der Bundeswehr an.

Völlig veränderte Bedrohungsszenarien

Im polizeilichen Alltag warten nicht nur auf Spezialeinsatzkräfte völlig veränderte Bedrohungsszenarien, sondern

auch auf die Streifenpolizisten. Beispiele wie der Amoklauf in München zeigen, dass nicht etwa gut ausgebildete und gut ausgerüstete Sonder- und Spezialeinheiten die Ersten am Einsatzort sind. Vielmehr sind, durch ihre viel größere Anzahl und Aufteilung in “Reviere”, reguläre Streifenpolizisten diejenigen, die die E rstrea ktion auf eine solche Einsatzlage stemmen müssen, bis die Spezialisten nachgerückt sind. Diese Beamten sind hinsichtlich Ausbildung und insbesondere ihr Equipment nicht annähernd mit den Sonder- und Spezialeinheiten vergleichbar. Gerade im Bereich “Schutz” ist der Unterschied enorm. Dies betrifft Körperschutz, umso mehr j e doch den Fahrzeugschutz.

Die Lösung “Level'd up protection 2020” der ACS Armoured Car Systems GmbH hat daher den Vorteil, das Schutzniveau bereits im Einsatz befindlicher Fahrzeuge im Polizeialltag kostengünstig signifikant zu erhöhen. Diese sind in der Regel bi sher gänzl ich ungeschützt beziehungsweise ungepanzert.

Durch die Übertragung von Schutz-Know-how sowie leichten, erprobten, einsatztauglichen

und hochw i rksamen Schutzmaterialien aus militärischen Anwendungen und Fahrzeugen heraus auf die Bedürfnisse und Erfordernisse von B ehörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) konnte dieses Ziel erreicht werden. Die Innovation und Einzigartigkeit von “Level'd up protection 2020” besteht darin, Bestandsfahrzeuge der Polizei per Plugand-play-Ansatz kostengünstig mit einem ausreichenden Grundschutz für die Fahrzeugbesatzung nachrüsten zu können. Durch die Rückrüstbarkeit ergibt sich eine marginale Konsequenz hinsichtlich Lifecycle Costs je Fahrzeug. Neben dem Einbringen der Schutzelemente sind keine weiteren Eingriffe am Fahrzeug (etwa Bremsen oder Fahrwerk) erforderlich. Dies konnte nur durch eine extreme Leichtigkeit der Elemente erreicht werden. Eine unkomplizierte Rückgabe an den Leasinggeber ist somit realisierbar beziehungsweise die Wiederveräußerung von Kauffahrzeugen machbar. Diese müssen bisher verschrottet werden. Abschli eßend ist festzustellen, dass der Markt den BOS mittlerweile ein breites Portfolio an Schutzfahrzeugen zur Auswahl bietet und damit den Ei nsatzkräften die Möglichkeit gibt, auf die veränderten Bedrohungsszenarien mit entsprechenden Beschaffungsprogrammen adäquat zu reagieren.

*A ndreas Höch e ist Head of Sales & Marketing bei der ACS Armoured Car Systems GmbH.

legale Einreisen festgestellt.

B ayerns Innenmini ster Joachim Herrmann (CSU) sagte: “Die Fahndungstreffer sind ein klarer Beleg, wie wichtig konsequente Kontrollen im grenznahen Raum und unmittelbar an der Grenze sind.” Schließlich versuchten viele Straftäter, unentdeckt in die Bundesrepublik einzureisen. Ziel sei es, sie schon in Grenznähe abzufischen und sie nicht unkontrolliert weiter ins Landesinnere reisen zu lassen. Er unterstrich, dass der Personalbestand der Behörde von momentan 500 Beamten bis 2023 auf 1.000 Kräfte landesweit anwachsen soll.

Seite 39 Behörden Spiegel / Februar 2019 Innere Sicherheit
im GmbH
Foto: BS/ACS Armoured Car Systems GmbH

Laut Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) nutzen bislang bereits rund 8.500 Teilnehmer der sogenannten Blaulichteinheiten der Bundeswehr den BOS-Digitalfunk. Als Blaulichteinheiten werden die Bundeswehr-Feuerwehr, der Sanitätsdienst der Bundeswehr und der Feldjägerdienst bezeichnet. In der aktuellen BOS-Funkrichtlinie, die alle zur Nutzung von Funkanlagen der BOS Berechtigten ausweist, sucht man diese Einheiten allerdings vergeblich. Die Berechtigung der Bundeswehr-Feuerwehr zur Teilnahme am BOS-Digitalfunk wird mit § 4 Nr. 1.5 der BOS-Funkrichtlinie begründet. Danach gehören zu den berechtigten Teilnehmern neben den kommunalen Feuerwehren auch staatlich anerkannte Werkfeuerwehren sowie sonstige nichtöffentliche Feuerwehren, wenn sie auftragsgemäß auch außerhalb ihrer Liegenschaft eingesetzt werden können. Die Berechtigung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr fußt auf § 4 Nr. 1.6 und Nr. 1.7 der BOSFunkrichtlinie. Neben der originären Aufgabe, die Gesundheit der Sol daten zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen, obliegt dem Sanitätsdienst auch die Hilfeleistung für zivile Einsatzdienste zum Beispiel bei Katastrophen. Im Übrigen wirkt der Sanitätsdienst vielerorts im öffentlichen Rettungsdienst mit. Die Berechtigung des Feldjägerdienstes zur Teilnahme am BOSDigitalfunk wird auf § 4 Nr. 1.8 der BOS-Funkrichtlinie gestützt. Bei der Wahrnehmung der dem Feldjägerdienst obliegenden Auf-

Ziel des Tests soll der Erkenntnisgewinn über die Nutzbarkeit und Ausgestaltung von hybrider Breitbandinfrastruktur für die Zwecke der BOS sein. Dabei bezieht sich die Bezeichnung “hybride Infrastruktur” auf den Aufbau und die Nutzung eines dedizierten, das heißt eines unter der Kontrolle von Bund/Ländern befindlichen Breitband-BOS-Datennetzes in Kombination mit der Nutzung eines oder mehrerer Mobilfunknetze kommerzieller Anbieter. Der Test soll sich insbesondere auf Fragen zur Infrastruktur und zu Möglichkeiten des einheitlichen Managements in hybriden Breitbandnetzen fokussieren. Dabei sollen verschiedene Ausbauoptionen einer hybriden Infrastruktur mit einheitlichem, eigenem Netz und Teilnehmermanagement analysiert werden. Dazu gehören die Nutzung kommerziel ler Netze für Breitbandanwendungen der BOS sowie die Erweiterung der kommerziellen Netze durch dedizierte Infrastruktur.

Innere Sicherheit / BOS Digitalfunk

Auf der gleichen “Welle”

Mehr Soldaten nutzen künftig den BOS-Digitalfunk

(BS/Gerd Lehmann) Das dritte Gesetz zur Änderung des BDBOS-Gesetzes, das unmittelbar vor seiner Verkündigung steht, eröffnet allen Teilen der Bundeswehr die Möglichkeit der Nutzung des BOS-Digitalfunks. In der Novelle wird geregelt, dass der Digitalfunk BOS künftig neben den bereits berechtigten Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) auch der Bundeswehr zur Verfügung steht.

gaben, wie zum Beispiel militärischer Verkehrsdienst, Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben sowie Raum- und Objektschutz, ist eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei gefragt und die Möglichkeit, miteinander über Funk kommunizieren zu können, hilfreich. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass den Kommunal- und Stadtpolizeien, die seit Jahren mit vergleichbarer Begründung die Nutzung des BOS-Digitalfunk anstreben, dies bisher verweigert wird.

Begrenzung aufgeben

Künftig möchte die Bundeswehr nun die Anzahl der Teilnehmer auf insgesamt bis zu 40.000 erhöhen und die Nutzung des BOS-Digitalfunks neben den Blaulichteinheiten auch anderen Verbänden ermöglichen. Damit auch diese den BOS-Digitalfunk nutzen können, sind Netzänderungen und frequenzbedingte Umrüstungen an allen Basisstationen des Netzes vorzunehmen. D i e Netzänderungen betreffen Bereiche wie zum Beispiel Truppenübungsplätze, Fliegerhorste und große Liegenschaften, die sich zum Teil in nicht besiedelten Gebieten befinden und digitalfunkmäßig schlecht oder bisher gar nicht versorgt werden. Mit einer Erweiterung des BOS-

Künftig sollen nicht mehr nur Teile der Bundeswehr am BOS-Digitalfunk teilnehmen können, sondern die gesamte Truppe.

Digitalfunknetzes um 100 bis 150 B asisstationen sollen die Anforderungen der Bundeswehr an die Netzqualität gedeckt werden. Weiterer Änderungsbedarf besteht dann, wenn im Umfeld von Bundeswehrliegenschaften zusätzlicher Kapazitätsbedarf abzudecken ist. Gegebenenfalls müssen BOS-Basisstationen mit zusätzlichen Trägern nachgerüstet werden.

Die einmaligen auf den Bund entfallenden Sachkosten für die Netzerweiterungen und -anpassungen beziffert die BDBOS auf etwa 13 Millionen Euro. Für die notwendi gen Änderungen der

in Länderhoheit liegenden Zugangsnetze wird von einmaligen Sachkosten in Höhe von 1,44 Millionen Euro ausgegangen. Der geschätzte Personalkostenaufwand der BDBOS und der Länder für die Planung, Koordinierung und Durchführung der notwendigen Netzänderungen und frequenzbedingte Umrüstungen von Basisstationen beläuft sich auf 1,6 Millionen Euro. Davon entfallen rund 1,2 Millionen auf die BDBOS und der Rest auf die Länder. Der zusätzliche jährliche Aufwand für die Wartung und Instandhaltung der für die Bundeswehr beschafften Tech-

nikkomponenten wird mit einer halben Million Euro angegeben. Die den Ländern entstehenden Kosten sollen vom Bund erstattet werden. Die für die Nutzererweiterung notwendigen Netzänderungen und -umrüstungen werden im Zuge der anstehenden Netzmodernisierung vorgenommen. Für die Belange der Bundeswehr im BOS-Digitalfunknetz wird die Autorisierte Stelle Bund zuständig sein.

Synergieeffekte unterschiedlich

Das Vorhaben des Zusammenwirkens von BOS und Bundeswehr bietet den rechtlichen und operativen Rahmen für positive Synergieeffekte, die für jeden der Akteure allerdings unterschiedlich ausfallen. Der Aufbau einer eigenen bundesweiten Funkinfrastruktur hätte die Bundeswehr ein Vielfaches mehr gekostet als die rund 15,6 Millionen Euro, die für Erweiterungen und Anpassungen des BOS-Digitalfunknetzes erforderlich sind. Auch wäre der Aufwand für den Betrieb, die Wartung und I nstandhaltung eines eigenen Funknetzes ungleich höher. Aus Sicht der Bundeswehr stehen die erheblichen Kostenersparnisse bei Nutzung des BOS-Digitalfunks im Vordergrund des Zusammenwirkens. Die Kostenersparnisse kompen-

BDBOS mit Eignungstests beauftragt

Realisierung eines konkreten Breitbandnetzes aber von zahlreichen Faktoren abhängig (BS/leh) Auf ihrer letzten Sitzung in Magdeburg hatten die Innenminister von Bund und Ländern den Sachstandsbericht der Arbeitsgemeinschaft

Breitband der Innenministerkonferenz (IMK) für den breitbandigen Datenfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) zur Kenntnis genommen. Sie stimmten auch den vorgeschlagenen Handlungsempfehlungen für das weitere Vorgehen zu. Dem folgend wurde die Bundesanstalt für den Digitalfunk der BOS (BDBOS) von ihrem Verwaltungsrat beauftragt, Tests von Breitbandtechnologien auf der Basis des von der AG Breitband vorgeschlagenen Konzeptes vorzubereiten, zu planen und durchzuführen.

Auf dieser Basis sollen Optionen für die Ausgestaltung und Umsetzung, Tauglichkeit, Rahmenbedingungen sowie Kosten für eine mögliche, bundesweit einheitliche Nutzung von Breitbandtechnologie bewertet werden. Es soll auch nachgewiesen werden, dass ein solches hybrides Netz – als Kombination von kommerzieller und dedizierter Infrastruktur – umsetzbar ist und durch Nutzer und Verwalter als einheitliches Netz wahrgenommen werden kann, auch wenn deren Umsetzung (Anteile dedizierter zu kommerzieller Infrastruktur) in den Ländern unterschiedlich ist. Beleuchtet werden sollen technische, organi-

satorische, finanzielle, rechtliche, vergaberechtliche und telekommunikationsrechtliche Aspekte. Nicht im Fokus der Tests stehen Anwendungen. Auch sollen ber e its durchgeführte nationale oder internationale Tests nicht wiederholt werden.

Zwei Ausbauoptionen und Ausprägungen

Das Konzept der AG Breitband sieht nach einem Test von kommerziellen Mobilfunknetzen (Service Provider-Modell) zwei Ausbauoptionen und Ausprägungen einer hybriden Infrastruktur als Testszenarien vor: National Roaming und RAN-Sharing.

National Roaming beschreibt

Alleinarbeit bedeutet Risiko

Notsignal-Anlagen von SoloProtect schaffen Sicherheit

(BS/Bianca Frenzer*) In Bochum betreibt die USB Bochum GmbH öffentliche Toilettenanlagen. Die Mitarbeiter des Reinigungsteams dieser Anlagen sind während ihrer Einsätze ganz allein unterwegs. Das kann gefährlich sein, denn die Alleinarbeiter sind bei akuter Krankheit, Unfall oder einem Übergriff von anderen Personen völlig auf sich gestellt.

In den öffentlichen Toiletten trifft das Reinigungspersonal manchmal auf Personen, die sich unberechenbar und bedroh-

lich verhalten. Deshalb setzt die USB Bochum GmbH NotsignalAnlagen der britischen Firma SoloProtect ein, die speziell für

Alleinarbeiter mit potenziell gefährlichem Personenkontakt entwickelt wurden: Das als Namensschild getarnte Gerät “SoloProtect ID” ist sehr leicht und ein Alarm kann schnell und sehr diskret ausgelöst werden. Ein zertifiziertes Alarmempfangszentrum wird dann zugeschaltet, zeichnet den Ton der Geschehnisse auf und gibt den Alarm an Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr weiter. Mehr Infos unter www.SoloPro tect.de

*Bianca Frenzer ist PR-Beraterin bei SoloProtect.

die Nutzung einer kommerziellen Funkinfrastruktur ohne direkte Anbindung des Radio Access Networks (RAN) an das dedizierte Kernnetz der BOS.

In diesem Kontext wird parallel zum kommerziellen ein eigenes dediziertes Netz für die BOS aufgebaut. Beim RAN-Sharing wird die Funkinfrastruktur (RAN) eines fremden Netzes zur Erweiterung des eigenen Funknetzes genutzt. Im Kontext einer BOSBreitbandinfrastruktur werden dabei kommerzielle Funkzellen (RAN) gleichzeitig für das dedizierte und das kommerzielle Netz genutzt. Die kommerziellen Funkzellen müssen dazu (zusätzlich zur Anbindung an das kommerzielle Kernnetz) direkt an das dedizierte Kernnetz angebunden werden.

Test umfasst zwei unterschiedliche Phasen

Der Eignungstest soll in zwei Phasen umgesetzt werden. In Phase eins sollen ein Feinkonzept erstellt, Testszenarien ausgear-

MELDUNG

beitet und geplant sowie eine Leistungsbeschreibung für eine Verg abe der Lieferungen und Leistung formuliert werden. Dafür ist ein Zeitansatz von sechs Monaten vorgesehen.

Auf der Basis der Ergebnisse dieser ersten Phase soll dann Phase zwei durchgeführt werden. Sie umfasst den Aufbau sowie die Durchführung und Auswertung des Tests. Zudem gliedert sie sich in zwei Teile. Zunächst erfolgt eine technische Betrachtung ohne Nutzer. In Form eines Labortestes mit kleinem Umfang werden die vorgesehene Netzarchitektur überprüft, Funktionalitäten verifiziert und der gegebenenfalls erforderliche Anpassungsbedarf vor der Einbindung teilnehmender BOS ermittelt und umgesetzt. Danach erfolgt eine technische Betrachtung mit Nutzern. Nach Aufbau einer regional begrenzten, dedizierten Infrastruktur sollen Erkenntnisse über Optimierungspotenziale für die mögliche bundesweit einheitliche Nutzung von Breitbandtechnologien

sieren offensichtlich sogar den Verzicht auf die Netzhoheit. Für die BOS fallen Kostenersparnisse weniger ins Gewicht. Die Beteiligung der Bundeswehr an der Umlage der Betriebs- und U nterhaltungskosten für das BOS-Digitalfunknetz ist dabei eine zu vernachlässigende Größe. Gleiches gilt für die Partizipation der BOS an der von der Bundeswehr zu finanzierenden Funknetzabdeckung bislang nicht versorgter Gebiete. Die positiven Effekte des Zusammenwirkens mit der Bundeswehr liegen für die BOS mehr im strategischen Bereich. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Vorgehen beim Kampf um Funkfrequenzen. Den Worten, zusammenwirken zu wollen, haben BOS und Bundeswehr mit der Nutzererweiterung des BOS-Digitalfunks eindrucksvoll Taten folgen lassen. Aktuell geht es um die Anfang Januar 2021 freiwerdenden Frequenzen im Frequenzteilbereich 451-455,74 MHz / 461-465,74 MHz, die unter anderem auch von Energieversorgungsunternehmen für ihre Kritischen Infrastrukturen beansprucht werden.

Verankerung im Gesetz, nicht in der Funkrichtlinie Nach dem Motto “Zwei können mehr erreichen als einer alleine” funken, marschieren und fordern BOS und Bundeswehr fortan nun gemeinsam. Damit dieses Zusammenwirken auch juristisch wasserdicht ist und nicht ohne Weiteres infrage gestellt werden kann, wurde die Nutzererweiterung des BOS-Digitalfunks um die Bundeswehr im BDBOS-Gesetz und nicht wie üblich in der BOS-Funkrichtlinie verankert.

gesammelt werden. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Infrastrukturfragen und ausdrücklich nicht auf der Funktionalität einzelner Anwendungen oder Anwendungsfälle.

Noch viel zu tun für die BDBOS

Die im Rahmen des Tests gewonnenen Erkenntnisse sollen in ei nem B ericht zusammengefasst werden. Dieser soll als Entscheidungsgrundlage für das weitere Vorgehen bezüglich der Bewertung relevanter Parameter für die spätere Einführung einer bundesweit einheitlichen Breitbandtechnologie für den BOSGebrauch dienen. Bis dahin ist noch ein weiter Weg. Die BDBOS steht vor einer Mammutaufgabe, die zudem noch neben anderen wichtigen Aufgaben wie zum Beispiel die Netzmodernisierung zu managen ist. Sie hat vor Kurzem mit der Aufgabenerledigung begonnen. Ergebnisse liegen derzeit noch nicht vor.

Abschließend muss noch darauf hingewiesen werden, dass die genaue Umsetzung eines konkreten Breitbandnetzes, basierend auf den Erkenntnissen des Tests, separat zu evaluieren und erst nach Klärung finanzieller und rechtlicher Rahmenbedingungen (insbesondere im Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit) beschlussfähig ist.

Mehr Personal für Brandenburger Verfassungsschutz

(BS/mfe) Der Brandenburger Verfassungsschutz wird personell verstärkt. Künftig soll er 120 Stellen und nicht mehr – wie bisher – 93 umfassen. Das hat Landesinnenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), ungeachtet heftigen Widerspruchs von der anderen märkischen Regierungspartei “Die Linke”, entschieden. Die Aufstockung sei “unabweisbar, weil sich die Bedrohungslagen in den letzten Jahren qualitativ und quantitativ nicht

unbedeutend verändert haben”, so der Sozialdemokrat. In diesem Zusammenhang verwies er auf politische Radikalisierungen am linken und rechten politischen Rand, Islamismus und Terrorismus sowie die Zunahme von Bedrohungen aus dem CyberRaum. Derzeit sei eine personell ausreichende Ausstattung des Verfassungsschutzes “nicht gegeben”. In den letzten Haushaltsberatungen habe sein Haus 35 zusätzliche Stellen für den Ver-

fassungsschutz angemeldet. Davon sei keine einzige genehmigt worden. Dazu meinte Schröter: “Wir haben viele Runden gedreht, um ans Ziel zu kommen. Bisher mit mäßigem Erfolg. Aus Erfahrung wird man klug.” Ein längeres Zuwarten halte er für nicht mehr verantwortbar, betonte der Ressortchef. Nun handle er im Rahmen seiner Personal- und Organisationshoheit. Die zusätzlichen Stellen kommen vor allem aus dem Polizeihaushalt.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 40
Das Gerät “SoloProtect ID” ist als Namensschild getarnt. Foto: BS/SoloProtect
Foto: BS/©kaninstudio, Fotolia.com

Dies ist inzwischen nahezu wöchentlich gelebte Praxis. Schwerpunkte bilden unter anderem größere Sportveranstaltungen, aber auch Versammlungslagen, wie beispielsweise im H ambacher Forst und in Chemnitz. Ein in jeder Hinsicht anspruchsvolles Unterstützungserfordernis bilden durch den Bund veranlasste Veranstaltungen in internationalem Kontext, wie beispielsweise die Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt (2015), der G7-Gipfel in Elmau (2015), das Treffen des OSZE-Ministerrats in Hamburg (2016) sowie der G20-Gipfel in der Hansestadt (2017).

Bedeutsam ist dabei in jedem Fall die Verfügbarkeit ausreichend starker Gesamtkräfte in den Landesbereitschaftspolizeien, um ein insgesamt ausgewogenes Verhältnis des gegenseitigen Unterstützens zu ermöglichen. Es sollte zudem geprüft werden, inwieweit das bewährte, bisherige Verfahren bundesweiten Kräftemanagements weiter optimierbar ist.

Kompatibilitäten sind von zentraler Bedeutung

Bei länderübergreifendem Zusammenwirken ist vor allem die Kompatibilität hinsichtlich Organisation, Ausstattung und Ausbeziehungsweise Fortbildungsstand von zentraler Bedeutung.

Idealerweise sind standardisierte

Einsatzeinheiten der Länder und des Bundes modular austauschbar, was sowohl bei Ad-hoc- als auch Langzeitlagen für die erf olgreiche Einsatzbewältigung von großer Bedeutung ist. Länderübergreifende Übereinkünfte zu Standardisierungen, in der Regel in den der Innenministerkonferenz (IMK) nachgeordneten

Gremien – insbesondere im Unterausschuss “Führung, Einsatz, Kriminalitätsbekämpfung (UA FEK)” und seinen Arbeitsgrup-

SYMPOSIUM

Immer öfter Unterstützung nötig Bereitschaftspolizeien müssen

sich zunehmend gegenseitig aushelfen

(BS/Andreas Backhoff/Harald Pickert*) Die Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundes, mit den spezifischen wie vielfältigen Fähigkeiten und Fertigkeiten ihrer Einsatzeinheiten und der verfügbaren polizeilichen Infrastruktur, stellen eine tragende Säule der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland dar. Die Bereitschaftspolizei wird prioritär zur Bewältigung besonderer Einsatzanlässe, insbesondere polizeilicher Großeinsätze, eingesetzt. Dabei wächst tendenziell die Anzahl solcher Einsätze, bei denen Kräfte eines Landes zur Einsatzbewältigung nicht ausreichen, sodass Unterstützung durch Einsatzeinheiten anderer Bundesländer und des Bundes erforderlich ist.

pen erarbeitet und abgestimmt - sind in Ergänzung zu den bestehenden Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern erforderlichenfalls fortzuschreiben. Die hohen Anforderungen aus der allgemeinen Sicherheitslage werden noch ergänzt durch Einsatzanlässe im Zusammenhang mit der Migrations- und Flüchtlingslage sowie die anhaltende terroristische Bedrohungssituation. Das Erfordernis multifunktionaler, professioneller polizeilicher Aufgabenbewältigung stellt die Polizeien in Deutschland insgesamt und auch die Bereitschaf t spolizeien vor immense Herausforderungen. Besonderes Augenmerk ist auch auf die taktische Befähigung und sachgerechte Ausstattung der Bereitschaftspolizei zur Bewältigung lebensbedrohlicher Einsatzlagen zu richten. Dabei haben Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten eine besondere Rolle. Hohe Aus- und Fortbildungsstandards zur Bewältigung terroristischer Anschlags- und Bedrohungslagen sind bereits erreicht und weiter zu gewährleisten, die spezialisierte Aus- und Fortbildung, aber auch die Ausstattung sind gegebenenfalls lageangepasst weiterzuentwickeln beziehungsweise anzupassen. Die in den Ländern zur Bewältigu ng lebensbedrohlicher Einsatzlagen entwickelten Konzepte und ergänzend beschaffte beziehungsweise modifizierte Ausstattung weichen teilweise

rechtlichen Anforderungen zu genügen. Nur auf diese Weise können bundesweit erforderliche Standards gewährleistet werden. Qualifiziertes Personal ist überdies entscheidende Grundvoraussetzung für rechtsstaatliche, bürgerorientierte und professionelle Polizeiarbeit. Ziel der polizeifachlichen Aus- und Fortbildung bei der Bereitschaftspolizei ist es, die fachlichen Kenntnisse, Methoden und praktischen Fertigkeiten zu vermitteln.

Die Aus- und Fortbildung wird auch in Zukunft noch weiter an Bedeutung gewinnen, vor allem aufgrund des stark beschleunigten Wandels in der Gesetzgebung und der Rechtsprechung, der rasanten technischen Entwicklung sowie der Dynamik und Komplexität von Veränderungsprozessen in einer globalen Welt in den Bereichen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Hinzu kommen st ändi g neue, qualifiziertere Erscheinungsformen der Kriminalität sowie ein immer größerer Aufgabenzuwachs und neue Tätigkeitsfelder.

Die Bereitschaftspolizeien

auch die Zahl der Lagen, in denen gegenseitige Unterstützungsleistungen erforderlich sind. Das gilt nicht nur für Sportveranstaltungen, sondern auch für Versammlungen.

voneinander ab. Mit Blick auf Kompatibilität ist, wo erforderlich und möglich, eine bundesweit abgestimmte Standardisierung fortlaufend anzustreben.

Dauerhafte Verfügbarkeit erhalten

Über die genannte Vielzahl besonderer Einsatzanlässe hinaus unterstützen Einheiten der Bereitschaftspolizei bei der Bewältigung polizeilicher Aufgaben im täglichen Dienst, beispielsweise im Rahmen von Konzept- und Schwerpunkteinsätzen, etwa zur Erhöhung der Präsenz, Kriminalitätsbekämpfung oder Verkehrsüberwachung. Diese Unterstüt-

zung ist für die landespolizeiliche Sicherheitslage bedeutsam, wobei die dauerhafte Verfügbarkeit geschlossener Einheiten erhalten bleiben muss. Die für Zwecke der Bereitschaftspolizei verfügbaren Haushaltsmittel sind auf Bundes- und Landesebene vor allem dafür zu verwenden, Personenmobilität sicherzustellen, Spezialfahrzeuge zu beschaffen sowie die Schutzausstattung weiter zu verbessern. Der Bund hat die seinerseits verfügbaren Mittel für die Bereitschaftspolizeien der Länder seit 2018 deutlich erhöht. Neben der Beschaffung von Halbgruppenfahrzeugen zur Gewährleistung

Einheiten müssen auf Augenhöhe bleiben

Neue Te chnologien für die Po lizei

Einsatzunterstützungssysteme, Geoinformation, vernetzte Fahrzeuge, künstliche Intelligenz, Aufklärung, Sensorik, Tracking

6. bis 8. März 2019 in Würzburg

Zielgruppe

Das Symposium richtet sich an Führungskräf te und Exper ten der Polizei, die entweder auf neue Technologien für ihre ( künftige ) Aufgabenerledigung angewiesen sind oder für Technik bzw. technologische Innovation in ihren Behörden zuständig sind.

Themen, u. a. :

• Einsatzunterstützungssysteme

www.fuehrungskraef te-forum.de

der Personenmobilität bilden vor allem die Beschaffung von Sonderfahrzeugen (Komplettierung der Wasserwerferstaffeln der Länder mit WaWe 10 und die Beschaffung eines Nachfolgemodells für den “Sonderwagen 4”) sowie die Ausstattung der Bereitschaftspolizeien mit modularen Körperschutzausstattungen Investitionsschwerpunkte. Ergänzende Investitionen der Länder sind jedoch auch zukünftig unverzichtbar.

Für die Aus- und Fortbildung ist insbesondere in der Bereitschaftspolizei ausreichend Zeit einzuräumen, um den hohen professionellen taktischen wie

Dabei zeigt sich eindrucksvoll, wie mannigfaltig, herausfordernd sowie personal- und zeitintensiv die Aufgaben sind, die von den geschlossenen Einheiten der Bereitschaftspolizei zu bewältigen sind. Die Bereitschaftspolizeien der Länder und des Bundes müssen sich aktuell wie künftig auf die Entwicklung des Einsatzgeschehens sowie von Kriminalitäts- und Gewaltphänomenen einstellen, um mit Blick auf das polizeiliche Gegenüber auf Augenhöhe agieren zu können.

*Andreas Backhoff ist Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder. Harald Pickert ist Inspekteur der Bayerischen Polizei sowie Vorsitzender des UA FEK.

(BS/mfe) Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat einen Entwurf zur Änderung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vorgelegt. Darin sind unter anderem Rechtsgrundlagen zur Online-Durchsuchung und zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung vorgesehen. Beide Instrumente stehen der Landespolizei bisher noch nicht zur Verfügung. Des Weiteren ist eine Ergänzung der Befugnis zur polizeilichen Beobachtung geplant. Personen sollen künftig zur

sogenannten “gezielten Kontrolle” ausgeschrieben werden dürfen. Voraussetzung dafür ist, dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, wonach eine Person außergewöhnlich schwere Straftaten plant oder begeht. Wird eine so gesuchte Person von Polizeibeamten angetroffen, dürfen weitere Kontrollen durchgeführt werden, etwa körperliche Durchsuchungen oder das Absuchen eines Fahrzeugs. Die Ausschreibung zur “gezielten Kontrolle” steht unter Richtervorbehalt. Zudem soll der Katalog der Straftaten

von erheblicher Bedeutung unter anderem um die Tatbestände Terrorismusfinanzierung, Bildung einer terroristischen Vereinigung hierzulande beziehungsweise einer kriminellen und terroristischen Vereinigung im Ausland sowie Einschleusen von Ausländern ergänzt werden. Darüber hinaus ist eine Ausweitung des Richtervorbehalts bei verdeckten polizeilichen Maßnahmen vorgesehen. Und: In das novellierte Geset z sol l eine klarstellende Regelung zum finalen Rettungsschuss aufgenommen werden.

Seite 41 Behörden Spiegel / Februar 2019 Innere Sicherheit
von Bund und Ländern müssen immer mehr Einsätze bewältigen. Dabei steigt Foto: BS/Bayerische Bereitschaftspolizei
Geoinformation
vernetzte Fahrzeuge
Künstliche Intelligenz
Aufklärung
Sensorik
Tracking Foto o s: B s::BS/Fe /FeFeldma dma a mann, n nn Nordhausausenen, CC B BY 2.0, fl 0 ickr.co.com N BS/A / utor u isiesierte rte te Stel St t teelle D leeDDigit git t g alfu alfunk N nkkN kn iede ie e dersac rssaacachsen se , BS B BSS/Tob /To /T ias a MELDUNG Ausweitung der Befugnisse geplant

Das führte jetzt zu öffentlicher Kritik. Begründet wird die Fokussierung auf Subduktionsbeben, bei denen eine Erdplatte unter eine andere rutscht, mit der Erkenntnis, dass diese 90 Prozent aller Tsunamis weltweit auslösen. “In Subduktionszonen werden Tsunamis erst von Beben der Stärke sieben und mehr auf der Richterskala ausgelöst”, erläutert Dr. Jörn Lauterjung, “ Neben Tsunamis, die durch starke Subduktionsbeben ausgelöst werden, treten auch solche Tsunamis auf, die durch Hangrutschungen oder vulkanische Ereignisse ausgelöst werden. Diese Ereignisse haben keinen oder einen schwachen seismischen “Fingerabruck” und lösen keinen Tsunamialarm durch das System aus. Es bleibt beim jetzigen System also ein Restrisiko eines nicht erkannten Tsunamis”, so der GITEWSProjektkoordinator aufseiten des GFZ Und mit Blick auf die Situation vor Indonesien, wo sich der tektonisch relevante Bereich sehr nah an der Küste befindet, weshalb die zur Verfügung stehende Vorwarnzeit sehr gering ist, sagt er: “Wir müssen sehr schnell sein. Dadurch wächst die Unsicherheit etwas an.”

Zuverlässigkeit wichtiger als Schnelligkeit

Widerspruch dazu kommt von Lars Ceranna. Der Arbeitsbereichsleiter “Monitoring und Verifikation” bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover unterstreicht: “Bei der Frühwarnung geht Zuverlässigkeit vor Schnelligkeit. Ansonsten rutscht die gesellschaftliche Akzeptanz der Systeme in den Keller.” Des

Weiteren bestätigt der gelernte

Seismologe zwar, dass rund 90

Prozent aller weltweit vorkommenden Tsunamis durch Subduktionsbeben ausgelöst werden un d diese – im Gegensatz zu vulkanisch bedingten Erschütterungen – oftmals eine unter dem Wert sieben auf der Richterskala liegende Magnitude aufweisen.

Ceranna sagt aber auch: “Es gibt keine Faustformeln. Die Erde rappelt immer und ist be­

Der Iran stellt jährlich 800 Millionen US ­ Doll ar für das insgesamt 1,1 Milliarden US­Dollar umfassende Gesamtbudget der Hisbollah bereit. Die Differenz von 300 Millionen USDollar soll zum größten Teil aus den Gewinnen der Hisbollah bestritten werden, die aus Drogenund Waffenhandel und der daraus erwachsenden Geldwäsche generiert werden. Die gesamte libanesische Jugend, zumindest soweit schiitisch, wurde seit über einem Jahrzehnt ideologisch umgeformt und auf die Ziele der Hisbollah ausgerichtet. Angst wurde geradezu gezüchtet: Vor Juden und auch vor ungläu bigen Sunniten (“takfiri”), die angeblich im Auftrag

Israels den Libanon angreifen, ihre heiligen Stätten verwüsten und die schiitische Gemeinschaft vernichten wollen. Das ist pure Gehirnwäsche. Nach außen tritt die Hisbollah als legitime politische Partei auf. In einigen Staaten, vor allem in den USA und in Israel, stehen sowohl der politische als auch der militärische Arm der Hisbollah auf den Terrorlisten. In der EU ist nur ihre Extremisten­Miliz als Terrororganisation eingestuft. In Deutschland wiederum gilt die Hisbollah “nur” als islamistische Organisation, wird aber vom Verfassungsschutz beobachtet.

Künstlich geschaffener

Unterschied unverständlich

Dies alles, obwohl Hassan Nasrallah, der von den USA und den Golfstaaten zum Terroristen erklärt wurde, sowohl als General­

Innere Sicherheit/Katastrophenschutz

Einiges bleibt außen vor

Tsunami-Frühwarnsystem konzentriert sich auf Subduktionserdbeben

(BS/Marco Feldmann) Tsunamis können durch unterschiedliche Arten von Erdbeben ausgelöst werden. Das maßgeblich vom GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam entwickelte “German Indonesian Tsunami Early Warning System” (GITEWS) beschränkt sich jedoch auf die Detektion sogenannter Subduktionsbeben. Nach vulkanischer Aktivität ausgelöste Erderschütterungen bleiben unberücksichtigt. Kürzlich kam die entsprechende Frühwarnung erneut nicht rechtzeitig bei den Menschen an. Bereits bei einem Beben Ende September letzten Jahres war dies der Fall gewesen.

antwortlichen, von denen durch die Behörden Spiegel­Redaktion leider keine Stellungnahme zu erhalten war, nicht das ernsthafte Bemühen zur Verbesserung der Vorsorge und der Reaktionsfähigkeit absprechen. Auch se i die Technik nach CaritasEinschätzung technisch funktionsfähig.

bentechnisch ständig im Gange. Subduktionserdbeben können auch eine Magnitude größer sieben und vulkanisch bedingte Erschütterungen eine Magnitude unterhalb dieses Wertes haben.”

Das sei allerdings nur selten der Fall, schränkt er ein.

Vertikalbewegungen

erforderlich

Prof. Dr. Wolfgang Friederich wiederum stimmt zahlreichen

Aussagen Lauterjungs zu. Hinsichtlich der statistischen Verteilung der Erdbebenarten sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Geophysik an der Ruhr­Universität Bochum: “Ich habe dazu zwar keine Statistiken. Das klingt aber plausibel, weil man für Subduktionsbeben Vertikalbewegungen braucht. Viele Beben in Subduktionszonen haben das. Außerdem liegen viele Subduktionszonen in Ozeanen.”

Zur durchschnittlichen Stärke von vulkanisch bedingten Erschütterungen erklärt er: “Wenn man damit Erdbeben im Zusam­

menhang mit vulkanischer Aktivität meint, stimmt das wohl.” Außerdem erläutert der Hochschullehrer: “Um ein Erdbeben zu detektieren, muss man die Erdbebenwellen registrieren, die sich vom Herd ausbreiten. Die brauchen eine gewisse Zeit, bis sie an den Seismografen ankommen. Diese Zeit hängt von der Entfernung der Seismografen vom Erdbebenherd ab.” Das sei wohl die physikalische Grenze von Frühwarnsystemen.

Größere Nähe zum Erdbebenherd schaffen

Und er führt weiter aus: “Hinzu kommt etwas Zeit, um die Daten aufzunehmen, zu übertragen und zu analysieren, was man heute in Nahe­Echtzeit und automatisiert zu tun versucht.”

Außerdem ließen sich aus den zuerst am Seismografen ankommenden Wellen nicht die wahre Stärke des Bebens und damit das Tsunami­Potenzial abschätzen. “Dazu braucht man längere Registrierungen, wodurch sich

die Detektionszeit etwas verlängert”, so Friederich. Um den Zeitraum der Erkennung von Er s chütterungen noch weiter zu verringern – momentan ist dies laut Lauterjung innerhalb von vier bis fünf Minuten möglich – müssten die Seismografen Friederich zufolge näher an den Erdbebenherd heran. Dessen Lage sei a priori aber nicht bekannt. “In Indonesien bräuchte man dazu Ozeanbodenseismometer, deren Betrieb sehr teuer und aufwendig ist”, gibt er zu bedenken.

Ceranna wiederum meint, dass sich die Zeitspanne durch die Nutzung autarker, mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteter Systeme verringern ließe. Dies könnte gleichzeitig aber die Fehlertoleranz erhöhen. Denn: “Der Physik ist immer eine Grenze gesetzt.” Außerdem müsste ein System dann alleine entscheiden, ob ein schweres Erdbeben vorliegt und deshalb zum Beispiel eine Gasleitung geschlossen werden müsse. Dies würde dann

ohne weitere menschliche Überprüfung oder einen Austausch mit vergleichbaren autonomen Systemen vor dem Abschalten als Kreuzvergleich erfolgen. Eine seismische Welle könne sich nun einmal in aller Regel mit maximal acht Kilometern pro Sekunde auf einen Sensor zubewegen, der die Geschwindigkeit messe, mit welcher sich der Boden an einer bestimmten Stelle hebe oder senke. Ausnahmen gälten nur bei großen Entfernungen von mehr als 3.500 Kilometern oder bei sehr geringen Distanzen von unter 100 Kilometern. Und Ceranna betont: “V ulkanisch ausgelöste Erdbeben, die mit einem Tsunami verbunden sind, sind oft sehr lokal. Um sie effektiv zu erkennen, bräuchte es ein deutlich engmaschigeres Messnetz.” Ähnliches ist von Lauterjung zu vernehmen. Er sagt: “Rein technisch wäre das möglich, etwa durch das Anbringen von Sensorik an Seekabeln.” Mit Blick auf eine Verkürzung der Erkennungsspanne unterstreicht er: “Schneller als zwei bis drei Minuten werden wir wahrscheinlich nicht werden. Dann würde die Möglichkeit von Fehlern zu groß werden.”

Koordination und Informationsweitergabe mangelhaft

Der Indonesien ­ Referent der Hilfsorganisation Caritas international, Daniel Apolinarski, schließlich fällt ein zwiespältiges Urteil zum Tsunami­Frühwarnsystem GITEWS. Einerseits sagt er: “In Indonesien hat sich in Bezug auf die Frühwarnsysteme und die Katastrophenhilfe seit dem Tsunami des Jahres 2004 grundsätzlich vieles zum Positiven entwickelt.” Man könne dem Großteil der indonesischen Ver­

Maßgeblich aus dem Ausland gesteuert

Hisbollah unter iranischer Schirmherrschaft

(BS/Uwe Kranz) Die Hisbollah ist nicht nur eine Terrororganisation, eine transnationale kriminelle Gruppe und eine Miliz, die größer ist als die gesamte libanesische Armee. Sie ist zugleich auch die starke schiitische islamistische politische Partei im Libanon, welche maßgeblich vom Iran gesteuert und unterstützt wird. Sie operiert sozusagen unter der Schirmherrschaft des Ajatollah Chamenei.

Serie

TERRORZIELE (TEIL 28)

sekretär dem politischen Flügel vorsteht als auch Oberbefehlshaber des militärischen Flügels ist und zudem über Sippenangehörige wichtige Schaltstellen der beiden Flügel verbindet. Wer soll diesen künstlich geschaffenen Unterschied verstehen?

Terrorismus und OK eng verknüpft

Dieser Frage hat sich ein israelisches Forschungsteam gewidmet, das nach zweijährigen Recherchen speziell zu den Aspekten der Geldwäsche und des Drogenhandels zu dem Schluss kam, dass sowohl der politische als auch der militärische Arm der Hisbollah zumindest Terrorismus­Sponsoren sind, die eine globale Bedrohung darstellen. Was hi ndert eigentlich die deutsche Regierung daran, die Hisbollah ganzheitlich zu sehen und endlich auch den politischen Flügel der Hisbollah zur Terrororganisation zu erklären?

Das würde hierzulande Ermittlungen speziell gegen Personen der Führungsebene ermöglichen. Außerdem wäre es dann möglich, ihre Bankkonten zu sperren, ih­

re Vermögenswerte einzuziehen und unterstützende Unternehmen zu sanktionieren.

Die Hisbollah ist zudem weltweit eines der am höchsten entwickelten, komplexesten und länderübergreifenden Syndikate des organisierten Verbrechens. Aus diesem Grunde geriet der Nexus zwischen Terrorismus und Organisierter Kriminalität (OK) immer stärker in den Fokus der internationalen Strafverfolgungsbehörden. Das muss in Zukunft noch verstärkt werden. Neben dem durch Drogenschmuggel finanzierten Terrorismus ist die Hisbollah zunehmend in den Bereichen Waffen­ und Warenschmuggel, Passfälschung und Geldwäsche beziehungsweise Terrorfinanzierung aktiv. Sie arbeitet mit angeblichen Wohlfahrtsorganisationen zusammen und schafft so ei ne globale, umfassende schiitische Basis.

Krieg könnte nach Israel getragen werden

Die Hisbollah entwickelt sich aber auch zunehmend zum ärgsten Feind Israels und dient dem Iran taktisch als “Flugzeugträger v or der israelischen Grenze”.

Während ihrer Unterstützung des syrischen Präsidenten Bashar al ­ Assad im Kampf ge ­

Uwe Kranz, Terrorexperte des Behörden Spiegel, warnt vor den Aktivitäten der Hisbollah, die maßgeblich vom Iran beeinflusst wird.

Foto: BS/Dombrowsky

gen dessen eigenes Volk verlor die Hisbollah zwar über 1.000 Kämpfer. Abertausende gewannen dafür jedoch enorm viel kriegstaktische Erfahrung und militärisches Equipment. Erstmals in der Geschichte wäre die libanesische Hisbollah heute in der Lage, den Krieg nach Israel zu tragen – und das verkündet sie in aller Offenheit, wozu aus Europa und speziell aus Deutschland nur ein lautstarkes Schweigen zu hören ist.

Miliz­Oberbefehlshaber Nasrallah prahlte schon im Frühjahr 2016 damit, dass er keine Atombombe brauche. Seine “Nuklearwaffe” sei sein Raktenarsenal, welches etwa bei einem Präzisions­Angriff auf die Tanks der Chemiewerke in Haifa genauso eine fürchterliche Wirkung erziele, wie eine Atombombe: Rund 14.000 Tonnen Ammoniak­Gas

Zuglei ch unterstreicht Apolinarski aber: “Die Wartung des Frühwarnsystems und das konstante Monitoring sind jedoch angesichts der Größe Indonesiens mit über 17.500 Inseln sowie einer sehr hohen Erdbebenanfälligkeit eine stetige Herausforderung.” Die größten Defizite von GITEWS lägen momentan in der Koordination und Weitergabe der Informationen durch die lokalen Behörden. Beim jüngsten Tsunami, der die indonesischen Inseln Java und Sumatra im Dezember letzten Jahres traf und Hunderte Tote zur Folge hatte, habe die Kommunikation zwischen Behörden und Bevölkerung offensichtlich nicht so funktioniert, wie es notwendig gewesen wäre. “Diese war teils unstrukturiert und insgesamt zu langsam”, kritisiert Apolinarski. Hier müsse es dringend Veränderungen geben.

Gespräche laufen

Derzeit sei seine Organisation mit der nationalen Katastrophenschutzbehörde in Jakarta im Gespräch, um zu prüfen, ob Caritas international mit ihrer Nähe zu den betroffenen Menschen sowie ihren Hilfsnetzwerken dazu beitragen könne, die Lücken in der K ommu nikation zwischen Behörden und Bevölkerung zu schließen.

Auch eine Aufgabe für das GFZ in Potsdam? Immerhin berichtet Lauterjung, dass die indonesischen Behörden zwar schon seit 2011 die Gesamtverantwortung für das GITE WS ­ System hätten und die Bundesrepubl ik Deutschland selbst dort kein Frühwarnsystem betreibe. Aber: das GFZ betätige sich weiterhin als Berater. Schließlich sei die Verantwortung mit dem Tag der Übergabe der Technik noch nicht vorbei.

würden in einem Inferno freigesetzt, Zehntausende Tote und über 800.000 Verletzte wären zu beklagen, die ganze Region sei dann auf Jahrzehnte verwüstet. Das wäre ein milliardenschwerer Schlag gegen Israels Wirtschaft. Nach seinen Aussagen verfüge seine Organisation inzwischen über eine fortschrittlichere Abwehrtechnik gegen israelische Luftangriffe, die beständig ausgebaut werde.

Taktik geändert

Bisher schickte die Hisbollah meist kleinere Gruppen (zehn bis 15 Mann), die in wenigen Stunden israelisches Gebiet infiltrierten, dort ihre Anschläge verübten, um sogleich wieder in den Libanon zurückzukehren, quasi in grenzüberschreitender Guerilla­Manier. Seit vergangenem Jahr bereitet die Hisbollah offensichtlich wieder größer angelegte Operationen vor, zumal sie die meisten ihrer Einheiten aus dem syrischen Kampfgebiet inzwischen ab­ und an der Grenze zu Israel zusammengezogen hat. So wurden spätestens im

Dezember 2018 im Rahmen der Operation “Northern Shield” vom israelischen Militär die ersten vier Tunnel entdeckt, die Terroristen heimlich vom Libanon aus unter der Grenzmauer hindurch weit auf israelisches Staatsgebiet vorangetrieben hatten. Die Kräfte der 11.000 Mann starken UN­Mission UNIFIL im Libanon, die mit einem jährlichen Budget von mindestens 450 Millionen US­Dollar entlang der israelischlibanesischen Grenze zur Sicherung des Friedens beitragen soll, waren davon überrascht. Sie bestätigten aber Israels Darstellung.

Will der Iran weiteren “Proxy-Krieg”?

Die Tunnel wurden gesprengt und – nach vorheriger Information der offiziellen libanesischen Behörden – mit Beton versiegelt. Der angeblich letzte Tunnel wurde erst im Januar dieses Jahres entdeckt. Er gilt als der wichtigste, denn er ist fast 800 Meter lang und 55 Meter tief, führt mehre Dutzend Meter in israelisches Staatsgebiet hinein, wurde voll elektrifiziert und mit Gleisanlagen für schwere Transporte sowie Ausstiegstreppen versehen. Die Tunnel dienten der Lagerung von Waffen, Raketen und Sprengmittel, aber auch der Einschleusung von Attentätern und Saboteuren, vermutlich aus der Hisbollah­Elitetruppe “Ratwan”. Zugleich dienten sie zur Vorbereitung eines künftigen militärischen Überfalls. Ein weiterer “Proxy­Krieg” im Auftrag des Irans?

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 42
Indonesien ist stark Tsunami-gefährdet. Da kommt es ganz besonders auf ein effektives Frühwarnsystem an. Doch die GITEWS-Technik kann nicht auf alle Gefahren aufmerksam machen. Foto: BS/chispita 666, CC BY 2.0, flickr.com

Neues aus der Wehrtechnik

Neuer CEO zum 1. April

BWI

(BS) Zum 1. April wird Martin Kaloudis neuer Chief Executive Officer (CEO) und Mitglied der Geschäftsführung der BWI GmbH, des IT-Dienstleisters für Bundeswehr und Bund. Er tritt dann die Nachfolge von Hans-Jürgen Niemeyer an, der seit August des vergangenen Jahres das Unternehmen führt. Bereits damals stand fest, dass er dies nur für eine Übergangszeit machen würde.

Martin Kaloudis ist seit 2017 Geschäftsführer/ Chief Operating Officer (COO) der DB Kommunikationstechnik GmbH. 1999 war er in den Bahn-Konzern als IT-Projektleiter der DB Systems GmbH eingestiegen und hat seitdem verschiedene Funktionen unter dem Dach der Deutschen Bahn AG wahrgenommen. Studiert hat er Wirtschaftsmathematik an der Philips-Universität in Marburg.

Die übrigen Mitglieder der Geschäftsführung der BWI GmbH sind Dr. Jürgen Bischoff als Chief Resources Officer (CRO), Bernd Wolfgang Klinder als Chief Operating Officer (COO) und Generalleutnant Frank Leidenberger als Chief Strategy Officer (CSO).

Viel Bewegung am Himmel

Airbus

(BS) Dem Vernehmen nach wird die Bundeswehr beim europäischen Flugzeughersteller Airbus 33 Eurofighter bestellen. Damit sollen alte Eurofighter der ersten Tranche ersetzt werden. Schätzungen gehen von einem Systempreis, d. h. “all inclusive”, von 100 Millionen Euro pro neuem Kampfjet aus. Das Auftragsvolumen würde dann insgesamt 3,3 Milliarden Euro betragen. Endmontage und spätere Wartungsleistungen sollen am Airbus-Standort im oberbayerischen Manching stattfinden, auch der Standort in Augsburg soll von dem Großauftrag profitieren. Bauteile für den Eurofighter werden in mehren Ländern in Europa gefertigt. (Mehr zur Rolle des Eurofighters beim Poker um die “Tornado”-Nachfolge bei der Bundeswehr auf Seite 46 dieser Ausgabe.) Airbus und der US-Konzern Lockheed Martin haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, künftig gemeinsam Luftbetankungs-Services zur Beseitigung aktueller Kapazitätsengpässe sowie die Erarbeitung neuer Konzepte für die nächste Tankflugzeuggeneration bereitzustellen. Der europäische Konzern hatte sich letztlich erfolglos mit dem bereits zugelassenen Tankflugzeug A330 MRTT

(“Multi-Role Transport-Tanker”) bei den US-Streitkräften beworben, doch nach intensiver LobbyArbeit bekam US-Konkurrent Boeing den Zuschlag. Mit diesem Anlauf könnte sich Airbus auf dem US-Markt als Dienstleister positionieren.

Die BWI ist eine 100-prozentige Bundesgesellschaft. Als IT-D i enstleister der Bundeswehr betreibt sie die nicht-militärische Informations- und Kommunikationstechnik der Bundeswehr. Darüber hinaus wird die BWI als IT-Dienstleistungszentrum des Bundes ihre Leistungen auch anderen Ressorts anbieten. Die BWI betreut rund 1.200 BundeswehrLiegenschaften in Deutschland und zählt insgesamt mehr als 4.000 Mitarbeiter.

Mehr Informationen unter www.bwi.de

Großauftrag von der US-Marine Boeing

(BS) Der Flugzeugkonzern Boeing ist von der U.S. Navy mit der Produktion von 19 weiteren Seefernaufklärern und U-Boot-Jagdflugzeugen vom Typ P-8A “Poseidon” im Wert von 2,4 Milliarden US-Dollar beauftragt worden. Diese Bestellung umfasst zehn Flugzeuge, welche die bestehende P-8A-Flotte der US-Seestreitkräfte ergänzen, sowie fünf Flugzeuge für Norwegen und weitere vier Flugzeuge für Großbritannien. Das Vereinigte Königreich und Norwegen erwerben die Boeing-Flugzeuge im Rahmen des “ForeignMilitary-Sales”-Prozesses (FMS) und erhalten das Flugzeug in der für die U.S. Navy entwickelten P-8A-Variante. Die britische Marine soll das erste Flugzeug bereits in diesem Jahr erhalten, für die norwegischen Seestreitkräfte soll die Auslieferung ab 2021 beginnen. Bei diesen Kunden fällt auf, dass beide zwar Mitglied der NATO sind, nicht aber der Europäischen Union im Falle Norwegens bzw. bald nicht mehr im Falle Großbritanniens nach dem zu erwartenden Brexit. (Mehr zu den

Zukunftsprojekte NGWS und FCAS

BMVg

(BS) Nahe Paris besichtigten Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen u nd ihre französische Amtskollegin Florence Parly Anfang Februar die zukünftigen Produktionshallen für den Antrieb des künftigen, gemeinsam zu entwickelnden Kampfflugzeuges “Next Generation Weapon System” (NGWS). Abschließend wurde unter dem Motto “High-Tech Made in Europe” ein deutsch-französisches Partnerschaftsabkommen zur gemeinsamen Produktion unterzeichnet – mit der ausdrücklichen Option für weitere Partner.

Auswirkungen des britischen EU-Austritts auf Seite 46 dieser Ausgabe.)

Nach einer viel beachteten Pannenserie der Flugbereitschaft des BMVg wurde Anfang Februar bekanntgegeben, dass ein neues zweistrahliges Langstrecken-Großraumflugzeug vom Typ Airbus A350 für rund 150 Millionen erworben werden soll, um die beiden vierstrahligen A340 zu ergänzen. Angeblich soll noch in diesem Jahr die neue Maschine in Dienst gestellt werden. Aufgrund dieses engen Zeitplanes wird spekuliert, ob der neue Airbus dann bereits über die komplette Sonderausstattung einer Regierungsmaschine (z. B. inklusive passiver Selbstschutzanlage) verfügen wird. Später sollen zwei weitere Airbus A350 folgen. Mehr Informationen unter www.airbus.com

Energienetzwerk mit Brennstoffzelle

Folgeauftrag der Bundeswehr

(BS/por) Die SFC Energy AG, internationaler Anbieter von stationären und mobilen Hybrid-Stromversorgungslösungen, hat einen weiteren Folgeauftrag des für die Beschaffung sämtlichen Wehrmaterials der Bundeswehr zuständigen Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) erhalten. Bestellt wurde das tragbare SFC-Energienetzwerk mit “Jenny 600S” und Powermanager PM3G zur portablen und stationären netzfernen Energieversorgung im Feld. Der Auftragswert beläuft sich auf 1,4 Millionen Euro.

Das Energienetzwerk von SFC Energy wurde im Jahr 2010 bei der Bundeswehr eingeführt.

Nachdem das BAAINBw bereits im Dezember 2017 einen Großauftrag für das in Tests und Einsätzen bewährte System erteilt hatte, rüstet es nun weitere Bundeswehr-Einheiten damit aus. Das SFC-Energienetzwerk ist eine vollintegrierte Systemlösung aus der tragbaren “Jenny-600S”Brennstoffzelle, dem Power-Manager PM3G, einer speziell auf das System abgestimmten Hybridbatterie, einem Solarpanel sowie umfangreichem Zubehör. Die Stromversorgung ermöglicht den Betrieb verschiedener Verbraucher – zum Beispiel Funkgeräte, Navigationsgeräte, Nachtsichtgeräte, Laserentfernungsmesser, tragbare Computer und PDAs (“Personal Digital Assistant”) –sowohl stationär als auch portabel.

Im Einsatz verringert das SFCEnergienetzwerk die Traglast der Soldaten im Vergleich zu konventionellen Stromversorgungslösungen um bis zu 80 Prozent. Über den Power-Manager, einen “intelligenten” Spannungswandler, können die Soldaten nahezu jedes beliebige Gerät aus verfügbaren Stromquellen – wie Brennstoffzelle, Solarpanel oder Batterie – mit Strom versorgen.

Zusätzlich erlaubt das Netzwerk die mobile Aufladung unterschiedlicher Batterietypen. Stromversorgung und Energiemanagement erfolgen vollautomatisch, nahezu lautlos und emissionsfrei – somit ist es praktisch nicht detektierbar.

“Dieser Folgeauftrag bestätigt die wachsende Bedeutung von leichtem tragbaren Strom für die Flexibilität und Sicherheit von Soldaten im Einsatz und den Erfolg von Missionen”, sagte Dr.

Peter Podesser, Vorstandsvorsitzender der SFC Energy AG. “Unser SFC-Energienetzwerk kann bequem am Körper getragen oder stationär genutzt werden. Seine Zuverlässigkeit, Bedienfreundlichkeit und Gewichtsersparnis haben die Anwender überzeugt. Wir sind sehr stolz auf diesen Auftrag, denn er belegt die hohe Qualität unserer Brennstoffzellenprodukte im Einsatz.” SFC-Brennstoffzellenprodukte sind bei zahlreichen Mitgliedsstaaten der Atlantischen Allianz und bei Unterzeichnerstaaten des NATO-Programms “Partnership for Peace” (PfP) im Einsatz. Diese Brennstoffzellen- und Zubehörprodukte verfügen über eine Versorgungsnummer und sind gemäß UN3473 für den Lufttransport zugelassen.

Mehr Informationen unter www. sfc.com

“Diese Kumulierung von Technologie ist beeindruckend”, sagte Dr von der Leyen in der durch beide Ministerinnen eingeweihten Produktionshalle, die zugleich Forschungsplattform ist. Hier soll das erste Turbinenmodell für das neue Kampfflugzeug entwickelt werden.

“Exzellenz wird erreicht, wenn man nach Perfektion strebt”, ergänzte die französische Verteidigungsministerin. Die neue Forschungseinrichtung sei ein Ort “geistiger Innovation.” Parly sprach der deutsch-französischen Industrie ihr Vertrauen aus, denn “Talent, Kreativität und Beharrlichkeit” seien hier zu Hause. “Deutschland und Frankreich vertiefen ihre Zusammenarbeit zum Nutzen unserer Länder, der EU und unser Verteidigung”, erklärte die Bundesverteidigungsministerin.

Der Strahlantrieb soll vom französischen Technologiekonzern Safran Aircraft Engines und dem deutschen Unternehmen MTU Aero Engines aus München entwickelt werden. Safran produziert beispielsweise Antriebssysteme für den Transportflieger Airbus A400M, das französische Kampfflugzeug “Rafale”, aber auch Triebwerke für “Ariane”-Raketen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA).

Im neuen Projekt soll die deutsche “Motoren- und Turbinen-Union” die Niederdruckturbine sowie die

Die “Poseido n” ist eine militärische V ariante der zivilen Boeing 737 Next Generation (NG) und ermöglicht mit ihrer Reichweite und Leistungsfähigkeit sowie ihrem Missionssystem maximale Interoperabilität. Ihr Einsatzradius beträgt bei einer vierstündigen Aufenthaltsdauer im Zielgebiet rund 2.200 Kilometer.

Eine P-8A “Poseidon” der US-Marine

Mehr Informationen unter www.boeing.de

Hoch- und Niederverdichter produzieren. Safran ist für die Brennkammer, Hochdruckturbine und Nachbrenner verantwortlich.

Die Entwicklung des NGWS ist in den Wirkverbund des neuen “Future Combat Air Systems” (FCAS) eingebettet. Beim FCAS soll es sich um ein “System of Systems” handeln, d. h. ein integriertes System, das Drohnen, Kampfflugzeuge, Satelliten sowie fliegende Kommandozentralen verbindet. Das abzudeckende Fähigkeitsspektrum wird sich an den künftigen Einsatzerfordernissen (“Future Operating Environment”) 2040+ ausrichten. NGWS ist als bemanntes Kampfflugzeug der sechsten Generation geplant. Es soll taktische Kampfflugzeuge wie Eurofighter oder “Rafale” sukzessive ersetzen.

Im Einklang mit der Militärischen Luftfahrtstrategie 2016 der Bundeswehr ist aus deutscher Sicht die Entwicklung eines neuen Kampfflugzeuges nur als multinationales Projekt, vorrangig im europäischen Rahmen, denkbar. Daher ist es vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen bei der Segmentierung des europäischen Marktes im Bereich Kampfflugzeuge das vorrangige Ziel, sich mit anderen Partnern auf eine gemeinsame Linie hinsichtlich einer europäischen Entwicklungslösung NGWS zu einigen.

Dirk Hoke, CEO von Airbus Defence and Space, betonte in diesem Zusammenhang: “FCAS ist eines der ambitioniertesten europäischen Verteidigungsprogramme dieses Jahrhunderts.” Eric Trappier, Chairman und CEO von Dassault Aviation, ergänzte: “Dieser nächste Schritt ist entscheidend für die Sicherung der strategischen Autonomie Europas.”

Mehr Informationen unter www.bmvg.de

Wehrtechnik
Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 43
Der künftige CEO der BWI: Martin Kaloudis Foto: BS/Privat Foto: BS/Portugall Die Bundeswehr bestellt 33 neue Eurofighter, um ihre Flotte zu erneuern. Foto: BS/Portugall

Zu Recht wird daher über Veränderungen der Beschaffungsprozesse, teilweise auch der St r ukturen, nachgedacht. Ebenfalls zu Recht wird aber von Kennern der Materie auch darauf hingewiesen, dass die anstehenden, extrem ehrgeizigen Beschaffungs-Großvorhaben – wie etwa die Ausrüstung der digitalisierten Heeresverbände – ohne einen engen Schulterschluss von Bundeswehr-Beschaffung und Industrie nicht zu machen sind. Auch die Industrie muss sich rechtzeitig auf diese Herausforderungen einrichten können. In diesem Sinne sind die Vorschläge zu verstehen, die der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e. V. (BDSV) als Beitrag der Industrie zur Trendwende Material der Bundeswehr macht. Hierfür bedarf es im Übrigen nicht einmal einer grundlegenden Umgestaltung der Beschaffungsstruktur (Stichwort: Agenturlösung). Worum also geht es dabei im Einzelnen?

Standardverträge bei Routinebeschaffungen

Laut einer Angabe des Beschaffungsamtes der Bundeswehr (BAAINBw) fallen über 90 Prozent aller dort geschlossenen Beschaffungsverträge unter die Wertgrenze von 500.000 Euro (brutto), während weitere sieben Prozent wertmäßig in die Kategorie zwischen (brutto) 500.000 und 25 Millionen Euro fallen. Obwohl auch das BAAINBw selbst Volumina unter 500.000 Euro als Routinevorgänge einstuft, hat das Amt bei diesen (jährlich rd. 10.000) Vorgängen bisher in jedem Einzelfall auf Basis sehr einseitiger – für die Beschaffungs-

Beschaffung beschleunigen

Beitrag der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zur Trendwende Material

(BS/Dr. Hans Christoph Atzpodien) Angesichts des allseits bekannten Ausrüstungsbedarfs der Bundeswehr sowie steigender Verteidigungs­ und Beschaffungsbudgets steht die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr vor großen Herausforderungen. Die Tatsache, dass in der Vergangenheit bisweilen sogar die vorhandenen Budgets im jeweiligen Haushaltsjahr nicht komplett ausgenutzt werden konnten, führt indes bei manchem Politiker zu der Aussage, die Bundeswehr könne ihre demnächst höheren Budgets ja gar nicht zeitgerecht ausgeben.

gerade bei kleineren Anbietern zu dem Dilemma, entweder viel Aufwand in eine Verhandlung des Vertrages investieren zu müssen (mit ungewissem Ergebnis) oder aber den Vertrag wie angeboten zu unterschrieben. Der BDSV fordert für diese Routinebeschaffungen seit Langem zwischen BAAINBw und Industrie einvernehmlich ausgehandelte und inhaltlich ausgewogene Muster-Vertragsbedingungen, die es beiden Vertragspartnern ermöglichen, diese Bedingungen ohne zusätzlichen Verhandlungsaufwand in jedem Einzelfall der konkreten Beauftragung zugrunde zu legen, ohne dabei z. B. das Risiko eingehen zu müssen, schon wegen kleiner Leistungsstöru ngen extrem belastende Rechtsfolgen gewärtigen zu müssen. Vorbild sollten hier die zwischen dem Branchenverband Bitkom und der öffentlichen Hand einvernehmlich ausgehandelten Musterbedingungen EVB-IT (Ergänzende Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik) sein.

“Das Beschaffungsamt zieht bisher stets ein Verhandlungsverfahren auf der Grundlage einer eigenen Spezifikationsvorgabe vor (wie beim Vorhaben Mehrzweckkampfschiff “MKS 180”).”

Grafik: BS/BAAINBw

Vertragspartner über Mehrkosten und zusätzliche Abwicklungszeit führen, bevor der Lieferant verpflichtet ist, die veränderten Vorschriften umzusetzen.

zugelassenen Bewerbern führt, um eine oder mehrere seinen Bedürfnissen entsprechende Lösungen herauszuarbeiten, auf deren Grundlage bzw. Grundlagen die ausgewählten Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden”.

Da bei diesem Verfahren jedoch das BAAINBw seine Spezifikationskompetenz zum Teil auf die Systemindustrie verlagern müsste, zieht das Beschaffungsamt bisher stets ein Verhandlungsverfahren auf der Grundlage einer eigenen Spezifikationsvorgabe vor (wie beim Vorhaben Mehrzweckkampfschiff “MKS 180”).

neuen Großgerätes besser genutzt werden. Schließlich könnte man sich im Bereich der Maintenance – wie in anderen europäischen Ländern Standard – den Abschluss längerfristiger Rahmenverträge vorstellen, die eine wiederholte, kleinteilige Neu-Ausschreibung während der Laufzeit überflüssig machen. Verbesserung der Einsatzbereitschaft des Gerätes Überhaupt erscheint die verbesserte Einsatzbereitschaft des in der Bundeswehr bereits vorhandenen Gerätes (die heute bisweilen je nach System nur um die 50 Prozent oder sogar weniger beträgt) als eine wesentliche Vorbedingung, um politisch erhöhte Budgets für Neubeschaffungen politisch akzeptabel zu machen. Hierfür haben das BAAINBw und die Industrie schon vor Jahren einen Konsens darüber erreicht, was zu tun wäre. Allein, es hapert bei der Umsetzung auf der Amtsseite.

Dr. Hans Christoph Atzpodien ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e. V. (BDSV). Foto: BS/BDSV

seite vermeintlich günstiger und für die Lieferantenseite extrem belastender – Vertragsbedingungen die Verhandlungsstärke der Anbieter ausgetestet. Dies führte

Als “Haupthindernis” für notwendige Verbesserungen, so steht es im aktuellen Jahresbericht, erlebten viele Soldaten “di e Überorganisation von allem und jedem”. Als positives Gegenbeispiel nennt Dr. Bartels das Studentenwerk Berlin – eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) –, das mit einer Zuständigkeit für 170.000 Studenten zahlenmäßig nicht sehr weit von den rund 180.000 Soldaten der Bundeswehr entfernt ist, aber mit nur 100 Millionen Euro im Jahr auskommt.

Studenten und Soldaten seien ganz gewiss nicht das Gleiche, “aber etliche Grundfunktionen – Verpflegung, Unterkunft, Kita, Beratung – sind durchaus “vergleichbar”: Standards, Strukturen, Kosten”.

Der Fall “Gorch Fock” stehe exemplarisch für “verschwenderischen Umgang mit den Ressourcen Geld und Zeit” und zeige “paradigmatisch die Diffusion von Verantwortung in einer zersplitterten Zuständigkeitskultur”, so der Wehrbeauftragte im insgesamt 60. Jahresbericht dieser Institution.

Verunsicherung beim

Personal des BAAINBw

Jakob Milles, Vorsitzender des Bezirkspersonalrats beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), zeigte sich in seiner Begrüßungsan-

Regelung aller mitgeltenden Vorschriften Ein geschlossener Beschaffungsvertrag muss alles regeln, was während der Abwicklungsphase gilt, damit es nachfolgend nicht zu un prod uktiven Debatten über das Vertragsverständnis kommt. Die Industrie fordert seit Langem, hier in einer Art “Beipackzettel” alles klar zu regeln, was an Vorschriften für den Auftrag mitgelten soll. Nachfolgende Änderungen der mitgeltenden Vorschriften müssen, wie weltweit im Projektgeschäft üblich, zu einer Verhandlung und Einigung der

Das BAAINBw fordert demgegenüber von der Verteidigungsindustrie, dass alle eventuellen Änderungen in ihren Angeboten eingepreist werden, was de facto unmöglich ist und auch dem geltenden öffentlichen Preisrecht widerspricht. Es ist gerade bei länger laufenden Aufträgen schlicht unmöglich, solche Änderungen zuverlässig zu prognostizieren, zumal dann, wenn vorliegend der Auftraggeber die Vorschriften selbst ändern kann (und hiervon erfahrungsgemäß auch reichlich Gebrauch macht).

Frühes Einbinden der Systemindustrie bei Großsystemen Das maßgebliche Leitdokument für die meisten BundeswehrBeschaffungen ist der sog. CPM (Customer Product Management) 2018. Eines der Probleme ist dabei, dass auch Großprojekte dem sog. CPM-Basisverfahren unterliegen, welches aber für solche Großprojekte nicht gemacht ist. Typischerweise wird die Industrie, die sich um die Realisierung eins Programms bewerben soll, aus vorsorglichen

wettbewerbsrechtlichen Gründen bei der Spezifikation des anzufragenden Gerätes nicht beteiligt. Somit müsste sich die Systemindustrie bei Großprojekten in der späteren Realisierungsphase um etwas bewerben, was andere bereits zuvor bis ins Detail spezifiziert haben, oder sie müsste bereits in der Spezifikationsphase ihr Know-how gegen geringes Entgelt preisgeben und dann zustimmen, dass dieses Knowhow bei der Realisierung von Mitwettbewerbern kostenfrei genutzt wird. Beides macht keinen Sinn und erfordert, dass bei Großprogrammen die Spezifikationsphase (im CPM “Analysephase” genannt) und die Realisierungsphase zu einem einheitlichen Anfrageprozess verbunden werden, damit die Systemindustrie bereits bei der Konfiguration des Geräts ihre Kreativität und ihr Know-how entsprechend einbringen kann. Die Industrie schlägt hierfür seit Langem den Vergabeweg des “wettbewerblichen Dialoges” vor. Hierbei handelt es sich gem. Art. 1 Ziff. 21 der EU-Richtlinie 2009/81/EG um ein Verfahren, “bei dem sich alle Wirtschaftsteilnehmer um die Teilnahme bewerben können und bei dem der Auftraggeber einen Dialog mit den zu diesem Verfahren

Hierdurch jedoch werden gute Ideen der Industrie, wie man die Kosten-Nutzen-Relation solcher Vorhaben verbessern könnte, von der Amtsseite frühzeitig gestoppt, sodass es in der Regel anschließend zu Kostenüberschreitungen bezogen auf die spezifizierte Amtslösung kommt.

Europaweite Ausschreibung mit Augenmaß

Die in deutsches Recht übernommene wehrtechnische EUBeschaffungsrichtlinie gibt es seit 2009 (s. o.). Das Gebot der europaweiten Ausschreibung gilt auf dieser Basis jedoch nur insoweit, als es nicht nach Art. 346 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) nationale Sicherheitsinteressen gefährdet. Deutschland hat den Ausnahmetatbestand für sich in der Vergangenheit immer w eiter eingeengt, während andere europäische Länder ihn extensiv nutzen. Umso mehr ist dem im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Bundesregierung verankerten Programmsatz zu folgen, Art. 346 AEUV nun auch in Deutschland breiter zu nutzen, insbesondere bei nationalen Schlüsseltechnologien. Darüber hinaus sollten auch mögliche Serieneffekte bei der Entwicklung und Beschaffung

“Anpassung der Organisationsform”

Wird das BAAINBW eine Anstalt des öffentlichen Rechts?

(BS/Dr. Gerd Portugall) Der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Dr. Hans­Peter Bartels, sieht in seinem Jahresbericht 2018, der Ende Januar vorgestellt worden ist, durchaus positive Signale: “zusätzliches Geld steht in Aussicht, die Bundeswehr wird größer. Das ist anzuerkennen.”

Aber für den Ist­Zustand gelte nach wie vor: “Die Verwaltung des Mangels bleibt Alltag.” Dies gelte bedauerlicherweise für alle drei Teilstreitkräfte. Er zitiert dabei u. a. einen Marinekommandeur: “Wir bewegen uns ressourcenmäßig am Limit und leben von der Substanz.”

sprache anlässlich des Neujahrsempfangs der Personalvertretungen Ende Januar in Koblenz besorgt über Überlegungen, die Organisationsstruktur des Beschaffungsamtes ändern zu wollen. Ein Diskussionsmodell sei die Umwandlung in eine Anstalt des öffentlichen Rechts.

Außerdem kritisierte Milles die “fehlende Transparenz gegenüber den Personalvertretungen” beim ministeriellen Planungsprozess.

In diesem Zusammenhang verwies er auf den Koalitionsvertrag vom März des vergangenen Jahres. Schließlich stehe darin: “Wir werden bis Ende 2019 untersuchen, in welcher Weise die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr an ihren Standorten in ihrer Organisationsform angepasst werden sollte.” Diese “organisatorische Anpassung” lasse nichts Gutes für die Mitarbeiterschaft des BAAINBw erwarten, so der Bezirkspersonalratsvorsitzende.

Ministerialdirigent Hubert Blahnik, stellvertretender Abteilungsleiter Ausrüstung im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), erwiderte in seinem

Alter Dienstsitz, neue Rechtsform? Das Hauptgebäude des BAAINBw – einst Sitz der preußischen Regierung in der Rheinprovinz. Foto: BS/Portugall

Grußwort, dass noch keineswegs ausgemacht sei, dass das Koblenzer Beschaffungsamt seine Rechtsform hin zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts ändern würde. Dies würde lediglich als eine denkbare Option in der ministeriellen “Task Force BeschO” (Beschaffungsorganisation) diskutiert. Außerdem betonte der leitende Ministerialbeamte, dass die Bediensteten des Beschaffu n gsamtes und der nachgeordneten Behörden sich weder

um ihren Arbeitsplatz sorgen müssten noch ihr Tätigkeitsfeld zur Disposition stehe.

Anstalt des öffentlichen Rechts

Nach Artikel 87 Absatz 3 Satz

1 Grundgesetz (GG) können “für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht”, u. a. “Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz errichtet werden”. AöR si nd öffentlich-rechtliche

Verwaltungseinrichtungen, die einem bestimmten Nutzungszweck dienen und im Unterschied zu Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 2 GG) nicht mitgliedschaftlich organisiert sind. Sie bündeln sachliche Mittel (Gebäude, Einrichtung, Fahrzeuge usw.) sowie Personal (Planstellen für Beamte etc.) in einer Organisationseinheit. Das Rechtsmodell, das für das BAAINBw am ehesten infrage kommt, ist die vollrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts.

Diese hat eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist rechtlich aus der allgemeinen Staatsverwaltung ausgegliedert. Häufig hat sie eine eigenständige Dienstherrenfähigkeit, d. h. sie kann selbst über Beamtendienstposten verfügen.

Stimmen aus der Politik

Dr. Fritz Felgentreu, Obmann der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages, erklärte auf Anfrage des Behörden Spiegel, dass er sich zum Thema “künftige Organisationsform des BAAINBw” nicht äußern wolle, um den Ergebnissen der “Task

Die damals gemeinsam als richtig erkannten Stichworte seien hier noch einmal wiedergegeben (Quelle ist ein gemeinsam verabschiedeter Zwischenbericht aus dem Jahr 2015): (a) Reduzierung der Komplexität von Verantwortlichkeiten, Vorschriften und Verfahren; (b) Ausstattung konkreter Projektteams mit Vergabe- und Budgetverantwortung; (c) vorausschauendes Ersatzteilmanagement; (d) Optimierung des Ersatzteilman agemen ts durch optimale Prognosefähigkeit und Schaffung einer vorausschauenden Instandhaltung (Life-CycleManagement); (e) Bereitstellung von geprüften und zertifizierten Ersatzteilen; (f) Optimierung der Prüfverfahren und bedarfsorientierter Personalumfang für die Prüfdienste (u. a. Rückkehr zu Instandsetzungsverträgen mit mehrjähriger Laufzeit); (g) Performance-orientierte Vergütung/ Verfügbarkeitsverträge; (h) Interoperabilität und IT-Standards sowie Überwindung der Medienbrüche von militärischen Systemdaten zwischen Herstellern, Instandsetzern und Bundeswehr; (i) Verbesserung der Einsatzbereitschaft sowie der Ausbildungsund Übungsmöglichkeiten durch verstärkte Nutzung moderner, leistungsfähiger Simulatoren und Trainingsgeräte.

Force BeschO” nicht vorzugreifen. Anders verhält es sich bei Vertretern der Opposition. Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Haushaltsausschuss und Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, machte deutlich: “Ich bin kein Anhänger einer Privatisierung des BAAINBw. Militärische Beschaffung muss öffentlichrechtlich, d. h. hoheitlich, organisiert bleiben.” Um die Personallücken im Beschaffungswesen zu schließen, sollten die Vorteile des Öffentlichen Dienstes mehr herausgestellt werden. “Um die Bundeswehr im Allgemeinen und das BAAINBw im Besonderen attraktiver zu gestalten”, so der Grünen-Parlamentarier weiter, “sollte man bspw. über ein berufsbegleitendes Master-Studium nachdenken, das bessere Aufstiegsmöglichkeiten böte.”

A lexan der Mü ller (FDP), Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, empfiehlt in seinem jüngsten Thesenpapier, das dieser Zeitung vorliegt, u. a. die Entlastung des BAAINBw von sog. “Klein-Beschaffungen”, die von den jeweiligen Einheiten vor Ort besorgt werden sollten. Außerdem spricht er sich für die Erhöhung der parlamentarischen Vorlagesumme von 25 auf 50 bis 70 Millionen Euro aus. Fasst man alle Einschätzungen zusammen, so erscheint die Umwandlung des BAAINBw in eine AöR doch eher unwahrscheinlich.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 44 Wehrtechnik

Deutschland ist aufgrund seiner zentralen geografischen Lage im Herzen Europas von diesen Entwicklungen unmittelbar betroffen. Mit seinen See- und Flughäfen, militärischen Lagereinrichtungen und Kasernen sowie seiner leistungsfähigen Infrastruktur insgesamt fällt unserem Land für die umfassende Bündnisverteidigung eine strategische Drehscheibenfunktion zu. Der häufig durch Deutschland laufende NATO-Nachschub an Truppen und Material muss schnell an die äußeren Bündnisgrenzen fließen können. Alliierte Kräfte erhalten dabei auch in der Bundesrepublik ressortübergreifend “Host Nation Support”. Im Rahmen des “Framework Nations Concept” (FNC) gibt es für diese an sich in rein nationaler Verantwortung liegende Aufgabe innerhalb der NATO Bestrebungen für einen grenzüberschreitenden, multinationalen Ansatz.

E in solcher “Enhanced Host Nation Support”, im Verbund mit der niederländischen EU-

Verteidigung

Aufbau in Deutschland

Das Joint Support and Enabling Command (JSEC)

(BS/Generalleutnant Martin Schelleis) Das sicherheitspolitische Umfeld in Europa hat in den vergangenen Jahren an Komplexität zugenommen. Landes- und Bündnisverteidigung haben sich vor allem für den europäischen Pfeiler der Atlantischen Allianz (NATO) zu einer Kernaufgabe herauskristallisiert.

Initiativen der NATO (“Enhanced Host Nation Support”) und EU (Projekt “Military Mobility” im Rahmen der “Permanent Structured Cooperation” – PESCO) zeigt überdies, dass die Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten nicht im Widerspruch zum transatlantischen Bündnis steht.

Im Gegenteil, durch den inklusiven Ansatz werden beide Stützpfeiler der Sicherheit und Stabilität in Europa gestärkt.

NATO beschließt JSEC

Generalleutnant Martin Schelleis ist Inspekteur der Streitkräftebasis der Bundeswehr. Foto: BS/Bundeswehr

Initiative zu “Military Mobility” innerhalb der Europäischen Union (EU), erlaubt einen ganzheitlichen Ansatz für die Unterstützung in Europa. Die Abstimmung von

Zur Gewährleistung von Operationsfreiheit und Durchhaltefähigkeit im rückwärtigen Raum sowie zur Unterstützung schneller Transporte von Truppen und Ausrüstung dur ch und aus Europa hat die NATO den Aufbau eines “Joint Support and Enabl i ng Command (JSEC)” besc hl ossen. Deutschland hat dafür die Aufgabe als Rahmennation übernommen und baut das JSEC im Bereich der Streitkräftebasis (SKB) auf.

Das JSEC wird durch Unterstützung von “Freedom of Mo-

Reaktionsschnelle Verlegung und Einsatz von NATO-Truppen – wie hier während der Großübung “Trident Juncture 2018” – sind gefordert.

vement”, “Speed of Assembly” sowie “Security and Support” entscheidend zur Operationsfreiheit des NATO-Oberbefehlshabers im rückwärtigen Gebiet beitragen. Dazu sind bereits im Grundbetrieb Informationen bereitzustellen sowie Verfahren zu entwickeln und entsprechend einzuüben.

Dies erfordert insbesondere in der Aufbauphase umfangreiche Abstimmungen nicht nur mit NATO-Einrichtungen, sondern auch mit der EU und den beteiligten Nationen. Aufgrund der umfassenden Einbindung der

SKB in die internationale Zusammenarbeit, insbesondere in die Aktivitäten im Rahmen des FNC, kann dabei auf umfangreiche, bereits in multinationalen Clustern zusammengefasste Vorleistungen zurückgegriffen werden.

D i e gesetzten Zeitlinien zum Aufbau des JSEC sind ambitioniert. So wird das JSEC in drei Phasen am Standort Ulm aufgebaut und zunächst in das Multinationale Kommando Operative Führung (MN KdoOpFü) – eine bereits existierende Dienststelle der SKB – integriert.

“Überlegenheit ist zwingend”

Foto: BS/Bundeswehr, Marc

Bereits im Juli des vergangenen Jahres hat der Aufbaustab seine Arbeit aufgenommen. Im kommenden Oktober wird die “Initial Operating Capability” hergestellt sein, “Full Operational Capability” ist dann für Oktober 2021 vorgesehen.

SJLSG-Hauptquartier

Neben dem JSEC etabliert die NATO mit dem “Standing Joint Logistics Support Group Headquarters (SJLSG HQ)” ein weiteres wichtiges Unterstützungselement. Das SJLSG HQ trägt zur

Ausblick aus dem Luftwaffentruppenkommando heraus (BS/Dr. Gerd Portugall) Das Luftwaffentruppenkommando in Köln-Wahn hatte Ende Januar zum Neujahresempfang in die Offizierheim-Gesellschaft der Luftwaffenkaserne geladen.

Dessen Kommandierender General (KG), Generalleutnant Helmut Schütz, konnte sich über die Anwesenheit von rund 250 geladenen Gästen freuen. “Ihre Anwesenheit”, so der KG, “ist ein Zeichen der Verbundenheit mit unseren Streitkräften im Allgemeinen, aber insbesondere mit der Luftwaffe hier am Standort Köln-Wahn.”

In seiner Rede ging General Schütz auch ins Grundsätzliche:

Im Juli des vergangenen Jahres hätten sich die Mitglieder der NATO anlässlich ihres Gipfels in Brüssel dazu verpflichtet, “die Kultur der Einsatzbereitschaft wiederzubeleben.” Damit reagiere das Bündnis auf die gravierenden Änderungen in der sicherheitspolitischen Lage.

Russland und andere Akteure hätten ihre militärischen Kräfte nach 1990, d. h. nach dem Ende des Kalten Krieges, “nicht – wie wir – reduziert, sondern umfassend modernisiert”, so der KG des Luftwaffentruppenkommandos.

“Nach jahrelangem Bestreben der NATO, die Beziehungen zu Russland als Partnerschaft auszugestalten, haben die Annexion der Krim, der Konflikt Russlands mit der Ukraine im Donbass und kürzlich die Aktionen in der Straße von Kertsch diese Bemühungen deutlich infrage gestellt.

Russland hat die Bereitschaft gezeigt, eigene Interessen auch gewaltsam durchzusetzen und völkerrechtliche Grenzen einseitig zu verschieben”, zeigte sich General Schütz besorgt.

Eine weitere, aktuelle Herausforderung in der Sicherheitspolitik stelle die Infragestellung des amerikanisch-sowjetischen INFVertrages (“Intermediate Range Nuclear Forces”) von 1987, d. h. “Doppelte Nulllösung” für Mittelstreckensysteme, dar – dessen Außerkraftsetzung zwischenzeitlich von beiden Seiten, d. h. auch von der russischen, erklärt worden ist.

Zusätzliche Risiken bestünden seiner Meinung nach durch “technologische Trends und Neuerungen”, wie zum Beispiel durch Cyber-Krieg, Laser- und Hyperschallwaffen, Tarnkappenfähigkeit (“Stealth”) von Plattformen, Unbemannte Systeme in allen

Dimensionen, aber auch durch Entwicklungen wie die Künstliche Intelligenz (KI).

Aufgaben

“Die Bündnispartner wollen sicherstellen, dass die NATO das volle Spektrum an Fähigkeiten und ausgebildeten, einsatzbereiten K räften besitzt, um die Anforderungen der Allianz zu erfüllen und die äußere Sicherheit gewährleisten zu können”, so der Luftwaffen-General.

“Die technologische Überlegenheit ist für die Luftwaffe zwingend, denn nur dann sind wir in der Lage, die gegnerischen Kräfte am Boden zu halten, in der Luft zu bekämpfen und so den Luftraum für uns nutzbar zu machen.”

“Aus meiner Sicht”, so General Schütz weiter, “muss besonderes Augenmerk auf die künftige Fähigkeit zum Herstellen von Luftüberlegenheit mit ausreichender Anzahl von Waffensystemen und geeigneter, modernster Technik gelegt werden, um sowohl die nötige glaubwürdige Abschreckung als auch die erforderliche Wirkung in möglichen Einsätzen zu erzeugen.”

Auslandseinsätze

In den aktuellen Auslandseinsätzen würden auch Kräfte des Luftwaffentruppenkommandos gebunden: Unverändert unterstütze das Kommando im Rahmen der Operation “Counter Daesh” von Jordanien aus den Kampf gegen die Terrormiliz des sogenannten “Islamischen Staates” (IS). “Dies bindet in erheblichem Maße “Tornado”-Kampfflugzeuge, Tanker und deren Besatzungen und zehrt an unseren knappen Ressourcen”, so General Schütz. Der jahreslange, intensive Einsatz “Resolute Support” in Afghanistan habe – neben der takti-

Generalleutnant Helmut Schütz, bei seiner Neujahrsansprache Foto: BS/Luftwaffe, Ingo Tesche

schen Luftaufklärung mit dem unbe m annt en System “Heron 1” – gravierende Auswirkungen auf den Hubschrauber-Verband: “Das Hubschraubergeschwader 64”, so der KG, “ist seit 1991 durchgängig im Auslandseinsatz.” Die im baden-württembergischen Laupheim beheimatete Einheit ist das einzige Hubschraubergeschwader der Luftwaffe.

Al s Tei l der UNO-Operation MINUSMA leiste die deutsche Luftwaffe an westafrikanischen Standorten in Mali und Niger “durch Lufttransport, Bereitstellung unserer fliegenden medizinischen Intensivstation, Luftaufklärung und das Schutzsystem gegen Raketen, Arti ll erie und Mörserbeschuss ihren Beitrag zur Stabilisierung von Mali”, unterstrich der Luftwaffen-General.

Mit dem Mehrzweck-Kampfflugzeug Eurofighter stelle die Bundeswehr seit 2015 zum dritten Mal im Rahmen der NATO das “Verstärkte Air Policing” im Baltikum für acht Monate – neben der Friedensdauereinsatzaufgabe

“Sicherung des Luftraums” in Deutschland. “Die Kriseneinsätze der letzten Jahre und Jahrzehnte haben die Luftwaffe bereits ausgelastet, sodass in der gesamten Breite, personell und materiell, Nachholbedarf besteht.”

Einsatzfähigkeit

Erkennbar Sorge bereitet dem Befehlshaber der Zustand des in die Jahre gekommenen schweren Transporthubschraubers CH53G von Sikorsky. Eine zeitweilige Ablösung dieses Musters in Afghanistan sei durch das Heer ab 2021 beschlossen und angewiesen, “jedoch ist eine nachhaltige Lösung durch Beschaffung eines neuen Hubschraubers dringend geboten.” Infrage kommen hierfür letztlich wohl nur die CH47F “Chinook” von Boeing oder die CH-53K “King Stallion” von Sikorsky.

Ausdrücklich nahm General Schütz die in die Kritik geratene Flugbereitschaft der Bundeswehr in Schutz. Er wolle “eine Lanze für das unermüdliche Engagement unserer Flugbereitschaft

Schaffung der Voraussetzungen für die reaktionsschnelle Verlegung und den anschließenden Einsatz sowie die logistische Unterstützung von NATO-Truppen bei.

Das SJLSG HQ wird ebenfalls in Ulm eingerichtet werden, die Verlegung Anfang 2021 abgeschlossen sein. Gemäß dem Motto “Übe, wie du kämpfst” ist eine sehr enge Zusammenarbeit von JSEC und SJLSG HQ von zentraler Bedeutung.

Sowohl für den Aufbau des JSEC als auch für die Unterstützung seines zukünftigen Dauerbetriebes ist die SKB besonders prädestiniert. Schon heute verfügt sie über die dafür erforderlichen militärischen Kernkompetenzen. Darüber hi naus ist das Multinationale Kommando Operative Führung ein bei der NATO und der EU anerkanntes und zur Führung streitkräftegemeinsamer Operationen auf strategischer, operativer und hoher taktischer Ebene zertifiziertes Hauptquartier. Auf seine operationelle Kompetenz und die moderne Infrastruktur wird für den Aufbau des JSEC zurückgegriffen. Durch Heranziehung weiterer spezialisierter und zunehmend multinational bereitgestellter Fähigkeiten der SKB wird ein funktionsfähiges JSEC zügig aufgebaut werden können.

Dieser Aufbau genießt in der Bundeswehr Organisationsbereichs-übergreifend eine hohe Priorität. Deutschland und die SKB leisten so einen entscheidenden Beitrag zur Wahrnehmung der Verantwortung im Bündnis.

MELDUNG

Flagge zeigen (BS/por) Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen hat Anfang Februar die drei baltischen NATO-Verbündeten Estland, Lettland und Litauen besucht – zum einen, um politische Gespräche zu führen. Die Ministerin traf in Rukla unter anderem mit Staatspräsidentin Dalia Grybauskaitė und mit ihrem litauischen Amtskollegen Raimundas Karoblis zusammen. Zum anderen besuchte sie dort stationierte deutsche Soldaten. In Litauen führt die Bundesrepublik eine “Battlegroup” der Atlantischen Allianz. Mehr als 500 Soldaten der Bundeswehr gehören zu diesem multinationalen Verband, der Teil der NATOMaßnahme “Enhanced Forward Presence” (EFP) ist.

brechen”. Dort herrsche hohe Professionalität und die Einsatzfähigkeit der Flugbereitschaft sei generell vergleichbar mit einer Fluggesellschaft. Dennoch habe es aus verschiedenen Gründen mehrere Probleme gegeben, räumte der General ein, die aber in der Öffentlichkeit allzu sehr hochgespielt worden seien.

Hintergrund

Das Luftwaffentruppenkommando ist als höhere Kommandobehörde Bestandteil der zweiten Führungsebene der Luftwaffe. Es stellt den Großteil der Luftstreitkräfte für Einsätze der Bundeswehr bereit und führt fast alle Einsatz-, Unterstützungs- und Ausbildungsverbände dieser Teilstreitkraft.

Der Auftrag des LwTrKdo lässt sich in zwei wesentliche Aufgabenfelder fassen: erstens die Führung der unterstellten Dienststellen und Verbände sowie zweitens die Bereitstellung von personell und materiell einsatzbereiten Kräften der Luftwaffe für Einsätze der Bundeswehr.

Die Ministerin kündigte an, dass Deutschland bis 2021 rund 110 Millionen Euro in den Ausbau der dortigen Kaserne und des Übungsgeländes investieren wolle. Die Ressortchefin unterstrich die Bedeutung der EFPBeistandsinitiative: “Wir wissen als Deutsche aus jahrzehntelanger Erfahrung, was es bedeutet, dass Frieden und Freiheit durch das Bündnis garantiert sind.”

Hoher Eurofighter-Klarstand

In Estland galt der Ministerbesuch im Schwerpunkt den Soldaten des Kontingentes bei der Verstärkung “Air Policing Baltikum”. Mit rund 200 Soldaten beteiligt sich die deutsche Luftwaffe an der integrierten NATO-Luftverteidigung für die baltischen Bündnispartner.

Dr. von der Leyen stellte die Wichtigkeit der Aufgabe heraus: Seit August seien 30 Alarmierungen gestartet worden. Sie bedankte sich ausdrücklich bei den Soldaten in Ämari. Es sei “außergewöhnlich, was unsere Truppe hier immer wiederkehrend mit den Eurofightern leistet”. Zudem hob sie den hohen Klarstand der Kampfjets von über 95 Prozent hervor.

Seite 45 Behörden Spiegel / Februar 2019
Dorow Der Kommandierende General des Luftwaffentruppenkommandos,

Innerhalb der NATO scheinen die Bedenken geringer auszufallen als innerhalb der Union. So wird im Hauptquartier der Atlantischen Allianz in Brüssel sogar mit einem gesteigerten Engagement der Briten gerechnet, um die militärische Schwächung der EU wenigstens ansatzweise auszugl eichen. In jedem Fall werde die Bedeutung der NATO durch den Brexit zunehmen, so Dr. Fritz Felgentreu, Obmann der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss des Bundestages, gegenüber dem Behörden Spiegel. Seit ihrer Gründung gilt innerhalb der NATO die “special relationship” zwischen Großbritannien und den USA als ein wesentlicher Grundpfeiler der Allianz. Der Brexit erzeuge jedoch eine noch größere Abhängigkeit des Vereinigten Königreichs von den Vereinigten Staaten, so der SPD-Verteidigungsexperte. Dessen ungeachtet denkt man in London laut über mehr milit ärische Präsenz in Übersee nach. So ist beispielsweise von einem eigenen Stützpunkt in Südostasien, eventuell in Singapur, die Rede.

Durchwachsene Bilanz

Bei militärischen Vorhaben der EU hat Großbritannien in der Vergangenheit häufig auf der “Bremse” gestanden. Die verschiedenen Regierungen in London warnten dabei stets vor Doppelstrukturen im Vergleich zur NATO. Dies hat sich zum Beispiel im Zusammenhang mit dem europäischen Hauptquartier für Auslandseinsätze gezeigt, das im Frühjahr 2017 in Brüssel eingerichtet worden ist: Es durfte nämlich nicht “Hauptquartier” heißen. Offiziell trägt diese Einrichtung die Bezeichnung

“Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit” (engl. abgekürzt MPCC). Die Briten witterten eine Art “Konkurrenzveranstaltung” zur NATO und legten sich deshalb quer. General Charles d e Gaulle wusste, warum er sich während seiner Amtszeit als französischer Präsident der Fünften Republik mit aller

Zwischen 1981 und 1992

waren insgesamt 357 Mehrzweck-Kampfflugzeuge vom Typ “Tornado” – ein britisch-deutschitalienisches Gemeinschaftsprodukt – an die Bundeswehr ausgeliefert worden. Mittlerweile verfügen die Luftstreitkräfte gerade noch über 85 Exemplare. Wie aus dem Kommando Luftwaffe zu vernehmen ist, sollen die Ersatzteilvorräte zur Neige gehen, d. h. die Zeit drängt. Die ursprünglich geplante Nutzung bis 2035 erscheint unrealistisch.

Bisher sind drei Typen als mögliche Nachfolger für den deutschen “Tornado” im Gespräch gewesen: eine modernisierte Version des Eurofighters “Typhoon” (Erstflug der ersten Tranche 1994), die F/A-18E/F “Super Hornet” (Erstflug 1995) von Boeing und die F-35A “Lightning II” (Erstflug 2006) von Lockheed Martin. Die “Typhoon” wird vom europäischen Rüstungskonsortium Eurofighter Jagdflugzeug GmbH gebaut. Das Konsortium setzt sich zusammen aus der deutschen Airbus Defence and Space GmbH (mit einem Anteil von 33 Prozent), der spanischen

Airbus Defence and Space S.A. (13 Prozent), der britischen BAE Systems (ebenfalls 33 Prozent) und der italienischen Leonardo S.p.A. (21 Prozent).

Nur eine Generationenfrage?

Während der “Tornado” zur

4. Technikgeneration strahlgetriebener Kampfflugzeuge gezählt wird, fallen “Typhoon” und “Super Hornet” in die moderne Kategorie “4 +”; die “Lightning II” gehört zur hochmodernen 5.

Brexit und die militärischen Folgen Auswirkungen auf die europäische

Sicherheit

(Dr. Gerd Portugall) Der Brexit-Zeitpunkt rückt scheinbar unaufhaltsam näher. Welche sicherheits- und rüstungspolitischen Auswirkungen wird das wahrscheinliche Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) haben? Wird das Vereinigte Königreich bei der Verteidigung stärker auf die Vereinigten Staaten setzen? Ist dann – im übertragenen Sinne – der Ärmelkanal wieder breiter als der Nordatlantik?

im Verteidigungsausschuss, ist der europäische Kampfflugzeug-Markt ohnehin “so eng, dass ein komplexes und teures Entwicklungsvorhaben nur Sinn macht, wenn möglichst alle Akteure sich zusammentun.”

ein kryptierter Bestandteil den Regierungen und Streitkräften der EU vorbehalten bleiben.

Deshalb plane das Vereinigte Königreich ein eigenes Satelliten-gestütztes Navigationssystem, eventuell in Zusammenarbeit mit Japan oder Australien, dessen Kosten auf mindestens drei bis fünf Milliarden Pfund geschätzt würden.

Wo soll sicherheitspolitisch die Reise der Briten hingehen? Hier ein schwerer Transporthubschrauber des US-Herstellers Boeing vom Typ CH-47F “Chinook” im Dienst der Royal Air Force Foto:

Macht gegen einen EWG-Beitritt Großbritanniens gestemmt hatte. Jetzt sähe er sich bestätigt in seinen Vorbehalten.

Umgekehrt wird die “European Union Naval Force (EU NAVFOR) – Somalia”/Operation “Atalanta” künftig nicht mehr, wie bisher, vom “Operational Headquarters” in Northwood nördlich von London geführt werden können. Dort ist nämlich, neben britischen und NATO-Einrichtungen, das Multinationale Kommando der Europäischen Union für Militäroperationen untergebracht.

Aktuell ist dieses Multinationale Hauptquartier – noch – mit EU-Personal besetzt, das der Schifffahrt als Ansprechpartner bei der Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika und im Golf von Aden dient. “Operation Commander” ist bis jetzt jeweils ein britischer Konteradmiral oder Generalmajor gewesen.

Umgekehrt wird der Vertreter Großbritanniens den Militärausschuss der EU (engl. EUMC) räumen müssen. Der EUMC besteht aus den Generalstabschefs der EU-Mitgliedsländer, vertreten durch ihre militärischen Repräsentanten, die zumeist in Personalunion bei der EU und der NATO ihr Land vertreten. Der Ausschuss ist ein Beratungsorgan der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogheri ni , sowie des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees (PSK) Im PSK treffen sich einmal im Monat hochrangige Beamte der Außenministerien oder der Ständigen Vertretungen der Mitgliedsstaaten in Brüssel.

“Sturm” über dem Rüstungsmarkt?

Einen Vorgeschmack auf das, was der europäischen Rüstungs-

politik nach einem vollzogenen Brexit blüht, bekam die Union im vergangenen Juli bei der Luftfahrtmesse in Farnborough süd westlich der britischen Haupt stadt: Zur allgemeinen Über raschung st ellte der briti sche Verteidigungsminister Gavin Williamson das FlugzeugProgramm “Tempest” (Sturm) vor, mit dem das Vereinigte Königreich ein eigenes Kampfflugzeug der 6. Generation als Nachfolger für den Eurofighter “Typhoon” realisieren möchte. Dr. Felgentreu sieht in dem britischen Vorhaben eine “nachdrückliche Bitte um Einladung” zum europäischen FCAS-Vorhaben (Future Combat Air System), das die deutschen Eurofighter und die französischen “Rafale” ersetzen soll. Für Dr. Tobias Lindner (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied im Haushaltsausschuss und Obmann seiner Fraktion

Die “Tornado”-Nachfolge

Bundeswehr-Beschaffung zwischen Politik und Industrie

Die Regierung in London plant gleichwohl nach eigenem Bekunden bis 2025 eine Anschubfinanzierung von zwei Milliarden Pfund für ihr ambitioniertes Flugzeug-Programm ein, ohne allerdings eine Schätzung der Gesamtkosten zu nennen. Ab etwa 2035 würden die ersten Maschinen ausgeliefert. Nach Angaben der Royal Air Force soll die “Tempest” nicht die Beschaffung von 138 F-35 “Lightning II” tangieren, die vom US-Hersteller Lockheed Martin, dem größten Rüstungskonzern der Welt, in Partnerschaft mit BAE Systems produziert werden. Die “Tempest” soll von einem Konsortium entwickelt und gebaut werden, das aus den britischen Unternehmen BAE Systems (als Hauptauftragnehmer) und Rolls-Royce (für die Triebwerke), dem italienischen Luftfahrtkonzern Leonardo sowie dem europäischen Raketenbauer MBDA besteht. BAE Systems ist mit einem Jahresumsatz von umgerechnet rund 22 Milliarden Euro der größte Rüstungskonzern Europas.

Fazit

Nach Sophia Besch , Wissenschaftlerin am Londoner Centre for European Reform, ist das “Galileo”-Projekt symptomatisch für die Brexit-Problematik: Bei diesem Zehn-Milliarden-Euro-Vorhaben eines eigenen europäischen Satellitensystems für weltweite Navigation – um sich unabhängig vom amerikanischen GPS zu machen – solle

In jedem Fall dürfte der Brexit sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Europäische Union im wahrsten Sinne des Wortes “teuer” zu stehen kommen. Dr. Reinhard Brandl (CSU), Mitglied im Haushalts- und im Verteidigungsausschuss des Bundestages, erklärte in diesem Zusammenhang gegenüber dem Behörden Spiegel: “Wir sind weiter an enger sicherheitspolitischer Partnerschaft mit Großbritannien interessiert. Wie die Zusammenarbeit dann im Einzelnen aussehen wird, zum Beispiel bei europäischen Rüstungsprojekten oder bei EU-Militärmissionen, muss noch verhandelt werden.”

Dass das Vereinigte Königreich auch nach einem wie auch immer gearteten EU-Austritt eng mit den traditionellen europäischen Partnerstaaten verbunden bliebe, davon zeigt sich Alexander Müller (FDP), Obmann seiner Fraktion im Verteidigungsausschuss, überzeugt.

Im Gespräch sind verschiedene Kooperationsmodelle: Da ist von “Beobachterstatus” in den einschlägigen EU-Gremien die Rede. Weiter gehend ist die Vorstellung von einer “privilegierten Sicherheitspartnerschaft”, wie es sie zum Beispiel mit Norwegen und der Türkei gibt, die beide Mitglied der NATO, nicht aber der EU sind. Auch EU-Beitrittskandidaten wie Albanien und Montenegro, die bereits der Atlantischen Allianz angehören, dürften den Brexit-Prozess genau studieren. Eins fällt bei der Beobachtung der Trennungsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU ohnehin auf: Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik spielt dabei allem Anschein nach nur eine untergeordnete Rolle.

(BS/por) Der militärische Beschaffungsprozess ist bekanntermaßen teuer und komplex (mehr zu diesem Thema auf Seite 44 dieser Ausgabe).

Letztlich spielen aber neben technisch-industriellen Aspekten immer wieder auch politisch-strategische Implikationen eine wichtige Rolle. Am Beispiel der geplanten “Tornado”-Nachfolge lässt sich dies exemplarisch durchdeklinieren.

Generation. Nun wird berichtet, dass die F-35 hierzulande nicht mehr “im Rennen” sein soll. Angeblich hätte Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen diese Vorentscheidung getroffen. Der wahrscheinliche

Grund: Es gibt noch einen – unsichtbaren, weil noch nicht existierenden – Player: das geplante europäische “Future Combat Air System” (FCAS) der zukünftigen 6. Generation.

Der “Startschuss” für das FCAS-Projekt fiel im Juli 2017 bei einem Treffen des deutschfranzösischen Ministerrats in Paris. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron gaben die Absicht bekannt, gemeinsam einen Kampfjet der 6. Generation entwickeln zu wollen.

Während der ILA Berlin Air Show im vergangenen Jahr verkündeten dann die Unternehmen Dassault Aviation und Airbus Defence and Space eine Übereinkunft zur Zusammenarbeit bei diesem anspruchsvollen Projekt.

FCAS, so Dr. Reinhard Brandl (CSU), Mitglied im Haushaltsund Verteidigungsausschuss im Bundestag, “ist ein deutschfranzösisches Zukunftsprojekt und ein Schlüsselthema für die militärische Luftfahrt in Europa. Dessen Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.”

Um seine Nachfolge geht es: das in die Jahre

Aus dem politischen Raum in Berlin ist zu vernehmen, dass die Franzosen angeblich den Deutschen dringend von der F-35 abgeraten hätten, weil sie befürchteten, dass die deutsche Seite – sollte sie erst einmal über die “Lightning II” verfügen – das FCAS-Projekt auf die “lange Bank schieben” oder sogar das Interesse ganz verlieren könnte. Mit anderen Worten: 5. und 6. Generation lägen zu dicht beieinander. Der bisherige Luftwaffeninspekteur, Generalleutnant a. D. Karl Müllner, hatten sich ebenso für die F-35 ausgesprochen wie die FDP-Fraktion im Bundestag. Die Trump-Administration wird

kaum begeistert sein von dieser deutschen Vorentscheidung.

Bei den verbleibenden zwei Mustern (Boeing F/A-18E/F und Eurofighter “Typhoon”) antichambriert die Regierung in Paris aktiv zugunsten des Eurofighters – zum einen wegen der starken Airbus-Beteiligung, zum anderen, um die US-Luftfahrtindustrie auf Abstand zu halten . Wie Alexander Müller, Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Verteidigungsausschuss, dem Behörden Spiegel erläuterte, besäße die “Super Hornet” zwei Vorteile: Erstens verfüge die F/A-18E/F mit dem “Shared Reconnaissance Pod”

(SHARP) über eine eigene Luftaufklärungsfähigkeit und zweitens gebe es mit der EA-18G “Growler” eine Version für die elektronische Kampfführung (EloKa). Beides könne der aktuelle Eurofighter der Bundeswehr nicht. Es gibt aber in diesem Zusammenhang noch ein besonders sensibles

Problem: die nukleare Teilhabe.

Sonderfall nukleare Teilhabe

Ein Taktisches Luftwaffengeschwader der Bundeswehr, das mit dem “Tornado” ausgerüstet ist, kann im Rahmen eines “Zw ei -Schlüssel-Abkommens” der nuklearen Teilhabe der NATO mit taktischen Atombomben der

USA bewaffnet werden. Wie aus dem politischen Raum in der Hauptstadt dazu zu hören war, soll es große technische – und damit auch finanzielle – Probleme geben, den Eurofighter zu einem Atomwaffenträger umzubauen. Erschwerend kommt die Frage der Zertifizierung der Nuklearbewaffnung hinzu. In den USA gelte das Motto: “Wir hängen unsere Atombomben nur an Jets, die wir genau kennen.”

Innenpolitisch erschwerend kommt hinzu, dass das Thema “nukleare Teilhabe der Bundeswehr” ausgesprochen unpopulär ist. Selbst die SPD-Parteiführung i n Berlin soll große “Bauchschmerzen” bei dieser Frage haben.

Fazit

Die meisten politischen Beobachter und Akteure sind sich einig, dass die “Tornado”-Nachfolge letztlich auf eine Mischausrüstung hinausläuft, das heißt baldmöglich werden “Super Hornets” von Boeing “von der Stange” beschafft, während die modernste Version des Eurofighters im Bestand der Bundeswehr länger als ursprünglich geplant geflogen wird. Zu einem späteren Zeitpunkt können dann die modernisierten “Typhoon” mit einem erweiterten Aufgabenspektrum genutzt werden.

Zwei verschiedene Flugzeugtypen haben darüber hinaus den großen Vorteil der Redundanz: Würde ein Muster wegen plötzlich auftretender, massiver technischer Probleme komplett am Boden bleiben müssen, so wäre der andere Typ immer noch einsatzbereit.

Behörden Spiegel / Februar 2019 Seite 46 Verteidigung
BS/Portugall gekommene Mehrzweckkampflugzeug “Tornado” der Bundeswehr. Foto: BS/Portugall

Aktuell befehligt Oberstleutnant Alexandra

Schütz-Knospe einen Offizier –Hauptmann Wolfgang Dietrich als Stellvertreter und S3-Offizier –, 53 Unteroffiziere, vier Mannschaftssoldaten und eine Zivilangestellte. Alle Soldaten sind ausgebildete Musiker und erfüllen gleichzeitig noch eine militärische Doppel- bzw. Nebenfunktion: Materialnachweis, Rechnungsführung, Öffentlichkeitsarbeit etc.

Die musikalische Bandbreite des Koblenzer Musikkorps erstreckt sich von Musicals über Swing und Pop bis zu Medleys aus den 1980er-Jahren – “und natürlich

Märsche”, so Schütz-Knospe. Ihre persönlichen Schwerpunkte sind Klassik und Filmmusik. Generell gilt: “Das jeweilige Musikprogramm muss gerne gespielt und gerne gehört werden.” Weiterentwicklungen und Steigerungen bei allen Musikern sollten stets ermöglicht werden.

Durch die musikalische Bandbreite sei die Arbeit “ausgesprochen abwechslungsreich”, so die Leiterin. Gerade wegen der zahlreichen, wechselnden Herausforderungen ist sie nach eigenem Bekunden zur Bundeswehr gegangen. “Das Schlimmste bei der Musik ist Routine. Hier gibt es keine Routine.” Ihre Devise lautet – klassisch militärisch –:

“Leben in der Lage.” Die “absolute Priorität” dabei – wieder klassisch –: “Den militärischen:

Auftrag erfüllen.”

Mit Stolz trägt sie ihr Barett in der bordeauxroten Farbe der Fallschirmjäger. Die Farbe richtet sich nach dem letzten Unterstellungsverhältnis vor der Übergabe 2014 an die Streitkräftebasis, und das war die Division Spezielle Operationen.

Besonderheiten

Sie ist gleichzeitig Fach- und Disziplinarvorgesetzte. Diese Konstruktion gibt es hierzulande nur in der Bundeswehr und ist damit einmalig im deutschen Öffentlichen Dienst. Sonst sind beide Funktionen immer getrennt, zum Beispiel bei einem ansonsten vergleichbaren Polizei-Orchester.

Eine weitere Besonderheit unterscheidet das Heeresmusikkorps von anderen Einheiten:

“Wir machen alles zusammen: gemeinsame Proben, gemeinsame Konzertreisen, gemeinsame Urlaubszeiten”, betonte die Leiterin.

Wichtig als Chef einer Musikeinheit sei es, dafür zu sorgen, dass die Soldaten Zeit für ihre Familien hätten. “Musiker mit Problemen zuhause können keine richtig gute Musik machen.”

Das Heeresmusikkorps in der Rhein-Mosel-Stadt ist dabei auch oft für karitative Zwecke aktiv. Es gibt zum Beispiel Benefizkonzerte für den Erhalt der Koblenzer Florinskirche, eines frühmittelalterlichen Sakralgebäudes in der Altstadt. Eigene Musik-CDs werden vertrieben zur Unterstützung der “Elterninitiative krebskranker Kinder Koblenz e. V.”

Regionale Zuständigkeit

Ihr örtlicher Schwerpunkt “ist regional, nicht international”. Ihre Einheit sei zuständig für die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland. Die jährlich ca. sechs Musikeinsätze im Ausland seien mit Musikshows und Paraden oft sehr fordernd, aber auch interessant.

Sichtlich stolz verweist sie darauf, dass das Heeresmusikkorps zuletzt zwei Jahre hintereinander in der ausverkauften Rhein-MoselHalle aufgetreten sei. Die Koblenzer lieben “ihr” Heeresmusikkorps so sehr, dass es in der Stadthalle schon mit großem Beifall begrüßt wird, ohne dass bereits auch nur ein Ton erklungen ist.

Erhöhter Personalbedarf

Die Personalfrage in der Bundeswehr macht auch nicht halt

Die letzte Seite

Sie gibt den Takt vor

Die erste Musikkorps-Leiterin der Bundeswehr (BS/Dr. Gerd Portugall) Seit 2014 leitet Oberstleutnant Alexandra Schütz-Knospe das Heeresmusikkorps Koblenz. Sie ist die erste und bisher einzige Leiterin im Militärmusikdienst der Bundeswehr. Der Behörden Spiegel hat sie am Standort in der Gneisenau-Kaserne besucht, um mit ihr über die Erfahrungen in diesem Beruf zu sprechen.

terrichtete sie auch im Rahmen der musikfachlichen Ausbildung die Feldwebelanwärter, welche dann nach vierjährigem Studium in eine der vierzehn Musikeinheiten des Militärmusikdienstes versetzt werden. Anschließend wurde sie als Zweiter Musikoffizier im Musikkorps der Bundeswehr in Siegburg eingesetzt und leitete dort das Kammerorchester.

Im O ktober 2006 übernahm Schütz-Knospe den Posten der stellvertretenden Leiterin des Ausbildungsmusikkorps in Hilden. Sie wohnt noch heute in der nordrhein-westfälischen Stadt. Ihre zwei Töchter sind als “Schlüsselkinder” groß geworden, wie Oberstleutnant Sc hüt z -Knospe dereinst auch. Als Ostdeutsche war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für sie “nie ein Thema” gewesen. Ab Januar 2010 war sie Leiterin des Wehrbereichsmusikkorps I in Neubrandenburg. Damit war sie die erste und bisher einzige Leiterin im Militärmusikdienst der Bundeswehr. Doch nicht nur das: Für beispielhafte Erfüllung der Soldatenpflichten wurde ihr im Jahr 2011 das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber verliehen. Seit Ende Juni 2014 leitet Oberstleutnant Alexandra Schütz-Knospe nun das Heeresmusikkorps Koblenz.

Ganz in ihrem Element: Oberstleutnant Alexandra Schütz-Knospe bei einer Orchesterprobe am Dirigentenpult

Auch das gehört zu den Aufgaben einer Musikkorpsleiterin: viel Büroarbeit Foto: BS/Portugall

vor dem Militärmusikdienst. “Wir suchen musikalischen Nachwuchs in allen Bereichen”, so die Leiterin, “besonders Holzbläser (Klarinette, Oboe und Fagott), aber auch Tubisten und Hornisten.”

Musiker ab 16 Jahren können in ihrem Musikkorps entsprechende Praktika absolvieren. Im Rahmen des Freiwilligendienstes kann man im Alter ab 18, nach einem bestandenen Vorspiel, für neun bis einundzwanzig Monate zu einem Musikkorps gehen. Bewerbungen werden ab 17 Jahren in den Karriereberatungsbüros der Bundewehr angenommen. Für berufliche Seiteneinsteiger gibt es keine Altersgrenze mehr. Für Oberstleutnant Schütz-Knospe liegt allerdings die ideale

Höchstgrenze bei Mitte 30, dann müsse aber das Musikstudium möglichst abgeschlossen sein. In ihrem Verantwortungsbereich gibt es auch drei Reservistenmusikzüge:

“Das Schlimmste bei der Musik ist Routine. Hier gibt es keine Routine.”

Idar-O berstein, Trier (der älteste) und Saarland. Diese sind truppendienstlich bei den Landeskommandos aufgehängt, musikfachlich unterstützt ihre Einheit die Reservedienstleistenden bei der Ausbildung und durch Beratung.

Als Soldatin zur Bundeswehr

Im Jahr 1997 hatte sie ihren Mann zum Kreiswehrersatzamt

Das Heeresmusikkorps Koblenz

(BS/por) Die Geschichte des Heeresmusikkorps Koblenz begann 1956 im rheinlandpfälzischen Idar-Oberstein: Anfang Juli erging der Aufstellungsbefehl für ein zweites Musikkorps im Wehrbereich IV in der Landeshauptstadt Mainz. Im Jahr darauf wurde dieses zweite Musikkorps der 5. Panzerdivision unterstellt, erhielt die Bezeichnung “Heeresmusikkorps 5” und wurde an den Standort Koblenz verlegt. Zuvor war der Divisionsstab von Grafenwöhr nach Wetzlar und Koblenz gewechselt.

Immer öfter wurde das Heeresmusikkorps aus der Rhein-Mosel-Stadt auch für Einsätze im Rahmen des protokollarischen Ehrendienstes eingesetzt und war schon bald, neben dem Heeresmusikkorps 7 aus Düsseldorf, als Stellvertreter des Stabsmusikkorps der Bundeswehr, ein gern gesehenes Repräsentationsorchester bei Staatsempfängen in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn. Mit Aufstellung des “Heeresmusikkorps 5 (neu)” im mittelhessischen Gießen im Jahre

begleitet, weil dieser sich über die Bundeswehr als potenziellen Arbeitgeber informieren wollte. Dabei fragte sie den anwesenden Stabsfeldwebel, welche beruflichen Möglichkeiten es denn für Frauen bei den Streitkräften gebe. Seine Antwort: “Nur beim Sanitätsdienst und (erst seit 1990, d. Red.) bei der Militärmusik.” Darauf sie: “Ich bin ja ausgebildete Pianistin.” “Klavier? D a war doch was.” Der Unteroffizier kramte aus der untersten Schublade ein bereits leicht vergilbtes Formular hervor: “Laufbahn Militärmusikoffizier”. Gesagt, getan. Nächster Termin beim Stabsmusikkorps Berlin in der Julius-Leber-Kaserne. Dort begegnete ihr die skeptische Frage: “Frauen am Dirigentenpult?” Diese Frage war nicht spezifisch militärisch, denn auch in der zivilen Welt gibt es nur wenige Dirigentinnen.

Trotz aller geäußerten Vorbehalte hat sie ihre Bewerbung losgeschickt – und ist genommen worden: Im Juli 1998 trat Alexandra Schütz-Knospe in die Bundeswehr ein.

Die ersten Stationen für sie lauteten: Grundausbildung beim damaligen Sanitätsregiment 5 in Rennerod (Westerwald)

1985 wurde ein lang gehegter Wunsch des Stabes des III. Korps in Koblenz Wirklichkeit. Das “Heeresmusikkorps 5 (alt)” wurde dem III. Korps unterstellt und bekam einen neuen Namen: “Heeresmusikkorps 300”, nun eindeutig durch die Zahl “300” als eine Einheit innerhalb der Truppen des III. Korps beziffert. Mit der Auflösung des III. Korps im März 1994 wurde auch für das “Heeresmusikkorps 300” ein Unterstellungswechsel befohlen: Ab April unterstand das Orchester für den Einsatz dem Kommandeur der Truppen Oberste Bundeswehrführung/Heeresführungstruppen in Koblenz. Der truppendienstliche Vorgesetzte war der Kommandeur der Führungsunterstützungsbrigade 900 in Rheinbach.

Seit Einführung der neuen Bundeswehrstruktur im Jahre 2002 änderte sich erneut das Unterstellungsverhältnis: Das Heeresmusikkorps 300 unterstand ab April truppendienstlich und für den Einsatz dem neu geschaffenen Heerestruppenkommando in Koblenz.

und weitere Ausbildung an der Sanitätsakademie in München.

Schließlich hat jeder Musiker der Bundeswehr neben seiner musikalischen auch eine seiner Laufbahn entsprechende Sanitätsausbildung für den Verteidigungsfall.

Wegbereiterin im Militärmusikdienst

“Als Ostdeutsche, als Frau und als Mutter” im Militärmusikdienst der Bundeswehr sah sie sich schon als Sonderfall beziehungsweise als “Wegbereiterin”. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass sich die berufliche Lage für Frauen verbessert habe, seit Deutschland von einer Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel regiert werde. Alexandra Schütz-Knospe begann im Jahr darauf das Studium zum Kapellmeister für Militärmusik bei Prof. Lutz Herbig an der zivilen Robert Schumann Hochschule für Musik in Düsseldorf. Musikoffiziere machen in sechs Jahren den Master. Ihren Abschluss machte sie 2003 in Langenfeld (Kreis Mettmann) mit dem Blasorchester des Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr aus Hilden. Hier un-

“Wir suchen musikalischen Nachwuchs in allen Bereichen.”

Persönlicher Werdegang von Anfang an Alexandra Schütz-Knospe wurde 1974 in Ost-Berlin geboren – im Volkspolizei-Krankenhaus, das übrigens heute das Bundeswehrkrankenhaus beherbergt. Im Alter von vier Jahren begann sie ihre musikalische Ausbildung auf dem Klavier. An der Musikhochschule Berlin-Friedrichshain war sie an Rundfunk- und Schal l pl attenaufnahmen des Kinderchores beteiligt. Außerdem wirkte sie bis zum zwölften Lebensjahr als Darste llerin in der Komparserie der “Deutschen Staatsoper Berlin Unter den Linden” mit. Ab zwölf, das heißt 1986, erhielt Schütz-Knospe ihre Klavierausbildung an der Spezialschule für Musik “Franz Liszt” in Weimar. Musikalisch Hochbegabte wurden in der DDR ähnlich gefördert wie Spitzensportler –als Aushängeschilder für das Regime.

Eine ganze Musikerfamilie Schon ihr Vater war Musiker. Er spielte als Geiger an der Deutschen Staatsoper Berlin – heute Staatsoper Unter den Linden –, wo seine Tochter als Komparsin mitwirkte.

Blickt auf eine mehr als 60-jährige Geschichte zurück: das Heeresmusikkorps Koblenz (hier am Deutschen Eck; Bildmitte: Oberstleutnant Alexandra Schütz-Knospe). Foto: BS/Heeresmusikkorps Koblenz

Ab Oktober 2007 unterstand das Koblenzer Musikkorps truppendienstlich der Division Spezielle Operationen (DSO), einem Luftlande-Großverband, in Regensburg, ab 2010 in Stadtallendorf (Hessen). Im September 2013 wurde das “Heeresmusikkorps 300” dem Zentrum Militärmusik in Bonn unterstellt und in “Heeresmusikkorps Koblenz” umbenannt. An dessen Spitze steht seit Juli 2014 Oberstleutnant Alexandra Schütz-Knospe.

Seinen Töchtern gab er mit auf den Lebensweg: “Wenn ihr begabt seid und etwas von der Welt sehen wollt, dann werdet Musikerinnen.” Beide scheinen die musikalische Begabung geerbt zu haben. Ihre Schwester spielt heute als Solo-Harfenistin an der Komischen Oper Berlin in der Behrenstraße im Bezirk Mitte. Mit dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 hatte sich die Frage der Reisefreiheit erübrigt.1991 begann sie dann auch ihr Studium an der Hochschule für Musik “Hanns Eisler” in Berlin und schloss dieses 1998 mit zwei Abschlüssen ab: als Diplompianistin und – nach der Ausbildung zur Musiklehrerin – als Diplompädagogin im Fach “Klavier”. Prüfungsbestandteil war das zweite Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven. Dessen Kadenz, das heißt die gliedernde Akkordfolge, hatte sie dazu selbst geschrieben – “weil der frühe und der späte Beethoven einfach nicht zusammenpassen.” Eine der beiden Diplomarbeiten schrieb sie über den eigenen Musiklehrer, der auch Komponist war.

Seite 47 Behörden Spiegel / Februar 2019
Foto: BS/Heeresmusikkorps Koblenz

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