Behörden Spiegel Juli 2017

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Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

Nr. VII / 33. Jg / 27. Woche

G 1805

Berlin und Bonn / Juli 2017

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Kommunen und KMUs digitalisieren

Agenda Rüstung

Die Spreu vom Weizen trennen

Wolfgang Tiefensee über die Regionalentwicklung

Generalleutnant Benedikt Zimmer zur Umsetzung

Dirk Taron hält Spielhallenbetreiber

in Thüringen ........................................... Seite 15

der strategischen Ziele .......................... Seite 45

an der kurzen Leine .............................. Seite 48

Mieter gefunden? (BS/mfe) In die ehemalige Berliner Liegenschaft des Bundesinnenministeriums (BMI) an der Adresse Alt-Moabit 101d könnten bald wieder Beamte und Tarifbeschäftigte einziehen. Die Bundestagsverwaltung führt derzeit über eine Anmietung von Teilflächen Gespräche. Einziehen würden insbesondere Mitarbeiter der für die Bearbeitung von Petitionen und Eingaben zuständigen Unterabteilung. Hintergrund der Verhandlungen ist der Umstand, dass der Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses nicht rechtzeitig zum anstehenden Mandatswechsel fertig wird. Deshalb muss die Bundestagsverwaltung die bisher genutzten Gebäude an der Schadowstraße 12 und 13 zeitnah freiziehen und für eine Nutzung durch Abgeordnete vorbereiten.

Verklagt (BS/jf) Im Streit um die die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist die EUKommission wie erwartet den letzten Schritt gegangen. In dem 2015 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren ist die Bundesrepublik Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt worden. Die EU-Kommission sieht durch die in der HOAI festgelegten Mindestsätze für einzelne Ingenieur- und Architektenleistungen die Niederlassungsfreiheit behindert. Demgegenüber argumentiert die Bundesregierung, durch die Mindestsätze sei die Planungsqualität gewährleistet. Kammern und Verbände, darunter die Bundesarchitektenkammer (BAK), unterstützen die Bundesregierung. “Wir bleiben bei unserer Linie”, sagte BAK-Präsidentin Barbara Ettinger-Brinckmann. Sie gehe davon aus, dass die HOAI auch vor dem EuGH bestehe.

Neuer Höchststand (BS/mfe) In Deutschland gibt es so viele gewaltbereite Rechtsextremisten wie noch nie. Laut des neuesten Verfassungsschutzberichts des Bundes zählen 12.100 Anhänger zu diesem Milieu. Das sind mehr als die Hälfte aller als rechtsextrem eingestuften Personen. Dementsprechend nahm im abgelaufenen Kalenderjahr auch die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten weiter zu. Waren 2015 noch 1.408 derartige Delikte aktenkundig geworden, waren es 2016 bereits 1.600. Nicht viel besser sieht es im Bereich des Linksextremismus aus. Zwar war die Zahl der Strafund Gewalttaten, die von Mitgliedern der Szene verübt wurden, im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Gleichzeitig nahm das entsprechende Personenpotenzial allerdings um sieben Prozent auf 28.500 Anhänger zu.

Noch längst kein Gleichgewicht Privatwirtschaft, Öffentlicher Dienst und Verbände können besser werden (BS/Jörn Fieseler) “Die Quote wirkt”, stellen Bundesfrauenministerin Dr. Katarina Barley und ihr Partei- und Amtskollege, Justizminister Heiko Maas, anlässlich der Bilanz des Gesetzes zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst fest. Es ist jedoch nur ein weiterer Schritt zu mehr Gleichberechtigung. Die paritätische Besetzung ist noch längst nicht erreicht, wie auch ein Blick in die 23 obersten Bundesbehörden zeigt. Und bei den Gewerkschaften gibt es ebenfalls Verbesserungspotenzial. Die vorgeschriebene Größenordnung von Frauen in Aufsichtsräten von 30 Prozent ist zwei Jahre nach Einführung des Gesetzes fast erreicht. In den 104 börsennotierten und voll paritätisch bestimmten Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, ist die Frauenquote um 6,3 Prozent auf insgesamt 28,1 Prozent gestiegen. In den Aufsichtsgremien, in denen der Bund die Mitglieder bestimmen kann, sind über ein Drittel Frauen. In wesentlichen Gremien liegt der Anteil sogar bei 41,8 Prozent. Für die stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Elke Hannack, ist die Bilanz kein Grund, sich auf dem bisher Erreichten auszuruhen: “Die Geschlechterquote sollte auch für Aufsichtsräte und Vorstände nicht börsennotierter Unternehmen gelten.” Das wäre der nächste Schritt. Ebenso ist der Öffentliche Dienst noch weit von einer paritätischen Besetzung der Leitungsfunktionen entfernt. In den obersten Bundesbehörden sind durchschnittlich 34 Prozent der Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt. Spitzenreiter ist, wie der Gleichstellungsindex 2016 des Statistischen Bundesamtes zeigt, nach wie vor das Familienministerium mit rund

Es gibt die guten Beispiele, wo sich der Anteil von Frauen in Leitungspositionen im Öffentlichen Dienst im Gleichgewicht befindet. Andere haben hier noch viel zu tun. Und was für die obersten Bundesbehörden gilt, gilt auch für die Gewerkschaften. Foto: BS/Sabrina Haselbach, pixelio.de

56 Prozent. Genau paritätisch ist die Verteilung im Bundesrat und im Bundesverfassungsgericht. Am meisten hat das Bundesgesundheitsministerium zugelegt. Um 20 Prozent ist der Frauenanteil erhöht worden, auf

nunmehr knapp 42 Prozent. Auf den letzten Plätzen liegen das Auswärtige Amt (27 Prozent), das Bundesverteidigungsministerium (26 Prozent), die Beauftragte für den Datenschutz und das Bundesfinanzministerium

(je 23 Prozent) sowie der Bundesrechnungshof (22 Prozent). “Um den Frauenanteil in den obersten Bundesbehörden zu erhöhen, reicht eine rein gesetzliche Quotenlösung nicht aus”, unterstreicht Helene Wildfeuer,

Kommentar

Viel Feind, viel Ehr’? – Fehlanzeige! (BS) Angesprochen auf Oberleutnant Franco A. erwiderte die Verteidigungsministerin in einem FernsehInterview Ende April: “Unterschiedliche Fälle gehören für mich inzwischen zusammen zu einem Muster: Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem. Und eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.” Fairerweise darf der Hinweis nicht fehlen, dass der Begriff “Haltung” zuerst in der Frage des Moderators gefallen ist. Haltung hat etwas mit “Gesinnung” und “Contenance” zu tun. Man denke in diesem Zusammenhang an die Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik des Soziologen Max Weber: Richtschnur für verantwortungsvolles Handeln sei mehr dessen erzielte Wirkung als die “richtige” Gesinnung. Auch das gerade in der Bundeswehr viel gerühmte “Führen mit Auftrag”, als Gegenmodell zum “Führen mit Befehl”, ist mitdenkend ergebnisorientiert. Mit ihrem verbalen Rundumschlag hatte die Ministerin eine Lawine der Unmutsäußerungen losgetreten: kritische Äußerungen von mitdenkenden Soldaten sind Legion. Daraufhin sah die

Ressortchefin sich bemüßigt, in einem “offenen Brief” an alle ihre Untergebenen zu schreiben: “So manches verkürzte öffentliche Urteil über die Bundeswehr erscheint in seiner Pauschalität überzogen und ungerecht.” Bezog sie das auch auf ihre eigenen Aussagen? Wenn sie diese nicht schnell korrigiere, werde das die Motivation der Truppe tiefgreifend beeinflussen und das Vertrauen in die politische Leitung schwächen, sagte der Bundesvorsitzende des DBwV, André Wüstner. Wenige Tage später hat die Ministerin vor der militärischen Führungsspitze erklärt: “Ich wünschte, ich hätte diese Sätze (über Dank und Anerkennung an die Adresse

der Soldaten) in dem Interview vorweg gesagt. Es tut mir leid, dass ich es nicht getan habe.” Die militärische Führung zeigte sich damit ostentativ zufrieden, obwohl die Ministerin sich lediglich für diese Unterlassung entschuldigte, nicht jedoch für ihre ursprüngliche Wortwahl. Ohnehin ist sie offenkundig hauptamtlich im Wahlkampf-Modus und sicher denkbar unglücklich über den Zeitpunkt dieser Debatte. Zur Vergewisserung: Fürsorgepflicht des Dienstherrn, Kameradschaft, Staatsbürgertum in Uniform und Remonstration sind staatstragende Güter, die auch für die politische Leitung und die militärische Führung gelten! Dr. Gerd Portugall

Kommen und Gehen

Vorsitzende der Bundesfrauenvertretung im DBB Beamtenbund und Tarifunion. Hinderlich seien vor allem die Beurteilungsund Beförderungsstrukturen. Doch auch im DBB ist in Sachen Frauenförderung noch Luft nach oben. Der Anteil weiblicher Personen in der Bundesleitung liegt bei 22 Prozent (zwei von neun). Und damit genauso hoch wie im Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Beim Marburger Bund liegt der Frauenanteil in dem Gremium bei 30 Prozent. Damit erreicht die Ärztegewerkschaft immerhin die für die Privatwirtschaft vorgesehene Quote. Diesen Organisationen würde ein höherer Frauenanteil sicherlich nicht schaden. Zumindest beim DBB besteht kurzfristig die Chance, dass sich dies ändern könnte. Dazu müsste sich bis zum Gewerkschaftstag noch die eine oder andere Kandidatin finden. Und die muss auch gewählt werden. Wie es geht, zeigen ausgerechnet die Gewerkschaften im DGB. Dem 13-köpfigen Verdi-Bundesvorstand gehören sieben Frauen an. Beim DGB selbst sind die vier Vorstandssitze paritätisch besetzt. Und bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellen die Frauen vier von zehn Personen.


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Juli 2017

Mobilität Von der Präsenz- zur Vertrauenskultur Mobiles und flexibles Arbeiten im BMFSFJ ausgeweitet .............................................................................................. Seite 5

Warenkontor Innenstadt Lieferverkehr belastet immer mehr ............................................................................................................................. Seite 13

Schwarz-gelbe Zielsetzungen in Nordrhein-Westfalen Verkehrsinfrastruktur soll modernisiert werden .......................................................................................................... Seite 21

Erdgas, Biogas – Klimaschutz? So schnell wie möglich von Null auf Hundert ist nicht nur eine Frage der Geschwindigkeit, sondern überhaupt der Mobilität. Dabei geht es nicht nur um die Rahmenbedingungen der Verkehrsinfrastruktur, die Art des Fahrzeugantriebes oder den Verkehr vor Ort. Es geht auch um die Mobilität der Beschäftigten und um deren Erreichbarkeit. Foto: BS/©Yuri Bizgaimer, Fotolia.de

Branche plant eine Million Gas-Fahrzeuge bis 2025 .................................................................................................. Seite 22

Mobile Wache für Oberhausen Sicherheitsbehörden erhöhen Präsenz im Stadtgebiet .............................................................................................. Seite 24

Digitalisierung Der zweite große Player BWI bringt viel Erfahrung in die IT-Konsolidierung Bund ein .................................................................................. Seite 27

Strategien für den digitalen Staat Manfred Lieske: “Deutschland muss noch schneller und innovativer werden” ........................................................ Seite 33

Digitalisierung und Arbeit Keine einmalige Wende, sondern fortschreitende Transformation ............................................................................ Seite 35

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Jedes dritte Unternehmen sieht noch Verbesserungsbedarf bei der IT-Sicherheit .................................................... Seite 36 “Höher, schneller, weiter” ist nicht nur eine Maxime im Sport. Auch bei der Digitalisierung gilt es, immer schneller und innovativer zu werden. Damit kommt diese zentrale Aufgabe für Staat und Verwaltung keinem 100-Meter-Sprint gleich, sondern einem Marathon, dessen Ziel eine fortschreitende Transformation ist und der wichtige Player braucht.

Noch nicht am Ziel Für Interoperabilität braucht es gemeinsame Standards ........................................................................................... Seite 45

Foto: BS/www.hamburg-fotos-bilder.de, pixelio.de

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innenspiegel

Verbreitung nimmt weiter zu Behörden Spiegel fliegt nun auch mit Air Berlin (BS/Dr. Fabian Rusch) Der Behörden Spiegel liegt bei immer mehr Airlines aus. Nachdem der Verlag zu Jahresbeginn die Deutsche Lufthansa AG für die dauerhafte Auslage der Zeitung gewinnen konnte, legt nun auch Air Berlin den Behörden Spiegel aus. Damit erreicht die Publikation ab sofort noch mehr Leserinnen und Leser. Denn: Die Bundesregierung, die Großkunde von Air Berlin ist, nutzt das Angebot des “Beamtenshuttles” für die Reisetätigkeit ihrer Mitarbeiter zwischen den Flughäfen Köln/Bonn und Berlin-Tegel. Nun können die Mitarbeiter beim berufsbedingten Pendeln den Behörden Spiegel lesen, der mit 2.000 respektive 2.400 Exemplaren an den beiden Standorten vorzufinden ist. Um weitere Leser abseits dieser Strecke zu erreichen und zu informieren, wurden für die Auslage zudem die Hauptflughäfen in den wichtigsten deutschen Landeshauptstädten und andere große Drehkreuze ausgewählt. Dazu gehören die Airports in Düsseldorf, Hamburg, München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Dresden und Saarbrücken.

20.000 Exemplare liegen bereit Wie die Auslage bei der Lufthansa bereits gezeigt hat, ist der Behörden Spiegel bei den Reisenden beliebt und schnell

vergriffen. Um die Nachfrage dennoch decken zu können, wurde die Anzahl der Monatsexemplare nahezu verdoppelt. Sie liegt nun bei 10.000 Stück. In Summe warten nun sogar 20.000 Zeitungen bei den zwei größten deutschen Fluggesellschaften auf Leser. Zudem konnten im Bereich der Hotellerie das renommierte Adlon Kempinski Berlin und die Maritim-Gruppe mit ihren Häusern in Bonn, Köln und Fulda gewonnen werden. Dort erweitert der Behörden Spiegel das Leseangebot für die Gäste und stärkt zugleich seine Visibilität im öffentlichen Raum.

Fotoquellen Seite 1 Foto 1: BS/TMWWDG Foto 2: BS/Bundeswehr Foto 3: BS/Köstler-Messaoudi

Beilagenhinweis Einer Teilauflage des Behörden Spiegel liegt eine Beilage der xdot GmbH bei.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Jörn Fieseler Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Julian Einhaus (Kommunal- und Energiewirtschaft, ÖPP), Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030/ 726262212, Fax 030/72626-2210 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Jenn Tran Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228/97097-0, Fax 0228/ 97097-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030/557412-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06370501980007503063, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03100708480482263100 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24370100500022690509 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

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Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

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Berlin und Bonn / Juli 2017

Ziel verfehlt?

KNAPP 712.000

Berliner Besoldungsanpassung stößt auf Kritik (BS/Jörn Fieseler) Der Hauptausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus hat für das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land 2017 und 2018 gestimmt. Jeweils zum 1. August 2017 und 2018 sollen die Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger steigen. Erst um 2,8 Prozent, im Folgejahr um 3,2 Prozent. Davon fließen 0,2 Prozent in die Versorgungsrücklage. Dieser Empfehlung wird aller Voraussicht auch das Plenum folgen. Ob das Ziel der Besoldungsangleichung bis zum Jahr 2021 damit erreicht wird, wird unterschiedlich beurteilt. Länder war. Aus Gerechtigkeitsgründen wurden die Bezüge von Tarifbeschäftigten und Beamten zum gleichen Stichtag angehoben. Seitdem Berlin wieder TdLMitglied ist, wird für die Tarifbeschäftigten zum 1. Januar eines Jahres verhandelt. Aus Gerechtigkeitsgründen müssten die Beamten auch hier folgen, meint Becker. Aber das sei nicht der Fall. “Das ist frech und darüber hinaus auch noch ungerecht”, so der Landesvorsitzende.

Für den Gesetzesentwurf stimmten im Hauptausschuss SPD, Linke Grüne und die FDP. Die AfD votierte dagegen, die CDU enthielt sich. Für Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ein Grund zur Freude: “Mit dem neuen Gesetz zur Beamtenbesoldung verringert Berlin deutlich den Abstand zum Durchschnitt der Bundesländer. Bis Ende der Legislaturperiode 2021 wird Berlin die Lücke, die aktuell noch 5,6 Prozent ausmacht, geschlossen haben. Mehr als zwei Fünftel davon macht bereits der jetzige Schritt aus. Die öffentlichen Beschäftigten sollen teilhaben am Aufschwung Berlins, das nun endlich kein Sanierungsland mehr ist.”

Untere Besoldungsgruppen im Fokus Und Grünen-Fraktionsvorsitzende Antje Kapek ergänzt: “Bei der Beamtenbesoldung haben wir Grünen erfolgreich insbesondere für die unteren Besoldungsgruppen gekämpft. Deshalb haben wir auch im Nachgang den Senatsbeschluss zur Besoldung und Versorgung im Nachgang noch einmal auf rund 288 Millionen Euro jährlich erhöht. Damit erreichen wir das Ziel der linearen Anpassung an den Bundesdurchschnitt. So wollen wir den Öffentlichen Dienst attraktiver und die soziale Gerechtigkeit zwischen den Besoldungsgruppen verbessern. Schließlich leisten alle Berliner Beamtinnen und Beamten eine wertvolle Arbeit für unsere Stadt.” Ähnlich äußert sich Carola Bluhm, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus: “Rot-Rot-Grün hat sich vorgenommen, bis 2021

Mehr Mut

Mittelfristig soll in Berlin die Besoldung an den Durchschnitt der Länder angeglichen werden. Ob das mit dem aktuellen Schritt erreicht wird, darüber streiten die Beteiligten. Foto: BS/El Fausto, pixelio.de

die Beamtenbesoldung in Berlin wieder an den Durchschnitt der anderen Bundesländer anzugleichen. Mit der jetzigen Anpassung gehen wir einen ersten Schritt auf diesem Weg. Besonders froh sind wir, dass in den unteren Besoldungsstufen, wo die Rückstände besonders groß sind, erkennbar etwas getan wird.”

Für neue Tabelle einsetzen Nicht erfreut zeigt sich hingegen die oppositionelle CDU. “Die Koalition ist mit ihrem vorgelegten Besoldungsgesetz von ihrer eigenen Zielsetzung abgerückt und hat ihr Wahlversprechen gebrochen”, kommentiert der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Florian Graf. Seine Partei beschloss auf einer Klausurtagung, sich für eine neu strukturierte Besoldungstabelle

einzusetzen. Damit soll einerseits der Rückstand Berlins gegenüber den anderen Ländern, andererseits das Abstandsgebot und eine Einkommensverbesserung der unteren Einkommensgrenzen berücksichtigt werden. Schon im Abgeordnetenhaus wollte die CDU das aktuelle Besoldungsanpassungsgesetz verbessern. Statt 2,8 sollte es 4,2 Prozent geben, statt um 3,2 sollten die Bezüge um 4,34 Prozent steigen. Außerdem wollten CDU und FDP, letztere in einem eigenen Antrag, die Besoldungserhöhung um acht Monate vorziehen, anstatt die Bezüge jeweils zum 1. August zu erhöhen, so forderten beide Parteien. Darüber hinaus favorisierten die Christdemokraten eine Umverteilung des Weihnachtsgeldes. Statt einer Sonderzuwendung zum Ende des Jahres sollte

die über zwölf Monate verteilt werden. Weiteren Reformbedarf gebe es außerdem bei den gewährten Zulagen.

Frech und ungerecht “Mit Wertschätzung der Arbeit der Kolleginnen und Kollegen hat dies wahrhaftig gar nichts mehr zu tun”, unterstreicht Frank Becker, Landesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion Berlin. Seine Organisation hatte mit einer Postkartenaktion “Wer uns quält, wird nicht gewählt!” für Nachbesserungen des Senatsentwurfs geworben, leider ohne Erfolg. Insbesondere die Äußerung, die Erhöhung zum 1. August sei eine gute Tradition, bringt den Gewerkschafter in Rage. Dieser Tag gehe auf die Zeit zurück, in der das Land nicht Mitglied in der Tarifgemeinschaft deutscher

“Die Erhöhungen der Berliner Beamtenbesoldung müssen mutiger ausfallen; sonst wird es schwierig, bis 2021 den Durchschnitt der Länder zu erreichen”, meint auch Doro Zinke Vorsitzende des DGB BerlinBrandenburg. “Ein Grund dafür ist Brandenburg. Das Land stockt in den kommenden Jahren die Besoldung deutlicher auf. Außerdem erhöht Brandenburg die Besoldung zum 1. Januar, Berlin aber erst zum 1. August. Gerade diese Verzögerung finden viele Beschäftigte enttäuschend. Sie erwarten vom Senat, dass die Besoldung am Jahresanfang angepasst wird”, so die Gewerkschafterin. So manch einer zweifelt sogar die Berechnungsmethode an, mit der der Senat den Abstand zum Durchschnitt der Länder berechnet. Zum einen, weil aufgrund unterschiedlicher Zulagen und Einkommensbestandteile, wie des Anteils des Weihnachtsgeldes auf das monatliche Entgelt, die Werte nur schwer vergleichbar seien. Und auch die Beihilfe, in Berlin existiert eine Kostendämpfungspauschale von 780 Euro, müsste berücksichtigt werden, so die Forderung einzelner.

(BS/jf) Zu Beginn des Jahres 2017 gab es rund 712.000 Pensionäre im Öffentlichen Dienst der Länder. 4,1 Prozent (+66.000) mehr als 2016, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) auf Basis vorläufiger Ergebnisse der Versorgungsempfängerstatistik mitteilte. Von den 712.000 Pensionären entfällt der Großteil auf Lehrerinnen und Lehrer. 405.000 (rund 57 Prozent) der Ruhegehaltsempfänger sind Lehrkräfte. Von den etwa 66.000 Neu-Ruheständlern erreichten fast drei Viertel (74 Prozent) die Regelaltersgrenze. 17 Prozent schieden wegen Dienstunfähigkeit aus, weitere neun Prozent profitierten von Vorruhestandsregelungen oder gingen aus sonstigen Gründen in Pension. Insgesamt stieg die Zahl der Pensionäre in Bund, Ländern und Kommunen auf rund 1.249.000 Versorgungsempfänger.

Neues Mitglied (BS/jf) Für die Aus- und Fortbildung von Beschäftigten im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Brandenburg gibt es neue Möglichkeiten. Die Landesregierung beschloss, sich an der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf zu beteiligen. Dazu soll Gesundheitsministerin Diana Golze (Die Linke) eine Vereinbarung mit Laufzeit bis zum Dezember 2017 unterzeichnen. Ab 2018 will das Land als neuntes dem Staatsvertrag über die Errichtung und die Finanzierung der Akademie beitreten. “Mit dem Beitritt Brandenburgs erhalten die Kreise und kreisfreien Städte ein gebührenfreies und vor allem wohnortnahes Fort- und Weiterbildungsangebot”, sagte die Ministerin. Denn für die Kommunen werde es immer schwieriger, ausreichend qualifizierte Fachkräfte zu finden, weshalb die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen weiter verbessert werden müssten.

Zukunft Dienstrecht

Arbeits-, tarif- und beamtenrechtliche Entwicklungen 21. – 22. November 2017, Maritim Hotel, Bonn

§

Mit Beiträgen u. a. von:

Christoph Tillmanns, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Fluch oder Segen für die Personalpraxis?

Karin Spelge, Richterin am Bundesarbeitsgericht (6. Senat): Aktuelle Rechtsprechung des 6. Senats zum TVöD und TV-L

Weitere Informationen zur Tagung „Zukunft Dienstrecht“ sowie zu den einzelnen Referenten unter: www.zukunft-dienstrecht.de

Dr. Rüdiger Linck, Vizepräsident des Bundesarbeitsgerichts: Aktuelle Rechtsfragen der Arbeitsvergütung

Eine Veranstaltung des


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Schere klafft weiter auseinander

Juristische Prüfung vorgesehen

DSTG hat auf Gewerkschaftstag in Hannover neue Bundesleitung gewählt

BDK will mehr beteiligt werden

(BS/Jörn Fieseler) 241 Delegierte, fast 97 Prozent, schenkten dem alten und neuen Bundesvorsitzenden der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG), Thomas Eigenthaler, ihr Vertrauen und wählten ihn für weitere fünf Jahre an die Spitze der rund 110.000 Mitglieder umfassenden Arbeitnehmervertretung. Neben der Wahl wurde ein Credo für eine Steuerreform gefasst.

(BS/jf) Am 11. Juli verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zu den Klagen zum Tarifeinheitsgesetz. Während einzelne Spartengewerkschaften sich deshalb bei den letzten Tarifrunden zurückgehalten haben, drängt der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) an den Verhandlungstisch und will auch bei Gesetzgebungsverfahren stärker eingebunden werden.

Für den gelernten Steuerinspektor und späteren Juristen ist es die zweite Amtszeit, nachdem er neun Jahre lang ein großes Stuttgarter Finanzamt leitete. Er ist seit Juli 2011 ohne Bezüge beurlaubt. Neben Eigenthaler wählte das höchste Gremium der Steuergewerkschaft vier Stellvertreter. Mit Florian Köbler kommt ein neues Gesicht in die Bundesleitung, während Andrea SauerSchnieber, Karl-Heinz Leverkus und Michael Volz ebenfalls zu einer weiteren Amtszeit antreten.

Die verhandelnden Parteien bei den Tarifrunden sind bekannt. Neben Verdi und dem DBB Beamtenbund und Tarifunion sind dies die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Darüber hinaus verhandelt Verdi für die IG Bau. Ähnlich sieht es bei beamtenrechtlichen Gesetzesvorhaben aus, bei denen die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften und Berufsverbände beteiligt werden. In der Regel der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der DBB und der Deutsche Richterbund (DRB). “Im Ergebnis führt diese Beschränkung dazu, dass “kleinere” Berufsverbände sowie “Spartenorganisationen” regelmäßig von den Tarifverhandlungen und den Vorbereitungsgesprächen ausgeschlossen bleiben”, kritisiert der amtierende BDK-Bundesvorsitzende André Schulz in einem Brief an den Vorsitzenden der TdL, Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider. Es geht um die Frage, ab wann eine Gewerkschaft zu beteiligen ist. Dies ist auch eine Frage des Betrachtungswinkels. Maßgeblich ist der Organisationsgrad

Staatsschiff nicht ins Wanken bringen Besonders die Situation in den Finanzämtern und deren Auswirkungen für Vater Staat standen im Mittelpunkt der Diskussionen. Einerseits steigen die Steuereinnahmen stetig, in den letzten drei Jahren jeweils um vier bis 4,5 Prozent von 570,2 Mrd. Euro (2013) auf 648,3 Mrd. Euro (2016). Andererseits fehlt es immer noch an Personal. Steuerfälle werden komplizierter, die Belegschaften in den Finanzämtern sind kleiner und werden älter. Arbeitsverdichtung und Unzufriedenheit sind die Folge. Ein schlechtes Geschäft für den Fiskus, so die einstimmige Meinung bei den Delegierten. Zudem sei es dringend geboten, das Steuersystem zu vereinfachen. Ein Rückbau subventionierender Vorschriften sei deshalb unumgänglich. Schließlich müsse auch das Steuerrecht erst mühsam erlernt und angewendet werden, wobei obendrein Rechtsänderungen zum Jahresende binnen kürzester Zeit

Ein strahlender Vorsitzender Thomas Eigenthaler (2. v. l.) zusammen mit dem neu gewählten Mitglied Florian Köbler (3. v. r.) und den wiedergewählten Mitgliedern Michael Volz (l.), Andrea Sauer-Schnieber und Karl-Heinz Leverkus (r.). Foto: BS/Friedhelm Windmüller, DBB

erlernt werden müssten. Dabei würde sich mehr Personal in den Finanzämtern durchaus lohnen. Schon ein Betriebsprüfer kann ein steuerliches Mehrergebnis von rund einer Mio. Euro erarbeiten, bei gleichzeitigen Personal- und Sachkosten von rund 75.000 Euro.

Abgeltungssteuer abschaffen Zudem ist aus Sicht der Finanzbeschäftigten die Steuerflucht konsequent zu bekämpfen. Dazu müsste der Datenaustausch auf europäischer Ebene zwischen Banken auch für inländische Banken gelten. Inländische und ausländische Kapitalerträge müssten gleich behandelt werden, ansonsten könnten Inhaber ausländischer Bankkonten europarechtswidrig diskriminiert werden. Damit würde auch die Grundlage für die Abgeltungssteuer entfallen. Diese würde sowieso die Bezieher hoher Kapitalerträ-

ge mit ihrem festen Steuersatz von 25 Prozent begünstigen, während bei Arbeitnehmern der persönliche Steuersatz von bis zu 42 Prozent direkt vom Gehalt einbehalten werde. “Es ist ungerecht, dass Einkommen aus aktiver Erwerbstätigkeit höher besteuert werden als aus passiver Betätigung in Form von Kapitalerträgen und Spekulationsgewinnen”, so die Begründung. Und auch bei der Umsatzsteuer und der Grundsteuer bestehe Reformbedarf. Bei ersterer entgingen dem Staat jährlich Einnahmen von rund 800 Mio. Euro durch ausländische Händler, deren Waren über OnlinePlattformen gekauft werden. Bei der Grundsteuer besteht die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht sie für verfassungswidrig hält. Im Interesse des Staates müsse es sein, die Einnahmesituation zu verbessern, wer an dieser Stelle spare, der handle fahrlässig.

Die Praxis hat es noch nicht gemerkt Das neue Schwerbehindertenrecht ist da (BS/ Jürgen Kutzki*) Bereits im Dezember 2016 ist die erste von vier Reformstufen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) in Kraft getreten. Damit ist die große Reform des SGB IX eingeleitet, mit der die Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention vorangetrieben wird. Damit sind drei wesentliche Verbesserungen verbunden. Mit dem neuen Gesetz wird die Eingliederungshilfe aus dem System der Fürsorge herausgelöst, die es Beziehern der Eingliederungshilfe ermöglicht, künftig mehr Vermögen behalten zu dürfen. Entscheidender sind jedoch der neu gefasste bzw. erweiterte Behinderungsbegriff und die neuen Reglungen für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretungen. Die übrigen Stufen sollen im Zeitraum von 2017 bis 2023 realisiert werden. Damit gehen umfangreiche Änderungen im Recht der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen nach dem SGB IX einher. Durch das Bundesteilhabegesetz wird nunmehr berücksichtigt, dass die Anforderungen an die Schwerbehindertenvertretungen (SBV) in den letzten Jahren enorm zugenommen haben. Dies liegt unter anderem daran, dass sich die Anzahl der schwerbehinderten Menschen in den Behörden erheblich erhöht hat. Daher ist die Herabsetzung des Schwellenwertes für die Freistellung der SBV eine logische Konsequenz. Ab sofort liegt der Schwellenwert für die Freistellung bei 100 (bisher 200) beschäftigten schwerbehinderten Menschen, § 96 Abs. 4, S. 2 SGB IX. Nach der bisherigen Rechtslage war die Nichtanhörung der SBV keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Seit dem 01.01.2017 ist eine Kündigung, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der SBV aus-

spricht, unwirksam, vgl. § 95 Abs. 2, S. 3 SGB IX. Die – ohnehin schon hohen – Anforderungen an eine wirksame Kündigung sind deutlich angehoben worden. Gerade bei außerordentlichen Kündigungen hat das Integrationsamt nur eine Entscheidungsfrist von zwei Wochen, andernfalls gilt die Zustimmung als erteilt. Hier ist nun durch die Beteiligungspflicht der SBV rechtsklarstellend sichergestellt, dass diese Bearbeitungszeit innerbetrieblich noch genutzt werden kann, um nach Lösungen zu suchen, die eine Kündigung ggfs. vermeiden können. Man verwendet den Begriff für Behinderung in Zukunft so, wie in der UN-BehindertenrechtsKonvention (UN-BRK) aus dem Jahre 2008 vorgeschrieben. Die Konvention besteht neben der Präambel aus 50 Artikeln. Den Schwerpunkt bilden die Artikel eins bis 30. Der Allgemeine Teil,

Save the Date Gemeinsam mit dem Behörden Spiegel thematisiert der Autor am Mittwoch, 06.09.2017, in Berlin und Mittwoch, 13.09.2017, in Bonn das Bundsteilhabegesetz und die Auswirkungen für die Behörden im Umgang mit ihren Schwerbehindertenvertretungen. Mehr unter: www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwort “bthg”

Artikel eins bis neun, beinhaltet Ziel, Definitionen und Grundsätze der Konvention. Im Besonderen Teil, Artikel zehn bis 30, werden die einzelnen Menschenrechte aufgeführt. Zwei Dinge sind für die Praxis unverzichtbar. Zunächst erscheint es notwendig, sich umfangreich und intensiv mit dem in Kraft getretenen Teil des BTHG vertraut zu machen. Die Rechte der Schwerbehindervertretungen (SBV) wurden gestärkt – diese haben nunmehr nahezu einen “Bestandsschutz” wie die Personalräte. Eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit ist anzuraten. Die Dienststellen sollten sich kooperativ geben bei den “Forderungen” nach Schulungen der SBV und deren Vertretern. Eine geschulte SBV erleichtert die praktische Arbeit und den Umgang mit den (gewählten) Mandatsträgern. Zum zweiten ist darauf zu achten, dass bei Kündigungen die SBV zu beteiligen ist. Kündigungen die daher unwirksam sind, werden sicherlich als “handwerkliche” Fehler den Personalabteilungen anzulasten sein. Schulungen für diese Personengruppe sind sicherlich sinnvoll und sollten mehr als zeitnah erfolgen. Es wirkt immer “unglücklich”, wenn die SBV kundiger als die Personalsachbearbeiter sind. *Rechtsanwalt Jürgen Kutzki ist Dipl.-Verwaltungswirt und Mediator in Karlsruhe.

einer Beschäftigtenvertretung. Doch wovon? Von der Gesamtheit der Beamten und Tarifbeschäftigten im Bund oder in einem Bundesland? Oder von einer einzelnen Sparte wie der Kriminalpolizei. Im ersten Fall repräsentiert der BDK nur einen kleinen Teil. Im zweiten Fall “organisiert der BDK den mit Abstand größten Teil der Beschäftigten”, argumentiert Schulz. Die derzeitige Rechtslage verhindere jedoch die Beteiligung der Interessenorganisation der Kriminalbeamten. Die bisherigen Regelungen in § 53 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und in § 118 Bundesbeamtengesetz (BBG) sowie analog in den Landesbeamtengesetzen seien zwar Ausfluss der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG, sie seien jedoch nicht mit Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar, der allen Angehörigen des Öffentlichen Dienstes ein Recht auf “Kollektivverhandlungen” sichert. Schulz stützt seine Argumentation auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2014. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Beteiligungsrechte aus § 118 BBG und § 53 BeamtStG

nicht dem notwendigen Ausgleich zwischen Art. 11 EMRK und Art. 33 Abs. 5 GG genügen. Die Beschränkung auf die Spitzenorganisationen, sowohl bei Tarifverhandlungen als auch bei Beteiligungsverfahren zu beamtenrechtlichen Fragestellung entspreche dem “Stand der Dinge nicht mehr”, und stelle eine unangemessene Einschränkung der Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG dar, so das Ergebnis des BDK-Bundesvorsitzenden. Die Beteiligung von Spartenorganisationen erscheine deshalb dort möglich als auch geboten, wo die Interessen der von ihnen vertretenden Berufsgruppen berührt würden. Schulz forderte daher den TdLVorsitzenden Schneider zu einem konstruktivem Dialog auf und wünschte sich einen Sitz am Verhandlungstisch. Dazu kam es nicht. Nun prüft der BDK juristische Schritte. Neben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz dürfte dabei auch die Frage des Streikrechts von Beamten maßgeblich sein. Denn auch dabei geht es um das rechtliche Zusammenspiel zwischen der Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Grundgesetz.

MELDUNG

Neuer Vizepräsident am BAG (BS/jf) Der Vorsitzende Richter des zehnten Senats, Dr. Rüdiger Linck, ist zum Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ernannt worden. Staatssekretär Thorben Albrecht überreichte ihm seine Ernennungsurkunde im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Linck ist bereits seit Mai 2001 dem BAG zugeteilt. Zuerst gehörte der 1959 in Essen geborene Jurist dem fünften Senat an, bevor er im Februar 2007 in den sechsten Senat wechselte. Dort war er ab 2008 stellvertretender Vorsitzender. In dieser Funktion wechselte er im November

in Baden-Württem2009 in den ersten berg. Nach einer ersSenat. Nach seiner ten Zwischenstation Ernennung zum Vorbeim BAG von 1991 sitzenden Richter am bis 1993 wechselte Bundesarbeitsgericht er an das Sächsische am 1. Mai 2014 wurLandesarbeitsgede ihm der Vorsitz richt, wo er 1996 zum des Zehnten Senats Vorsitzenden Richter des Bundesarbeitsgerichts übertragen. Seit Juni 2017 Vize- ernannt wurde. Im Rahmen des KonDer Zehnte Senat präsident des Bunist insbesondere für desarbeitsgerichts: gresses Zukunft des Behörden Spiegel am Gratifikationen, Son- Dr. Rüdiger Linck dervergütungen und Foto: BS/privat 21. und 22. November 2017 in Bonn wird der Zulagen zuständig. Seine ersten Schritte unter- neue Vizepräsident zu aktuellen nahm der promovierte Jurist Rechtsfragen der Arbeitsvergüin der Arbeitsgerichtsbarkeit tung referieren.

Es zahlt sich aus Soziale Kompetenzen im Öffentlichen Dienst (BS/Ilona Vogel*) Viele Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst glauben, dass es lediglich auf die Qualität der geleisteten Arbeit ankommt. Sie begeben sich fortwährend auf Schulungen, um den Dienstleister Öffentlicher Dienst auf Erfolgskurs zu bringen. Sie vergessen dabei, dass es weitere Eigenschaften gibt, die zum Erfolg führen können: sozialen Kompetenzen. Was ist unter sozialen Kompetenzen, auch “Soft Skills” genannt, zu verstehen und welchen Vorteil hat es, wenn man soziale Kompetenzen im Öffentlichen Dienst etabliert? Unter dem Begriff “soziale Kompetenzen” versteht man positive Schlüsselqualifikationen: Eigenschaften wie Empathie, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Wertschätzung, Motivation, Bewusstheit über die Emotionen beim Gegenüber und bei sich selbst, aber auch Selbstbewusstsein, Mut und Resilienz. Im weiteren Sinne fallen auch die Verlässlichkeit, die Glaubwürdigkeit, die Toleranz, die Belastbarkeit und die Frustrationstoleranz, die Lernbereitschaft und die Durchsetzungskraft drunter. Diese Eigenschaften sind selbstverständlich nicht nur für die Führungskräfte im Öffentlichen Dienst von wesentlicher Bedeutung; jeder Mitarbeiter/

jede Mitarbeiterin benötigt diese Fähigkeiten für den sozialen Umgang mit anderen Menschen: für den sozialen Umgang mit den Kollegen und Kolleginnen, mit dem Chef und der Chefin und vor allem auch mit den schwierigen Kunden. Das Geheimnis ist: Sozial kompetente Menschen schaffen es, gegensätzliche Verhaltensweisen zu kombinieren und so einzusetzen, dass es ihnen möglich wird, eigene Ziele innerhalb sozialer Beziehungen zu erreichen, ohne die soziale Beziehung zu den Kollegen, dem Chef oder zu anderen Menschen zu gefährden. Und somit ist die soziale Kompetenz nicht nur eine wichtige persönliche Eigenschaft, sondern wird auch zum Karrierefaktor im Beruf. Unsere heutige Berufswelt entwickelt sich sehr schnell weiter. Die Halbwertzeit von Fachwissen sinkt dabei enorm schnell. Soziale Kompetenz bildet dabei eine Konstante, die bei unver-

meidbaren Veränderungen das Miteinander bewahrt und so letztlich auch hilft, die Unternehmenskultur und -organisation im Öffentlichen Dienst im Wandel anzupassen und weiterzuentwickeln. Deshalb sollten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Verwaltungen in den Soft Skills geschult werden. Es zahlt sich aus! *Ilona Vogel ist Spezialistin für Training, Coaching und Beratung von sozialen Kompetenzen für den öffentlichen Bereich. In einem Seminar des Behörden Spiegel am 20./21. November 2017 in Berlin thematisiert sie die Bedeutung von Sozialkompetenz, Grundeinstellungen und Techniken und trainiert mit den Teilnehmern den souveränen Umgang. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungs kraefte-forum.de, Suchwort: “soziale Kompetenz”


Bund

Behörden Spiegel / Juli 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Staatssekretär, wie ist die Dienstvereinbarung entstanden? Kleindiek: Vorab: Als Amtschef bin ich ausgesprochen stolz auf diese neue Dienstvereinbarung über mobiles und flexibles Arbeiten hier im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Soweit ich es überblicke, ist es die beste und modernste Dienstvereinbarung, die es in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland gibt. Ausgangspunkt war das Ergebnis der “Standpunktebefragung”, einer hausinternen, regelmäßig stattfindenden Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Danach ist die Zufriedenheit im Haus vergleichsweise hoch. Die Gruppe derjenigen, die keine Vereinbarkeitsherausforderung haben, machte jedoch deutlich, dass auf sie zu wenig geachtet wird. Das war für mich der Impuls, zu überlegen, ob und wie wir für alle Beschäftigten bessere und flexiblere Regelungen schaffen können. Auf dieser Grundlage haben die Personalvertretung, die Gleichstellungsbeauftragte, die Vertrauensperson für Schwerbehinderte und die Leitung des Hauses gemeinsam angefangen, darüber zu sprechen und sind sich schnell einig geworden. Wir sind als Ministerium bereits Vereinbarkeitsprofis. Wir haben schon jetzt einen Anteil von fast 50 Prozent unter den Beschäftigten, die die Möglichkeiten von mobilem und flexiblem Arbeiten nutzen. Behörden Spiegel: Können Sie kurz die Ziele erläutern, die mit der Dienstvereinbarung verbunden sind? Kleindiek: Wir wollen die Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, weiter verbessern. Wir wissen, dass bei vielen unserer Beschäftigten zu den Kindern oder in der Zeit danach pflegebedürftige Angehörige kommen. Ebenso wissen wir, dass das Durchschnittsalter der Beschäftigten in der Bundesverwaltung nicht geringer wird. Das heißt, wir müssen uns auf die Zukunft einstellen.

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Von der Präsenz- zur Vertrauenskultur Mobiles und flexibles Arbeiten im BMFSFJ ausgeweitet (BS) Die Beschäftigten im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) können zwischen 06:00 und 22:00 Uhr mobil und flexibel arbeiten. Möglich macht es eine abgeschlossene Dienstvereinbarung zwischen Personalvertretung und Hausleitung. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erläutert Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek die Zielsetzung, den damit verbundenen Wandel der Führungskultur und die Anforderungen an die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber Beamten und Tarifbeschäftigten hinsichtlich der Gesundheitsprävention. Und auch zur Bonn-Berlin-Thematik nimmt der Staatssekretär Stellung. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. schutzregelung auch. Daran wird nicht gerüttelt. Gleichzeitig wollen wir unseren Beschäftigten die größtmögliche Flexibilität eröffnen. Deshalb gibt es die Möglichkeit, in einem Korridor zwischen 06:00 und 22:00 Uhr zu arbeiten. Dieser Korridor soll nicht überschritten werden. Niemand, abgesehen vielleicht von den politischen Beamtinnen und Beamten, soll länger als bis 22:00 Uhr arbeiten. Behörden Spiegel: Reicht das, um der Entgrenzung von Arbeit entgegenzutreten? Wie grenzen Sie die Entgrenzung ein, gerade wenn einzelne Beamte die Ruhezeit nicht einhalten? Kleindiek: Ich kenne das auch aus meiner Zeit als junger Beamter. Da habe ich auch öfter länger gearbeitet und weniger auf die Ruhezeit geachtet. Aber das ändert nichts. Wir wollen, dass die Regelungen der Dienstvereinbarung eingehalten werden. Wir haben intensiv diskutiert, ob die Zeitspanne von 06:00 bis 22:00 Uhr nicht zu groß ist, deswegen ist Ihre Frage durchaus berechtigt. Nur wollten wir die Flexibilität nicht von vornherein zu sehr einschränken. Behörden Spiegel: Und was ist mit denen, die ähnlich agieren wie Sie in Ihrer Zeit als junger Beamter? Wie ist das Verhältnis zwischen flexibler Arbeit und Überstunden?

Kleindiek: Wir überprüfen das flexible Arbeiten nicht zeitgenau. Hinsichtlich der Überstunden gibt es hingegen klare Regeln. Wenn auf dem Gleitzeitkonto eine bestimmte Überstundenanzahl überschritten wird, dann bekommen die Vorgesetzten darüber eine Information. Bei uns sind es mehr als 20 Stunden. Diese Information ist der Anlass, über die Arbeitsverteilung inner“Niemand, abgesehen vielleicht halb der Organivon den politischen Beamtinnen sationseinheit zu sprechen. Ist dieund Beamten, soll länger als se richtig verteilt bis 22:00 Uhr arbeiten.” oder muss nachgesteuert werden? Ich bin aber nicht Auf der anderen Seite wollen wir naiv. Ich weiß, dass unsere Mitein moderner Arbeitgeber sein arbeiterinnen und Mitarbeiter und gerade für Jüngere attrak- gerade in Hochphasen, etwa bei tive Angebote schaffen. Das ist einem wichtigen Gesetzesvorauch nötig. Seit 2014 ist die Zahl haben, manchmal sehr lange der Beschäftigten im BMFSFJ arbeiten. Das wird dann auch von 630 auf 770 gestiegen. Das nicht sofort sanktioniert. Trotzist eine großartige Entwicklung, dem müssen wir einen Rahmen die es so in der Vergangenheit setzen, der erstrebenswert und hier in diesem Ministerium je- angemessen ist. denfalls nie gegeben hat. Um von Behörden Spiegel: Wird das den jungen Leuten als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen mobile bzw. flexible Arbeiten zu werden, gehört nach meinem nicht durch die Anforderungen an Verständnis ein Kulturwandel die IT-Sicherheit eingeschränkt? dazu: weg von der PräsenzkulKleindiek: Wir entsprechen tur, hin zu einer Vertrauenskultur. Nur dann ist der Öffentliche allen Sicherheitsstandards und Dienst gegenüber der Wirtschaft Datenschutzvorgaben, die inkonkurrenzfähig, in der die Ver- nerhalb der Bundesregierung trauenskultur teilweise schon und Bundesverwaltung gelten. Das ist für uns überhaupt keine früher eingeführt wurde. Frage. Wir haben deshalb mit Behörden Spiegel: Wie lösen der neuen Dienstvereinbarung Sie mit der Dienstvereinbarung zusammen auch eine Dienstdas Spannungsverhältnis zwi- vereinbarung zu IT-Sicherheit schen Flexibilität und den Rege- erarbeitet. Diese Dienstvereinlungen des Arbeitsschutzes, z.B. barung regelt die Nutzung von die elf Stunden Ruhezeit zwi- mobiler Informations- und Kommunikationstechnik innerhalb schen zwei Arbeitstagen? und außerhalb der DienststelKleindiek: Jeder unserer Be- len, ebenso die ordnungsgemäße schäftigten soll die Ruhezeit Verarbeitung von Informationen von elf Stunden einhalten. Das im Hinblick auf die geltenden Beist ein ganz wichtiger Aspekt. stimmungen des Datenschutzes Deswegen gibt es diese Arbeits- sowie die behördlichen Anfor-

“Soweit ich es überblicke, ist es die beste und modernste Dienstvereinbarung, die es in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland gibt.” Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek Foto: BS/BMFSFJ

derungen an Datensicherheit. Diese Anforderungen sind durchaus vielfältig. Sie basieren im Wesentlichen auf drei unterschiedlichen Komponenten, die wir beachten: Erstens der BSI-Standard, zweitens Nutzerpflichten, die aus dem Anschluss des BMFSFJ an das Regierungsnetz bzw. an die Netze des Bundes resultieren und drittens die verbindlichen Vorgaben zu organisatorischen und technischen Maßnahmen des BSI auf der Grundlage des BSI-Gesetzes. Dieses hohe Niveau an Sicherheit innerhalb der Bundesverwaltung zu gewährleisten, ist beim mobilen Arbeiten ein ganz wichtiger Punkt. Wir wissen, die Netzinfrastruktur des Bundes ist nur so sicher wie das unsicherste Glied in der Kette. Deswegen darf ein mobiler Arbeitsplatz nicht unsicher sein. Und deswegen dürfen wir nicht mit unseren mobilen Arbeitsplätzen Unsicherheiten schaffen. Da sind wir als Bundesministerium sehr streng. Behörden Spiegel: Wie wirkt sich das mobile Arbeiten auf die Standorte aus? Verteilen sich die genannten 50 Prozent der Mitarbeiter, die mobil arbeiten, gleichmäßig auf die beiden Standorte Bonn und Berlin? Kleindiek: Ja, es verteilt sich gleich. Es gibt keinen Unterschied zwischen des Standorten Bonn und Berlin. Das Interesse der Beschäftigten an mobiler und flexibler Arbeit ist an beiden Standorten gleichermaßen hoch. Großzügige Möglichkeiten mobiler und flexibler Arbeit, wie wir sie jetzt hier mit der Dienstvereinbarung bieten, nehmen der Frage und der Standortdebatte Bonn/Berlin die Brisanz. Behörden Spiegel: Sollen am Ende alle 770 Mitarbeiter mobil und flexibel arbeiten können oder gibt es Ausnahmen? Kleindiek: Es gibt sicherlich Bereiche, in denen die die Präsenz wichtiger ist als in anderen. Aber meine Vision ist, dass grundsätzlich alle diese Möglichkeiten nutzen können. Im Wesentlichen hängt es von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab. Es gibt auch welche, die nach wie vor eine strikte Trennung zwischen beruflicher Arbeit einerseits und Familie und Freizeit andererseits wünschen. Für diese kommt das flexible und mobile Arbeiten nicht in Betracht. Daher ist es ein Angebot. Wer will, kann es nutzen. Sicherlich wird der bisherige Anteil von 50 Prozent durch die Dienstvereinbarung nochmal ansteigen. Aber wir werden nicht sehr schnell in Bereiche von 85 bis 90 Prozent gelangen. Das erwarte ich ehrlich gesagt auch nicht.

Behörden Spiegel: Sie sprachen den Kulturwandel von der Präsenz- zur Vertrauenskultur an. Für die Führungskultur bedeutet dies, so heißt es in der Dienstvereinbarung, Führen auf Distanz. Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht? Kleindiek: Führen auf Distanz ist für uns schon deswegen ein relevantes Thema, weil wir schon fast 50 Prozent der Beschäftigten haben, die mobile und flexible Arbeitsmöglichkeiten nutzen. Es ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine Organisation jetzt und auch in Zukunft. Natürlich ist diese Form der Führung noch weiterzuentwickeln. Das ist voraussetzungsreich. Führungskräfte müssen die Befindlichkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erkennen, die konkrete Situation richtig einschätzen, ohne im wahrsten Sinne des

Wortes alles im Griff zu haben. Ich bin überzeugt, mit der routinemäßigen Einführung eines Präsenztages in der Woche, an dem alle Mitglieder einer Organisationseinheit anwesend sind, lässt sich die nötige Rückkopplung sicherstellen.

teilungswesen aus? Müssen im Zuge dessen die Beurteilungsrichtlinien angepasst werden? Kleindiek: Nein. Bei uns wird in den Beurteilungsbögen jetzt schon angekreuzt, ob jemand die Möglichkeit der mobilen und flexiblen Arbeitszeit nutzt, ob jemand Teilzeit oder Vollzeit arbeitet usw. Das wird auch im Beurteilungsgespräch berücksichtigt. Zudem möchte ich nicht, dass jemand, egal für welches Modell er oder sie sich entscheidet, irgendwelche Voroder Nachteile davon hat. Hier sind wir als Leitung gefordert, so etwas zu vermeiden.

Behörden Spiegel: Gilt der Präsenztag für alle Mitarbeiter gleichermaßen oder kann jeder Mitarbeiter dies individuell mit der Leitung seiner Organisationseinheit vereinbaren?

Behörden Spiegel: Im Vergleich zu anderen Bundesministerien: Wie schätzen Sie die eigene Dienstvereinbarung ein? Und wie sieht es mit der Übertragbarkeit aus?

Kleindiek: Die konkrete Ausgestaltung zum mobilen und flexiblen Arbeiten muss in jeder Organisationseinheit im Team erarbeitet und entschieden werden. Das erwarte ich von Mitarbeitern und Führungskräften gleichermaßen. Dieser Prozess soll Ende September abgeschlossen sein. Unsere Empfehlung ist, mindestens einen Präsenztag vorzusehen. Wichtig ist, die Erreichbarkeit innerhalb der Organisationseinheit festzulegen. Das ist jetzt auch schon so. Und es muss anschließend mit der Abteilungsleitung rückgekoppelt werden. Dann ist die gemeinsame Konkretisierung dieser Dienstvereinbarung erarbeitet.

Kleindiek: Soweit ich weiß, ist sie die weitreichendste innerhalb der Bundesregierung, innerhalb der Bundesministerien auf jeden Fall. Das merken wir auch an den Nachfragen, die wir aus anderen Häusern bekommen. Insofern bin ich sehr froh und auch sehr stolz, dass wir eine Vorreiterrolle haben. Es ist unser Selbstverständnis und unser Anspruch als BMFSFJ, dass möglichst beste Angebot zu haben. Unsere Dienstvereinbarung lässt sich auf andere Häuser übertragen. Die Möglichkeiten mobiler und flexibler Möglichkeiten können überall genutzt werden, wenn man das denn will.

Behörden Spiegel: Wie wirkt sich dieser Prozess auf das Beur-

Das vollständige Interview lesen Sie auf www.behoerdenspie gel.de Suchwort: Kleindiek

Eigenständige Jugendpolitik Politik für junge Menschen mit jungen Menschen gestalten (BS/stb) “Jugendbeteiligung ist sinnvoll, machbar und macht Spaß”, betonte Rainer Wiebusch, Leiter des Referats “Eigenständige Jugendpolitik” im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Zudem sei eine zukunftsgerichtete Demografiepolitik nur unter starker Berücksichtigung der Jugend zu machen. Dies zeigen auch aktuelle Beispiele der Jugendpolitik. Die Möglichkeiten und jüngsten Erfolge einer inklusiven Jugendpolitik, die nicht nur Interessen Jugendlicher in den Mittelpunkt rückt, sondern Jugendliche selbst in politische Prozesse einbezieht, waren Thema eines Fachforums auf dem ersten Zukunftskongress Soziale Infrastrukturen des Behörden Spiegel in Kooperation mit dem BMFSFJ. Ziel sei es, für junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren gute Teilhabemöglichkeiten und Chancen auf selbstbestimmtes Leben zu schaffen. “Eine intensive Zusammenarbeit soll überall dort erfolgen, wo Interessen der jungen Menschen berührt sind”, hob Nils Rusche, wissenschaftlicher Referent in der Koordinierungsstelle “Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft” hervor. Die Koordinierungstelle ist zentraler Gestaltungspartner zur Umsetzung der gleichnamigen Jugendstrategie für 2015/2018 des BMFSFJ. Da Jugendpolitik nur wirksam sein kann, wenn sie die jungen Menschen vor Ort auch erreicht und einbezieht, wendet sich die Strategie des Bundesministeriums auch gezielt an Kommunen. So werden in einem Projekt “Jugendgerechte Kommunen” der Koordinierungsstelle “Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft” 16 Referenzkommunen dabei unterstützt, funktionierende Beteiligungsformen auszubauen und dabei strategische Leitlinien einer eigenständigen Jugendpolitik zu berücksichtigen. Eine dieser Referenzkommunen ist die Niedersächsische

Landeshauptstadt Hannover, in der junge Menschen sich in verschiedenen Jugendverbänden engagieren. Der Stadtjugendpfleger Volker Rohde stellte zahlreiche Beteiligungsmöglichkeiten vor. So würden regelmäßige Jugendforen von Jugendlichen selbst organisiert. Solche Formate führen zu Anregungen, die von lokalen Akteuren in Politik und Verwaltung zunehmend ernst genommen würden. “Uns geht es darum, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Jugendliche an allen relevanten politischen Handlungsfeldern partizipieren können”, fasste Rohde das Kernanliegen des Projekts zusammen. Einig waren sich die Redner des Fachforums darüber, dass am 16. März dieses Jahres ein wichtiges Signal für die eigenständige Jugendpolitik gesetzt werden konnte. Beim Demografiegipfel in Berlin waren Lösungsvorschläge zum Umgang mit dem demografischen Wandel von

Jugendlichen auf der Bühne präsentiert worden “Damit haben wir gezeigt, dass wir uns konstruktiv einbringen können, wenn wir die Chance bekommen”, sagte Mustafa Fakhro, der sich an der Aktion beteiligt hatte. Der Abiturient engagiert sich bereits seit 2015 an der Planung eines Jugendparlamentes im Landkreis Friesland. Im Fachforum beschrieb Fakhro gemeinsam mit Sandra Gudehus, Kreisjugendpflegerin im Landkreis Friesland, die vielen kleinen Schritte, die unter Beteiligung von jungen Menschen zur Umsetzung der ambitionierten Idee nötig waren. Das erste Jugendparlament Friesland soll schon im August von Jugendlichen zwischen 12 und 21 Jahren gewählt werden. Im Herbst sollen Vertreter in die Fachausschüsse des Landkreises entsendet werden, um dort an politischen Diskussions-und Entscheidungsprozessen zu partizipieren.

Stellten den Planungsprozess zur Einrichtung eines Jugendparlamentes im Landkreis Friesland vor: Abiturient Mustafa Fakhro und Kreisjugendpflegerin Sandra Gudehus. Foto: BS/Giessen


Länder

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Was kommt am Ende raus?

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ie Opposition von CDU und FDP im Landtag beantragte einen Untersuchungsausschuss “Rechtsverstöße bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der Verantwortung der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen”. Dieser ist inzwischen konstituiert. Neun Landtagsabgeordnete sollen ab dem 1. August 2017 in 15 Sitzungsterminen insgesamt 100 Fragen zur Auftragsvergabe innerhalb der Landesregierung klären. Selbst die regierende SPD hat zugestimmt, wenn auch mit Bedenken. “Man kann schon jetzt erkennen, dass es der Opposition nicht um Sachaufklärung geht, sie will nur skandalisieren”, sagt Grant Hendrik Tonne, Obmann der SPD in dem Gremium. Auslöser waren festgestellte Unstimmigkeiten bei drei nichteuropaweiten Ausschreibungen des Wirtschaftsministeriums. Bei den Ausschreibungen zur Entwicklung eines Standortmarketing-Portals, zum Projektmanagement und zur Öffentlichkeitsarbeit der Werbe-Tour für Elektromobilität “Sieben Städte, sieben Hersteller!” im Jahr 2015 sowie dem Beitrieb einer Repräsentanz des Landes in Chicago wurden Bieter bevorzugt behandelt, indem Vorgespräche geführt wurden oder Ausschreibungsunterlagen vor Bekanntmachung zugestellt wurden bzw. ausschließlich mit

Untersuchungsausschuss im Landtag / Ministerium hat reagiert (BS/Jörn Fieseler) Was früher Ausdruck besonderer Qualität war, ist heute öffentlich verpönt, aber für Auftragnehmer besonders lukrativ: das Hoflieferantentum. Das Vergaberecht soll dies sogar unterbinden, durch die Grundsätze von Wettbewerb und Transparenz, Nichtdiskriminierung und Wirtschaftlichkeit, doch was, wenn das Verfahrensrecht nicht eingehalten wird? Dann kann schnell ein Politikum daraus werden – wie jüngst in Niedersachsen geschehen. einem Bieter ohne Vergleichsangebote verhandelt wurde. Wirtschaftsminister Olaf Lies steht seitdem in der Kritik von CDU und FDP. CDU-Politiker Uwe Schünemann spricht von der “Auftragsvergabe nach der Methode Lies”. Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Daniela Behrens, die persönlich in den Fall der StandortmarketingPlattform involviert war, musste bereits ihren Posten räumen. Ein zwischenzeitliches Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, die Vergabeorganisation im Ministerium zu ändern und einen Sonderbeauftragten einzurichten.

Neue Vergabestelle im Wirtschaftsministerium Bislang musste der Einkauf von Produkten über den Landesbetrieb Logisitik Niedersachsen (LZN) erfolgen. Das soll auch weiter so bleiben. Vergaben, wie Dienstleistungsaufträge, sollen

Offensive in NRW Dienstrecht wird zurückgedreht (BS/jf) Die Regierungsmannschaft des neuen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet steht. Vier Frauen und acht Männer werden die Leitung der zwölf Ministerien übernehmen. Mit dem Heimatministerium wird eine neue oberste Landesbehörde geschaffen. Und auch den Öffentlichen Dienst nimmt die neue Landesregierung in den Blick. Die Zeichen stehen auf Sparen. “Wir werden die Schuldenbremse einhalten”, heißt es in dem 125-Seiten umfassenden Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Regierung. Dazu soll die gesamte Verwaltung einer “ehrlichen Aufgabenkritik” unterzogen werden, mit dem Ziel, das vorhandene Personal effektiver und zielgerichteter einzusetzen. Zudem ist beabsichtigt, nicht benötigte Stellen zu identifizieren und konsequent abzubauen. Im Gegenzug liegt ein wesentlicher Schwerpunkt der Regierungsarbeit auf der Entbürokratisierung. Dazu gehören die Einrichtung eines Normenkontrollrates und ein BürokratieTÜV in Gesetzgebungsverfahren auf Landesebene. Und die Möglichkeiten der Digitalisierung sollen stärker genutzt werden (siehe Seite 26). Parallel ist bei der Polizei und in der Schulverwaltung die Einstellung von Verwaltungsassistenzkräften vorgesehen. Diese sollen Lehrer und Polizisten bei der Verwaltungsarbeit unterstützen oder sogar ganz entlasten. Während im Schulwesen dies noch neu ist, sind in der Landespolizei bereits 350 Assistenzkräfte eingestellt. Deren Verträge sollen entfristet, jeweils 500 sollen als Tarifbeschäftigte zwischen 2018 und 2021 eingestellt werden. Trotz Sparkurs ist für den Öffentlichen Dienst eine Attraktivitätsoffensive geplant. Dazu gehört, die Pensionsvorsorge zu stärken und das Dienstrecht weiterzuentwickeln. Bei Letzterem nennt die neue Koalition zehn Vorhaben. So ist einerseits geplant, ein Rückkehrmanagement für Wiedereinsteiger einzurichten und andererseits sollen Leistungsanreize für motivierte Beschäftigte geschaffen werden. Zudem kündigt Laschets Regierung an, die Frauenförderung im Öffentlichen Dienst wirkungsvoll zu gestalten und verfassungswidrige Regelungen abzuschaffen. Die Diskussion um den in Rede stehenden § 19

Behörden Spiegel / Juli 2017

Abs. 6 Landesbeamtengesetzt dürfte damit beendet sein. Weitere Maßnahmen sind der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zuzuordnen. Dazu gehört die Entwicklung eines ganzheitlichen Sicherheitskonzeptes für die gesamte Landesverwaltung, um die Mitarbeiter besser vor Gewalt zu schützen. Aber auch die Entbürokratisierung der Beihilfe, die Schaffung eines Verfallsschutzes bei angeordneten Mehrstunden sowie deren einmalige finanzielle Auszahlung. Zu guter Letzt sollen Langzeitarbeitskonten eingerichtet und die Koordination des Gesundheitsmanagements in einem Ressort gebündelt werden.

Die neue Leitung Acht Ministerin werden künftig von der CDU besetzt, drei von der FDP. Eine Ministerin ist parteilos. So sieht die neue Ministerriege in NRW aus: Innenminister: Herbert Reul (64, CDU). Finnzminister: Lutz Lienenkämper (48, CDU). Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Karl-Josef Laumann (59, CDU). Heimatministerin: Ina Scharrenbach (40, CDU). Justizminister: Peter Biesenbach (69, CDU). Umweltministerin: Christina Schulze Föcking (40, CDU). Verkehrsminister: Hendrik Wüst (41, CDU). Europaminister: Stephan Holthoff-Pförtner (68, CDU). Kultusministerin: Isabel Pfeiffer-Poensgen (63, parteilos). Familienminister: Joachim Stamp (47, FDP). Wirtschaftsminister: Andreas Pinkwart (56, FDP). Schulministerin: Yvonne Gebauer (50, FDP). Weitere Informationen zu den kommunalen Vorhaben im Koalitionsvertrag auf Seite 21.

schreibungen ab einem Wert von 5.000 Euro untersucht werden, die freihändig vergeben wurden und bei denen weniger als drei Angebote vorlagen, sowie viertens alle Verfahren ab einem Auftragswert von 500 Euro, die aus den Büros von Ministern und Staatssekretären veranlasst worden sind. Grund: In der Staatskanzlei kam es im Rahmen der Ausschreibungen um den Werbeslogan “Niedersachsen.klar” anscheinend ebenfalls zu Bieterbevorzugungen. Genauer hingeschaut: Zahlreiche Vergaben seit dem Jahr 2013 sollen in Niedersachsen durch einen Untersuchungsausschuss unter die Lupe genommen werden. Die Opposition wirft der Landesregierung die Bevorzugung einzelner Bieter vor. Foto: BS/Thomas Siepmann, pixelio.de

in einer neuen zentralen Vergabestelle im Wirtschaftsministerium gebündelt werden. Bisher haben die jeweiligen Referate diese selbst durchgeführt. Wenn nötig, wurde dabei das Vergaberechtsreferat des Hauses einbezogen. Seit Mitte Juni übernimmt die Zentrale Vergabestelle mit derzeit vier Mitarbeitern aus den Bereichen Vergabe, Organisation/Prozessanalyse und Recht diese Aufgabe. Dazu gehören die Abwicklung des Verfahrens, von der Wahl des Verfahrens über die Überprüfung der Leistungsbeschreibung bis

hin zur Zuschlagserteilung, teilt eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mit. CDU und FDP gehen diese Maßnahmen nicht weit genug. Sie wollen nicht nur die bisher bekannten Fälle untersuchen, sondern auch weitere Vergabeverfahren seit Februar 2013 untersuchen. Erstens diejenigen, bei denen die Pressestelle des Wirtschaftsministeriums beteiligt war, zweitens Verfahren, die an den Auftragnehmer erteilt wurden, der auch die Repräsentanz in Chicago betreibt. Und drittens sollen sämtliche Aus-

Folgen und Alternativen Und die Konsequenzen? Die Vergabeverfahren sind mit der Erteilung des Zuschlags abgeschlossen. Wenn aber der Wettbewerb so gestaltet wurde, dass nur ein Bieter zum Zuge kommen konnte, handelt es sich um einen Pseudo-Wettbewerb. “Dann ist es eine Art De-factoVergabe, gemäß § 134/135 GWB”, erläutert Dr. Rainer Noch, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Oppler Büchner Rechtsanwälte PartGmbB in München. Sofern sämtliche Vertragsbestandteile noch nicht erfüllt seien, greife dann der Grundsatz der Ex-tunc-Unwirksamkeit. Der bestehende Vertrag müsste gekündigt, die bisher erbrachten Leistungen bezahlt und die

übrigen Bestandteile neu ausgeschrieben werden. Diese Regelungen greifen jedoch nur bei Ausschreibungen oberhalb der EU-Schwellenwerte, betont der Rechtsanwalt. Unterhalb müsste dazu erst ein Verstoß gegen das Haushaltsrecht nachgewiesen werden. Darüber hinaus bliebe unterlegenen Bietern nur der zivilrechtliche Weg, um einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen zu können. Dabei obliege ihnen die Darlegungsund Beweispflicht. Besser wäre es gewesen, der Auftraggeber hätte die Vorgespräche nicht nur mit einem Bieter, sondern gleich mit mehreren im Rahmen einer Bieterkonferenz geführt, rät Noch. Die so gewonnenen Erkenntnisse hätten dann im Rahmen der Bekanntmachung auch allen anderen potenziellen Bietern zur Verfügung gestellt werden müssen. “Oder aber die Leistung wäre eingekauft und der Projektant anschließend bezahlt worden. Dann müsste aber im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses geregelt werden, dass er bei der Folgeausschreibung nicht teilnehmen kann”, erläutert der Vergaberechtler die andere Alternative. Weitere disziplinarische Maßnahmen, wie die Entlassung von Staatssekretärin Behrens, wird es vorläufig nicht geben. “Die Vorgänge werden hinsichtlich der Verfehlungen, die zu disziplinarischen Maßnahmen gegenüber Bediensteten oder zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegenüber Beschäftigten führen können, geprüft. Die Prüfung ist nicht abgeschlossen”, so eine Ministeriumssprecherin abschließend.

Stimmt die Richtung? Schleswig-Holstein soll sich besser auf demografischen Wandel vorbereiten (BS/jf) Der Personalabbaupfad wird weiter umgesetzt. Darauf hat sich die neue Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein geeinigt. Allerdings mit einigen Modifikationen. Kritische Töne des Landesrechnungshofes wurden teilweise aufgegriffen. Dem demografischen Wandel und dessen Folgen will die Regierung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) begegnen, indem die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes gesteigert wird. Zudem wollen Finanzministerium und Staatskanzlei die Datenlage beim Personal verbessern. Trotzdem eine ambivalente Situation. Einerseits sollen zwischen 2017 und 2020 rund 2.100 Stellen wegfallen, andererseits will das Land als Arbeitgeber attraktiver werden. Allerdings weicht die neue Regierung aus CDU, Grünen und FDP von den bisherigen Zielvorgaben in einigen Bereichen ab. So ist beabsichtigt, die Zahl der Lehrer nicht um 1.600 zu verringern, sondern hier Stellenmehrbedarfe für Unterrichtsversorgung in allen Schulen abdecken. Bei der Polizei werden bis 2023 500 Stellen aufgestockt. Trotzdem werden die kw-Vermerke im Personalhaushalt für die kommenden Jahre umgesetzt. Mehrbedarfe in der Gerichtsbarkeit sollen zudem an anderer Stelle kompensiert werden. “Staatskanzlei, Finanzministerium und Fachressorts stellen die Einhaltung der Vorgaben zum Stellenabbau sicher. Der Stellenabbau soll sich an einer ressortinternen Aufgabenbewertung orientieren”, heißt es im Koalitionsvertrag.

Ein Drittel geht in Ruhestand Demgegenüber hat der Landesrechnungshof (LRH) unter Leitung der Präsidentin Dr. Gaby Schäfer in seinen Bemerkungen 2017 ausgeführt, “es entsteht der Eindruck, in den Ressorts endet der Planungshorizont 2020. Den demografischen Wandel bis 2030 haben einige Ministerien noch nicht im Blick.” Denn bis 2028 werden rund 17.700 Beschäftigte, fast ein Drittel des gesamten Personals, in den Ruhestand gehen. “Die Bemerkungen des Landesrechnungshofes nehmen wir ernst und werden uns intensiv mit ihnen auseinandersetzen”, sagte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende, Tobias Koch. Und Dr.

Heiner Garg, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, ergänzt: “Der Landesrechnungshof weist zu Recht darauf hin, dass die Landesregierung nicht nur darauf reagieren darf, sondern die Personalpolitik auf diese Herausforderung abstimmen muss. Das Land als Arbeitgeber muss sich mit geeigneten Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung fit für die Zukunft machen – daran führt kein Weg vorbei.” Deshalb wollen die Regierungsparteien die Gehalts- und Besoldungsstruktur überarbeiten. Als erste Maßnahme ist deshalb beabsichtigt, im Etat 2018 das Budget für Beförderungen zu erhöhen. “Wenn die Aufgaben und die Verantwortung steigen, soll sich das auch im Gehalt widerspiegeln”, begründet Lasse Petersdotter von der Grünen-Fraktion im Landtag diesen Schritt. Außerdem sollen das Personalmanagement modernisiert, das dazugehörige Entwicklungskonzept weiterentwickelt werden. Schon jetzt werden sämtliche relevante Daten in einem Personalstruktur- und Managementbericht zusammenfassend dargestellt. Daneben führen die Ressorts eigene Abgangslisten für spezifische Bereiche mit größtenteils eigenen Ausbildungsgängen wie Polizei, Finanzverwaltung, Justiz. Parallel arbeitet das Land an der Verbesserung der Datenlage insbesondere mit dem Personalprogramm KoPers. Aus Sicht des LRH wäre es jedoch wünschenswert, wenn nicht nur die einzelnen Ressorts die genauen Abgänge kennen würden, sondern es auch eine ressortübergreifende Übersicht gebe. “Es ist richtig, dass die

Der Landesrechnungshof Schleswig-Holsteins kritisierte die alte Regierung, beim demografischen Wandel nicht genug zu unternehmen, lobte zugleich die getroffenen Maßnahmen als Schritte in die richtige Richtung. Auch die neue Regierung will in Sachen Personal weiter voranschreiten. Foto: BS/Florian Fierz, pixelio.de

Kenntnisse darüber, welche einzelnen Berufsgruppen innerhalb der Landesverwaltung besonders vom demografischen Wandel betroffen sind, sehr eingeschränkt sind”, bekräftigt der SSW-Vorsitzende im Landtag, Lars Harms. Deshalb müsse schnellstmöglich dafür Sorge getragen werden, dass KoPers vollständig funktioniere, was nicht der Fall sei.

Vernetztes und koordiniertes Vorgehen gefordert Keine Aussagen der neuen Regierung finden sich im 115-seitigen Koalitionsvertrag zu den Vorschlägen des Rechnungshofes zur Aufgabenwahrnehmung und Organisationsstruktur. Beides müsse ebenfalls mit Blick auf den demografischen Wandel hinterfragt werden. Vor allem würden die Ressorts kaum auf den eigenen Aufgabenbestand achten und ob dieser demografiebedingt in anderen Strukturen erledigt werden könne. Positiv gewürdigt wurden hingegen

die Entwicklung und Umsetzung eines gemeinsamen Handlungsplans zu flexiblen Arbeitsformen. Dies seien Schritte in die richtige Richtung, aber längst nicht ausreichend. Es brauche ein vernetztes, ressortübergreifendes Vorgehen. Und letztlich soll sich das Land besser vermarkten und mittels strukturiertem Wissensmanagement die beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen der Mitarbeiter sichern. “Das ist eine ambivalente Situation. Zum einen fordert der Landesrechnungshof Stellenabbau, zum anderen kritisiert er einen möglichen Wissensverlust im Öffentlichen Dienst durch den demografischen Wandel”, kritisiert die Sprecherin für die öffentliche Verwaltung der SPD-Landtagsfraktion, Beate Raudies, den LRH. Sie sieht in der Fortführung des Personalabbaupfades zudem die Gefahr, dass zu viel Wissen verloren geht und die Handlungsfähigkeit der Verwaltung eingeschränkt wird.


Finanzen

Behörden Spiegel / Juli 2017

Rüge vom Rechnungshof Til-Schweiger-Tatorte viel zu teuer (BS/lkm) Der Niedersächsische Rechnungshof kritisiert in einem aktuellen Jahresbericht, dass die Produktionskosten des NDR für Folgen der Kriminalserie “Tatort” regelmäßig die veranschlagten Kosten übersteigen, teilweise bis zu 20 Prozent, im Mittel um 7,5 Prozent. Im Jahresbericht der Behörde heißt es zudem, dass die Produktionskosten für die “Tatort”-Episoden des NDR deutlich über dem ARD-Durchschnitt liegen. Im Schnitt übersteigen die Produktionskosten beim NDR den ARD-Durchschnitt um 13 Prozent. Die ARD-Anstalten verbreiten seit 1970 jährlich 43 bis 48 Folgen der Reihe “Tatort” als Erstausstrahlung. Der NDR beteiligt sich am “Tatort” mit in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein spielenden Folgen. Die Rechnungshöfe von Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben neun der 18 zwischen 2012 und 2014 vom NDR in Auftrag gegebenen Tatortproduktionen geprüft. Das Ergebnis: Die durchschnittlichen Produktionskosten des NDR lagen dabei mit 1,7 Millionen Euro über dem ARD-Durchschnitt (1,5 Millionen Euro). Der NDR begründete seine über dem Durchschnitt liegenden Kosten mit der Verpflichtung besonders bekannter und deshalb kostenintensiver Schauspieler, Drehbuchautoren und Regisseure, die zur Reichweitensteigerung der NDR-Tatortproduktionen beitragen sollen. Für die Rechnungsprüfer ist das jedoch kein stichhaltiges Argument, da auch die Tatortproduktionen anderer Sendeanstalten mit hochkarätigen Darstellern besetzt seien. Darüber hinaus liege der Anteil der Regie- und Drehbuchhonorare in Relation zu den Gesamtaufwendungen der Produktionen regelmäßig unter fünf Prozent und sei deswegen zu vernachlässigen. Auch könne die vom NDR erhoffte Reichweitensteigerung durch kostenintensivere Produktionen nicht durchgängig durch die Reichweitenmessungen bestätigt werden.

Keine vollständige Transparenz über Kosten In Hamburg ermittelt unter anderem Til Schweiger als Kommissar Nick Tschiller. Bei der teuersten Tatort-Produktion des NDR (2,1 Millionen Euro), die den ARD-Durchschnitt um 40 Prozent übertraf, dürfte es sich um die “Tatort”-Episode “Der große Schmerz” gehandelt haben. Neben Tatort-Kommissar Til Schweiger hatte hier auch Sängerin Helene Fischer eine Gastrolle als russische Auftragskillerin. Neben den hohen Kosten kri-

Dreharbeiten für den NDR-Tatort “Borowski und der Engel” in der Pinneberger Innenstadt Foto: BS/Frank Schwichtenberg, cc by 3.0

tisieren die Rechnungsprüfer auch die Intransparenz bei der Kalkulation der Produktionskosten. So hat der NDR Einzelposten von bis zu 85.000 Euro nicht detailliert, sondern pauschal auf Basis von Erfahrungswerten überprüft und Gemeinkosten in der Gesamtkostendarstellung nicht ausgewiesen. Pauschale Abschläge, die der NDR im Rahmen seiner Prüfungen vornimmt, seien nicht begründend dokumentiert. Die Rechnungshöfe halten dieses Verfahren für inhaltlich unzureichend, nicht ausreichend transparent und nicht hinreichend gegen Korruption gesichert. Gerade auch vor dem Hintergrund seiner vergleichsweise hohen Produktionskosten haben sie den NDR aufgefordert, nachvollziehbare Kriterien für die Überprüfung der Kalkulation zu entwickeln, durchgeführte Preisvergleiche zu dokumentieren und angemessene Vorsorge gegen Korruption zu treffen. Zudem weise der NDR seine Gemeinkosten für die Tatortproduktionen nicht aus, obwohl diese den Rechnungsprüfern zufolge den einzelnen Produktionen zugeordnet werden könnten und im Durchschnitt etwa 50 Prozent der Produktionskosten ausmachten. Die Rechnungshöfe haben den NDR aufgefordert, den zu er-

wartenden Aufwand für die Produktion einzelner Tatortfolgen intern vollständig darzustellen und hierbei insbesondere seine anteiligen Gemeinkosten zu berücksichtigen. Zudem soll der NDR den Nachweis führen, dass “insbesondere die hohe Spannweite bei den Vergütungen der Hauptdarsteller” und die damit zusammenhängende hohe Varianz bei den Produktionskosten in einem angemessenen Verhältnis zur Reichweite der jeweiligen Tatortfolgen stehe.

Schweiger kann Kritik nicht nachvollziehen Der vermutlich größte Kostenfaktor schoss auch prompt zurück. In der Bild betonte Til Schweiger, er habe einen Action-getriebenen “Tatort” machen wollen. “Jetzt weiß man vielleicht als Prüfer nicht, dass ein Action-Film viel teurer ist als ein Film, wo zwei Kommissare im Büro sitzen und darüber reden, wer der Täter sein könnte”, moniert Schweiger. Wenn er für zwei Millionen Euro so viel Action machen könne, frage er sich zudem, warum ein “Tatort”, der zu 90 Prozent auf der Polizei-Wache spielt im Durchschnitt 1,5 Millionen kostet. “Der müsste doch eigentlich viel billiger sein! Das Ganze ist doch absurd!”, so Schweiger weiter.

Solidaritätszuschlag wird Wahlkampfthema Kein schnelles Ende nach 2019 (BS/lkm) CDU und CSU wollen den Solidaritätszuschlag ab 2020 schrittweise abschaffen. Für die kommende Wahlperiode soll die Entlastung rund vier Milliarden Euro betragen. Auch die SPD hat den Soli als Wahlkampfthema entdeckt. Im Falle eines Wahlsieges wollen die Sozialdemokraten niedrige und mittlere Einkommensgruppen beim Sozialbeitrag entlasten. Für Einkommen bis 52.000 Euro soll der Soli demnach abgeschafft werden. Der Solidaritätszuschlag beträgt aktuell 5,5 Prozent des Steuerbetrags aus Einkommen-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer. Er war 1991 eingeführt worden, um die neuen Bundesländer nach der Wende finanziell zu unterstützen. Verfassungsgemäß läuft er 2019 aus. 2014 spülte der sogenannte Soli rund 15 Milliarden Euro in die Staatskasse. Dem Bund der Steuerzahler (BdSt) zufolge werden es 2018 rund 18 Milliarden Euro und ab dem Jahr 2020 jährlich mehr als 20 Milliarden sein. Für den Verband sind die Unions-Pläne zu unambitioniert, die Union bleibe hinter ihren Möglichkeiten zurück. “Mit dem zögerlichen SoliAbbau knausert die Union an der falschen Stelle”, kritisiert BdSt-Präsident Reiner Holznagel. “Wir fordern: Mit dem Soli-

daritätszuschlag muss spätestens 2020 Schluss sein, wenn die Finanzhilfen für den “Aufbau Ost” ohnehin ausgelaufen sind. Beides hatte die Politik stets miteinander verknüpft”, so Holznagel weiter. Auch die FDP drängt auf eine zügigere Abschaffung des Solis: “Ende 2019 läuft der Solidarpakt aus und auch der Länderfinanzausgleich muss bis 2019 neu geregelt werden. Spätestens dann ist die Erhebung des Solidaritätszuschlags nicht mehr zu rechtfertigen”, kritisierte FDPPräsidiumsmitglied Hermann Otto Solms. FDP-Chef Christian Lindner geht sogar noch weiter. Es schlägt als Sofortmaßnahme vor, alle Einkommen bis 50.000 Euro sofort vom Solidaritätszuschlag zu befreien, bevor er dann nach 2019 komplett gestrichen werden soll. “Ich finde es enttäuschend, dass die Union

kein Ziel nennt, bis wann der Soli ausgelaufen sein soll”, monierte Lindner mit Blick auf das CDU-Wahlprogramm, das zwar eine Reduzierung für die kommende Wahlperiode vorsehe, aber kein Enddatum für den Zuschlag nenne. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wurde hierzu in einem Interview in der WirtschaftsWoche im September 2016 schon konkreter. Er machte dort den Vorschlag, den Solidaritätszuschlag ab 1. Januar 2020 in elf gleichmäßigen Raten bis 1. Januar 2030 abschaffen zu wollen. Grüne und Linke wollen den Soli hingegen behalten. Für Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Mitglied im Vorstand der Linksfraktion im Bundestag, käme eine Abschaffung einer “Aufkündigung der bundesdeutschen Solidarität” gleich.

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PERSONALIEN

Lienenkämper neuer NRW-Finanzminister (BS) Lutz Lienenkämper ist seit Anfang des Monats der neue Finanzminister von NordrheinWestfalen. Der 48-Jährige löst Norbert Walter-Borjans (64) ab, der das Ministerium sieben Jahre lang leitete. Lienenkämper arbeitete in den vergangenen Jahren als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDULandtagsfraktion. Bereits von 2009 bis 2010 war er als NRWMinister tätig. Unter der CDU/ FDP-Regierung von Jürgen Rüttgers führte er das Ministerium für Bauen und Verkehr. Der gebürtige Kölner lebt im niederrheinischen Meerbusch. Nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn und seinem ersten Staatsexamen arbeitete er zunächst als Referendar in Kempen, Krefeld, Kaarst und

rauf, diese Arbeit mit einer hoch motivierten und sehr anerkannten Mannschaft anzugehen”, sagMinisterpräsident Armin Late Lienenkämper. schet hat Lutz Lienenkämper Neuer Staatssezum Minister der Finanzen kretär der Finandes Landes Nordrhein-Westfalen ernannt. zen ist Patrick Opdenhövel (53), Foto: BS/Laurence Chaperon der die vergangeDüsseldorf. Nachdem er im Jahr nen sieben Jahre im Haus die 1996 sein zweites juristisches Abteilung VI geleitet hatte, die Staatsexamen abgelegt hatte, unter anderem für den landeseisammelte er zwölf Jahre lang genen Bau- und LiegenschaftsErfahrungen als Rechtsanwalt betrieb (BLB) zuständig ist. in einer wirtschaftsrechtlich Davor war Opdenhövel Abteiausgerichteten Düsseldorfer lungsleiter “RessortkoordinatiSozietät. Seit 2005 ist Lutz Li- on” in der Düsseldorfer Staatsenenkämper Landtagsabgeord- kanzlei und stellvertretender Abteilungsleiter “Planung und neter in Nordrhein-Westfalen. “Ich habe Respekt vor der neu- Controlling” in der hessischen en Aufgabe und freue mich da- Staatskanzlei.

Bethge neue VÖB-Hauptgeschäftsführerin (BS) Seit Anfang Juli 2017 ist Iris Bethge Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentlicher Banken, Deutschlands (VÖB). Nach Empfehlung des Vorstandes wählte sie die Mitgliederversammlung im März 2017 einstimmig. Bethge wird in ihrer Funktion auch Beiratsvorsitzende der VÖB Service GmbH sein. Anfang Juni 2017 wurde sie bereits in den Vorstand des Europäischen Verbandes Öffentlicher Banken (EAPB) in Brüssel gewählt. Präsident Dr. Johannes-Jörg Riegler: “Als neue Hauptgeschäftsführerin wird Iris Bethge den Verband noch stärker als Dienstleister für seine Mitglieder positionieren und gleichzeitig seine Fachexpertise weiter ausbauen. Iris Bethge vereint hohe Fachlichkeit, Professionalität und ist eine starke TeamPlayerin. Ich freue mich sehr auf

VÖB ist heute besser denn je aufgestellt und ich werde als Hauptgeschäftsführerin die wirkungsvolle Iris Bethge ist neue HauptInteressensvergeschäftsführerin des VÖB. tretung unserer Foto: BS/VÖB Mitgliedsbanken klar in den Mittelpunkt meiner die gemeinsame Zusammenar- Arbeit stellen.” Iris Bethge (Jahrgang 1969) war beit!” Iris Bethge: “Alle Banken ste- seit 2009 Geschäftsführerin des deutscher hen vor großen Herausforde- Bundesverbandes rungen. Der zunehmende Re- Banken (BdB) und dort u. a. für gulierungsdruck wird verstärkt die Kommunikation verantwortdurch die Niedrigzinsphase und lich. Zuvor war die gebürtige die Digitalisierung. Das alles be- Niedersächsin u. a. Sprecherin lastet die gesamte Kreditwirt- und Leiterin der Kommunikaschaft. Gerade in diesem sehr tion von Ministerin Dr. Ursula herausfordernden Umfeld brau- von der Leyen sowie Leiterin des chen die öffentlichen Banken ei- Leitungsstabes im Bundesminen leistungsstarken Verband, nisterium für Familie, Senioren, der sie spürbar entlastet. Der Frauen und Jugend.

Reform des Haushalts- und Rechnungswesens 6. Hamburger Fachtagung 2017 (BS/Torsten Domroes*) Von der spannenden Analyse des ehemaligen Vizepräsidenten der Deutschen Bundesbank Dr. Jürgen Stark zu den Auswirkungen von Niedrigstzins und Schuldenexzessen bis zu den Ergebnissen eines Forschungsprojekts zum neuen doppischen Haushaltswesen in Hamburg reichte der inhaltliche Bogen der 6. Hamburger Fachtagung, die von der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Dennis Hilgers (Johannes Kepler Universität Linz) veranstaltet wurde. Die hohe Schuldenlast bedroht die Handlungsspielräume öffentlicher Haushalte weiterhin. So wies Dr. Jürgen Stark darauf hin, dass der Schuldenabbau bereits bei einer Erhöhung des Zinsniveaus um 0,5 Prozentpunkte deutlich erschwert werde. Für eine notwendige Bewusstseinsschärfung sei die Transparenz erforderlich, wie sie in Hamburg durch die Reform des Rechnungswesens bereits umgesetzt worden sei. Der Hamburger Staatsrat Dr. Christoph Krupp bezeichnete diese als einen langen, aber hilfreichen Prozess, der vor Illusionen bewahre. Er konnte Beispiele für hilfreiche, aber auch unangenehme Erkenntnisse z. B. aus dem Abgleich der Hamburger Verkehrsinfrastruktur zwischen den Systemen der Anlagenbuchhaltung und den hierzu geführten Fachsystemen anführen. Einen interessanten Kontrapunkt steuerte Dr. Lukas Haffert (Universität Zürich) bei, indem er forderte, die langfristigen Konsolidierungsfolgen in den Blick zu nehmen und spätere Überschüsse auch für die Rückkehr zum vorherigen Investitionsniveau zu nutzen. Die erhebliche materielle Diskrepanz von kameraler und doppischer Rechnungslegung wurde von Prof. Hilgers aufgezeigt, bevor er am Beispiel der

schon doppisch buchenden Kommunen die Kosten einer Einführung von europäischen Rechnungslegungsvorschriften (EPSAS) relativierte und Belege für die Wirkung doppischer Rechnungslegung anführte. Die Bedeutung der IPSAS-basierten doppischen Rechnungslegung nicht zuletzt für die Bemessung der Forderungen der EU gegenüber Großbritannien nach der Brexit-Entscheidung stellte der Brüsseler Generaldirektor der Europäischen Kommission für Internal Audit Dr. Manfred Kraff heraus. Die Umstellung der Haushaltsrechnung entsprechend der IPSAS-Normierung in Österreich schilderte die Leiterin der Budgetsektion im österreichischen Bundesfinanzministerium Helga Berger, die auch auf die eingeschränkte Vergleichbarkeit von Abschlüssen durch die nach den IPSAS gegebenen Wahlrechte hinwies. Einen Überblick zum Diskussionsstand der Eurostat-Arbeitsgruppe zur EPSAS-Einführung vermittelte der Autor als Beobachter für den Bundesrat. Die Anpassung der Standards im Zuge der EPSAS-Einführung hielt er wegen der Bindung der EPSAS an die IPSAS für fraglich. Prof. Dr. Andreas Bergmann (ZHAW Winterthur) stellte empirische Ergebnisse zur Wirksamkeit doppischer Rechnungsle-

gung vor und machte deutlich, dass der angewendete doppische Standard zur Kultur der jeweiligen Einheit passen müsse und dessen Wirksamkeit nicht von seiner konkreten Ausprägung abhänge. Spannende Einblicke in die aktuellen Ansätze zur Wirksamkeitsorientierung vermittelten die Stadtkämmerin von Köln Gabriele C. Klug mit ihrem Werkstattbericht zur Entwicklung eines strategischen Ansatzes zur Nachhaltigkeit und Prof. Dr. Reto Steiner (Universität Bozen), der die Bedingungen sinnvoller Leistungsvorgaben im kommunalen Raum skizzierte. Nach einem Erfahrungsbericht von Jan Quast, MdHB diskutierten die haushaltspolitischen Sprecher der Hamburgischen Bürgerschaft Konsequenzen aus den von Kristin Wagner und Helge C. Brixner (arf GmbH) vorgestellten Ergebnissen des Forschungsberichts zum neuen doppischen Haushaltswesen. Die Folien zu den Vorträgen der Tagung sind unter www.fachta gung-hamburg.de abrufbar. *Torsten Domroes ist Ständiger Beobachter in der EPSAS Working Group im Auftrag des Bundesrates und Leiter des Projekts EPSAS der Finanzbehörde Hamburg.


Beschaffung / Vergaberecht

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Neues amtliches Verzeichnis

► Entscheidungen zum Vergaberecht ► TEILAUFHEBUNG

Ergänzungs-LV möglich Mit nur den fehlerhaften Positionen Erst nach Submission bemerkt der Auftraggeber, dass sein LV in einigen Positionen fehlerhaft ist. So hat er in manchen Fällen die Mengenvorsätze zu hoch angegeben. Einige wenige Leistungspositionen fehlten völlig. Um diesen Fehler zu beheben, erklärt er den Bietern, sie sollten ein bereitgestelltes ErgänzungsLV ausfüllen, in dem die jeweiligen Preisdifferenzen zum ursprünglichen LV anzugeben waren. Aus der Kombination von Ur-LV mit dem Ergänzungs-LV hat der Auftraggeber dann die Wertungspreise errechnet. Das hatte zur Folge, dass der im Ur-LV um 0,02 Prozent günstigere Bieter nun auf den zweiten Platz abgerutscht ist. Seine Nachprüfung blieb erfolglos. Er hatte vorgetragen, dass eine Teilaufhebung und Rückversetzung zur Korrektur nur bei fehlerhaftem, nicht aber bei unvollständigem LV möglich sei. Dem widerspricht die Vergabekammer, die keinen Hinderungsgrund für dieses Vorgehen sieht. Schließlich könne der Auftraggeber ja nicht gezwungen werden, etwas zu beschaffen, was an seinem tatsächlichen Bedarf vorbeigehe. Auch sei die Korrektur durch ein Ergänzungs-LV zulässig. Der Auftraggeber müsse bei der Fehlerberichtigung nicht erneut ein komplettes LV bepreisen lassen, solange die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung gewahrt blieben, was hier der Fall sei. VK Bund (Beschl. v. 14.02.2017, Az.: VK 1-140/16)

► MIGRATION

Kostenvorteil unbeachtlich Vorauftragnehmer ist kein Projektant! Der Auftraggeber schrieb den Betrieb eines Speziallagers aus, nachdem der aktuelle Betreibervertrag kurz vor dem Auslaufen steht. Das Lager benötigt spezielle Sicherheitsvorkehrungen gegen unbefugten Zutritt und spezielle Brandschutzeinrichtungen, die weit über das übliche Maß hinausgehen. Der aktuelle Auftragnehmer hat ein solches Lager für den Auftraggeber errichtet. In der Neuausschreibung ist vorgesehen, dass der Auftragnehmer das Lager zur Verfügung zu stellen hat. Für die Migration des Lagerbestandes und die Anschubkosten hat er im Leistungsverzeichnis eine eigene Position vorgesehen, denn er beabsichtigt, dem künftigen Auftragnehmer diese Kosten bereits im ersten Leistungsjahr vollständig zu erstatten. Das hält ein Bieter für unzulässig. Er meint, die Migrationskosten dürften gar nicht gewertet werden. Denn schließlich fielen diese Kosten für den Vorauftraggeber gar nicht an. Durch die Wertung der Migrationskosten erhalte der einen nicht einholbaren Wettbewerbsvorteil. Die Vergabekammer allerdings sieht das ganz anders. Sie gibt zu bedenken, dass der Auftraggeber diese Kosten gar nicht separat hätte abfragen müssen. Dann hätten die Bieter die Amortisa-

Behörden Spiegel / Juli 2017

tion dieser Anlaufkosten selbst in ihre jährliche Vergütung einkalkulieren müssen. Und genau dies entspreche dem üblichen Marktgeschehen: Die Amortisation der Markteintrittskosten müsse jedes Unternehmen selbst tragen und könne nicht erwarten, dass sie der Auftraggeber trägt. Auch bestehe keine Analogie zur Projektantenproblematik. Den Vorteil habe der bisherige Dienstleister ja nicht durch eine Einbindung in die aktuelle Auftragsvorbereitung erlangt, sondern durch seine bisherige unternehmerische Tätigkeit. VK Bund (Beschl. v. 10.03.2017, Az.: VK 2-19/17)

► BAGGERGUT

Wem gehört der Kies? Auch Verkauf kann ein Auftrag sein Das Land will Hochwasserrückhaltebecken schaffen. Dazu sollen Flächen ausgebaggert werden, die im Eigentum einer Gemeinde stehen. Das Baggergut gehört also auch der Gemeinde. Dabei handelt es sich zu einem großen Teil um Kies, den die Gemeinde auf eigene Rechnung verwerten will. Die Baggerarbeiten wurden vom Land europaweit ausgeschrieben. Die Kiesverwertung will die Gemeinde freihändig vergeben. Sie hält dies nicht für einen Dienstleistungsauftrag, sondern für einen Verkauf, weil sie ja an dem zugrunde liegenden Bauauftrag gar nicht beteiligt ist. Ein Konkurrent des vorgesehenen Verwerters hingegen sieht darin eine unzulässige De-facto-Vergabe. Das OLG Karlsruhe folgt dem Konkurrenten. Grundsätzlich stelle die Veräußerung öffentlichen Eigentums keinen dem Vergaberecht unterliegenden Auftrag dar. Hier aber sei das Veräußerungsgeschäft ein Mittel zum Zweck der Erfüllung eines Beschaffungsauftrages, der zwar nicht von der Kommune, wohl aber von einem anderen öffentlichen Auftraggeber, nämlich dem Land, gegeben worden sei. Der Schwerpunkt der insoweit nicht zerlegbaren Gesamtleistung sei nun einmal die Herstellung des Rückhaltebeckens. Die Kiesverwertung selbst sei nur ein Anhängsel dieses Auftrages, das sich daraus ergibt, dass der Planfeststellungsbeschluss eine Verwertung des ausgebaggerten Kieses vorschreibt. Ob der Verwerter neben dem Kies noch weitere Zahlungen für seine Dienstleistung erhalte oder er umgekehrt Geld an die Kommune für den Kies zahlen müsse, sei für die Beurteilung der Auftragseigenschaft unerheblich. OLG Karlsruhe (Beschl. v. 16.11.2016, Az.: 15 Verg 5/16)

► FORMBLATT 235

Eignungsleihe Nicht nur Nachunternehmer eintragen Beim Aushub einer Baugrube rechnet der Bauherr damit, dass erhebliche Mengen von ggf. kontaminiertem Aushub anfallen, die entsorgt werden müssen. Deswegen fordert er von den Bietern, dass sie ihre Eignung auch als Entsorgungsbetrieb nachweisen müssten, nämlich die Sachkunde nach BGR 128 und eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb nach § 52 KrW-/

AbfG. Ein Bieter hatte damit offenbar Schwierigkeiten. So machte er im beigefügten Formular 235 gar keine Angaben, sondern legte nur zwei Verpflichtungserklärungen dritter Unternehmen bei, die sich auf zwei Positionen des Abschnitts 3.5 des LV bezogen. Mit Verspätung legte er dann auch eine eigene Zertifizierung vor. Das OLG München sieht damit die Eignung nicht als erwiesen an. Im Formblatt 235 hätte der Bieter nicht nur Nachunternehmer, sondern auch Eignungsleiher eintragen müssen, die als unselbständige Unterauftragnehmer die geforderten Leistungen fachkundig für den Bieter erbringen sollen. Alleine die Beifügung von Verpflichtungserklärungen genüge nicht, um darauf die Auslegung des Angebots zu stützen, dass die verpflichteten Unternehmen auch Eignungsleiher seien – zumal sie entgegen der Forderung des Auftraggebers auch nicht für den ganzen Abschnitt 3.5 wirkten, sondern nur für einzelne Positionen. Auch die nachgeschobene eigene Zertifizierung bleibt unberücksichtigt. Der Umstand, dass gegenüber der Zertifizierungsstelle die nötigen Nachweise bei Angebotsabgabe bereits erbracht waren, sei unerheblich. Maßgeblich sei allein das Datum der Vorlage der Urkunde. OLG München (Beschl. v. 21.04.2017, Az.: Verg 2/17)

►QUALITÄT

Das Wirkstoff-Plus Konzentrationsunterschiede ausgleichen! Röntgenkontrastmittel für die Medizin enthalten Jod. Verschiedene Hersteller liefern die Mittel mit unterschiedlichen Jod-Konzentrationen. So hat der Auftraggeber für seine Anwendungen einen Konzertrationsbereich von 320-370 mg/ ml vorgegeben. Er vertritt die Auffassung, dass die Toleranz von rund sieben Prozent um den Mittelwert nicht größer sei als seine Messungenauigkeit und dass dies daher für die Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebotes nicht wertungsrelevant sei. Das sah ein Anbieter von 370-mg-Lösung anders. Er könne mit Anbietern der billigeren 320-mg-Lösung nicht konkurrieren, wenn die Konzentrationsunterschiede nicht berücksichtigt würden. Das OLG Düsseldorf gab ihm Recht. Sachverständigengutachten hatten bestätigt, dass der Verbrauch an Lösung tatsächlich im Mittel höher ist, wenn mit niedrigerer Konzentration gearbeitet werde. Das liege daran, dass dem Patienten letztlich eine bestimmte Jod-Menge zugeführt werden müsse. Dazu benötige man mehr Milliliter Lösung, wenn weniger Jod pro ml enthalten sei. Der Senat verpflichtete den Auftraggeber zur Rückversetzung und zur Berücksichtigung der Konzentration in seinen Wertungsformeln. OLG Düsseldorf (Beschl. v. 08.02.2017, Az.: VII-Verg 31/16)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

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Mehr Rechtssicherheit für Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen (BS/Annette Karstedt-Meierrieks) Das Vergaberecht ist durch die EU-Richtlinien und ihre Umsetzung in deutsches Recht erheblich verändert worden. Das gilt auch für die Unterschwellenvergaben. Neu sind die Regelungen zur Eignung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Unternehmen. Zwei Varianten bestehen bei den auftragsunabhängigen Eignungsnachweisen. Eine dritte ist ab Sommer 2017 möglich. ihr Präqualifizierungsverfahren. Die Eintragung ins amtliche Annette Karstedt-Meierrieks Verzeichnis ist leitet das Referat Wirtfür ein Jahr gülschaftsverwaltungsrecht, tig, sodass sich Vergaberecht, Datenschutzrecht beim Deutschen IndusKosten und Zeittrie- und Handelskammertag. aufwand für die Unternehmen Foto: BS/DIHK erheblich reduzieren. gen sehen eine verpflichtende Das amtliche Verzeichnis ist eiAnerkennung vor (z. B. § 6 b ne Datenbank im Internet (www. VOB/A oder § 6 b VOB/A-EU). amtliches-verzeichnis.ihk.de), Die Präqualifizierung ermög- in der alle auftragsunabhängilicht den direkten Zugriff des gen Angaben und Dokumente, EEE und Präqualifizierung öffentlichen Auftraggebers auf die das Unternehmen zur PrüVollständig neu ist die Einheit- die Nachweisdokumente, so- fung vorlegen muss, vorhanden liche Europäische Eigenerklä- dass eine Nachforderung auf- sind. Sie wird beim Deutschen rung (EEE). Sie ist nur ein vor- tragsunabhängiger Dokumente Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK) geführt. Der läufiger Beleg für die Eignung nicht erforderlich ist. für jedermann einsehbare Teil und das Nichtvorliegen von umfasst die Grunddaten des UnAusschlussgründen (§ 48 Abs. Positiv-Register für mehr Rechtssicherheit ternehmens, sodass auch pri3 VgV). Sie soll die Teilnahme an Vergaben in anderen MitgliedsAls Steigerung der Präqua- vate Nachfrager hier geeignete staaten fördern. Ihre elektroni- lifizierung ist das amtliche Anbieter von Leistungen finden sche Form (https://ec.europa. Verzeichnis anzusehen: Das können. Die Dokumente kann eu/tools/espd?lang=de) ermög- Unternehmen weist auch hier nur derjenige einsehen, der über licht Angaben darüber, was öf- seine Eignung und das Nicht- entsprechende Codes verfügt. fentliche Auftraggeber an Nach- vorliegen von – zwingenden und Das im amtlichen Verzeichnis weisen erwarten. Allerdings fakultativen – Ausschlussgrün- eingetragene Unternehmen erhandelt es sich bei der EEE nur den nach. Die Nachweise wer- hält über die Eintragung ein Zerum eine Eigenerklärung, sodass den von einer neutralen Stelle tifikat, das dem Angebots- bzw. der öffentliche Auftraggeber die geprüft. Bei einem positiven Er- dem Teilnahmeantrag beigefügt eigentlichen Nachweisdoku- gebnis erfolgt die Eintragung in werden muss. Geplant ist die Inbetriebnahme mente im konkreten Vergabe- das amtliche Verzeichnis. Diese verfahren noch verlangen kann. Eintragung erhöht die Rechts- des amtlichen Verzeichnisses Das Unternehmen muss also sicherheit für das eingetragene für August 2017. die Nachweise vorhalten, um für Unternehmen, denn es gilt die die Forderung des öffentlichen Eignungsvermutung (§ 48 Abs. Auftraggebers nach Vorlage ge- 8 VgV). Der öffentliche Auftragwappnet zu sein. geber darf somit die Eignung des MELDUNG Bei der Präqualifizierung hat eingetragenen Unternehmens sich nichts Wesentliches geän- nur anzweifeln, wenn ihm dafür Private vs. Öffentliche dert. Es ist weiterhin ein Verfah- gute Gründe vorliegen. (BS/jf) Seit Jahren nimmt die ren, mit dem Unternehmen, die § 48 Abs. 8 VgV überträgt die staatliche Wirtschaftstätigkeit an öffentlichen Aufträgen teil- Führung des amtlichen Ver- auf kommunaler Ebene kontinehmen wollen, ihre Eignung zeichnisses für den Liefer-und nuierlich zu. Mit 314 Mrd. Euro und das Nichtvorliegen von Dienstleistungsbereich auf die erreichten kommunale UnterAusschlussgründen gegenüber IHK-Organisation. Gleiches nehmen 2014 einen Umsatzeiner Stelle nachweisen können, sieht der Entwurf der Unter- rekord. Dagegen wehren sich die Dokumente prüft und das schwellenvergabeordnung vor. mehrere Wirtschaftsverbände. Unternehmen dann präqualifi- Für die Prüfung der Unter- Sie fordern von der Politik ein ziert (vgl. § 123 Abs. 3 GWB). nehmen, sie ins amtliche Ver- klares Bekenntnis zum MittelEs bleibt aber bei der Freiwil- zeichnis einzutragen, nutzen stand und zu fairen Wettbeligkeit der Anerkennung durch die Industrie- und Handels- werbsbedingungen. die öffentlichen Auftraggeber, kammern die Kompetenz der “Zu Recht beklagen Unteres sei denn, rechtliche Regelun- Auftragsberatungsstellen und nehmen verschiedener Branchen die Auftragsverlagerung von mittelständischen Firmen zu Staatsunternehmen. Solche Vergaben sind nämlich nicht das Ergebnis von Wettbewerb, transparenten AusschreibungsHamburger Vergabetag 2018 verfahren oder besseren Ange(BS) Am 25. und 26. Januar 2018 findet der nächste Hamburger Ver- boten”, beklagt Felix Pakleppa, gabetag des Behörden Spiegel in der Freien und Hansestadt statt. In Hauptgeschäftsführer des Zentdessen Rahmen auch der Hamburger Vergabepreis verliehen wird. Für ralverbandes Deutsches Baugedie inhaltliche Gestaltung als auch für die Bewerbung um den begehrten werbe, die jetzige Situation. Vielfach werde der Wettbewerb Award sind die Bewerbungsphasen gestartet. durch Inhouse-Vergaben und Zur Mitwirkung am Programm die in einer oder mehreren der interkommunale Zusammender Tagung rufen die Initiatoren Kategorien Wirtschaftlichkeit, arbeit gänzlich ausgeschaltet. alle Vergaberechtsexperten im Nachhaltigkeit, Innovation und Besonders die Besteuerung sei Rahmen eines Call for Paper auf. Transparenz erfolgreich sind. wettbewerbsverzerrend. Die So besteht die Möglichkeit, sich Zur Begründung der Bewer- Befreiung kommunaler Unterim Rahmen eines Workshops bung ist ein Kurztext ausrei- nehmen von der Umsatzsteuer mit einem bestimmten Thema chend, der eine DIN A4 Seite verschaffe diesen einen uneinzu bewerben. Die Initiatoren nicht überschreiten sollte. Be- holbaren Preisvorteil. erbeten dazu eine Kurzfassung werben kann sich jeder ProjektZur Verbändeallianz “Bündund Gliederung des Beitrages beteiligte. Zulässig sind auch nis fairer Wettbewerb” gehören in dem sowohl wichtige Rechts- “Zubenennungen” durch Dritte. bislang: der Bundesinnungsund Strategiefragen als auch Bewerbungen müssen für den verband des Gebäudereinigerinteressante wie praktische Lö- Call for Paper bis zum 30. Sep- Handwerks, der BDE Bunsungsansätze thematisiert wer- tember 2017 und für den Ham- desverband der Deutschen den sowie ein Kurzlebenslauf burger Vergabepreis bis zum Entsorgungs-, Wasser- und Roh24. November 2017 an info@ stoffwirtschaft e. V., die Bundesder vorgesehenen Referenten. Zudem wird im Rahmen der hamburger-vergabetag.de ein- vereinigung Deutscher StahlTagung wieder der Hamburger gesendet werden. recycling- und EntsorgungsVergabepreis verliehen. Hierunternehmen e.V. (BDSV), Weitere Informationen unter der Verband der Bayerischen zu werden herausragende Beschaffungsprojekte gesucht, www.hamburger-vergabetag.de Entsorgungsunternehmen e. V. (VBS), der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) e. V., der Zentralver→ Save the Date band Deutsches Baugewerbe, der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V., der Verband Deut25.–26. Januar, Handelskammer Hamburg scher Metallhändler e. V. und der Bundesverband IT-MittelOnline-Anmeldung unter www.hamburger-vergabetag.de stand e. V. (BITMi). In den Gesetzestexten gibt es nur noch die Eignung und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen (§§ 122 ff. GWB, §§ 42 ff. VgV). Für den Nachweis dieser beiden Aspekte stellen GWB und VgV mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Anforderungen, sondern auch in ihren Rechtsfolgen, was für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen von Bedeutung ist. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) regelt diesen Bereich analog in § 35.

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Hamburger Vergabetag 2018


Beschaffung / Vergaberecht

Behörden Spiegel / Juli 2017

B

ehörden Spiegel: Frau Gundelach, die Vergaberechtsreform im Bund ist abgeschlossen, wie fällt Ihr persönliches Fazit aus? Kommt das Vergaberecht jetzt zur Ruhe? Gundelach: Der Deutsche Bundestag hat insgesamt gute Arbeit geleistet. Ich persönlich bin auf jeden Fall sehr zufrieden. Wir haben das Vergaberecht deutlich modernisiert und es anwenderfreundlicher gestaltet. Ich war selbst lange Jahre Leiterin von großen Behörden in Hessen und Hamburg und weiß, wie schwierig das öffentliche Auftragswesen für Bieter und Anbieter war. Ohne rechtlichen Beistand konnte in der Vergangenheit kaum ein Vergabeverfahren erfolgreich und rechtssicher abgeschlossen werden. Und vor allem haben wir das Wirtschaftlichkeitsprinzip durchgesetzt. Das war uns enorm wichtig. Ich denke, die Vergabeverfahren sind mit diesem Gesetz insgesamt transparenter, effizienter, einfacher und flexibler geworden. Während des gesamten Prozesses war ich immer im Gespräch mit der Handwerkskammer in Hamburg, um Lösungen zu besprechen und auf ihre Praktikabilität zu prüfen. Bislang habe ich nur lobende Worte gehört. Wenn wir in Deutschland für die unterschwelligen Vergaben ebenfalls eine derartige Vereinfachung hinbekommen, dann haben wir ein Vergaberecht, mit dem wir auf lange Sicht gut werden leben können. Deshalb gehe ich davon aus, dass das Vergaberecht zur Ruhe kommt. Auch wenn ich persönlich mir etwas weitergehende Regelungen durchaus hätte vorstellen können. Wir haben mit der VOB/A immer noch spezifische Vergaberegelungen für den Baubereich. Hier hätte ich mir eine ähnliche Verordnung gewünscht, wie wir sie jetzt für den Dienstleistungsund Lieferbereich haben. Behörden Spiegel: Mit der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) ist das Recht zwischen Ober- und Unterschwelle vereinheitlicht worden, nun müssen die Länder sie zur Anwendung bringen. Was empfehlen Sie Ländern und Kommunen? Gundelach: Das ist richtig.

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Ziel: einheitliches Vergaberecht CDU-Abgeordnete zur Vergaberechtsreform und zum Wettbewerbsregister (BS) Das neue Vergaberecht wird nach fünf Jahren, also 2021, evaluiert. Ob dann Anpassungen vorgenommen werden müssen, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Dr. Herlind Gundelach, Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie, hält für den Baubereich eine Vergabeverordnung wie beim Liefer- und Dienstleistungsbereich für wünschenswert. Im Interview mit dem Behörden Spiegel zieht sie ein persönliches Fazit zur Vergaberechtsreform und geht auf das kürzlich beschlossene Wettbewerbsregister ein. Die Fragen stellte Jörn Fieseler. Die Unterschwellenvergabeordnung wird aber erst dann wirksam, wenn die Länder ihre Haushaltsgesetze angepasst haben, da in den Ländern die Vergabe in der Regel im Haushaltsrecht geregelt ist. In welchem Tempo dies erfolgt und ob es dann immer noch Differenzierungen bei den Landesvergabegesetzen gibt, ist noch nicht abzusehen. Ich appelliere aber an alle Beteiligten, bei dieser Umsetzung möglichst ein einheitliches Vergaberecht anzustreben. Die insgesamt gesehen relativ positive Resonanz im Bundesrat sowohl auf die Novelle des Vergaberechts als auch auf die UVgO stimmt mich jedoch zuversichtlich, dass das auch so erfolgt. Und vielleicht kann die Wirtschaft ja hier noch positiv Einfluss auf die Länder nehmen. Die Kommunen müssen sich an dem Vergaberecht ihres Landes orientieren. Und wenn die Länder zu einer größeren oder gar vollständigen Vereinheitlichung kommen, dann gibt es zwangsläufig auch eine Vereinheitlichung bei den Kommunen. Der Bund hat hier aber keine direkten Einflussmöglichkeiten, wir können nur appellieren, dass es zügig und richtig umgesetzt wird. Behörden Spiegel: Kürzlich hat der Bundestag das Wettbewerbsregister beschlossen. Insbesondere die Bußgeldhöhe von 50.000 Euro als Kriterium für einen Eintrag wurde kritisiert. Warum diese Höhe? Gundelach: Es gab es in der Tat diese Diskussion. Die von Ihnen erwähnte Schwelle gilt jedoch nur für kartellrechtliche Bußgelder. Bei strafgerichtlichen Verurteilungen liegt die Bußgeldschwelle bei 2.500 Euro, also deutlich niedriger, und die Bescheide müssen bestandskräftig sein. Im Hinblick auf die Kartellordnungswidrigkeiten

“Mit dem jetzigen Vergaberecht werden wir auf lange Sicht gut leben”, ist sich Dr. Herlind Gundelach (CDU) sicher. Foto: BS/T. Wulff, Dr. H. Gundelach

gilt dies so nicht. Hier erfolgt die Eintragung – aufgrund einer vergaberechtlichen Besonderheit – auch bei nicht bestandskräftigen Bußgeldentscheidungen. Dies rechtfertigt es nach unserer Auffassung auch, sich im Gegenzug auf die wirklich schwerwiegenden Fälle zu konzentrieren. Der Wert von 50.000 trägt damit auch dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, ein Grundsatz jeglicher Rechtsetzung. Unser Koalitionspartner hatte sich anfangs durchaus eine niedrigere Schwelle gewünscht und wir haben intensiv darüber diskutiert. Aber aus den angeführten Gründen haben wir uns dann auf die ausgeführte Regelung geeinigt. Behörden Spiegel: Ein zweiter Diskussionspunkt ist, dass Teile der Länder bereits weiterführende Register betreiben und u. a. gesellschaftspolitische Verfehlungen ahnden. Besteht die Gefahr, dass diese Register für den Anwendungsbereich der Landestariftreue- und Vergabegesetzte beibehalten werden? Gundelach: Nein, die Gefahr

besteht nicht. Der Bundestag hat das Gesetz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung verabschiedet. Das heißt, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht hat. Das Gesetz ersetzt Länderrecht und schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen. Ab dem Tag, ab dem das Wettbewerbsregister vollständig anzuwenden ist, tritt im Hinblick auf vergleichbare landesrechtliche Register eine Sperrwirkung ein. Wir haben auch bewusst davon abgesehen, die Landesregister in das Bundesregister zu überführen. Nicht zuletzt, weil die Maßstäbe, nach denen in Landesregister eingetragen wird, höchst unterschiedlich sind. Hier werden zum Teil Eintragungen vorgenommen, die ihren Grund in der Nichteinhaltung gesellschaftlicher Ziele wie z. B. der Einhaltung einer freiwilligen Frauenquote haben. Diese Diskussion hat schon bei der Formulierung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes eine Rolle gespielt. Auch hier waren wir der Auffassung, dass die sog. strategischen Ziele sich immer auf den Auftragsgegenstand beziehen müssen. Firmen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, weil sie Frauen nicht ausreichend fördern, ist aus unserer Sicht nicht zielführend – auch wenn ich persönlich jedem Unternehmen zu einer eigenen freiwilligen Frauenquote rate. Etwas anderes ist die Frage des Mindestlohns: Hierbei handelt es sich um bundesweit geltendes Recht. Als die Landesvergabegesetze beschlossen wurden, gab es noch keinen bundeseinheitlichen Mindestlohn – jetzt schon. Bundesrecht bricht noch immer Landesrecht, das heißt, der bundesweite Mindestlohn gilt. Ich schätze, das ist ein Punkt, den die Länder im Rahmen der schon

Nachhaltigkeit in der Textilbeschaffung Mit OEKO-TEX® die globale Lieferkette richtig bewerten

erwähnten haushaltsrechtlichen Anpassung glattziehen werden. Behörden Spiegel: Was erwartet uns im Vergaberecht in der nächsten Legislaturperiode? Gundelach: Das weiß man vor Beginn einer neuen Wahlperiode nicht. Denn das hängt ganz entscheidend von der Zusammensetzung des neuen Bundestages ab und davon, welche Parteien die neue Regierung stellen werden. Bei der Erarbeitung des neuen Gesetzes haben wir bewusst eine Evaluierung nach

fünf Jahren vorgesehen, um ggf. noch bestehende Schwachstellen und Praxishemmnisse aufzuspüren. Wenn sich daraus Anpassungsbedarf ergibt, sollte dieser auch vorgenommen werden. Ich setze aber darauf, dass wir unsere Arbeit gut gemacht haben und der Anpassungszwang gering sein wird. Denn das neue Recht bedeutet für die Unternehmen in Deutschland schon heute zahlreiche Vereinfachungen. Mit keinem Gesetz aus dieser Legislaturperiode sind so viele finanzielle und bürokratische Entlastungen verbunden wie mit der Vergaberechtsreform. Die Wirtschaft wird dadurch nach Schätzungen um drei bis 3,5 Mrd. Euro entlastet. Sollte in der nächsten Legislaturperiode das Vergaberecht erneut auf die Agenda kommen, dann werde ich mich dafür einsetzen, diesmal den Baubereich vollständig zu integrieren. Dann wäre das neue Vergaberecht komplett.

qanuun-aktuell Ein idealer Politiker von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune Gerne gibt man sich als Europäer der Vorstellung hin, dass die Demokratie als Staatsform, einmal etabliert, Garantin gegen allerlei politische wie ethische Unbill sei. Der uneigennützige, fleißige und engagierte, innerlich völlig unabhängige Volksvertreter wird dabei als selbstverständlich vorausgesetzt. Zugleich ist die Politikerschelte, nach dem Fußball, das wahrscheinlich zweitliebste Gesprächsthema. Ebenso wie Oskar Wilde einmal den idealen Gatten in seiner gleichnamigen Komödie thematisiert hat, weiß jeder von uns, wie sein Idealbild eines Politikers aussieht und ist gewiss, dass dieses nie zu erreichen ist. Es wäre jedoch zu einfach, die Verantwortung für diese Enttäuschung nur bei denjenigen zu suchen, die das Ideal verkörpern sollen. Auch der Betrachter sollte sich überlegen, wie er mit seinem “Ideal” verfährt. Achtet er die Wahlkämpfer? Sieht er, was man auf sich nehmen muss, um tatsächlich Volksvertreter zu werden und noch mehr, um es zu sein? Außerdem: Wie wäre es denn, wenn unsere Politiker tatsächlich so perfekt wären?

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

Müssten wir es dann nicht ebenso sein? Keine unangemeldete Haushaltshilfe, stets korrekte Angaben gegenüber Versicherung und Finanzamt, keine Punkte in Flensburg. Sie kennen niemanden, der das nicht tut? Herzlichen Glückwunsch, dann sollten Sie umgehend Abgeordneter werden! Politik ist ein hartes Geschäft und wir sollten denen, die es betreiben, mit dem Respekt begegnen, den sie verdienen. Gemessen an vielen anderen Demokratien dieser Erde können wir mit der unseren recht zufrieden sein, auch wenn das gelegentlich schwer fällt. Damit das auch so bleibt, sollten wir unseren Beitrag als Wähler dazu leisten.

(BS/Dr. Markus H. Ostrop*) Soziale und umweltbezogene Aspekte sollen bei der öffentlichen Auftragsvergabe künftig eine größere Rolle spielen. So leicht sich das Ziel beschreiben lässt, so schwierig dürfte es zu erreichen sein. Angesichts globaler Lieferketten gerade in der Textilproduktion stößt selbst der Experte auf weitreichende Schwierigkeiten, die Nachhaltigkeit von Dienstund Schutzkleidung zu beurteilen. Diese beginnen bei der Rohstoffproduktion: Der Anbau von Naturfasern, das Gewinnen von Wolle sowie die Produktion synthetischer Fasern finden in rund 80 Ländern der Welt statt. Danach wird das Ursprungsprodukt in einer von unzähligen, weltweit verstreuten Spinnereien zu Garn verarbeitet. Die nächsten Prozesse, das Weben oder Wirken des fertigen Stoffes und die anschließende Behandlung mit Chemikalien, erfolgen in speziellen Fabriken wiederum an den unterschiedlichsten Orten der Welt. Die eigentliche Fertigung des Kleidungsstücks wird von Näherinnen hauptsächlich in Asien, Süd- und Osteuropa oder Mittelamerika vorgenommen. Erst nach mehr als 100 Arbeitsschritten ist das Produkt fertig. Mit der Vielzahl der über den ganzen Erdball verstreuten Akteure in der Lieferkette steigt die

Verantwortung desjenigen, der das Textil in den Markt bringen möchte. Bietet er es im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe an, hat er dafür einzustehen, dass die Kleidung der Gesundheit nicht schadet und in umweltfreundlichen Produktionsstätten unter fairen Arbeitsbedingungen gefertigt wurde. Doch wie sollen die Beschaffer beurteilen können, ob der Bieter seiner Verantwortung gerecht wird? Die Vorschriften zur Auftragsvergabe ermöglichen heute, bei der Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien auf Gütezeichen Bezug zu nehmen. Textile Gütezeichen sollten Orientierung bieten und helfen, verantwortungsbewusste Entscheidungen bei der Beschaffung von Arbeitskleidung zu treffen. Angesichts von weltweit mehreren hundert Labels und Gütezeichen im Textilbereich ist es aber kein einfaches Unterfangen, auf das richtige zu setzen. Vom “LabelLabyrinth” ist deshalb oft die Rede. Schon gibt es allerlei Rankings und Ratgeber, die – nicht selten von eigenen Interessen getrieben – versuchen, die Wert-

haltigkeit der unterschiedlichsten Gütezeichen und Zertifikate zu beurteilen. Anders hingegen der “Kompass Nachhaltigkeit”, der zwar nicht fehlerfrei, aber wohltuend fundiert eine kompetente Navigationshilfe in der Welt der Gütezeichen bietet. Zusätzlich ist es sinnvoll, bei der Suche nach dem passenden Gütezeichen auf Bewährtes zurückzugreifen. So entwickelt OEKOTEX® seit 1992 verschiedene Lösungen für umwelt- und sozialverträglich produzierte Textilien. Ihre Leitprinzipien basieren auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Verschiedene Lösungsansätze ermöglichen es Textilherstellern, umweltbezogenen und sozialen Ansprüchen in ihrer Lieferkette nachweisbar gerecht zu werden. Ob es um den Einsatz von Textilchemikalien in der Produktion geht, um die kontinuierliche Verbesserung von Arbeits- und Produktionsbedingungen in einem Zulieferbetrieb oder die gesundheitliche Unbedenklichkeit des fertigen Textils – all das lässt sich mit den von der unabhängigen OEKO-TEX®

Gemeinschaft entwickelten verschiedenen Standards und Zertifizierungen unter Beweis stellen. Mit dem Produktlabel “Made in Green by OEKO-TEX®” können Beschaffer den Herstellungsprozess des fertigen Kleidungsstücks sogar dezidiert nachverfolgen: über einen Bar-Code am Produkt wird jede einzelne Komponente des Produktionsflusses sichtbar. Auch wenn die neue Rechtslage Vergabeverfahren einfacher machen will, der Nachhaltigkeitsanspruch fordert eine neue Herangehensweise. Gut, wenn man dabei auf einen verlässlichen Partner zurückgreifen kann. Die Hohenstein Group sorgt als Gründungsmitglied der Internationalen OEKO-TEX®Gemeinschaft seit 25 Jahren in einer unübersichtlichen Produktionswelt für textiles Vertrauen. *Dr. Markus H. Ostrop verantwortet das Stakeholder-Management der Hohenstein Group, eines akkreditierten Prüf- und Forschungsinstituts für den textilen Sektor und damit verbundene Branchen.

Beratung für Bewerter und Bieter Ausschreibungen · Submissionen


Diplomaten Spiegel

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er heute 68-jährige Jurist kommt 1978 noch in ihren diplomatischen Dienst, als Staatschef Josip Broz Tito zum jugoslawischen Präsidenten auf Lebenszeit gewählt wird. Die symbolische Handlung soll die Einheit des Landes garantieren. Daraus wird bekanntlich nichts, zumal Tito schon zwei Jahre später stirbt. Dr. Crnogorčevič sieht die schleichende Auflösung Jugoslawiens von seinen Dienstorten in Syrien, Schweden und Finnland weiland aus der Ferne und dadurch vielleicht besonders klar. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist er wieder im Außenministerium in Belgrad, und Serbien ein Staatenbund mit Montenegro. 2005 ist der damals 57-Jährige Botschafter in Rumänien und sein Land bald “solo”. Der Bundesgenosse erklärt sich nämlich 2006 für unabhängig. Nach einer Stage in Schweden kommt er im Dezember 2015 als serbischer Botschafter nach Deutschland. “Ich bin in dem Augenblick in Berlin eingetroffen, als sich die bilateralen Kontakte bereits im Aufstieg befinden, was für jeden Botschafter von großem Vorteil sein dürfte. Seit Beginn an haben sämtliche Kontakte auf eine weitere positive Entwicklung der Zusammenarbeit in allen relevanten Bereichen hingewiesen. Müsste ich einen Vergleich zwischen allen Ländern ziehen, in denen ich als Diplomat tätig war, kann ich sagen, dass Deutschland für mich die größte Herausforderung bedeutet, wenn man sich einmal seine allumfassende Rolle und den Umfang unserer diplomatischen Beziehungen vor Augen hält.”

Vertrauensbeziehung ausgebaut Und diese haben sich in den letzten Jahren durch das hohe Niveau der Zusammenarbeit, sowohl in politischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht, ständig verbessert. Ausländische Investitionen sind willkommen und werden z. T. vom Staat subventioniert. So haben insgesamt 350 deutsche Unternehmen, darunter so bekannte wie z. B. Stada, Metro, Bosch oder Siemens, in Serbien investiert und beschäftigen fast 33.000 Mitarbeiter. “Es ist ein bedeutender Erfolg, dass es uns gelungen ist, in unterschiedlichen Bereichen eine Vertrauensbeziehung auszubauen. Deutschland ist für Serbien der weitaus wichtigste Partner im Hinblick auf die Euro-Integration, die Wirtschaft und die Migrationspolitik. Die Förderung der Zusammenarbeit hat sich auch im Außenhandel spürbar positiv entwickelt und beträgt im Jahre 2016 nahezu vier Milliarden Euro.”

Behörden Spiegel / Juli 2017

Serbien ist auf proeuropäischem Kurs Ein Gespräch mit dem serbischen Botschafter Dr. Dušan Crnogorčevič in Berlin (BS/ps) Bis Ende des letzten Jahrhunderts grenzt Jugoslawien noch an Italien, Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Albanien und an die Adria mit zahlreichen Inseln. Es hat ein halbes Dutzend Teilrepubliken. Daraus werden seit 2006 sechs souveräne Staaten: Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzogowina, Montenegro, Mazedonien und Serbien. Letztere ist der größte Teilstaat aus der Sozialistischen Föderativen Republik, die Hauptstadt heißt immer noch Belgrad und sein Botschafter bei uns Dr. Dušan Crnogorčevič.

ziehen und Belgrad mit seiner liberalen Politik allein lassen.

Brücken bauen, keine Mauern “Serbien hat in der neueren Geschichte eine Zeit der tiefen Isolation durchlebt. Wir wissen, was es bedeutet, umzäunt von schwer zu überwindenden Schranken zu leben.” Wie Präsident Aleksandar Vučić schon als serbischer Premier letztes Jahr in einem Zeitungsinterview sagt, “glaubt Serbien nicht an Wände und Zäune”. Er zitiert ein arabisches Sprichwort: “Wenn jemand dich mit Steinen bewirft, hast du zwei Möglichkeiten, eine Mauer oder eine Brücke zu bauen.” Serbien entscheidet sich für letztere Möglichkeit. “Unser Wunsch ist es, Brücken zu schlagen und alles daran zu setzen, gemeinsam mit Deutschland und den Staaten in der Region diese Werte auch in Zukunft langfristig zu erhalten.”

Investitionskapital gesucht

Dr. Dušan Crnogorčevič ist Botschafter der Republik Serbien in Berlin.

sellschaft verankert sind.” Doch diese scheinen in den letzten Jahren nach und nach in Vergessenheit zu geraten. Römische Verträge hin, Brexit her – die EU sieht oft vor lauter herzlicher Abneigung ihre historischen Errungenschaften und Vorteile nicht mehr. “Wenn wir über die EU sprechen”, so Botschafter Crnogorčevič, “ist es wichtig hervorzuheben, dass in Europa die Kontinuität einer großen, bedeutenden Idee über den ewigen Frieden vorherrscht, wie ihn bereits Immanuel Kant formuliert hat. Die Europäische Union, die noch immer nach Vollkommenheit strebt, hat uns den längsten Frieden beschert, was wir nie vergessen dürfen. Ferner ist sie ein wahr gewordener Traum mit dem Rechtsstaatlichkeit, soziale Leistungen und wirtschaftliche Perspektiven geschaffen werden. Allerdings hat die Finanzkrise gezeigt, dass einiges besser gelöst werden muss, um eine gleichmäßige Entwicklung, Prosperität, Fortschritt und

Fotos: BS/Dombrowsky

Das will wohl auch die EU und setzt weiter auf den “Brückenbauer”, der das Land als Premier näher an die Gemeinschaft führt und mit Reformen für eine Erholung der Wirtschaft sorgt. Doch die im ehemaligen Jugoslawien gut ausgebaute Industrie ist heute veraltet, in manchen Staatsbetrieben wird nur noch wenig und in kaum wettbewerbsfähiger Qualität produziert. Um Verkaufschancen für Industrieprodukte auf westlichen Märkten zu realisieren, wäre massiver Import von ausländischem Know-how und modernen Maschinen sowie ausreichend Investitionskapital erforderlich. Im April 2016 wird Vučić zum neuen serbischen Präsidenten gewählt. Seinen pro-europäischen Kurs will der 47-Jährige beibehalten und sich weiterhin darum kümmern.

António Guterres oder Novak Ðokovič

Botschaftsgebäude in Berlin-Grunewald

europäische Identität zu stärken, damit sie nicht nur ein bürokratisches, bürgerfernes Gebilde abgibt. Es ist wichtig, die Einheit all ihrer Mitglieder zu stärken, denn nur so können die EU-Staaten das hohe Niveau der Teilnahme am weltweiten BIP beibehalten und ein respektierter Akteur in den politischen und wirt-

Recht- und Sozialstaat, wirtschaftliche Perspektiven “Dies ist ein wichtiges Bindeglied in den bilateralen Beziehungen. Die Unterstützung Deutschlands im Beitrittsprozess meines Landes zur EU ist von entscheidender Bedeutung und durch die Initiierung des “Berliner Prozesses” hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eine konkrete Unterstützung für die Förderung der regionalen Zusammenarbeit auf In der Botschaft liegt eine Replik der Ersten Verfassung des Fürstentums dem Westbalkan gegeben. Serbien von 1835. Darüber hinaus hat Serbien mit seiner Unterstützung Wohlstand für ihre Bürger zu schaftlichen Geschehnissen der Welt sein.” während der Flüchtlingskrise erzielen. Wie auch immer – Serbien ist Um die EU, die keine lückenlogezeigt, dass es für Deutschland ein zuverlässiger Partner se Organisation, wohl aber die seit 2012 EU-Beitrittskandidat, ist und gemeinsame Werte ver- beste existierende ist, erhalten pro-europäisch und sieht in tritt, die in der europäischen Ge- zu können, ist es notwendig, die Deutschland eine Art Schlüs-

selpartner für die Gemeinschaft. “In Serbien kursiert der Witz, dass die EU unter der Bevölkerung der Beitrittskandidaten beliebter sei als bei den Mitgliedsstaaten selbst. Die Erweiterungspolitik stellt das erfolgreichste Projekt der EU dar, und die Tatsache, dass es trotz aller Schwierigkeiten auch weiterhin unser Wunsch ist, Mitglied zu werden, ist der beste Beweis dafür, dass die Union nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat. Es ist wichtig hervorzuheben, dass Serbien sowohl im Hinblick auf sein Wertesystem als auch in kultureller und historischer Hinsicht seit jeher ein Teil Europas ist. Die Serben glauben, dass das europäische Modell von allen das beste ist, da es eine Mischung aus Solidarität, Freiheit, Marktwirtschaft und Prosperität vereint. Serbien und die anderen Staaten des Westbalkans brauchen die Europäische Union als Plattform für den Erhalt des Friedens und der Stabilität, aber auch als Unterstützung für die künftige zügige wirtschaftliche und demokratische Entwicklung.”

Gegen den Braindrain vorgehen Zum Beispiel, um gemeinsam gegen den “Braindrain” vorzugehen. Wie alle Länder in Südosteuropa, ob EU oder nicht, hat auch Serbien gegen eine gewal-

tige Abwanderung zu kämpfen. Die Zahl gut Qualifizierter, die Jobbedingt ins Ausland gehen, liegt in den letzten zwei Jahrzehnten bei 300.000 jungen Frauen und Männern. 40.000 von ihnen sind Hochschulabsolventen. Ihre Ausbildung hat den Staat etwa zwölf Milliarden Euro gekostet. Ein weiteres Problem sind nach wie vor die Flüchtlinge, die in Serbien “stranden”, weil viele Nachbarn Zäune hoch-

Auch Botschafter Dušan Crnogorčevič “bleibt bei seinen Leisten” und mag nicht noch einmal etwas anderes machen. “Trotz aller Schwierigkeiten und Probleme, die ich als diplomatischer Vertreter von vier verschiedenen Ländern hatte (Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien, Bundesrepublik Jugoslawien, Staatenunion Serbien-Montenegro und Republik Serbien) würde ich denselben Beruf erneut wählen. Mit großem Vergnügen könnte ich mir allenfalls vorstellen, für einen Tag mit dem UN-Generalsekretär António Guterres oder dem serbischen Spitzensportler Novak Đoković (serbischer Tennisspieler, über 200 Wochen die Nummer eins der Weltrangliste) zu tauschen.” Na dann – Boris Becker, sein Trainer bis letztes Jahr, ist als Coach gerade frei...

Botschafters Rezept Leskovačka mućkalica Schweine-Kalb-Geschnetzeltes mit Gemüse à la Leskovač (südserbische Stadt) Zutaten: 1 kg Schweinenacken (oder gemischtes Schweine- und Kalbfleisch), 200 g Speck, 4 – 5 Zwiebeln, 10 rote Paprika, geröstet, geschält und gehackt, 500 g geschälte und gewürfelte Tomaten, 2 Knollen Knoblauch, Salz, gemahlene, getrocknete Paprika, evtl. Chili-Pulver, falls gewünscht. Zubereitung: Das Fleisch in Würfel schneiden, aufspießen, salzen, mit Öl einreiben. Anschließend grillen. Den Speck in kleine Würfel schneiden und anbraten, bis er schmilzt. Die geschnittenen Zwiebeln hinzugeben sanft im Speck braten und die gehackte rote Paprika hinzufügen. Das Fleisch von den Spießen nehmen, in die Pfanne geben und vorsichtig braten, bis das Fleisch weich ist. Anschließend die Tomaten ein paar Minuten in die Pfanne geben. Wenn sie gar sind, den fein gehackten Knoblauch und Paprika hinzugeben. Falls gewünscht mit Chili-Pulver würzen und mit (hausgemachtem) Brot oder Brötchen servieren. Nicht das Bier und den Sliwowitz oder einen anderen Obstler vergessen...


Koordinierungsstelle für Vergaben (zugeteilt Referat Z4)

-2373

-2704

Referat Z6 Organisation, Eich- und Beschussverwaltung MR Dr. Kai Vahrenkamp

EU-Bescheinigungsbehörde RD Stephan Reitmaier (zugeteilt Referat Z2)

-2629

Referat Z5 IuK im Geschäftsbereich MR Bernhard Eder

Geschäftsstelle der Regulierungskammer des Freistaates Bayern (zugeteilt Referat 16) RR Manfred Klügl

-2396

Landeskartellbehörde (W) Wettbewerbspolitik, -schutz, Vollzug des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen MR Dr. Otto Ziegler -2424

Referat 17 Grundsatzfragen der Europäischen Union, Beihilfepolitik MRin Dr. Monika Hochreiter -2785

Referat 16 Preisbildung und -überwachung, Recht der Energieregulierung MRin Karin Dichtl-Rebling -2345

Referat 15 Vertretung d. StMWi in Brüssel zur Europäischen Union MRin Dr. Lucie Merkle -2304

Referat 14 Verbdg. d. StMWi in Berlin zu Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat und Verbänden ORR Dr. Christian Kelders -2648 m.d.W.d.G.b.

-2395

-2468

Referat Z3 Haushalt Ltd. MR Volker Hoffmann

Referat Z4 Öffentliches Auftragswesen, Sicherheit MR Stefan Gerbracht -2484

-2425

Referat 13 Bundesgesetzgebung, Bundesrat stellv. Abteilungsleiterin MRin Ilka Bürger

Referat 12 Justiziariat, Landesgesetzgebung MR Dr. Klaus-Hannes Schäch -2218

Referat Z2 Zentrale Dienste, Bau BD Ulrich Hach

-2340

Referat 11 Landtags- und Ministerratsangelegenheiten, Ordensfragen MR Ralph Jäkel -2271

-2601

Abteilung 1 Gesetzgebung und Recht MDirig. Dr. Günter Graf

Referat 27 Standortentwicklung MRin Dr. Patricia Callies

Referat 26 Reden MR Dr. Bernd Sondermann

Referat 25 Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungsorganisation stellv. Abteilungsleiterin Ltd. MRin Dr. Regina Otto

Schwerpunktbereich Kommunikation

Referat 24 Statistik, Analysen, Wirtschaftsbeobachtung MRin Dr. Eva Götz MRin Astrid Lagall

-2744

-2512

-2709

-2272 -2272

Referat 23 Wirtschaftspolitische Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik MR Dr. Gerald Boxberger -2256

Referat 22 Wirtschaftspolitische Fragen des Steuer- und Finanzwesens sowie des Verkehrs MRin Elke Fischer -2592

Referat 21 Wirtschaftspolitische Grundsatzfragen, Strategie stellv. Abteilungsleiterin MRin Dr. Eva Hentschirsch -2448

Abteilung 2 Wirtschaftspolitik, Strategie, Kommunikation MDirig.in Dr. Sabine Jarothe -2800

EU-Prüfbehörde MR Alexander Matiasko

Referat Z1 Personal, Geschäftsverteilung stellv. Abteilungsleiter Ltd. MR Frank-Rüdiger Scholz -2515

Abteilung Z Zentrale Aufgaben MDirig. Dr. Thomas Langer

Hausadresse: Prinzregentenstraße 28, 80538 München Telefon: 089/2162-0, Telefax: 089/2162-2760 Internet: www.stmwi.bayern.de

Postanschrift: 80525 München

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie

-2500

-2228

-2608

-2652

-2572

Referat 47 Technologieförderung, Neue Werkstoffe MR Dr. Eric Zwintz -2783

Referat 46 Digitalisierungsforschung und -technologie MRin Doris Ausfelder -2263 MRin Dr. Alexandra Schmidt- -2263 Buchholz

Referat 45 Luft- und Raumfahrttechnologie, Umwelttechnologie MR Dietmar Schneyer -2743

Referat 44 Wissens- und Technologietransfer, Energieforschung und -technologie stellv. Abteilungsleiter Ltd. MR Dr.-Ing. Frank Messerer -2726

Referat 43 Angewandte Forschung, Clusterpolitik stellv. Abteilungsleiter MR Dr. Stefan Wimbauer

Referat 42 Außeruniversitäre Grundlagenforschung, Gemeinsame Wissenschaftskonferenz MRin Silke Tannapfel -2217

Referat 41 Grundsatzfragen der Innovationsund Technologiepolitik, Biotechnologie, Medizintechnik BD Dr.-Ing. Thomas Krammer -2672

Abteilung 4 Innovation, Forschung, Technologie MDirig. Dr. Manfred Wolter -2335

-2128, -2802

Invest in Bavaria (IB) Ansiedlungsbeauftragter, Ansiedlungspolitik und Standortmarketing stellv. Abteilungsleiter Ltd. MR Dr. Wolfgang Hübschle -2642

Referat 55 Bürgschaften, Unternehmenskonsolidierungen und Finanzhilfeaktionen bei Naturkatastrophen N.N. -2224

Referat 54 Banken, Börsen, Versicherungen, Finanzplatz München Initiative MR Roland Jung -2320

Referat 53 Förderbanken, Beteiligungsfinanzierung, Mittelstandsfinanzierung MRin Clara Kellermann -2372

Referat 52 Regionale Wirtschaftsförderung, Europäische territoriale Zusammenarbeit INTERREG A MR Matthias Herderich -2690

Referat 51 Strukturpolitische Grundsatzfragen, EU-Strukturpolitik MR Bernhard Klein -2337

Abteilung 5 Investition, Finanzierung, Strukturpolitik MDirig. Dr. Hans-Peter Kraußer -2286

Amtschef Dr. Bernhard Schwab Ministerialdirektor

-2333, -2334, -2686

-2639

Referat 67 China, Naher und Mittlerer Osten, Türkei stellv. Abteilungsleiter Ltd. MR Dr. Markus Eder -2259

Referat 66 Grundsatzfragen der Außenwirtschaft, Amerika MR Michael Gotschlich -2664

Referat 65 Europa, Messewesen MR Martin Grossmann

Referat 64 Asien, Afrika, Entwicklungszusammenarbeit Ltd. MR Ulrich Konstantin Rieger -2244

Schwerpunktbereich Internationalisierung

Referat 63 Bauwirtschaft, Keramik-, Glas und Nahrungsmittelindustrie, Elektroindustrie MRin Dr. Susanne Kohlbecher -2210

Referat 62 Fahrzeugindustrie, Maschinenbau, Metallindustrie, Elektromobilität MR Dr. Armin Rudolph -2566

Referat 61 Grundsatzfragen der Industrie, Chemieindustrie, Holz und Papier, Textilindustrie stellv. Abteilungsleiterin Ltd. MRin Monika Rauh -2523

Schwerpunktbereich Industrie

Abteilung 6 Internationalisierung, Industrie MDirig. Dr. Markus Wittmann -2626

Amtschefbüro Persönlicher Referent des Amtschefs MR Burchard Schütze (MD1)

-2488

Referat 76 Filmpolitik, Audiovisuelle Medien MR Daniel Curio -2527

Referat 75 Grundsatzfragen der Medienpolitik, Medienrecht stellv. Abteilungsleiter Ltd. MR Michael Roppelt -2392

Referat 74 Kultur- und Kreativwirtschaft, Design MRin Dr. Andrea Niedzela-Schmutte -2308

Referat 73 IuK-Wirtschaft, Telekommunikation MR Dietrich Schirm -2245

Referat 72 Gründerland Bayern MR Christoph Pfaff

Referat 71 Grundsatzfragen der Digitalisierung MR Dr. Rolf Bommer -2313

Fachstelle Bergtechnik, Gefahrenabwehr, energetische Bodenschätze (zugeteilt Referat 86) MR Rainer Zimmer

Referat 86 Bergbau, Rohstoffpolitik, Geothermie MR Andreas Würth

-2451

-2659

Referat 85 Klima- und Umweltfragen, Versorgung mit Mineralöl, Gas und Kohle MR Albert Wolf -2235

Referat 84 Speicher, Kraft-Wärme-Kopplung MR Dr.-Ing. Josef Schadl -2299

Referat 83 Energiedialog und Kommunikation MRin Marion Appold -2713

Referat 82 Energieinfrastruktur Strom, Netze stellv. Abteilungsleiter MR Dr.-Ing. Martin Elsberger -2697

Referat 81 Energiepolitische Grundsatzfragen, Energierecht, Kernenergieausstieg N.N. -2336

-2678

-2512

Referat 96 Energiebilanzen, Monitoring RDin Sylvia Stegmüller -2609 RDin Dr. Katja Hinz -2609

-2414

-2826

Referat 94 Wasserkraft MR Stefan Thums Referat 95 Energieeinsparung und Energieeffizienz MR Dr.-Ing. Ulrich Steger

-2385

-2643 Referat 93 Bioenergie, Biokraftstoffe MR Dr. Klaus Keisel

Referat 92 Photovoltaik, Solarthermie, Windenergie stellv. Abteilungsleiter MR Dr. Jörg Stumpp

Referat 91 Grundsatzfragen Erneuerbarer Energien, Energieförderprogramme stellv. Abteilungsleiter MR Robert Götz -2517

Abteilung 9 Erneuerbare Energien, Energieeffizienz MDirig. Rudolf Escheu

Politische Analysen (L3) -2641 MR Dr. Bernd Sondermann

-2724, -2342

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, Stand: Juli 2017

Abteilung 8 Energiepolitik, Energieinfrastruktur MDirig.in Dr. Ulrike Wolf -2287

Projektkoordinierung (L2) -2290 ORRin Dr. Solveig Lauke m.d.W.d.G.b.

MR Andreas Kamml (L)

Abteilung 7 Digitalisierung, Medien MDirig. Dr. Klaus-Peter Potthast -2353

-2252

-2389 -2276 -2510

Presse (L1) Katrin van Randenborgh

Leiterin: RDin Marlene Anton Persönlicher Referent des Staatssekretärs RR Sebastian Stawowski

Staatssekretärbüro

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis Januar 2014 alle Ausgaben. Die App ist erhältlich im Apple App Store, Google Play Store und Amazon Appstore.

Referat T2 Tourismusförderung, Gesundheitstourismus MR Dr. Peter Hauer -2354

Schwerpunktbereich Tourismus Referat T1 Grundsatzfragen der Tourismuspolitik N.N. -2364

Referat H2 Handwerksrecht MR Wolfgang Spicka

Schwerpunktbereich Handwerk Referat H1 Grundsatzfragen der Handwerkspolitik MR Dr. Peter Stein -2739

Referat 34 Berufliche Bildung, Fachkräfte MRin Sabine Maurer -2220

Referat 33 Kammeraufsicht, Wirtschaftsprüferwesen, Gewerberecht MR Armin Schwimmbeck -2654

Referat 32 Handel, Dienstleistungen, Freie Berufe MR Franz Müller

Referat 31 Grundsatzfragen der Mittelstandspolitik stellv. Abteilungsleiter Ltd. MR Georg Schmidt

Abteilung 3 Mittelstand, Handwerk, Tourismus MDirig. Dr. Gert Bruckner

-2455

Foto: BS/STMWi Bayern

Staatssekretär Franz Josef Pschierer

Staatsministerin Ilse Aigner

Ministerbüro (MB) MR Andreas Kamml -2724, -2342 Persönliche Referenten ORR Dr. Christoph Stoeckle -2692 RR Tobias Griesmeier -2699

Leitungsstab

Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie

Behörden Spiegel / Juli 2017

Personelles Seite 11


Gesundheit / Versorgung

Seite 12

Aber bitte kein Rührei!

D

ie Befürworter einer Bürgerversicherung sehen darin ein gemeinsames Krankenversicherungssystem für die gesamte Bevölkerung mit gleichen Wahlund Wechselrechten für alle Versicherten, wie es Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK stellvertretend formuliert. Für den Gesundheitsökonomen ist deshalb eine Reform des Versicherungssystems unumgänglich, wie unterschiedliche Betrachtungsweisen zeigen. So werden systemisch bedingt die Wahl- und Wechselrechte der Versicherten eingeschränkt. Von 80 Mio. Einwohnern hätten gerade mal ein bis zwei Mio. die Möglichkeit, tatsächlich zu wechseln. Und das auch nur innerhalb der Privaten Krankenversicherung (PKV). Der Wettbewerb beziehe sich vor allem auf junge, gesunde Gutverdiener. Die Qualität der Versorgung spiele hingegen keine Rolle. Aus finanzieller Sicht werde die Solidarität und Stabilität des Krankenversicherungssystems gefährdet. Jacobs verweist in diesem Zusammenhang auf die strukturelle Einnahmeschwäche der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Zwar würden sich die Ausgaben parallel zur Wirtschaftskraft entwickeln, die Einnahmen aber nicht. Zusätzlich hätten sich die Einkommensunterschiede zwischen den Versicherten verschärft. Und auch aus einer Versorgungsperspektive seien Defizite deutlich. Das duale System

Deutschlands Gesundheitsversorgung und deren Finanzierung (BS/Jörn Fieseler) Eine Zwei-Klassen-Medizin will niemand. Zumindest darin sind sich Befürworter und Gegner einer Bürgerversicherung einig. Doch während die einen gerade deshalb eine gemeinsame Krankenversicherung für alle fordern, sehen die anderen in dieser die Verfestigung der Gesundheitsversorgung nach Kassenlage. Damit steht das Gesundheitssystem im Lichte der Debatten um die soziale Gerechtigkeit und ist damit fester Bestandteil des Bundestagswahlkampfes. Aber auch eine gesellschaftspolitische Debatte muss geführt werden. behindere die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung. Vor allem gebe es einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Arztdichte und dem Anteil der privat Versicherten in der Bevölkerung. Regionale Versorgungsunterschiede würden sich verschärfen, das heutige System mache es schwerer, Ärzte in unterversorgten Regionen mit wenigen privat Versicherten zu finden, sagte Jacobs im Rahmen einer Veranstaltung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Bürgerversicherung sei Illusion Letzteres sei korrekt, würde sich aber noch viel mehr verschärfen, wenn es keine Unterscheidungen zwischen den Versicherten mehr gebe, ist sich der wiedergewählte Vorsitzende des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV) Uwe Laue sicher. “Die Bürgerversicherung verbessert nicht die ärztliche Versorgung in ländlichen Regionen. Das ist eine Illusion.” Mit dem dualen System gehöre das deutsche Gesundheitssystem zu den besten der Welt.

Gesetzliche und Private Krankenversicherung seien wie Eigelb und Eiweiß, sie gehörten zusammen, sollen aber nicht vermengt werden, so die einstimmige Meinung bei der Jahrestagung der PKV. Foto: BS/©HandmadePictures, Fotolia.de

“Das zeigen nicht nur wissenschaftliche Untersuchungen – das belegt auch die sehr große Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer medizinischen Versorgung”, so Laue auf der diesjährigen Jahrestagung seines Verbandes, der am 12. Juli 2017 seinen 70. Geburtstag feiert. So existieren in Deutschland im europäischen Vergleich die kürzesten Wartezeiten. 76 Prozent der Menschen würde am selben

Eingeständnis ist erster Schritt Umgang mit psychosozialen Belastungen und Krankheiten (BS/jf) Zu wenig Personal führt zu Stress bei Kollegen und zu krankheitsbedingten Ausfällen. Im schlimmsten Fall zu psychischen Erkrankungen. “Wer ausgebrannt ist, dem hilft kein Urlaub mehr”, betont Dr. med. Matthias Schoof, Ärztlicher Direktor der HELIOS Privatklinik Allgäu. Woran erkennt der Einzelne eine psychosoziale Belastungen oder einen Burnout? Und was kann dagegen unternommen werden? Fest steht: Durch veränderte Anforderungen im Beruf, gesellschaftliche Umbrüche, die sich wandelnde Kollegialität steigen in Verbindung mit speziellen Persönlichkeitsfaktoren die psychosozialen Belastungen. Angst- und Depressionserkrankungen, Somatisierungsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Burnout sind die Folge. Die Liste möglicher Symptome sei lang, berichtet der Mediziner. Sie reiche von Lustlosigkeit, Gefühlen der Sinnlosigkeit, mangelndem Interesse am Beruf oder Aufgabenbereich, permanenter Müdigkeit über Schlaf- und/oder Gedächtnisstörungen, chroni-

Behörden Spiegel / Juli 2017

schen Motivationsmangel bis zu Verzweiflung, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit sowie Gereiztheit oder sogar aggressiven, verbalen und körperlichen Aussetzern. Körperliche Anzeichen wie Kopfoder Rückenschmerzen, MagenDarmbeschwerden, Schwindel, Herz-Kreislaufprobleme, oder ein Tinnitus könnten Symptome psychischer Überlastung sein. Und es müssetn viele dieser Faktoren zusammenkommen, bis jemand wirklich ausgebrannt sei.

Hilfe durch Therapie “Ist jemand von seiner Persönlichkeit Perfektionist, besonders ehrgeizig oder kann nicht Nein sagen oder hat ein ausgeprägtes Helfersyndrom, werden Belastungsstörungen und Burnout noch begünstigt”, führt Schoof weiter aus. “Der erste Schritt ist zugleich auch der schwierigste: Das Eingestehen, dass ich Hilfe brauche”, unterstreicht der Ärztliche Direktor. Dann gebe es nur noch Hilfe durch eine Therapie. “Wir nehmen unsere Patienten aus ihrer bisherigen Alltagssituation heraus und bieten ihnen einen neuen, geregelten Tagesablauf mit ausreichenden Gesprächsmöglichkeiten in Einzel- und Gruppengesprächen.” Erleichternd wirke, dass in der

Patientengemeinschaft alle im gleichen Boot säßen. Aber auch Kreativtherapien, regelmäßiger Sport und viel Bewegung in der Natur, Entspannungstechniken und Achtsamkeitstrainings gehörten zum Programm. “Für Polizisten, die aufgrund ihres Berufs besonders belastet sind, etwa durch dauernde Wechselschichten, Gewalt gegen sie selbst oder auch durch das Überbringen von Todesnachrichten, haben wir ein zusätzliches Gruppenprogramm”, erklärt Schoof. Darin würden das eigene Rollenverständnis, die berufsspezifischen Belastungen und Anforderungen ebenso thematisiert wie der Umgang mit Gefühlen.

Präventive Maßnahmen Damit es möglichst nicht dazu komme, könne jeder Einzelne sich durch verschiedene Maßnahmen schützen. Eine gute Organisationsfähigkeit und ein gutes Zeitmanagement seien wesentliche Aspekte. Ebenso die Fähigkeit zu delegieren, Abschalten und Loslassen können. Auch dürfe nicht alles persönlich genommen werden. “Wichtig ist das Gefühl, selbstbestimmt zu arbeiten und somit Kontrolle über das eigene Tun zu haben”, so Schoof.

oder einen Tag danach einen Termin beim Hausarzt bekommen. Nur drei Prozent der Patienten müssten bei Fachärzten zwei Monate auf einen Termin warten. Darüber hinaus würden 86 Prozent der gesetzlich Versicherten laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach das Gesundheitssystem und die Gesundheitsversorgung in Deutschland als gut oder sogar sehr gut bewerten. Bei Privatversicherten sogar 91 Prozent, nennt der Verbandsvorsitzende weitere Zahlen.

Wie Eigelb und Eiweiß Mit der Bürgerversicherung ist beabsichtigt, einen Großteil der Beamten und Selbstständigen in das System der GKV zu überführen. “Damit verliert der Öffentliche Dienst ein Attraktivitätsmerkmal”, ist sich Klaus Dauderstädt, Bundesvorsitzender des DBB Beamtenbunds und Tarifunion, sicher. Deshalb

dürfe auch die Beihilfe als Ausdruck der Fürsorge des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten nicht aufgegeben werden. Zugleich passe die Beihilfe zur PKV wie Baum und Borke. Oder wie Eigelb und Eiweiß, wie Laue anmerkte. Es dürfe aber nicht zu Rührei vermengt werden, wirft der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, ein. Für den Mediziner ist die Bürgerversicherung sowieso eine “Einheitsversicherung, die alle über einen Kamm schert”. Zwar gebe es im besten Gesundheitssystem der Welt noch einige Ecken und Kanten, doch müsse gezielt an diesen weitergearbeitet werden, statt das Krankenversicherungssystem fundamental zu ändern. Der Präsident der Bundesärztekammer bezweifelt, dass im System von PKV und GKV ein Gerechtigkeitsproblem bestehe. Dieses sieht er vor allem bei Kindern, die je nach Bildungsschicht, in der sie geboren würden, eine um bis zu zehn Jahre längere Lebenserwartung hätten oder eben nicht. “Das müssen wir anpacken, das hat aber nichts mit dem Krankenversicherungssystem zu tun.” Die Frage des Krankenversicherungssystems müsse, wie die gesamte Sozialpolitik, gesellschaftspolitisch diskutiert werden, fordert Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Grundlage dafür sei die Sicht des Staates auf die Menschen. Gehe man von einem freien und eigenverantwortlich handelnden Menschen aus, der selbst Ver-

antwortung übernehmen könne, oder müsse der Staat sämtliche zentralen Entscheidungen treffen. Letzteres sei Ausdruck eines starken Sozialstaates. “Freiheit ist aber kein Konsumgut, dafür muss gekämpft werden”, betont der frühere Parlamentarische Staatssekretär. Zudem dürfe nicht das Wirtschaftsmodell vergessen werden – die Soziale Marktwirtschaft mit dem Wettbewerb als prägendem Element. Deshalb würden die Arbeitgeber für ein duales System votieren. Schließlich dürften nicht nur die Kosten des Systems in den Blick genommen werden, es müsse auch überdacht werden, wie diese gedeckelt werden könnten.

Bürgerversicherung im Wahlkampf Die SPD müsse das Thema auf jeden Fall auf die Agenda im aktuellen Bundestagswahlkampf setzen, erläutert Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Denn in den Umfragen zu Kanzlerin Angela Merkel und SPDSpitzenkandidat Martin Schulz und den ihnen zugeschriebenen Kompetenzen hatbe die Kanzlerin klar die Nase vorn. Bis auf eine Ausnahme. Beim Thema soziale Gerechtigkeit schneide der Sozialdemokrat besser ab. Doch nicht nur die SPD, auch die eher links der Mitte verorteten Parteien Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, würden deshalb die Bürgerversicherung verwirklichen wollen. Aber: Das Thema allein reiche nicht, um die nächste Wahl zu gewinnen, betont Jung. Stattdessen müsste mit weiteren Themen die Mitte überzeugt werden, denn dort würden Wahlen entschieden. Nicht mit Positionen am linken oder rechten Rand, so der Wahlforscher. Denn: 60 Prozent der Bevölkerung sähen sich auf einer Elfer-Skala politisch in der Mitte. Würde man nicht nur die mittleren drei, sondern fünf Balken rechnen, wären es sogar 80 Prozent.

Burnout? Bitte nicht! Praxisaustausch zu Auslösern, Symptomen, Prävention (BS/Heidrun Rösch*) Immer mehr Behörden und Unternehmen haben erkannt, dass aufgrund steigender Arbeitsintensität und -verdichtung die gesundheitliche Belastung für Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark zugenommen hat. Immer schneller, immer mehr, immer aggressiver – die Arbeitswelt ebnet den Weg in die völlige Erschöpfung, wenn die eigenen Ressourcen knapp sind und/oder nicht den gestellten Anforderungen genügen. Werden dem Dauerengagement und der ständigen Einsatzbereitschaft keine Grenzen gesetzt, ist der Weg in den Burnout programmiert. Irgendwann lässt die Antriebskraft nach, Kreativität und Produktivität schwinden und die Arbeits- und Lebensfreude bleiben auf der Strecke. Anhaltende Schlafstörungen, vor allem in der Nacht von Sonntag auf Montag, sind erste Alarmzeichen. Weitere Warnzeichen wie: Wochenenden und Urlaube bringen keine Entspannung und Erholung mehr, sollten ernst genommen werden. Wichtig ist festzustellen, ob erste Warnsignale über einen längeren Zeitraum anhalten, denn Situationen, in denen man sich zeitweise überarbeitet fühlt, treten immer wieder auf und sind allen bekannt.

Signal Schlafstörungen

Führungsaufgabe

Burnout entsteht nicht über Nacht, sondern ist ein Prozess, der sich über Monate und Jahre hinzieht. In den ersten auftretenden Krisen beginnt ein Kampf zwischen eigenen Bedürfnissen und den äußeren Erwartungen. Normal ist, dass dieser Kampf Stress auslöst. Akute Stressreaktionen sind vorübergehende Erregungszustände mit klarem Anfangs- und Endmuster. Beim chronischen Stress hält die negative Erregung an und zieht sich über einen längeren Zeitraum. Wird der chronische Stress ignoriert, sich nicht mit ihm auseinandergesetzt, überschreitet man schnell die eigenen Grenzen. Betroffene verdrängen Misserfolge und Enttäuschungen, indem sie noch mehr arbeiten.

Neben der notwendigen Selbstsorge, die eigene Gesundheit zu schützen, ist es zwingend erforderlich, dass Führungskräfte mit Personalverantwortung frühzei-

Bildnachweis: Uetliberg Uto Kulm

Spätestens dann, wenn die Akkus auf “null” stehen und wichtige Anerkennung und Wertschätzung ausbleiben, landen Menschen als Burnout-Patienten in der Klinik. Die körperliche, emotionale und geistige Leere hat zum totalen Erschöpfungszustand geführt. Nein, Burnout ist keine Modeerscheinung, ist nicht ansteckend, kann aber jeden ereilen. Es findet ein kontinuierlicher Raubbau an den eigenen Kräften statt!

tig erkennen können, wenn sie selbst oder ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer ständig übermäßigen Beanspruchung stecken und gesundheitlich gefährdet sind. Im Praxisaustausch des Behörden Spiegel “Burnout – Auslöser, Symptome, Prävention” wird ein wichtiges Verständnis für die Burnout-Dynamik vermittelt, das hilft, eigene bzw. fremde Anzeichen erster Signale frühzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. *Heidrun Rösch ist zertifizierte Seminartrainerin u. a. in den Bereichen Führungskräfte-Training, Gesundheitsmanagement und Resilienz.

Praxisaustausch: Burnout Auslöser, Symptome, Prävention www.fuehrungskraefte-forum.de 10.10.2017 Bonn

16.11.2017 Berlin

14.11.2017 Hamburg

30.11.2017 Stuttgart


Kommune Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juli 2017

Warenkontor Innenstadt

KNAPP

Lieferverkehr belastet immer mehr / Lösungen für die letzte Meile gesucht / vom “Micro Hub” aufs Lastenrad?

“Für die Würde unserer Städte”

(BS/Julian Einhaus) Es gebe einen richtigen “Run”, erklärt Frank Rausch, CEO bei Hermes Germany. Täglich meldeten sich kommunale Vertreter bei seinem Unternehmen, um zu erfahren, (BS/ein) Das Aktionsbündnis was der Paket-Dienstleister für eine effizientere Logistik und weniger Verkehr in ihren Innenstädten tue. “Viele Städte und Gemeinden sind sehr daran interessiert, hier gemeinsam “Für die Würde unserer Städte” an neuen Konzepten zu arbeiten”, so Rausch bei einer Veranstaltung Mitte Juni in Berlin. Das ist auch notwendig. hat Ende Juni in Berlin einstimEin Vergleich des Handelsvolumens macht es deutlich: Wurden 2006 im Online-Handel noch 14 Milliarden Euro umgesetzt, sind es heute fast 49 Mrd. Euro (bei 490 Mrd. Gesamtumsatz). Für das Jahr 2020 – also in zweieinhalb Jahren – rechnen Branchenvertreter bereits mit einem Umsatz von 60 Mrd. Euro im Netz. Schon jetzt machen digitale Käufe die Hälfte des aktuellen Handelswachstums aus. Neue Akteure wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Und der Marktführer Amazon will sein Geschäftsfeld ausbauen, kaufte dafür jüngst für fast 14 Mrd. Dollar die Bio-Kette Whole Sale und drängt nun sowohl in das klassische Lebensmittel- als auch in das Versandgeschäft. Eine McKinsey-Studie unter 4.700 Konsumenten ergab vergangenes Jahr, dass Kunden weiterhin “vom Sofa” bestellen und zeitnah “ans Sofa” geliefert bekommen wollen. Das Beratungshaus geht davon aus, dass sich das heutige Paket-Volumen bis 2025 noch einmal verdoppeln wird – auf deutschlandweit fünf Milliarden Pakete. Das Problem dabei: rund 70 Prozent der Auslieferungen finden auf zwölf Prozent der Fläche statt. Mit den bisherigen Mitteln ist dem im dichten urbanen Raum kaum beizukommen. “Wir haben die Prozessketten und Abläufe bis aufs Äußerste optimiert”, unterstreicht Transportlogistik-Experte Rausch. Es braucht neue Lösungen. Drohnen? Längst hat es erste medienwirksame Flüge gegeben: In näherer Zukunft werden die kleinen Paket-Helikopter aber kaum im Durcheinander der Städte eingesetzt. Auch PaketRoboter müssen bei Pilotverfahren, wie aktuell in Hamburg oder Düsseldorf, noch begleitet

Immer mehr Lieferfahrzeuge verstopfen die Innenstädte. Die Kommunen sind hier nicht nur in ihrer ordnungspolitischen Rolle gefragt. Foto: BS/Einhaus

werden. Dafür sind weit simplere Lösungen bereits im Einsatz: dezentralere Lieferstellen. Angefangen bei den bekannten DHL-Packstationen über PaketShops und erweiterte Briefkästen in Hinterhöfen bis zum PkwKofferraum, die Versandboten per GPS-Tracker finden und mit temporärem Code öffnen. Im Vergleich zu früheren Versuchen eröffnet die digitale Welt heute viel mehr Möglichkeiten: Strukturen und Fahrzeuge können durch Sensoren, Big Data und Rechenleistung miteinander vernetzt und im Rahmen der “Smart City” aufeinander abgestimmt werden. Theoretisch. Von einer wirklichen Lösung und einem anbieterübergreifenden System ist man noch weit entfernt. Dafür müssten sich die Akteure untereinander vernetzen. Wirtschaftsverkehr werde in den Kommunen zwar immer stärker wahrgenommen, sei

aber keine Pflichtaufgabe, erklärt Dr. Wulf-Holger Arndt vom Deutschen Institut für Urbanistik. Arndt weist darauf hin, dass rund ein Drittel des städtischen Verkehrs wirtschaftlichen Zwecken dient. "In Innstadtbezirken liegt der Anteil oft weit höher, bis zu 80 Prozent.” Eine Lösung für die Verkehrsprobleme in vielen Großstädten sieht der Mobilitätsexperte nicht durch unabgestimmte Einzelmaßnahmen, sondern durch koordinierte Maßnahmenbündel. Dabei gelte es, Handel, Gewerbetreibende und Anwohner in ihren Ängsten zuerst einmal ernst zu nehmen und an einen Tisch zu holen. “Im Zweifel braucht es dafür einen Wirtschaftsverkehrsbeauftragten, der die Beteiligten kompetent ansprechen, passende Konzepte entwickeln und Projekte vorantreiben und moderieren kann.” Eine interdisziplinäre Aufgabe. Stuttgart sei eine Referenz, wo ein sol-

cher Beauftragter innerhalb der Kommunalverwaltungen einzelne Bereiche miteinander koordiniert. Schließlich sind auch die Bürger vor Ort bestmöglich einzubeziehen und durch entsprechende Info- und Beteiligungsveranstaltungen mitzunehmen, so Arndt. Ein weiteres positives Beispiel: Nürnberg. Um Pakete nicht mehr per Lkw bis zur Haustür zu liefern, setzen die Paketdienstleister DPD und GLS bis Oktober probeweise auf “Micro Hubs”. Das sind dezentrale Zwischenlager, die mit großen Fahrzeugen beliefert werden, die “letzte Meile” von dort aber mit speziellen Lasten- und E-Lastenrädern bis zu den Empfängern ausliefern. In der Franken-Metropole werden neben Anhängern und Containern auch Gebäude als Depots genutzt. Ähnliche Projekte laufen in Hamburg, Berlin und Amsterdam. Ziel ist es, in Städten und Wohngebieten flexibler,

leiser und emissionsärmer zu agieren. Und vielleicht kann damit nicht nur dem Zuwachs des Online-Geschäfts ein behutsamerer Weg geebnet werden, sondern auch dem Einzelhandel gedient sein. Denn ordnungspolitisch stellt sich hüben wie drüben die Frage, wer, wann und in welchem Maße Zugang zu Innenstädten haben sollte. Auch die vielen kleinen Geschäfte, die die größte zusammenhängende deutsche Fußgängerzone in Nürnberg ausmachen, wollen gern schnell und zeitlich flexibel beliefert werden. Gerne auch zu frühester Stunde – ein natürlicher Zankapfel mit den Anwohnern. “Mit dem neuen Konzept der Lastenfahrräder kann den Wünschen der Ladner und den Bedürfnissen der Bewohner ideal und nachhaltig entsprochen werden”, sagte Christian Vogel, 2. Bürgermeister der Stadt Nürnberg. Eine runde Sache – aber wo sollen eigentlich die vielen ElektroFlitzer aufgeladen werden? In Logistikimmobilien. Das sagt zumindest Francisco Bähr von der Logix Initiative Logistikimmobilien. Der Betriebswirt geht davon aus, dass in nicht wenigen Orten weit größere Verteilzentren entstehen werden als Micro Hubs. “Wir reden mit einigen Städten über mehrstöckige Gebäude in den Innenstädten.” Zur Versorgung der Bevölkerung müssten darin nicht nur Waren unterkommen, angeliefert und abgeholt werden, sondern auch E-Fahrzeuge geparkt und geladen werden. Das ist nicht nur angesichts der akuten Wohnungsnot in vielen Großstädten eine Herausforderung, sondern auch für die Energieversorgung solcher Fuhrparks ― und damit eine stadtgestalterische Aufgabe.

mig die Resolution “Die Gleichwertigkeit muss auch in meiner Stadt die Chance zur Zukunft sichern” beschlossen. Die Resolution fordert die nachhaltige Lösung der Gemeindefinanzprobleme und die Wiederherstellung der im Grundgesetz festgeschriebenen Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in allen deutschen Kommunen. Die zu der Kommunalkonferenz geladenen kommunalpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen Christian Haase (CDU/CSU), Bernhard Daldrup (SPD), Kerstin Kassner (Die Linke) und Britta Haßelmann (Grüne) versprachen, dass sie sich in der nächsten Legislaturperiode für diesen Anspruch schwerpunktmäßig einsetzen werden. Das Aktionsbündnis fordert, dass dazu bereits im Dezember oder Januar im Rahmen einer neuen Kommission Gesprächen mit Bund, Ländern, BündnisKommunen und kommunalen Spitzenverbänden über die Neuordnung des kommunalen Finanzsystems geführt werden.

Ordnungsdienst für München (BS/mfe) In der bayerischen Landeshauptstadt München soll es ab Juni nächsten Jahres einen kommunalen Außendienst geben. Dieser soll über 106 Mitarbeiter verfügen. Ursprünglich vorgesehen waren nur 30 Beschäftigte. Die Bediensteten sollen blaue Uniformen tragen und sich um die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten wie zum Beispiel Ruhestörungen kümmern. Im Rahmen ihrer Tätigkeit dürfen die Beschäftigten Platzverweise aussprechen, Verwarngelder verhängen und Personen zwecks Identitätsfeststellung kurzzeitig anhalten. Festnahmen sind nicht erlaubt.

Zukunft Abfallwirtschaft Effizient.Kooperativ.Nachhaltig 10. Oktober 2017, Maritim Hotel, Bonn www.zukunft-abfallwirtschaft.de

Entsorgungswirtschaft zwischen Energie- und Ressourcenwende Zukunft des Dualen Systems Behördliche und wettbewerbliche Strukturen Abfallwirtschaft 4.0 Neue Geschäftsmodelle Eine Veranstaltung des:


Kommunalpolitik

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MELDUNG

Ein Viertel mit Migrationshintergrund (BS/ein) Im vergangenen Jahr hatten 547 der 2.186 neu eingestellten Auszubildenden beim Land Berlin und damit 25,1 Prozent einen Migrationshintergrund. Das seien so viele wie nie zuvor und Ausdruck der Berliner Initiative “Berlin braucht dich!”, sagte die Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach, Mitte Juni in Berlin. Der starke Anstieg wird demnach besonders durch die besonders hohe Anzahl neu eingestellter Auszubildender bei der Polizei und dem Krankenhausbetreiber Vivantes getragen. Das positive Bild werde jedoch durch die stagnierende oder rückläufige Entwicklung bei einigen Behörden und Landesbetrieben getrübt, so Breitenbach. Im reinen Öffentlichen Dienst in den Verwaltungen wurden 1.354 Auszubildende neu eingestellt, von denen 23 Prozent einen Migrationshintergrund hatten (2015: 19,5 Prozent). Bei den Betrieben mit Landesbeteiligung kamen insgesamt 832 ins Auszubildendenverhältnisse, davon 28,5 Prozent mit Migrationshintergrund (2015: 24,2 Prozent). Einen deutlichen Anstieg der Zahlen erhofft sich Berlins Beauftragter für Integration und Migration Andreas Germershausen für 2017. Das mit den Betrieben begonnene Pilotvorhaben “Erprobung neuer Zugänge in die Ausbildung” soll jungen Menschen den Einstieg in die Ausbildung durch Vereinbarungen mit Betrieben ermöglichen. Dazu werden diese durch Praktika gefördert, was die Ergebnisse der bisherigen betrieblichen Auswahlverfahren weit übertreffen soll.

Duldung, Abschiebungen, Rückkehrmanagement BMI spricht mit Landkreisen / rund 500.000 Ausreisepflichtige / LKT will flächendeckende Rückkehrberatung (BS/Julian Einhaus) “Zu einer glaubwürdigen Migrations- und Flüchtlingspolitik gehört auch, dass die Menschen, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, wieder in Ihre Heimatländer zurückkehren müssen”, erklärte Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. Unter dem Motto “Optimierung des Rückkehrmanagements” fand Mitte Juni erstmals ein Dialog von Bund, Landkreisen und Ausländerbehörden über die schwierige Umsetzung von Abschiebungen statt. De Maizière wandte sich dagegen, künftig nach ökonomischen Gesichtspunkten und den beruflichen Fähigkeiten und der Leistungsfähigkeit von Flüchtlingen zu entscheiden, wer bleiben dürfe und wer gehen müsse. Eine solche Auswahl sei bei Asyl-Suchenden “nicht human”, so der Minister. Auch die Gerichte würden so etwas nicht mittragen. Unklar sei derzeit die Zahl der Ausreisepflichtigen in Deutschland, so der Minister, weil es Flüchtlinge mit und ohne sowie mit unterschiedlichen Arten von Duldung gebe. “Das ist sehr schwer zu verstehen.” Gerade die oft angeklickte Kategorie “Duldung aus sonstigen Gründen” erhöhe die Arbeitsbelastung und verhindere ein effektives Rückkehrmanagement, weil nicht klar sei, woran die Duldung festzumachen sei. Dass aus Wirtschaftskreisen vermehrt die Forderung komme, Flüchtlinge mit bestimmten Qualifikationen – ob es um den begabten Fußballer gehe oder jemanden mit guten Ausbildungschancen – eher ein Bleiberecht einzuräumen, unterstrich nicht nur de Maizière (“Vermischung von Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik”), sondern auch Vertreter einzelner Landkreise.

An Ratschlägen der Landkreise interessiert Trotz vieler Probleme, die sowohl bei integrativen Maßnahmen als auch bei Rückführungen im föderalen Zusammenspiel lägen, habe man begriffen, dass

gegenseitige Schuldzuweisungen nicht weiterhelfen. In einem Wahljahr sei dies nicht ganz leicht, so der Minister. Seit den Beschlüssen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten vom Februar 2017 hätten Abstimmung und Koordinierung aber einigermaßen funktioniert. Das BMI hat dazu ein Papier vorgelegt und diskutiert aktuell mit den Ländern über die künftige Rolle des Bundes bei Abschiebungen. Auch hier sei man an Ratschlägen und Anregungen der Landkreise interessiert, unterstrich der Minister, denn wenn der Bund hier mehr Aufgaben übernähme, entstünden sofort Schnittstellen zu den kommunalen Ausländerbehörden. Wie sähen dann die Rechtswege aus? Wie wäre der Umgang mit Härtefall-Kommissionen? Der Umgang mit solchen und vielen weitere Fragen könnte auch Gegenstand einer künftigen Koalitionsvereinbarung sein, die von wem auch immer zu schließen sein werde.

Abschiebungen: auch für Mitarbeiter schwierig Bei Abschiebungen müsse vor allem auf den Menschen geschaut werden. Neben Flüchtlingen seien aber auch staatliche und kommunale Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes betroffen, so de Maizière. “Natürlich ist das Erteilen einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis schöner, als eine Ausweisungsverfügung zu erlassen. Es ist auch leichter, einen Integrationskurs zu eröffnen, als einen Fall vor

Machte den Auftakt zum Austausch mit den Landkreisen: Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. Foto: BS/Deutscher Landkreistag, Markus Mempel

einer Härtefall-Kommission vorzutragen.” Bis hin zur Gangway an Flughäfen würden Polizisten und Behördenvertreter angegangen. Deshalb gebe es ebenso eine menschliche Komponente, die sich nicht nur auf diejenigen beziehe, die abgeschoben würden, sondern auch auf die, die bei der Abschiebung tätig würden. “Ich würde mir wünschen, dass manche NGO, manche Kirche und andere, die mit guten Gründen darauf gucken, dass es human zugeht bei Abschiebungen, auch mal ein seelsorgerisches Wort an die richten würden, die bei den sehr schwierigen, aber rechtsstaatlich notwendigen Abschiebungen beteiligt sind.” Die konsequente Rückführung ausreisepflichtiger Personen sei auch Voraussetzung für die Akzeptanz von humanitärer Aufnahme und die Bereitschaft, Schutzsuchende hierzulande willkommen zu heißen und zu

Nachher ist man immer schlauer – oder nicht? (BS/Monika B. Arzberger*) Stuttgart 21, der Brennerbasistunnel, Windkraftanlagen. Diese Projekte handeln nicht nur vom Bau eines unterirdischen Durchgangsbahnhofes, eines Eisenbahntunnels zwischen Österreich, Italien und Deutschland oder vom Ausbau Erneuerbarer Energien. Für die Menschen ebenso wichtig sind Fragen der Lebensqualität, der Zugehörigkeit und Heimat oder die Sorgen um die gesundheitlichen Folgen des Infraschalls. Das wird oft erst zu spät erkannt – Projekte müssen dann pausieren und Kosten schießen in die Höhe. Denn gerade bei komplexen Projekten sind unterschiedliche Interessen und gegensätzliche Positionen vorprogrammiert und nicht zu vermeiden.

Nicht nur für klassische Infrastrukturprojekte

Quelle: BS/Ruth Rindlisbacher, www.aufzeichnen.at

stein und Erlangen die Bürgerinnen und Bürger ein Projekt, nachdem die Kommune den Zuschlag für die Durchführung erhielt und bereits Zeit und Ressourcen in die Planung steckte. Schade, denn gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern hätten z. B. schon in der Bewerbungsphase die Knackpunkte der Projektidee entwickelt werden können.

Lokales Wissen frühzeitig nutzen Das lokale Wissen der Bevölkerung hätte frühzeitig genutzt, Kreativität hätte sich entfalten und mögliche Konfliktlinien rechtzeitig erkannt und bearbeitet werden können. Ergebnisse, die in die Ausschreibung von Planungsaufträgen und in die Umsetzung von Planungen einfließen können. Hier gilt: je

früher, desto besser. Egal ob Landesgartenschau oder Infrastrukturprojekt, jedes Projekt ist ein Versuch, Lücken zu schließen und Probleme zu beheben. Warum also nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam nach möglichen Lösungen suchen und dann das Projekt konkretisieren? Unsere Erfahrung zeigt, dass davon alle profitieren: die Verantwortlichen in der Kommune, die Bürgerinnen und Bürger und die späteren Planer. Denn sowohl das “Wozu?” als auch das grundsätzliche “Wie?” wurden gemeinsam vorab geklärt. Dann muss später keiner sagen: “Ach, hätten wir doch einen Bürgerdialog gemacht.” *Monika B. Arzberger ist Geschäftsführerin der Koiné GmbH, Agentur für Bürgerdialoge und Konfliktklärung.

integrieren, erklärte Tübingens Landrat Joachim Walter, der auch Vizepräsident des Deutschen Landkreistags ist. Während man bei der Integration breiten Rückhalt in der Bevölkerung genieße und es einen gesellschaftlichen Konsens gebe, sehe die Welt bei der Rückkehr anders aus. Das zeige etwa das jüngste Beispiel in Nürnberg, wo es Ende Mai bei einer Abschiebung nach Afghanistan Tumulte gegeben habe. “Wir sehen es mit Sorge, dass in manchen Kreisen der Bevölkerung eine Grundhaltung Platz greift, die im Kern für ein Bleibebrecht für alle ohne Differenzierung streitet.” Das zerstöre das Vertrauen in das Rechtssystem und mindere in anderen gesellschaftlichen Teilen die Akzeptanz für die weitere Aufnahme von Flüchtlingen, so Walter. “Hier müssen wir auch ein Stück nach vorne denken.” Gleichwohl sieht auch Walter weiterhin rechtliche Hindernis-

se. Zwar werde mittlerweile auf die vorherige Ankündigung der Abschiebung verzichtet, auch medizinische Hindernisse kämen aktuell in den Blick sowie eine leichtere Abschiebung bei Straftaten. “Wir müssen trotzdem feststellen, dass die Zahl der Rückführungen vollkommen unzulänglich ist.” 2016 seien rund 80.000 Menschen rückgeführt worden; rund ein Drittel durch Abschiebungen, die Mehrzahl durch freiwillige, teilweise geförderte Maßnahmen. “Bei einer knappen halben Million Ausreispflichtiger reicht das nicht und wir sehen für 2017 auch keinen Trend, der in eine andere Richtung weisen würde.”

Rückkehrberatung durch öffentlichen Stellen Auch die Landkreise begrüßen die Bund-Länder-Beschlüsse von Februar 2017 zur besseren Umsetzung der Ausreisepflicht (Überwachung ausreisepflichtiger Personen, erweiterte Abschiebehaft, bessere Identifikation von Antragstellern). Es könne aber nicht Aufgabe der kommunalen Ebene sein, auch noch Gefährder zu überwachen. In den Landreisen werde man hingegen alles tun, freiwillige Rückreisen zu unterstützen. Dafür brauche es allerdings eine flächendeckende öffentliche Rückkehrberatung, die sonst oft von anderen Organisationen übernommen werden die andere Ziele verfolgten. Walter: “Wir dürfen uns nicht nehmen lassen, das selbst zu machen.”

“Kommunales Steuerungssystem”

Die Schulkindbetreuung im Hort ist richtig teuer

Frühe Beteiligung als Strategie für Gemeinden und Behörden

Wir wundern uns, dass Kommunen und Behörden so selten die Chance nutzen, die Möglichkeiten der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung bereits vor der Projektbeauftragung und konkreten Planung eines Projekts zu nutzen. Kann eine frühe Beteiligung doch Konflikte im Projektverlauf reduzieren und damit insgesamt die Kosten senken. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) empfiehlt in seiner 2015 veröffentlichten Richtlinie VDI 7001 die frühe Beteiligung bei Planung und Bau von Infrastrukturprojekten. Auch die Politik hat die Notwendigkeit einer frühzeitigen Einbeziehung erkannt und in der Novellierung des § 25 des VwVfG in Absatz 3 verankert, dass die Verwaltung beim Vorhabenträger auf eine frühzeitige Einbeziehung der betroffenen Öffentlichkeit hinwirkt. Ein Instrument, das noch zu wenig genutzt wird. Nicht nur in klassischen Infrastrukturprojekten, sondern auch in kommunalen Projekten wie den Landesgartenschauen. Gerade stoppten z. B. in Traun-

Behörden Spiegel / Juli 2017

von Dr. Ulrich Keilmann

In die Vergleichende Prüfung “Kinderbetreuung” waren zwölf Städte aus der Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main mit einer Einwohnerzahl von 27.859 bis 45.248 einbezogen. Dabei wurde festgestellt, dass die Kosten für die Schulkindbetreuung in Kindertageseinrichtungen (Median: 4.576 Euro je Kind) rund neunmal höher waren als bei einer Schulkindbetreuung außerhalb von Kindertageseinrichtungen (Median: 464 Euro je Kind). Ursächlich ist, dass die Schulkindbetreuung in Kindertageseinrichtungen gemäß § 45 SGB VIII eine Betriebserlaubnis mit vorgegebenen maximalen Gruppengrößen sowie personellen Mindestvorgaben (Fachkraftquote) benötigt, während die Schulkindbetreuung außerhalb von Kindertageseinrichtungen regelmäßig in Schulen oder Vereinsräumen stattfindet, wo die gesetzlichen Mindestvorgaben der Kindertageseinrichtungen nicht greifen. Für die Schulkinder muss das keinen Qualitätsverlust in der Betreuung bedeuten, denn sie haben ein bereits primär

schulisch geprägtes Anforderungsprofil (insbesondere Begleitung / Aufsicht bei der Erledigung der Hausaufgaben) und freuen sich regelmäßig, in “ihrer” Schule bleiben zu können, anstatt in den Kindergarten (Hort) zu den “Kleinen” zu müssen. Die Schulkindbetreuung über Fördervereine war im Vergleich die beste Variante, weil das ehrenamtliche Engagement der Eltern eng eingebunden und damit meist kostendeckend gearbeitet wurde, sodass sich die Förderung durch die Städte auf einen geringen jährlichen Zuschuss beschränkte. Zudem wurde die Betreuung regelmäßig in oder unmittelbar bei der Schule organisiert und gewährleistete damit “kurze Wege für kurze Beine”. Bei einer Schulkindbetreuung durch die Städte außerhalb ihrer Kindertageseinrichtungen in Eigenregie oder auch durch freie Träger entstanden den Städten dagegen höhere Zuschussbedarfe, weil sie aufgrund oft ungeklärter Zuständigkeitsfragen mit dem Schulträger kostenintensive

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/Hessischer Rechnungshof

Containerlösungen anmieten mussten. Deswegen empfiehlt die Überörtliche Prüfung, die Schulkindbetreuung in den Räumlichkeiten der Schulen über Fördervereine vorzunehmen. Dies erfordert zwar regelmäßig eine Abstimmung zwischen dem Schulträger, dem Land als Dienstherrn der Schulleitung und der Stadt, bietet aber für alle die kostengünstigste und für die Schulkinder angenehmste Betreuungsform. Lesen Sie mehr zum Thema “Kinderbetreuung” im Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/3908 vom 2. Dezember 2016, S. 266 ff.

MELDUNG

Ratssitzungen enden um 23 Uhr (BS/ein) Die Ratssitzungen der Bundesstadt Bonn sollen nun regelmäßig um 23 Uhr enden. Das hat der Rat in seiner vorletzten Sitzung Mitte Mai mit einer Änderung der Geschäftsordnung (GO) beschlossen. Die neue GO sieht darüber hinaus

vor, dass begonnene Tagesordnungspunkte zu Ende beraten werden. Tagesordnungspunkte, die aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden können, berät der Rat in einer Folgesitzung. Jede andere Vertagung einer Sitzung bedarf weiterhin einer

erneuten Einladung, die mindestens zwei Tage vor dem Termin ausgesprochen und öffentlich bekanntgemacht werden muss. Per Mehrheitsbeschluss kann der Rat die Sitzungszeit allerdings über das vorgesehene Ende von 23 Uhr hinaus verlängern.


Kommunalpolitik / Personelles

Behörden Spiegel / Juli 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Tiefensee, was macht Landesentwicklung für Sie als Minister für Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus und Digitales aus?

Tiefensee: Thüringen ist ein Flächenland und als solches geprägt durch Gemeinden und mittelgroße Städte. Meine Ressortkollegen und ich – denn hier geht es um eine übergreifende Aufgabe – begreifen Landesentwicklung als Regionalentwicklung. Wir konzentrieren uns damit nicht ausschließlich auf bestimmte Zentren und “Leuchttürme” wie Jena, das “Erfurter Kreuz” oder das wirtschaftsstarke Südthüringen. Unser Ziel ist es vielmehr, dass unsere ländlichen Räume in Fragen der Demografie, Digitalisierung, Lebensqualität, Bildung, Mobilität, Gesundheit, Pflege und Kultur – also in der Qualität des Lebens und Arbeitens – nicht zurückfallen. Behörden Spiegel: Was tun Sie für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) in ländlichen Räumen? Tiefensee: Unser Hauptinstrument ist das Förderprogramm “Gemeinschaftsaufgabe zur regionalen Wirtschaftsförderung”. In den letzten zweieinhalb Jahren sind über 145 Millionen Euro an KMU geflossen. Für Neuansiedlungen von Gewerbe entwickeln wir auch außerhalb der “Perlenkette entlang der A4”, wie etwa beim Gewerbegebiet “Goldene Aue” in Nordhausen, dezentral Flächen. Es geht aber vor allem um Digitalisierung: Wer nicht über die entsprechende Geschwindigkeiten im Netz verfügt, wird im Wettbewerb zurückfallen. Zunächst sind hier die privaten Telekommunikationsanbieter gefordert, sie tragen die Hauptlast. Ein Förderprogramm des Bundes – hier sind wir aktuell in der 5. Runde – in Verbindung mit Landesgeldern und kommunaler Beteiligung schließt die Wirtschaftlichkeitslücke, die in dünn besiedelten Gebieten beim Breitbandausbau bestehen. Die Förderanträge sind aber sehr komplex. Behörden Spiegel: Wie ist der genaue Stand des Breitbandausbaus?

Kommunen und Mittelstand digitalisieren Innovative Regionalentwicklung durch Modellfabriken und Breitbandausbau (BS) Demografischer Wandel, Digitalisierung, Gebiets- und Verwaltungsreformen: Der Freistaat Thüringen setzt sich aus vielen kleinteiligen Gemeindestrukturen zusammen und steht damit vor großen Herausforderungen. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel erklärt Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee, welche Maßnahmen die Landesregierung vornimmt, um vor allem dem industriellen Mittelstand und der Tourismus-Branche zu helfen. Während beim Breitbandausbau noch viel zu tun ist, erhält die Landesregierung Rückenwind durch das Reformationsjahr. Die Fragen stellte Julian Einhaus. Tiefensee: Mittlerweile sind 79 Prozent der Haushalte im Freistaat mit 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) versorgt. Das ist ein Zuwachs von 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Unternehmen liegen bei einer ähnlichen Versorgung von knapp 78 Prozent. Wir werden damit aber nicht 2018, wie von der Kanzlerin versprochen, sondern nach derzeitigem Stand erst 2019 eine Abdeckung von 90 Prozent erreichen. Die vielen kleinen und weitläufigen Gemeinden in unserem Land sind schwierig zu erschließen. Wir könnten eine 100-Prozent-Abdeckung schaffen, wenn genügend Baukapazität vorhanden wäre. An der Planung und Finanzierung durch die öffentliche Hand scheitert es jedenfalls nicht. Behörden Spiegel: Reichen denn 50 Mbit/s überhaupt noch? Tiefensee: Wir wissen, dass Privathaushalte derzeit im Durchschnitt etwa zehn bis zwölf Mbit/s nachfragen. Anders sieht es in Gewerbegebie ten, Unternehmen, in Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Schulen und auch Verwaltungen – den sogenannten Points of Interest – aus. Hier sprechen wir über einem Bedarf von weit über 500 Mbit/s. Zunächst sind wieder die Telekommunikationsunternehmen und privatwirtschaftliche Lösungen gefragt. Die öffentliche Hand gibt auch hier Fördergelder, wo Finanzierungslücken objektiv nicht zu schließen sind. Behörden Spiegel: Wie sollen die KMUs und Weltmarkführer auf dem Lande künftig mit Google & Co., die nun in so viele Bereiche hineindrängen, mithalten? Tiefensee: Die Stichworte lauten Innovation, Digitalisierung, Wirtschaft 4.0. Mit unserem Kompetenzzentrum “Wirtschaft 4.0” in Erfurt und dem Kompe-

“Wir wollen in Thüringen bis 2025 flächendeckend und auf allen Hierarchie- und Verwaltungsebenen bis in die Kommunen das papierlose Büro haben.” Wolfgang Tiefensee ist Minister für Wirtschaft, Wissenschaft, Tourismus und Digitales in Thüringen. Foto: BS/TMWWDG

tenzzentrum “Mittelstand 4.0” in Ilmenau unterstützen wir die Unternehmen bei Innovationen der Produkte, Produktionsverfahren und Geschäftsmodelle. Am Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 sind dafür bereits an fünf dezentralen Standorten Modellfabriken angegliedert. Hier führen wir zum Beispiel Produktionssteuerung, Vernetzung von Maschinen, Migration, Prozessdatengenerierung, 3D-Druck und Sensorsysteme sowie die Kombination all dieser Techniken vor. Ein ganz anderer Bereich liegt im innovativen Tourismus. Behörden Spiegel: Wir sind mitten im Reformationsjahr – wie läuft es denn in der Tourismusbranche? Zieht Luther? Tiefensee: Wir haben sechs Millionen Euro für Infrastruktur und Vermarktung des Reformationsjahrs bereitgestellt. Seit längerer Zeit stehen wir in engem Kontakt mit dem Ausland, vor allem mit Reiseveranstaltern in den USA und den Niederlanden. Das hat sicherlich in den ersten Wintermonaten dieses Jahres schon zu steigenden Gäste- und Übernachtungszahlen beigetragen. Die Stadt Eisenach rechnet etwa mit 40.000 bis 60.000 zusätzlichen Übernachtungen. Behörden Spiegel: Sie haben

Drei Jahre im Voraus, drei Jahre weniger Landshuter OB will eigene Amtszeit verkürzen (BS/ein) Von sechs auf gut drei Jahre: Es kommt nicht so oft vor, dass kommunale Wahlbeamte ihre eigene Amtszeit freiwillig und aktiv verkürzen. Der erst vor sechs Monaten gewählte Oberbürgermeister von Landshut, Alexander Putz, hat genau das nun getan – drei Jahre vor dem regulärem Ende seiner Amtszeit. Der FDP-Politiker hat beim Stadtrat einen Antrag auf vorzeitige Beendigung seiner eigentlich sechsjährigen Amtszeit gestellt. Er will damit eines seiner Wahlversprechen einlösen und so die Oberbürgermeisterund Stadtratswahlen ab 2020 wieder zusammenlegen. Seine Legislatur soll nun bereits zum 30. April 2020 – und nicht, wie regulär vorgesehen, am 31. Dezember 2022 enden.

Sachkosten einsparen “Ich habe den Bürgerinnen und Bürgern fest versprochen, im Fall meiner Wahl eine vorzeitige Beendigung meiner ersten Amtszeit zu beantragen und es damit zu ermöglichen, OB- und Stadtratswahlen wieder zusammenzulegen”, erklärte Putz. So ist es im Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz grundsätzlich vorgesehen und in den meisten bayerischen Kommunen auch Praxis. Ein gemeinsamer Wahltermin hat laut Putz ausschließlich Vorteile: “Die Stadt kann dadurch

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Fraktionsgrenzen hinweg gestärkt, wenn nicht alle drei Jahre Wahlkampf entweder für die StadtratsAlexander Putz wurde im oder OberbürOktober 2016 zum Oberbürgermeisterwahgermeister von Landshut gelen stattfindet. wählt. Foto: BS/www.liberale.de Das sei einer der wesentlichen Sachkosten in Höhe von rund Gründe dafür, dass Wahlperi30.000 Euro sparen.” Wahlbe- oden auf kommunaler Ebene in nachrichtigungen für die der- Bayern sechs Jahre dauerten zeit mehr als 54.400 Stimm- und nicht alle vier bis fünf Jahre berechtigten müssten so nur gewählt werde, wie auf Bundeseinmal gedruckt und versandt oder Landesebene. sowie die Wahllokale nur einmal eingerichtet werden. Auch Stadtrat hat das letzte Wort der Personalaufwand der rund Mit einem frühzeitigen Ent650 städtischen Beschäftigten, schluss hätten die unterschieddie bei den Urnengängen als lichen politischen Gruppen nun Wahlhelfer eingesetzt werden, Planungssicherheit. “Das ist ein schlage andernfalls doppelt zu Akt der politischen Fairness”, Buche. “Die Kosten dafür sum- so der OB. “Ich hoffe, dass das mieren sich auf schätzungswei- die Mehrheit des Stadtrats se 180.000 Euro.” genauso sehen und meinem Der Kommunalpolitiker sieht Antrag zustimmen wird.” Die zudem die sachliche Zusam- Stadträte stimmen Anfang Juli menarbeit über Partei- und darüber ab.

die Tourismus- und Regionalentwicklung für den gesamten Thüringer Wald ganz neu aufgesetzt. Was ist jetzt anders? Tiefensee: Es ist der ganzheitliche Ansatz. Im Programm “Zukunft Thüringer Wald” geht es nicht nur um Tourismus, sondern auch um Wirtschaft, Fachkräfte, Mobilität und deren Finanzierung. Wichtig war zunächst einmal, mehr Empathie und ein stärkeres Wir-Gefühl in der Region zu erzeugen sowie viel Frustration und Demotivation aus der Vergangenheit zu bewältigen. Wir haben nun 15 ganz konkrete, operationalisierbare Projekte mit 57 Maßnahmen aufgelegt, deren Fortgang kontrolliert und deren Stand durch ein Ampelsystem auch plausibel gemacht wird. Darunter gibt es etwa eine im Juni gestartete Exportinitiative

Maschinenbau, in der sich 20 Unternehmen gezielt beraten werden und sich vernetzen, um ihre Exportchancen zu verbessern. Im Bereich Mobilität sorgt das “Rennsteig-Shuttle” dafür, die Städte der Region untereinander besser zu verbinden. Behörden Spiegel: Wie wird das koordiniert? Tiefensee: Dazu gibt es eine Projektgruppe, in der die beteiligten Landkreise, Städte und Gemeinden, Kammern sowie weitere Akteure der Region und auch andere Landesministerien vertreten sind. Das Wirtschaftsressort ist federführend und mein Staatssekretär Georg Maier sitzt vor. Behörden Spiegel: Was kann Digitalisierung bei der von Ihnen im Land angestrebten Verwal-

tungs- und leisten?

Funktionalreform

Tiefensee: Für den Bürger erstrecken sich die kommunalen Verwaltungskontakte meist nur auf Grundstückskäufe und Kfz-Anmeldungen – beides kann digital geschehen. Wir müssen aber dafür sorgen, dass Bürgerbüros auch in kleineren Städten und Gemeinden zumindest zeitweise vorhanden sind. Vor allem ältere Menschen brauchen jemanden, der das mit ihnen zusammen abwickelt. Das Finanzministerium wird in Kürze als federführendes Ressort ein modernes EGovernment-Gesetz vorlegen. Darin wird konkretisiert, welche Schritte hin zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren wir unternehmen werden. Auch die Landesregierung muss die Möglichkeiten moderner Informationstechnologien noch stärker nutzen. Behörden Spiegel: Was tun Sie persönlich dafür? Tiefensee: Wir wollen in Thüringen bis 2025 flächendeckend und auf allen Hierarchie- und Verwaltungsebenen bis in die Kommunen das papierlose Büro haben. Das ist Ziel der Roadmap, die der bei uns in der Landesregierung zuständige Finanzstaatssekretär und Landes-CIO Hartmut Schubert ausgegeben hat. Ich selbst arbeite schon weitestgehend so: E-Mails werden nicht mehr ausgedruckt, fast alles wird digital bearbeitet. Ende des Jahres soll mein Ministerbüro dann komplett ohne Papier auskommen und sich dabei auf das in meinem Haus bereits eingeführte Verwaltungsinformationssystem (VIS) stützen. Ähnlich weit fortgeschritten ist man im Landesinnenministerium.


Personelles

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Städte, Gemeinden und Landkreise

Stellenmarkt MELDUNG

Liebing wird Staatssekretär – und bleibt in Berlin / Haase neuer kommunalpolitischer Sprecher von CDU/CSU (BS/ein) Der schleswig-holsteinische CDU-Politiker Ingbert Liebing und frühere Spitzenkandidat seiner Partei bei den Landtagswahlen hat die Leitung der schleswig-holsteinischen Landesvertretung in Berlin übernommen. Der neue Ministerpräsident, Daniel Günther (CDU), ernannte den 54-Jährigen Ende Juni als Nachfolger des bisherigen Bevollmächtigten des Landes beim Bund, Staatssekretär Ralph Müller-Beck. Liebing war seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestags, seit

Juni 2013 Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) und kommunalpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Der frühere Gemeindebürgermeister von Sylt war zudem von 2014 bis 2016 Landesvorsitzender der CDU Schleswig-Holstein sowie bis zu seinem unerwarteten Rückzug Ende Oktober 2016 auch CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2017. Liebing übernimmt die Leitung der Landesvertretung in Berlin im

Neuer Bevollmächtigter des Landes Schleswig-Holstein beim Bund: Ingbert Liebing Foto: BS/www.ingbert-liebing.de

Rang eines beamteten Staatssekretärs auf Zeit. Der gebürtige Flensburger hat dafür bereits sein Bundes- als auch sein jüngst erhaltenes Landtagsmandat niedergelegt. Im Bundestag ersetzt Marion Herdan den CDU-Mann zumindest bis zur Bundestagswahl am 24. September und nahm bereits an den beiden letzten Sitzungstagen des Plenums vor der Sommerpause teil. Die 58-jährige CDU-Politikerin war bis zur zurückliegenden Landtagswahl für eine Wahlperiode Abgeord-

nete in Kiel. Nachfolger Liebings als kommunalpolitischer Sprecher ist MdB Christian Haase, dessen Wahlkreis (Höxter-Lippe II) in Ostwestfalen liegt. Der 51-jährige Verwaltungswirt ist seit Oktober 2013 im Bundestag und u. a. Mitglied des Präsidiums des Städte- und Gemeindebundes NRW und war bislang Vertreter Liebings. Ein neuer KPV-Bundesvorsitzender soll erst Mitte November 2017 auf der Bundesvertreterversammlung in Braunschweig gewählt werden.

Neuer kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Christian Haase Foto: BS/CDU/CSU, Laurence Chaperon, CC BY-SA 3.0 DE


Kommunaler Haushalt

Behörden Spiegel / Juli 2017

Mut machendes Signal

D

ie Städte und Gemeinden in NRW begrüßten die rasche Einigung von CDU und FDP im Land auf einen Koalitionsvertrag. “Angesichts der drängenden Herausforderungen wie Investitionsstau und Flüchtlingsintegration können wir uns einen monatelangen Stillstand nicht leisten”, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider. Zudem werte man es als “Mut machendes Signal”, dass der Koalitionsvertrag die Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen der Kommunen zum Ziel erkläre und dabei auch den ländlichen Raum in den Blick nehme.

Stärkungspakt soll reformiert werden CDU und FDP erklärten in ihrem Koalitionsvertrag, den “Stärkungspakt Stadtfinanzen” fortführen zu wollen, da viele Kommunen bereits im Vertrauen auf die Hilfszahlungen einschneidende Maßnahmen ergriffen hätten. Bislang habe das Programm “Stärkungspakt Stadtfinanzen” aus Sicht der neuen Landesregierung aber weder die Verschuldungssituation der Kommunen berücksichtigt noch einen Lösungsansatz für die kommunale Altschul-

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Koalitionsvertrag in NRW

(BS/lkm) Ende Juni unterzeichneten CDU und FDP ihren Koalitionsvertrag für NRW. Die Kommunen begrüßten die darin gefassten Vorhaben in weiten Teilen, übten aber auch Kritik. Kommunale Investitionen sollen gestärkt, der “Stärkungspakt-Stadtfinanzen” reformiert, der Kommunal-Soli abgeschafft, eine Grund- und Gewerbesteuerbremse eingeführt und die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen genauer beaufsichtigt werden. Mehr Überwachung

der kommunalen Haushalte

denproblematik geboten. CDU und FDP wollen den bestehenden Stärkungspakt deshalb zu einer “Kommunalen Kredithilfe” weiterentwickeln. Ferner soll der jährliche Kommunal-Soli ab 2018 ersatzlos gestrichen werden. Die Umlage beträgt rund 91 Millionen Euro im Jahr. “Die Abschaffung des sogenannten Kommunal-Solis zur Finanzierung des Stärkungspakts ist eine sinnvolle Maßnahme und entspricht einer Forderung des Städte- und Gemeindebundes NRW”, erklärte Schneider. Nicht vergessen werden sollte allerdings, dass seit Jahren auch die weniger steuerstarken Kommunen über eine Kürzung der Schlüsselzuweisungen den Stärkungspakt mitzufinanzieren hätten. “Hierzu schweigt sich der Koalitionsvertrag leider aus”, monierte Schneider. Bedauerlich sei außerdem, dass eine angemessene finanzielle Mindestausstattung der NRWStädte und -Gemeinden nicht

CDU und FDP wollen die finanziellen Rahmenbedingungen der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen im ländlichen Raum wie in Ballungszentren verbessern. Die Kommunen begrüßen die Vorhaben größtenteils. Entscheidend werde sein, wie eine Reihe von Absichtserklärungen im Regierungshandeln ausgestaltet und umgesetzt werden soll. Foto: BS/Ernst Rose, Pixelio.de

ausdrücklich als Ziel genannt werde. Dem Städtetag NRW fehlten im Koalitionsvertrag hierzu Festlegungen, den Stärkungspakt künftig ausschließlich aus Landesmitteln zu finanzieren. “Durch die geplante Abschaffung des Kommunal-Solis müssen zwar in Zukunft 91 Millionen

Steuerrückerstattung an RWE Bund muss zahlen / Kommunen erhalten Sonderdividende

Euro pro Jahr nicht mehr von finanzstarken Kommunen für den Stärkungspakt aufgebracht werden. Den weitaus größeren Anteil von aktuell 183 Millionen Euro finanzieren aber alle anderen Kommunen mit – über Abzüge im Gemeindefinanzierungsgesetz. Das wird mit keiner Silbe im Koalitionsvertrag erwähnt. Wir fordern seit Langem, dass der Stärkungspakt komplett aus Landesmitteln finanziert wird”, bemängelte der Vorsitzende des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Oberbürgermeister Pit Clausen aus Bielefeld.

(BS/lkm) Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat Anfang Juni die Kernbrennstoffsteuer rückwirkend für nichtig erklärt. Auf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kommt damit eine Steuerrückerstattung in Höhe von 6,3 Milliarden Euro für die Stromkonzerne zu. Ein kleiner Teil kommt über Sonderdividenden aber Mehr kommunale Investitionen immerhin den Kommunen zugute. Der Energiekonzern RWE kündigte an, aufgrund der Rückerstattung der Steuergelder eine Sonderdividende in Höhe von einem Euro je Aktie an die Aktionäre auszuzahlen. Das Unternehmen hatte seit 2011 rund 1,7 Mrd. Euro als Brennelemente-Steuer gezahlt. Rolf Martin Schmitz, CEO der RWE AG, betont: “Wir wissen, dass wir unseren Anteilseignern mit der zweimaligen Aussetzung der Dividende für Stammaktien in den letzten beiden Jahren viel zugemutet haben. Dass wir nun einen Teil der Steuerrückerstattung auch an unsere Aktionäre ausschütten wollen, halten wir für fair und angemessen.”

Verbrauchssteuer, da sie nicht den Verbrauch, sondern die Produktionsmittel besteuert habe. Die Zahlung der Sonderdividende soll zusätzlich zu der für 2017 angestrebten Dividende in Höhe von 50 Cent erfolgen. Bei insgesamt 614,7 Mio. RWE-Aktien, darunter 39 Mio. Vorzugsaktien, beläuft sich die geplante Sonderausschüttung auf rund 615 Mio. Euro. Rund 25 Prozent der RWE-Aktionäre sind Kommunen. Größter kommunaler Aktionär ist der rheinland-pfälzische Landkreis Altenkirchen. Er besitzt 2,5 Millionen RWEStammaktien. Für 2017 hat der Landkreis mit einem Jahresfehlbetrag von 5,6 Millionen Euro

Nachdem RWE seine Dividenden in der Vergangenheit deutlich reduziert und in den letzten beiden Jahren sogar ausgesetzt hatte, können sich die Aktionäre nun auf eine Ausschüttung von 1,50 Euro je Aktie freuen. Foto: BS/RWE

Ein Großteil der Rückzahlung soll in die Stärkung der Finanzkraft des Unternehmens gehen, so Markus Krebber, Finanzvorstand von RWE. Das Unternehmen machte 2016 einen Verlust von 5,7 Milliarden Euro. Sie sogenannte Brennelemente-Steuer wurde von 2011 bis 2016 von KernkraftwerksBetreibern eingezogen. Mit der Steuer sollte die wirtschaftliche Attraktivität längerer Laufzeiten von Kernkraftwerken verringert werden. Besteuert wurde der Verbrauch von Uran sowie Plutonium, das zur Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde. Laut BVG dürfe der Bund zwar jederzeit Verbrauchssteuern einführen, jedoch sei die Brennelemente-Steuer keine

änderte Steuerkraftberechnung würden somit wieder zu weiteren Hebesatzsteigerungen führen, sodass das Einfrieren der fiktiven Hebesätze letztlich die Hebesatzentwicklung noch beschleunigen könnte.

geplant. Da kommen Landrat Michael Lieber die zusätzlichen 2,5 Millionen Euro sehr gelegen.

Kommunen wollten Mindestauszahlungen Für die 85 kommunalen Anteilseigner sind die angekündigten Sonderauszahlungen gute Nachrichten, zumal es in den letzten Jahren kaum Dividenden gab. Von 2006 bis 2010 zahlte RWE noch eine Dividende von 3,50 Euro je Aktie aus. 2011 und 2012 waren es nur noch zwei Euro. 2013 und 2014 wurde die Dividende weiter auf einen Euro reduziert und schließlich für 2015 und 2016 für Stammaktien ganz ausgesetzt. Viele Kommunen litten damals unter dem RWE-Dividendenschock.

Sie hatten in ihren Haushalten fest mit den Geldern gerechnet. Da vor allem Kommunen in NRW mit tendenziell unausgeglichenen Haushalten zu den RWEAktionären gehörten, war die Dividendenkürzung in einigen Städten ein schmerzhafter Einschnitt. Noch im Februar dieses Jahres hatte RWE auch die Aussetzung der Dividende für 2016 für Stammaktien angekündigt. Die Kommunen reagierten betroffen. Im hessischen Mühlheim müsse man laut OB Ulrich Schloten aufgrund der ausbleibenden Dividenden nun “an anderen Stellen sparen”. In den Kommunen sah man die stetig sinkenden Dividenden schon länger mit Sorge. Sie forderten 2014 daher feste Untergrenzen für die Dividendenauszahlungen. Ein Euro sollte der Mindestbetrag je Aktie sein, unabhängig von Konzernergebnis. Doch RWE ließ sich nicht darauf ein und änderte die Berechnung seiner Dividende gänzlich anders. So orientiert sich die Ausschüttung seit dem Geschäftsjahr 2015 nicht mehr allein am “nachhaltigen Nettoergebnis”, sondern auch an den operativen Mittelzuflüssen, der Verschuldung und der Ertragslage. Der Stromkonzern E.ON hat sich noch nicht dazu geäußert, wie er die Rückzahlung verwenden will. E.ON geht davon aus, dass Steuerzahlungen in Höhe von rund 2,85 Mrd. Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von rund 450 Mio. Euro zurückerstattet werden.

Bislang investieren die nordrhein-westfälischen Kommunen im Vergleich der Bundesländer nur unterdurchschnittlich viel. Das will die neue Landesregierung ändern. Man werde daher auf Sonder-Förderprogramme verzichten und stattdessen mit verstärkten, dauerhaften Pauschalen die kommunalen Investitionen vor Ort stärken. Die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen sollen bedarfsorientiert und ungeschmälert an die Kommunen weitergeleitet werden. Der Städtetag NRW begrüßt

die Investitionspauschalen grundsätzlich. “Sollte allerdings der Koalitionsvertrag so zu interpretieren sein, dass zur Aufstockung der Investitionspauschale die Erhöhung des Umsatzsteueranteils des Landes im Zuge der kommunalen Bundesentlastung um fünf Mrd. Euro ab 2018 verwendet werden soll, so ist dem entschieden zu widersprechen. Zum einen widerspräche dies der Zielsetzung des Bundes, die Kommunen von Sozialausgaben zu entlasten, zum anderen der Festlegung des Landes, diese Mittel als allgemeine Schlüsselzuweisung im Finanzausgleich, d. h. finanzkraftabhängig zu verteilen”, warnt der Kommunalverband in seiner Bewertung der Koalitionsvereinbarung.

Bremse für Grund- und Gewerbesteuer Da Nordrhein-Westfalens Kommunen bundesweit die höchsten Grund- und Gewerbesteuerhebesätze haben, planen Christdemokraten und Freie Demokraten eine “Grund- und Gewerbesteuerbremse”. Parallel dazu soll im Stärkungspakt der Zwang für die betroffenen Kommunen zu Steuererhöhungen beendet werden. Von Einfrieren der fiktiven Hebesätze zur Bemessung der Steuerkraft würden jedoch ausschließlich steuerstarke Kommunen und vor allem der ländliche Raum profitieren, kritisiert der Städtetag NRW in seiner Bewertung des Koalitionsvertrages. Diese Lösung ignoriere zudem, dass sich die Höhe der Realsteuerhebesätze – vor allem in den großen und den strukturschwachen Städten – nicht an den fiktiven Hebesätzen, sondern an den tatsächlichen Ausgabenbedarfen orientiere. “Insbesondere in den Stärkungspaktkommunen sind zur Erreichung des Haushaltsausgleichs Hebesatzanpassungen unumgänglich”, so der Städtetag. Schlüsselzuweisungsverluste durch eine ver-

Zur “konsequenten Überwachung” von kommunalen Haushalten soll die bestehende Kommunalaufsicht laut Koalitionsvertrag weiterentwickelt werden. Dafür sollen landesweit einheitliche Vorgaben des Landes an die Kommunalaufsicht ,insbesondere – entsprechend der kritischen Haltung der neuen Landesregierung zu öffentlichen Unternehmen – für die Aufsicht über die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, eingeführt werden. Zudem soll die Aufsicht über die kommunalen Haushalte von einem reaktiven System zu einem Frühwarnsystem weiterentwickelt werden. Der Städtetag warnt, dass die Weiterentwicklung der Kommunalaufsicht nicht dazu führen darf, dass das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingeschränkt wird oder den Kommunen umfangreiche neue Berichtspflichten auferlegt werden.

Klärungsbedarf bei Integrationskosten Beim Thema Integration von Zugewanderten begrüßen die Städte das Vorhaben des Landes, für mehr Transparenz und Planungssicherheit bei der Flüchtlingszuweisung an die Kommunen zu sorgen. Die Städte fordern aber weiterhin vom Land, sich stärker als bisher an den Integrationskosten zu beteiligen. “Den größten Teil der Integrationsarbeit leisten die Kommunen. Deshalb erwarten wir, dass das Land einen angemessenen Teil der Integrationspauschale des Bundes an die Kommunen weitergibt. Außerdem dürfen den Kommunen die Kosten für die Unterbringung und Versorgung geduldeter Flüchtlinge nicht nur drei Monate erstattet werden, sondern sollten solange finanziert werden, wie diese Menschen Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben”, so Clausen. Der Koalitionsvertrag sage dazu leider nichts Konkretes.

“Entlastung vom Unbequemen”

Die vier Säulen der Entlastung von Rechtsanwalt Bernd Krziscik

Auch ein Inkassounternehmen als Berater einzusetzen, erscheint angesichts der kontinuierlich steigenden Arbeitsbelastung der öffentlichen Verwaltung als ein probates Mittel zur Entlastung. Dabei kann man sich von verschiedenen Arten der Last befreien. Von was kann sich die öffentliche Verwaltung entlasten? > Entlastung vom Unbequemen: Statt der eigentlichen Kernaufgaben wartet ein unerfreuliches Telefonat mit ei-

Bernd Krziscik (49) ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer der KOHL GmbH & Co. KG, www. kohlkg.de. Foto: BS/KOHL GmbH & Co. KG

nem “Schuldner”, oder ein Konflikt mit der Schuldnerberatung steht bevor – eine unangenehme Vorstellung. Die persönliche Auseinandersetzung oder sogar der Streit

mit einem Bürger, bei dem außerdem die Zielerreichung unsicher ist, kann als äußerst unangenehm gewertet werden. Ein Inkassounternehmen kann dabei Unterstützung bieten. Mit dessen Hilfe können unterschiedliche Techniken, Strategien sowie Arbeitsabläufe erkannt und dann auch sinnvoll eingesetzt werden. Insbesondere der Überwachungsprozess in Wohlverhaltensphasen von Schuldnern kann mit einer solchen Begleitung von Externen effizient erledigt werden.

Auf weitere Handlungsprämissen weisen wir in den Folgeausgaben des Behörden Spiegel hin.


Zahlen, Daten, Fakten

Seite 18

Noch keine Entspannung

Rathaus

(BS/jf) Ein sattes Finanzplus im letzten Jahr und prognostizierte steigende Gewerbesteuereinnahmen, die bei den Kommunen in den Flächenländern rund 41 Prozent der Einnahmen im vergangenen Jahr ausmachten, lassen aufatmen. Doch nach wie vor müssen Schulden weiter abgebaut und der Investitionsstau behoben werden. Auch im internationalen Vergleich steht Deutschland bei den Kassenkrediten nicht gut da. Bei den Durchschnittszinsen liegt man ebenfalls über dem EU-Durchschnitt.

Einnahmen der Gemeinden in Deutschland durch die Gewerbesteuer von 2000 bis 2015 und Prognose bis 2019 (netto, in Milliarden Euro)*

40

38,0

30

30,1

28,2

31,1

30,5 25,0

23,3

39,0

Finanzierungssaldo der Gemeinden/Gemeindeverbände* in Deutschland von 2010 bis 2016 (in Millionen Euro)

40,2

60.000

17,2

15,8

5.377,0

40.000

34,2

3.150,2

20.000

1.492,8

906,1

26,9

0 -562,1

20,8

19,3

20

32,3 32,6 33,1

34,9

Behörden Spiegel / Juli 2017

-20.000 -2.877,5

-40.000

15,3

-60.000

10

-80.000 -100.000

0

-8.821,5

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

Jahr

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016**2017**2018** 2019* Jahr * Ohne Stadtstaaten. Ohne besondere Finanzierungsvorgänge (insbesondere Schuldenaufnahmen und -tilgungen, Rücklagenentnahmen und -zuführungen, Deckung von Fehlbeträgen aus Vorjahren), ohne kommunale Krankenhäuser. ** Die Angaben für die Jahre ab 2016 sind Schätzungen auf Basis einer gemeinsamen Umfrage der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, der Steuerschätzung Mai 2016 sowie Daten aus dem Arbeitskreis Stabilitätsrat. Quelle: Statista.com, Statistisches Bundesamt; Deutscher Städtetag; diverse Quellen (kommunale Spitzenverbände)

* Finanzierungssaldo in Abgrenzung der Finanzstatistiken; bezogen auf bereinigte Ausgaben/Einnahmen; einschließlich Saldo der haushaltstechnischen Verrechnungen; Kern- und Extrahaushalte; ohne Stadtstaaten. Die Angaben für die Jahre bis 2014 wurden früheren Pressemitteilungen des Statistischen Bundesamtes entnommen. Quelle: Statista.com; Statistisches Bundesamt; Deutscher Städtetag; diverse Quellen (kommunale Spitzenverbände)

Schuldenstand und Anteil Kassenkredite der Gemeinden/Gemeindeverbände

Wahrgenommener Investitionsrückstand der Kommunen 2016 (in Milliarden Euro)

(einschließlich Extrahaushalte, in Millionen Euro, 1. Quartal 2017)

Schulden gesamt

295

Baden-Württemberg

davon Kassenkredite

7.858

176

Bayern

793

Brandenburg

Gesundheitsinfrastruktur 2,1

2.032 6295

613

12.974

6.105

Rheinland-Pfalz

672

Schleswig-Holstein

177

Thüringen

Sportstätten, 9,7 Bäder 32,8

Öff. Verwaltungs- 11,3 gebäude

Schulen, inkl. Erwachsenenbildung

4.383 Quelle: KfW-Kommunalpanel 2017, durchgeführt vom Difu von 08-10/2016.

Quelle: Statistisches Bundesamt

2.765

35 %

31,7

55.219

3.273 1.349 2.970

Sachsen-Anhalt

Insgesamt

126 Mrd. Euro

Wasserver- und 8,6 -entsorgung

12.920

2.089 3.614 125

Straßen und

34,4 Verkehrsinfrastruktur

Sonstiges 7,6

26.240

Nordrhein-Westfalen

Sachsen

1,3 ÖPNV

Wohnungs4,5 wirtschaft

2.469

Saarland

Energieerzeugung und -versorgung

Informationsinfrastruktur 5,6

17.980

1.914

Niedersachsen

0,4

Kultur 2,1

Kinderbetreuung 4,6

Hessen Mecklenburg-Vorpommern

Abfallwirtschaft 1,0

13.227

Prozentualer Anteil der Kassenkredite und der Durchschnittszinsätze 2016 im EU-Vergleich 29,9

29,0

30 %

Anteil kurzfristiger Schulden

25,9

25 %

Durchschnittszinssatz 20 %

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Quelle: Eurostat, vierteljährlicher öffentlicher Schuldenstand

Illustration: BS/Dach; Quelle Icon oben: freepik.com

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Kommunalwirtschaft / Stadtwerke

Seite 20

E

nde Januar dieses Jahres hatte die Initiative “Zukunft Friedhof” eine Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren begonnen und bis Mitte Februar 2017 mehr als 2.800 gültige Unterschriften eingereicht. Der Stadtrat hatte das Begehren am 4. April 2017 abgelehnt. Nun kam es Ende Juni zum Bürgerentscheid. Die kompliziert anmutende Frage: “Soll der Ratsbeschluss vom 15. November 2016 der Stadt Pulheim, die gelben Flächen der Friedhöfe mit den Gräbern der Verstorbenen auslaufen zu lassen, nach Ablauf der Grabnutzungsrechte zu entwidmen und einer anderen Nutzung zuzuführen, aufgehoben werden?” Fast 85 Prozent der Abstimmenden votierten gegen die Entwidmung des Friedhofsteils (bei einer Beteiligung von 22,2 Prozent). Die Pläne stünden im Widerspruch zu den menschlichen, ethischen und christlichen Werten und seien für die betroffenen Hinterbliebenen nicht zu akzeptieren, kritisierte die Bürgerinitiative.

2.000 Grabstätten sollten auslaufen Die von der Stadt avisierte Kostensenkung entstehe erst, so die Argumentation, wenn alle Gräber abgelaufen und die Flächen entwidmet seien. Dies nehme mehrere Jahrzehnte in Anspruch, währenddessen die Verwaltung die Flächen schon abgelaufener Gräber weiterhin pflege müsse – der öffentliche Pflegeaufwand werde insgesamt größer. Die Initiatoren argumentieren auch, dass die Bevölkerungsprognose der Stadt einen Anstieg vorsehe. Der bisherige Rückgang von Bestattungen erkläre sich durch die sehr geringen Geburtenzahlen zwischen den Weltkriegen. Durch die geburtenstarken Jahrgänge würden die zuletzt gesunkenen

Keine Grabentwidmung Pulheim: Bürger überstimmen Stadtrat / viele Friedhöfe vor Herausforderungen

hörde der Stadt, die direkt an den Nordwesten Kölns grenzt.

Neuburg: Obst und Gemüse auf dem Grab Nicht nur in Pulheim, deutsch-

(BS/ein) Wie viele andere Gemeinden und Ortschaften hat auch der Rat der Stadt Pulheim (Rhein-Erft-Kreis) ein neues Friedhofskonzept beschlos- landweit diskutieren Kommusen. Das lehnten die Bewohner der nordrhein-westfälischen Kommune nun in einem Bürgerentscheid ab – zumindest die großflächige Endwidmung nen, Räte und Bürger über die von Grabflächen. Herausforderungen des klassi-

Immer mehr Menschen werden in pflegeleichten Grabstätten oder gar “unter dem grünen Rasen” beerdigt, anstatt in klassischen Friedhofsumgebungen (links). Im nordrhein-westfälischen Pulheim stimmten die Einwohner in einem Bürgerentscheid gegen den Stadtratsbeschluss, die Widmung für 2.000 Grabflächen auf mehreren Friedhöfen auslaufen zu lassen. Foto: BS/Einhaus

Bestattungszahlen wieder steigen. Der Pulheimer Stadtrat hatte das neue Friedhofskonzept im November 2016 beschlossen. In diesem Rahmen sollten mehr als 2.000 Grabstätten auf den städtischen Friedhöfen geschlossen und nach Ablauf der Nutzungsrechte entwidmet werden. Bis die Nutzungsdauer der letzten Grabstätte allerdings ende, argumentierte die Verwaltung, würden die Grabflächen im “gelben Bereich” bestehen bleiben. Verlängerungen seien weiterhin möglich, wenn es noch lebende nahe Angehörige gebe, die unter die Ausnahmeregelung fielen. Die 54.000 Einwohner zählende Stadt begründete ihr neues Konzept mit Veränderungen im Friedhofswesen: Gesellschaftliche Entwicklungen hätten maßgebliche Auswirkungen auf Gestaltung, Verwaltung, Gebührenentwicklung und damit den Betrieb der Friedhöfe. Bei jährlich rund 450 Beisetzungen gebe es mittlerweile einen An-

teil von etwa 60 Prozent Urnenbestattungen. Die Anzahl der belegten Gräber auf den Friedhöfen ist zudem laut Friedhofsverwaltung von 12.000 (2003) auf 7.200 Gräber (2015) gesunken. Um die Leistungen für die Bürger bezahlbar zu halten, sieht der Beschluss ein Sparpotenzial von 166.000 Euro jährlich vor. Es geht aber nicht nur um Einsparungen, sondern auch darum, den Friedhof künftig attraktiv zu halten. Deshalb sieht das Konzept auch bisher nicht vorhandene Arten von Grabstätten vor. Dazu zählen etwa Kolumbarien, Baumgräber, pflegefreie Rasengräber, pflegefreie Gräber für Sternenkinder oder Grabstätten mit denkmalgeschützten Grabmalen. Der Rat stimmte hingegen gegen besondere Grabflächen für muslimische Religionsgruppen und ebenfalls gegen Aschestreuflächen. Künftig sollen nur noch Urnen in Urnengrabstätten zugelassen

Salzkavernen als Stromspeicher EWE plant weltgrößte Batterie / Sole zu Strom machen (BS/ein) Die EWE Gasspeicher GmbH – eine hundertprozentige Tochter des Oldenburger Energieunternehmens EWE – plant, die größte Batterie der Welt zu bauen. Dabei soll das sogenannte Prinzip der Redox-FlowBatterie zum Tragen kommen, das an der Friedrich-Schiller-Universität Jena entwickelt wurde, teilte das Unternehmen mit. Mit der Technik wird elektrische Energie mit neuen umweltverträglichen Komponenten in einer Sole-Flüssigkeit gespeichert, die sich in unterirdischen Salzkavernen befindet. Dabei sollen Salzwasser und recyclebare Kunststoffe zum Einsatz kommen. Bislang wird in solchen Lagerstätten nur Erdgas gespeichert.

Könnte Markt für Regelenergie grundlegend verändern “Wir haben noch einige Tests durchzuführen und etliche Fragen zu klären, bis wir das aufgezeigte Speicherprinzip gemäß der Universität Jena in unterirdischen Kavernen anwenden können”, erklärt Ralf Riekenberg, der das Projekt brine4power (b4p, “Sole zu Strom”) leitet. “Ich gehe aber davon aus, dass wir etwa Ende des Jahres 2023 eine Kavernenbatterie in Betrieb haben können.” Mit dem Redox-Flow-Prinzip in Salzkavernen soll sich eine Strommenge speichern lassen, die eine Stadt wie Berlin etwa eine Stunde lang versorgen könnte. “Wenn alles funktioniert, kann dies den Speichermarkt beziehungsweise den Markt für Regelenergie grundlegend verändern”, sagt der Geschäftsführer von EWE Gasspeicher, Peter Schmidt. “Im Gegensatz zu anderen Energiespeichern, die elektrischen Strom in andere Energieträger umwandeln/ – zum Beispiel in Druckluft –, speichern wir mit brine4power den Strom direkt.”

Behörden Spiegel / Juli 2017

B4p – Aus Sole Strom gewinnen: Was nun vorerst im Kleinen getestet wird, könnte in ein paar Jahren zur größten Batterie der Welt werden. Foto: BS/EWE Gasspeicher

Bei dem System wird elektrische Energie in einer Flüssigkeit gespeichert, in der zwei unterschiedliche Elektrolyte in getrennten Behältern gelöst sind. Die beiden Elektrolyte können Elektronen (negativ geladene Teilchen) unterschiedlich fest an sich binden. Der Elektrolyt mit stärkerer Bindung zu Elektronen wird Katolyt, der Elektrolyt mit schwächerer Bindung Anolyt genannt. Durch Stromzufuhr von außen (etwa durch Windenergie- oder Photovoltaik-Anlagen) werden dem Katolyten die Elektronen quasi entrissen (Oxidation) und dem Anolyten zugeführt, der sie an sich bindet (Reduktion). So wird die Batterie geladen. Beim Entladen entreißt der “stärkere Elektronen-Binder”,

werden, die zu 100 Prozent rückstandsfrei verrotten sowie Bioaschekapseln ohne Metalle. Auch sind Grabmale aus Glas zuge-

lassen und jede Veränderung an einer denkmalgeschützten Grabstätten bedarf der Zustimmung der Unteren Denkmalbe-

schen Friedhofbetriebs. Dabei geht nicht immer ausschließlich um Kosten und Pflegeaufwand. In Neuburg an der Donau hatte es im vergangen Sommer Streit um ein Grab gegeben, auf dessen Fläche eine Enkelin für ihre Großeltern Tomaten pflanzte. Diese wuchsen weit über das Grab hinaus. Eine Stadträtin forderte daraufhin ein Obst- und Gemüseverbot auf den Friedhöfen der 30.000-Einwohner-Stadt im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Der Stadtrat entschied anders: Der Anbau ist nun erlaubt, festgeschrieben ist eine “würdevolle Gestaltung”. Die Friedhofssatzung legt gleichfalls fest, dass Sträucher nicht auf Nachbargräber oder Wege wuchern dürfen.

Mit BHKW wirtschaften Sicherheit beim steuerlichen Querverbund (BS/Oliver Donner/Jörg Ottersbach*) Viele Städte und Kommunen profitieren bereits lange Jahre von einem steuerlichen Querverbund mittels BHKW. Das Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 11. Mai 2016 schafft dafür klar geltende Rahmenbedingungen. Die bisher sehr unterschiedliche Handhabung in den einzelnen Bundesländern dürfte damit passé sein. Gleichzeitig ergibt sich daraus ein Handlungsbedarf bei zu modernisierenden, bestehenden, aber auch neu geplanten Blockheizkraftwerken (BHKW): Anstehende Maßnahmen müssen nach den Bedingungen des steuerlichen Querverbundes geplant, ausgeführt und erforderliche Nachweise erbracht werden.

Sechs- und siebenstellige Beträge Defizitäre Gesellschaften, z. B. Bäder, häufen steuerliche Verlustvorträge an. Wirtschaftlich erfolgreiche kommunale Gesellschaften wie beispielsweise Energieversorger müssen auf den Gewinn Steuern zahlen. Beim steuerlichen Querverbund erfolgt die steuerlich wirksame Zusammenfassung von defizitären und gewinnbringenden Tätigkeiten verschiedener kommunaler Gesellschaften (siehe Abbildung), sodass sich die Steuerlast insgesamt reduziert. Hierbei geht es oft um sechs- und siebenstellige Beträge. Voraussetzung dafür ist, dass zwischen den Gesellschaften eine, laut Schreiben des BMFs, “enge wechselseitige technischwirtschaftliche Verflechtung” von einigem Gewicht besteht. BHKW stellen in der Praxis die Möglichkeit dar, den Querverbund zu erreichen, wobei beim Betrieb umfassende Bedingungen einzuhalten sind und jeder einzelne Fall individuell beur-

teilt und gestaltet werden muss. Am 11. Mai 2016 hatte das BMF die Eckpunkte für die Anerkennung des steuerlichen Querverbundes neu gefasst und bekannt gegeben. Die Anerkennung ist dabei an die Einhaltung verschiedener Bedingungen geknüpft, mit denen das Tatbestandsmerkmal der gegenseitigen Gewichtigkeit nachzuweisen ist. Welche Bedingungen eingehalten werden müssen, zeigt die Abbildung. Die Kriterien am Beispiel eines Bades: • Kriterium “Auslegung 1”: Abdeckung des thermischen Grundlastbedarfs des Bades durch das BHKW, konkret: Mindestens 25 Prozent des Wärmebedarfes des Bades stammen aus dem BHKW), • Kriterium “Auslegung 2”: Abgabe von mehr als 50 Prozent der vom BHKW innerhalb eines Jahres produzierten Wärmemenge an das Bad, • Kriterium “Auslegung 3”: Mindestleistung des BHKW 50 kWel, • Kriterium “Wirtschaftlichkeit”: Die Wärmeversorgung des Bades durch ein BHKW muss wirtschaftlich sein. Außerdem muss das BHKW dem Bad-BgA dienen. Dies ist nicht der Fall, wenn neben der Wärmeabgabe des BHKWs an den Bad-BgA eine Wärmeabgabe an Dritte (z. B. Wohngebäude im Umfeld des Bades) vorgenommen wird und das

BHKW auch ohne den BadBgA noch wirtschaftlich wäre. • Weitere Kriterien: Als Energieversorgungs-BgA, der für die Zusammenfassung mit einem Bad-BgA mittels BHKW nach § 4 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 KStG geeignet ist, kommen nur Elektrizitätsversorgungsunternehmen i. S. d. § 5 Nummer 13 EEG, die überwiegend Letztverbraucher versorgen, oder Netzbetriebsunternehmen infrage. Die Tätigkeit der Elektrizitätsversorgung oder des Netzbetriebs darf dabei nicht von untergeordneter Bedeutung sein.

Gutachten nach VDI-Norm 2067 Als Konsequenz muss das BHKW passgenau zur individuellen Situation ausgelegt und betrieben werden. Zur Dokumentation empfiehlt sich neben einer reinen Wirtschaftlichkeitsrechnung ein entsprechendes Gutachten nach VDI-Norm 2067. Beides zusammen weist die wechselseitige wirtschaftlich-technische Verflechtung des auszulegenden BHKWs mit dem kommunalen EVU nach und dient als Grundlage für Gespräche und Auskünfte der Finanzverwaltung. *Oliver Donner ist Leiter, Jörg Ottersbach Berater im Team Dezentrale Energiesysteme bei der BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) in Aachen.

der Katolyt, dem schwächeren, dem Anolyten, die Elektronen wieder. Dadurch fließt elektrischer Strom, der genutzt werden kann.

Salzwasser statt Schwefelsäure Neu an dem Verfahren ist, dass als Elektrolyte nicht mehr Schwermetallsalze wie Vanadium verwendet werden, die in Schwefelsäure gelöst sind. In Salzwasser gelöste recyclebare Kunststoffe sind weitaus umweltfreundlicher. Auch werden bislang Behältergrößen in der Größe von Regentonnen verwendet. Unterirdische Salzkavernen könnten hingegen Volumina bis zu einer Größe des Kölner Doms erreichen, teilte das Unternehmen mit.

Möglichkeiten der Steuerminderung durch steuerlichen Querverbund

Foto: BS/BET


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Juli 2017

Seite 21

Schwarz-gelbe Zielsetzungen

Nach menschlichem Maß

Keine blaue Plakette / mittelstandsfreundliche ÖPP / städtisches autonomes Fahren / “Glasfaser first”

Gehl: Städte bauen, die nach Babyboom aussehen!

(BS/Julian Einhaus) Seit Ende Juni – nach mehrwöchigen Verhandlungen, einem FDP-Mitgliederentscheid und einem CDU-Landesparteitag – ist sie unter Dach und Fach: die schwarz-gelbe Koalitionsvereinbarung für die neue Landesregierung in Düsseldorf. Ein Blick auf die kommunalen und infrastrukturellen Implikationen des Papiers eröffnet, dass der grundsätzliche Kurs der vorherigen Regierung zwar beibehalten, an vielen Punkten aber doch eine wirtschaftsliberale Handschrift deutlich wird.

(BS/ein) Die europäische Stadt der Zukunft muss vor allem eines sein: lebenswert. Wenn es nach dem dänischen Architekten und Stadtplaner Jan Gehl geht, heißt das vor allem: menschenfreundliche Plätze und fahrradfreundliche Verkehrswege. Gehls Heimatstadt Kopenhagen steht aus seiner Sicht exemplarisch für eine langwierige, aber erfolgreiche Entwicklung.

Erhalt, Modernisierung und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur stellt die Landesregierung als einen Schwerpunkt ihrer künftigen Politik heraus, dem sich alle Ressorts verpflichtet fühlen müssten. Vor allem scheint es darum zu gehen, unbürokratischer und damit schneller zu bauen und für das Infrastrukturmanagement entsprechende Kapazitäten bereitzustellen. So soll der Landesstraßenbetrieb (Straßen.NRW) in den Bereichen Planung- und Projektsteuerung gestärkt werden, auch um mehr externe Vergaben zu ermöglichen. Die kurzfristige Agenda lautet: “Bis Ende 2017 werden wir einen Masterplan zur Umsetzung der Projekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 erarbeiten und in den nächsten zwölf Monaten mindestens zwölf Planfeststellungsbeschlüsse für Bundesfernstraßenprojekte fertigstellen.” Die Planungskosten des Landes für Bundesfernstraßenprojekte müssten aber vorab und vollständig vom Bund übernommen werden, heißt es.

Lego-Brücken, BIM und zentrale Genehmigungsstelle NRW will bundesweit die schnellsten Planungs- und Genehmigungsverfahren durchführen. Wie schon die rot-grüne Landesregierung schaut man dafür auf die Niederlande (Stichwort: Modulbau/LegoBrücken). Neben der technischen Vereinheitlichung gelte es, das Planungsrecht zu vereinfachen und zu beschleunigen. “Die Möglichkeiten in § 45 Bundesnaturschutzgesetz, die Genehmigungsverfahren für Ersatzinvestitionen bei landesbedeutsamen Projekten zu verkürzen, werden wir nutzen.” Zudem ziehen CDU und FDP in Erwägung, die Zuständigkeit für Genehmigungsverfahren in einer Genehmigungsbehörde zu bündeln. Ein Controlling für Planfeststellungsverfahren mit festen und transparenten Zielvereinbarungen soll zwischen Verkehrsministerium und Planungsstelle etabliert werden. Für Vergaben des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) und von Straßen.NRW werde ab 2020 Building Information Modeling (BIM) verpflichtend festgeschrieben werden, heißt es.

-produktion im Land fördern. Fahrverbote hingegen, wie sie für einige Diesel-Fahrzeuge durch die blaue Plakette diskutiert werden, lehnt die neue Koalition ab. Stattdessen wollen CDU und FDP stärker auf emissionsarme Flottenfahrzeuge setzen, die große Fahrleistungen in Innenstädten erbringen – etwa Busse und Taxen.

Breitband: Gigabit-Netze, Strategie “Glasfaser first”

Auf den 121 Seiten des schwarz-gelben Koalitionsvertrags in NRW ist festgelegt, dass die CDU neun und die FDP drei Ministerien erhält – die Liberalen sollen die Geschäftsbereiche Integration, Familie, Wirtschaft, Digitalisierung und Schule erhalten. Foto: BS/Screenshot

Dabei soll sichergestellt werden, dass auch mittelständische Unternehmen an dem Verfahren problemlos teilnehmen können. Die Landesregierung will kleine und mittlere Betriebe zudem vor “unfairer Konkurrenz durch öffentliche Unternehmen und den Staat” bewahren. Deren Betätigung sei nur dann gerechtfertigt, wenn eine öffentliche Aufgabe dringend erforderlich sei und private Unternehmen diese Aufgabe nicht ebenso wirksam und effektiv erledigen könnten. “Wir prüfen das Beteiligungsportfolio des Landes auf Privatisierungsmöglichkeiten.”

ÖPP wieder stärker in Betracht nehmen Für Projekte beim Bau und der Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur des Landes sollen künftig Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) in Betracht kommen, vor allem wenn es darum geht, bestehende Planungs- und Investitionsstaus verkehrsträgerübergreifend zu beseitigen. In geeigneten Fällen würden konventionelle Verkehrsprojekte durch mittelstandsfreundliche ÖPP-Modelle ergänzt, heißt es. Der Ausbau der A 1 zwischen Lotte/Osnabrück und Münster sowie der A 57 zwischen Köln/Nord und Moers soll wie vom Bund vorgesehen bevorzugt als ÖPP-Projekt umgesetzt werden. Darüber hinaus soll die Finanzierung öffentlicher Infrastruktur durch Zweckbindung und Überjährig-

keit weiterentwickelt werden.

ÖPNV: E-Mobilität und Sharing-Möglichkeiten NRW soll künftig eine Vorreiterrolle beim ÖPNV einnehmen. Dazu plant die Landesregierung, ein landesweit einheitliches und elektronisches Ticketing-System verbundübergreifend einzuführen. Neben Regional- und Schellbusangeboten sollen digital unterstützte flexible Bussysteme aufgebaut werden. Auch Schwarz-Gelb sieht den Rhein-Ruhr-Express (RRX) als das “wichtigste Schienenverkehrsprojekt in NRW” und will die schnellen, komfortablen Regionalzüge mit Bund und Deutscher Bahn zügig umsetzen. Um die Potenziale der Digitalisierung für den ÖPNV zu nutzen, ist zudem geplant, Car- und Bikesharing-Angebote auszubauen und das Personenbeförderungsrecht zu novellieren. Dazu könnten mehr Parkplätze für Mitfahrgemeinschaften zur Verfügung gestellt werden, auch an Autobahnauffahrten. Zur Verbesserung des Verkehrsflusses an Landesstraßen ist ein Sofortprogramm zur digitalen Steuerung von Ampelanlagen geplant. “Wir wollen Nordrhein-Westfalen zu einem führenden Land im Bereich der Elektromobilität machen.” Dazu will man ein Konzept für den Testbetrieb autonomer elektrobetriebener Shuttles im Innenstadtverkehr entwickeln sowie die Batteriezellenforschung und

Um die Digitalisierung zu beschleunigen, sollen bis 2025 sieben Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Fünf Milliarden Euro davon sind für den Ausbau gigabitfähiger digitaler Infrastrukturen geplant, sodass bis 2025 ein flächendeckendes Gigabit-Netz besteht. Zuvorderst sollen Gewerbegebiete, Schulen, Bildungseinrichtungen und Landesbehörden daran angeschlossen werden. Zudem ist ein Förderfonds “K400 – Kommunal wird Digital” mit 100 Mio. Euro für die Legislaturperiode geplant. Daraus sollen Digitalisierungsprozesse in den Kommunen unterstützt werden, insbesondere bei Glasfaser-Ausbauprojekten, ITSicherheitskonzepten sowie EGovernment- und Open-DataStrategien in interkommunaler Zusammenarbeit. “Bei allen öffentlichen Fördermaßnahmen und entsprechenden Ausschreibungen verfolgen wir einen “Glasfaser-first-Ansatz”, heißt es. Dafür soll das Kompetenzzentrum “Breitband. NRW” als dauerhafte Taskforce beim Land institutionalisiert werden. Auch will die neue Landesregierung Breitbandbürgerprojekte für schwierige Einzellagen im ländlichen Raum “vorantreiben” und “besser vermitteln”.

Windkraft stark eingeschränkt Bei neuen Windkraftanlagen tritt die Koalition stark auf die Bremse. So ist künftig ein Mindestabstand von 1.500 Metern zu Wohngebieten vorgesehen. Zudem will sie die Verpflichtung im Landesentwicklungsplan zur Ausweisung von Windvorrangzonen sowie die Privilegierung der Windenergieerzeugung im Wald aufheben.

Hochwasser, Sturm, Hitze

Pförtnerampeln am Stadtrand

Neue Förderrunde für kommunale Maßnahmen

Erfurt: Smarte Verkehrslenkung statt Verbote

(BS/ein) Ob Hochwasser, Sturm oder Hitzewellen: Kommunen und Unternehmen können sich vom 1. August bis zum 31. Oktober 2017 mit Projekten zur Bewältigung dieser Maßnahmen bewerben.

(BS/ein) Die Stadt Erfurt investiert bis 2021 fast fünf Mio. Euro in den Umbau der alten Verkehrssteuerung in ein umweltorientiertes Verkehrsmanagement. Knapp vier Millionen Euro steuert das Landesumweltministerium bei.

Das Bundesumweltministerium (BMUB) schreibt eine neue und damit die fünfte Förderrunde des Programms “Anpassung an den Klimawandel” aus.

Das neue System habe seine Wirksamkeit in einer zweijährigen Testphase an zwei Pilotstandorten im Rahmen einer Untersuchung der BauhausUniversität Weimar bereits nachgewiesen, teilte das Thüringer Umweltministerium mit. Die verkehrsbedingten Emissionen haben sich demnach um bis zu 19 Prozent verringert.

Unternehmen, Bildungsmodule, kommunale Projekte Die Förderschwerpunkte liegen laut BMUB in den Bereichen “Anpassungskonzepte für Unternehmen”, “Entwicklung von Bildungsmodulen” und “Kommunale Leuchtturmvorhaben” und können beim Projektträger Jülich eingereicht werden. In der letzten Periode wurde etwa das Netzwerk für “Innovation und Gründung im Klimawandel” unterstützt. Es subventioniert Unternehmen, die innovative Produkte und Angebote entwickeln, um sich besser an neue Klimabedingungen anpassen zu können. Dazu zählen beispiel-

Auf Hochwasserlagen, wie hier im ostwestfälischen Bad Oeynhausen, müssen sich gefährdete Kommunen öfter einstellen. Foto: BS/Fotobox/www.pixelio.de

weise Düngemittel aus Pilzpräparaten für die Landwirtschaft oder eine zusätzliche Energieversorgung für Kühltransporte, die auf Solarenergie basiert.

System basiert auf Live-Daten Das System soll aktuelle Daten zur Luftbelastung berücksichtigen und für einen gleichmäßigen Verkehrsfluss auf den Einfallstraßen in Richtung Stadtzentrum sorgen. Für die richtige Dosierung sorgen Pförtnerampeln am Stadtrand. So würden Feinstaub- (FM 10), Stickoxid- (NOx) und Treibh-

ausgas-Emissionen deutlich reduziert und Anwohner auch durch weniger Verkehrslärm entlastet. Durch Die Verkehrslenkung sollen darüber hinaus freie Kapazitäten auf den Park&-Ride-Plätzen verstärkt angeboten werden.

80 Prozent Förderanteil “Während in anderen Städten Fahrverbote diskutiert werden, setzen wir in Thüringen auf intelligente Lösungen”, sagte Ministerin Anja Siegesmund. Hohe Schadstoffkonzentrationen würden durch eine intelligente Lenkung an den Einfallstraßen vermieden. “Dabei gewinnen Menschen, Umwelt und Klima“, so Siegesmund, deren Ressort das Projekt zu 80 Prozent mit einem Förderanteil von fast vier Mio. Euro unterstützt.

“Put people first!” Der 80-Jährige dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl hat eine urbane Agenda: Er will öffentlichen Raum und Infrastruktur lebenswerter für alle Generationen machen und die Menschen in Bewegung halten. Foto: BS/Sandra Henningsson, GehlArchitects

Kopenhagen hat viele Gesichter. Vor einiger Zeit sprach ihn bei einer Veranstaltung in Hanoi eine vietnamesische Frau an, die der festen Überzeugung war, dass es in der dänischen Hauptstadt einen großen Babyboom gegeben habe. “Sie hatte Kopenhagen besucht und überall nur Kinder gesehen.” Stadtplaner Gehl konnte sie bei bestem Willen nicht vom Gegenteil überzeugen. Erst später fiel ihm auf: Kinderwagen, Cargo-Bikes mit Kindern, spielende Kinder auf autofreien Plätzen. “Mit fünf Jahren sitzen die meisten das erste Mal auf dem Rad, mit zehn Jahren fahren sie allein quer durch die Stadt.” Eine wirkliche Kinderstadt – auch wenn es die Geburtenrate nicht hergibt.

Städtebau vs. “Sitting Syndrome” Im Gegensatz zu vielen asiatischen Metropolen und auch im europäischen Vergleich zeigt sich Kopenhagen sehr menschenfreundlich. Das Resultat eines jahrzehntelangen Prozesses: “Bauen Sie Städte, bei denen andere denken, es gebe einen Babyboom”, rief der 80-Jährige den Teilnehmern des diesjähri-

gen 11. Bundeskongresses Nationale Stadtentwicklungspolitik in Hamburg zu. Im Wettstreit mit dem Internet um Zeit, Kunden und Bürger brauche es heute mehr denn je qualitativen Städtebau. “Wenn wir schöne öffentliche Plätze kreieren, werden die Leute kommen, egal wie es weitergeht.” Gehl sieht eine große städtische Aufgabe darin, die Infrastruktur so zu gestalten, dass sich die Menschen darin bewegen wollen und können. Es gehe darum das “Sitting Syndrome” zu besiegen, dem jedes Jahr fünf Millionen Menschen zum Opfer fielen. Das hätten mittlerweile auch andere Städte verstanden.

Italienisches Kopenhagen Neben dem Times Square in New York hätten 50 weitere amerikanische Städte einige öffentliche Plätze vom Autoverkehr befreit. Selbst in Moskau habe die Idee Einzug gehalten. Kopenhagen verfolge seit 1962 die Strategie, die Infrastruktur im Zentrum immer stärker auf Radfahrer und Fußgänger auszurichten. “Wir wollten mehr schöne italienische Plätze – jetzt sind wir in diesem Punkt vielleicht italienischer als es Italien jemals war.”

Durchschnittlich zwölf Grad Aachen: Abwasserkanal als Wärmequelle (BS/ein) Im Abwasser steckt Energie – diese nutzen die Aachener Wohnungsgesellschaft Gewoge AG und die STAWAG Energie, um Ressourcen beim Aufwärmen von Frischwasser zu sparen. Die beiden städtischen Gesellschaften haben schon 2015 fünf Wohngebäude im Norden der Stadt umgerüstet: Gasetagenheizungen wurde gegen eine zentrale Wärmeund Warmwasserversorgung getauscht. Das System hat sich bewährt. Die Anlage besteht aus vier dezentralen Abluftwärmepumpen und zwei zentralen Abwasserwärmepumpen, die dem Hauptsammler des Abwasserkanals der Stadt Aachen Wärme entziehen und damit das Wasser für die Wohnblöcke erwärmen. Der Wärmetauscher aus rostfreiem Chromstahl besteht aus 100 Einzelmodulen auf einer Gesamtlänge von über 60 Metern. In seinem Inneren wird das saubere Kaltwasser erwärmt und fließt in den Wärmepumpenkreislauf weiter in die Heizzentrale. Dort stehen zwei Wärmepumpen und zwei Speicher mit einem Fassungsvermögen von 1.200 Litern. Das Wasser wird nun auf eine Temperatur von 50 Grad erwärmt und über ein Nahwärmenetz den vier Wohnblocks im Stadtteil Wiesental zugeführt. Während der Heizperiode beträgt die Abwassertemperatur im Kanal durchschnittlich über zwölf Grad Celsius und ist daher eine attraktive Wärmequelle.

Das Messprogramm zur Erfolgskontrolle sei nun abgeschlossen, teilte die STAWAG Energie, eine Tochter der Aachener Stadtwerke, mit. Die erforderlichen Temperaturen seien bis auf wenige Ausnahmen in Sommer- wie Wintermonaten erreicht worden. In Spitzenlastzeiten könnten zwei schon vorhandene Niedertemperaturgaskessel unterstützend zugeschaltet werden. Insgesamt gehen die Betreiber davon aus, dass jährlich Treibhausgase mit einer Klimawirkung von fast 200 Tonnen CO2 eingespart werden. Das Projekt wurde im Rahmen des Förderschwerpunkts “Energieeffiziente Abwasseranlagen” des Umweltinnovationsprogramms (UIP) gefördert. Die Projektergebnisse seien vor allem für Kommunen und Wohnungsbaugenossenschaften mit großen Wohneinheiten interessant, teilte das zuständige Umweltbundesamt (UBA) mit.


Kommunale Infrastruktur

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“E

inem mit CNG betriebenen Erdgasfahrzeug ist es egal, ob es mit rein fossilem oder mit 100 Prozent regenerativ erzeugtem Methan betrieben wird”, erklärte Dr. Jens Andersen Mitte Juni bei der Auftakt-Veranstaltung zur bundesweiten Roadshow für GasFahrzeuge in Hamburg. Andersen ist Konzernbeauftragter für Erdgasmobilität bei Volkswagen und damit aktuell einer der Haupttreiber der CNG-Branche. Das Credo: Durch Beimischung von immer mehr Biogas schrittweise Emissionen verringern. “Die positive Klimabilanz macht die Fahrzeuge für die laufende Energiewende genauso attraktiv wie ein Elektrofahrzeug”, ist Andersen überzeugt, der in Wolfsburg direkt an Ulrich Eichhorn berichtet, den Konzernleiter Forschung und Entwicklung.

Günstigere CO-Bilanz, kaum Feinstaub und Stickoxide Erdgas hat tatsächlich ein paar Vorteile. Es besitzt eine günstigere Klimabilanz als Öl und damit auch als Benzin und Diesel. In reiner Form (Methan) lässt es sich zudem fast ohne Rückstände verbrennen – ähnlich wie beim Küchen-Gasherd. Das bedeutet kaum Feinstaub und deutlich weniger Stickoxide. Außerdem setzt das Gas bei seiner Verbrennung im Motor rund 25 Prozent weniger CO2 frei als herkömmliche Kraftstoffe. Mit vier Kilogramm pro 100 Kilometern liegt der durchschnittliche Verbrauch unterhalb konventioneller Motoren. Das Umrechnungsverhältnis liegt etwa bei eins zu 1,5. In anderen Worten: Mit einem Kilo Gas kommt man in etwa so weit wie mit anderthalb Litern Benzin. Trotzdem: Es handelt sich um einen fossi-

Behörden Spiegel / Juli 2017

Erdgas, Biogas – Klimaschutz? Branche plant eine Million Gas-Fahrzeuge bis 2025 / Roadshow CNG Mobility gestartet

Wind- und Solarenergie (BS/Julian Einhaus) Es ist nicht so einfach: CNG steht für “Compressed Natural Gas”, das hierzulade schlicht als Erdgas bekannt ist. Schon lange gasförmig speichern fahren Autos in Deutschland mit Erdgas, aktuell sind es etwa 90.000 Fahrzeuge. Bis 2025 sollen es eine Million sein – zumindest, wenn es nach Es kommt gasförmig über einer neuen Branchen-Initiative geht. Dafür wollen Fahrzeug-Hersteller, Tankstellen- und Gasnetzbetreiber in den nächsten Monaten bundesweit Pipelines oder auch in flüssiin mehreren Städten werben und über die Technik informieren. gem Zustand per Tankschiff

– sogenanntes Liquid Natural Gas (LNG), das insbesondere Lkw tanken – in Europa an. Der Vorteil: Es kann theoretisch in jeglichem Verhältnis mit ökologisch erzeugtem Gas aus Biogas-Anlagen oder aus Gas, das künstlich durch Windenergie erzeugt wurde (Power-to-Gas), vermischt werden. In den zehntausenden Kilometern Gasnetz könnte so auch überschüssige Energie aus Solar- und Windkraft gespeichert werden, wenn der Verbrauch an sonnen- und windreichen Tagen in der Ferienzeit gering ausfällt. Bislang muss der Überschuss noch teuer nach Österreich oder Polen abgeleitet werden. Allerdings gehen Experten davon aus, dass Power-to-Gas erst in vielen Jahren rentabel betrieben werden kann.

len Kraftstoff. Vom klimaschädlichen Image wollen Fahrzeughersteller, Tankstellen- und Gasnetzbetreiber durch mehr Biogas nun aber weg.

Von 900 auf 2.000 CNG-Tankstellen Vor einigen Wochen hat der VWKonzern deshalb mit Betreibern von CNG-Tankstellen und Gasnetzanbietern eine Absichtserklärung unterzeichnet. Ziel ist es, die Fahrzeugflotte sowie das Gasnetz in Deutschland auszubauen. Die CNG-Fahrzeugflotte soll bis 2025 verzehnfacht und damit eine Million Fahrzeuge auf die Straße gebracht werden. Zudem ist geplant, das CNGTankstellennetz zu verdichten und von deutschlandweit 900 auf 2.000 Standorte zu erhöhen. Eine Million Fahrzeuge, wird sich so mancher fragen. Dieses Ziel – allerdings bis 2020 – galt auch für die E-Mobilität auf deutschen Straßen, bis die Bundesregierung ihre Pläne vor Kurzem selbst kassierte. Also jetzt Gas statt Elektro? Wahrscheinlicher ist beides. Die Bundesregierung hält sich weiterhin technologieoffen, das betonen nicht nur Vertreter des Bundesverkehrsministeriums bei nahezu jeder verkehrspolitischen Veranstaltung: Immer wieder werden Diesel, Benzin, Elektro, (Erd-)Gas und Wasserstoff genannt. Auch der Bundes-

Neues Breitbandbüro Saar Fördermittel von 100.000 auf 800.000 Euro erhöht

Im Zweifel beides tanken: Wenn der Erdgastank nach 400 bis 500 Kilometern leer ist, wird automatisch auf konventionellen Kraftstoff umgeschaltet (bivalenter Antrieb). Anders als bei hybriden Elektro-Fahrzeugen besitzen ErdgasFahrzeuge nur einen (Otto-)Motor, der zwar für Gas optimiert ist, aber ebenso mit Benzin funktioniert. Foto: BS/Einhaus

tag fährt auf dieser Linie. So hat das Parlament etwa jüngst die steuerliche Entlastung für Autogas- und Erdgas-Fahrzeuge bis 2022 bzw. 2026 verlängert.

VW-Strategie “Together 2025” Für den VW-Konzern ist Erdgas Teil der aktuellen Strategie “Together 2025”. Volkswagen geht davon aus, dass der Absatz rein elektrischer Neufahrzeuge Mitte des kommenden Jahrzehnts bei 25 Prozent liegt. Demnach machen Verbren-

nungsmotoren in acht Jahren aber immer noch drei Viertel des Absatzes aus. Allein um die bislang avisierten und künftigen Umweltziele zu erreichen, wird argumentiert, müsse der Anteil von CNG-getriebenen Fahrzeugen erhöht werden. Deshalb friste der CNG-Antrieb sein bisheriges Nischendasein zu Unrecht, erklärte Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. “Das wollen und werden wir ändern. Heute haben wir konzernweit 14 Erdgas-Modelle im Angebot. Dieses

Angebot bauen wir jetzt sukzessive aus.” Dabei ist man nicht allein. Um auch die notwendige Infrastruktur aufzubauen, wirken E.ON Gas Mobil GmbH, Gazprom NGV Europe GmbH, Gazu GmbH, Ontras Gastransport GmbH, Open Grid Europe GmbH, Pitpoint B.V. und die Total Deutschland GmbH bei der Roadshow CNG Mobility mit. Die Branche will noch in diesem Jahr weitere Veranstaltungen u. a. in Berlin, München, Frankfurt und im Ruhgebiet durchführen. Erdgas,

Optimierungspotentiale im Betrieb

(BS/ein) Die bisherige Breitbandberatungs- und -koordinierungsstelle des Saarlandes soll ihr Aufgabenspektrum erweitern und als BreitÖPP-Erfahrungen in Hessen: Kosten- und Terminsicherheit in der Bauphase bandbüro Saar künftig zusätzliche Aufgaben mit Blick auf den Glasfaserausbau übernehmen. Die Staatskanzlei in Saarbrücken hat dafür die (BS/Barbara Buth/Prof. Dr. Tanja Kessel/Dr. Corinna Hilbig*) Das Land Hessen nimmt seit vielen Jahren eine Fördermittel bis Ende 2019 verlängert und von 100.000 auf insgesamt Vorreiterrolle bei sogenannten Öffentlich Privaten Partnerschaften, kurz ÖPP, ein. Bereits acht Landesprojekte 800.000 Euro aufgestockt. wurden im Wege einer lebenszyklusumfassenden Leistungsübertragung auf einen privaten Auftragnehmer übertragen. Die qualitative und quantitative Bewertung der im Betrieb befindlichen Projekte war Anfang 2017 Die bisherige Beratungsstelle Konstruktionsdateien umsetzen Gegenstand einer fundierten wissenschaftlichen Untersuchung. wird von der Staatskanzlei finanziert, vom kommunalen Zweckverband eGo-Saar betrieben und berät seit 2009 Städte, Gemeinden und Landkreise in allen Fragen des Breitbandausbaus zu beraten. Seit 2015 ist der Zweckverband zusätzlich dafür zuständig, dass das Saarland flächendeckend mit Bandbreiten von mindestens 50 Megabits pro Sekunde (Mbit/s) versorgt wird (“NGA-Netzausbau Saar”). Die Bundesregierung hatte dieses Ziel für alle Kommunen bis 2018 festgelegt. Nun übernimmt das neue Breitbandbüro Saar auch die operative Verantwortung für den darüber hinausreichenden Ausbau des Landes mit hochleistungsfähigen Glasfaseranschlüssen. Diese sollen künftig Bandbreiten von einem Gigabit pro Sekunde und mehr ermöglichen, um etwa E-Health-Lösungen, autonomes Fahren oder das Versenden großer Bau- und

das in Deutschland sonst zum Heizen verwendet wird, stammt meist aus fossilen Quellen in Norwegen oder Katar.

zu können (Stichwort GigabitGesellschaft). Erste konkrete Instrumente für den Gigabit-Ausbau stehen mit dem Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzGesetz) und dem Sonderförderprogramm für Gewerbegebiete des Bundesministeriums für digitale Infrastruktur seit Anfang des Jahres bereit. Das Breitbandbüro Saar soll nun diese neuen Rahmenbedingungen in den Kommunen bekannt machen und eine effiziente Anwendung fördern. Die Staatskanzlei stellt für den Zeitraum von Anfang 2016 bis Ende 2019 insgesamt 800.000 Euro zur Verfügung. Die saarländischen Kommunen und Landkreise könnten darauf vertrauen, dass sie beim GigabitAusbau kompetent von zentraler Stelle betreut würden, heißt es. Hierzu soll auch das Beratungspersonal aufgestockt werden.

Den Ausbau voranbringen: Für die Gigabit-Gesellschaft braucht es Glasfaserleitungen nicht nur bis zu den grauen Kästen, sondern bis zu den Haushalten. Foto: BS/Einhaus

In der vom Lehrstuhl für Infrastruktur- und Immobilienmanagement am Institut für Bauwirtschaft und Baubetrieb der TU Braunschweig und der PSPC GmbH durchgeführten Analyse wurden neben der quantitativen Bewertung der Kostenentwicklung insbesondere qualitative Aspekte der Projektrealisierung untersucht. Die Datenerhebung erfolgte mittels Fragebogen und strukturierter Interviews mit den auf öffentlicher Seite für die Planungs- , Bau- und Betriebsphase verantwortlichen Mitarbeitern. So konnten praxisbezogen Probleme aufgedeckt und Optimierungspotenziale identifiziert werden. Die Ergebnisse wurden im Kontext einschlägiger Literatur und Leitfäden sowie praktischer Erfahrungen mit ÖPP bewertet. Untersucht wurden alle Phasen der Projektrealisierung: Von der Planungs- und Bauphase über die Transferphase bis hin zum laufenden Betrieb. Zudem wurden die vor Zuschlagserteilung erfolgten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen einbezogen und phasenübergreifend die Zufriedenheit mit der Entscheidung für eine ÖPP-Umsetzung eruiert. Einbezogen in die Untersuchung wurden sowohl Projekte mit einem kleinen Investitionsvolumen, wie bspw. die Ämter für Bodenmanagement in Korbach, Büdingen und Limburg, als auch das Großvorhaben “Justizzentrum Wiesbaden” mit mehr als 100 Mio. Euro Investitionsvolumen.

Der vorgestellte Bericht kann mit insgesamt sehr positiven Ergebnissen aufwarten: So liegen die untersuchten Projekte des Landes Hessen mit einem Wirtschaftlichkeitsvorteil von im Mittel knapp 13,2 Prozent zwischen dem bundesdeutschen Durchschnitt (12,4 Prozent) und den Ergebnissen einer DIFUStudie, in der durchschnittliche Effizienzvorteile von 14 Prozent benannt werden.

Wirtschaftlichkeitsvorteil im Mittel bei 13,2 Prozent Auch bezüglich der für Bauvorhaben wesentlichen Punkte, der fristgerechten Fertigstellung und der Kostensicherheit, konnten die ÖPP-Projekte punkten: So wurde bspw. bei sieben von acht Projekten der Fertigstellungstermin eingehalten, bei einem Projekt sogar unterschritten. Auch die Kostensicherheit der ÖPP-Projekte wurde positiv bewertet. Nachtragsforderungen entstanden lediglich durch nachträgliche Änderungen aufseiten der öffentlichen Hand. Lediglich im Bereich der Inbetriebnahme und der Verfolgung von Mängeln sehen einige Objektleiter Verbesserungsdarf: hier wurde teilweise ein Erfahrungsgefälle zwischen den ersten und den zuletzt umgesetzten Projekten deutlich. In allen untersuchten Projekten wurde der Betrieb der Immobilie für einen Zeitraum von 30 Jahren an den privaten Partner vergeben. In dieser Phase sind

für die öffentliche Hand neben der Qualität der Leistungen insbesondere der zeitliche Aufwand für das Objektcontrolling sowie die Nutzung von Malus-Regelungen von Bedeutung. In der Mehrzahl der Projekte beurteilten die befragten Objektleiter die Zufriedenheit mit dem Verlauf der Betriebsphase als gut bis sehr gut. Das Ergebnis deckt sich auch hier mit den Ergebnissen bundesweiter Befragungen, nach denen 80 Prozent der Befragten die Entscheidung für ÖPP positiv bewerteten. Standardisierungsbedarf sahen die Objektleiter bei der nutzerfreundlichen Gestaltung der Malus-Systeme. Hier bestehen zwischen den einzelnen Projekten noch Unterschiede, die es zu verbessern gilt. Durch die konsequente Betreuung der Projekte durch das Kompetenzzentrum im Hessischen Finanzministerium und die spezialisierte TaskForce im Landesbetrieb Bauen und Immobilien in Hessen können die Projekterfahrungen aufgegriffen und bei zukünftigen Vorhaben – konventionellen wie alternativen – berücksichtigt werdem. *Barbara Buth ist Referentin für PPP im Finanzministerium Hessen, Prof. Dr. Tanja Kessel leitet den Lehrstuhl für Infrastrukturund Immobilienmanagement an der TU Braunschweig und Dr. Corinna Hilbig ist Geschäftsführerin der PSPC Infrastrukturberatung.

Erdgas kein Autogas Im Vergleich zu Erdgas fällt das sogenannte Autogas (Liquefied Petroleum Gas, LPG) bei Erdgas- und Erdölförderungen und der Raffinierung von Erdöl an. Es ist bei Raumtemperatur und unter geringem Druck flüssig und wird zumeist direkt an den Bohrstellen verbrannt, weil ein Aufarbeiten dieser “Restgase” unwirtschaftlich ist. Als Autogas kann es aber ebenso wie Erdgas durch entsprechende Umbauten als Kraftstoff in Ottomotoren genutzt werden. Deutschlandweit existieren mehr als 6.000 Tankstellen, die per Lkw mit dem flüssigen Gas beliefert werden müssen.

MELDUNG

Umsätze erneut gesunken (BS/ein) Im Jahr 2015 haben die Unternehmen der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft mit 20 und mehr Beschäftigten einen Umsatz von 565,6 Milliarden Euro erzielt. Das war laut Statistischem Bundesamt (Destatis) ein Minus von 3,8 Prozent gegenüber 2014 und damit der dritte Umsatzrückgang in Folge. Die Entwicklung in den einzelnen Branchen stellt sich sehr unterschiedlich dar. So sanken die Umsätze in der Elektrizitätsversorgung, in der 2015 über 80 Prozent der Gesamtumsätze in der Energie-, Wasser- und Entsorgungswirtschaft erzielt wurden, um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der Gasversorgung, die mit einem Anteil von rund neun Prozent am Gesamtumsatz die zweitstärkste Branche darstellt, sanken die Umsätze um 1,7 Prozent. Den höchsten Umsatzrückgang mit einem Minus von 8,2 Prozent gab es im Bereich Sammlung von Abfällen. Starke Umsatzzuwächse verzeichneten hingegen die Branchen Abfallbehandlung und -beseitigung (+14,8 Prozent) und Beseitigung von Umweltverschmutzungen und sonstige Entsorgung (+14,1 Prozent). Zusammen haben beide Branchen aber nur einen Anteil von unter zwei Prozent am Gesamtumsatz, sodass diese Zuwächse die allgemeine Umsatzentwicklung nur geringfügig beeinflussten. Die Zahl der Beschäftigten in der gesamten Branche ist im Jahr 2015 mit rund 427.000 nahezu konstant geblieben: Gegenüber 2014 sank der Wert lediglich um 0,1 Prozent.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Juli 2017

WLAN-Gesetz verabschiedet

D

ie nun durch die Koalitionsfraktionen verabschiedete Abschaffung der sogenannten Störerhaftung erleichtert weitere WLAN-Angebote. Betreiber von Hotspots können nicht mehr grundsätzlich für etwaiges Fehlverhalten der Nutzer verantwortlich gemacht werden. Hierbei geht es etwa um illegale Downloads von Musik und Filmen.

Weitgehend von Pflichten befreit WLAN-Betreiber werden weitgehend von der Pflicht befreit, Kosten zu tragen. Um einen Ausgleich zu schaffen, erklärte der SPD-Politiker Lars Klingbeil, werde allerdings eine gesetzliche Grundlage für gerichtliche Anordnungen geschaffen. Da-

Rechtssicherheit für Hotspots in Cafés, Büchereien und ÖPNV

für Freifunker

nach könnten etwa Inhaber von Video- und Audio-Rechten von WLAN-Anbietern verlangen, die Informationsnutzung über ihren Hotspot zu sperren und Seiten zu blockieren. Die Rechteinhaber müssen die Kosten für eine solche Anordnung aber selbst tragen. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass es zur erneuten Rechtsverletzung kommt.

Chinesischer Investor will E-Fahrzeuge bauen schließlich für die Produktion von 350.000 Autos ausgerichtet sein. Für die erste Produktionsstufe sollen 1.000 Arbeitsplätze entstehen. Das Unternehmen will dafür insgesamt 1,1 Mrd. Euro investieren. Für die Region Görlitz/Rothenburg/Niesky/Weißwasser stelle das Vorhaben eine große Chance dar, teilte der Kreistag mit. Es gehe darum, strukturelle und demografischer Entwicklungen zu bewältigen.

Göttingen: E-Autos parken kostenlos (BS/ein) In den von der Stadt bewirtschafteten Parkzonen in Göttingen müssen Fahrer von EAutos ab 1. Juli keine Gebühren mehr zahlen. Für Fahrzeuge, die mit dem Kennbuchstaben E versehen sind, genügt es künftig, eine Parkscheibe auszulegen und die jeweils geltende Parkhöchstdauer zu beachten. Einen entsprechenden Vorschlag hatte die Verwaltung der Universitätsstadt dem Rat unterbreitet,

der am 12. Mai dieses Jahres die Änderung der Göttinger Parkgebührenordnung beschlossen hatte. Alle städtischen Parkscheinautomaten seien inzwischen mit Aufklebern versehen worden, die auf die neue Regelung hinwiesen, teilte die Stadt mit. Die Regelung sei auf drei Jahre befristet und sei bei gegenwärtig 58 elektrisch betriebenen Fahrzeugen erst einmal ein eher symbolischer Beitrag.

E-Lastenrad-Sharing in Köln (BS/ein) Im Kölner Rheinauhafen ist das nach eigenen Angaben europaweit größte Verleihsystem für E-Lastenräder gestartet. Bald sollen die Räder des privaten Betreibers an stadtweit 35 Standorten zur Ausleihe stehen. Die Stadt Köln verfolgt ein ambitioniertes Ziel: “Bis 2030 soll ein Drittel der Verkehrsteilnehmer auf das Fahrrad umsteigen”, sagte Hendrik Colmer vom Team des Fahrradbeauftragten der Stadt Köln. Neben

dem Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur und dem Fahrradparken im öffentlichem Raum und an ÖPNV-Haltestellen (Bike and Ride) ergänze das private Angebot dieses Ziel, so Colmer. Die E-Lastenräder können ein zusätzliches Gewicht bis zu 100 Kilogramm transportieren und verfügen über eine Reichweite von rund 75 Kilometern. Der Elektromotor unterstützt bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h.

Alle zehn Kilometer eine Ladesäule (BS/ein) Baden-Württemberg will in Deutschland zum Zentrum der Entwicklung und Produktion sowie zum Leitmarkt im Bereich der E-Mobilität werden. Mit der “Landesinitiative Elektromobilität III” will die Landesregierung ein flächendeckendes Netz von Ladesäulen schaffen. Das Programm umfasst für die Jahre 2017 bis 2021 ein Volumen von insgesamt 43,5 Millionen Euro. Das Land plant damit 2.000 neue Ladesäulen landes-

weit – künftig soll im Umkreis von zehn Kilometern immer eine Lademöglichkeit zu erreichen sein. “Der Mobilitätssektor und insbesondere die Automobilbranche befinden sich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess mit weitreichenden Folgen für die gesamte Wirtschaft des Landes und für viele zehntausend Arbeitsplätze”, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.

Radschnellweg Frankfurt-Maintal-Hanau (BS/ein) Der Regionalverband FrankfurtRheinMain sowie die Städte Frankfurt, Maintal und Hanau planen gemeinsam den Bau eines Radschnellweges. Ein Routenvorschlag für die etwa 17 Kilometer lange Strecke wurde bereits von einem Planungsbüro ausgearbeitet. Aktuell läuft eine Beteiligungsphase: Bis zum 21. Juli können sich Bürger der Region über die Planungen informieren und sich u. a. unter www.radschnellwegfrankfurt-maintal-hanau.de einbringen. Danach würden die

den Grünen abgelehnt, die Linke enthielt sich. Die LinkenBundestagsabgeordnete Petra Sitte sprach von Websperren als völlig falschem Mittel; kein privater Anbieter wisse zudem, wie sein Router dafür einzustellen sei.

(BS/Julian Einhaus) Der Bundestag hat in der letzten Woche vor der Sommerpause das “Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes” (WLAN-Gesetz) verabschiedet. Damit soll erneut Rechtssicherheit für Hotspot-Anbieter wie Cafés, Bibliotheken oder Verkehrsgesellschaften geschaffen werden, die ihr WLAN für Dritte möglichst einfach zur Verfügung stellen. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichthofes hatte nach der SPD will Gemeinnützigkeit vorherigen Gesetzesnovelle wieder juristische Fragen aufgeworfen.

MELDUNGEN

(BS/ein) Der Kreistag des Kreises Görlitz hat Ende Juni dem Verkauf des Flugplatzes in Rothenburg an einen chinesischen Investor zugestimmt. Die Beijing WKW in Peking, einer der großen Auto-Konzerne Chinas, will mit seiner neu gegründeten Tochter Delon Automotive GmbH ein Werk zum Bau von OberklasseE-Fahrzeugen errichten. Die Fabrik soll auf dem 365 Hektar großen Gelände über mehrere Jahre schrittweise gebaut und

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Vorschläge geprüft und ggf. in den Entwurf eingearbeitet, heißt es. Im Herbst sind die Ergebnisse auf der Website zu sehen. Bis Ende des Jahres soll der genaue Verlauf dann möglichst feststehen. In der Region stehen zudem zwei weitere Schnellwege auf der Agenda: Mit dem Bau des Radschnellweges von Frankfurt nach Darmstadt könnte schon nächstes Jahr begonnen werden, für eine schnelle Verbindung von Frankfurt zum Flughafen gibt es erste Vorarbeiten.

“Diese Nutzungssperren müssen aber verhältnismäßig sein und sind als Ultima-RatioMöglichkeit nur dann zulässig, wenn keine andere Möglichkeit besteht, der Rechtsverletzung abzuhelfen”, so Klingbeil. Zuerst müsse versucht werden, juristisch gegen den eigentlichen Rechtsverletzer oder den HostAnbieter vorzugehen. Der Gesetzentwurf stelle zudem klar, dass WLAN-Betreiber nicht von einer Behörde verpflichtet werden dürften, Nutzer zu registrieren oder ihr WLAN nicht mehr öffentlich anzubieten, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Joachim Pfeiffer. Ebenso müssten sie für den Zugang zu ihrem Hotspot keine Eingabe eines Passworts verlangen. “Auf freiwilliger Basis

bleibt dies aber weiterhin möglich”, so Pfeiffer. Wenn die Netzbetreiber mehr Rechtssicherheit bekämen, werde es künftig sehr schnell deutlich mehr frei nutzbare Hotspots und öffentliche WLAN-Netze geben.

Nützlich für die Tourismusund Wirtschaftsförderung Davon geht der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, aus. “Schnelle, freie WLAN-Hotspots sind nützlich für den StadtTourismus, die städtische Wirtschaftsförderung, den Zugang zu elektronischen Dienstleistungen der Städte und für vieles mehr”, so Dedy. Viele Städte hätten deshalb den Ausbau von Gratis-WLAN-Hotspots schon seit Langem forciert.

Auch der Handelsverband Deutschland (HDE) begrüßte die Neuregelung. Für den Handel sei entscheidend, dass die WLAN-Angebote nicht verpflichtend mit Passwörtern oder Registrierungen geschützt werden müssten, sagte der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. “Im Ausbau öffentlicher WLANAngebote liegen auch große Chancen für die Innenstädte. Neben dem Handel werden sich Gastronomie, Dienstleister, aber auch Nahverkehrsunternehmen und die Verwaltung im Allgemeinen weiter digitalisieren und den Kunden online Angebote machen.” Das beschlossene Gesetz, das Anfang Juli noch durch den Bundesrat muss, wurde von

SPD-Netzpolitiker Klingbeil will sich künftig für noch mehr einsetzen: den Status der Gemeinnützigkeit für den Freifunk. Ein weiterer Gesetzentwurf zur steuerlichen Anerkennung für Spenden an Freifunk-Initiativen sei von der Union aber verhindert worden – CDU und CSU hätten sich einer Debatte im Ausschuss Digitale Agenda verweigert. Das Vorhaben sei in dieser Legislatur gescheitert. Nach der Bundestagswahl plane er aber, eine erneute Initiative auf den Weg zu bringen. Die Freifunker leisteten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag und ermöglichten nicht wenigen Bürgern einen Internetzugang, vielfach profitierten auch die Menschen in Flüchtlingsunterkünften davon.


Kommunale Ordnung

Behörden Spiegel / Juli 2017

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Zusammenarbeit für mehr Sicherheit

Mobile Wache für Oberhausen

Ingolstadt schafft Partnerschaft aus Polizei, Verkehrsbetrieben und Fußballsport

Sicherheitsbehörden erhöhen Präsenz im Stadtgebiet

(BS/Sebastian Alt*) Im oberbayerischen Ingolstadt haben sich der Nahverkehrsbetreiber INVG, der Fußballclub FC Ingolstadt 04 und das Polizeipräsidium Oberbayern Nord in einer Nutzergemeinschaft zusammengeschlossen, um gemeinsam von den sicherheitstechnischen Vorteilen eines von Dallmeier und seiner IT-Tochter IPPI installierten Videoassistenzsystems zu profitieren.

(BS/mfe) In Oberhausen ist seit Kurzem eine mobile Wache unterwegs. Dabei handelt es sich um einen silberfarbenen Multivan, mit dem Landespolizei und Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) an fünf Tagen in der Woche in verschiedenen Stadtteilen Präsenz zeigen. Das Fahrzeug ist dabei jeweils mit zwei Polizeivollzugsbeamten und zwei KOD-Mitarbeitern besetzt.

In enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung und den Datenschutzverantwortlichen wurde unter Einsatz der bereits international bewährten Panomera®-Technologie eine datenschutzrechtlich geprüfte Videolösung erarbeitet und umgesetzt, die den Aufgaben und damit verbundenen Anforderungen aller beteiligten Nutzer gerecht wird. Die patentierte Panomera® Multifocal-Sensortechnologie (MFS) eröffnet bisher ungeahnte Möglichkeiten in der flächendeckenden Absicherung weitreichender Areale und damit gerade auch für Anwendungen auf öffentlichen Plätzen, in Stadien sowie Verkehrswegen. Mit Panomera® werden enorme Weiten und auch Flächen mit großen Distanzen in einer vollkommen neuen Auflösungsqualität dargestellt, und zwar in Echtzeit und bei hohen Frameraten von bis zu 30 Bildern pro Sekunde. Die Leistungsfähigkeit der MFS-Systeme ist so hoch, dass es in der Praxis möglich war, die Kosten für Projekte deutlich zu verringern. So konnten beispielsweise 35 Standard-Megapixel-Kameras – samt der dazugehörigen technischen Infrastruktur – kostengünstig ersetzt werden. Und zwar durch eine Panomera®, ausgestattet mit acht Sensoren.

An den jeweiligen Einsatzorten gehen zwei Teammitglieder auf Streife, die übrigen bleiben im oder am Fahrzeug und stehen den Bürgern dort als Ansprechpartner zur Verfügung. Sie können den Anwohnern verschiedene Flyer aushändigen, etwa zur korrekten Abfallentsorgung oder zum Verwarnungsgeldkatalog. Außerdem halten sie ein Informationsblatt für Personen bereit, die Opfer von Straftaten wurden.

Ein System, verschiedene Ebenen Die Übertragung der von den Panomera®-Systemen erfassten Daten erfolgt dabei über das hochmoderne Metro-Net der COM-IN Telekommunikations GmbH. So erhält beispielsweise die Verkehrsgesellschaft lediglich Zugriff auf Übersichtsbil-

Verbesserung für das Sicherheitsgefühl In Ingolstadt sind mehrere Sicherheitsverantwortliche eine Nutzergemeinschaft für eine datenschutzkonforme Videobeobachtung eingegangen. Foto: BS/ ©ArTo, Fotolia.com

der mit geringer Auflösung jener Kamerasysteme, die an für den öffentlichen Nahverkehr relevanten Standorten, wie der Hauptbushaltestelle, platziert wurden. In ähnlicher Weise zweckgebunden beschränkt wurden die Nutzungsrechte der Stadion-Security, die ausschließlich auf Kameras in und um den Audi-Sportpark herum zugreifen kann.

Informationsaustausch ist entscheidend Die Polizei wiederum verfügt zur Wahrnehmung ihres Schutzauftrages über einen Zugriff auf alle Kameras, mit der Möglichkeit der detaillierten Beobachtung bei maximaler Auflösung sowie der Option, einzelne Aufnahmesequenzen zu speichern. Die Back-up-Funktion dient zur Sicherung von Vorfällen, damit diese im Fall von weiteren Ermittlungen mit beweiskräftigem Bildmaterial eindeutig nachvollzogen wer-

den können. Die unterschiedlichen Nutzerrechte haben indes keine Auswirkung auf die Effektivität des Gesamtsystems: Polizei, INVG und Fußballverein tauschen sich regelmäßig über ihre Praxiserfahrungen aus. Sollte es zu Straftaten in den überwachten Bereichen kommen, erfolgt die Auswertung der Aufnahmen datenschutzkonform durch die Polizei. Integrierte Gesamtlösung, koordinierte Zusammenarbeit: Ingolstadt macht vor, wie unterschiedliche Einzelinteressen mit den übergeordneten Interessen der öffentlichen Sicherheit und des Datenschutzes in Einklang gebracht werden können. Weitere Informationen unter: www.dallmeier.com oder www. panomera.com *Sebastian Alt ist im MarketingBereich der Dallmeier electronic GmbH & Co.KG tätig.

MELDUNG

Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) erklärte zu der neuen mobilen Wache: “Die Menschen in unserer Stadt wollen mehr Sichtbarkeit der Ordnungsbehörden. Mit der mobilen Wache nehmen wir diesen Wunsch auf und verbessern das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger.” Zugleich sehe man die Maßnahmen als einen weiteren Schritt auf dem Weg hin zu mehr Sauberkeit und Ordnung in den Oberhausener Stadtteilzentren. Denn: “Sau-

Von der mobilen Wache verspricht sich Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU, 2.v.r.) ein verbessertes Sicherheitsgefühl für die Einwohner. Und der für Sicherheit und Ordnung zuständige Beigeordnete Frank Motschull (4.v.r.) hält die neue Einrichtung für ein Paradebeispiel der effektiven Kooperation zwischen Stadtverwaltung und Landespolizei. Foto: BS/Stadt Oberhausen

berkeit und Sicherheit sind zwei Seiten einer Medaille”, machte Schranz klar. Und der für Sicherheit und Ordnung zuständige Beigeordnete Frank Motschull ergänzte: “Diese Maßnahme ist ein weiterer Baustein zur Verbesserung der öffentlichen Ordnung in Oberhausen und zur Verstärkung des subjektiven Sicherheitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger.” Des Weiteren verdeutliche die

Nicht mehr nur stationäre Kontrollen Bonn nutzt künftig auch Anhänger zur Geschwindigkeitsmessung (BS/mfe) Im Kampf gegen Raser setzt die Bonner Stadtverwaltung ab sofort nicht mehr nur auf fest installierte Blitzer oder mobile Radargeräte. Künftig kommt in der Bundesstadt auch ein kompakter Anhänger für Geschwindigkeitskontrollen zum Einsatz. Dieser war zuvor angemietet und bereits sechs Monate erfolgreich erprobt worden. In den Anhänger, der erst seit dem vergangenen Jahr für den Einsatz in Deutschland zugelassen ist, ist ein per Akku betriebenes Laser-Messgerät eingebaut. Mit ihm kann die Geschwindigkeit an Gefahrenstellen über mehrere Tage hinweg rund um die Uhr überwacht werden. Das war mit den bisher verwendeten mobilen Geräten nicht möglich.

Kontrollen an einem Standort über mehrere Tage oder gar Wochen hinweg als auch einen regelmäßigen Ortswechsel. Erstmals zum Einsatz kommen wird der Anhänger auf der Friedrich-Ebert-Allee, dem Bereich der Bundesstraße neun, der durch das Bonner Stadtgebiet führt.

Auch Kontrollen auf Autobahnen vorgesehen

Maßnahmen angekündigt

Anhänger schafft größere Flexibilität (BS/mfe) Der neu gewähl- zählenden Stadt in Baden- wachung an neuralgischen te Oberbürgermeister Pforzheims, Peter Boch (CDU), will ein ganzes Bündel an Maßnahmen umsetzen, um für mehr Sicherheit und Sauberkeit in der rund 122.000 Einwohner

Württemberg zu sorgen. So plant er unter anderem, den Bußgeldrahmen bei Müllsündern komplett auszuschöpfen und eine intelligente, datenschutzkonforme Videoüber-

Punkten im Stadtgebiet einzuführen. Des Weiteren will Boch, der sein Amt im August antreten wird, im Rathaus eine Stabsstelle “Sicherheitsbündnis” einrichten.

mobile Wache die gute Kooperation zwischen Stadtverwaltung und Polizei, so der Beigeordnete weiter. Der zuständige Polizeidirektor Georg Bartel wiederum machte klar: “Das Sicherheitsgefühl der Menschen wird von vielen Faktoren beeinflusst. Mit der mobilen Wache wollen wir erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Oberhausen sich sicher fühlen.”

Zudem kann der Anhänger – im Gegensatz zu fest installierten Kontrollgeräten – variabel an verschiedenen Stellen im gesamten Stadtgebiet eingesetzt werden. So ermöglicht er sowohl

In Bonn setzen die Verantwortlichen für Verkehrssicherheit im Bereich der Geschwindigkeitskontrolle ab sofort nicht mehr nur auf mobile Messgeräte und fest installierte Blitzer, sondern auch auf einen mobilen Anhänger (Foto). Foto: BS/Feldmann

Zunächst wird sich sein dortiger Einsatz auf die südliche Fahrtrichtung beschränken. In Zukunft soll er jedoch sowohl an anderen innerstädtischen Punkten in Bonn als auch auf Autobahnen verwendet werden.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juli 2017

Programm-Update erforderlich

KNAPP Digitalisierung der Top 100

Was kommt nach der “Digitalen Verwaltung 2020”?

(BS/Guido Gehrt) Das Bundeskabinett hat das Regierungsprogramm “Digitale Verwaltung 2020” zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes als gemeinsames Projekt aller Ressorts im (BS/lkm) Das BundesministeriSeptember 2014 verabschiedet. Dieser Tage wurde nun der Evaluierungsbericht 2016 vorgelegt, der über den aktuellen Stand des Programms informiert und dabei auch Empfehlungen um für Wirtschaft und Energie für die Fortschreibung des Programms (Digitale Verwaltung 2030?) gibt. hat eine Studie zum Thema DiDas Regierungsprogramm “Digitale Verwaltung 2020” beschreibt die Handlungsfelder und die Maßnahmen zur Unterstützung des Handlungsfeldes “Innovativer Staat” der Digitalen Agenda und des E-GovernmentGesetzes. Das Programm sieht vor, den Umsetzungsstand des E-Government-Gesetzes in den Jahren 2016, 2018 und 2020 bezogen auf die Vorhaben des Regierungsprogramms in der Bundesverwaltung zu ermitteln – wie nun geschehen. Die Ergebnisse der ersten Evaluierung zeigen, dass die bereits in Kraft getretenen Umsetzungsverpflichtungen in weiten Teilen erreicht werden und damit wichtige Grundlagen für Vernetzung und Interoperabilität geschaffen wurden. Die Evaluierung zeigt aber auch, dass die Digitalisierung der Verwaltung nur erreicht werden kann, wenn die verschiedenen Programme und Maßnahmen stärker als bislang koordiniert werden und gemeinsame Infrastrukturen und Standardkomponenten genutzt werden. Hier gibt der Evaluierungsbericht konkrete Handlungsempfehlungen zum Programmmanagement des Bundes, welches angesichts der bestehenden Herausforderungen weiterentwickelt werden müsse.

Koordinierende Steuerung der Digitalisierung Harmonisierte, zentrale Dienste und vernetzte Prozessketten erforderten eine stärker koordinierte Steuerung der Digitalisierung des Bundes. Um die Kosten niedrig zu halten und die Mehrwerte digitaler Verfahren für alle Beteiligten zu heben, würden an zentraler Stelle IT-Verfahren

Illustration: BS/Dach

zur Nutzung durch die Bundesbehörden aufgebaut und bereitgestellt. Daneben müssten Behörden lernen, noch mehr in Prozessketten zu denken und zu arbeiten sowie Wissen und Infrastrukturen mit anderen zu teilen. Der Fortschritt hänge dabei auch von den bereitgestellten Ressourcen ab. Das Regierungsprogramm “Digitale Verwaltung 2020” beinhalte in seinem derzeitigen Zuschnitt ein breites Spektrum verschiedener Maßnahmen. Die Maßnahmen unterschieden sich zum Teil erheblich, auch im Hinblick auf die strategische Zielsetzung, Anzahl involvierter Stakeholder sowie bzgl. ihrer Komplexität in der technischen und organisatorischen Umsetzung. Diese Diversität erschwere eine einheitliche strategische Ausrichtung und Steuerung. Dies erfordere, insbesondere mit Blick auf die fortlaufende Nachhaltung und angestrebten Synergieeffekten hohe Abstimmungs- und Koordinierungsaufwände. Im Rahmen der Fortschreibung des Regierungsprogramms

empfehle sich daher eine stärkere inhaltliche Konzentration auf ausgewählte thematische Cluster. Der Zuschnitt der Maßnahmen innerhalb der Cluster sei so zu gestalten, dass jeweils ein strategischer Aspekt aus E-Government/Digitalisierung möglichst umfassend verfolgt wird. Die Maßnahmen eines Clusters müssten in ihren Zielen verknüpft sein und vor dem Hintergrund einer einheitlichen Strategie, gemeinsamer Meilensteine und des Zeithorizontes in enger Abstimmung umgesetzt werden.

Neue Programmstruktur Für die weitere Programmstruktur schlägt der Evaluierungsbericht eine dreiteilige Gliederung vor: • Prioritäre Maßnahmen zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes, • Innovation und Beschleunigung der Digitalisierung und • Kommunikation und Koordination. Auf diese Weise könne das Programmmanagement neben der

Fortführung der bestehenden Vorhaben um einen Gestaltungsauftrag erweitert werden. Das Digitalisierungsprogramm des IT-Planungsrats und das Onlinezugangsgesetz seien die richtigen Maßnahmen, um gezielt strukturelle Verbesserung für IT-Kooperationen und Digitalisierung im föderalen Kontext zu erzielen. Darüber hinaus müsse man ein flexibles Portfolio von Vorgehensbausteinen und Maßnahmen schaffen, um schnell auf fachliche Anforderungen und technologische Impulse reagieren zu können. Ein zukünftiges Programmmanagement müsse sicherstellen, dass Informationsdefizite innerhalb der Verwaltung im Hinblick auf zentrale Vorhaben und Vorgaben abgebaut werden und sich die Bekanntheit von E-Government-Angeboten bei Bürgern und Unternehmen noch weiter erhöhe. Ein neues Regierungsprogramm müsse darauf hinwirken, dass die Transformationskompetenz hinsichtlich der Digitalisierung stärker als bis-

her in den Organisationen der Bundesverwaltung, gerade auch auf Leitungsebene, aufund ausgebaut werde. Das bedeute, dass nicht nur die bereits an zentraler Stelle bereitgestellten bzw. aufzubauenden IT-Verfahren durch die überwiegende Zahl der Bundesbehörden bei bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Angeboten genutzt werden sollten. Daneben müssten Pilotvorhaben und Projekte konsequent in den Wirkbetrieb überführt werden. Mit dem Anfang 2016 gestarteten Teilprojekt 6 “Gemeinsame IT des Bundes” werden das Angebot an IT-Anwendungen weiter harmonisiert, der ITBedarf der Behörden gebündelt und ressortübergreifende Basisund Querschnittsdienste für die Nutzung durch die überwiegende Zahl der Bundesbehörden umgesetzt. Dies erfordere eine viel stärker koordinierte Steuerung der einzelnen Programme des Bundes, die den vernetzten Einsatz von zentralen Diensten in allen Bereichen und auf allen Ebenen fördern. Hier müsse der Weg der koordinierten Steuerung konsequent fortgesetzt werden. Die Abstimmungen der Koordinierung des Regierungsprogramms mit dem Programm “Gemeinsame IT des Bundes” bildeten hier erst den Anfang, der ausgebaut werden müsse. Rechtliche Vorgaben seien – soweit noch nicht geschehen – an den digitalen Transformationsprozess anzupassen und mögliche Hürden abzubauen. Inwieweit diese Empfehlungen Eingang in die Fortschreibung des Regierungsprogramms finden werden, wird sich in der kommenden Legislaturperiode zeigen.

gitalisierung von Verwaltungsleistungen für die Wirtschaft veröffentlicht. Sie identifiziert die wichtigsten 100 der insgesamt rund 5.500 existierenden Verwaltungsleistungen für Unternehmen. Die Studie soll eine Orientierung darüber bieten, welche Kontakte zwischen Verwaltung und Wirtschaft mit hoher Priorität digitalisiert werden sollten, um die Interaktion effizient zu gestalten und Bürokratiekosten senken zu können. Bei der Auswahl der Geschäftslagen wurden sowohl die Bürokratiekostenbelastung der Unternehmen, Häufigkeit und Komplexität der Interaktion als auch strategische Aspekte des Wirtschaftsstandortes Deutschland berücksichtigt.

Startschuss für Modellkommunen (BS/lkm) Ende Juni fiel der offizielle Startschuss für das Projekt “Modellkommune Open Government”. Im Februar startete das Bundesministerium des Innern (BMI) gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund das Pilotprojekt. Hierbei wurden Städte und Kommunen aufgerufen, sich um Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von Open-GovernmentMaßnahmen zu bewerben. Die Modellkommunen werden für die Dauer von zwei Jahren für die Konzeptionierung und Umsetzung von Open-GovernmentMaßnahmen mit jeweils 50.000 Euro unterstützt. Ausgewählt wurden die Städte Köln, Bonn, Moers, Oldenburg, Merzenich, Tengen und Brandis sowie die Landkreise Saalekreis und Maarburg-Biedenkopf.

PITS

Deutschlands größer Fachkongress für IT- und Cybersicherheit bei Bund, Ländern und Kommunen

12.–13. September 2017, Hotel Adlon, 10117 Berlin

Klaus Vitt

Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik und Staatssekretär im Bundesministerium des Innern

Prof. Dr. Reinhard Posch

CIO des Bundes, Bundesregierung Österreich

www.public-it-security.de

Peter Fischer

Delegierter für die Informatiksteuerung des Bundes, Informatiksteuerungsorgan des Bundes (ISB) Schweiz

Technologie-Partner:

Andreas Könen,

Leiter der Stabsstelle „IT- und Cybersicherheit, sichere Informationstechnik“ im Bundesministerium des Innern

Foto: © BSI

Foto: Dombrowsky

Foto: ISB

Foto: © Posch, privat

Foto: Dombrowsky

Vernetzte Welt – vernetzte Sicherheit

Arne Schönbohm

Präsident, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

Eine Veranstaltung des


Organisation & Management

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Behörden Spiegel / Juli 2017

E-Rechnung nimmt Fahrt auf

Schwarz-gelb will Gas geben

Jüngste Entwicklungen werden in Wiesbaden diskutiert

Die “Digitale Verwaltung” im NRW-Koalitionsvertrag

(BS) Ende Juni 2017 kamen in Wiesbaden auf Schloss Biebrich über 150 Teilnehmer aus der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft zum E-Rechnungs-Gipfel zusammen. Im Rahmen der Veranstaltung wurden die für Deutschland spezifischen Aspekte betrachtet, aber auch Erfahrungen weiter fortgeschrittener Länder wie Österreich, Schweden und Dänemark näher beleuchtet. Dies geschah in einem zeitlichen Umfeld, wo das Thema E-Rechnung “lebendiger” denn je ist.

(BS/gg) Die neue CDU-FDP-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat sich im Bereich der Digitalisierung in den kommenden Jahren einiges vorgenommen. “Digitalstrategie” und “Gigabit-Masterplan” dürften in diesem Zusammenhang die (auch finanziell) größten “Brocken” sein. Doch was ist künftig aus Düsseldorf mit Blick auf die “Digitale Verwaltung” zu erwarten? Hier hilft ein Blick in den Koalitionsvertrag.

Zum einen hat das Bundesministerium des Innern (BMI) seinen Referentenentwurf zur ERechnungs-Verordnung am 22. Juni 2017 der Verbändeöffentlichkeit zugänglich gemacht. Am selben Tag wurde der in diesem Entwurf genannte Standard XRechnung ohne Änderungen vom IT-Planungsrat verabschiedet. Der IT-Planungsrat hat dabei den Standard XRechnung als maßgeblich für die Umsetzung der Richtlinie 2014/55/ EU beschlossen. Damit sind Bund, Länder und Kommunen gehalten, die Umsetzung der elektronischen Rechnung auf der Basis von XRechnung vorzunehmen. Zum anderen wurde am 28. Juni 2017 der europäische CEN/TC-434-Standard EN 16931 für E-Invoicing veröffentlicht. Damit laufen nun die Fristen zur nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie. Besonders die zentrale Rolle der XRechnung wurde im Rahmen des E-Rechnungs-Gipfels intensiv diskutiert. Denn nicht nur für die öffentliche Verwaltung hat dieser Standard große Auswirkungen, sondern auch die Privatwirtschaft als Rechnungssteller muss sich nun mit einer raschen Umsetzung befassen. In diesem Zuge wurde im Rahmen der Tagung auch der aktuelle Projektstand für die zentrale Rechnungseingangsplattform des BMI und BMF vorgestellt. Der angestrebte Zeitplan ist sportlich: bereits ab 1. Juni 2018 soll der Rollout im gesamten Geschäftsbe-

Lebhafte Podiumsdiskussion mit Stefan Groß, Vorstandsvorsitzender des VeR (Verband elektronische Rechnung), dem Bremer Staatsrat für Finanzen Hans-Henning-Lühr, Marcus Laube, stellv. Vorstandsmitglied im VeR, Sören Bergner, Bundesministerium des Innern, und Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann, Hochschule Aschaffenburg. Es moderierte Guido Gehrt, Behörden Spiegel. Foto: BS/Vereon

reich des BMI erfolgen. Durch die frühzeitige Pilotierung der E-Rechnung am Bundesverwaltungsamt (BVA) bereits ab 2013 gibt es jedoch inzwischen zahlreiche Praxiserfahrungen, die gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung schaffen. Der Anbindung von Lieferanten kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion machte die unterschiedlichen Erwartungen zu den konkreten Umsetzungsschritten und Auswirkungen auf Unternehmen, öffentliche Verwaltung und Dienstleister deutlich. Einig war man sich jedoch, dass die E-Rechnung enorme Effizienzvorteile für alle Beteiligten bringt und daher eine rasche Einführung im Sinne aller ist. Hierfür bedarf es einer intensiven kommunikativen Be-

gleitung, sodass alle Betroffenen am selben Strang ziehen können. Nach derzeitigem Stand der Diskussion resp. des Rechtsverordnungsentwurfs des Bundes ist absehbar, dass die E-Rechnung wohl verpflichtend für alle wird, die dem Bund Rechnungen stellen wollen. XRechnung ist als verbindlicher Standard festgelegt (basierend auf dem CEN-Standard). Zudem ist mit einer zügigen Ausweitung der Verpflichtung zur E-Rechnung auf allen Verwaltungsebenen zu rechnen, wenn die Länder nach dem Bund ihrerseits entsprechende Rechtsverordnungen erlassen werden. Unter www.e-rechnungsgipfel. de werden weitere Informationen (Marktstudie, Vorträge, Referentenentwurf) rund um die E-Rechnung zur Verfügung gestellt.

Die Koalitionäre in NRW wollen die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigen und Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die gesamte Landesverwaltung “nicht erst” 2031, sondern “bereits bis” zum Jahr 2025 vollständig digitalisiert wird. Dafür soll eine neue E-Government-Strategie erarbeitet werden. Auf dem Weg zur digitalen Verwaltung will man sich “Zwischenziele” stecken. So sollen alle Landesbehörden bis 2020 elektronische Bezahlmöglichkeiten anbieten und diese

genauso selbstverständlich akzeptieren wie elektronische Identitätsnachweise. “Vergabe. NRW” soll zu einem leistungsfähigen digitalen Vergabeportal weiterentwickelt werden. Je ein Ministerium und eine Mittelbehörde sollen als “digitale Vorbilder” zügig vollständig digitalisiert werden. Zur Förderung von E-Government soll die Landesverwaltung Programmierschnittstellen als Plattform bereitstellen, damit Dritte Software und Services für Verwaltungsvorgänge entwickeln

Neuer CIO an der Saar Wechsel von Lennartz zu Meyer (BS/gg) Dr. Ulli Meyer, seit Mai Staatssekretär im Saarländischen Ministerium für Finanzen und Europa, ist neuer CIO des Saarlandes und Vertreter des Landes im IT-Planungsrat. Im Zuge der Neuauflage der Großen Koalition an der Saar übernahm Meyer vom Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Jürgen Lennartz, der diese Aufgabe seit Mai 2015 wahrgenommen hatte. Der “Hut” des CIO wechselt damit zurück ins Finanzministerium, wo ihn bis Mai 2015 Dr. Hanno Thewes getragen hatte, bevor dieser neuer Direktor des ITZ Saar wurde. Der promovierte Jurist Ulli Meyer kommt seinerseits selbst unmittelbar aus der Staatskanzlei, wo er von September 2003 bis Mai dieses Jahres Abteilungsleiter “Organisation, Personal, Haushalt” war.

Neuer CIO im Saarland: Finanzstaatssekretär Dr. Ulli Meyer Foto: BS/Finanzministerium Saarland

können. Die Koalitionäre unterstützen ausdrücklich die geplante Schaffung einheitlicher Online-Portale im Rahmen des Portalverbunds. Bei der Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts auf Bundesebene will man sich als “Antreiber” aufstellen und entsprechende Neuregelungen des Bundes zudem zügig in entsprechenden Landesgesetzen und -verordnungen umsetzen. Sehr spannend, wenn man die bisherige Diskussion hierzu verfolgt hat, dürfte dieser Punkt sein: Die bisherigen (im E-Government-Gesetz NRW benannten) Ausnahmen bei der Einführung der elektronischen Akte sollen reduziert werden. Mit Blick auf den kommunalen Bereich sollen je eine kleinere und eine größere Stadt zu “Digitalen Modellkommunen” entwickelt werden. Diese sollen im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt werden und als Vorbilder intelligenter und vernetzter Stadtentwicklung dienen. Dabei will man an Projekte wie etwa den Wettbewerb “Digitale Stadt” anknüpfen. Zum momentanen Megatrend “Blockchain” soll ein Pilotprojekt in der Verwaltung gestartet werden, um dadurch die Sicherheit kritischer und sensibler ITProzesse weiterzuentwickeln. Zur Stärkung der Transparenz und für bessere Möglichkeiten der Nutzung öffentlicher Informationen und Daten soll analog zum Bundesgesetz ein Open -Data-Gesetz NRW verabschiedet werden.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juli 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Meister, bisher war die BWI ein Gemeinschaftsunternehmen von Industrieunternehmen und dem Bund. Seit Ende 2016 ist sie nun in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes. Ergeben sich daraus aus Ihrer Sicht Vorteile?

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Der zweite große Player BWI bringt viel Erfahrung in die IT-Konsolidierung Bund ein

(BS) Ende vergangenen Jahres hat der Bund die kompletten Gesellschafteranteile an den BWI-Gesellschaften erworben. Aus der vormaligen Öffentlich Privaten Partnerschaft (ÖPP) – gemeinsam mit Siemens und IBM –wurde hierdurch eine 100-prozentige Bundesgesellschaft. Aufgrund dieser Eigentümerstruktur kann die BWI künftig nicht nur Leistungen für die Bundeswehr erbringen, sondern als IT-Dienstleistungszentrum des Meister: Ich glaube schon. Bundes auch die IT-Konsolidierung der Bundes-IT unterstützen. Dieser Wandel war auch Gegenstand eines Gesprächs, welches Chefredakteur R. Denn als Bundes-GmbH kann Uwe Proll mit dem CEO der BWI, Ulrich Meister, führte. die BWI als Dienstleister für die IT-Konsolidierung des Bundes genutzt werden. In der alten Unternehmenskonstruktion wäre das nicht möglich gewesen. Für die BWI und die Menschen in der BWI ist das eine große Chance. Wir können unsere Kompetenzen nun für andere Ressorts einsetzen. Das bedeutet Wachstum, und da brauchen wir nicht nur unsere bisherigen Mitarbeiter. Das können wir einerseits auf der Bundeswehrseite durch neue Themen bei der “grünen IT” und auf der anderen Seite durch die Dienstleistungstätigkeit bei der IT-Konsolidierung erreichen. Auch für den Bund ergeben sich Vorteile: Er bekommt neben dem ITZBund einen zweiten großen Player für die IT-Konsolidierung dazu. Und zwar einen mit zehn Jahren Erfahrung bei Konsolidierungsprojekten. Die BWI hat die Bundeswehr auf einen Stand gebracht, den es bisher sonst im Bund nicht gibt. Diese Erfahrungen kann der Bund jetzt für sich nutzen. Behörden Spiegel: Die BWI ist als Bundes-GmbH jetzt dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) zugeordnet. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Abstimmungsprozessen mit dem Ministerium und seinen nachgeordneten Behörden?

gleich gut oder gleich schlecht funktionieren.

“BWI und ITZBund stellen zwar jeweils den Generalunternehmer gegenüber der einzelnen Behörde dar, wir müssen und werden aber nicht alles selbst machen.”

Behörden Spiegel: Sie sprachen das Thema SLA an. Zwischen Unternehmen sind die Regelungen ja ziemlich klar: Wird die vereinbarte Leistung nicht erbracht, gibt es Abzüge am vereinbarten Honorar. Das wird sich doch beim Bund kaum in der Form durchsetzen lassen? Meister: Ich glaube auch, das wird sich so nicht durchsetzen lassen. SLA-basiertes Monitoring der Qualität muss es aber schon geben – auch, wenn es keine monetäre Bezifferung gibt. SLA schaffen Transparenz gegenüber dem Kunden. So hat man eine klare Basis für Diskussionen und zur Klärung von möglichen Konflikten. Behörden Spiegel: In Zukunft soll die BWI als Konsolidierungspartner ihre Leistungen neben BMVg bzw. Bundeswehr auch anderen Bundesressorts anbieten. Welche Angebote werden das sein?

Meister: Die IT-Konsolidierung basiert im Grunde auf einem portfolioorientieren Ansatz mit einzelnen Angeboten für den gemanagten Arbeitsplatz, Wide Area Network, Rechenzentrumskapazitäten usw. Die Behörden Meister: Die BWI war und ist sollen sich in Zukunft aussuin der Rechtsform eine GmbH, chen können, welchen Teil sie für die es klare Governance- von welchem DienstleistungsStrukturen gibt. Es gibt einen zentrum – also BWI, ITZBund, Deutsche Aufsichtsrat Rente oder und einen Ge“Die BWI hat die Bundesagensellschafter, Bundeswehr auf einen tur für Arbeit die sich beide Stand gebracht, den es – beziehen. personell geänBisher sieht dert haben. Die bisher sonst im Bund man aber eher Geschäftsfühnicht gibt.” die Tendenz, rung ist dem zunächst die Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig. Im Auf- gesamte IT-Landschaft an einen sichtsrat haben wir zwei Mitglie- Dienstleister zu übergeben. Ich der vom BMVg und jeweils ein glaube, der anvisierte serviceMitglied aus dem Bundesinnen- orientierte Ansatz wird sich erst und dem Bundesfinanzministe- in ein paar Jahren durchsetzen, rium. Außerdem haben wir noch wenn die Konsolidierung auf Inje einen Professor der Univer- frastrukturebene bereits vollzosität der Bundeswehr und der gen ist. TU München als Mitglieder im Behörden Spiegel: Der FahrAufsichtsrat. Durch diese Zusammenset- plan der IT-Konsolidierung Bund zung bringt man den externen sieht vor, dass in diesem Jahr die Blick in die Prozesse und alle IT einer Bundesbehörde mit der achten auch darauf, dass der BWI konsolidiert werden soll. Wie Geschwindigkeitsvorteil, den weit ist der Auswahlprozess? die BWI als GmbH hat, nicht verMeister: Als Kunde steht beloren geht. Durch die Umstrukturierung hat sich kein Nach- reits die Zentrale Stelle für Inforteil ergeben. Im Gegenteil: Man mationstechnik im Sicherheitsmerkt eine größere Offenheit. bereich (ZITiS) fest, die jetzt in Wir werden früher in die Pro- München aufgebaut wird und z. blemlösung eingebunden, was B. Lösungen für Tracking und Entschlüsselung entwickeln natürlich beiden Seiten hilft. soll. Das ist streng genommen Behörden Spiegel: Der ande- keine Konsolidierung, sondern re große IT-Dienstleister für den ein Neuaufbau. Das gibt uns Bund, das ITZBund, soll ab 2019 aber die Chance, die nötigen eine Anstalt öffentlichen Rechts Prozesse einzurichten. Außerdem stehen wir mit etwa (AöR) werden. Glauben Sie, dass die Verfasstheit als GmbH gegen- vierzehn weiteren Behörden im Austausch, die mit der BWI konüber einer AöR Vorteile bringt? solidieren möchten. Bis entspreMeister: Das bringt Vor- und chende vertragliche Konstrukte Nachteile. Die GmbH hat es verhandelt sind, wird es noch leichter nach außen hin, was einige Monate dauern, aber ich Personalbeschaffung und Part- glaube schon, dass wir in diesem nerschaften mit Industrieunter- Jahr noch einige Behörden auf nehmen angeht. Andererseits die Konsolidierungsreise schimuss bei einer GmbH alles ver- cken werden. tragsbasiert laufen. Alle RechBehörden Spiegel: Auf Bunte und Pflichten müssen über Service Level Agreements (SLA) desebene sind die BWI und das genau festgehalten werden. Für ITZBund als einzige Full-Serviceeine AöR gilt das nicht im sel- Provider für die übrigen Ressorts ben Maß. Letztlich glaube ich definiert. Müssen Sie demzufolge aber, dass beide Formen, was alle benötigten Services auch vordie Kundenbeziehung angeht, halten?

Ulrich Meister, während einer Diskussion auf dem diesjährigen Kongress “Digitaler Staat”, ist seit Ende des letzten Jahres Chief Executive Officer (CEO) der BWI Informationstechnik GmbH sowie der BWI Systeme GmbH. Foto: BS/Giessen

Meister: BWI und ITZBund stellen zwar jeweils den Generalunternehmer gegenüber der

einzelnen Behörde dar, wir müssen und werden aber nicht alles selbst machen. Es gibt Bereiche

wie Personalwesen und damit zusammenhängende Fachanwendungen, in denen das ITZBund viel besser aufgestellt ist. Wenn eine Behörde solche Leistungen auch bei uns als Generalunternehmer abbilden möchte, werden wir sie definitiv beim ITZBund einkaufen. Umgekehrt gibt es im Bereich Netzwerk-Infrastrukturen Themen, die das ITZBund nicht selber umsetzt,

sondern die BWI heranzieht. Es gibt also Bereiche, in denen sich die beiden Dienstleister aufeinander verlassen müssen und werden. Behörden Spiegel: Wie würden Sie diese Form der Arbeitsteilung einem Kunden erklären, der vor der Frage steht, an wen er sich für die IT-Konsolidierung wenden soll? Meister: Die Behörde muss sich entscheiden, wer ihr Generalunternehmen sein soll. Das ist dann auch der Ansprechpartner egal, was passiert. Der Generalunternehmer muss alle Themen managen und gegebenenfalls Sub-Dienstleister mitsteuern. Ob es letztlich so kommen wird, dass die Behörden die freie Entscheidung für den Generalunternehmer haben werden, weiß ich noch nicht. Es müsste noch im IT-Rat, also in der Gesamtkoordination überlegt werden, ob man einen gewissen Schnitt des Portfolios macht und festlegt, welche Ressorts die BWI und das ITZBund jeweils als Generalunternehmer übernehmen. Einen Wettbewerb vor den Kunden halte ich auf Dauer jedenfalls nicht für gut.


Behörden Spiegel / Juli 2017

D

ie Motivation für jeden Einzelnen, aber insbesondere auch für Gruppen, sich Neuem gegenüber zu öffnen, wird in Wissensmanagementansätzen systematisch gesteigert. Analoge (z. B. Community of Practice) wie digitale Ansätze (Datenbanken, Wikipedia-Systeme bis hin zu Portallösungen wie OfficeNet etc.) erhöhen den Austausch von Wissen in der Belegschaft und darüber die Transparenz über den Wissensbestand.

Je größer, desto schwieriger

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Basis für Innovationen Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung (BS/ Dr. Bernd Janson) Digitalisierung anhand den Anforderungen von E-Government-Gesetzen, sinkende Budgets bei höherer Belastung, wechselnde Organisationsleitungen und -kulturen, innovative Beschaffungen – die Liste der Herausforderungen für öffentliche Einrichtungen ist lang. Diesen organisatorisch wie thematisch zu begegnen, gelingt nur mit der Integration innovativer Prozesse und zum Teil auch von innovativen Produkten. Grundvoraussetzung dafür ist die Offenheit der Belegschaft, neues Wissen aufzunehmen und anzuwenden. lichen Verwaltung nachhaltig Dr. Bernd Janson, Wissen zu verändern wird. Wirtschaft (WzuW) ist UnterDie Integratinehmens- und Politikberater on dieses neuund leitet das Seminar “Wisen Ansatzes in sensmanagement in der öfdie bestehenfentlichen Verwaltung”. den Strukturen gelingt leichter Foto: BS/privat innerhalb eines homogenen, organisationsüberrent darstellt und zugleich An- greifenden Wissensmanagereize zur Generierung des neuen mentsystems, das die bisherige Wissens schafft. Und für neues Organisationskultur spiegelt. Wissen besteht stets aufgrund aktueller oder strategischer Für die Praxis Gründe Bedarf. Das Seminar “Wissensmanagement für die öffentliche VerInnovationen integrieren waltung” am 18.–19. September mit Wissensmanagement in Berlin gibt einen Überblick Neben der Digitalisierung ge- über die bestehenden Ansäthen auch von der innovativen ze des Wissensmanagements Beschaffung starke Impulse und wie diese in die öffentlifür Innovationen in der öffent- che Verwaltung implementiert lichen Verwaltung aus. Laut werden. Basierend auf einem EFI- Gutachten der Experten- Audit bzw. einer Wissensbilanz kommission für Forschung und und vor dem Hintergrund der Innovation 2017, das jährlich Organisationskultur leitet Sven im Auftrag der Bundesregierung Wuscher, Wissensmanagementerstellt wird, sollen bis zu 45 experte des Fraunhofer InstiMrd. Euro pro Jahr im Rahmen tuts für Produktionsanlagen der Beschaffung in innovative und Konstruktionstechnik IPK, Vorhaben fließen. Hierin wird Berlin, eine passende Wissensein wichtiger Wachstumsimpuls managementstrategie ab, die für die gesamte Volkswirtschaft sowohl analoge wie auch digigesehen, der zugleich die Be- tale Maßnahmen beinhaltet. schaffungskultur der öffent- Analoge Methoden wie Lessons

learned, Debriefing, Community Building werden durch digitale Wissensmanagementtools unterstützt, mit deren Hilfe zum Beispiel das entstandene Wissen nachhaltig und transparent

Bildnachweis: ©freshidea, fotolia.com

Die Offenheit für Neuerungen hängt organisationstheoretischen Erkenntnissen zufolge auch von der Größe ab. Je größer die Organisation, desto schwieriger haben es neue Ideen, vor allem aufgrund langwieriger Entscheidungsprozesse von sehr vielen Akteuren. Öffentliche Verwaltungen besitzen häufig eine Größe von deutlich über 100 Mitarbeitern, sodass die Entscheidungswege auch infolge hierarchischer Strukturen lange Prozeduren beinhalten. Die Ansätze des Wissensmanagements wirken dem positiv entgegen, da gerade themenbezogene Arbeitsgruppen, digital wie analog organisiert, den Bedarf an Neuem schneller und vor allem für die Gesamtorganisation ableiten können. Darüber hinaus bleiben diese Entscheidungsprozesse in Wissensmanagementsystemen nachhaltig erhalten und können bei Bedarf wieder genutzt werden. Wissensmanagement ist demnach ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Innovationskultur von Organisationen, die das bestehende Wissen transpa-

Informationstechnologie

gespeichert und zur Verfügung gestellt werden kann. Ulrich Zuber von der Organisationsberatung des Bundesverwaltungsamts schlägt die Brücke von der digitalen Transformation über die neue Rolle der Organisatoren bis zur Bedeutung des Wissensmanagements. Er gibt dabei einen Einblick in praktische Nutzungsszenarien des OfficeNets, das aktuell von immer

mehr Verwaltungen eingeführt wird. Das Wissensmanagementportal beinhaltet zukunftsweisende Möglichkeiten in Bezug auf Kollaboration, Kooperation und Wissensmanagement. Darüber hinaus ermöglicht es die Unabhängigkeit von Ort und Zeit und trägt zu den wachsenden Bedürfnissen von Teilzeitarbeit bzw. Work-Life- Balance bei. Weitere IT-Tools werden von Dr. Philipp Bitzer, Geschäftsführer smarTransfer GmbH, vorgestellt. Die smarTransfer GmbH hat sich als Ausgründung der Universität Kassel auf Wissensmanagementtools spezialisiert. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Wissensmanagement”.

Digitalstrategie Entfesselung Leitthemen für einen digitalen Relaunch in NRW Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung Der Schlüssel für nachhaltigen Erfolg 18.–19. September 2017, Berlin

www.fuehrungskraefte-forum.de

(BS/Wilfried Kruse*) Die neue Landesregierung aus CDU und FDP hat am 16.06.2017 ihren Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit präsentiert; nach der Wahl des neuen Ministerpräsidenten wird sich die Landesregierung offensichtlich zügig bilden und die versprochenen Arbeiten und politischen Zielsetzungen angehen. Eine neue “Digitalstrategie” für NRW sowie ein “Entfesselungsgesetz” zum Bürokratieabbau und zur Chancennutzung der Digitalisierung stehen oben auf der Agenda. Der Kongress e-nrw am 9. No- Digitalisierungsprozesse in den vember wird dann nach vier Mo- Kommunen. Insbesondere unnaten eine erste Chance sein, terstützen wir die Planung von die im Koalitionsvertrag ange- Glasfaser-Ausbauprojekten, und kündigten digitalen Themen, IT-Sicherheitskonzepten ihre neue Ausprägung und ihr digitalen Notfallplänen sowie E(hoffentlich) neues Tempo für Government- und Open DataLand und Kommunen, für den Strategien in interkommunaler Standort NRW, seine Wirtschaft, Zusammenarbeit.” Eine Modernisierungsoffensive seine Unternehmen und seine öffentliche Verwaltung weiter- “Neue Geschäftsmodelle” soll gehend zu diskutieren und mit sämtliche Gesetze und andere Regeln systematisch auf Hindervoranzubringen. Spannend wird, ob es gelingt, nisse für die Entstehung neuer ein komplettes Ministerium zu digitaler Geschäftsmodelle, der “digitalisieren” – ein Meilen- künstlichen Intelligenz oder austein, ein besonders mutiger tonomer Mobilität untersuchen, Schritt im Sinne eines disrup- mit dem Ziel, Hürden abzubauen und tiven Vorfaire Wettgehens, er bewerbsbewürde die dingungen Arbeit aller etablier“digital EnZukünftige IT-Strategien für te und neue gagierten” Geschäfts außerorin Nordrhein-Westfalen modelle zu dentlich be9. November 2017 schaffen. fruchten, es Düsseldorf / Neuss Wenn es würde dem denn gelingt, CIO-NRW bessere Chancen mit auf den die neue Digitalstrategie und die Weg geben, auch die anderen angekündigte ModernisierungsRessorts “digital” zu überzeu- offensive parlamentarisch mit “Entfesselungsgesetz” gen – ein in der Vergangenheit einem bekanntermaßen nicht ganz verbindlich zu verankern, nachhaltig anzuführen, allen Akteueinfacher Prozess. Zur weiteren Digitalisierung in ren in Land und Kommunen als den Kommunen eine neue För- gemeinsame Zukunftssaufgabe derkulisse aufzubauen und den näher zu bringen und alternaWeg eines Wettbewerbs mit dem tivlos deutlich zu machen, käZiel digitaler Modellkommunen me NRW einen großen Schritt zu gehen, ist zwar nicht ganz voran. Es lohnt sich also, über all das neu, aber dürfte diejenigen, die sich jetzt in NRW auf den digita- und noch mehr auf e-nrw intenlen Zukunftsweg – auch auf den siv zu diskutieren. Weg der Verwaltung 4.0 – ma*Wilfried Kruse, Geschäftsfühchen wollen, sehr unterstützen. Die Formulierung im Koaliti- render Gesellschafter IVM², ist onsvertrag verdient es, zitiert zu fachlicher Leiter und Moderator des Verwaltungskongresses “ewerden (S. 31): “Wir legen einen Förderfonds nrw”, den der Behörden Spiegel “K400 – Kommunal wird digital” am 9. November in Neuss vermit einem Volumen von 100 Mil- anstaltet. Weitere Informationen lionen Euro für die Legislatur- und Anmeldung unter: www.eperiode auf. Daraus fördern wir nrw.info

IT als Treiber der Verwaltungsmodernisierung: Der Newsletter E-Government, Informationstechnologie und Politik des Behörden Spiegel

Anmeldung: www.behoerdenspiegel.de newsletter@behoerdenspiegel.de


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juli 2017

30 Jahre Speyerer Thesen

U

m es gleich vorweg zu nehmen: Reinermanns Thesen sind auch noch heute brandaktuell. Wer sie liest, glaubt kaum, dass schon 30 Jahre ins Land gegangen sind, seitdem die Speyerer Thesen veröffentlicht wurden. So mahnt Reinermann als zentrale Aussage ein “Leitbild” an, “was wir mit Informationstechnik anfangen wollen und was nicht”. Reinermann ging damit schon in die Offensive. Beim Einsatz von Informationstechnik blieben die Verwaltungen “in Substanz und Struktur weitgehend unverändert”. Ein Problem, das sich auch heute noch stellt. Schon damals wies Reinermann auf die “Gestaltungschancen” hin, die sich durch die Informationstechnik ergeben, und so lautete denn sein Credo: “Informationstechnik liefert die Chance, unsere Verwaltungen in ihrer Organisation, ihren Mitarbeiterbelangen und in ihren Aufgaben neu zu durchdenken.” Schließlich sah er hier die Chance zur Verwaltungsreform. Neue Technologien als verwaltungspolitische Herausforderungen wirkten sich durchschlagend auf die “Organisations-, Personal- und Aufgabenpolitik” aus.

Netz von elektronischen Informationsbeziehungen Mit einer neuen Definition von Verwaltung als “Informationsund Kommunikationssystem” sah er im Verbund mit Informationstechnologie ein “Netz von elektronischen Informationsbeziehungen” entstehen und forderte “ganzheitliche Ansätze” im Systemdenken. In einer Zeit des Übergangs in die “Informationsgesellschaft” wies Reinermann darauf hin, dass man sich ausführlich mit dem Thema “Datenaustausch”, und zwar inner- und überbehördlich, also organisationsübergreifend auseinandersetzen müsse. Einige

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Heinrich Reinermann, der Prophet des E-Governments (BS/Dr. Hanno Thewes) 1987 veröffentlichte Prof. Dr. Heinrich Reinermann seine 105 “Speyerer Thesen zur Bewältigung der informationstechnischen Herausforderungen” zum Thema Verwaltungsinnovation. 30 Jahre danach lohnt der Blick in Reinermanns Schlüsseldokument: Was hat sich in den letzten drei Jahrzehnten getan, wie visionär war der heute 80 jährige ehemalige Professor der Speyerer Universität für Verwaltung? Kernthesen formulierte Reinermann unter dem Stichwort “Reorganisation”. Er sah in der Informationstechnik und dem durch sie ermöglichten umfassenden Zugriff auf Informationen die auf strikter Arbeitsteilung beruhende Organisation überwunden. Sie sollte zur Aufgabenintegration in der dann “ganzheitlichen Aufgabenabwicklung” führen. Damit wurde das Kernthema der “Prozessoptimierung” und “Verwaltungsvereinfachung” angesprochen.

Organisation und Technik in eine Hand Besonders wichtig war Reinermann die zentrale Verortung der IT-Zuständigkeit in der Verwaltung. Auf der organisatorischen Ebene forderte er, dass traditionelle Organisationsaufgaben und Informationstechnik “in eine Hand” gehörten. Reinermann sah in der arbeitsplatznahen Verbreitung der Technik die “Qualität des Arbeitslebens” gesteigert, wenn mit der Überwindung des Taylorismus und dem Paradigma des ganzheitlichen Ansatzes ernst gemacht würde. Durch “job enrichment” und “Selbstorganisation” könne der technische Fortschritt sogar “Entfremdung des Menschen abbauen”. Dabei gehörten “Kenntnisse über Informationstechnik mehr und mehr zur Berufsqualifikation des Öffentlichen Dienstes”. Dabei geht es Reinermann nicht nur um den einfachen ComputerFührerschein, vielmehr müss-

tisierte die vorhandenen Datenfriedhöfe und machte sich zum Dr. Hanno Thewes ist DirekApostel der Dator des IT-Dienstleistungszentenqualität, intrums (IT-DLZ) Saarland, dem dem er empfahl, IT-Dienstleister der saarländi“mehr Grundaufschen Landesverwaltung. wand in die BeBS/privat reitstellung und Aufbereitung von Information zu stecken”, damit ten die Mitarbeiter neuen Typs im Bedarfsfalle “schnelles Wisüber “Lernbereitschaft und Den- sen”, das die “Informationsbeken in Zusammenhängen und dürfnisse” erfüllte, bereitstehe. Man brauche “Ziel-Information” Prozessabläufen” verfügen. Die durch IT-basierte Rationa- und nicht “Viel-Information”. lisierung gewonnenen Spielräu- Doch die Erkenntnis, dass Inme sollten nicht rein monetär formation in der Verwaltung betrachtet werden. Vielmehr “Produktionsfaktor” ist, sei oft könnten diese in eine verbesser- noch ein “Lippenbekenntnis”. te Verwaltungsqualität inves- Das “Informationsbewusstsein” tiert werden, die gerade den Bür- in der Verwaltung sei “noch entgerinnen und Bürgern durch wicklungsfähig”. “technikunterstützte Bürgerdienste” zugutekommen solle. Aufgabe der klassischen Führungshierarchie Reinermann erhob schon vor drei Jahrzehnten das Postulat Reinermann machte deutlich: des “wissensbasierten Umgangs Informationsmanagement könzwischen Bürgern und Verwal- ne man nicht “abkommandietung”. Reinermann erkannte, ren”, es sei eine “Aufgabe der dass das Technikpotential “eine klassischen Führungshierarneue Qualität von Öffentlich- chie”. Reinermann befasste sich keitsarbeit und Bürgerbeteili- in seinen Thesen auch mit den gung” mit sich bringt. Dies bezog aufkommenden PC-Arbeitser nicht nur auf den leichteren plätzen und der zunehmenden und schnelleren Zugang durch Dezentralisierung in der IT. Er den Abbau von “Kommunika- warnte davor, dass durch den PC tionsbarrieren”, sondern auch Verwaltungen zur “Informatidurch die bessere Nachprüf- onsverarbeitungsinsel” würden barkeit von öffentlichem Han- und plädierte vehement dafür, deln. Ein wichtiger Punkt war die “Nabelschnur zum Rechenfür Reinermann die Frage der zentrum nicht abreißen zu las“Führungsinformation”. Er kri- sen”. Die Aufgabe von zentralen

Rechenzentren sei “das Setzen von Standards”. Fazit: Reinermanns Thesen haben auch heute noch eine überraschende Aktualität und Präsenz. Vieles hat sich zwar in den letzten 30 Jahren verändert. Trotzdem stehen wir immer noch am Anfang einer Entwicklung, die Reinermann vor 30 Jahren vorgedacht hatte. Zwar haben wir allerorten E-Government-Strategien und mehr oder weniger wirkungs-

volle Chief Information Officers, aber die Anpassung der Verwaltung, die Reorganisation, die Prozessorientierung, die Interoperabilität, die Standardisierung, Wissensmanagement, die Integration von Diensten über organisatorische Einheiten hinaus sind Aufgaben, die noch weitestgehend in den Verwaltungen flächendeckend zu leisten sind. Schließlich bleibt die informationsbewusste Verwaltung im Reinermannschen Sinne immer noch ein Wunschbild. Heinrich Reinermann wurde mit seinen 105 Speyer Thesen so etwas wie der Prophet des EGovernments. Dass seitdem 30 Jahre vergangen sind, sollte ein Ansporn sein, die Innovation der Verwaltung schneller voranzubringen, es ist schon zu viel Zeit vergangen.

Parycek leitet ÖFIT-Leitung Österreicher führt Kompetenzzentrum Öffentliche IT (BS/gg) Prof. Dr. Peter Parycek hat zum 1. Juli die Leitung des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) übernommen. Er tritt damit die Nachfolge von Jens Fromm an, der zu Jahresbeginn als stellvertretender Vorstand zum ITDZ Berlin gewechselt war. Mit Parycek hat das ÖFIT einen anerkannten Experten für die Digitalisierung im öffentlichen Raum gewonnen. Der bisherige Leiter des Departments für EGovernance in Wirtschaft und Verwaltung an der Donau-Universität Krems kennt die vielfältigen Debatten rund um den digitalen Wandel. Der Rechtsinformatiker hat zudem in mehrjähriger Beratertätigkeit, u. a. für das österreichische Bundeskanzleramt, viel Praxiserfahrung erworben. Peter Parycek ist u. a. auch einer der führenden Köpfe der Open-Government-Bewegung im deutschsprachigen Raum.

Prof. Dr. Peter Parycek ist neuer Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT). Foto: BS/ÖFIT

Seminare im September 2017 Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

www.fuehrungskraefte-forum.de Einsteigerkurs Vergaberecht

Von Anfang an in Bauprojekten erfolgreich handeln

Disziplinarrecht für Praktiker

Grundlagen und Praxis für Social Media Manager

01.09.2017 Düsseldorf

06.09.2017 Bonn

07.09.2017 Berlin

13. - 14.09.2017 Hamburg

Wirkungscontrolling in öffentlichen Verwaltungen

Vergaberecht für Auftragnehmer und Bieter

Beförderungsauswahl vor Gericht

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in Behörden

Ausschreibungen von IT – praxisorientiert und rechtssicher

13. - 14.09.2017 Berlin

19.09.2017 Berlin

19.09.2017 Berlin

20. - 21.09.2017 Berlin

28.09.2017 Hamburg Bildnachweis: Uetliberg Uto Kulm


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Kranstedt folgt auf Göhring

Standardisierung im Fokus

Führungswechsel beim ITZBund

Sommersitzung des IT-Planungsrates in Potsdam

(BS/gg) Zum 1. Juli übernahm Dr. Alfred Kranstedt die Leitung des Informationstechnikzentrums Bund (ITZBund). Der bisherige Abteilungsleiter für “Dezentrale Betriebsservices” im ITZBund tritt damit die Nachfolge von Hans-Georg Göhring an, der in den Ruhestand wechselte und zuvor im Deutschen Museum in Bonn offiziell verabschiedet wurde.

(BS/gg) Die sogenannte “Sommersitzung” des IT-Planungsrats im Juni in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam stand ganz im Zeichen der weiteren Standardisierung elektronischer Verwaltungsanwendungen. So verabschiedete man unter anderem den neuen Standard XRechnung und setzte damit zugleich eine EU-Richtlinie (2014/55/EU) um. XRechnung soll damit zukünftig der neue Standard für elektronische Rechnungen in ganz Deutschland sein.

Der neue ITZBund-Chef Dr. Alfred Kranstedt ist promovierter Diplom-Informatiker und seit 2006 in der Bundesverwaltung in verschiedenen Ressorts tätig. Seit 2009 war er in einer der Vorgängerbehörden des ITZBund, dem Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT), als Referatsleiter in der Softwareentwicklung und im IT-Betrieb sowie später als Abteilungsleiter tätig. “Das ITZBund versteht sich als IT-Dienstleister des Bundes. Unsere Aufgabe ist die Unterstützung der fachlichen Prozesse der Bundesverwaltung mit leistungsstarken IT-Verfahren. Wir verstehen uns dabei als Übersetzer und Vermittler zwischen Fachlichkeit und Technik. Wir entwickeln und betreiben flexible, wirtschaftliche und qualitativ hochwertige IT-Lösungen. Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf der Vertraulichkeit und Integrität im Umgang mit den Daten unserer Kunden. Ein aktueller Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf unserer Beteili-

Der bisherige ITZBund-Direktor Hans-Georg Göhring wurde im Deutschen Museum offiziell verabschiedet. Fotos: BS/ITZBund

Engagement und Kreativität aus. Dieses Potenzial zu pflegen und weiter zu fördern, sehe er als seine vorrangige Aufgabe an. Dabei knüpfe er nahtlos an die Weichenstellungen seines Vorgängers an und stehe für Verlässlichkeit, Kontinuität und Transparenz ein. “Ich werde mich mit voller Kraft dafür einsetzen, dass sich unsere Kunden auch zukünftig auf die zuverlässige Erbringung der vereinbarten Leistung und eine jederzeit vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem ITZBund verlassen können ”, erklärte der neue ITZBund-Direktor.

Viel Lob zum Abschied

Dr. Alfred Kranstedt ist seit Anfang Juli neuer Direktor des ITZBund.

gung an der IT-Konsolidierung des Bundes. Dies ist mit einem erheblichen Zuwachs an Aufgaben, Herausforderungen und Verantwortung verbunden. Im Sinne unserer Kunden entwickeln wir daher unsere Prozesse kontinuierlich weiter”, so Dr. Kranstedt. Die Mitarbeiter des ITZBund zeichneten sich durch großes

Mitte Juni wurde Kranstedts Vorgänger Hans-Georg Göhring im Deutschen Museum in Bonn verabschiedet und dabei dessen beruflicher Werdegang gewürdigt. Der gebürtige Freudenstädter studierte Informatik an der Universität Karlsruhe und begann sein Berufsleben an der Universität, arbeitete in Projekten auch für Industrie, half beim Aufbau der IT des Deutschen Bundestages, leitete InfoKom im Landschaftsverband Rheinland, koordinierte im Bundesverteidigungsministerium die Pilotierung und Realisierung des Projektes SASPF (Einführung von SAP bei der Bundeswehr) und wirkte an der Gründung der BWI mit. Von März 2009 bis Ende

2015 war er Direktor des ZIVIT. Seit Jahresbeginn 2016 leitete er das ITZBund. Tenor aller Laudatoren war, dass Göhring das ITZBund nachhaltig geprägt habe. Ihm sei es gelungen, das ITZBund aus den drei Vorgängereinrichtungen erfolgreich zu vereinen und einen kundenorientieren und wirtschaftlichen IT-Dienstleister für die Bundesverwaltung zu positionieren. In seiner Abschiedsrede betonte Göhring: “Es war eine interessante und spannende Zeit und wir haben gemeinsam mit unseren Kunden, Partnern und den Ministerien, hier insbesondere dem BMF, vieles erreicht. Nur im ständigen, offenen und konstruktiven Dialog wird es uns gelingen, kontinuierlich die Services für unsere Kunden zu verbessern. Unser Hauptaugenmerk liegt darauf, dass wir weiterhin wirtschaftlich und kostengünstig für unsere Kunden arbeiten und Datenschutz und IT-Sicherheit gewährleisten.” Das ITZBund werde sich unter der Leitung von Dr. Kranstedt weiterhin als attraktiver Arbeitgeber, insbesondere für ITFachpersonal, etablieren. Der zukünftige Direktor werde gewährleisten, dass das ITZBund für die Kunden aus den Ministerien und der Bundesverwaltung die IT sicher und effizient betreiben könne, zeigte sich Göhring überzeugt.

Partner auf Augenhöhe Portalverbund soll “Verwaltungs-Amazon” schaffen (BS/gg) Unter der Überschrift “Gang zum Amt passé – Mit innovativen Services zur Digitalen Verwaltung” kamen im Rahmen des Digital-Gipfels in der Metropolregion Rhein-Neckar rund 100 Experten aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft im Kurfürstensaal des Kurmainzer Amtshofes in Heppenheim zu einer Veranstaltung der Plattform 5 “Digitale Verwaltung und öffentliche IT” des Gipfelprozesses zusammen. Karl-Heinz Streibich, Vorsitzender der Plattform (gemeinsam mit Bundes-CIO Klaus Vitt) und Vorstandsvorsitzender der Software AG, sprach sich für mehr Pragmatismus und Kooperation bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung aus. Die Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) könne hier ein “Blueprint” für andere Regionen sein. Die deutsche Wirtschaft spiele international – auch bei der Digitalisierung – in der Champions League. Damit diese auch noch zukünftig derart erfolgreich agieren könne, sei es wichtig, dass “alle anpacken, damit die Verwaltung ein Partner auf Augenhöhe wird”. Der Software-AG-Chef zeigte sich erfreut, dass sich Bund und Länder über die Einrichtung eines Portalverbunds verständigt haben und wertete dies als positives Signal, die digitalen Angebote für Bürger und Unternehmen zukünftig attraktiver gestalten zu wollen.

Der Portalverbund von Bund und Ländern war auch Gegenstand der Ausführungen von Ernst Bürger, Ständiger Vertreter der Abteilungsleiterin O im Bundesinnenministerium (BMI). In der Endstufe strebe man mit dem Verbund eine Art “Verwaltungs-Amazon” an, einen Marktplatz, auf dem der Bürger mit nur drei Klicks auf die von ihm gewünschte Leistung zugreifen kann. Voraussetzung hierfür sei die Digitalisierung aller Verwaltungsabläufe. Daher sei die Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes, welches die Verwaltungen in den kommenden fünf Jahren hierzu verpflichte, ein Meilenstein. Bürger machte mit Blick auf den Portalverbund jedoch auch klar, dass “das Projekt noch in Bewegung ist”, es daher auch noch viel Diskussionsbedarf gebe und es gewaltiger Anstrengungen bedürfe, um das Projekt erfolgreich umzusetzen. Nicht zuletzt seien hierfür auch

finanzielle Ressourcen notwendig. Er geht davon aus, dass die Schaffung dieses “serviceorientierten Dienstes der deutschen Verwaltung” rund 400 bis 500 Millionen Euro kosten dürfte, die man partnerschaftlich finanzieren müsse. Ohnehin unterstrich Bürger, dass es sich beim Portalverbund “um einen Partnerschaftsverbund auf Augenhöhe” handle und trat damit denjenigen entgegen, die bei der Schaffung des Portalverbunds eine starke Dominanz des Bundes befürchten. Die hochkarätig besetzen Podiumsdiskussionen zeigten u. a. eine Reihe von Defiziten im E-Government auf, die dazu führen, dass der Gang zum Amt aktuell eben oftmals noch nicht passé ist. Großes Verbesserungspotenzial sah man dabei insbesondere bei der Nutzerorientierung der OnlineAngebote, der Prozessoptimierung in den Behörden und beim (E-)Gesetzgeber.

“Eine sinnvolle Standardisierung von IT-Anwendungen kann ein wesentlicher Beitrag zu mehr Effizienz in der modernen Verwaltung sein. Nicht jeder muss ständig das Rad neu erfinden. Damit muss Schluss sein. Genau darum geht es der EU, dem Bund und den Ländern”, betonte Brandenburgs Innenstaatssekretärin Katrin Lange im Anschluss an die Sitzung. Lange hat in diesem Jahr den Vorsitz des Bund-Länder-Gremiums inne. Ebenfalls beraten wurden die beiden neuen Standards XBau und XPlanung, die jeweils kurz vor der Fertigstellung stehen. Durch das Datenaustauschformat XPlanung soll es zukünftig möglich sein, Bauleitpläne, Raumordnungspläne und Landschaftspläne zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren verlustfrei und sicher zu übertragen. “Zugleich können auf diese Weise planungsrelevante Daten der Wirtschaft, den Trägern öffentlicher Belange und der breiten Öffentlichkeit einfacher und qualitativ viel besser als bisher zur Verfügung gestellt

werden. So können elektronische Lösungen nicht nur zu einer höheren Effizienz, sondern auch zu mehr Transparenz der Verwaltung beitragen. Und das ist genau das, was notwendig ist”, erklärte Lange. Regelmäßig stehen beim ITPlanungsrat auch die Themen Sicherheit und Schutz von ITInfrastruktur auf der Agenda. So auch dieses Mal. Die Arbeitsgruppe Informationssicherheit des IT-Planungsrats hatte den Auftrag, zu prüfen, wie Erkenntnisse aus Systemen zur (teil-) automatisierten Erkennung von Angriffen, Missbrauchsversuchen oder Sicherheitsverletzungen und Anomalien in Verwaltungsnetzen von Bund und Ländern genutzt werden können. Hierzu legte die Arbeitsgruppe den Vertretern von Bund und Ländern in der Sitzung einen Zeitplan vor. Mitunter lädt der IT-Planungsrat externe Experten ein, um sich zu relevanten Themen sachkundig informieren zu lassen. So war auf der Sommersitzung der Vizepräsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informati-

onstechnik, Dr. Gerhard Schabhüser, zu Gast. Er informierte die Mitglieder des Gremiums in einem Vortrag über das Thema “Blockchain” und diskutierte mit diesen anschließend über potenzielle Anwendungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung. Unter “Blockchain” versteht man Datenbanken, deren Integrität durch eine sogenannte “kryptografische Verkettung” besonders gesichert ist. Der Fortgang beim Digitalisierungsprogramm des ITPlanungsrats und beim Portalverbund kam im Rahmen der Sitzung ebenfalls zur Sprache. Außerdem diskutierte das Gremium, auf welcher Veranstaltung und in welchem Format es sich 2018 der Fachöffentlichkeit präsentieren könnte. Dies war notwendig geworden, weil der Veranstalter der CeBIT, die Deutsche Messe AG, für das kommende Jahr ein neues Konzept vorgelegt hat und die Veranstaltung zudem nicht mehr im März, sondern im Juni stattfinden wird. Die “Herbstsitzung” des IT-Planungsrats findet am 5. Oktober ebenfalls in Potsdam statt.

Besser aufstellen Behördenleiter sehen Nachholbedarf bei Digitalisierung (BS/gg) Die öffentliche Verwaltung in Deutschland hat bei der Digitalisierung großen Handlungsbedarf. Die Führungskräfte in den Behörden von Bund, Ländern und Kommunen sehen in diesem Zusammenhang insbesondere die Politik gefordert. Dies zeigt eine bundesweite Umfrage unter 346 Behördenleitern der Hertie School of Governance unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid. Entsprechend erwarten 40 Prozent von der nächsten Bundesregierung eine stärkere Standardisierung und einheitliche Vorgaben für die Digitalisierung der Verwaltung. Zudem wünscht sich rund ein Drittel der Behördenleiter (29 Prozent) eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung sowie eine bessere Koordination zwischen den Verwaltungsebenen zur Schaffung gemeinsamer IT-Lösungen.

Zentrale Leitung der Digitalisierung Eine Mehrheit spricht sich dafür aus, die Aufgabe der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung einer zentralen Leitung zu übertragen. Für fast 60 Prozent der befragten Verwaltungschefs ist die Digitalisierung die wichtigste Herausforderung der nächsten fünf Jahre. Hohe Priorität in den Behörden hat u. a. auch das Thema IT-Sicherheit, oftmals verbunden mit Bedenken, denn nicht einmal zehn Prozent der Befragten sehen Deutschland in diesem Bereich gut aufgestellt.

Hingegen halten 83,5 Prozent die eigene Behörde durch mögliche Cyber-Angriffe für stark bedroht. Von der Politik wünschen sich die Behördenleiter verstärkte Initiativen im Bereich Digitalisierung und E-Government. Zahlreiche Maßnahmen, insbesondere der elektronische Personalausweis und das De-MailGesetz, beurteilen sie in ihrer Wirkung als eher enttäuschend. “Aus den Antworten spricht die klare Überzeugung, dass echte Fortschritte nur durch mehr Standardisierung und Koordination gemacht werden können. Die Behörden leiden unter einem Flickenteppich nicht miteinander verzahnter Initiativen”, so Studienleiter Prof. Dr. Gerhard Hammerschmid. Eine Mehrheit der befragten Behörden spricht sich auch für eine Neustrukturierung der Kompetenzen aus. Sie befürworten entweder die Einrichtung eines Fachministeriums für E-Government und Digitalisierung oder einer neuen Anstalt des öffentlichen Rechts in gemeinsamer Trägerschaft

von Bund und Ländern, um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland nachhaltig umzusetzen. Bei der konkreten Umsetzung der Digitalisierung sehen die Behördenleiter durchaus Fortschritte, allerdings verzeichnen sie dadurch bislang kaum Effizienzgewinne, sondern vielmehr deutliche Kostensteigerungen. Die meisten E-Government-Anwendungen sind bislang allenfalls von einer Minderheit der Behörden umgesetzt. Das gilt zum Beispiel für die elektronische Akte, eine elektronische Bezahlfunktion oder eine rechtssichere E-Mail-Kommunikation. Noch geringer ist die Umsetzung einer digitalisierten Personalverwaltung, mobiler E-GovernmentAnwendungen, von elektronisch eingereichten Nachweisen oder elektronischen Rechnungen im Auftragswesen. Skeptisch zeigen sich viele Behördenleiter bei Cloud Computing und Big Data. Rund die Hälfte der Behörden wollen keine entsprechenden Anwendungen in ihren Häusern einführen.

MELDUNG

4. Geo-Fortschrittsbericht beschlossen (BS/lkm) Die Bundesregierung hat den 4. Geo-Fortschrittsbericht beschlossen. Er behandelt die für die Fortentwicklung des Geoinformationswesens maßgeblichen Faktoren und benennt Maßnahmen für die Umsetzung der Nationalen Geoinformationsstrategie (NGIS). “Ob bei der intelligenten Verkehrslenkung oder bei Apps, beispielsweise im Gesundheitsbereich und beim Hochwasserschutz oder bei der Suche nach einem Kita-Platz: Ohne Geodaten funktioniert nichts davon. Und daher wollen wir, dass die Geodaten der Verwaltung für all diese Zwecke genutzt werden

können”, so Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. Zu den vorgesehenen Maßnahmen gehören unter anderem Aktionen im Rahmen der Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) ebenso wie die Vernetzung der geobezogenen Fachportale des Bundes mit dem zentralen Geoportal.de und das Ausrichten der europäischen INSPIREKonferenz im September 2017 in Kehl/Straßburg. Der Bericht zeigt darüber hinaus auch bereits Erreichtes auf. So sei die weitgehend kostenfreie Bereitstellung der Geodaten des Bundes durch die

ÄnderungdesGeodatenzugangsgesetzes(GeoZG)einwesentlicher Meilenstein. Weitere umgesetzte Maßnahmen sind das Nationale Copernicus Maßnahmenprogramm sowie der Vertrag des Bundesministeriums des Innern mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), um für die Bundesbehörden speziell ausgewertete Satellitendaten bereitzustellen, die Einrichtung des Dienstleistungszentrums für Geodaten im Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) und der gemeinsam mit den Ländern aufgebaute Geokodierungsdienst.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Juli 2017

Initiative D21 präsentiert die Zahl des Monats

Ein erfreuliches Minus Weniger Bedenken bei der Nutzung von Online-Behördendiensten (BS/Sabrina Dietrich*) Noch vor drei Jahren plagte die Mehrheit der Deutschen Bedenken zu mangelnder Datensicherheit und Datenschutz bei der Nutzung von digitalen Verwaltungsangeboten. Neben der mangelnden Bekanntheit entsprechender Dienste waren diese Bedenken mit die größten Barrieren für eine intensivere Nutzung von E-Government in Deutschland. In den letzten Jahren hat sich dieser Wert erfreulicherweise fast halbiert, allein von 2015 auf 2016 sanken die Bedenken um 32 Prozentpunkte. Das Fazit lautet: Die Bürgerinnen und Bürger. Dabei würden eine UnEin gutes Zeichen, dennoch stagniert die E-Government-Nutzung und Bürger wollen E-Government abhängigkeit von Öffnungszeiten seit 2012. Nicht einmal jeder zweite nutzen und bringen den Behörden und eine Automatisierung der gängigen Prozesse effiziente nutzt Online-Behördenund flexible Abläufe erdienste, der Weg zum möglichen. Stattdessen Amt bleibt Bürgerinnen verpufft das Potenzial und Bürgern meist nicht durch die föderale Strukerspart. Die wenigen tur Deutschlands und die digitalen staatlichen Dienstleistungen be- Von 2015 auf 2016 sanken die Beden- mangelnde Erkenntnis, dass gutes, flächendedeuten oft: PDF ausfüllen, ausdrucken, unter- ken zu Datensicherheit und Datenschutz ckendes E-Government maßgeblich zur Moschreiben und per Post einsenden. Diese man- bei der Nutzung von Online-Behörden- dernisierung und Effizienzsteigerung des gelnde Durchgängigkeit oft behäbig wirkenden und undurchschaubare diensten um 32 Prozentpunkte. deutschen VerwaltungsStrukturen, die die Suche schwierig gestalten, zählen und ihren digitalen Diensten viel- apparates beitragen würde. inzwischen für die Bürgerinnen fach Vertrauen entgegen. Jedoch *Sabrina Dietrich leitet die Presund Bürger zu den Hauptgründen, sind die digitalen VerwaltungsanE-Government selten zu nutzen. gebote zu unbekannt, nicht nutzer- se- und Öffentlichkeitsarbeit der Anwendungen werden offensicht- freundlich genug und bieten somit Initiative D21. Weitere Informatilich nicht ausreichend benutzer- nicht die mögliche Entlastung von onen zu deren Tätigkeitsfeldern freundlich gestaltet. Behörden wie auch für Bürgerinnen unter: www.initiatived21.de

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Darmstadt wird “Digitale Stadt” Hessen setzen sich im Finale gegen vier Kommunen durch (BS/gg) Das hessische Darmstadt ist Gewinner des Wettbewerbs “Digitale Stadt”, den der Bitkom in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) initiiert hat. Mit der Unterstützung von mehr als 20 Partnerunternehmen soll Darmstadt nun zu einer digitalen Modellstadt ausgebaut werden. Ab Anfang 2018 werden Bereiche wie der Verkehrssektor, die Energieversorgung, Schulen und das Gesundheitswesen mit neuesten digitalen Technologien ausgerüstet. Zudem sollen künftig die öffentliche Verwaltung innovative Online-Anwendungen und der Handel intelligente Lieferdienste anbieten können. Auch die Telekommunikationsnetze sollen ausgebaut und verbessert werden.

Der Gewinner des Wettbewerbs wurde am Vorabend des DigitalGipfels in Walldorf durch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries bekanntgegeben. Darmstadt setzte sich im Finale gegen Heidelberg, Kaiserslautern, Paderborn und Wolfsburg durch. Bewertet wurden Strategien und Konzepte der Bewerberstädte, insbesondere die jeweilige Vision einer digitalen Stadt, die Unterstützung vor Ort, professionelles Projektmanagement, nachhaltige Entwicklung und Kommunikationsstrategien. “Die Bewerbung von Darmstadt hat die Jury vor allem aufgrund ihrer ausgewogenen Einbeziehung der verschiedenen Themenbereiche und Facetten einer digitalen Stadt überzeugt. Die bereichsübergreifende Vernetzung aller Sektoren mit dem Fokus auf hochprofessionelle Cyber-Sicherheit ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Digitale Stadt Darmstadt”, erklärte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Die Entscheidung sei denkbar knapp ausgefallen. Der Wettbewerb habe gezeigt, dass die Finalstädte auf einem guten Weg in Richtung digitale Zukunft seien. “Alle teilnehmenden Städte haben bewiesen, dass es bereits heute möglich ist, durch Digitalisierung die Standortattraktivität und die Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Sehr viele Städte und Gemeinden

in Deutschland werden nun sehr aufmerksam verfolgen, wie die Umsetzung der Konzepte in der Siegerstadt angegangen wird”, ergänzte DStGBHauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg.

Erste Anwendungen 2018

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries freute sich mit Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch über den Sieg beim Wettbewerb “Digitale Stadt”. Die Ministerin hat seit 2005 dreimal das Direktmandat für den Deutschen Bundestag im Wahlkreis Darmstadt-Dieburg geholt. Im Hintergrund: DStGB-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg (links) und der damalige Bitkom-Vizepräsident Achim Berg (siehe Seite 32). Foto: BS/Bitkom

Am Ausbau von Darmstadt zu einer digitalen Vorzeigestadt beteiligt sich ein breites Bündnis aus Digitalunternehmen, die das Projekt mit Produkten und Dienstleistungen in zweistelliger Millionenhöhe pro bono unterstützen. Das Projektmanagement soll bereits im Juli seine Arbeit aufnehmen, erste Anwendungen im kommenden Jahr folgen. “Die Investitionen machen den Standort für weitere Unternehmen attraktiv und werden Folgeinvestitionen nach sich ziehen. Andere Städte werden von den Entwicklungen in Darmstadt lernen, dadurch wird ein wichtiger Im-

puls für die digitale Transformation von Deutschlands Städten und Gemeinden gesetzt”, glaubt Rohleder. Für den Wettbewerb “Digitale Stadt” konnten sich mittelgroße Städte mit rund 100.000 bis 150.000 Einwohnern bewerben. Von den 14 Bewerbern der ersten Runde schafften es Darmstadt, Heidelberg, Kaiserslautern, Paderborn und Wolfsburg in die Endrunde. Diese fünf Kommunen wollen auch zukünftig bei der Digitalisierung regelmäßig und eng zusammenarbeiten.


Informationstechnologie

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Berg führt Bitkom

Spürbarer Ruck

Neuer Präsident des Digitalverbandes gewählt

E-Government-Gesetz NRW beflügelt

(BS/gg) Achim Berg ist neuer Präsident des Digitalverbands Bitkom. Der 53-Jährige wurde im Juni im Rahmen der Bitkom-Jahrestagung in Berlin einstimmig gewählt. Er folgt auf Thorsten Dirks, der nach seinem Wechsel von Telefónica Deutschland in den Lufthansa-Vorstand als Eurowings-Chef nicht erneut kandidierte. Berg wird in den kommenden beiden Jahren für die mehr als 1.700 Mitglieder mit ihren in Deutschland zwei Millionen Beschäftigten sprechen.

(BS/gg) Rund 500 Teilnehmer trafen zur diesjährigen MEMO-Tagung auf dem Leonardo-Campus der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster zusammen, um unter der fachlichen Leitung von Prof. Dr. Jörg Becker, Akademischer Direktor des European Research Center for Information Systems (ERCIS), an zwei Veranstaltungstagen über eine breite Palette an Themen rund um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung –aber auch des Hochschulbereichs – zu diskutieren.

Bereits 2007 übernahm der Diplom-Informatiker Achim Berg im Bitkom-Präsidium Verantwortung, von 2008 bis 2010 und dann wieder seit 2013 war er Vizepräsident des Verbandes. Er vertritt im Bitkom als Beiratsvorsitzender die größte deutsche Mobilitätsplattform Flixbus und als geschäftsführender Gesellschafter den IT-Berater Mabcon GmbH. Zuvor war Berg Vorstandsvorsitzender bei Arvato sowie Vorstandsmitglied bei Bertelsmann, hatte Führungspositionen in der Microsoft-Zentrale in Seattle inne und führte die Microsoft-Geschäfte in Deutschland. Berg sammelte als Vorstand der Festnetzsparte der Deutschen Telekom Erfahrun-

bei der Allianz. Auf der BitkomJahrestagung wurden Ulrich Dietz, VorsitzenIm Juni übernahm der eheder des Verwalmalige Microsoft-Deutschtungsrats der land-Chef Achim Berg den Staffelstab vom bisherigen GFT TechnoBitkom-Präsidenten Thorslogies SE, und ten Dirks. Timotheus HöttFoto: BS/Bitkom ges, Vorstandsvorsitzender der gen in der Telekommunikation Deutschen Telekom AG, als und trug als Deutschland-Chef Vizepräsidenten bestätigt. Neu von Fujitsu Computers Verant- im Amt des Vizepräsidenten ist wortung bei einem der weltweit Michael Kleinemeier, Vorstand größten Hardware-Hersteller. SAP SE. Catharina van Delden, Derzeit ist er neben seinen Funk- Gründerin und Geschäftsführetionen bei Flixbus und Mabcon rin innosabi GmbH, rückt als unter anderem Aufsichtsrat bei neue Schatzmeisterin in den GeGiesecke & Devrient GmbH und schäftsführenden Vorstand auf.

Hoppmann ersetzt Scherer Neuer stellvertretender krz-Geschäftsführer (BS/gg) Seit Anfang Juni ist Lars Hoppmann kommissarisch stellvertretender Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums Minden-Ravensberg/Lippe (krz) und tritt an die Stelle des bisherigen stellvertretenden Geschäftsführers Wolfgang Scherer, der beim krz ausgeschieden ist. Der 42-jährige Verwaltungsbetriebswirt Hoppmann leitet seit Anfang 2014 die Abteilung “Kunden- und Projektmanagement”, die der Lemgoer ITDienstleister Anfang 2016 zur Abteilung “Kunden, Kommunikation und E-Government” ausbaute. In dieser Funktion verantwortete der gebürtige Bünder das Marketing, den Vertrieb, das Projektmanagement, das E-Government-Center, die Software-Entwicklung sowie die Unternehmenskommunikation und unterstützte dabei die von der Geschäftsleitung geplante konsequente Weiterentwicklung des krz vom klassischen Rechenzentrumsbetrieb hin zu

dass das krz heute als kommunaler Service-Provider auf Bundes-, Landesund Lars Hoppmanm ist seit Juni regionaler Ebekommissarisch stellvertrene anerkennend tender Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentwahrgenommen rums Minden-Ravensberg/ werde. So habe Lippe (krz). Scherer den für Foto: BS/krz das krz verbindlichen Qualitätseinem modernen Service-Provi- anspruch “krz – Kunden rundder. Dem bisherigen stellvertre- um zufrieden” gerägt und gelebt, Verbandsvorsteher tenden Geschäftsführer Wolf- würdigen gang Scherer gebühre Dank und Dieter Blume und GeschäftsAnerkennung für das von ihm führer Reinhold Harnisch auch Geleistete. Mit seinem Einsatz im Namen der Vorsitzenden der und seinem Engagement habe Verbandsgremien die Verdienser erheblich dazu beigetragen, te Scherers.

Elektronisch signieren in Schwäbisch Hall Stadtverwaltung setzt auf effiziente Lösung

“Die öffentliche Verwaltung erlebt derzeit einen Transformationsprozess, wie sie ihn in den letzten 50 Jahren nicht erlebt hat”, erklärte Hartmut Beuß, Beauftragter der Landesregierung Nordrhein-Westfalens für Informationstechnik (CIO), der als Schirmherr der Veranstaltung auch in diesem Jahr wieder die Keynote der MEMO hielt. Wichtig sei es dabei, mehr als bislang vielfach zu beobachten, die Chancen dieses Wandels zu betonen. Mit dem E-Government-Gesetz des Landes gebe es seit vergangenem Sommer einen rechtlichen Rahmen, der klare Vorgaben mache, welche zum Teil auch mit konkreten Fristen versehen seien. Man könne spüren, dass durch die Verabschiedung dieses rechtlichen Rahmens ein “Ruck” ausgelöst worden sei. Mit dem Masterplan, der eine inhaltliche Richtschnur für die Umsetzung des Gesetzes darstellen solle, seien insgesamt rund 50 Maßnahmen verknüpft. Wichtig sei es daher, diese Vielzahl an Projekten “unter einen Hut” zu bringen, so Beuß. Entsprechend herausfordernd sei das Programm- und Projektmanagement. Der CIO geht jedoch davon aus, dass dieses noch im Sommer etabliert sein wird. Ebenfalls noch im Sommer soll bei der Ausschreibung des Basisdienstes für die elektronische Akte (E-Akte) der Zuschlag erteilt werden. Zum Zeitpunkt der MEMO-Tagung befand sich das letzte Angebot gerade im Test. Die Einführung der E-Akte ist für Beuß auch eines der zentralen Elemente, um den Mitarbeitern den Mehrwert der digitalen Transformation zu vermitteln

Über die derzeitige und zukünftige Ausgestaltung des E-Governments entsponn sich eine lebhafte Diskussion zwischen (v.l.) Hartmut Beuß, CIO des Landes NRW, Dr. Eva Hugo, Bundesministerium des Innern, Petra Rothkranz, Stadt Düren, und Prof. Dr. Jürgen Stember, Hochschule Harz, an der sich auch das Publikum unter der Moderation von Guido Gehrt (Mitte), Behörden Spiegel, rege beteiligte. Foto: BS/ERCIS

und erlebbar zu machen. Eine ordnungsgemäße bzw. ordentliche Aktenführung sei in der derzeitigen “hybriden Welt”, mit Papierakten, E-Mails etc. nicht möglich. Die Umstellung auf die E-Akte werde diesen Zustand beheben. Mit Blick auf die von Bund und Ländern im IT-Planungsrat vereinbarte Schaffung eines Portalverbunds erklärte Beuß, dass er dieses Vorhaben für sinnvoll halte, mahnte jedoch zugleich auch (selbst-)kritisch an, dass hierzu die bestehenden Portale mitunter deutlich verbessert werden müssten, auch an das eigene NRW-Landesportal (www.service.nrw.de) müsse man “ran”. Wichtig sei es, bei der Umsetzung des Portalverbunds die Kommunen mitzunehmen. Ohnehin müsse man im Hinblick auf die Digitalisierung der Verwaltungsangebote darüber nachdenken, ob es nicht noch mehr verbindliche Abstimmung brauche. Es dürfe jedenfalls im Endeffekt nicht nach dem Motto

“Jeder macht, was er will und alle machen mit” gehen. Für die Kommunen sprachen auf dem Kongress u. a. Prof. Dr. Andreas Engel, Geschäftsführer des KDN und leitender Stadtverwaltungsdirektor der Stadt Köln, der das Servicekonto.NRW vorstellte, und Dorothea Störr-Ritter, Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald, die den Teilnehmern von Erfahrungen und Visionen bei der Einführung der E-Akte berichtete. Für die Bundesebene stellte Hans-Georg Göhring, in einem seiner letzten Vorträge als Direktor des Informationstechnikzentrums Bund, ITZBund (s. hierzu S. 26), den momentanen Stand der und die weiteren Planungen der IT-Konsolidierung des Bundes und des Aufbaus einer Bundes-Cloud vor. Eine Podiumsdiskussion und zahlreiche Workshops gaben auch den Teilnehmern die Gelegenheit, sich inhaltlich mit Fragen und Stellungnahmen in den Kongress einzubringen.

Wenn das Amt zum Bürger kommt 1. BVA-Hackathon zur digitalen Verwaltung in Berlin

(BS/gg) “BotParkPass” – so heißt das Siegerprojekt des ersten BVA-Hackathons, der Mitte Juni unter dem (BS/stb) Seit Juni können Beschäftigte der Stadtverwaltung Schwäbisch Hall ressourcen- und zeitsparend Motto “Verwaltung im digitalen Zeitalter – Zugang zur Verwaltung” in Berlin stattfand. qualifiziert elektronisch signieren. Man setzt dort auf die leicht handhabbare Software-Lösung “Signature”, Den ersten Platz – und da- stand die Vereinfachung von Andie keine besonderen IT-Kenntnisse bei den Nutzern voraussetzt. Zehn Teams aus Studierenden, Die Entwicklung erfolgte in enger Zusammenarbeit der städtischen EDV-Abteilung mit dem Anbieter Rempartec. “Es musste eine Lösung her, die einfach zu benutzen, zentral verwaltbar ist und gleichzeitig den rechtlichen Vorgaben entspricht”, erklärte Horst Bräuner, EDVLeiter der Stadt Schwäbisch Hall. Genau das soll “Signature” leisten. “Man öffnet den Browser und zieht das Pdf-Dokument hinein. Ein Klick genügt, um das Dokument zu signieren”, erläuterte der technische Geschäftsführer von Rempartec, Dr. Kalman Cinkler. Die Lösung von Rempartec kann grundsätzlich als Dienstleistung, virtuelle Maschine oder Server betrieben werden – die Software selbst kann auch mobil auf Tablet oder Smartphone benutzt werden. Die sichere Benutzerauthentifizierung erfolgt mittels persönlichem Passwort und zusätzlichen Einmalpasswörtern. Für qualifizierte Signaturen wird eine Signaturkarte der Bundesdruckerei benötigt. Drei Fragen an Dr. Kalman Cinkler: 1. Was genau versteht man unter einer elektronischen Signatur? Cinkler: Eine elektronische Signatur ist eine kleinere Menge

Auszubildenden, Informatikern des Öffentlichen Dienstes und anderen IT-Begeisterten hatten 24 Stunden Zeit, um im experimentellen Rahmen über die Zukunft nachzudenken, kreative Ideen und erste Lösungsansätze zu entwickeln. Die Innovationskraft und Praxistauglichkeit der Ideen sowie der ersten Umsetzungsversuche wurden anschließend durch eine Jury bewertet.

Überzeugte sich von der leichten und sicheren Handhabe von „Signature“: Oberbürgermeister Schwäbisch Halls, Hermann-Josef Pelgrim (links), mit Dr. Kalman Cinkler (Mitte) und Horst Bräuner. Foto: BS/Stadt Schwäbisch Hall

an Daten, die man an ein elektronisches Dokument anhängt, mit dem Ziel, eventuelle Änderungen anschließend erkennen zu können. Damit wird das Dokument fälschungssicher. Eine “qualifizierte elektronische Signatur” weist zusätzlich nach, dass es sich wirklich um den Signierenden handelt. 2. Für wen eignen sich elektronische Signaturen besonders? Cinkler: Für jeden, der mit Dokumenten in elektronischer Form zu tun hat und diese auch unterzeichnet. Elektronische Signaturen beschleunigen Vorgänge, keine Information geht durch Scannen mehr verloren und weder Drucker noch Papier werden benötigt.

3. Welche Regelungen gibt es für die Anerkennung der Signatur? Cinkler: Eine qualifizierte elektronische Signatur hat in Deutschland und in der EU den gleichen rechtlichen Stellenwert wie eine handschriftliche Unterschrift auf Papier. Seit Juni 2016 ist die EU-Verordnung “eIDAS” in Kraft und regelt das Ökosystem um die elektronische Identifizierung und elektronische Transaktionen im EU-Binnenmarkt. Zudem ist eine elektronische Signatur GoBD-konform – also mit den gültigen “Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff”.

mit einen Sachpreis im Wert von 1.500 Euro – sicherte sich das Team “BotParkPass” – ein Chatbot zum Beantragen von Parkausweisen. Mit dem zweiten Preis wurde ein Konzept des Teams “<e>lection” prämiert, das sich mit der Frage befasste, wie das digitalisierte Wahlverfahren umgesetzt werden kann. Im Zentrum des dritten prämierten Projektes von “eGov”

trägen rund um die Geburt u. a. durch Nutzung von Daten aus Sozialen Netzwerken. Interessant und praxisorientiert waren auch die Lösungsansätze der anderen Teams. Einen Sonderpreis zum Thema Integration teilten sich die beiden Teams “Bureaucrazy” und “PersonalRefugeeHasso”. Diese entwickelten Herangehensweisen zur Vereinfachung der gesamten Prozesskette des Asylverfahrens.

Neues Release der AusweisApp2 Software Open Source gestellt und um Entwicklermodus ergänzt (BS/gg) Anfang Juli wurden die Versionen 1.10.3 (stationär) und 1.12.2 (Android) der AusweisApp2 veröffentlicht – mit einigen Neuerungen. So steht nun der Quellcode der AusweisApp2 auf der OnlinePlattform Github (www.github. com) zur Verfügung. Unter der European Union Public Licence (EUPL-Lizenz) können Nutzer den Original-Quellcode erhalten, vervielfältigen, weiterentwickeln, Optimierungen programmieren und diese der Community erneut zur Verfügung stellen. Der Bund hat die Lizenz der AusweisApp2 geändert, um etwa die Bereitstellung des eIDClients für nicht offiziell unterstützte Betriebssysteme zu

ermöglichen. Ebenso werden nun die Nutzung an Bürgerterminals und die tiefe Integration der eID-Funktion in eigene Anwendungen möglich. Geeignete Änderungen aus der Community können dann für die offizielle Weiterentwicklung übernommen werden und in die vom Bund bereitgestellte, zertifizierte AusweisApp2 einfließen. “Der elektronische Personalausweis bietet mit der OnlineAusweisfunktion die besten Voraussetzungen für die sichere Nutzung von Online-Services und trägt damit zur Gestaltung

einer sicheren Digitalisierung bei. Mit der AusweisApp2 steht Anwendern eine Software zur Nutzung des Personalausweises zur Verfügung, die sich nun an bestimmte Anwendungsszenarien anpassen lässt und somit die Möglichkeiten des Einsatzes des Ausweises zur persönlichen Identifizierung im Internet vergrößern wird”, erklärt BSI-Präsident Arne Schönbohm. Um Integratoren und Entwickler z. B. beim Erstellen neuer eIDDienste zu unterstützen, bietet die AusweisApp2 nun auch einen Entwicklermodus an.


IT-Sicherheit

Behörden Spiegel / Juli 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Lieske, die Digitalisierung ist in aller Munde. Wir reden über die Digitalisierung der Industrie, der Gesellschaft und nun auch über die Digitalisierung des Staates. Ist Ihrer Erfahrung nach bei Ihren Kunden das Bewusstsein da, dass wir einen digitalen Staat brauchen?

Strategien für den digitalen Staat “Deutschland muss noch schneller und innovativer werden” (BS) Kurz vor Ende der 18. Legislaturperiode wird Bilanz gezogen. Die für die Digitale Agenda zuständigen Bundesressorts haben sich kürzlich ein positives Zeugnis ausgestellt. Im Interview mit dem Behörden Spiegel sprach Manfred Lieske, Sector Director Public bei Computacenter, aus der Sicht eines Beraters für die öffentliche Verwaltung über strategische Entscheidungen, die getroffen werden müssen, um die Digitalisierung des Staates in Zukunft noch schneller voranzubringen. Die Fragen stellte R. Uwe Proll.

Lieske: Ganz klar ja. Da ha- chergestellt werden? Wenn man ben in den letzten Monaten und sich das im europäischen VerJahren aus unserer Sicht die gleich ansieht, ist Deutschland größten Veränderungen statt- sicherlich nicht auf dem Spitgefunden. Das Thema ist auch zenplatz und muss noch schnelin der Politik angekommen. Seit ler und innovativer werden 2014 gibt es die Digitale Agenda. Behörden Spiegel: Ist denn ihDahinter steht ein klarer Maßnahmenplan mit entsprechen- rer Einschätzung nach in der jetzt den Arbeitsgruppen und dem zu Ende gehenden LegislaturpeDigital-Gipfel, dem früheren IT- riode Entscheidendes geschafft worden? Gipfel. Lieske: Entscheidend sind aus Bei unseren Kunden beobachten wir zwei Stoßrichtun- unserer Sicht viele Projekte, die angeschoben gen auf dem worden sind. Weg zur Di“Public Clouds aus Auch viele gitalisierung: Datenschutzgründen wichtige GeZum einen, grundsätzlich abzusetze wurden dass sie als auf den Weg Regierungsorlehnen, halte ich für gebracht: Das ganisationen problematisch.” IT-Sicherdie Rahmenheitsgesetz, bedingungen E-Government-Gesetz für die Digitalisierung für Wirt- das schaft und Gesellschaft schaf- des Bundes und auch viele Efen. Zum anderen müssen unse- Government-Gesetze in den re Kunden selbst als Arbeitgeber Ländern. Daraus folgend sind oder als Organisation die Digi- Maßnahmenpakete vereinbart talisierung in der öffentlichen worden, wie beispielsweise die Verwaltung sicherstellen, Stich- IT-Konsolidierung des Bundes. Die ist noch nicht abgeschloswort “E-Government”. Das Thema ist zwar in aller sen, geht aber aus unserer Sicht Munde, aber man hat den Ein- sehr gut voran. Außerdem wurdruck, dass es nicht schnell de der Aufbau der Bundes-Cloud genug geht. In allen Bereichen angestoßen, die ersten Dienste sind die Laufzeiten sehr lang: gehen bereits an den Start. Dennoch sehen wir einige Bis wann müssen elektronische Akten eingeführt werden? Wann grundlegende Probleme: Das soll die Breitbandversorgung si- Thema IT und Digitalisierung

MELDUNG

Gezielte Attacken auf Funktionsträger (BS) Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) warnt vor besonders gut gestalteten Spear-PhishingMails, die gezielt an Privatkonten von Spitzenpersonal aus Wirtschaft und Verwaltung gesendet werden. Bei der aktuellen Kampagne geben Angreifer

D

er Gesetzesentwurf “zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen” sieht Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Bundesnotarordnung, der Patentanwaltsordnung, der Wirtschaftsprüferordnung und des Steuerberatungsgesetzes vor. Ziel ist es, die Bedingungen neu zu gestalten, unter denen Dienstleister, die für Geheimnisträger tätig sind, Zugang zu fremden Geheimnissen bekommen dürfen. Gemeint sind in erster Linie IT-Dienstleister, zum Beispiel externe Systemadministratoren, die bei ihrer Arbeit potenziell Zugriff auf schutzbedürftige Informationen haben können. Die Klärung von Zugangsbedingungen geht auch mit einer Ausweitung der Strafbarkeit einher. Geheimnisse sollen beim beauftragten Dienstleister so sicher sein wie beim Berufsgeheimnisträger selbst. Um das zu gewährleisten, sollen auch IT-Dienstleister gemäß Paragraf 203 StGB strafbar werden, wenn sie Geheimnisse offenbaren. Die Berufsgeheimnisträger haben dann für die Geheimhaltungsverpflichtung der von ihnen einbezogenen Dritten zu sorgen und sollen bei Pflichtverletzungen in dieser Hinsicht ebenfalls belangt werden können. Bei einer Anhörung im Bundestag vor dem Rechtsausschuss begrüßten die geladenen Sachverständigen die geplan-

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im Namen des E-Mail-Providers vor, neue Sicherheitsfunktionen anzubieten. Dafür verlangen die Täter die Passwort-Eingabe über ein gefälschtes Formular, sodass sie sich Zugriff auf das gesamte E-Mail-Postfach verschaffen können.

dieser Größenordnung zu stemmen?

ist aus unserer Sicht auf zu viele Schultern verteilt. Da sind einerseits die verschiedenen Regierungsebenen, andererseits das Ressortprinzip und der Föderalismus. Föderalismus finde ich gut, aber er darf nicht zu föderalem Egoismus führen. Ich glaube, aufgrund dieser dezentralen Struktur können die Themen nicht so schnell umgesetzt werden, wie es technisch möglich wäre. Behörden Spiegel: Welche Impulse für den Digitalen Staat sollten von der nächsten Bundesregierung für die nächsten vier Jahre ausgehen? Was halten sie von der Idee eines IT-Ministers? Lieske: Ich würde mir tatsächlich wünschen, dass man die Konsolidierung durch politische Entscheidungen vorantreibt. Vor allem sollte man die Entscheidungsstruktur nicht auf zu viele Stakeholder verteilen – also auf zu viele Ministerien oder auf zu viele Ebenen in den Ländern. Stattdessen sollten auch Entscheidungen und Budget konsolidiert werden. Ob Entscheidungen von einem Internetministerium ausgehen sollten, über das ja tatsächlich diskutiert wird, muss sorgfältig überlegt werden. Auch wenn es ein solches zentrales Ministerium geben würde, hieße das ja nicht, dass sich die anderen Ressorts nicht mit der digitalen Transformation beschäftigen. Im Gegenteil: Ich glaube, das ist zwingend notwendig, schon um die digitale Transformation im eigenen Ressort weiter voranzutreiben. Behörden Spiegel: Die E-Akte ist ein Vorhaben, von dem man sich viel verspricht. Für die Umsetzung bis zur vollständigen Aufhebung der Schriftform lässt

Manfred Lieske, Sector Director Public bei Computacenter, plädiert für eine Verschlankung von Entscheidungsstrukturen bei der Digitalisierung des Staates. Foto: BS/Computacenter

man sich aber lange Zeit. Woran liegt das?

Lieske: Projekte dieser Größe sind nur im Leistungsverbund realisierbar. Das liegt vor allen Dingen daran, dass die einzelnen Partner und Marktbegleiter ganz verschiedene notwendige Kompetenzen mitbringen: Auch müssen viele Kompetenzen für so ein großes Projekt erst einmal aufgebaut werden. Gerade bei den großen Ausschreibungen sehen wir, dass sich keine einzelnen Anbieter bewerben, sondern Kooperationen oder Konsortien. Behörden Spiegel: Ein weiteres großes Thema bei der digitalen Verwaltung ist die Cloud. Wie sollte die öffentliche Verwaltung ihre Cloud-Strategie entwickeln?

Lieske: Die Entscheidung, eiLieske: Die E-Akte ist so etwas wie die Basisinfrastruktur für ne Cloud entweder selbst aufdie Digitalisierung in der Ver- zubauen, in eine Public Cloud waltung. Das Ziel auf Bundes- zu gehen oder ein hybrides ebene ist es, Dienste in einer Modell umzusetzen, hängt in zentralen Funktion anzubieten, erster Linie davon ab, welche Steuerungsfäauf die dann einzelne Be- “Wir sehen es als unsere higkeiten und hörden zugreiPflicht an, unsere eige- Fertigungstiefe man sich fen können. Es nen IT-Strukturen, in e r h a l t e n ist aber offendenen wir Services ermöchte. Die sichtlich, dass es mit einem bringen, gut zu sichern.” Bundesregierung hat jetzt standardisiereine Strategie ten System noch nicht getan ist. Die Größe entwickelt, der zufolge sie weitsolcher Projekte führt eben auch gehende Steuerungsfähigkeit zu großer Komplexität bei der dadurch erhalten will, dass individuellen Umsetzung. Es sie selbst eine private Cloud soll also eine Basisinfrastruktur anbietet. Der Gedanke ist abgeschaffen werden, die flexibel solut nachvollziehbar und wir genug ist, die Anforderungen der beraten unsere Kunden auch einzelnen Behörden durch indi- im Aufbau von privaten Cloudviduelle Anpassungsaufwände Strukturen. Genauso beraten wir aber auch bei der Umsetzu realisieren. zung hybrider Cloud-StruktuBehörden Spiegel: Wie wäre ren oder der Migration in die denn aus Ihrer Sicht ein Projekt Public Cloud.

IT-Dienstleister als Geheimnisträger Notwendige Novellierung kommt (BS/stb) Wer wie Anwälte, Notare oder Wirtschaftsprüfer von Berufs wegen zum Schutz von Geheimnissen von Mandanten verpflichtet ist, bewegt sich bisher in einer rechtlichen Grauzone, wenn er Dritte als Dienstleister für Betrieb oder Wartung technischer Systeme beauftragt, in denen solche Informationen verarbeitet werden. Berufsgeheimnisträger begrüßen daher eine Gesetzesänderung, die von der Bundesregierung auf den Weg gebracht wird. Klare Verhältnisse in jeder Hinsicht sind aber noch nicht zu erwarten.

IT-Dienstleister können in Ausübung ihrer Tätigkeiten Zugriff auf sensible Daten bekommen. Für Berufsgeheimnisträger ist es daher bislang rechtlich problematisch, Dritte für die Administration und Wartung zu beauftragen. Foto: BS/I-vista, Pixelio.de

ten Neuregelungen. Prof. Alfred Dierlamm, Mitglied der Bundesrechtsanwaltskammer, sprach von einer “längst überfälligen” Änderung. Für Anwälte sei “die IT-Infrastruktur so komplex geworden, dass sie nur noch mit externen Dienstleistern zu bewältigen ist”. Genau wie in Unternehmen und Behörden geht eben auch in Kanzleien heute nicht mehr viel ohne IT. Eine vollkommen selbstständige IT-Abteilung im eigenen Haus können sich aber nicht alle leisten. Bisher war die Beauftragung Dritter trotz ungewisser Verhältnisse beim

Schutz von Geheimnissen eher die Regel als die Ausnahme.

Weiterhin Klärungsbedarf In Zukunft wird die Abhängigkeit von externen IT-Dienstleistern wohl noch zunehmen. Einerseits werden die Arbeitsprozesse zunehmend digitaler – bei Anwälten wegen der Einführung der elektronischen Aktenführung in Gerichtsverfahren sogar gesetzlich verpflichtend. Andererseits wird der Trend dahin, dass Software zunehmend als Dienstleistung in der Cloud angeboten wird, auch vor Berufsgeheimnisträgern

nicht Haltmachen. Gerade in diesem Zusammenhang schaffen die neuen Geheimschutzregeln aber noch keine Klarheit. Werden IT-Kapazitäten an Cloud-Dienstleister abgegeben, lässt sich oftmals kaum einschätzen, wie die Daten geschützt werden. Für die Geheimhaltung beim Anbieter kann so kaum Sorge getragen werden. Ein ähnliches Problem besteht auch in Bezug auf den Datenschutz. Hier sind Zertifizierungsmodelle als Lösung im Gespräch: Ein Cloud-Anbieter lässt sich die Einhaltung der technischen und organisatorischen Anforderungen gemäß Datenschutzgrundverordnung – oder analog gemäß Geheimschutzgesetz – zertifizieren. Die Beauftragung eines derartig zertifizierten Anbieters wäre dann in der Regel ausreichendes Indiz für die Einhaltung der Sorgfaltspflicht durch die datenerhebende Stelle oder durch den Berufsgeheimnisträger.

Grauzone E-Mail-Korrespondenz Ein weiteres Problem bei der Einhaltung des Geheimschutzes, das über die Zugriffsmöglichkeiten von IT-Dienstleistern

noch hinausgeht, ist das der elektronischen Kommunikation: Anwälte und andere Berufsgeheimnisträger führen vertrauliche Korrespondenz häufig per E-Mail. Eine

Public Clouds aus Datenschutzgründen grundsätzlich abzulehnen, halte ich für problematisch. Persönlich gehe ich davon aus, dass bestimmte Dienste von den Anbietern in Zukunft gar nicht mehr anders angeboten werden als in der Public Cloud – und von den Anwendern auch in der Form nachgefragt werden. Die Diskussion darüber ist aber deutlich offener geworden. Trotzdem spielt beim Thema Cloud die IT-Sicherheit weiterhin eine große Rolle. Behörden Spiegel: Was raten Sie ihren Kunden in dieser Hinsicht? Lieske: Wir raten unseren Kunden dazu, genau zu überlegen: “Was ist eigentlich mein Kerngeschäft? Welche Dienste will ich selbst unter Kontrolle behalten?” Dafür kann man eine private Cloud aufbauen. Aber vielleicht gibt es andere Dienste, für die man sich andere Strukturen vorstellen kann und die man durchaus in eine Public Cloud auslagern kann. Behörden Spiegel: Sie haben das Thema IT-Security schon angesprochen. Ist das auch ein Fokus für Sie? Lieske: Ja, IT-Security ist eines unserer wichtigsten strategischen Themen. Das Thema IT-Security spielt in allen Lösungen, die wir anbieten, immer eine Rolle. Da wir auch Managed-Services anbieten – also den gemanagten Betrieb von IT-Infrastrukturen mit sehr vielen und großen Kunden – sehen wir es als unsere Pflicht an, unsere eigenen IT-Strukturen, in denen wir diese Services zentral erbringen, gut zu sichern. Wir sind so etwas wie ein “Secondary Target” geworden – ein zweites Ziel für Angreifer, die eigentlich unsere Kunden angreifen wollen. Wir haben ein zentrales Security Operation Center gegründet und vor einigen Jahren eine Einheit für Cyber Defence aufgebaut. Das ist ein ständig wachsendes Beratungsteam für Sicherheitsaspekte, für das wir Fachkräfte rekrutieren, aber auch selber ausbilden.

Verschlüsselung erfolgt meist nicht, denn die wenigsten Mandanten verfügen über die technischen Voraussetzungen und das nötige Wissen dazu. Da unverschlüsselter E-MailVerkehr aber von Kriminellen grundsätzlich abgefangen und eingesehen werden kann, stellt sich die Frage, ob diese Form der Korrespondenz mit der Pflicht zum Schutz geheimer Informationen in Einklang stehen kann. Diese Grauzone bleibt vorerst noch erhalten.

Wie lange wollen wir das Thema IT-Sicherheit noch verschlafen? von Jan Lindner, Geschäftsführer Panda Security

WannaCry, Petya, GoldenEye, Locky, Cerber… die Liste der neu entwickelten Ransomware-Angriffe wird immer länger. Und damit auch die Liste der betroffenen Institutionen und Unternehmen. Die Frage, die Sie sich heute stellen sollten, ist nicht, ob Ihre Institution betroffen sein wird, sondern wann und in welchem Ausmaß. “Klar, das weiß ich doch”, denken Sie jetzt. “Das ist halt so und damit müssen wir wohl oder übel leben.” Ist ja auch kein Wunder, dass Sie so denken. Denn selbst die Bundeskanzlerin hat sich ja wiederholt dahingehend geäußert, dass

wir moderne Hackerangriffe nun mal akzeptieren müssen… Müssen wir das wirklich? Eines ist sicher: Die klassischen Cyber-Abwehrmaßnahmen reichen nicht mehr aus, um die aktuellen IT-Bedrohungen abzuwehren. Was jedoch viele nicht glauben wollen: Es gibt bereits hochentwickelte Schutzlösungen am Markt, die nachweislich vor jeder Art von Ransomware und anderen modernen Malwaretypen schützen. Damit könnten bereits heute Angriffe durch WannaCry und Co. vermieden werden. Höchste Zeit, um aufzuwachen!


Cyber Akademie

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Themenseite in Kooperation mit:

Neues aus der Cyber Akademie

Juli 2017

Cyber-Sicherheit geht nur gemeinsam (CAk/stb) Die Bedrohungslage im Cyber-Raum ist ernst, die Herausforderungen für Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind komplex und leichte Lösungen angesichts rasanter Entwicklungen in der Digitalisierung und zunehmender Professionalität von Cyber-Attacken kaum zu finden. Darüber herrschte Einigkeit unter den Rednern und Teilnehmern des Münchner Cyber Dialogs 2017. Einig waren sich die meisten aber auch darüber, dass man die Situation nur nachhaltig beherrschen können wird, wenn ressortund sektorübergreifend an einem Strang gezogen wird. Um sich über aktuelle Entwicklungen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Digitalisierung und IT-Sicherheit auszutauschen, sind zum mittlerweile vierten Mal Experten aus Verwaltung, Industrie und Wissenschaft zum Münchner Cyber Dialog zusammengekommen. Die Veranstaltung versteht sich auch als eine Dialogplattform, die Gelegenheit bieten soll, Netzwerke zu bilden und Impulse für geeignete Formen der Kooperation zu setzen. Umso erfreulicher ist es, dass Zusammenarbeit nicht nur in vielen Beiträgen gefordert wurde, sondern dass auch erfolgreiche Ansätze auf verschiedenen Ebenen präsentiert werden konnten. Konzepte für Bund… So nannte der Abteilungsleiter Informationstechnik, Digitale Gesellschaft und Cybersicherheit im Bundesministerium des Innern (BMI), Peter Batt, die hohe Beteiligung von Unternehmen, Verbänden und zivilgesellschaftlichen Vereinen an der Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland ermutigend. Er hob außerdem die immer besser funktionierenden Prozesse bei der internatio-

Informationssicherheit durch Know-how Cyber Defence Simulation Training

19.–21. September 2017, Berlin

Best Practice

Incidence-Response 5.–6. September 2017, Berlin Lead-Auditor nach ISO/IEC 27001 11.–15. September 2017, Berlin EU-Datenschutzgrundverordnung 12. September 2017, Bonn

Sprachen über Strategien zur Cyber-Sicherheit und zur Digitalisierung des Bundes bzw. des Freistaats Bayern: Peter Batt, IT-Direktor im BMI, und Prof. Dr. Winfried Bausback, Bayerischer Staatsminister der Justiz. Fotos: CAk/Giessen

nalen Strafverfolgung hervor. Erfolge wie die Zerschlagung des kriminellen Botnetzes Avalanche oder die Verhaftung eines Verdächtigen Briten im Fall einer Attacke gegen Telekom-Router würden zeigen, dass CyberKriminelle nicht einfach straffrei davonkommen könnten. “Man kriegt sie. Nicht immer, aber immer öfter”, versicherte Batt. Eine große Herausforderung bestehe aber auch darin, bei der Gestaltung unserer digitalen Zukunft und Sicherheit die ganze Gesellschaft mitzunehmen. Man dürfe nicht vergessen, dass Technologien wie das Internet tatsächlich “immer noch Neuland für viele” seien. Außerdem müsse es angesichts des Fachkräftemangels gerade im Bereich IT-Sicherheit gelingen, auch Frauen für MINT-Berufe zu gewinnen, wie Batt forderte: “Wenn wir das nicht schaffen, verschenken wir den halben Pool potentieller Experten.” …und Freistaat Prof. Dr. Winfried Bausback, Bayerischer Staatsminister der Justiz, stellte Maßnahmen

der Bayerischen Cyber-Sicherheitsstrategie vor. Seit 2013 würden im Freistaat – nicht unähnlich der Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland auf Bundesebene – die Handlungsfelder Schutz der öffentlichen IT, Verfolgung von Cyber-Kriminalität und Schutz der Wirtschaft sowie der Bürger gemeinsam gedacht und im Austausch mit Stakeholdern politisch gesteuert. Im Zusammenspiel damit erfolge die Gestaltung der Digitalisierung im positiven Sinne mit einem Masterplan Bayern Digital, dessen zweite Stufe jüngst beschlossen worden sei. Mit insgesamt drei Milliarden Euro sollen neben der Netzinfrastruktur vor allem Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Robotik und 3D-Druck gefördert werden. Weitere Schwerpunkte seien ITSicherheitsforschung und digitale Bildung. “Mit unseren Maßnahmen in der digitalen Bildung schaffen wir das beste Rüstzeug für unsere Jugend, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können”, betonte Bausback.

Wissen teilen und Risiken beherrschen (CAk/stb) Auch aufseiten der Privatwirtschaft stehen die Zeichen immer mehr auf Zusammenarbeit. “Im Bereich Cyber-Sicherheit sitzen wir alle im selben Boot”, sagte Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Es sei daher wichtig, bestehende Plattformen zu vernetzen und Austausch von Wissen und Erfahrung zu fördern, so Plöger. Positiv hob sie dabei das Informationsportal Initiative Wirtschaftsschutz hervor, das partnerschaftlich von Sicherheitsbehörden und Wirtschaftsverbänden betrieben wird. Ohne solche Instrumente und einen vertrauensvollen Austausch ginge es nicht, da Sicherheit “kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess” sei, der dauernde Anpassung erfordere, wie Plöger betonte. Dies erfordere aber Wissen um technologische und organisatorische Risiken, aktuelle Bedrohungen und mögliche Folgen von Cyber-Angriffen, das allein nicht gewonnen werden könne. Eine noch relativ junge Initiative für einen derartigen vertrauensvollen Austausch vertrat Ursula Schürmann, Geschäftsführerin des Non-Profit-Vereins Cyber Securtiy Sharing & Analytics. Der Zusammenschluss von zwölf deutschen Großunternehmen soll eine direkte Vernetzung auf Entscheider- und Expertenebene schaffen. Zu den Gründungsmitgliedern Airbus, Allianz,

Zentrum für Informationssicherheit

IT-Risikomanagement – Identifikation, Bewertung und Bewältigung von Risiken 12. September 2017, Bonn Mobile Device Security – Risiken und Schutzmaßnahmen 12.–14. September 2017, Berlin IT-Notfallplanung – Vorausschauende Vorbereitung auf den IT-Notfall 13.–14. September 2017, Bonn Informationssicherheit nach BSI-Grundschutz und ISO 27001 im Praxisvergleich 14. September 2017, Bonn Datenschutz-Praxis – Verfahrensverzeichnis und Vorabkontrolle 18. September 2017, Berlin Grundlagen der Kryptologie 19.–20. September 2017, Frankfurt am Main

Weitere Informationen zu diesen und anderen Seminaren unter: www.cyber-akademie.de

Ökosystem für die Cyber-Sicherheit (CAk/stb) Kurz vor dem diesjährigen Münchner Cyber-Dialog war an der Universität der Bundeswehr München (UniBW) das neue CyberCluster@UniBW als Erweiterung des Forschungszentrums CODE eröffnet worden. Dort werden dann dringend gebrauchte Fachkräfte für die kürzlich neu in Dienst gestellte Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr ausgebildet. Doch das Vorhaben geht noch weit über dieses Ziel hinaus. In den nächsten Jahren soll in München eines der größten Forschungszentren Europas entstehen. Geplant ist ein Neubau auf dem Campus der UniBW in Neubiberg: ein Ökosystem für Forschung, Entwicklung und Innovation im Bereich Cyber-Sicherheit auf 7.000 Quadratmetern. Die Eröffnung könnte schon 2021 erfolgen, wie Prof. Dr. Gabi Dreo Rodosek, Direktorin von Code, hofft. Dann sollen etwa 1.000 Menschen im Cluster an verschiedenen Projekten in den Bereichen Cyber Defence, Smart Data, Mobile Security, E-Health und Schutz Kritischer Infrastrukturen arbeiten. Exzellente Lehre, Forschung und mehr

Iris Plöger (BDI) und Ursula Schürmann (CSSA) befürworteten Plattformen für den Austausch über Cyber-Bedrohungen.

BASF, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Henke und Infineon sind BMW, Bosch, die Deutsche Börse Group, SAP und Siemens gestoßen. Auf Profis zurückgreifen. Über persönliche Kontakte und eine technische Plattform für den Austausch von Reporten und Analysen solle Wissen geteilt und in Zukunft auch zentral ausgewertet werden. Basis für eine erfolgreiche Arbeit sei ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen und die Gewährleistung sicherer Kommunikationswege. “Die Mitglieder können die Hosen herunterlassen und auch

wirklich von den Erfahrungen der anderen profitieren”, versicherte Schürmann. Auch Dr. Andreas Rohr, CTO der DCSO Deutsche Cyber-Sicherheitsorganisation GmbH, plädierte deutlich für Kooperationen, warnte jedoch vor der pauschalen Annahme, jedes Unternehmen müsse heute eine eigene Cyber-Abwehr installieren. “Nicht jeder muss das Rad neu erfinden”, sagte er im C-Talk. “Gerade für kleine und mittlere Unternehmen macht es durchaus Sinn, auf Anbieter zurückzugreifen, deren Kernkompetenz die IT-Sicherheit ist, damit man sich auf die eigene Kernkompetenz konzentrieren kann.”

Schon im Januar 2018 soll der neue Masterstudiengang Cyber-Sicherheit mit 70 Studierenden starten. Es werden dreizehn neue Professuren eingerichtet, von denen sieben bis Ende des Jahres besetzt werden. Aufgrund des hervorragenden Profils des Gesamtvorhabens sei es nicht schwer gewesen, die Stellen mit erstklassigen Experten zu besetzen, versicherte Dreo Rodosek. Außer dem zentralen universitären Forschungs- und Lehrbetrieb sind auch Kooperationsprojekte mit der Industrie und Startsups sowie Innovationslabs geplant. “Ziel ist es, Innovationskompetenz zu bündeln”, betonte Dreo Rodosek. “Wir werden am Cyber-Cluster die gesamte Wertschöpfungskette abbilden.” Die Idee sei es, in einem Ökosystem alle Stakeholder zusammenzubringen, damit Ergebnisse aus der Forschung auch in Form von fertigen Produkten und

Das Cyber-Cluster@UniBW soll sich auch international durch Kooperation mit anderen großen Forschungszentren stärker vernetzen, erklärte Prof. Gabi Dreo Rodosek.

IT-Sicherheitslösungen umgesetzt werden. Bestandteil des Innovations-Ökosystems sollen auch Behörden mit Aufgaben im Bereich Cyber-Sicherheit sein. So ist geplant, die dem Bundesinnenministerium unterstellte Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) am Cyber-Cluster unterzubringen. ZITiS soll Sicherheitsbehörden beratend und durch die Entwicklung von Methoden und IT-Werkzeugen bei digitaler Forensik, Kryptoanalyse und Massendatenauswertung unterstützen.


Münchner Cyber Dialog

Behörden Spiegel / Juli 2017

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Auf höchster Ebene

Nutzen, was da ist

Cyber-Sicherheit muss als zentrales Managementthema verstanden werden

Cyber-Kriminelle verhalten sich häufig opportunistisch

(BS/stb) In großen Unternehmen und Institutionen sowie auf den höchsten Ebenen der öffentlichen Verwaltungen sind sie längst etabliert: CTOs (Chief Technology Officers), CIOs (Chief Information Officers), CISOs (Chief Information Security Officers). Sie alle sind mit verschiedenen Facetten der Digitalisierung in der eigenen Organisation beschäftigt – IT-Sicherheit spielt für alle eine Rolle. In kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist das Thema meist noch nicht so hoch angesiedelt.

(BS/stb) Zum gängigen Bild des kriminellen Hackers gehört, dass er über exklusives Spezialwissen verfügt und mit Ausdauer und kreativer Energie immer neue Wege entdeckt, Systeme zu infiltrieren und für seine Zwecke zu missbrauchen. Auch wenn das auf viele zutreffen mag, ist es auf der anderen Seite typisch für Cyber-Kriminelle, bewährte Methoden, Einfallstore und Werkzeuge immer wieder zu verwenden, solange sie zum Erfolg führen.

Beim C-Talk auf dem Münchner Cyber-Dialog sind Führungskräfte mit Aufgaben im Bereich IT-Systeme und Sicherheit zu einer Diskussionsrunde zusammengekommen, um die wichtigsten Themen der Konferenz gemeinsam zu erörtern. Zentrale Erkenntnis war, dass IT-Sicherheit nicht nur in großen Konzernen, sondern auch in KMU als ein zentrales Thema für die hohe Managementebene verstanden werden muss. “Es ist wichtig, das Thema in der Hierarchie hoch aufzuhängen und bei allen Vorhaben von Anfang an mitzudenken”, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der

Geschäftsleitung Vertrauen & Sicherheit beim Bitkom. Man dürfe nicht den Fehler machen, Cyber-Sicherheit als unliebsames Anhängsel zu verstehen, mahnte sie. Torsten Küpper, Mitglied der Geschäftsleitung bei Huawei Technologies Deutschland, adressierte das große Maß an Ratlosigkeit, das sich angesichts der vielen Meldungen über Cyber-Attacken gegen Wirtschaft und öffentliche Verwaltung breitmache. “Es fehlt gerade in kleinen Organisationen an der Fähigkeit, die Situation analysieren zu können, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen”, er-

C-Talk mit Susanne Dehmel, Torsten Küpper und Dr. Andreas Rohr (v.l.n.r)

klärte Küpper. Er plädierte hier für mehr Vertrauen in Anbieter, die genau diese Fähigkeiten mitbringen. Ein wirksamer Schutz vor aktuellen Bedrohungen, so Küpper, sei nur durch tiefgehende Analyse von IT-Systemen und Datenverkehren möglich. Wenn über Lösungen für die Herausforderungen im CyberRaum gesprochen wird, fällt oft das Schlagwort Security by Design. IT-Systeme sollen von vornherein sicher sein und nicht erst im Nachhinein durch weitere Produkte gesichert werden müssen. “Security by design ist leicht gefordert, man übersieht aber, wie hoch die Hürden dafür sind”, relativierte Dr. Andreas Rohr, CTO der DCSO Deutsche Cyber-Sicherheitsorganisation. Tatsächlich wird beim Ruf nach sicherer Technik schnell außer Acht gelassen, welch entscheidende Rolle nicht-technische Faktoren, wie Zugriffsrechte und die Organisation von Prozessen spielen. Ein Risiko-Assessment in der eigenen Institution mit entsprechenden Partnern sei hier zu empfehlen, erläuterte Rohr.

So sind Jahre alte Schadprogramme immer noch massenweise im Einsatz. Obwohl sie Sicherheitslücken ausnutzen, die den Herstellern längst bekannt sind, gibt es immer noch so viele ungenügend gewartete Systeme, dass die Programme nicht so schnell ausdienen, wie es wünschenswert wäre. Auch eine Rückkehr zu früheren Vorgehensweisen lässt sich beobachten: Schadhafte Links und Anhänge in E-Mails galten schon als überholte Angriffsvektoren, erleben aber zur Zeit ein rasantes Comeback. Das berichtete Michael Hartmann, Vice President Field Sales für Zentraleuropa bei Symantec: Derzeit ist etwa eine von 131 Mails im weltweiten Verkehr schadhaft. Das ist der höchste Wert seit fünf Jahren. Dies ist eines der Ergebnisse des 22. Internet Security Threat Reports von Symantec, den Hartmann auf dem Münchner Cyber Dialog präsentierte. Das Vorgehen sei im Kern ein altbewährtes – neu sei die gründliche Vorbereitung und die professionelle Aufmachung

Michael Hartmann skizzierte die aktuelle Bedrohungslage im Cyber-Raum.

bei vielen Kampagnen. So würden Sicherheitswarnungen im Design des E-Mail-Providers verschickt, mit der Aufforderung, einem Link zu folgen, um das eigene Konto abzusichern. Selbst aufmerksame Nutzer können solche Betrügereien nur schwer durchschauen. Hacker nutzten die Mittel, die da seien, um sich das Leben leichter zu machen, sagte Hartmann. Das gelte auch für Ressourcen in den Zielsystemen: Weitverbreitete Software wie Word, aber auch Administrator-Tools seien beliebte Ankerpunkte für Angriffe, weil schadhaftes Verhalten über diese Systembestandteile

von Antiviruslösungen nur sehr schwer erkannt werden könne. Dafür existierten Standardhacks, die auch mit verhältnismäßig geringem Grundwissen erfolgreich eingesetzt werden könnten. Wir müssten diese alltäglichen Angriffsstrategien gut im Auge behalten, mahnte Hartmann. Trotz dieser beobachtbaren Neigung zum Ausschlachten bewährter Muster bei vielen CyberKriminellen wird aber nach wie vor in gewaltigen Mengen neue Schadsoftware produziert: Der Threat Report spricht hier von 400 Millionen neu entdeckten Schadcodevarianten pro Jahr.

Digitalisierung und Arbeit

Risiken managen

Keine einmalige Wende, sondern fortschreitende Transformation

Wie resilient sind Staat, Wirtschaft und Gesellschaft?

(BS/stb) Die zunehmende Automatisierung und Vernetzung der Prozesse in allen Industriezweigen birgt enorme Chancen für Wachstum und Wohlstand. Allerdings gehen Fortschritte bei Industrie 4.0, Künstlicher Intelligenz und Robotik auch mit der Furcht vor negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung in vielen Branchen einher. Hier müssen Wege gefunden werden, die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Wandel zum Vorteil aller Stakeholder gelingen kann.

(BS/stb) Die Frage nach der Widerstandsfähigkeit unserer Strukturen ist dringlich. “Wir haben inzwischen eine Phase ernsthafter Bedrohung erreicht”, hielt Klaus Keus, Referatsleiter Cyber-Sicherheit und Kritische Infrastrukturen im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, fest.

Ein Workshop zum Thema Arbeit 4.0 widmete sich der drängenden Frage nach den Auswirkungen der zukünftigen Schlüsseltechnologien. Dr. Alexander König, CEO von ReActive Robotics, und Simon Haddadin, Geschäftsführer von Franka Emika, gaben einen Einblick in die Möglichkeiten, die die Robotik zum Beispiel im Bereich der Gesundheitsfürsorge bieten kann. Besonders im Bereich der Pflege wird der Einsatz von Robotern intensiv diskutiert. Darin könnte der Schlüssel zum Umgang mit dem demografischen Wandel liegen, wenn es gelingt die Technik so einzusetzen, dass Pflegepersonal entlastet und die Versorgung der Patienten verbessert wird. Zu beachten ist, dass die Veränderungen in der Arbeitswelt nicht als punktueller Umbruch über die Gesellschaft hereinbrechen wird, sondern in Form einer langen, fortschreitenden Transformation – so die Einschätzungen, die in einem Work-

Klare Entwicklung hin zum IoT-Unternehmen: Carsten Heitmann sprach über Pläne von Bosch. Fotos: BS/Giessen

shop zum Thema Zukunft des Mittelstandes abgegeben wurden. Wichtig sei es, diese Prozesse bewusst und steuernd zu durchlaufen, statt den Wandel passiv über sich hereinbrechen zu lassen. Letzteres riskierten solche kleineren und mittleren Betriebe, deren Kerngeschäfte bisher weitgehend ohne digitale

Prozesse ausgekommen seien. Gerade wenn die Geschäfte gut liefen und die Auftragsbücher voll seien, fehle es am nötigen Druck und der Zeit, Digitalisierungsprojekte anzustoßen. Solche Rückstände seien später womöglich schwer wieder aufzuholen. Carsten Heitmann, Vice President IT-Security Governance bei Bosch, gab Einblicke in die Entwicklung neuer Geschäftsfelder aus Sicht eines großen Traditionsunternehmens. So beschäftige sich Bosch intensiv mit Telematik und Kommunikation für die Mobilität der Zukunft, mit Echtzeit-Monitoring für die Industrie 4.0 und mit SmartSensor-Technologien für die Landwirtschaft und andere Bereiche. “Wir entwickeln uns klar Richtung IoT-Unternehmen. Bis 2020 sollen alle Produkte internetfähig sein”, erklärte Heitmann. “Daran knüpfen auch eine Middleware-Plattform für die Vernetzung und Services für Management und Analysen an.”

Inzwischen hätte man in Deutschland schon schwerwiegende Cyber-Attacken in allen Sektoren beobachtet und es sei davon auszugehen, dass es in Zukunft weitere Vorfälle geben werde, fügte Keus im Workshop zum Thema Resilienz hinzu. Handlungsbedarf besteht also. Resilienz, so Keus, umfasse neben der Prävention und Abwehr von widrigen Ereignissen auch das Einkalkulieren und die Vorbereitung auf die Folgen bei Eintreten solcher Ereignisse. In der Verwaltung seien “einige Länder besser aufgestellt als andere” und in der Wirtschaft fehle es teilweise noch an Basismaßnahmen, wie dem zeitnahen Einspielen von Sicherheits-Updates, räumte Keus ein. Insgesamt sei Deutschland aber gut aufgestellt. Kritischer sah Karl Otto Feger, Chief Information Security Officer (CISO) des Freistaats Sachsen, die Lage. Kleine und mittelständische Unternehmen seien sich der Gefahren häufig nicht bewusst oder scheuten die nötigen Ausgaben für IT-

Rügte den personellen Fokus von Behörden auf die Strafverfolgung zulasten der Resilienz: CISO des Freistaats Sachsen Karl Otto Feger.

Sicherheit. “Es gibt ein großflächiges Desinteresse, je weiter der eigentliche Geschäftszweck von der IT weg ist”, kritisierte Feger. Da beim Katastrophenschutz räumlich beschränkt gedacht werde, sei Deutschland außerdem nicht ausreichend auf flächendeckende Ausfälle zum Beispiel des Stromnetzes vorbereitet, wie sie durch gezielte Sabotage-Attacken ausgelöst werden könnten.

Über den Kongress Weitere Informationen zum Münchner Cyber Dialog 2017 sind online unter www.muench ner-cyber-dialog.de zusammengefasst. Dort können auch die Präsentationen der diesjährigen Redner, die Ergebnisse der vier Schwerpunkt-Sessions sowie weitere Bilder vom Kongress abgerufen werden.


IT-Sicherheit

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Als Ransomware getarnt?

Staatliches Hacking

Die jüngste weltweite Cyber-Angriffswelle gibt Rätsel auf

Elektronische Überwachungsmöglichkeiten deutlich ausgeweitet

(BS/stb) Nachdem im Mai die Ransomware WannaCry für Aufsehen gesorgt hatte, gab es kürzlich erneut weltweit Meldungen über zahlreiche Fälle von Lösegeldforderungen nach der Verschlüsselung von Daten. Eine Variante der schon länger bekannten Schadsoftware Petya soll zu ihrer rasanten Verbreitung die selbe Sicherheitslücke genutzt haben wie vorher WannaCry. Doch einige Ungereimtheiten legen die Vermutung nahe, dass es den Tätern hier nicht um Geld gegangen sein könnte.

(BS/stb) Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat der Bundestag im Schnelldurchgang neue Gesetzesgrundlagen für ein netzpolitisch brisantes Thema beschlossen: Sogenannte Staatstrojaner sollen zum regelmäßigen Instrument bei der Verfolgung schwerer Straftaten werden. Die Große Koalition will damit die Polizeiarbeit den modernen technischen Gegebenheiten anpassen. Kritiker sehen Grundrechte und die allgemeine ITSicherheit in Gefahr.

Betroffen waren vor allem Einrichtungen in Russland und der Ukraine. Es gab aber auch Fälle in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen europäischen Ländern sowie den USA. In der Ukraine berichtete unter anderem die Eisenbahn von Problemen. Auch Systeme des Kernkraftwerks Tschernobyl waren betroffen. Wie die Verwaltung der Sperrzone mitteilte, musste die Kontrolle der Radioaktivität zeitweise manuell erfolgen. Bekannt wurden auch finanzielle Schäden durch Störungen in den Betriebsabläufen beim US-Logistikunternehmen FedEx und der dänischen Reederei Maersk. In Deutschland meldete der Kosmetik-Konzern Beiersdorf Ausfälle von Computern und der Telefonanlage in der Hamburger Zentrale.

Konkret wurden Rechtsgrundlagen für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) und die OnlineDurchsuchung geschaffen. Während die Quellen-TKÜ sich auf die Überwachung laufender Kommunikation zum Beispiel von Smartphone zu Smartphone über MessengerDienste beschränkt, umfasst die Online-Durchsuchung den Zugriff auf alle auf einem Gerät gespeicherten Daten. In beiden Fällen erfolgt das Abschöpfen von Daten direkt im Endgerät der Zielpersonen und nicht beim Dienstleister oder Telekommunikations-Provider. Die Geräte müssen daher heimlich technisch infiltriert – das heißt gehackt – werden.

Viele Verbreitungswege Für Unverständnis hatte nach dem Bekanntwerden der PetyaAngriffswelle zunächst gesorgt, dass dafür eine Sicherheitslücke in Windows-Betriebssystemen genutzt worden sein soll, die auch schon WannaCry zur seiner rasanten Verbreitung verholfen hatte. Diese Schwachstelle ist schon seit März dieses Jahres bekannt und kann durch das Installieren eines Patches von Microsoft behoben werden. Nach WannaCry wird sogar ein Patch für veraltete Betriebssysteme angeboten, die normalerweise nicht mehr aktualisiert werden. Inzwischen haben Sicherheitsexperten aber entdeckt, dass Petya noch weitere Verbreitungswege nutzt. Interessant ist vor allem, dass die initiale Infektion nicht wie bei anderen Ransom-Programmen üblich über schadhafte E-Mails erfolgte. Stattdessen scheint der Trojaner anfangs über ein Update der in der Ukraine weit verbreiteten Buchhaltungssoftware MeDoc verteilt worden zu sein, wie unter anderem auch im Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)

Auf den ersten Blick deutet alles auf das Geschäftsmodell Ransomware hin. Doch tiefergehende Analysen lassen Zweifel aufkommen. Foto: BS/Marco Verch, cc by 2.0, flickr.com

vermutet wird. Auch das weitere Vorgehen des Trojaners ist ungewöhnlich ausgeklügelt, wie Sicherheitsforscher von McAfee berichten: Sobald das Programm auf einem System angekommen ist, analysiert es die unmittelbare Netzwerkumgebung methodisch und versucht ganz gezielt, weitere Systeme zu infizieren. Dazu nutzt es entweder die von WannaCry bekannte Sicherheitslücke oder nutzt gängige Administratorenwerkzeuge in Windows-Umgebungen aus – dazu werden Zugriffsrechte mittels eines mitgelieferten Werkzeugs automatisiert erbeutet. Sicherheitsexperten sprechen hier von einem sehr professionellen Vorgehen, wie man es von sogenannten Advanced Persistent Threats (APTs) kennt – das sind gezielte Angriffe vermutlich staatlich unterstützter HackerGruppen.

Offene Fragen Zunächst sieht es so aus, als wären hier also besonders fähige oder besonders gut vorbereite Täter am Werk, die das Geschäftsmodell Ransomware für sich entdeckt haben. Seltsam ist aber, dass für die Abwicklung der Lösegeldzahlung offenbar nur sehr eingeschränkte Vorbereitungen getroffen wurden. Bei bisherigen erfolgreichen Ransomware-Kampagnen wurden zum Teil ausgereifte WebInterfaces zur Zahlungsabwicklung genutzt oder zumindest verschiedene Kontaktmöglichkeiten zu den Tätern bereitge-

stellt. Betroffene der jetzigen Petya-Kampagne erhielten nur eine einzige E-Mail-Adresse. Da diese zu einem deutschen Provider gehörte, konnte sie sehr schnell deaktiviert werden, wie Michael Hartmann von Symantec berichtete. Hinzu kommt Analysen von Sicherheitsexperten zufolge, dass die PetyaVariante beim Verschlüsselungsprozess keine echte ID des infizierten Systems erstellt. Das heißt, dass die Täter die Daten gar nicht wieder entschlüsseln könnten, selbst wenn sie es wollten.

Politisches Motiv? Aufgrund dieser Ungereimtheiten wird von vielen Analysten die Theorie vertreten, das Motiv hinter der Angriffswelle sei nicht monetär, sondern politisch. Ziel der Schadsoftware sei demnach die Vernichtung von Daten, um Wirtschaft und Verwaltung in der Ukraine zu schaden und das Land politisch zu destabilisieren. Der Umweg über die Verschlüsselung und die Lösegeldforderung diene der Theorie zufolge der Verschleierung. Wie Medien berichteten, beschuldigt der Geheimdienst der Ukraine Russland als Urheber der Angriffe. Eine klare Zuordnung von Hacking-Aktivitäten ist jedoch grundsätzlich sehr schwierig. Gegen eine staatliche Beteiligung seitens des Kremls spricht jedoch die Tatsache, dass nach der Ukraine Russland das am stärksten von der Petya-Kampagne betroffene Land war.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Jedes dritte Unternehmen sieht noch Verbesserungsbedarf bei der IT-Sicherheit (BS/stb) Behörden, Kritische Infrastrukturen, Großkonzerne und mittelständische Unternehmen: In all diesen Bereichen hat es in den letzten Jahren erfolgreiche Angriffe auf IT-Systeme gegeben. Dass IT-Sicherheit in allen Organisationen ein zentrales Thema sein sollte, scheint auf der Hand zu liegen. Dennoch werden vor allem im privaten Sektor nicht immer alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Entscheider für IT-Sicherheit aus einem Drittel der deutschen Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern sehen noch Verbesserungsbedarf bei technischen, organisatorischen oder personellen Maßnahmen zur IT-Sicherheit. Das ergibt die repräsentative Studie “Digitalisierung und IT-Sicherheit in deutschen Unternehmen”, die die Bundesdruckerei GmbH in Zusammenarbeit mit Kantar Emnid erstellt hat. Dazu wurden aus deutschen Unternehmen 556 Führungskräfte befragt, in deren Verantwortungsbereich die IT-Sicherheit fällt.

Nur die Hälfte schult Mitarbeiter Acht von zehn Entscheidern messen der IT-Sicherheit eine hohe Priorität bei, etwa drei Viertel verstehen IT-Sicherheit als Basis für eine erfolgreiche Digitalisierung. Dennoch werden Maßnahmen nicht im gewünschten Umfang verfolgt. In weniger als der Hälfte der Unter-

nehmen werden der Studie der Bundesdruckerei zufolge Mitarbeiter regelmäßig zu Sicherheitsthemen geschult. Außerdem hat nur rund jedes zweite Unternehmen einen festen Verantwortlichen für Sicherheitsfragen bestellt. Bedenklich ist die Zurückhaltung bei solchen personellen Maßnahmen, weil IT-Sicherheitsexperten schon lange davor warnen, dass technische Schutzmaßnahmen allein nicht ausreichen. Die aktuell am häufigsten von Cyber-Kriminellen verwendeten Einfallstore sind schadhafte Links und Anhänge in E-Mails. Schon ein unbedachter Klick eines Mitarbeiters kann Hackern Zugriff auf Unternehmensnetzwerke ermöglichen oder zur Installation eines Erpressungstrojaners führen. Ulrich Hamann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesdruckerei, verdeutlicht das Problem: “Das schwächste Glied in der Kette bestimmt die IT-Sicherheit in einer Organi-

sation – und das sind meist die Mitarbeiter. Das stellen unsere Sicherheitsberater bei ihren Kunden vor Ort immer wieder fest.” Ernsthaften Verbesserungsbedarf bei personellen Maßnahmen sieht aber der aktuellen Umfrage zufolge nur etwa ein Drittel der Unternehmen.

Technische Basismaßnahmen mit mäßiger Verbreitung Anders sieht die Selbsteinschätzung auf technischer Ebene aus: Hier geben über 40 Prozent der Befragten deutlichen Verbesserungsbedarf an. Tatsächlich gehören viele Basismaßnahmen offenbar noch nicht zum Standard in deutschen Unternehmen. Während immerhin mehr als drei Viertel ihre Netzwerkverbindungen verschlüsseln, erfolgt eine Verschlüsselung von Informationen auf Datenträgern beziehungsweise des E-Mail-Verkehrs nur bei etwa der Hälfte der untersuchten Unternehmen.

Rechtliche Hürden 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Grundsatzurteil hohe Anforderungen für die Überwachung von IT-Systemen mittels heimlicher Infiltration festgelegt und ein Grundrecht auf Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts formuliert. Demnach ist der umfängliche Zugriff auf Endgeräte durch Hacking nur erlaubt, wenn überragend wichtige Rechtsgüter konkret in Gefahr sind. Im Einklang damit kann das Bundeskriminalamt (BKA) bereits Staatstrojaner zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus einsetzen. Die aktuellen Neuregelungen sehen das staatliche Hacking jedoch auch für die Strafverfolgung vor. In der Anhörung des Rechtsausschusses sprach der Richter und Vorsitzende der Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V., Ulf Buermeyer, von schwerwiegenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte in einer “Reichweite, wie sie die Strafprozessordnung bisher nicht kennt.” Den durch das BVerfG gesetzten Hürden versucht man mit den Neuregelungen aber durchaus Rechnung zu tragen. So wird in der Begründung der Beschlussempfehlung des Gesetzentwurfs ausdrücklich festgehalten, dass bei der QuellenTKÜ technisch sichergestellt sein müsse, “dass nur solche Kommunikationsinhalte erfasst werden, die auch auf herkömmlichem Wege ausgeleitet werden können”. Die Idee besteht darin, dass ein Großteil der Kommunikation, die früher über Tele-

Für den Einsatz sogenannter Staatstrojaner müssen Behörden Sicherheitslücken in IT-Systemen für sich behalten. Damit stehen diese Einfallstore aber auch kriminellen Hackern offen. Foto: BS/gillianchicago, cc by-nc-nd 2.0, flickr.com

kommunikationsnetze erfolgte – sei es in Form von Gesprächen oder SMS-Nachrichten – heute zunehmend über das Internet mittels Voice-over-IP- oder Messengerdienste abgewickelt wird. Über diese Kanäle werden Inhalte aber häufig verschlüsselt, sodass die etablierten Formen der Telekommunikationsüberwachung nicht mehr hinreichen. Für Anbieter von OnlineTelekommunikationsdiensten bestehen nicht dieselben Verpflichtungen zur Herausgabe der Daten wie für Provider, außerdem wäre eine Entschlüsselung der Daten in der Regel nicht möglich. Daher verfolgt man mit der Quellen-TKÜ die Strategie, Daten schon vor der Verschlüsselung oder nach der Entschlüsselung auf den Endgeräten abzuschöpfen. Auch wenn dazu ein schwerwiegender Eingriff in die IT-Systeme notwendig ist, soll letztlich nur das abgeschöpft werden können, was bisher schon per herkömmlicher TKÜ abgeschöpft werden kann. Es muss dabei technisch sichergestellt werden, dass die verwendete Hacking-Software nur Zugriff auf aktuelle Kommunikationsinhalte nach Ergehen der richterlichen Anordnung erlaubt und “die Gefahr des Auslesens des gesamten Systems oder auch nur der gesamten gespeicherten Kommunikation nicht besteht”, wie es in der Beschlussempfehlung heißt. Letztlich soll hier also eine Anpassung an die technischen Entwicklungen erfolgen – überwacht werden bei der Quellen-TKÜ demzufolge dieselben Vorgänge unter denselben strafrechtlichen Voraussetzungen wie bei herkömmlicher TKÜ, nur mit neuen technischen Mitteln. Problematischer ist da schon die Online-Durchsuchung, für die erstmals eine Rechtsgrund-

lage geschaffen wird, weil sie Zugriff auf sämtliche Daten auf einem Endgerät erlaubt. Die Maßnahme soll daher auch nur in Fällen besonderer Schwere und nur, wenn andere Ermittlungsmaßnahmen versagen, angewendet werden. Hier bedient sich die Beschlussempfehlung zur Begründung einer Analogie zum “Großen Lauschangriff”. In beiden Fällen handele es sich um intensive Eingriffe in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, daher orientiere sich die Rechtsgrundlage zur Online-Untersuchung an den bestehenden und verfassungsrechtlich geprüften Regeln zur akustischen Wohnraumüberwachung.

Gefahr für die IT-Sicherheit? Jenseits der verfassungsrechtlichen Bedenken kommt aber noch Kritik aus anderer Richtung. Das Hacken von Endgeräten erfordert in der Regel das Ausnutzen von Sicherheitslücken in Software oder Betriebssystemen. Um in zunehmendemMaß effizient mit Staatstrojanern Kommunikation zu überwachen, müssten Behörden also gezielt solche Lücken suchen und vor Nutzern und Herstellern geheimhalten, statt sie zu melden. Damit sind jedoch auch Risiken für die Allgemeinheit verbunden, wie IT-Sicherheitsexperten und Wirtschaftsverbände warnen. So sagte der Vorstand des eco – Verband der Internetwirtschaft e. V., Prof. Norbert Pohlmann, der Staat müsse Rahmenbedingungen für eine angemessene IT-Sicherheit schaffen. Stattdessen könne das Überwachungsgesetz “zu einer schädlichen Schwächung der IT-Sicherheit im Internet, wenn nicht gar zu einer Gefährdung der Digitalisierungsprozesse in Gesellschaft und Wirtschaft führen”.

Trend Micro Security-Tipp

Rücknahme von Bußgeldbescheiden wegen WannaCry KOLUMNE Udo Schneider, Security Evangelist bei Trend Micro Gerade schien die Angriffswelle weitgehend überstanden, da schafft es die Ransomware WannaCry erneut in die Schlagzeilen: Im australischen Bundesstaat Victoria infizierte sie 55 Geschwindigkeits- und Rotlichtkameras. Daraufhin wurden durch die zuständige Polizeibehörde insgesamt 590 Bußgeldbescheide annulliert, die aufgrund von Aufnahmen der betroffenen Kameras ausgestellt worden waren. Zwar

Foto: BS/Trend Micro

hätten die Kameras trotz der Infektion ordnungsgemäß funktioniert, die Strafen würden dennoch zurückgezogen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in

das Verkehrsüberwachungssystem nicht zu gefährden, so die Behörde. Dieser Fall zeigt deutlich die Wichtigkeit von IT-Sicherheit in der öffentlichen Verwaltung: Selbst wenn auf den infizierten Geräten keine Schäden entstehen, stellt die Infektion doch die Integrität der elektronischen Prozesse und die Belastbarkeit von darauf basierenden Entscheidungen infrage – sicher auch in Deutschland.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Juli 2017

“Hack-back” als Option

KNAPP

Bundesministerien erörtern die Machbarkeit

Längerer Dienst möglich

(BS/R. Uwe Proll) Nach der Ansage der Bundeskanzlerin vor Monaten, sich ernsthaft gegen gezielte Cyber-Attacken zu wehren, scheint etwas in Gang gekommen zu sein. Nämlich die ernsthafte Auseinandersetzung damit, ob nach der Abwehr eines gezielten Angriffs auf Kritische Infrastrukturen (KRITIS) auch ein Gegenangriff möglich ist. Dabei stellen sich im (BS/mfe) Der Münchner LandMoment jedoch fast mehr Fragen, als Antworten möglich sind. Welches Ressort wäre zuständig? Welche rechtlichen Grundlagen gäbe es oder welche müssten geschaffen werden? tag hat eine Novellierung des Welche Szenarien und Angriffe könnten einen Gegenschlag legitimieren? Feuerwehrgesetzes im Freistaat Längst sind neben Desinformation, Fake News und klassischen militärischen Mitteln die möglichen Cyber-Attacken auf Kritische Infrastrukturen ganz nach oben auf die Tagesordnung gerückt. Ein Hack-back soll und muss daher möglich sein, ist eine weit verbreitete Ansicht. Die rechtlichen, organisatorischen und technischen Grundlagen müssen noch geschaffen und Szenarien für den Fall eines solchen Einsatzes definiert werden. Derzeit befinden sich die Beteiligten in der Findungsphase. Eine Beschlusslage dürfte erst in der nächsten Legislaturperiode zustandekommen. Doch könnte schon der nächste Koalitionsvertrag eine solche Handlungsoption vorgeben. Bei den derzeitigen Regierungsparteien stoßen zumindest die Vorschläge der Administration auf Wohlwollen, selbst einzelne Grüne haben Verständnis dafür, dass ein Gegenangriff zum Schutz erfolgen können muss.

Wenige Möglichkeiten Die Sache ist jedoch schon rein technisch kompliziert. Gegenangriffe im Internet sind grundsätzlich nur bei gezielten Attacken sinnvoll. Wenn sich Schadsoftware bei kurzfristig flächendeckenden Kampagnen wie WannaCry und Petya selbständig verbreitet, macht ein Gegenangriff keinen Sinn. Bei längerfristigen Bedrohungen durch Ransomware sind meist unzählige Varianten im Umlauf, die von verschiedenen Sendern ausgehen. Botnetze, die für DDoS-Attacken genutzt werden, sind ein möglicher Adressat eines Gegenangriffs. Das Abschalten des Avalanche-Botnetzes, an dem zahlreiche internationale Sicherheitsbehörden sowie das Bundesamt für Sicherheit in

Wie kann Deutschland auf einen Angriff aus dem digitalen Raum mit einem Gegenangriff reagieren? Etwa mit der Bundeswehr? Die Diskussion um die rechtlichen, technischen und organisatorischen Herausforderungen wird bereits geführt. Illustration: BS/Dach; Fotoquelle: © Oleksandr Delyk, Fotolia.com

der Informationstechnik (BSI) in Deutschland beteiligt waren, brauchte eine monatelange Vorbereitung, um das Botnetz wirklich nachhaltig zu zerschlagen. Vergleichbare Botnetz-Abschaltungen gab es in den USA in Zusammenarbeit mit Microsoft. Als mögliche Szenarien für Gegenangriffe bzw. Takedowns bleiben also vor allem gezielte Angriffe auf politische Institutionen und Kritische Infrastrukturen. Dies sind Advanced Persistent Threats (APT), die aber enorme Expertise und Ressourcen erfordern. Ein direkter Gegenangriff, um den Urheber auszuschalten ist schwierig. Auch bei Angriffen nach dem Muster des BundestagsHacks oder bei der US-Präsidentschaftswahl wird ein Gegenschlag oder Takedown vermutlich nicht realistisch sein. Zudem lässt sich der erlittene Schaden nicht beheben, wenn Daten abgeflossen sind.

Ein Gegenangriff in diesem Falle könnte höchstens der unmittelbaren Schadensbegrenzung dienen oder der Vergeltung oder der Machtdemonstration.

Fünf-Stufen-Strategie Daher beginnt eine Hack-backStrategie (Abschalten des verursachenden Rechners) bereits weit im Vorfeld, nämlich vor dem Abfluss von Daten oder gegebenenfalls einer Attacke auf Kritische Infrastrukturen. Die erste Stufe dafür ist ein Monitoring der gesamten Netzwerkaktivitäten und ihrer Anomalien, also Prävention. Die zweite Stufe ist die Identifizierung von Anomalien oder Angriffen, die dritte Stufe wäre die Umlenkung der Verkehre zur Verhinderung der Erreichbarkeit der Angriffsziele. Letzteres ist bereits heute durch das BSI machbar. Stufe vier kapseln der eigenen Daten auf fremden Rechnern. Die fünfte Stufe der Eskalation wäre der

Takedown des Rechners oder Netzwerkes, von dem die Angriffe ausgehen. Befinden sich diese in Deutschland kann das BSI die Providerhaftung in Anspruch nehmen und die Telekom oder Vodafone oder andere dazu veranlassen, den Rechner abzuschalten bzw. vom Netz zu nehmen. Das ist schon Praxis. Die fünfte Stufe jedoch stellt das eigentliche Problem dar, nämlich das Abschalten eines Rechners oder eines Netzwerkes im Ausland.

Frage der Zuständigkeit Hierzu gibt es nun zwischen den Ressorts Diskussionen, denn wer wäre in der Lage und auch rechtlich befugt, im Ausland zu operieren? Das kann und darf das BSI derzeit nicht. Die Bundeswehr wäre der logische Partner für einen solchen Fall, doch die formalen Argumente dagegen beziehen sich aufs Grundgesetz: Der Vertei-

digungsfall ist eine Aufgabe der Bundeswehr, aber er bezieht sich auf die Verteidigung des eigenen Territoriums. Ansonsten ist der Bundeswehr Amtshilfe erlaubt oder das Eingreifen bei existenzieller Bedrohung eines Bundeslandes. Ein Angriff auf einen Rechner im Ausland wäre zudem, und so ist die praktische Überlegung, für eine Parlamentsarmee zwar machbar, aber sie bräuchte dafür als “Auslandseinsatz” ein Bundestagsmandat. Dieses herbeizuführen, ist ein zeitliches Risiko bei einem Cyber-Angriff. Wenn die Bundeswehr hier tätig würde, gäbe es keine weiteren Eskalationsstufen mehr oder diplomatische Wege. Zudem: Wenn es um einen Cyber-Angriff geht, der z. B. die nur vier Stromverteilzentren in Deutschland betrifft, ist dies ein Zivilschutzfall, nach dem Grundgesetz keine Aufgabe der Bundeswehr. Nun beginnt man darüber nachzudenken, dass die zivile Verteidigung auch digital aufgestellt sein muss. Doch wer letztlich die fünfte Eskalationsstufe innerhalb der Bundesverwaltung realisieren können soll, ist derzeit noch offen. Der Bundesinnenminister hat den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), das Bundeskriminalamt (BKA) und das BSI aufgefordert, hierzu Vorschläge zu unterbreiten. In der internen Diskussion könnte eine Lösung dahingehend gefunden werden, dass das BSI oder eine andere Behörde die Eskalationsstufen eins bis vier übernimmt, die Eskalationsstufe fünf aber der BND, also der Auslandsgeheimdienste. Die scheint zwar sinnvoll und rechtlich sicherer, macht die Sache aber nicht einfacher.

beschlossen. Dadurch sollen zusätzliche Möglichkeiten eröffnet werden, um das Potenzial der ehrenamtlichen Einsatzkräfte dauerhaft und nachhaltig zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, wird unter anderem die Altersgrenze für den aktiven Feuerwehrdienst vom 63. auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben. Außerdem werden Kinderfeuerwehren nun explizit in der reformierten Rechtsvorschrift verankert und das neue Landesfeuerwehrgesetz erleichtert die kommunale Kooperation zwischen den einzelnen Wehren. So können künftig auch gemeindeübergreifende Einheiten gegründet werden. Zudem ist es in Zukunft möglich, die Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes und des Technischen Hilfsdienstes auf Zweckverbände und Verwaltungsgemeinschaften zu übertragen.

Polizei soll sich öffnen (BS/mfe) Die Mitglieder des Gesprächskreises Innere Sicherheit NRW plädieren dafür, jungen Menschen, die über einen Realschulabschluss und eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, vermehrt den Zugang zum Polizeiberuf zu eröffnen. Das solle allerdings keineswegs mit einer Reaktivierung des mittleren Dienstes einhergehen, schreiben sie in einem Grünbuch. Um diese Öffnung des Polizeiberufs zu ermöglichen, halten die Autoren eine vorgelagerte berufsschulische Ausbildung, die den Abschluss der Fachhochschulreife beinhaltet, eine höchstens 24-monatige Bewährung im Streifendienst sowie eine dann direkt anschließende Fachhochschulausbildung für denkbar.

13. Europäischer Katastrophenschutzkongress

www.civil-protection.com

19.– 20. September 2017

ANDEL’S HOTEL IN BERLIN

SAVE THE DATE Der Europäische Katastrophenschutzkongress: Dieser Kongress ist eine internationale Fachkonferenz, welche die verschiedenen Entscheidungsträger und Akteure des nationalen, europäischen und internationalen Katastrophenschutzes über die aktuellsten Entwicklungen informiert. Der Kongress fördert den aktiven Dialog zwischen Behörden, Universitäten und Experten aus dem Katastrophen- und Zivilschutz. Jährlich ist diese Konferenz Treffpunkt für 800 Teilnehmer aus mehr als 20 Nationen. Gemeinsam diskutieren sie über Entwicklungen, vertiefen Kooperationen und schaffen Netzwerke.

Themen 2017 sind u.a.: » Resilienz » Ehrenamt » Humanitäre Hilfe » Drohnen und Roboter » Aus- und Weiterbildung » Tunnelsicherheit » Geodaten » Schutz Kritischer Infrastrukturen

Fotos: ©larshallstrom, fotolia.com; Dombrowsky

DI / MI


Innere Sicherheit

Seite 38

Schneller Austausch ist das A und O

B

ehörden Spiegel: Herr Pistorius, wie bewerten Sie die Ergebnisse der letzten Innenministerkonferenz, insbesondere was die einheitliche Bewertung von Gefährdern angeht? Pistorius: Die begrüße ich absolut. Natürlich ist es wichtig, dass Bund und Länder eine einheitliche Definition haben. Kurz- bis mittelfristig muss der nächste Schritt sein, Gefährder auch europaweit einheitlich zu definieren. Bisher ist dieser Begriff nämlich zum Beispiel in Frankreich ein ganz anderer als etwa in Belgien oder hierzulande. Aber der Terrorismus macht vor den Landesgrenzen eben nicht halt.

Behörden Spiegel: Allein in Niedersachsen sind 60 bis 70 Gefährder bekannt. Die kann die Polizei nicht alle beobachten. Dafür reicht das Personal nicht aus. Wie trifft man hier eine angemessene Auswahl?

Behörden Spiegel / Juli 2017

lichen Dienstes zum Absenken der bisher verlangten Eingangsvoraussetzungen. Wie sieht es diesbezüglich in Niedersachsen aus?

Pistorius gegen Beobachtung von Kindern durch Verfassungsschutz

(BS) Er hat die Debatte über ein Musterpolizeigesetz von Bund und Ländern ins Rollen gebracht: Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Im Pistorius: In Niedersachsen Gespräch mit dem Behörden Spiegel äußert sich der Sozialdemokrat zu gewünschten Inhalten einer solchen Rechtsvorschrift. Ebenso thematisiert haben wir aktuell keine Probleme, genügend Nachwuchs für er den Umgang mit Gefährdern und die Diskussion zur Schleierfahndung. Die Fragen stellten R. Uwe Proll und Marco Feldmann. bei der Innenministerkonferenz gesprochen, denn da ist noch viel Luft nach oben. Gleichzeitig brauchen wir aber nicht noch mehr Zentralisierung. Es ist viel wichtiger, die Kooperation und die einheitliche Kommunikation zwischen den Behörden immer weiter zu verbessern.

ebenfalls so, von daher habe ich den bayerischen Vorstoß nicht verstanden. Das ist eine Phantomdiskussion. Behörden Spiegel: Wie stehen Sie zur Diskussion über ein Musterpolizeigesetz? Pistorius: Diese Diskussion habe ich selbst zu Jahresbeginn angestoßen. Damals habe ich die Innenministerkonferenz angeschrieben und angeregt, einen Entwurf in Auftrag zu geben. Dieser Vorstoß ist nun aufgegriffen worden. Das ist wichtig, denn umso einheitlicher die polizeilichen Regelungen und Systeme sind, umso schneller funktioniert der Austausch. Und angesichts der aktuellen Herausforderungen ist Schnelligkeit das A und O.

Pistorius: Dafür haben die Sicherheitsbehörden ihre Erkenntnisse und geeignete In– strumente zur Bestimmung, das passiert sehr dynamisch und taBehörden Spiegel: Was sollten gesaktuell. Natürlich benötigen Sie für eine solche Beobachtung Elemente eines Musterpolizeigesetzes sein? immer eine Rechtsgrund“Kurz- bis mittelfristig Pistorius: Es lage. Und entscheidend bei muss der nächste Schritt sollte auf jeden sein, Gefährder auch Fall Regelunder Auswahl der zu ob- europaweit einheitlich zu gen zur elektronischen servierenden definieren.” Fußfessel entGefährder ist halten. Außerimmer auch die Frage, welche Gefahr tat- dem sollten Aufenthaltskontrolsächlich von ihnen ausgeht. len und der Umgang mit Daten Die Sicherheitsbehörden haben dort geregelt werden. in diesem Bereich unheimlich Behörden Spiegel: Halten Sie viel dazugelernt, was auch nötig war. Die Zahl der Gefährder in einen generellen Abschiebestopp Deutschland hat sich, wie Sie in Länder wie Syrien oder Afghawissen, in wenigen Jahren ver- nistan für angebracht? vierfacht. Pistorius: Für Syrien existiert Behörden Spiegel: Halten Sie bereits ein genereller Abschieeine bundesweite Einführung bestopp. Dorthin wird momender Schleierfahndung für erfor- tan niemand abgeschoben. Im Falle von Afghanistan ist eine derlich? Verschlechterung der SicherPistorius: Eine bundesweite heitslage seit dem letzten Jahr Schleierfahndung kann es nur festzustellen. Dies wird beibei der Bundespolizei geben. spielsweise durch den jüngsten Und die Bundespolizei hat die- Terroranschlag, bei dem auch se Möglichkeit bereits. Daneben die deutsche Botschaft in Kabul hat natürlich jedes Bundesland schwer in Mitleidenschaft gezodie Möglichkeit, seiner Landes- gen wurde, bestätigt. Aufgrund polizei das Recht zur Schleier- dieser Entwicklung werden in grundsätzlich fahndung einzuräumen. Wir in Niedersachsen Niedersachsen nutzen dieses nur Straftäter und Gefährder Instrument bereits, ohne dass abgeschoben. wir es so nennen. In den meisten Behörden Spiegel: Halten Sie anderen Bundesländern ist das

Behörden Spiegel: Welche Schlüsse ziehen Sie aus der gemeinsamen Übung von Polizei und Bundeswehr, der GETEX? Würden Sie eine Wiederholung oder Neuauflage von GETEX befürworten? Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) plädiert für eine einheitliche Definition des Begriffs Gefährder in ganz Europa. Außerdem verlangt er eine personelle Aufstockung der Bundespolizei. Foto: BS/Dombrowsky

eine Beobachtung von Unter14-Jährigen durch den Verfassungsschutz für sinnvoll? Pistorius: Davon halte ich nichts. Mit einer Speicherung beim Verfassungsschutz an sich wird ja schließlich noch keine Straftat verhindert. Und die Speicherung in einem Datensatz des Verfassungsschutzes hätte auch nicht zwingend eine Observationsmaßnahme zur Folge. Vielmehr muss es doch darum gehen, diese jungen Menschen vor einem Umfeld zu schützen, das ihnen Zugang zu zum Beispiel salafistischen Ideen erlaubt oder nichts dagegen unternimmt. In diesem Bereich geht es um geeignete Prävention und um das Aktivieren von gesellschaftlichen Systemen zum Schutz von Kindern, etwa in Vereinen, in der Schule oder im Freundeskreis. Aber schon Kinder der Speicherung und in letzter Konsequenz sogar der Beobachtung durch den Verfassungsschutz auszusetzen, kann nicht im Ernst unsere Lösung sein. Behörden Spiegel: Was wären eigentlich die ersten Maßnahmen, die ein sozialdemokratischer Innenminister nach der kommenden Bundestagswahl ergreifen würde? Pistorius: Es kommt entscheidend darauf an, die Bundespoli-

Pistorius: Was die Frage einer Neuauflage betrifft, bin ich zurückhaltend, auch wenn es natürlich immer gut ist, wenn die Beteiligten miteinander trainieren. Künftig werden wir hinsichtlich des Charakters solcher Übungen aber umdenken müssen. Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Cyber-Übung über den GETEX-Ansatz hinaus. Bei dieser Übung muss es darum gehen, angemessen auf IT-Angriffe auf Kritische Infrastrukturen reagieren zu können. Die letzten Hacker-Angriffe waren nur ein Vorbote auf das, was noch auf uns zukommt. Darum ist es wichtig, dass die Innenministerkonferenz auf niedersächsischen Vorschlag dazu einen Beschluss gefasst hat.

zei personell zu stärken. Und das noch stärker als bisher schon. Des Weiteren müssen der grenzüberschreitende Informationsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Sicherheitsbehörden verbessert werden. Und noch etwas ist wichtig: Es bedarf eines wirksamen europäischen Grenzschutzes an der Schengen-Außengrenze. Dass es den beim gleichzeitigen Wegfall der Binnengrenzen bis heute nicht gibt, ist ein schwerer Geburtsfehler des vereinten Europas. Das ist eine der wichtigsten gesamteuropäischen “Mit einer Speicherung Aufgaben der k o m m e n d e n beim Verfassungsschutz Jahre. an sich wird noch keine

Behörden Spiegel: In den kommenStraftat verhindert.” den fünf JahBehörden ren scheiden Spiegel: Könnten Sie sich eine ergebnisoffene 60.000 Polizeibeschäftigte alDiskussion darüber vorstellen, tersbedingt aus. Reichen die biswie ein Netzwerk von Verfas- herigen Bemühungen aus, diese sungsschutzdienststellen flä- absehbare Lücke zu füllen? chendeckend bedarfsorientiert Pistorius: Bei der niedersächbundesweit neu organisiert wersischen Polizei wird es keine Deden sollte? fizite in den Stellenplänen und Pistorius: Bevor man darüber auch keine demografische Delle nachdenkt, bedarf es zunächst geben. Wir haben eine ausreieinmal einer stärkeren Nutzung chende Zahl an Vorratseinstelder Zentralstellenfunktion des lungen eingeplant, und zwar Bundesamtes für Verfassungs- schon vor einigen Jahren. schutz und des BundeskriminalBehörden Spiegel: Die gute amtes. Letzteres muss auch sein Selbsteintrittsrecht vermehrt Lage für Arbeitssuchende führt nutzen, auch darüber haben wir in einigen Bereichen des Öffent-

den Öffentlichen Dienst zu finden. Wir haben weiter sehr gute Bewerberinnen und Bewerber. Deshalb überlegen wir auch nicht, die Mindestanforderungen an die Bewerber herabzusenken. Wir sind als Arbeitgeber sehr attraktiv aufgrund unserer Arbeitszeitmodelle, der Vielfalt der Aufgaben, der Sicherheit der Stellen und der Beförderungsmöglichkeiten. Und auch in der freien Wirtschaft ist übrigens nicht alles Gold, was glänzt.

Behörden Spiegel: Ihr Haus ist im Kampf gegen Kindermissbrauch sehr aktiv. Einen besonderen Fokus legen Sie dabei auf das Internet. Wäre es nicht sinnvoll, diese erfolgreiche Arbeit auch auf die Bundesebene zu bringen, etwa durch die Innenministerkonferenz? Pistorius: “White IT” hat sich bewährt und ich bin sehr froh über diese Initiative, hier bewegt sich viel. Ich bin mir aber nicht sicher, ob man diese Idee an der Bundesebene aufhängen sollte. Ich denke, das ist bei uns in den Ländern sinnvoll angegliedert. Behörden Spiegel: Anfang September steht der “Tag der Niedersachsen” in Wolfsburg an. Was für eine Herausforderung ist ein solches dreitägiges Groß– ereignis für die Sicherheitsbehörden? Pistorius: Die Polizeibehörden und die Stadtverwaltung Wolfsburg stehen in enger Abstimmung. Das Sicherheitskonzept wird ständig lageangepasst aktualisiert, zum Beispiel haben wir erstmals ein zweigliedriges Akkreditierungssystem installiert. Sowohl die Polizei als auch die Stadt Wolfsburg tun alles Notwendige, um die Sicherheit der Teilnehmer dieser Großveranstaltung zu gewährleisten. Das, was getan werden kann, wird getan werden. Aber eines ist auch klar: Einhundertprozentige Sicherheit gibt es im öffentlichen Raum nie. Meine Erfahrung ist, dass die Menschen das wissen und dass sie sehr besonnen mit dieser Erkenntnis umgehen.

www.polizeitage.de

Veranstaltungsübersicht

POLIZEITAGE 2017

18. Oktober // Dresden

6. Dezember // München

Eine Veranstaltung des Behörden Spiegel und der Gewerkschaft der Polizei (GdP)

Updates zu Themen und Termin en: www.polize itage.de


Polizeitag Berlin

Behörden Spiegel / Juli 2017

A

uf diese Zahlen wies kürzlich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Dr. Günter Krings, hin, als er betonte: “Die Bereitschaftspolizei ist ein wesentlicher Bestandteil der polizeilichen Einsatzbewältigung.” Um dieser Rolle gerecht werden zu können, benötigten die Einheiten, die zumindest auf der Ebene des Bundes in den kommenden Jahren sukzessive personell verstärkt werden sollen, jedoch auch eine zeitgemäße Ausrüstung. Und das sei nicht alles, prognostizierte der Parlamentarische Staatssekretär: “Die Bereitschaftspolizeien haben gewaltige Herausforderungen zu bewältigen.” Denn: Nicht nur Großevents, sondern auch kleinere Veranstaltungen blieben eine Herausforderung für die Sicherheitskräfte, weil sie ein sogenanntes weiches Ziel für Terroristen darstellten. Darüber hinaus stehe die Polizei bei politischen Straftaten zunehmend zwischen den verschiedenen Fronten und werde dabei oftmals selbst zur Zielscheibe von zum Teil massivster Gewalt und Aggressivität, warnte Krings.

Bessere Ausstattung angekündigt Deshalb verlangte er: “Angriffe auf Polizeibeamte – ebenso wie auf Mitarbeiter von Feuerwehren und Rettungsdiensten – müssen besonders konsequent und hart geahndet werden.” Außerdem kündigte der Bundestagsabgeordnete eine zahlenmäßige Erhöhung sowie eine Verbesserung der Körperschutzelemente bei den Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern an. So sollen deren Mitglieder unter anderem mit einem Schutz zur Vorbeugung von Blendungen beim Ablöschen von pyrotechnischen Erzeugnissen ausgestattet werden. Des Weiteren sollen die Beamten flammhemmende Bekleidung erhalten. Diese verbesserte Ausrüstung scheint auch dringend erforderlich. Denn, so ist Clemens Murr, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes der Gewerkschaft der Polizei (GdP), auf dem Berliner Polizeitag des Behörden Spiegel und der Interessensvertretung überzeugt: “Ohne die Bereitschaftspolizei

Geschlossene Einheiten unverzichtbar Ohne Bereitschaftspolizeien keine Großlagen mehr zu bewältigen (BS/Marco Feldmann) Die Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern sind durch zahlreiche Großeinsätze massiv gefordert. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben sie schon über 130 länderübergreifende Unterstützungseinsätze absolviert. 2016 waren bei 170 derartigen Anlässen knapp 67.000 Polizeivollzugsbeamte im Dienst. Allein die Bundesbereitschaftspolizei hat im letzten Jahr rund 3,3 Millionen Einsatzstunden abgeleistet.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), Dr. Günter Krings (CDU), wies auf die enorme Einsatzbelastung der Bereitschaftspolizeien, insbesondere jener des Bundes, hin.

Auf die zahlreichen Einsätze der geschlossenen Einheiten wies der Inspekteur der Bereitschaftspolizeien der Länder, Wolfgang Lohmann, hin. Deren Tätigkeitskalender für dieses Jahr sei bereits absolut voll.

wäre das Sicherheitsniveau in Deutschland mit Sicherheit niedriger.” Er begründete seine Ansicht mit der Vielzahl an Einsatzlagen, in denen Bereitschaftspolizisten gefordert seien. Dazu gehören unter anderem Demonstrationen, Unterstützungseinsätze für andere Bundesländer sowie die Absicherung von Großveranstaltungen wie etwa Fußballpartien, Karnevalsumzüge, das Münchner Oktoberfest oder die Kieler Woche.

nicht einmal mehr ein komplett dienstfreies sogenanntes “Betonwochenende”. Des Weiteren würden in den Bereitschaftspolizeiabteilungen und Hundertschaften des Öfteren die Bestimmungen zur maximal zulässigen Wochenarbeitszeit verletzt, bemängelte Murr. Zudem stimmten dort nur selten der tatsächliche und der auf Papier fixierte Personalbestand überein. Angesichts des Umstandes, dass die Zahl der Anforderungsersuchen durch die Länder an die Bereitschaftspolizeien zunähmen, ein laut Gewerkschafter unhaltbarer Zustand. Auch, was die Ausrüstung angeht, sah Murr dringenden Handlungsbedarf. So sei, weil der Sonderwagenbestand der Bereitschaftspolizei absolut veraltet sei, eine Modernisierung des Fuhrparks zwingend erforderlich. Diesbezüglich unterstrich er: “Die Sicherheit unserer Einsatzkräfte muss höchste Priorität haben.” Bisher sei es nämlich so, dass die Ausstattung der Kräfte eine Intervention in der ersten Phase einer Terrorlage unmöglich mache. Dies liege unter anderem im man-

Immer mehr Flexibilität erforderlich Und Murr ist sich sicher, dass ohne die Hilfe der Bereitschaftspolizeien keine Landespolizei mehr einsatzfähig sei. Er wagte die Aussage: “Ohne die Bereitschaftspolizei wäre die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht möglich.” Diese zentrale Bedeutung der geschlossenen Einheiten habe jedoch auch negative Folgen für die Bereitschaftskräfte, kritisierte der Gewerkschafter. So müssten diese immer flexibler agieren und hätten oftmals

gelnden ballistischen Schutz der Einsatzkleidung begründet. Nicht nur deshalb müsse der Etat des Inspekteurs der Bereitschaftspolizei von derzeit 20 auf künftig 50 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden, schloss Murr. Eben dieser, Wolfgang Lohmann, wies bei der Veranstaltung in der Bundeshauptstadt auf die riesigen Einsatzzahlen der Bereitschaftspolizeien von Bund und Ländern hin und verdeutlichte: “Unsere Kräfte sind rund um die Uhr im Einsatz.” Und ergänzte: “Der Einsatzkalender der Bereitschaftspolizeien für dieses Jahr ist voll.” Angesichts der zahlreichen Lagen, die die Beamten zu bewältigen hätten und fast 81.000 Vollzugskräften, die allein in diesem Jahr bereits bei länderübergreifenden Einsätzen ihren Dienst versahen, berichtete Lohmann: “Die Bereitschaftspolizeien stellen einen unverzichtbaren Baustein in der Sicherheitsarchitektur dar.” Zudem zeigte er sich überzeugt: “Grundsätzlich sind die Bereitschaftspolizeien in der Bundesrepublik gut aufgestellt.”

Längere Verweildauer erstrebenswert Ungeachtet dessen sei jedoch eine gegenseitige Abstimmung der Einsatzphilosophien und -konzepte zu empfehlen. Des Weiteren müsse eine längere Verweildauer des einzelnen Beamten in der geschlossenen Einheit angestrebt werden. Zugleich verlangte der Inspekteur, dass auch die Länder in die Bereitschaftspolizeien investieren müssten. Sie umfassten immerhin rund 16.000 Beamte, weshalb das nicht nur eine Aufgabe des Bundes sein dürfe. Dieser gebe übrigens die meisten Mittel für Anschaffungen im Bereich der Personenmobilität der geschlossenen Einheiten aus. Ebenfalls Reform- und An-

Ausstattung muss schneller modernisiert werden Bundestagsabgeordnete verlangen kürzere Beschaffungsfenster (BS/mfe) Die neuen Sonderwagen fünf für die Bereitschaftspolizeien sollen erst innerhalb der kommenden zehn Jahre erworben werden. Und auch das nur auf der Basis vorhandener Haushaltsmittel. Doch an diesem langen Zeithorizont regt sich Kritik. selbst als Bereitschaftspolizist tätig war. Er war der Auffassung, dass die einzelnen Landesregierungen beziehungsweise Innenministerien etwa bei Beschaffungen für die Sicherheitsbehörden stärker zusammenarbeiten könnten. Dies würde seiner Meinung nach zu bundesweit einheitlichen Standards und Kosteneinsparungen beitragen.

So stellte etwa die SPD-Bundestagsabgeordnete Susanne Mittag, die für die Sozialdemokraten im Innenausschuss sitzt, klar: “Es kann nicht sein, dass die Ausstattung der Bereitschaftspolizei derart langsam erneuert wird.” Das dürfe nicht zu lange dauern und die ZehnJahres-Frist “geht gar nicht”, so die Delmenhorster Parlamentarierin und ausgebildete Polizeivollzugsbeamtin.

Bund kann nicht alles übernehmen Zustimmung für diese Mahnung erhielt Mittag von Irene Mihalic, die für Bündnis 90/ Die Grünen im Innenausschuss vertreten und ebenfalls gelernte Polizistin ist. Sie stellte schlicht fest: “Die Ausrüstung muss einfach passen.” Zugleich müsse aber auch geklärt werden, welche Einheiten welche Art von Ausrüstung tatsächlich bräuchten. Eines dürfe dabei aber nicht in Vergessenheit geraten, meinte Mihalic: “Der Bund muss seinen Verpflichtungen nachkommen, auch im Bereich der Bereitschaftspolizei.”

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Mehr Mittel erforderlich Mehrere Bundestagsabgeordnete und ein Vertreter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) diskutierten über angemessene Ausrüstung für die Bereitschaftspolizeien und langwierige Beschaffungsvorhaben (v.l.n.r.): Frank Tempel (Linke), Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen), R. Uwe Proll (Moderator), Clemens Murr (GdP), Susanne Mittag (SPD) und Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU-Fraktion). Foto: BS/Feldmann

Diesbezüglich wollte Dr. Reinhard Brandl, Mitglied des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag, nicht grundsätzlich widersprechen. Gleichwohl wies er darauf hin, dass die erste Verantwortung des Bundes bei der Bundesbereitschaftspolizei liege. Und eines dürfe seines Erachtens nicht passieren, so der CSUAbgeordnete: “Wir dürfen die Investitionsdefizite der Länder bei

den Bereitschaftspolizeien nicht auf den Bund abschieben. Diese darf und kann der Bund nicht schließen.” Aus diesem Grunde dürfe der Bund in Zukunft auch nicht für die komplette Ausstattung aller Bereitschaftspolizeien verantwortlich sein. Eine bessere Kooperation der beiden staatlichen Ebenen schließe das jedoch keineswegs aus, unterstrich der LinkenAbgeordnete Frank Tempel, der

Auf die große Bedeutung der geschlossenen Einheiten für die Sicherheit hierzulande machte schließlich Clemens Murr, Mitglied im Geschäftsführenden Bundesvorstand der GdP, aufmerksam. Er konstatierte: “Ohne die Bereitschaftspolizei ist heutzutage keine Großlage mehr zu bewältigen.” Um die geschlossenen Einheiten aber auch in Zukunft einsatzfähig zu halten, sei ein deutlich höherer Etat des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder erforderlich. Dieser müsse von derzeit 20 Millionen Euro pro Jahr auf 50 Millionen Euro jährlich anwachsen, verlangte Murr.

passungsbedarf zeigte Thomas Hampel, Inspekteur der Bayerischen Polizei, auf. Er war der Überzeugung, dass es angesichts neuer Bedrohungslagen aufseiten der Sicherheitsbehörden eines neuen, überarbeiteten taktischen Verständnisses bedürfe. Das gelte auch für die Bereitschaftspolizeien, die in entsprechende Überlegungen und Konzepte einbezogen werden müssten. Dies nicht zu tun, sei “ein großer Fehler gewesen”, meinte Hampel. Zudem komme es darauf an, das Meldeverhalten zu verändern. Künftig müssten bei Großlagen andere Bundesländer schneller informiert werden, um eine zeitnahe Alarmierung der Bereitschaftspolizei gewährleisten zu können. Für diese unbedingt erforderlich Systemkomponente gelte nämlich: “Sie ist nicht der, aber ein Eckpfeiler der Sicherheit in Deutschland.”

seits meistern. Hinzu komme, dass die Grenzproblematik noch nicht beendet sei. Des Weiteren müssten künftig neue Wege gefunden werden, um Informationen schnell an die Einsatzkräfte weitergeben zu können. Bei alledem müsse aber darauf geachtet werden, die Beamten bei der Reform mitzunehmen, verlangte Hampel. Außerdem forderte er: “Die Polizei darf sich nicht schlechter reden, als sie ist.” Dies scheint teilweise aber gar nicht so einfach zu sein, wenn man Dr. Alexander Schmelzer glaubt. Der heutige Leiter der Bundespolizeiinspektion Magdeburg und frühere Doktorand an der Deutschen Hochschule der Polizei erläuterte nämlich: Ab 2007 konnten nicht mehr alle Anforderungsersuchen an die Bereitschaftspolizeien erfüllt werden.

Polizei muss Spagat meistern Gleichwohl stünden die Polizeien in der Bundesrepublik vor einigen Herausforderungen, verdeutlichte der Inspekteur aus dem Freistaat. So müssten sie den Spagat zwischen einem bürgernahen Auftreten einerseits und effektiven FirstResponse-Fähigkeiten anderer-

Clemens Murr aus dem Geschäftsführenden Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstrich die Bedeutsamkeit der Bereitschaftspolizei für die Sicherheit in Deutschland. Fotos: BS/Feldmann

Glasscheiben reichen nicht Unternehmen präsentieren Neuerungen (BS/mfe) Die Technik im Sicherheitsbereich entwickelt sich fortlaufend weiter. So erfüllten inzwischen ausschließlich Fahrzeugscheiben aus Polycarbonat, also Kunststoff, noch die Bedingungen der Technischen Richtlinie der Polizei. Außerdem nehmen die aufgrund der Nutzung digitaler Beweismittel anfallenden Datenmengen erheblich zu, was technische Lösungen zur Entlastung der eingesetzten Beamten erfordert. Im Hinblick auf die Verglasung von Einsatzfahrzeugen betonte Adrian Jochum von der KRD Sicherheitstechnik GmbH dabei, dass nur Kunststoffscheiben die Insassen ausreichend vor Verletzungen schützten und gleichzeitig den Einsatzwert eines Polizeifahrzeuges im Falle einer Attacke erhielten. Bei Glasscheiben sei dies hingegen mittlerweile nicht mehr der Fall. Ebenfalls kritisch sah er Schutzgitter und Splitterschutzfolien an Polizeifahrzeugen. Erstere gingen mit einem hohen Konfliktpotenzial einher, Letztere seien nur ein NotfallHilfsmittel und böten einen deutlich niedrigeren Schutz als Kunststoffscheiben, welche es als Mono- und Verbundscheiben gebe. Jochum zeigte sich aber auch alarmiert. Im Jahre 2014 sei die Technische Richtlinie der Polizei verändert worden. Damals sei der Prüfbereich von Fahrzeugscheiben reduziert und der Eckbereich ausgelassen worden. Dies könne aber zu einer höheren Gefährdungslage für die Beamten im jeweiligen Fahrzeug führen, warnte Jochum.

Hardware alleine ist nicht alles Christian Scherf, Country Manager Deutschland bei der Axon Public Safety Germany SE, hingegen widmete sich den bisherigen Erfahrungen mit Bodycam-Pilotprojekten in der Bundesrepublik. Dabei machte er klar, dass das Datenvolumen digitaler Beweismittel umso mehr zunehme, je länger dieses Beweismittel im Einsatz sei. Dann stellten sich rasch

Herausforderungen im Hinblick auf die Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe der erhobenen Daten. Hier könne Technik die Beamten deutlich entlasten, zeigte sich Scherf überzeugt.

Waffensysteme und Dienstkleidung Tobias Maier von Heckler & Koch wiederum machte deutlich, dass die Präzision einer Waffe nicht nur vom Kaliber abhängt, sondern ein komplexes Zusammenspiel von Waffensystem und Munition (Geschossform und Geschossgewicht) ist. Die Pistolenmunition 9mm x 19 habe physikalische und ballistische Grenzen. Zudem unterstrich er, dass es einer ausreichend hohen Geschossenergie und speziellen Munitionsart bedürfe, um etwa ein Fahrzeug effektiv zum Stillstand zu bringen. Sei diese Energieform nicht groß genug, könnten Geschosse beispielsweise nicht in den Motor eindringen und diesen außer Betrieb setzen. Auf die an einen ballistischen Helm zu stellenden Anforderungen ging Edwin Busch von der Busch GmbH & Co. KG ein. Einem ganz anderen Thema widmete sich Jörg Diekmann von Hohenstein Laboratories. Er präsentierte Testmöglichkeiten für Dienstkleidung. Diese könne unter anderem hinsichtlich ihres Regen- und Sonnenschutzes oder auch in Bezug auf ihre Metrik hin kontrolliert werden. Gleiches gelte für das Brennverhalten der Textilien, die bei erfolgreicher Prüfung mit einem entsprechenden Zertifikat versehen werden könnten.


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u Hunderten wurden Männer, Frauen und Kinder, die fliehen wollten, nach ihrer Festnahme öffentlich exekutiert oder auf der Flucht erschossen – unter anderem von einem ly­ bischen Scharfschützen des Daesh. Irakische Armeeeinheiten berichten von erschreckend vielen Massengräbern, die sie auf ihrem Vormarsch finden. Widerstandsnester und Anschläge machen auch heute noch den befreiten Osten der Stadt nicht sicher. Kein Zweifel: Mossul ist nach neunmonatigem Kampf gefallen. Mossul, die mit einst fast drei Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt des Iraks, die einstige Hochburg des Daesh, die dieser 2014 handstreichartig gestürmt hatte und die im Juni 2014 historischer Schauplatz der Selbst­Inthronisation des “Kalifen Ibrahim” (einst: Abu Bakr al-Baghdadi) war. Dort rief dieser von der Kanzel der Al­ Nouri­Moschee sein Kalifat, den “Islamischen Staat” aus. Wie wir heute wissen, ein Reich des Terrors und der Scharia. Nach Berichten der Vereinten Nationen (UN) flohen fast 800.000 Menschen aus Mossul, die Aufnahmelager für Flüchtlinge sind zum Bersten gefüllt. Es herrschen Wasserknappheit und Hungersnot und es mangelt an medizinischer Versorgung und Stromversorgung. Eine humanitäre Katstrophe steht unmittelbar bevor.

Menschen in Rakka leiden Gleichzeitig mit dem Fall der irakischen Großstadt Mossul sind Kampfeinheiten des kurdisch­arabischen Bündnisses der Syrian Democratic Forces (SDF) von Westen her nach Rakka, der letzten verbliebenen Hochburg und “Hauptstadt” des Daesh­Reiches in Syrien, vorgedrungen. Der Endkampf entbrennt. Auf dem Höhepunkt der Daesh­Herrschaft lebten in Rakka rund 300.000 Menschen. Zigtausende sind in den vergangenen Monaten unter höchster

Was macht ein Kalif ohne Kalifat? Westen wird sich noch länger gegen Terrororganisationen engagieren müssen

der vom Daesh besetzte Osten der irakischen Großstadt im Januar dieses Jahres. Im Westen kämpfen derzeit die zurückgelassenen kleineren Was macht ein Kalif, wenn er Daesh-Einheiten nur noch in Teilen der Altstadt erbittert einen aussichtslosen und vielleicht gerade deshalb für sie “ruhmvollen” letzten Kampf sein Kalifat verliert? Er geht um Straßen, Häuser und Ruinen. Dafür wird die Zivilbevölkerung, auch die aus dem Umland, gekidnappt und als Geisel und menschliche Schutz- mit seinen Jüngern auf Wanderschaft und trägt seinen imschilde missbraucht.

Serie TERRORZIELE (TEIL 10) Lebensgefahr geflohen. Nach UN­Schätzungen sollen derzeit nur noch etwa 160.000 Menschen dort leben. Auch in Rakka und in den umliegenden Flüchtlingslagern herrschen Durst, Hunger, Not und Elend. Über 40.000 Kinder sind unmittelbar vom Tode bedroht.

Nur noch eine Enklave unter Islamisten-Kontrolle Nach Rakka ist nur noch Deir al­Sor die letzte größere syrische Stadt, in der sich zumindest noch eine Enklave unter Kontrolle des Daesh befindet. Dort leben mehr als 100.000 Zivilisten. Die Lage ist extrem komplex und unübersichtlich. Pro­ und Anti­Assad­Kämpfer stehen sich kleinräumig gegenüber. Die Kollateralschäden an Zivilisten und Verbündeten nehmen überhand. Der Luftraum in Syrien ist überfüllt: Syrische, russische, amerikanische, arabische und israelische Flugzeuge fliegen permanent Angriffe, zuweilen mit falschen Koordinaten oder gegen Daesh­Stellungen, die in zivilen Gebäuden und Einrichtungen versteckt sind. Nachdem al-Baghdadi im Oktober 2016 einen Putschversuch seiner eigenen “Islamischen Polizei” in letzter Minute blutig niederschlagen konnte, ist er noch vorsichtiger, noch unsichtbarer geworden. Ganz sicher wird er seinen Daesh auch nach einer vollständigen militärischen Nie-

derlage im Irak und in Syrien nicht aufgeben. Ganz seinem historischen Vorbild Mohammed folgend, begann er die islamistische Expansion nach Asien, Afrika und Europa. Früh schon fingen die Verlagerungen der mittleren und oberen Führungsebenen nach Asien und Nordafrika an, insbesondere nach Libyen, der Sahara und dem Sinai. Al-Baghdadi gestand in einer “Abschiedsrede” lediglich die militärische Niederlage ein, rief seine Mitstreiter auf, sich im Gebirge zu verschanzen und verkündete eine strategische Neuausrichtung unter den geänderten Bedingungen. Der IS wird seine Strategien recht bald ändern müssen, denn er muss seinen Anhängern nun etwas anderes bieten, um sich als führende Terrororganisation zu präsentieren, die letztlich die Weltherrschaft anstrebt.

Daesh wandelt sich Schon 2009 wurde der heutige “Islamische Staat”, der damals noch anders hieß, von US­Generälen totgesagt – eine fatale Fehleinschätzung. Wie damals zieht sich die Terrormiliz nur zurück, um zu regenerieren, neue Kräfte zu rekrutieren, sich neu zu bewaffnen und zu formieren. Danach will sie mit neuer Kraft zuzuschlagen – ganz in Linie zu ihrer Doktrin des ewigen Kampfes zur Unterwerfung des Abendlandes und der Eliminierung aller Ungläubigen. Grundsätzlich wandelt sich der Daesh von einer Terrormiliz zur Terrororganisation – und nähert sich damit al­Qaida an.

Berlin plant Staatsvertrag zu gemeinsamer TKÜ (BS/mfe) Berlin will einen Staatsvertrag mit Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen über die Errichtung eines Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums (GKDZ) schließen. In dieser Anstalt öffentlichen Rechts soll die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) der fünf Bundesländer zentralisiert werden.

Gemeinsame Einrichtung soll Synergien heben Vom GKDZ verspricht sich die Bundeshauptstadt eine Entlastung der beteiligten Polizeibe-

hörden sowie Synergien. Immerhin müsste dann nicht mehr jede Landesregierung eigene TKÜ­ Technik vorhalten.

Für Analyse bleiben Länder zuständig Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte zu dem Vorhaben: “Mit Blick auf die rasante technische Entwicklung – zum Beispiel im Bereich der Verschlüsselungstechnik – müssen auch die Strafverfolgungsbehörden auf der Höhe der Zeit bleiben.” Das betreffe die länderübergreifende Zusammenarbeit genauso wie die gemeinsame Anschaffung und Nutzung mo-

dernster Technik, so der Ressortchef. Er wies jedoch auch darauf hin, dass die Zuständigkeit zur Anordnung von TKÜ­Maßnahmen und die Auswertung des aufgezeichneten Materials trotz des geplanten Gemeinsamen Zentrums weiterhin bei den einzelnen Landesbehörden lägen. Dazu würden die Daten für jedes Bundesland separat gespeichert und verarbeitet. Das GKDZ soll 2019 in Leipzig und Dresden seine Arbeit aufnehmen. Zuvor muss der Staatsvertrag aber noch von allen involvierten Landesregierungen unterzeichnet und von den Parlamenten ratifiziert werden.

MELDUNG

Finanzpolizei gefordert (BS/mfe) “Wir brauchen in Deutschland eine schlagkräftige Finanzpolizei im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen.” Diese Forderung erhebt Frank Buckenhofer, Vorsitzender des Bezirks Zoll in der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die neue Einheit solle sich aus allen Vollzugskräften der Zollverwaltung zusammensetzen, meint er. Buckenhofer verlangt: “Der Zoll darf nicht länger nur reine Finanzverwaltung mit ange-

Anfang Juni berichtete das syrische Staatsfernsehen sogar, er sei gefallen. Beweise dafür stehen bis dato allerdings aus.

Der Kampf ist noch nicht vorbei (BS/Uwe Kranz) Nach Beginn der irakischen Mossul-Offensive im Oktober 2016 mit Unterstützung der US-geführten Anti-IS-Allianz fiel endlich

Kommt der Ost-Verbund?

Damit könnte – analog zum sogenannten Nord­Verbund aus Hamburg, Schleswig­Holstein, Bremen, Niedersachsen und Mecklenburg­Vorpommern – ein Zusammenschluss der östlichen Länder in diesem Bereich entstehen. Gleichwohl war die Entstehung des Nord­Verbundes ein langer, steiniger Weg. Nun soll dort bis 2020 ein Rechen­ und Dienstleistungszentrum in Hannover entstehen.

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hängten Polizeiaufgaben sein.” Ansonsten drohe die Gefahr, dass die Behörde von Tätern aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) abgehängt werde, warnt der Gewerkschafter. Um dies zu verhindern, will Buckenhofer einen Paradigmenwechsel beim deutschen Zoll sowie eine Aufstockung des Personals um 4.000 Kräfte. Für Letzteres rechnet er mit Kosten zwischen 400 und 500 Millionen Euro. Aber nur dann

sei der Zoll auch in der Lage, seine Aufgaben in der Dauerlast wahrzunehmen, ohne ständig auf die Bundes­ oder Landespolizei zurückgreifen zu müssen. Ansonsten könne der Zoll nicht “zum elementaren Bestandteil der polizeilichen Sicherheitsarchitektur Deutschlands werden”, warnte der Zöllner. Dabei sei genau das vonnöten: Der Zoll müsse als dritte Polizei des Bundes – neben Bundespolizei und Bundeskriminalamt – etabliert werden.

und zuständig für dessen “AusUwe Kranz, der Terrorexperte des Behörden Spielandseinsätze”, gel, prognostiziert, dass der Ungläubige in Kampf gegen islamistische den jeweiligen Terrororganisationen noch Heimatländern Jahre andauern wird. Und auf jede beliebige das, obwohl der “Islamische Art zu töten, statt Staat” in Syrien und im Irak in den Dschihad erhebliche Verluste verzeichzu reisen, zeigt nen muss. Wirkung. Mehr als 2.500 euroFoto: BS/Dombrowsky päische Daesh­ Kämpfer könnMehr denn je gilt es, für diese ten zudem in ihre alte Heimat Übergangszeit die von Osama zurückkehren. Jeder dritte von bin Laden propagierte Strategie ihnen soll gewaltbereit sein. der tausend Schnitte zu fürchWie viele der Flüchtlinge als ten. Diese besagt, dass viele ausgebildete Kämpfer gezielt kleinere und mittlere Anschläge vom Daesh entsandt worden genauso wirksam seien wie ein sind, bleibt unklar. Internatigroß angelegter Angriff in der onale Analysten schätzen die Dimension vom 11. September Zahl auf zwischen 60 und 100. 2001. Die Attentate der verganBei der Beurteilung der Lage genen Monate, die weltweit mit sind einige Erkenntnisse von Schusswaffen und Sprengstof- besonderer Bedeutung: Die fen aller Art, mit großen und klei- Lehren aus Afghanistan (2001) nen Fahrzeugen, mit Messern, und Irak (2007/2010) sowie das Äxten, Macheten und Hämmern vom Daesh selbst verkündete begangen wurden, sind über- Leitmotto “Wir sind gekommen, zeugender Beweis der Wirksam- um zu bleiben”, gilt für den keit dieser Strategie. Daesh selbst dann, wenn es Generationen bedarf oder wenn Aufforderung war wirksam seine Führer im Kampf fallen. Die Aufforderung von Abu Mo- Der Kalif selbst soll bei einem hammadal-Adnani, dem ehe- Luftangriff schon im Februar maligen Sprecher des Daesh schwer verletzt worden sein.

merwährenden Krieg in andere Länder und Kontinente. Das beweist er derzeit zum Beispiel in Afghanistan, wo der Daesh nach heftigen Kämpfen gerade große Teile der Region Tora Bora eingenommen haben soll, oder in den Staaten des Nahen Ostens sowie Nordafrikas. Das globale Worst­Case­Szenario nach dem Zerfall des Kalifats dürfte jedoch der dann eher mögliche Zusammenschluss von Daesh und Al­Qaida zu einer “Islamistischen Terror Union” sein. Sei es unter der Führung des (vielleicht noch lebenden) Kalifen oder des al­Qaida­Chefs Ayman al-Zawahiri. Eine andere Lösung gibt es nicht. Der Krieg in Syrien und im Irak mag zu Ende gehen. Der Kampf zwischen Gläubigen und Ungläubigen, somit auch der westliche Kampf gegen Daesh, al­Qaida, Jabhat al­Fateh, Boko Haram und die anderen, weltweit agierenden islamistischen Krebszellen, wird uns noch mindestens eine Dekade begleiten – so wie der Kampf zwischen Schiiten und Sunniten spätestens nach dem Fall des Kalifats nicht nur an Euphrat und Tigris entbrennen wird, sondern auch in Europa, sozusagen zwischen Themse und Donau.

Ablösung der MP5 hat begonnen MP7 als “First-Response-Waffe” für den Anti-Terror-Einsatz geeignet (BS/Marc Roth*) Der erste erfolgreiche polizeiliche Schusswaffengebrauch mit der Kompakt-Maschinenpistole MP7 fand in Deutschland bereits im Jahr 2007 statt. Nun rückt die Waffe auch als Bewaffnung für reguläre Polizeikräfte in den Fokus. Vor allem die hohe Durchschlagsleistung gegen Schutzwesten bei minimaler Hintergrundgefährdung macht die MP7 für polizeiliche Anti-Terror-Lagen zum gefragten Einsatzmittel. In den ersten 30 bis 60 Minuten einer Terrorlage müssen reguläre uniformierte Polizeikräfte auf sich alleine gestellt den Feuerkampf gegen terroristische Attentäter führen, bis Spezialkräfte eingreifen können. Die intuitiv konzipierte und vollständig beidseitige Bedienbarkeit machen die MP7 auch in Stresssituationen zu einem zuverlässigen Werkzeug für “First­ Response­Einsätze” durch Beamte, welche nur selten eine Maschinenpistole nutzen. Bei halbem Munitionsgewicht kann die MP7 mit identischer Feuerkraft (30 Schuss) wie die MP5 ausgestattet werden. Auf dem Waffengehäuse befindet sich eine sehr lange Picatinny­ Schiene. So kann auch volle Nachteinsatzfähigkeit hergestellt werden. Seitlich können Lampen und Laser­Licht­Module montiert werden.

Keine Auswahl mehr nötig Für deutsche Behörden empfehlen sich insbesondere die Munitionssorten der Firma RUAG “Action” (Deformationsgeschoss) für den Einsatz und “Zinn­Training” für die Ausbildung. Aufgrund des geringen Rückstoßes, der nur circa der Hälfte desjenigen der Patrone 9mmx19 entspricht, werden mit geringstem Ausbildungsaufwand auch von ungeübten Schützen in kurzer Zeit sehr gute Treffergebnisse erzielt. Die Flugbahn der 4.6mmx30 ermöglicht bei günstigster Einschussentfernung ohne Visierkorrektur zwischen null und 200 Metern durchgehend Brusttreffer. Aufgrund physikalischer Gegebenheiten muss beim Kaliber 9mmx19 zwischen Deformationsmunition und

In Großbritannien ist die MP7 schon seit Jahren bei uniformierten Polizeikräften im Einsatz und prägt auch das Londoner Straßenbild. Durch ihre kompakte, pistolenähnliche Erscheinung wirkt die MP7 im Vergleich zu konventioneller Maschinenpistole oder Sturmgewehr optisch eher unaufdringlich. Foto: BS/UK-MoD

Hartkern­Munition ausgewählt werden. Bei der 4.6mmx30 hingegen sind diese Fähigkeiten kombiniert in einem Munitionstyp vorhanden.

Baden-Württemberg geht voran Als waffenseitiger “Gehörschutz” kann die MP7 mit einem Signaturdämpfer oder einem sogenannten Druck­Dispenser ausgestattet werden. Mit der MP7­UTM (Kaliber 5.56mm­ UTM) steht ein sogenanntes Farbmarkier­System samt Schutzausstattung für realistisches Training zur Verfügung. Die Ablösung der MP5 durch die MP7 hat in der deutschen

Polizei begonnen. Derzeit werden in Baden­Württemberg die ersten regulären uniformierten Polizeikräfte flächendeckend mit der MP7 ausgestattet. Die MP7 ist dabei 1,5 Kilogramm leichter und deutlich kompakter als die MP5. Mit der MP7 kann die effektive Einsatzreichweite gegen Brustziele bis auf 200 Meter erhöht und somit gegenüber der MP5 verdoppelt werden. Gegen leichtere Schutzwesten kann mit der MP7 bei minimalstem Umfeldrisiko dieselbe Munitionssorte eingesetzt werden wie gegen ungeschützte Weichziele. Die Waffe bietet durch ihre lange Picatinny­Schiene alle waffenseitigen Voraussetzungen zur Realisierung verschiedener Optionen zur Herstellung der vollen optronischen Nachteinsatzfähigkeit.

MP7 exzellent geeignet In der Kategorie der sogenannten Nahbereichswaffen bestehen praktisch die munitionsseitigen Alleinstellungsmerkmale des schadstofffreien Sintox­Anzündhütchens sowie eines bleifreien Deformationsgeschosses. Für die Rolle als “First­Response”­Waffe” ist die MP7 aufgrund ihrer großen Einsatzreichweite in Verbindung mit minimalem Gewicht und Abmessungen, bei einfachster Bedienung und minimalem Rückstoß sehr gut geeignet. * Marc Roth ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Schusswaffen ab 1848, Schalldämpfer sowie Munition und als Prokurist in den Funktionen Leiter Produktstrategie und Leiter Sonderaufgaben der Heckler & Koch GmbH tätig.


Innere Sicherheit

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ehörden Spiegel: Was halten Sie von dem Vorschlag des Bundesinnenministers Dr. Thomas de Maizière (CDU), die Kompetenzen im Bereich des Verfassungsschutzes verstärkt beim Bund zu zentralisieren?

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“Jeder macht alles” muss nicht sein Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern müssen eng und strukturiert kooperieren

Behörden Spiegel: Handelt es sich bei dieser Form der Angriffe aus dem digitalen Raum nicht bereits um eine Vorform des Krieges?

(BS) Er will zwar keine Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz. Burkhard Lischka kann sich aber durchaus eine Fokussierung und Lischka: In gewissem Sinn Zentralisierung von Fähigkeiten in einem bestimmten Phänomenbereich in einer bestimmten Landesbehörde vorstellen. Dabei müsse aber immer schon: Das ist ein Krieg gegen Lischka: Unsere föderale Si- klar sein, wer welche Verantwortung trage, fordert der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Interview mit dem Behörden unsere Infrastrukturen. Solche Attacken werden in den komcherheitsarchitektur hat Stär- Spiegel. Die Fragen stellte R. Uwe Proll.

ken und Schwächen. Einerseits sind die Landesämter für im Sicherheitsbereich zu komVerfassungsschutz oder die men. Nicht jedes Landesamt für entsprechenden Abteilungen Verfassungsschutz muss sich in den Innenverwaltungen na- zwangsläufig mit Cyber-Abwehr türlich nah an den jeweiligen befassen. Szenen vor Ort und haben eiBehörden Spiegel: Was soll nen besonderen Zugang zu bestimmten Phänomenbereichen. das bringen? Ich halte daher auch nichts von Lischka: Durch solche FokusForderungen, die Landesämter für Verfassungsschutz in Zei- sierungen können spezielle Resten einer extrem angespannten sourcen und Kapazitäten freigeSicherheitslage wie dieser auf- setzt werden. Dann kann sich jede Behörde auf lösen zu wollen. ihre Stärken beAndererseits “Auf jeden Fall sinnen. Die derkommt es in unbrauchen wir in zeitige Sicherserer föderalen Deutschland endlich heitslage bietet Sicherheitsarchitektur leider ein Einwanderungs- sich geradezu exemplarisch immer wieder zu gesetz.” dafür an, über Informationssolche Zentraliverlusten. Zudem unterscheiden sich die sierungen und Fokussierungen Kompetenzen der Sicherheits- nachzudenken. Was es aber keibehörden auf Länderebene teil- nesfalls geben darf, sind weiße weise durchaus erheblich von- Flecken auf der Landkarte der Inneren Sicherheit hierzulande. einander. Behörden Spiegel: Wie könnten diese Informationsverluste vermieden werden? Lischka: Wir müssen zu einer guten, engen und strukturieren Zusammenarbeit der einzelnen Behörden kommen. Außerdem brauchen wir gemeinsame Bewertungen und Analysen, etwa im Bereich der Cyber-Abwehr oder beim Umgang mit Gefährdern. Behörden Spiegel: Und was muss noch getan werden? Lischka: Eines ist ganz besonders wichtig: Verantwortlichkeiten müssen eindeutig geregelt werden. Ebenfalls von großer Bedeutung wird es in der kommenden Legislaturperiode sein, zu Vereinbarungen mit den Ländern hinsichtlich eventueller Schwerpunktbildungen oder Arbeitsteilungen

Behörden Spiegel: Sind die deutschen Sicherheitsbehörden von ihrer Struktur her eigentlich noch zur Bekämpfung des modernen Terrorismus fähig? Lischka: Ja, das sind sie durchaus. Dafür müssen unsere föderalen Strukturen aber auch sinnvoll ineinandergreifen und es muss zu jedem Zeitpunkt klar sein, welche Behörde in welcher Lage welche Kompetenzen hat. Außerdem müssen sich diese Befugnisse sinnvoll ergänzen. Behörden Spiegel: Welchen Reformbedarf sehen Sie in diesem Bereich? Lischka: Auch wenn wir in den Ländern hochqualifizierte Spezialeinsatzkommandos haben, müssen auch die örtlichen Polizeidienststellen so ausgestattet sein, dass ihre Kräfte im Falle eines Terroranschlags die ersten

ressortieren. Dafür braucht es dann aber auch eine gute Zusammenarbeit dieser Ministerien. Behörden Spiegel: Themenwechsel: Sind parlamentarische Untersuchungsausschüsse ein wirksames Aufklärungsinstrumentarium?

Will die Landesämter für Verfassungsschutz nicht abschaffen oder in das Bundesamt integrieren: Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPDFraktion im Deutschen Bundestag. Außerdem plädiert er für ein Einwanderungsgesetz hierzulande. Foto: BS/Sebastian Schmidt

30 Minuten bis zum Eintreffen der Spezialeinheiten überbrücken können. Behörden Spiegel: Eine ganz andere Frage, Herr Lischka. Sollte das Thema Integration in der kommenden Legislaturperiode einen Schwerpunkt der Arbeit der Bundesregierung bilden? Lischka: Auf jeden Fall brauchen wir in Deutschland endlich ein Einwanderungsgesetz. Nur so können wir die Themen Asyl und Fachkräftezuwanderung trennscharf auseinanderhalten. Und außerdem könnten wir der Bevölkerung auf diesem Wege vermitteln, dass es eine eindeutige Trennung mit klaren Regeln zwischen Asyl auf der einen und Arbeitsmigration auf der anderen Seite gibt. Das könnten wir über ein jährlich neu zu justierendes Punktesystem erreichen. Behörden Spiegel: Welche Herausforderungen sehen Sie

im Bereich der Integration auf Deutschland zukommen?

Lischka: Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind auf jeden Fall ein sehr gutes Instrument, wenn es darum geht, bestimmte Problemlagen detailliert und tiefgründig aufzuarbeiten. Außerdem sind sie für Fälle geeignet, aus denen auch politische Handlungsempfehlungen abgeleitet werden sollen. Es gibt aber auch andere wirksame Möglichkeiten, Sachverhalte schnell aufzuklären. Das kann zum Beispiel auch durch einen Sonderermittler oder den Stab des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag erfolgen.

Lischka: Die Integration ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Legislaturperiode. Wir wollen, dass die Menschen Behörden Spiegel: Rechnen auch in Deutschland und der Sie eigentlich mit einer BeeinGesellschaft ankommen. Das flussung des Bundestagswahlwird eine Mammutaufgabe so- kampfes durch digitale Instruwohl für die Zugewanderten wie mente und Cyber-Waffen? auch die deutsche Bevölkerung. Lischka: Ich bin mir ziemlich Die Zugewanderten werden die deutsche Sprache erlernen und sicher, dass es Desinformationskampagnen auch in den Arbeitsmarkt “Verantwortlichkeiten und die Veröffentlichung aufgenommen müssen eindeutig einzelner Ewerden. Und geregelt werden.” Mail-Verkehre natürlich ist geben wird. es dazu nötig, dass sich die Menschen weiter- Dass es so kommen wird, zeigen schlicht und einfach die qualifizieren. Beispiele der Vergangenheit, Behörden Spiegel: In welchen zuletzt etwa in Frankreich und Ministerien sollte das Thema In- den USA. Es wäre blauäugig zu glauben, dass so etwas in der tegration ressortiert werden? Bundesrepublik nicht passieLischka: Es ist durchaus ver- ren könnte. Deutschland kann nünftig, das Thema in unter- sich diesbezüglich keineswegs schiedlichen Ministerien zu zurücklehnen.

menden Jahren und Jahrzehnten ein Stück der modernen Kriegsführung – sowohl durch Staaten als auch durch Kriminelle – sein. Das in dieser Legislaturperiode verabschiedete IT-Sicherheitsgesetz war im Kampf gegen diese Angriffe ein erster richtiger Schritt. Gleichwohl werden wir uns in der kommenden Legislaturperiode gemeinsam bemühen müssen, noch mehr Verbindlichkeit in die Rechtsvorschrift hineinzubekommen. Und das insbesondere im Hinblick auf die Kritischen Infrastrukturen. Behörden Spiegel: Welches wären die wichtigsten Projekte eines möglichen künftigen Bundesinnenministers der SPD nach der kommenden Bundestagswahl? Lischka: Es muss zum einen darum gehen, 15.000 zusätzliche Stellen bei den Polizeibehörden des Bundes und der Länder zu schaffen. Zum anderen brauchen wir eine deutlich bessere europäische Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich. Wir brauchen auf europäischer Ebene eine Institution wie das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum hierzulande. Es kann doch nicht angehen, dass wir nicht einmal über eine gemeinsame europäische Gefährder-Datenbank verfügen, auf die alle nationalen Sicherheitsbehörden Zugriff haben. Zudem spricht sich die SPD dafür aus, die “Koordinierungsstelle Organisierte Kriminalität” beim Bundeskriminalamt zu einer Spezialeinheit für Organisierte Alltagskriminalität auszubauen. Dadurch käme man – in Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden der Länder – viel besser an die Hintermänner dieser Taten heran und könnte die hinter den Delikten liegenden Strukturen deutlich besser aufklären.

Neue Schutzelemente im Freistaat

Forderungen präsentiert

Polizisten bekommen ballistische Schutzhelme und -westen

Deutsche Polizeigewerkschaft will Vision Zero realisieren

(BS/mfe) Bayerns Polizisten erhalten eine modernere ballistische Schutzausstattung. Ihre verschiedenen Elemente wurden kürzlich von Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU) und dem Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä vorgestellt. Zu den neuen Schutzelementen für die Vollzugskräfte gehören unter anderem hartballistische Schutzwesten, Schulter- und Tiefschutzteile sowie ballistische Helme.

(BS/mfe) Experten der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) haben 50 Thesen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit hierzulande aufgestellt und diese der Öffentlichkeit vorgestellt. In dem Papier fordern sie im Sinne der sogenannten Vision Zero, einem Straßenverkehr ohne Tote und Schwerverletzte, unter anderem die Schaffung eines sicheren und fehlerverzeihenden Systems Straßenverkehr.

Die einzelnen Komponenten können dabei – je nach Einsatzlage – miteinander kombiniert werden. Bis November dieses Jahres sollen laut Herrmann alle Streifenwagen sowie alle Transporter der Einsatzeinheiten im Freistaat mit den neuen Schutzelementen versehen werden. Der CSU-Politiker betonte in dem Zusammenhang: “Dieser Ausrüstungsumfang ist im Streifendienst in Deutschland einmalig und sollte bundesweiter Standard werden, um Polizeibeamte bei lebensbedrohlichen

Einsatzlagen besser zu schützen.”

Bayern investiert rund 30 Millionen Euro Die Landesregierung investiere für den besseren Schutz der Beamten rund 30 Millionen Euro, so der Ressortchef weiter. Damit erhalte jeder Polizist als Grundelement zum Beispiel eine sogenannte Funktionshülle. Dadurch könne die individuelle Schutzweste noch besser über der Uniform getragen werden. Darüber hinaus sei es gut mög-

Bayerns Polizeibeamte sind künftig deutlich besser gegen Angriffe – auch mit Maschinenpistolen – geschützt. Dafür gibt die Landesregierung Millionen aus. Foto: BS/Bayerische Polizei

lich, Einsatzmittel wie Funkgeräte oder zusätzliche Magazine zu verstauen. Zusätzlich werden rund 10.000 ballistische Ergänzungs-Sets angeschafft. Sie bestehen aus einem Tiefschutz mit größerer Schutzfläche sowie einem ballistischen Helm und einer entsprechenden Schutzweste. Letztere weist eine deutlich höhere Schutzklasse als bisher verwendete Modelle auf und hält auch Maschinenpistolenmunition ab.

Freistaat beschafft auch neue Dienstwaffe für Beamte Die neue ballistische Schutzausstattung ist aber nur ein Element von mehreren. So sollen parallel dazu die rund 32.000 Waffenträger bei der Polizei des Freistaates eine neue, modernere Dienstwaffe erhalten. Zusätzlich werden bei der Sicherheitsbehörde bis 2020 2.000 zusätzliche Stellen geschaffen. Eine konkrete Beschaffungsentscheidung, welches Waffenmodell erworben wird, ist allerdings noch nicht gefallen. Außerdem wird darüber nachgedacht, eventuell auch das Arsenal an Langwaffen zu modernisieren.

Des Weiteren plädieren die Fachleute für Rechtssicherheit in Bezug auf den Einsatz automatisierter Fahrsysteme. Diese müssten so gestaltet sein, dass sie vom Fahrzeugführer jederzeit übersteuert beziehungsweise abgeschaltet werden könnten. Zudem sprechen sich die DPolGVertreter dafür aus, die durch Verkehrsverstöße generierten Finanzmittel für Projekte zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu verwenden und ein europaweit einheitliches Punktesystem aufzubauen. Außerdem verlangen sie die Einführung der Halterhaftung auch in Deutschland und eine Mitwirkungspflicht des Fahrzeuglenkers bei Kontrollen. Komme der Fahrer dieser Verpflichtung nicht nach, solle dies wie eine begangene Tat geahndet werden. Dabei könne man sich an Österreich orientieren, heißt es.

Separaten Paragrafen einführen Darüber hinaus fordern die Gewerkschafter die Schaffung eines eigenen Straftatbestandes “Teilnahme an illegalen Rennen”. Es dürfe nicht sein, dass dieses Ver-

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat sich der Vision Zero, einem Straßenverkehr ohne Tote und Schwerverletzte, verschrieben. Um dieses Ziel zu erreichen, haben ihre Verantwortlichen nun ein Thesenpapier vorgelegt. Darin fordern sie unter anderem die Einführung der Halterhaftung auch in Deutschland. Foto: BS/Feuerwehr Brandoberndorf, CC BY-SA 2.0, flickr.com

halten bisher grundsätzlich nur als Verkehrsordnungswidrigkeit geahndet werde. Hier wurden kürzlich erste Schritte für eine Strafverschärfung eingeleitet. Zudem plädieren sie für die Einführung eines vollständigen Alkoholverbots für Kraftfahrzeugführer sowie die Abschaffung des Richtervorbehalts bei Blutentnahmen nach mutmaßlichen Fahrten unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. Vielmehr solle die Anordnungskompetenz bei

Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Verkehrsraum auf die Polizei übertragen werden, meinen sie. Weitere Forderungen der Verkehrssicherheitsexperten der DPolG sind das verbindliche Vorschreiben von Unfalldatenspeichern in allen Fahrzeugen, das gesetzliche Fixieren von Zugangsmöglichkeiten für die Polizeien zu digitalen Speicherdaten sowie die Beibehaltung der polizeilichen Unfallaufnahme in allen Fällen.


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us Sicht der einschlägigen Industrie ist Breitbandkommunikation für Sicherheitsbehörden kein Thema der Zukunft, sondern vielmehr eines der Gegenwart. Einige Hersteller rufen bereits den Beginn der PostTETRA/TETRAPOL-Ära aus. Danach sollen inzwischen alle von den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) geforderten MissionCritical-Funktionen wie zum Beispiel Gruppenruf, Push-toTalk, Direct Mode und isolierter Betrieb von Basisstationen auf der Basis von LTE standardisiert, erfolgreich implementiert und verfügbar sein. Die Realität zeigt sich beim Projekt des neuen Emergency Services Networks (ESN) auf der Basis von LTE (4G MCPTT) in Großbritannien. Der Start des ESN musste zum wiederholten Mal verschoben werden. Als neuer Starttermin wird nunmehr September 2020 angestrebt. Unbeschadet dessen sollen selbst beim Nachfolger von LTE – dem Mobilfunkstandard 5G – alle Grundanforderungen der Mission Critical Mobile Communication bereits 2019 oder 2020 standardisiert sein und unmittelbar danach als Produkt und Lösung zur Verfügung stehen. Vor einem Jahr war allerdings noch 2025 die Zielvorgabe.

Viele LTE-Sicherheitsnetze auf dem Weg Allen Zweifeln zum Trotz sind aber weltweit bereits heute viele Sicherheitsnetze auf der Basis von LTE in Planung, Erprobung oder Realisierung. Besonders viele Projekte laufen in den asiatischen Ländern. Das größte Netz entsteht derzeit in den USA. Dort wird im Rahmen einer Public Private Partnership von AT&T Inc. und dem US Department of Commerce ein landesweites, drahtloses Breitband-Netzwerk (FirstNet) für die Datenkommunikation der Strafverfolgungsbehörden, Feuerschutz- und Notfalldienste in Ergänzung zu deren der Sprachkommunikation gewidmeten Funknetzen errichtet. In Großbritannien wird derzeit das von Airwave errichtete TETRA-Netzwerk für die Sicherheitsbehörden durch ein Sprache und Daten integrierendes LTE-System abgelöst. In Frankreich läuft seit Anfang 2016 das Forschungs- und Entwicklungsprojekt “LTE4PMR”, um unternehmenskritische Breitbanddienste – inklusive einer fortschrittlichen mobilen Videoanwendung – zu erbringen.

Eigenes Kernnetz in Finnland Inzwischen liegt auch ein dreistufiges Phasenkonzept für eine Migration von TETRAPOL auf LTE/5G vor. Mit der in Kürze vorgesehenen Errichtung einer Service-Plattform, die einen gesicherten Breitbandzugang zu

Behörden Spiegel / Juli 2017

Wie weiter nach 2020? TETRA/TETRAPOL bleiben weiterhin primäre Funktechnologien (BS/Gerd Lehmann) Breitbandkommunikation ist die Zukunft des Digitalfunks der Sicherheitsbehörden, so lautet weltweit die Devise. Die Frage ist jedoch, wann beginnt die Zukunft des Digitalfunks von heute aus betrachtet? Ist das 2020, 2025 oder 2030 der Fall? MVNO-Netzen und anderen betreibt, soll in Kürze die erste Phase des Migrationskonzeptes in Angriff genommen werden. Die Migration soll zwischen 2025 und 2030 vollendet sein. In Finnland errichtet der Public-Safety-Netzbetreiber Virve ein eigenes Kernnetz, das über Server mit Standardschnittstellen ins kommerzielle Mobilfunknetz kommt und den Sicherheitsbehörden damit die Mitnutzung von LTE-Angeboten ermöglicht. Die besonderen Anforderungen für eine MissionCritical-Kommunikation werden dabei nicht erfüllt. Der belgische PSN-Betreiber ASTRD hat ein MVNO-Arrangement mit den drei dort agierenden kommerziellen Netzbetreibern Proximus, Base und Orange zur Mitnutzung derer Netze für Sprache und Daten jeweils mit entsprechender Bevorrechtigung der BOS-Nutzer vereinbart. Die Umstellung der Netze der kommerziellen Betreiber auf ein vollintegriertes SprachDaten-Netz auf LTE-Basis wird 2025 erwartet. In der Schweiz ist die Bereitstellung von Breitband für die Datenkommunikation der Sicherheitsbehörden durch die Integration eines eigenen dedizierten LTE-Kernnetzes und die Nutzung kommerzieller und eigener LTE-Funknetzzugänge in Vorbereitung.

LTE-basierte Breitbandnetze als Ergänzung Die Entwicklungstendenzen zeigen, dass TETRA und TE– TRAPOL mit wenigen Ausnahmen für die nächsten fünf bis zehn Jahre die primären Kommunikationstechnologien für die Mission-Critical-Nutzer bleiben werden. Wegen des hohen Bedarfs an Breitbandkommunikation ist aber zu erwarten, dass TETRA-/TETRAPOL-Netze mit zunehmender Tendenz durch LTE-basierte Breitbandnetze ergänzt werden. In der Mehrzahl der Fälle wird dies in Kooperation mit den Betreibern kommerzieller zellularer Netze geschehen. Dabei wird sich zeigen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Netzbetreiber bereit sind, Mission-Critical-Funktionen in ihre Netze zu implementieren. Dezidierte eigene Breitbandnetze werden wegen unzureichender Ressourcen (Frequenzen und Finanzen) der öffentlichen Hand bestenfalls in Ballungsgebieten errichtet werden. Der Vorhalt eigener mobiler LTE-Netzwerke für besondere

Einsatzlagen könnte sich als sinnvolle Option erweisen.

Zahlreiche Modernisierungen Die aufgezeigten Entwicklungstendenzen finden ihre Bestätigung auch in der Vielzahl der inzwischen angelaufenen beziehungsweise geplanten Modernisierungsmaßnahmen zur Sicherstellung der Funktionalität und des Werterhalts der TETRA-/TETRAPOL-Netze für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Exemplarisch seien an dieser Stelle genannt die Erneuerung von C2000 in den Niederlanden durch Hytera Mobilfunk, das Upgrade des Schweizer TETRAPOL-Netzes Polycom durch Airbus und Atos, die Modernisie-

rung der TETRA-Netze in Belgien und Mexiko City durch Airbus sowie das Modernisierungsvorhaben der deutschen BOS, das Ende dieses Jahres zur Ausschreibung kommen soll. Seit drei Jahren ist Breitbandkommunikation auch ein Thema bei den deutschen BOS. Strategiekonzepte, Expertenbefragungen und Hearings haben dazu beigetragen, dass inzwischen ein profundes theoretisches Wissen vorhanden ist. Nach einigen politischen Auseinandersetzungen konnten inzwischen auch 2-x-8-Megahertz-Spektrum im 700-Megahertz-Band für die Breitbandkommunikation der BOS gesichert werden. Für die Errichtung eines bun-

desweiten eigenen LTE-Netzes reicht dies natürlich nicht aus, zur Sammlung von praktischen Erfahrungen und einen ersten Einstieg aber allemal.

Erwartung blieb unerfüllt Die an die letzte Sitzung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) im Dezember letzten Jahres geknüpfte Erwartung von konkreten Entscheidungen für BOS-Breitbanddienste hat sich nicht erfüllt. Entschieden wurde die Modernisierung des TETRA-Digitalfunknetzes mit dem Ziel, die Funktionalität, die Verfügbarkeit und den

Werterhalt dieses Netzes bis mindestens 2030 sicherzustellen. Die in der Beschlussfassung enthaltene Maßgabe, bei der Modernisierung die offenen Bedarfe der Nutzer an mobiler Breitbandkommunikation zu berücksichtigten, heißt aber nicht viel mehr als: Die Möglichkeit darf nicht verbaut werden. Sicherlich durfte man von den Entscheidern nicht den Ehrgeiz und Mut erwarten, es den Briten gleichzutun und TETRA durch einen integrierten 4GSprach- und Breitbanddatendienst oder bereits durch den LTE-Nachfolger 5G abzulösen. Das in den letzten zehn Jahren mit einem Milliardenaufwand errichtete, weltweit größte auf dem TETRA-Standard basierende Netz wieder einzustampfen und ein neues, teures und risikobehaftetes Vorhaben zu starten, wäre auch politisch kaum vermittelbar. Aber eine Entscheidung für einen ersten Einstieg wäre ein Zeichen zukunftsorienierten Handelns.

Behörde goes digital! Polizeien automatisieren Sicherheitsüberprüfungen (BS/Stefan Evertz*) Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung werden in den nächsten Jahren vor allem durch zwei große Trends getrieben: Globalisierung und Digitalisierung. Denn während die Welt enger zusammenrückt, erhält die Digitalisierung Einzug in immer weitere Bereiche der öffentlichen Verwaltung. Für Behörden bieten sich hierbei erhebliche Chancen, die Effizienz zu steigern. Ein schönes Beispiel dafür, wie der technologische Fortschritt genutzt werden kann, um die Arbeit in der öffentlichen Verwaltung zu optimieren, ist die Sicherheitsüberprüfung bei den Landespolizeibehörden im Saarland und in Rheinland-Pfalz. In Deutschland werden alle Antragssteller für eine Aufenthaltsgenehmigung einer polizeilichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Ziel des Verfahrens ist es, registrierte Straftaten im Vorfeld einer möglichen Antragsbewilligung zu erkennen. Eine solche Überprüfung stellte bis vor Kurzem einen sehr zeit- und kostenaufwendigen Prozess dar.

Mithilfe der Integrationsplattform E2E BRIDGE können Sicherheitsüberprüfungen der Polizeibehörden nun automatisiert erfolgen. Dies entlastet die Sachbearbeiter erheblich. Grafik: BS/Scheer E2E AG

Manuelle Überprüfung nur noch bei Anomalien Sacharbeiter der Polizei überprüften jeden einzelnen Antrag und werteten verschiedene Daten aus mehreren Auskunftssystemen des jeweiligen Landes und des Bundes manuell aus. Da die Zahl der Antragssteller in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist, konnte die Antragsflut kaum noch bewältigt werden. Die Lösung des Problems lag in der Automatisierung des Prozesses. Hierzu haben die Polizeibehörden die Scheer E2E AG mit der Digitalisierung der Sicherheitsüberprüfung beauftragt. Die Scheer E2E AG betreut als Anbieter für Prozessoptimierung und Systemintegration seit über

20 Jahren Digitalisierungsprojekte in der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft. Die Automatisierung der Sicherheitsüberprüfung erfolgt über die Integrationsplattform E2E BRIDGE.

Neue Technik führt zu Zeitersparnis Der komplette Prozess wird nun automatisiert ausgeführt, protokolliert und überwacht. Alle betroffenen Auskunftssysteme werden eigenständig abgefragt. Sofern hierbei kein Treffer zu möglichen Straftaten vorliegt, wird automatisch eine entsprechende Stellungnahme an das

Bundesverwaltungsamt (BVA) übermittelt. Nur bei Auffälligkeiten wird den Sachbearbeitern ein Antrag zur manuellen Überprüfung bereitgestellt. “Durch das neue System sparen wir Zeit, notwendige Sicherheitsüberprüfungen werden schnell und sicher erledigt, wir entlasten Polizei und Landesverwaltungsamt, der bisherige Stau von Anfragen wird wegfallen”, sagt Klaus Bouillon, Innenminister des Saarlandes. Die manuellen Eingriffe sind auf ein Minimum reduziert worden. Etwa 85 Prozent der Aufträge werden komplett automatisiert bearbeitet. Gleichzeitig profitieren auch

die Antragssteller von kürzeren Wartezeiten. Aufgrund des großen Erfolges wird das Projekt auch auf andere Bereiche bei der Landespolizei ausgeweitet. Kleineren Behörden, wie beispielsweise Gemeinden, fehlt oftmals die nötige IT-Infrastruktur, um Antragsprozesse zu automatisieren. Deshalb wird das System 2018 um eine Portallösung für Gemeinden erweitert, über die jede beteiligte Gemeinde über eine Webanwendung Anträge einstellen und abholen kann. *Stefan Evertz arbeitet als Produkt Marketing Manager bei der Scheer E2E AG.

NEUE VERANSTALTUNG des Behörden Spiegel

BUNDESKONGRESS: Strafvollzug und Justizverwaltung 17. Oktober 2017, Bonn Auch der Straf- und Justizvollzug muss mit der Zeit gehen und sich den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen stellen. Die wichtigsten Themen, die der „Bundeskongress Strafvollzug und Justizverwaltung“ am 17. Oktober behandelt, sind dabei: ► Islamismus im Vollzug ► Zukunft des Berufsbildes des Justizvollzugsbeamten ► Künftige Entwicklungen in der Vollzugsgestaltung

www.justizverwaltung.eu


Behörden Spiegel / Juli 2017

Innere Sicherheit / Katastrophenschutzkongress

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Extremlagen nehmen zu

27 Jahre an THW-Landesspitze

Künftig immer mehr und heftigere Hochwasser- und Starkregenereignisse

Manfred Metzger hört in Berlin auf

(BS/Marco Feldmann) Starkregenereignisse und Hochwasserlagen werden in Zukunft quantitativ zunehmen. (BS/mfe) Manfred Metzger scheidet Ende September altersbedingt aus seinem Amt als THW-LandesbeaufDavon ist Dr. Herbert Trimbach, Vorsitzender des Arbeitskreises für Feuerwehrangelegenheiten, Rettungs- tragter für die Regionen Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt aus. Zu diesem Zeitpunkt geht der dann wesen, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung der Innenministerkonferenz (AK V der IMK), überzeugt. 65-jährige studierte Architekt und Stadtplaner in den Ruhestand. In der brandenburgischen Landesvertretung beim Bund in Berlin unterstrich der Ministerialdirigent, der den Vorsitz des Arbeitskreises zwei weitere Jahre innehaben wird: “Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.” Ähnlich äußerte sich der Bevollmächtigte des Landes Brandenburg beim Bund, Staatssekretär Martin Gorholt: “Nichts wäre teurer als ein ungebremster Klimawandel.” Zugleich machte er aber auch darauf aufmerksam, dass seit der Oderflut 1997 allein in der Mark auf einer Länge von 267 Kilometern Deiche modernisiert, neu gebaut oder zurückverlegt worden seien.

Hochwasserschutz berücksichtigen Der Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), Albrecht Broemme, wiederum sagte: “Der Natur- und der Umweltschutz gehören nahtlos zum Katastrophenschutz.” Des Weiteren verlangte der frühere Landesbranddirektor Berlins, der auch von seiner Einsatzerfahrung während der Überflutungen vor 20 Jahren berichtete, Hochwasser-Schutzprogramme naturnah und langfristig umzusetzen und Erkenntnisse aus dem Hochwasserschutz in die Bauleitplanung einfließen zu lassen. Der Abteilungsleiter für Risikomanagement im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Dr. Wolfram

werden, selbst wenn diese – insbesondere bei längeren Einsätzen - eine gute Ergänzung darstellten.

Die Mentalität muss sich ändern

Der Vorsitzende des Arbeitskreises fünf der Innenministerkonferenz (IMK), Dr. Herbert Trimbach aus dem Potsdamer Innenministerium, warnte vor einer Zunahme von Extremwetterereignissen in der Zukunft. Foto: BS/Dombrowsky

Geier, schließlich warnte: “Das Thema der Evakuierung im Katastrophenfall bleibt ein heißes Eisen und ist bisher ungelöst.”

Fähigkeiten der Bevölkerung ausbauen Deshalb gelte zum einen: “Krisenmanagement ist Chefsache!”, und zum anderen: “Der Auf- und Ausbau von Selbsthilfe- und Selbstschutzfähigkeiten der Bevölkerung sind ein absolutes Muss.” Man könne und dürfe sich bei Großschadenslagen nicht immer auf die Ressourcen der Bundeswehr verlassen, mahnte Geier. Auch dürften nicht zu viele Aufgaben auf Spontanhelfer abgewälzt

Ähnlich wie Geier äußerten sich noch weitere Teilnehmer der Tagung. So verlangten sie unter anderem, dass Elementarschadensversicherungen im Bewusstsein der Bevölkerung künftig an Relevanz gewinnen und eigentlich den gleichen Stellenwert wir Haftpflichtversicherungen haben müssten. Darüber hinaus wurde kritisch angemerkt, dass viele Bürger sich zu stark darauf verließen, dass sie der Staat nach einer Katastrophe finanziell unterstützen werde. Und das, obwohl derartige Hilfen nur unter engen Voraussetzungen gewährt würden. Ein weiterer Kritikpunkt war zudem die Tatsache, dass sich die Bundesbürger in der Regel erst dann für Fragen des Katastrophen- und Bevölkerungsschutzes interessierten, wenn sie selbst von einer Schadenslage betroffen seien. Vorher sei die Sensibilität oftmals nur schwach ausgeprägt. Es wurde aber keineswegs nur auf Defizite aufseiten der Bevölkerung hingewiesen. Vielmehr wurde ebenso bemängelt, dass das Grundlagenwissen im Bereich des Katastrophenschutzes auch in einigen Behörden – insbesondere auf der Ebene der Länder – verlorengegangen sei.

THW integriert zunehmend Flüchtlinge

Der am 5. September 1952 Geborene stammt aus Hessen und war vor seiner Zeit bei der Bundesanstalt Planungsbeauftragter im Berliner Bezirk Steglitz. Im Juli 1990 wurde er dann Landesbeauftragter für das damalige West-Berlin. Später war er in dieser Funktion für das gesamte Gebiet der heutigen Bundeshauptstadt verantwortlich. 1992 kam noch die Zuständigkeit für Brandenburg hinzu, 1995 die für Sachsen-Anhalt.

Nachfolgeentscheidung noch nicht gefallen Zudem war Metzger, der seit 1982 Lehrbeauftragter an der heutigen Beuth-Hochschule in Berlin ist, von 2003 bis 2014 auch für das THW in Sachsen und Thüringen zuständig. Ein Nachfolger für Metzger, der seit 2009 der dienstälteste von insgesamt acht THW-Landesbeauftragten deutschlandweit ist, steht noch nicht fest. Die Stellenausschreibung, bei der es sich voraussichtlich um eine interne im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums (BMI) handeln wird, soll in Kürze erfolgen.

Kontakte ins Ausland besonders wichtig Aber zumindest bis zum 30. September trägt Metzger in dem Landesverband, der über rund 100 hauptamtliche und 4.500 ehrenamtliche Mitarbeiter ver-

fügt, noch die Gesamtverantwortung. Dies bezieht sich vor allem auf das Funktionieren der Bereiche Personal, Haushalt und Einsatzbereitschaft. Zu dieser Führungs- und Leitungsfunktion kommen repräsentative Aufgaben hinzu, wobei Metzger als Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung, Hilfsorganisationen und regionaler Wirtschaft fungiert. Ganz besonders am Herzen habe ihm im Rahmen des grenzübergreifenden Katastrophenschutzes hierbei die Kontaktpflege nach Polen und in die Tschechische Republik gelegen, erläutert der baldige Ruheständler.

anderem der Schutz der Einsatzkräfte bei möglichen atomaren, biologischen oder chemischen Einsatzlagen. Und auch im Bereich des Zivilschutzes müsse sich das THW in der Zukunft neu aufstellen, mahnt der scheidende Landesbeauftragte für Berlin, Brandenburg und SachsenAnhalt. Metzger wurde, obwohl er noch bis Ende September die Amtsgeschäfte wahrnimmt, bereits im Rahmen eines Festaktes offiziell verabschiedet. An der Veranstaltung nahmen neben THWPräsident Albrecht Broemme auch Vertreter aus Polen und Tschechien teil.

THW muss sich verändern Grundsätzlich sieht Metzger in den kommenden Jahren zahlreiche neue Herausforderungen auf die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk zukommen. Dazu zählen der Terrorismus, der Klimawandel und der Ausfall Kritischer Infrastrukturen (KRITIS), unter anderem durch Cyber-Attacken. Diesbezüglich warnt er: “Unser Hauptproblem wird es sein, diese neuen Herausforderungen flächendeckend mit ehrenamtlichen Kräften zu bewältigen, wenn wir nicht umgehend damit beginnen, die Ausbildung und Ausstattung wie im vom Bundesminister des Innern bestätigten THW-Rahmenkonzepte neu auszurichten.” Dazu gehört seines Erachtens unter

1995 wurde der THW-Verband BerlinBrandenburg-Sachsen-Anhalt gegründet. Seither war Manfred Metzger dessen Landesbeauftragter. Und auch zuvor war der studierte Architekt und Stadtplaner im THW aktiv. Foto: BS/THW, Joachim Schwemmer

Keine harte Grenze Republik Irland will Brexit-Auswirkungen möglichst gering halten

(BS/mfe) Das Vereinigte Königreich will die Europäische Union (EU) verlassen. Die entsprechenden Verhandlungen haben bereits begonnen. Eines der wichtigsten Themen dabei ist die künftige Situation an der Grenze Rund 300 Asylbewerber engagieren sich ehrenamtlich in der Bundesanstalt zwischen der Republik Irland und Nordirland. Schließlich wird diese künftig zu einer EU-Außengrenze. Und (BS/mfe) In den insgesamt 668 Ortsverbänden des Technischen Hilfswerks (THW) sind inzwischen immer öfter das führt in beiden Ländern zu Unsicherheiten. auch nach Deutschland geflüchtete Personen aktiv. Etwa 300 Asylbewerber engagieren sich dort ehrenamtlich an der Seite ihrer deutschen Kameraden. 100 von ihnen, und damit die meisten, stammen aus Syrien. Bisher ist weder klar, wie es notwendig, um die Einhaltung und Belfaster Behörden, die “Außerdem haben wir unter anderem 49 Afghanen, 20 Eritreer und 15 Iraker in unseren Reihen”, berichtet Stephan Bröckmann, Beauftragter für das Ehrenamt bei der Bundesanstalt. Hinzu kämen jeweils einzelne Freiwillige aus zahlreichen anderen Staaten, etwa aus Mali. “Insgesamt stammen die Geflüchteten und Migranten in unserem ehrenamtlichen Bereich aus 28 Nationen.” Vier Ortsverbände stächen – was die Anzahl der eingebundenen Flüchtlinge angehe – heraus. “Besonders aktiv sind unsere Kameraden in Mainz, in Sarstedt bei Hannover, im niedersächsischen Elze und im hessischen Viernheim”, erläutert Bröckmann. Aber auch in der Region Berlin-Brandenburg und Sachsen-Anhalt engagierten sich rund 25 Asylbewerber. Unter anderem in den Ortsverbänden Quedlinburg, Lübben und Eberswalde seien nach Deutschland geflüchtete Personen aktiv, erzählt der regionale Landesbeauftragte Manfred Metzger. Oftmals seien die Kontakte zu den Asylbewerbern bereits im Rahmen der THWUnterstützung im Zuge der Flüchtlingskrise entstanden, erläutert wiederum Bröckmann. Anschließend seien zahlreiche Migranten aktiv an die THWVerantwortlichen herangetreten und hätten nach Möglichkeiten des Engagements gefragt. Teilweise hätten aber auch kommunale Migrationsbeauftragte die Ortsverbände der Bundesanstalt kontaktiert und sich nach Wegen der Asylbewerbereinbindung erkundigt. “Und nicht sel-

Immer öfter setzt das Technische Hilfswerk in seinem ehrenamtlichen Bereich auch auf Flüchtlinge. Inzwischen engagieren sich etwa 300 Asylbewerber in den Ortsverbänden der Bundesanstalt. Foto: BS/THW, Philipp Schinz

ten haben auch die THW-Ortsverbände selbst aktiv Werbung in Flüchtlingsunterkünften betrieben”, sagt Bröckmann.

Kosten teilweise erstattet Um den nach Deutschland geflüchteten Menschen den Einstieg ins THW zu erleichtern, seien die Kursinhalte der Grundausbildung mittlerweile auch ins Englische übertragen worden. “Außerdem haben die Ortsverbände den Flüchtlingen teilweise die Fahrtkosten erstattet, die im Rahmen der Schulungen oder der regelmäßigen Treffen anfielen”, erzählt der Beauftragte für das Ehrenamt. Des Weiteren seien Flyer und Videofilme über den Auftrag und die Arbeit der Bundesanstalt auf Arabisch und Englisch produziert und gezeigt worden. Gleichwohl sei einigen Flüchtlingen

anfangs dennoch schwer zu vermitteln gewesen, welche Bedeutung das Ehrenamt hierzulande habe, räumt Bröckmann ein. Außerdem hätten einzelne Ortsverbände auch erst für die Aufnahme von Migranten aufgestellt werden müssen. Eine besonders wichtige Rolle in diesem Prozess sei dabei der jeweiligen Leitungsebene zugekommen. Und noch ein Faktor sei entscheidend gewesen, meint der Beauftragte für das Ehrenamt: “Das Beherrschen der deutschen Sprache ist der Schlüssel für ein Engagement im Technischen Hilfswerk.”

1.000 sind das derzeitige Ziel Der Präsident der Bundesanstalt Albrecht Broemme hat sich auch eine “Zielzahl” von im THW engagierten Flüchtlingen gesteckt. Mittelfristig wünsche er sich die Einbindung von 1.000 Asylbewerbern, berichtet Bröckmann. Damit entfielen auf jeden Ortsverband ein bis zwei Migranten, meint er. Um das zu schaffen, verfolge man eine Doppelstrategie, erläutert der Beauftragte für das Ehrenamt. “Zum einen betreiben wir über Soziale Netzwerke und Medien wie Facebook und Twitter eine Kommunikation, bei der wir intern wie extern zur Anwerbung von Flüchtlingen aufrufen. Zum anderen wurden in unseren 66 Geschäftsstellen neue Mitarbeiter zur Helfergewinnung eingestellt.” Dafür wurden neue Stellen geschaffen. Besetzt wurden diese vor allem mit Personen mit pädagogischen oder sozialen beruflichen Hintergründen.

mit Arbeitnehmern weitergeht, die täglich von einer Nation in die andere pendeln, noch, wie sich die zollrechtliche Situation entwickelt. Zwar sind weder die Republik Irland noch das zum Vereinigten Königreich gehörende Nordirland Teil des Schengen-Raumes, sodass die Brexit-Folgen für die Personenfreizügigkeit geringer ausfallen dürften. Zumal es bereits seit der Unabhängigkeit der Republik Irland im Jahre 1922 ein bilaterales Abkommen mit dem Vereinigten Königreich über einen gemeinsamen Reiseraum gibt. Da dieses mit europäischem Recht vereinbar ist, wollen sowohl Dublin als auch London trotz des Brexits daran festhalten und dies möglichst auch im Rahmen der Austrittsverhandlungen schriftlich fixieren. Für den Bereich der Freizügigkeit von Waren, Gütern und Dienstleistungen gestaltet sich die Situation jedoch gänzlich anders. Hier könnte es – aufgrund der Eigenschaft als Außengrenze des gemeinsamen Binnenmarktes – durchaus zur Erhebung neuer Zollgebühren kommen. Außerdem sind Verzögerungen bei der Warenabfertigung und damit auch beim Versand möglich.

Karfreitagsabkommen nicht gefährden Aus der irischen Botschaft in Berlin heißt es allerdings, dass die Vermeidung einer harten Grenze zwischen Irland und Nordirland nach dem Brexit bei der Dubliner Regierung höchste Priorität habe. Gleiches gelte für die britische Seite. Dies sei auch

des Karfreitagsabkommens vom April 1998 zu garantieren und die bisherigen Erfolge des Friedensprozesses im Konflikt der beiden Staaten nicht zu gefährden. In dem Vertrag, der die Gewalt im Nordirlandkonflikt beendete, verzichtete die Regierung der Republik Irland auf ihre Forderung nach einer Wiedervereinigung mit Nordirland. Gänzlich ausgeschlossen wurde die Möglichkeit der Fusion gleichzeitig aber nicht. Bedingung ist jedoch, dass sich eine Mehrheit der Nordiren für einen solchen Zusammenschluss ausspricht. Weitere Inhalte des Friedensvertrages waren die Vereinbarung zur Zusammenarbeit Dubliner

Entwaffnung paramilitärischer Einheiten und die Zusage Londons, seine Truppenpräsenz in Nordirland zu verringern.

Integrität nicht gefährden Ungeachtet dieser grundsätzlichen Kompromissbereitschaft heißt es aber aus der Berliner Vertretung der Republik Irland auch, man werde keine Regelung zur Grenzfrage akzeptieren, die die Integrität des gemeinsamen Marktes innerhalb der EU unterminiere. Unabhängig vom Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Staatengemeinschaft wolle Irland weiterhin an den Vorteilen dieses gemeinsamen Wirtschaftsraumes partizipieren.

MELDUNG

Auf die Vorbereitung kommt es an (BS/mfe) Beruflich veranlasste Reisen ins Ausland sind nicht ungefährlich. Vor allem dann nicht, wenn es in Länder mit erhöhtem Sicherheitsrisiko geht. Und dennoch tun sich zahlreiche Firmenverantwortliche immer noch schwer damit, Risikobewertungen oder Krisenpläne zu standardisieren und gezielt auf bestimmte Regionen der Welt abzustimmen. Dabei kommt es gerade bei solchen Dienstreisen besonders auf funktionierende Notfallpläne sowie ein professionelles vorbereitendes Training an. Diese Lücke will der Behörden Spiegel mit einem Führungskräfte Forum am 19. und 20. September 2017 in Hannover schließen.

Themen der zweitägigen Veranstaltung sind unter anderem die individuelle Analyse der Ausgangssituation, das Erkennen sowie die Bewertung von Risikopotenzialen im Reiseland und die Vermittlung der Bedeutsamkeit von Notfallplänen. Des Weiteren beschäftigen sich die Teilnehmer mit der Strukturierung reisevorbereitender Abläufe, den Grundsätzen der Vorsorge in Form von Versicherungen und Impfungen sowie mit dem Umgang mit medizinischen Notfällen. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit unter: www. fuehrungskraefte-forum.de, Suchbegriff: Ausland


Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / Juli 2017

Neues aus der Wehrtechnik Sicherheit im digitalen Raum

Neue “Eagle” 4x4 für Dänemark

Kommando CIR

GDELS

(BS) Die wichtigste Aufgabe bei einem erfolgreichen Cyber-Angriff sei zunächst das Schadensmanagement, so Generalleutnant Ludwig Leinhos, seit April erster Inspekteur des neuen militärischen Organisationsbereichs Cyber- und Informationsraum (CIR), auf einem Parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel Ende Juni in Berlin. Erst an zweiter Stelle folge die Attribution, wobei es nicht nur extrem schwierig bis unmöglich sei, einen Angreifer zweifelsfrei zu identifizieren. Selbst das dezidierte Ziel einer solchen Attacke sei nicht immer offenkundig, so General Leinhos. Erst ganz zum Schluss stelle sich – wenn überhaupt – die Frage nach einem defensiven “Back-Hack”. Das Spektrum der möglichen Angreifer reiche dabei vom Innentäter oder Hacker über Kriminelle bis zu Terroristen und gar Staaten. Der Einsatz asymmetrischer Instrumente bei Konflikten “gehört heute dazu”. Zwar brauche man immer noch klassische Kinetik zur militärischen Abschreckung, doch sei ein hybrides Szenario heutzutage wahrscheinlicher als rein konventionelle

physische Gewaltanwendung, so der Inspekteur. Daraus leite sich letztlich die Frage ab: “Brauchen wir den digitalen VFall?” – analog zur verfassungsrecht- General Lieutenant Ludwig Leinlich relevanten hos, Inspekteur CIR Foto: BS/Stiebel Feststellung des bisherigen Verteidigungsfalls. Personell verfüge CIR aktuell über rund 13.500 Dienstposten, die bis auf 15.000 aufwachsen sollen. Geografisch sei der Cyber-Bereich wie folgt aufgestellt: Der “operationelle Schwerpunkt” liege im Raum Bonn; das “Cyber Cluster” der Universität der Bundeswehr in München bündele Forschung und Lehre; in Berlin sei gerade der “Cyber Innovation Hub” gestartet, erläuterte General Leinhos. Mehr Informationen unter www.cir.bundes wehr.de

(BS) General Dynamics European Land Systems (GDELS) hat einen Auftrag für die Lieferung des neuen 4x4 geschützten Patrouillenfahrzeuges “Eagle” an die dänische Armee erhalten. Nach einem Beschaffungsprozess mit Vergleichserprobungen hat die Beschaffungsbehörde DALO in Ballerup bei Kopenhagen das Fahrzeug von GDELS-Mowag als neue Plattform für das geschützte Patrouillenfahrzeug ausgewählt. Der Vertrag wurde Mitte Juni von GDELS-Mowag, der Schweizer Geschäftseinheit von General Dynamics European Land Systems, unterzeichnet. Die erste Lieferung umfasst 36 Fahrzeuge in der Konfiguration “Patrouillenfahrzeug” und soll im kommenden Jahr beginnen. Der Vertrag beinhaltet Optionen für weitere Varianten wie “Elektronische Kriegsführung”, “Unterstützung” und “Aufklärung”. Die Fahrzeuge ergänzen die bestehende “Eagle”-Flotte der dänischen Streitkräfte. “Wir sind sehr stolz, diesen Auftrag nach einem intensiven internationalen Wettbewerb erhalten zu haben. Die Selektion des “Eagle” dokumen-

tiert das Vertrauen und die Zufriedenheit unseres dänischen Kunden mit unseren Produkten und unterstreicht die herausragende Marktstellung un- Der “Eagle” V 4x4 für die däniseres “Eagle” 4x4 schen Streitkräfte Foto: BS/GDELS im Segment der leichten und hochgeschützten Radfahrzeuge”, betonte Thomas Lattmann, Direktor International Business & Services von General Dynamics European Land Systems. Der “Eagle” V 4x4 zählt mit einem Gewicht von zehn Tonnen noch zu den leichten geschützten Radfahrzeugen des Militärs. Verschiedene Konfigurationen dieser Fahrzeugfamilie stehen bei den dänischen Streitkräften, der Bundeswehr sowie der Schweizer Armee bereits im Einsatz. Mehr Informationen unter www.gdels.com

Übernahme des Radarherstellers Kelvin Hughes

Neue Infanterieausrüstung und Kräne

HENSOLDT

BAAINBw

(BS) Das deutsche Sensorhaus HENSOLDT hat sich mit der britischen Beteiligungsgesellschaft ECI auf die Übernahme des Londoner Sicherheits- und Schiffsradaranbieters Kelvin Hughes geeinigt. Die Transaktion bedarf der üblichen behördlichen Genehmigungen und soll im vierten Quartal dieses Jahres wirksam werden. “Kelvin Hughes ist sehr erfolgreich im Bereich der Schiffs- und Sicherheitsradare, während HENSOLDT eine starke Position auf dem Markt für hochwertige Militär- und Überwachungsradare hat”, sagte Thomas Müller, CEO von HENSOLDT. “Unsere Produktpaletten und Zielmärkte ergänzen sich ideal, und so sehen wir in der Übernahme signifikante Wachstumsmöglichkeiten. Einerseits erreichen wir mit dem Portfolio von Kelvin Hughes Märkte mit höherem Kostenbewusstsein, und andererseits stellen die Sicherheitslösungen des Unternehmens einen Zusatzwert für unsere eigenen Produkte dar.” Mit seinen rund 200 Mitarbeitern entwickelt, produziert und vertreibt Kelvin

F

ür Dassault, aber auch für Airbus und Airbus Helicopter ist die Paris Air Show ein “Heimspiel”. Zum Auftakt landete Frankreichs neuer Staatspräsident Emmanuel Macron an Bord eines Airbus A400MTransportflugzeugs der “Armée de l‘Air” auf dem Messegelände. Später zeigte eine A400MWerksmaschine ihre Leistungsfähigkeit im Himmel über Le Bourget. Der europäische Technologiekonzern Thales Group S.A. zeigte u. a. den mobilen Radar “Ground Master 60” (GM60) auf einem taktischen Fahrzeug. Dabei handelt es sich um ein 3D-Multi-Missions-Gerät zum Aufspüren von Lenkflugkörpern sowie von Artillerie- und Mörsergranaten. Das Radarsystem hat eine Reichweite von max. 80 Kilometern. Außerdem stellte das Unternehmen die Radar“Familie” “Ground Fire” mit einer Reichweite von bis zu 400 Kilometern anlässlich der Paris Air Show vor.

Starke internationale Präsenz Der Schwerpunkt – auch finanziell – lag auf der zivilen Luft- und Raumfahrt. Gleichwohl waren auch zahlreiche europäische wie außereuropäische Hersteller militärischer Fluggeräte (Flugzeuge, Hubschrauber, Drohnen) in Frankreich vertreten. Star auf der Paris Air Show war ein Tarnkappen-Mehrzweck-

Hughes Radarsensoren, vor allem für den Einsatz auf Schiffen und für Sicherheitszwecke. Zur Produktpalette des Unternehmens gehören auch die “SharpEye”-Familie von hoch- Ein Radar aus der “SharpEye”leistungsfähigen Familie Foto: BS/Kelvin Hughes Puls-Doppler-Radaren mit “Solid-State”-Technologie sowie Steuerungssoftware zur Integration mehrerer Radar- und Kamerasensoren in einen umfassenden Systemverbund. Das Unternehmen erzielt einen Umsatz von über 30 Millionen Euro im Jahr. Seine Produkte kommen bei mehr als 30 Marinen und Küstenwachen weltweit zum Einsatz. Mehr Informationen unter www.hensoldt.net

(BS) Wenige Tage nach der Billigung durch den Bundestag beauftragte das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) Ende Juni die Lieferung von 68 Zugsystemen “Infanterist der Zukunft – Erweitertes System” (IdZ-ES) und 71 geschützten Kränen. “Das ist die Trendwende Material zum Anfassen. Vor gerade einmal einer Woche hat der Bundestag die Projekte gebilligt. Heute haben wir die Verträge unterschrieben”, sagte Harald Stein, Präsident des BAAINBw. Die 68 Sätze IdZ-ES werden bis Dezember 2020 von Rheinmetall ausgeliefert. Das System ist eine modulare Kampfausstattung und besteht aus mehreren aufeinander abgestimmten Komponenten: von der Bekleidung über spezielle Führungssysteme bis hin zur Bewaffnung. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf 369 Millionen Euro. Neben den IdZ-ES Sätzen wurden Ende Juni zwei Verträge zur Beschaffung von 71 geschützten Kranfahrzeugen geschlossen. Ab Juli

2018 wird die Firma Liebherr der Bundeswehr 33 geschützte Bergeund Kranfahrzeuge (GBKF) sowie 17 schwere und 21 überschwere geschützte Mo- Der IdZ-ES mit Messfernglas Mobilkranfahrzeuge nokular wurde 2016 vorgestellt. liefern. Die damit Foto: BS/Bundeswehr, Bähr verbundenen Verträge haben ein Volumen von etwa 175 Millionen Euro. “Wir haben in dieser Legislaturperiode erhebliche Haushaltsmittel erhalten, um der Truppe schnell, effizient und effektiv das Material zu liefern, das sie für ihre Aufträge braucht”, stellte Präsident Stein fest. “Diesem Vertrauen der Abgeordneten – und damit unseres ganzen Landes – wollen wir gerecht werden.” Mehr Informationen unter www.baainbw.de

Le Bourget: alle zwei Jahre wieder Stelldichein der internationalen Luft- und Raumfahrtindustrie (BS/Dr. Gerd Portugall) Ende Juni war es wieder soweit: Die weltgrößte Luft- und Raumfahrtmesse – der “Salon International de l’Aéronautique et de l’Espace” (SIAE) – in Le Bourget bei Paris hatte ihre Tore geöffnet: Auf der diesjährigen “Paris Air Show” trafen rund 150.000 Fachbesucher auf 2.303 Aussteller aus 48 Staaten. Die Hersteller von Luft- und Raumfahrzeugen sowie ihre Zulieferer zeigten auf 122.500 Quadratmetern – das entspricht einer Fläche von 17 Fußballfeldern – ihre neuesten Produkte, darunter 150 Fluggeräte. kampfflugzeug F-35A “Lightning II” der U.S. Air Force, das erstmals in Europa auf einer Luftfahrtmesse gezeigt wurde. Hersteller ist die Lockheed Martin Corporation, der größte Rüstungskonzern der Welt. Mit einem Volumen von knapp 400 Milliarden US-Dollar allein für die amerikanischen Streitkräfte und einer geplanten Produktion von mehr als 2.700 Maschinen gilt es aktuell als teuerstes Rüstungsprogramm weltweit. Lockheed Martin stellte außerdem eine amerikanische F-16 aus dem rheinland-pfälzischen Spangdahlem, die vielfach international durch die F-35 ersetzt werden soll, sowie die neueste J-Version des Transportflugzeuges C-130 “Hercules” aus, von der die Bundeswehr – in enger Kooperation mit der französischen Luftwaffe – bis zu sechs Maschinen beschaffen will. Grund hierfür sind Probleme mit dem A400M. Auch der Luftfahrt-Riese Boeing war mit mehreren militärischen Exponaten vertreten, darunter u. a. mit dem Transporthubschrauber CH-47 “Chi-

War der Star unter den militärischen Luftfahrzeugen in Le Bourget: die F-35A der 34. Kampfstaffel vom Luftwaffenstützpunkt Hill im US-Bundesstaat Utah Foto: BS/Portugall

nook”. Dessen neueste F-Version steht im Wettbewerb mit dem CH-53K “Super Stallion” der Sikorsky Aircraft Corporation, die 2015 von Lockheed Martin übernommen wurde, um die Nachfolge der in die Jahre gekommenen CH-53 der Bun-

deswehr. Der amerikanische Raketenbauer Raytheon veranstaltete auf dem Messegelände u. a. eine Pressekonferenz zum Thema “European Missile Defence”. Der US-Konzern steht im Wettbewerb mit dem europäischen Raketenbauer MBDA um

die Realisierung des neuen “Taktischen Luftverteidigungssystems” (TLVS) der Bundeswehr.

Deutsche Unternehmen Wie in der Vergangenheit waren auch jetzt wieder zahlreiche deutsche Konzerne und Toch-

terunternehmen in Le Bourget vertreten. Die MBDA Deutschland GmbH verwies darauf, dass im Mai die TLVS-Vertragsverhandlungen mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) zur Beschaffung des FlugabwehrRaketensystems TLVS auf Basis von MEADS (“Medium Extended Air Defense System”) begonnen hätten und dass mit dessen parlamentarischer Befassung im kommenden Jahr fest gerechnet werde. Mit den Franzosen arbeite man darüber hinaus eng an der Entwicklung einer gemeinsamen Luft-Boden-Bewaffnung für den Kampfhubschrauber “Tiger”. Als “Zukunftsthema” beschäftige sich das Unternehmen intensiv mit Forschungen im Bereich “Laser” – auch und gerade vor dem Hintergrund zunehmender Bedrohungen durch Drohnen. Simulation, neue Werkstoffe und innovative Fertigungsverfahren wie 3D standen im Mittelpunkt beim deutschen Triebwerkshersteller MTU Aero Engines Holding AG. Im militärischen Sektor ist die CH53-Nachfolge auch ein wichtiges Thema für das Münchener Unternehmen. MTU hat darüber hinaus schon die Nachfolge für das Mehrzweckkampfflugzeug “Tornado” im Blick, das ab 2035 bei der Deutschen Luftwaffe in Dienst gestellt werden soll.


Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Juli 2017

Agenda Rüstung

Z

iel war es, die Strukturen und Prozesse im Management der Rüstungsprojekte zu prüfen, notwendige Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die Informierung von Parlament und Öffentlichkeit zu verbessern. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme und Risikoanalyse zeigte, dass die Probleme im Rüstungsbereich vielschichtig und eine Verbesserung des Rüstungsmanagements dringend und ohne Verzug geboten waren. Im Ergebnis wurde die Agenda Rüstung mit dem Ziel eines transparenten, effektiven und modernen Rüstungswesens in Verantwortung von Frau Staatssekretärin Dr. Suder ins Leben gerufen. Sie umfasst: • die Definition eines klaren rüstungspolitischen Kurses zur strategischen Ausrichtung des Rüstungswesens, • operative Zielrichtungen zur Modernisierung des Rüstungswesens, • den Aufbau bzw. die Optimierung tragfähiger Grundlagen zur Sicherstellung der Steuerungsfähigkeit. Im Folgenden möchte ich den Fokus auf die strategischen Ziele der Agenda Rüstung legen und verorten, wo wir uns – auf dem Weg der Umsetzung – derzeit befinden. Die strategische Ausrichtung der Agenda Rüstung lässt sich wie folgt zusammenfassen: Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Maßnahmen der Bundeswehr werden durch einen klaren rüstungspolitischen Kurs begründet, der auch der Durchsetzung der Interessen der Bundeswehr dient. Diesem Prinzip dienen die folgenden Konzepte und Maßnahmen: 1. Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland Das Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland vom 8. Juli 2015 definiert nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien entsprechend dem Bedarf der Bundeswehr. Bei allen wichtigen Beschaffungsprojekten wird nunmehr geprüft und im Rahmen der Entscheidungsfindung berücksichtigt, ob Schlüsseltechnologien betroffen sind. Damit hat die Bundesregierung unter anderem die Basis gelegt, um ressortübergreifend sicher-

Umsetzung der strategischen Ziele (BS/Generalleutnant Benedikt Zimmer) Die Agenda Rüstung dient der Realisierung des maßgeblichen Ziels des Rüstungsmanagements: Aufgabengerechte Ausrüstung und professionelle Dienstleistungen für unsere Soldatinnen und Soldaten. Rüstungsprojekte sind oft teurer als geplant, dauern häufig länger als vorgesehen und erfüllen nicht selten die militärischen Forderungen nur eingeschränkt. Aus diesem Grund hat das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) im Jahr 2014 eine umfassende Bestandsaufnahme und Risikoanalyse der neun größten Rüstungsprojekte mit einem Investitionsvolumen von ungefähr 58 Milliarden Euro beauftragt. heitspolitisch relevante Kernkompetenzen und damit auch Arbeitsplätze der Sicherheitsund Verteidigungsindustrie in Deutschland zu erhalten und die entsprechenden Technologien und Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Gleichzeitig bildet das Strategiepapier insbesondere eine industriepolitische Grundlage und ein Konzept für die Priorisierung und Schwerpunktsetzung bei der Deckung des Bedarfs der Streitkräfte. Nicht zuletzt bietet es einen maßgeblichen Orientierungspunkt bei der Wahrung nationaler Interessen im Rahmen der Konsolidierung der europäischen Verteidigungsindustrie (zum Beispiel beim Zusammenschluss von Rüstungsunternehmen). Schlüsseltechnologien sind auch ein wesentlicher Gesichtspunkt bei der Entscheidung, inwiefern die Bundesregierung kommerzielle Rüstungsexporte unterstützt. Beispielhaft hierfür ist die nunmehr entschiedene Kooperation mit Norwegen bei der Entwicklung und Beschaffung von U-Booten. 2. Militärische Luftfahrtstrategie Die im Januar 2016 erlassene “Militärische Luftfahrtstrategie (MLS) 2016” stellt im Zusammenhang mit dem oben angeführten Strategiepapier eine Vertiefung dieses Ansatzes für die Dimension Luft dar. Im Fokus stehen die Erfüllung des militärischen Auftrages und die damit verbundenen Aufgaben der Bundeswehr. Die MLS komplettiert die Luftfahrtstrategie der Bundesregierung und bietet darüber hinaus Abholpunkte für die Zielbestimmung, Ausrichtung und Planungssicherheit für die deutsche wehrtechnische Luftfahrtindustrie. Ferner artikuliert sie Anknüpfungspunkte für multinationale Kooperationen. Die in der MLS als Schwerpunkte für eine zielgerichtete Zukunftsentwicklung in der Dimension Luft herausgestellten Handlungsfelder hat das BMVg durch Förderung von multinati-

sondere positiv auf die in ein Projekt investierten Ressourcen auswirken kann. 5. Konzept des BMVg zur Stärkung des wehrtechnischen Mittelstandes Das BMVg hatte am 20. April 2016 ein Konzept zur Stärkung des wehrtechnischen Mittelstandes erlassen. Hierzu wurde inzwischen ein Umsetzungsplan erarbeitet, der zwei Schwerpunkte aufweist: Zum einen den verbesserten Zugang des Mittelstandes zu Aufträgen des öffentlichen Auftraggebers Bundeswehr. Damit wird sowohl eine bundeswehrinterne Sensibilisierung für das Thema “Mittelstand” im Vorfeld von Ausschreibungen verfolgt, etwa durch interne Informationen sowie Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, als auch eine verbesserte Information des Mittelstandes über die Möglichkeiten, sich erfolgreich auf Ausschreibungen zu bewerben, u. a. in Form von Workshops für Verbände der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Zum anderen wird konsequent an der Verbesserung der statistischen Grundlagen gearbeitet, ohne die eine substantiierte Bewertung der Lage des wehrtechnischen Mittelstandes nicht möglich ist. Hierbei steht zunächst die verstärkte Nutzung softwaregestützter Auswertung durch den Einsatz von SASPF und den sog. AI-Vergabemanager (einer datenbankbasierten Softwarelösung zur Auftragsvergabe) im Vordergrund. 6. Dialog BMVg – BDSV: Fortsetzung des Strukturierten Dialogs Der Dialog mit der Industrie hat sich als wichtiges Forum des Austausches und der Diskussion über Themen von gemeinsamem Interesse bewährt. Ungeachtet der in Einzelfragen fortbestehenden unterschiedlichen Sichtweisen, hat der offene, transparente und ehrliche Meinungsaustausch zu einer spürbaren Verbesserung in der Zusammenarbeit von Auftrag-

nehmer und öffentlichem Auftraggeber zum Vorteil beider Seiten geführt. Daher sollen die vorhandenen Gesprächskanäle und Dialogforen erhalten bleiben. In Abstimmung mit dem Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) wurde ferner das Konzept einer Fortführung des Dialogs bei gleichzeitiger Ausweitung auf weitere relevante Industrieverbände entwickelt. Der Dialog zwischen BMVg und Industrie soll so künftig mit mehreren Interessenverbänden unter industrieseitiger Koordinierung durch den BDSV geführt und gleichzeitig eine stärkere inhaltliche Steuerung der vielfältigen Dialogforen zwischen dem Geschäftsbereich BMVg und der Industrie gewährleistet werden. Der weiterentwickelte Industriedialog gliedert sich in drei Ebenen: Der Gesprächskreis auf Leitungsebene besteht aus Spitzenvertretern der Verbände und der Leitung des BMVg. Er befasst sich mit Fragen von grundlegender, auch politischer Bedeutung und tagt in der Regel einmal im Jahr. Auf der Steuerungsebene ist beabsichtigt, einen Steuerungskreis einzurichten. Der Steuerungskreis hat die Aufgabe, die Ziele/Aufträge der politischen Ebene an fünf Gesprächskreise weiterzuleiten und diese untereinander zu koordinieren. In der Regel tagt der Steuerungskreis ein- bis zweimal im Jahr. Die fünf Gesprächskreise auf Expertenebene unter gemeinschaftlicher Leitung BMVg/ Industrie werden zu folgenden Themen eingerichtet: • Projektmanagement, • Managementfragen zur Verbesserung der Einsatzbereitschaft, • Zukunfts- und Innovationsfähigkeit, • Innovation Cyber-/Informationstechnik, • Nachhaltigkeit-/Sustainability Management. Die beschriebenen strategischen Ziele tragen – gemeinsam mit den weiteren Säulen der Agenda Rüstung – der im Weißbuch 2016 postulierten Prämisse Rechnung, dass die Bundeswehr die bestmögliche Ausrüstung benötigt, “um ihren Auftrag erfolgreich zu erfüllen und dabei das Leben ihrer Soldatinnen und Soldaten zu schützen. Dies kann nur durch ein transparentes, effektives, flexibles und modernes Rüstungswesen erreicht werden.”

das Projekt über mehrere Jahre hinweg.

Für Interoperabilität braucht es gemeinsame Standards

Italienische Armee ausgerüstet

(BS/mfe) Alle Bereiche und Aufgabenfelder der Bundeswehr sind auf eine funktionierende Informationstechnik angewiesen. Das gilt nicht nur für Wie die Ausstattung von ArAufklärung und Führung, sondern auch für die Felder Unterstützung und Kommunikation. Um bei Letzterer aber interoperabel und multinational meefahrzeugen mit Netzwerkagieren zu können, braucht es einheitliche Standards – unter anderem auf EU- und NATO-Ebene. und Kommunikationstechnik,

Verbesserungen durchaus noch möglich Für die Zukunft forderte Sozialdemokrat Klingbeil: “Wir müssen uns über robuste und abhörsichere Kommunikation Gedanken machen, wobei die entsprechenden Lösungen immer handhabbar bleiben müssen.” Hier sei allerdings noch viel Luft nach oben, auch wenn Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) im Bereich der Digitalisierung

Spezifikationen sind zur wirksamen Reduzierung von Lebenszykluskosten multinational abGeneralleutnant Benedikt zustimmen bzw. Zimmer ist Abteilungsleiter zu entwickeln, Ausrüstung im BMVg. • ein Staat Foto: BS/Bundeswehr übernimmt die Führung bei Entwicklung und onalen Ansätzen, Überlegungen Realisierung eizu neuen innovativen Ansätzen nes Projekts aus einer Hand in Logistik und Betrieb, der Be(sogenannter “Lead-Nation”teiligung Deutschlands an einer Ansatz), quattro-nationalen Definitions- • die Wertschöpfung erfolgt jestudie “Euro-Drohne” sowie der weils bei der Nation, die für die Vorbereitung einer Konzeptphaentsprechenden Arbeitsanteise zu einem “Next Generation le die beste industrielle und Weapon System” im “Future technologische Kompetenz Combat Air System” 2016 zielhat und gerichtet vorangetrieben. • nicht nur Entwicklung und Beschaffung erfolgen gemein3. Konzept zur Steuerung der sam, sondern auch Instandmultinationalen Rüstungssetzung und Einsatzunterkooperation stützung. Strategisches Ziel der Agenda Die kürzlich verkündete AusRüstung ist auch die verbesser- wahl Deutschlands als Kooperate Gestaltung und Steuerung tionspartner im Bereich U-Boote multinationaler Kooperationen. und Seezielflugkörper seitens Zum Zweck einer gezielteren po- der norwegischen Regierung litisch-strategischen Steuerung folgt dabei eben jenem neuen der bi- und multinationalen Ko- Ansatz bei der Realisierung von operationen auf dem Gebiet der bi- und multinationalen KoRüstung werden daher derzeit operationen und ist neben der vielfältige Handlungsempfeh- Definitionsstudie für die “Eurolungen herausgearbeitet. Ziel Drohne” Beleg für erste Erfolge ist es, besser als bisher bilate- in diesem Bereich. rale Partnerschaftsbeziehungen 4. Konzept zur Beschafim Bereich der Rüstung anhand transparenter Kriterien zu be- fungsstrategie Rüstung Kern der Beschaffungsstrawerten, zu priorisieren sowie langfristig ausgerichtete Koope- tegie ist eine systematisierte rationen gezielter auf- bzw. aus- Marktbetrachtung in allen Beschaffungsvorhaben gemäß zubauen. Eingehende sicherheits- und dem im “Costumer Product rüstungspolitische Analysen Management” (CPM nov.) geresowie länderbezogene Koopera- gelten Verfahren. Diese soll es tionsempfehlungen beleuchten der Bundeswehr ermöglichen, dabei umfassend und systema- ihre Interessen unter Ausnuttisch die Chancen und Risiken zung der festgestellten Marktbestmöglich der Zusammenarbeit sowie gegebenheiten technische und wirtschaftliche durchzusetzen. Dabei sind die Vorteile. Abgeleitet aus den vo- Instrumente der Beschaffungsrangegangenen Erfahrungen im strategie passgenau an den Rüstungsbereich ergeben sich Phasen des Beschaffungs- und vier zentrale Voraussetzungen Nutzungsprozesses der Bunfür die erfolgreiche Realisierung deswehr orientiert. Zudem eröffinternationaler Kooperations- net das Beschaffungsportfolio eine zusätzliche Steuerungsvorhaben: • Fähigkeitsforderungen und möglichkeit, was sich insbe-

Noch nicht am Ziel

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n diesem Punkt waren sich die beiden Sozialdemokraten und Mitglieder des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Wolfgang Hellmich und Lars Klingbeil, einig. Ebenfalls keinen Dissens zwischen den Politikern gab es hinsichtlich der Digitalisierung der Bundeswehr. Hellmich war der Meinung, dass die Streitkräfte in diesem Prozess zwar schon auf dem richtigen Weg, aber noch lange nicht am Ziel angekommen seien. Klingbeil wurde sogar noch deutlicher und kritisierte: “Wir haben einen massiven Investitionsstau bei der Digitalisierung der Truppe und diesbezüglich keine Zeit zu verlieren.”

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Ohne Digitalisierung könne es keine Interoperabilität geben. Davon zeigte sich der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag, Wolfgang Hellmich (SPD), überzeugt.

viel Richtiges angestoßen habe. Denn: “Bisher ist nicht einmal eine verschlüsselte Kommunikation mit Bündnispartnern möglich.” Und das, obwohl die

Digitalisierung die Grundlage jeder Interoperabilität bilde und es bei der Vernetzung keinen Weg zurück mehr gebe, wie Hellmich im Rahmen eines Parlamentarischen Abends des Behörden Spiegel und des Unternehmens Leonardo in Berlin zu bedenken gab. Ähnliches gab auch sein Kollege Klingbeil den rund 70 Teilnehmern mit auf den Weg, als er klarmachte: “Mit der fortschreitenden Vernetzung der Gesellschaft wird die Kommunikationsinfrastruktur immer verletzlicher.” Hält das Projekt MoTaKo für technisch beherrschbar: Generalmajor Klaus F. MoTaKo ist technisch Veit, militärischer Vizepräsident des zu beherrschen Bundesamtes für Ausrüstung, InforOptimistischer zeigte sich Ge- mationstechnik und Nutzung der Bunneralmajor Klaus F. Veit, mi- deswehr (BAAINBw). Fotos: BS/Feldmann litärischer Vizepräsident des Bundesamtes für Ausrüstung, Kommunikation” (MoTaKo, BeInformationstechnik und Nut- hörden Spiegel Juni 2017, Seite zung der Bundeswehr (BAAIN- 53) war er überzeugt: “Das TheBw) in Koblenz. Im Hinblick auf ma halte ich für technisch bedas Projekt “Mobile Taktische herrschbar.” Ziel des Vorhabens

sei die Schaffung eines unterbrechungsfreien, IP-basierten Kommunikationsverbundes auf taktischer Ebene. Auf dem Weg hin zur Realisierung des Projektes gebe es nur zwei Schwierigkeiten, erläuterte Veit. Zum einen müsse der entsprechende Vertrag mit einem privatwirtschaftlichen Unternehmen grundsätzlich so gestaltet sein, dass es immer einen Generalunternehmer gebe, der als alleiniger Ansprechpartner für die Bundeswehr fungiere. Zum anderen unterstrich der BAAINBw-Vize: “Wir als öffentlicher Auftraggeber dürfen keinen vergaberechtlichen Fehler machen.” Der Abteilungsleiter für IT in der Koblenzer Bundesoberbehörde, Brigadegeneral JensOlaf Koltermann, wiederum betonte: “MoTaKo kann nicht alleine stehen.” Erforderlich sei ein stabiler Finanzrahmen für

darunter zum Beispiel Funkgeräte, in Italien ablaufen kann, beleuchtete schließlich Lorenzo Mariani. Der Head of Land and Naval Defence Electronics bei der Firma Leonardo präsentierte dabei auch verfügbare Command-and-Control-Systeme sowie Land-Luft-Verteidigungstechnik seines Unternehmens, das an der Entwicklung des taktischen Luftverteidigungssystems MEADS beteiligt war.

MELDUNG

Laser getestet (BS/por)EinHochenergie-Laser, montiert an einem Kampfhubschrauber vom Typ AH-64 “Apache”, traf ein unbemanntes Ziel bei einem Schießtest auf dem Raketentestgelände in White Sands im US-Bundesstaat Neumexiko. Durchgeführt wurde er von den US-Streitkräften und dem Raketenbauer Raytheon.


Wehrtechnik

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as ZGeoBw beliefert die Beratungsstellen des Geoinformationsdienstes der Bundeswehr im Inland und in den Einsatzgebieten sowie mehrere NATO-Dienststellen durchgehend mit Wettersatellitendaten. In der Wettervorhersage dienen diese hauptsächlich der Kurzfristprognose, also der Vorhersage für die kommenden 12 bis 72 Stunden sowie dem Nowcasting, der Prognose für die nächsten sechs Stunden. Die operative Wetterberatung nutzt dabei die ständig aktualisierten und weltweit lückenlosen Informationen, um mit deren Hilfe das aktuelle Wetter zu analysieren und die zeitlichen Veränderungen genau zu erfassen. Vor allem in Gebieten mit geringer Dichte meteorologischer Beobachtungsstationen – eine Situation, die häufig in Krisengebieten anzutreffen ist – stellen Satellitendaten eine wichtige Beobachtungsgrundlage dar. Frühzeitig erkannte Wetterereignisse – wie Sturm, Gewitter, Nebel – und entsprechende Warnungen tragen dazu bei, Mensch und Material zu schützen. Versorgt werden die entsprechen-den Bedarfsträger auf unterschiedlichen Wegen. Die Informationen werden zum einen über das Intranet und zum anderen über die meteorologisch-ozeanografische Fernmeldezentrale des ZGeoBw verbreitet. Zudem ist es den Meteorologen und Wetterberatern möglich, die Satellitendaten über ein meteorologisches Datenverarbeitungs- und Visualisierungssystem selbst zu bearbeiten und entsprechend der Nutzung anzupassen.

Geostationäre und polarumlaufende Satelliten Die Bahn eines Satelliten um die Erde wird “Orbit” genannt und lässt sich durch das Gleichgewicht von Anziehungskraft

Behörden Spiegel / Juli 2017

Verlässliche Prognosen Versorgung der Truppe mit Wettersatellitendaten (BS/Katrin Hannig*) Der Geoinformationsdienst der Bundeswehr (GeoInfoDBw) mit seiner zentralen Dienststelle, dem Zentrum für Geoinformationswesen (ZGeoBw) in Euskirchen, ist für alle geowissenschaftlichen Angelegenheiten der Bundeswehr zuständig. Neben Geologie, Geografie und vielen weiteren Wissenschaften zählt hierzu auch die Wissenschaft des Wetters, die Meteorologie. Die Wettersatellitenmeteorologie, als ein Teilbereich, gewinnt im Rahmen der Fernerkundung Informationen über Parameter der Atmosphäre sowie über die Erdoberfläche. Die gewonnenen Erkenntnisse erleichtern es, komplexe meteorologische Prozesse einfacher zu verstehen und anschließend im Rahmen der operativen Wetterberatung verlässliche Prognosen zu erstellen. und Fliehkraft bestimmen. Man unterscheidet geostationäre und polarumlaufende Satelliten. Erstere bewegen sich mit derselben Winkelgeschwindigkeit wie die Erde in 36.000 Kilometern Höhe über dem Äquator, so dass sie für einen Beobachter auf der Erde immer am gleichen Punkt stehen. Da ein geostationärer Satellit nur die Erdscheibe, also nicht die gesamte Erdoberfläche beobachten kann, gibt es mehrere geostationäre Satelliten, die wie an einer Perlenschnur um den Äquator herum aufgereiht sind. Somit ist eine lückenlose Überwachung des Wettergeschehens aus dem Weltall möglich – bis auf die Polgebiete. Dafür umkreisen polarumlaufende Satelliten die Erde auf einem fast runden Orbit und überfliegen die Pole in einer Höhe von circa 850 Kilometern. Die recht niedrige Satellitenbahn sorgt dabei für eine höhere Auflösung der später entstehenden Bilder. Die Erde wird von jedem polarumlaufenden Satelliten rund 14 Mal im Laufe eines Tages umkreist. Beim ZGeoBw existieren zwei Empfangsanlagen, die über einen Telekommunikationssatelliten die Daten von mehreren geostationären Wettersatelliten erhalten. Eine dritte Anlage steht für Back-Ups und den Direktempfang geostationärer Wettersatelliten zur Verfügung. Auf einem 30 Meter hohen Turm befindet sich zusätzlich eine wei-

Satellitenfoto der Erde, aufgenommen von der europäischen Organisation EUMETSAT. Foto: BS/EUMETSAT, CC BY 2.0, flickr.com

tere Schüssel für den Empfang polarumlaufender Satelliten am Standort Euskirchen; sie ist im oberen Halbraum frei drehbar. EUMETSAT, die europäische Organisation zur Nutzung meteorologischer Satelliten, ist zuständig für den Betrieb der europäischen Wettersatelliten wie METEOSAT (geostationär) und MetOp (polarumlaufend) sowie für die Verteilung der entsprechenden Daten. Beim ZGeoBw in Euskirchen werden neben den europäischen Satelliten aber auch die Daten amerikanischer, chinesischer und japanischer Wettersatelliten verarbeitet, um das größtmögliche Angebot an Wettersatellitendaten bereit-

zustellen. Wettersatelliten verwenden verschiedene Sensoren, sogenannte Radiometer, die die Erdoberfläche abtasten und deren reflektierte oder ausgesendete Strahlung feststellen.

Aufbereitung der anfallenden Datenmengen Die spektrale Strahlung wird also in einem gewünschten Bildpunkt gemessen und anschließend zur Erde zurückgefunkt. Die Strahlung wird dabei auf ihrem Weg durch verschiedene Atmosphären- und Bodenparame-

ter in unterschiedlicher Weise beeinflusst. Es wird neben dem sichtbaren Bereich des Spektrums auch die unsichtbare Infrarotstrahlung gemessen, nur so können auch nachts Satellitenbilder erstellt werden. Zur Aufbereitung der anfallenden Datenmengen werden mehrere Hochleistungsrechner benötigt, die spezielle Produkte mithilfe mathematisch-physikalischer Verfahren für die Untersuchungen bestimmter Wetterereignisse berechnen. Dies dient den Meteorologen zur Ausarbeitung verlässlicher Wetteranalysen und leistet dabei einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Wettervorhersage. So lassen sich beispielsweise mit Hilfe von Kompositbildern, entstanden durch die Überlagerung von verschiedenen infraroten und sichtbaren Spektralkanälen, Wolkenverteilungen in einer quasi-dreidimensionalen Darstellung erkennen. Hochreichende, vertikal mächtige Bewölkung (weiß) lässt sich so gut von flacher Bewölkung (gelb) unterscheiden. Mit speziellen computergestützten Auswerteverfahren können u. a. Höhen von Wolkenobergrenzen dargestellt werden. Zusätzlich lassen sich automatisiert verschiedene Wolkenarten, konvektive Wol-

kensysteme, atmosphärische Höhenwinde, Niederschlagswahrscheinlichkeiten u. v. m. abbilden und verfolgen. Die entsprechende Einschätzung der Wetterentwicklungen durch Satellitenbilder ist in Einsatzgebieten nicht selten die einzige verlässliche Informationsquelle. Rechtzeitiges Erkennen gefährlicher Wettererscheinungen, wie z. B. ein Staubsturm über dem Irak, ist dabei umso wichtiger. Neben Wetterereignissen lassen sich aber auch verschiedene Ozean- und Landanwendungen aus den Satellitendaten ableiten. So stellt das ZGeoBw u. a. täglich Daten zu Meeresoberflächentemperaturen, Landoberflächentemperaturen, Strahlungsflüssen, dem Vegetationsindex und Informationen zur Eisgrenze und -konzentration der Polgebiete bereit. In den kommenden Jahren wird die dritte Generation der europäischen geostationären Satelliten noch genauere Wettervorhersagen ermöglichen. Die neue MTG-Serie (METEOSAT Third Generation) wird bestehen aus vier Satelliten für die abbildende Mission, bei der eine räumlich und zeitlich verbesserte Bildauflösung erreicht wird, und zwei Satelliten für eine zusätzliche Mission, bei der hochaufgelöste Vertikalprofile der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und von mehreren atmosphärischen Gasen bestimmt werden. Auch die europäischen polarumlaufenden Satelliten bekommen Verstärkung, ab 2018 soll der METOP-C im niedrigen Orbit unterwegs sein. *Oberregierungsrätin Dipl.-Met. Katrin Hannig, Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr, Euskirchen

MELDUNG

Haushaltsausschuss genehmigt Rüstungsprojekte (BS/por) Gleichsam auf den letzten “Drücker” genehmigte der Haushaltausschuss des Bundestages in den letzten beiden Sitzungswochen vor der Sommerpause noch Rüstungsprojekte der Bundeswehr für diese Legislaturperiode im Gesamtwert von rund 13,6 Milliarden Euro. Schon nach der ersten Sitzung, in der die größten “Brocken” beraten wurden, sprach das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) von “einem guten Tag für die Agenda Rüstung”. Die Summe verteilt sich im Einzelnen, nach Volumen sortiert, wie folgt: Für rund 5,4 Milliarden Euro sollen bis 2025 fast viermal so viele Fahrzeuge der Bundeswehr von der Heeresinstandsetzungslogistik GmbH (HIL), einer Inhouse-Gesellschaft des Bundes, betreut werden als bisher.

“Grünes Licht” gab es auch für die Beschaffung eines zweiten Loses von fünf Korvetten der Klasse K130 im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro. Im Rahmen einer Kooperation mit dem NATO-Partner Norwegen soll die Deutsche Marine zwei U-Boote der Klasse U212 sowie norwegische Lenkflugkörper für verschiedene Schiffstypen erhalten. Als letztes “Milliardenvorhaben” kann die Luftwaffe für rund 1,4 Milliarden Euro bis 2023 sieben große Tankflugzeuge vom Typ A330 MRTT im Zusammenhang mit einem multinationalen Beschaffungsprojekt einplanen. Erwähnenswert sind außerdem Vorhaben wie die Investition von 518,5 Millionen Euro für ein “Herkules”-Folgeprojekt zur IT-Modernisierung der Bundeswehr sowie der geplante Kauf

von Dienstkleidung im Wert von 252,7 Millionen Euro durch die LHBw-Bekleidungsgesellschaft. Im Rahmen der Digitalisierung des Gefechtsfeldes sollen die Führungsfahrzeuge des Schützenpanzers “Puma” und des “Radpanzers “Boxer” mit entsprechenden Funkgeräten für 81 Millionen Euro ausgerüstet werden. Zwar wird der Leasingvertrag für die Aufklärungsdrohne “Heron 1” für rund 70 Millionen Euro verlängert. Das schon lange geplante Projekt einer bewaffnungsfähigen Drohne vom Typ “Heron TP” hat den Haushaltsausschuss jedoch nicht passiert. Ausschlaggebend war dabei die ablehnende Haltung der SPD. Die Verteidigungsministerin (CDU) hält trotzdem an der Beschaffungsabsicht für eine sog. “Kampfdrohne” fest.


Verteidigung

Behörden Spiegel / Juli 2017

Brexit – und was dann?

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as Vereinigte Königreich ist – neben Frankreich – die einzige EU-Atommacht. Außerdem verfügt es über einen von nur zwei europäischen Ständigen Sitzen im UN-Sicherheitsrat; der andere gehört ebenfalls dem früheren Partner der “Entente cordiale”. Konventionell kann es rund 200.000 Soldaten und einen Verteidigungsetat von zuletzt umgerechnet 44,4 Milliarden Euro in die Waagschale legen. Als ehemalige Kolonialmacht verfügen seine Streitkräfte über große Erfahrungen bei militärischen Auslandseinsätzen. Neben Großbritannien verfügen z. B. innerhalb der EU lediglich Frankreich, Italien und Spanien über Flugzeugträger.

Fortschritte beim EU-Gipfel Der jüngste EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel – erstmals mit Staatspräsident Emmanuel Macron – sah vor dem Hintergrund des nahenden Brexit eine ansatzweise Wiederbelebung der alten deutsch-französischen “Lokomotive” beim Thema “Verteidigungsunion”. Die 27 Staatsund Regierungschefs äußerten sich dahingehend, die europäische Kooperation in der Verteidigungspolitik weiter stärken zu wollen. Dies sei aber explizit nicht gegen die NATO gerichtet. Konkret wolle man die Möglichkeit der sog. “Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit” (abgekürzt PESCO für “Permanent Structured Cooperation”) nach Artikel 42 Absatz 6 des EU-Vertrages nutzen. Bereits innerhalb

Auswirkungen auf die EU-Sicherheitspolitik (BS/Dr. Gerd Portugall) Zunächst gilt festzustellen: Das anstehende Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) schwächt selbige im Allgemeinen und deren Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Besonderen. Soweit die negativen Auswirkungen. Fragt man anschließend “Cui bono?”, dann fällt einem als erstes Putins Russland ein, dem diese Entwicklung zum Vorteil gereicht – unabhängig davon, wie aktiv dies betrieben worden sein mag. der nächsten drei Monate sollen dazu konkrete Projekte, Kriterien und Bedingungen ausgearbeitet werden. Die PESCO, so Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, sei ein “echter Mehrwert”. Denn die EU könne nun Missionen durchführen – zum Beispiel in Afrika –, die nicht nur militärisch ausgerichtet seien, sondern in die auch politische Lösungsmöglichkeiten und die Entwicklungszusammenarbeit mit einbezogen werden könnten. Diese Zusammenarbeit sei “eine Initiative der verstärkten Zusammenarbeit, die offen für jeden” sei, bei der allerdings “nicht jeder mitmachen muss”. Umschreiben kann man dieses Modell auch mit dem Begriff “Koalition der Willigen”, der jedoch seit dem anglo-amerikanischen Irakkrieg von 2003 eine negative Konnotation besitzt.

Verteidigungsfonds nimmt Form an Die Gipfel-Teilnehmer begrüßten außerdem den Vorschlag der EU-Kommission für einen Europäischen Verteidigungsfonds, der nun eingerichtet und entwickelt werden soll. Dieser

Führungsprobleme

Ist die EU-Sicherheitspolitik beim Brexit mit ihrem Latein am Ende? Foto: BS/arinbaker2; CC BY 2.0, flickr.com

Fonds sieht zwei sog. “Fenster” vor, die sich ergänzen, aber aus unterschiedlichen Mitteln finanziert werden: Ein “Forschungsfenster” zur Förderung der gemeinsamen Forschung zu innovativen Verteidigungstechnologien sowie ein “Fähigkeitsfenster”, das es den beteiligten Mitgliedsstaaten ermöglichen soll, bestimmte Ausrüstungen gemeinsam zu beschaffen und dadurch ihre Kosten zu senken. Die Kommission hat für das “Forschungsfenster” bereits im Rahmen des diesjährigen EU-

Haushalts Ausgaben in Höhe von 25 Millionen Euro für die Verteidigungsforschung vorgeschlagen. Sie rechnet damit, dass dieser Betrag bis 2020 auf insgesamt 90 Millionen Euro steigen könnte. Für den mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020 plant die Kommission, ein spezielles Verteidigungsforschungsprogramm mit Mitteln von schätzungsweise 500 Millionen Euro pro Jahr vorzuschlagen. Im “Fähigkeitsfenster” sollen diese Entwicklungen von den Mitgliedsstaaten beschafft wer-

Wie schwierig der bisherige EUPartner Großbritannien sein kann, hat sich zuletzt gezeigt im Zusammenhang mit dem europäischen Hauptquartier für Auslandseinsätze, das dieses Frühjahr in Brüssel eingerichtet worden ist: Es darf nämlich nicht “Hauptquartier” heißen. Offiziell trägt diese Einrichtung die Bezeichnung “Militärische Planungs- und Führungsfähigkeit” (engl. abgekürzt MPCC). Die Briten witterten eine Art “Konkurrenzveranstaltung” zur NATO. Einsatzgebiet soll zunächst Afrika sein. Betroffen wären davon also beispielsweise die EU-Ausbildungsmissionen in Mali und Somalia. Damit wäre MPCC in der Lage, die oben genannten PESCO-Missionen zu führen. Umgekehrt wird die “European Union Naval Force – Somalia”

“Zwei Prozent BIP sind illusorisch!” (BS/por) Das sagte Generalleutnant Dieter Warnecke, Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im BMVg, anlässlich der diesjährigen “Petersberger Gespräche zur Sicherheit”, die Anfang Juli in Königswinter stattfanden. Ihm pflichtete Dr. Hans-Peter Bartels bei, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages: “Realistisch machbar” sei es, bis Ende der kommenden Legislaturperiode, d. h. bis 2021, auf 1,5 Prozent zu kommen. Dabei bezogen sich beide auf die Selbstverpflichtung der NATO-Staaten, bis 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. nächst dem NATO-Rat zu diesem Thema von der EU-Kommission vorgetragen. Dr. Almut Wieland, Direktorin des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) in Berlin, berichtete, dass nach ihrer Erfahrung in Krisengebieten Deutschland häufig als “ehrlicher Makler” angesehen würde – auf jeden Fall “im Vergleich zu anderen Staaten”. Ungeduldige Hoffnungen in die Bundesrepublik machten jedoch des Öfteren ein regelrechtes “Erwartungs-

management” vonnöten, so die ehemalige Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Immer noch Wellen schlug der Streit um den Tadel der Ministerin an den Streitkräften (“Haltungsproblem” und “Führungsschwäche”) zwischen dem Verteidigungsministerium (BMVg) und dem Deutschen Bundeswehrverband (DBwV). Dessen Vorsitzender, Oberstleutnant André Wüstner, wiederholte seine Kritik: “Unkluge

(V.l.n.r.:) MdB Wolfgang Hellmich, GSP-Präsidentin Ulrike Merten, Moderator Oberst a. D. Hans-Joachim Schaprian, Dr. Hans-Peter Bartels und Oberstleutnant André Wüstner Foto: BS/Portugall

Ein schwieriger Partner

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eben den Arbeitstreffen der Staats- und Regierungschefs in der NATO-Zentrale in Brüssel finden alle zwei Jahre protokollarisch anspruchsvollere Gipfelkonferenzen in den einzelnen Mitgliedsstaaten statt – zuletzt 2016 in Warschau und 2014 in Wales. Für das kommende Jahr hat wohl der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan Istanbul ins Gespräch gebracht. Diesem Ansinnen sollen mehrere Alliierte – darunter Dänemark, die Niederlande und Kanada – widersprochen haben. Angeführt worden sei diese Gruppe vom neuen französischen Staatspräsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin.

den, d. h. die jeweilige Technologie und Ausrüstung befände sich dann in ihrem Eigentum. Mit diesem Fenster sollten jährlich Mittel in einer Größenordnung von etwa fünf Milliarden Euro mobilisiert werden können.

13. Petersberger Gespräche

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n Bezug auf die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union erklärte General Warnecke: “In der EU wird es langsam besser.” Flottillenadmiral Jürgen Ehle, Leiter des Arbeitsbereichs Militärpolitik bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der EU, ergänzte mit Blick auf den anstehenden Austritt Großbritanniens: “Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die Gunst der Stunde genutzt.” Der Brexit biete “große Möglichkeiten für die Weiterentwicklung der GSVP”, betonte der Admiral. (Lesen Sie hierzu auch den Beitrag “Brexit – und was dann?” auf dieser Seite.) Vom geplanten EU-Verteidigungsfonds zeige sich die NATO “ganz fasziniert”, so Ehle. Deshalb werde dem-

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Wohin steuert die Türkei? (BS/por) Die deutsch-türkischen Beziehungen sind bisher schon wegen des Streits um parlamentarische Besuchsrechte auf dem ostanatolischen Luftwaffenstützpunkt İncirlik auf einem bisher nicht gekannten Tiefststand gewesen. Diese Spirale dreht sich jetzt noch weiter nach unten durch den Streit um den geplanten Auftritt des türkischen Präsidenten vor Anhängern am Rande des G20-Gipfels in Hamburg. Um das Verhältnis zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Land am Bosporus ist es nicht viel besser bestellt: Unter den gegebenen Bedingungen erscheint ein EU-Beitritt der Türkei wenig wahrscheinlich. Dass selbst die NATO schon von diesen Friktionen betroffen ist, zeigt die jüngste Debatte um den Austragungsort des nächsten Gipfeltreffens der Atlantischen Allianz. Nach Medienberichten habe man sich innerhalb des Bündnisses dann auf die belgische Hauptstadt geeinigt. Bereits seit geraumer Zeit orientiert sich Präsident Erdoğan innen- wie außenpolitisch zunehmend weg von Europa. Indikatoren für den inneren Umbau

sind: Einführung eines zentralistischen, national-islamischen Präsidialsystems, Wunsch nach Wiedereinführung der Todesstrafe, Kampf mit der sozialreligiösen Gülen-Bewegung und der kurdisch-kommunistischen Arbeiterpartei PKK, Umgang mit tatsächlichen bzw. angeblichen Putschisten nach dem gescheiterten Staatsstreich vom Juli des vergangenen Jahres, Beschränkung der Pressefreiheit – in diesem Zusammenhang sei an die Inhaftierung mehrerer deutschtürkischer Journalisten erinnert.

Außenpolitische Neuausrichtung

Staatspräsident Erdoğan zeigt verstärkt regional “Flagge”: hier bei der Eröffnung des Internationalen Flughafens der somalischen Hauptstadt Mogadischu im Jahre 2015. Foto: BS/AMISOM, Ilyas Ahmed

Bezeichnend für die äußere Neuausrichtung war das Treffen Anfang Mai dieses Jahres in der kasachischen Hauptstadt Astana, wo Vertreter der Türkei, Irans, Russlands und Syriens die

Einrichtung von Schutzzonen in dem nahöstlichen Bürgerkriegsland verabredeten. Wie selbstbewusst die Staatsführung in Ankara im arabischen Nachbarland agiert, zeigt sich u. a. durch Vorstöße von Bodentruppen (z. B. die Operation “Schutzschild Euphrat” von August 2016 bis März 2017) und Militärschläge aus der Luft gegen kurdische Milizen in Syrien, die von der NATO als Partner im Kampf gegen die sunnitisch-islamistische Terrormiliz des sog. “Islamischen Staates (IS) angesehen werden. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges im November 2015 durch die türkische Luftwaffe schien eine neue “Eiszeit” zwischen Moskau und Ankara aufzuziehen. Diese hielt jedoch kürzer an als allgemein erwartet. Mittlerweile soll das türkische Militär ernsthaft überlegen, das russische mobi-

le, allwetterfähige LangstreckenRaketenabwehrsystem S-400 “Triumf” (NATO-Code: SA-21 “Growler”) zu beschaffen. Sollte es zu diesem Geschäft kommen, wäre es eine Premiere innerhalb der Atlantischen Allianz, die sich nicht vorteilhaft auf die Interoperabilität der Waffensysteme im Bündnis auswirken würde. Jede Belastung innerhalb der NATO wäre ohnehin im Sinne Russlands. Außerdem dringen türkische Kampfflugzeuge regelmäßig unerlaubt in den Luftraum des Bündnispartners Griechenland ein. Bereits seit dem Untergang der Sowjetunion 1991 hat die Staatsführung in Ankara ihre diplomatischen und ökonomischen Fühler zum kaukasischen Aserbaidschan und zu den TurkRepubliken Zentralasiens ausgestreckt. Bemerkenswert ist außerdem, dass mittlerweile die

(EU NAVFOR Somalia)/Operation “Atalanta” künftig nicht mehr, wie bisher, vom “Operation Headquarters” in Northwood bei London geführt werden können. Dort ist ein Sicherheitszentrum eingerichtet worden, das der Schifffahrt als Ansprechpartner bei der Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika und im Golf von Aden dient. “Operation Commander” ist bis jetzt jeweils ein britischer Konteradmiral oder Generalmajor gewesen. Gerade im Bereich “Cyber-Sicherheit” sei das Vereinigte Königreich sehr stark aufgestellt, sagte Andreas Könen, Leiter der Stabsstelle “IT- und CyberSicherheit” im Bundesinnenministerium, auf einem Parlamentarischen Abend des Behörden Spiegel Ende Juni in Berlin. Im Zusammenhang mit dem anstehenden Brexit stellte er deshalb bedauernd fest, dass damit in der EU eine große Lücke hinterlassen würde. Immerhin scheint Bewegung in Themen wie “Europäisches Weißbuch”, “kleinere EU-Battlegroups”, “Logistik-Drehscheibe Deutschland” und “gemeinsame Cyber-Abwehr” zu kommen. Auch wenn das Bemühen deutlich zu erkennen ist, das Beste aus der Situation zu machen, und sich erste erfolgversprechende Anzeichen zeigen, ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Brexit zunächst ein herber Rückschlag für die GSVP der Europäischen Union ist.

Medienarbeit und Aktionismus des BMVg verletzen Vertrauen in und Geist der Bundeswehr.” In Anspielung auf das scharf formulierte Schreiben von Staatssekretär Gerd Hoofe von Ende Juni erklärte Obstleutnant Wüstner: “Verbände und Gewerkschaften lassen sich nicht drohen!” Nach dem Ausdruck des Bedauerns der Ministerin ob ihrer Formulierungen “haben wir eine Verhaltensänderung noch nicht festgestellt”, so der Bundesvorsitzende. Veranstaltet werden die Petersberger Gespräche von MdB Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, von der KarlTheodor-Molinari-Stiftung, dem Bildungswerk des DBwV, und der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e. V. (GSP).

meisten Importe der Türkei aus der Volksrepublik China kommen (Stichwort “Neue Seidenstraße”).

“Zankapfel” Katar Im jüngsten Streit am Persischen Golf zwischen Katar und seinen unmittelbaren Nachbarstaaten fordern letztere unter anderem die Schließung des türkischen Militärstützpunktes in dem Emirat. Präsident Erdoğan unterstützt demonstrativ das kleine Land am Golf, bezeichnet dessen Isolation als völkerrechtswidrig und kündigt an, mehr Soldaten dorthin verlegen zu wollen. Die türkische Basis in Katar ist Teil eines Verteidigungsabkommens, das beide Staaten im Jahr 2014 schlossen. Seit April des vergangenen Jahres ist der Stützpunkt einsatzbereit, d. h. rund hundert Jahre nach dem Abzug der Osmanen aus dem Nahen und Mittleren Osten. Die Staatsführungen in Ankara und Doha scheinen die militärischen Einzelheiten der türkischen Präsenz nicht an die “große Glocke” hängen zu wollen. Angeblich sollen dort rund 3.000 türkische Soldaten aus allen drei Teilstreitkräften stationiert sein, einschließlich Ausbildern für die katarischen Streitkräfte.


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er 53-jährige Taron ist in Arnsberg für Gewerbeund Handwerksuntersagungen, Erlaubniswiderrufe, die Bekämpfung der Schwarzarbeit, das Spielrecht, Spielhallen, Lotterien- und Ausspielungen, Wettbüros, Wanderlager, Verkaufsveranstaltungen und Jugendschutz zuständig. Ein weites Feld. Oft laufen bei ihm aber auch Anfragen auf, für die er nicht zuständig ist, wie Beschwerden über Brennholz sägende Nachbarn, zu hohe Hecken und verwilderte Grundstücke. “Den Begriff Ordnungsamt scheinen manche hier wörtlich zu nehmen, indem man für äußerliche Ordnung sorgen soll. Mit Ordnung ist hier aber gemeint, dass Gefahren von der Bevölkerung abgewendet, verhindert oder beseitig werden”, erklärt der Verwaltungsbeamte. In Arnsberg sind die Aufgaben der Ordnungsbehörde zum Teil getrennt worden. Hier ist man dazu übergegangen, die Aufgaben des hergebrachten Ordnungsamtes mit anderen Bereichen der Stadtverwaltung zu verknüpfen. So sind beispielsweise die Abteilungen Bußgeld beim Rechtsamt und Park- und Verkehrsangelegenheiten jetzt bei der gesonderten Abteilung für Straßen. Die Gewerbeordnung, bei der Taron ist, wurde bei der städtischen Wirtschaftsförderung angegliedert. “Das mag zunächst verblüffen, aber die Gewerbeordnung ist nicht immer nur repressiv. Es gibt viele Schnittpunkte mit der Wirtschaftsförderung”, erklärt Taron. So berät der Verwaltungswirt zusammen mit der Wirtschaftsförderung auch Unternehmensgründer. “Das ist sehr ergiebig, wir vermeiden damit, dass Fehler aufgrund von Informationsdefiziten gemacht werden.”

Behörden Spiegel / Juli 2017

Die Spreu vom Weizen trennen Ordnungshüter Taron hält Spielhallenbetreiber an der kurzen Leine (BS/Lora Köstler-Messaoudi) Im beschaulichen Arnsberg, einer Kleinstadt im Hochsauerlandkreis, ist Dirk Taron zu Hause. Seit 25 Jahren ist der Verwaltungswirt dort für die Gewerbeüberwachung zuständig. Für sein Durchgreifen gegen das illegale Gewerbe hat er schon einen Ruf über die Stadtgrenze hinaus. Arnsberg steht bei den Betreibern illegaler Kaffeefahrten auf der Schwarzen Liste. Untereinander warnt man sich bereits davor, mit solchen Veranstaltungen nach Arnsberg zu gehen.

Schwächsten, die sich am leichtesten überrumpeln lassen. Ich darf zwar keine Rechtsberatung machen, aber den einen oder anderen Tipp geben. Im meinen Vorträgen arbeite ich mit Beispielen aus dem realen Leben und bringe Originalutensilien, wie sie von der Branche verwendet werden, mit”, erzählt Taron. Viele seiner Zuhörer würden auch ihren Freunden und Verwandten von seinen Vorträgen erzählen, sodass mittlerweile ein weiter Kreis davon profitieren kann.

Entbürokratisierung erschwert Arbeit

Dirk Taron (links) überprüft mit seinem Kollegen Igor Anton die Spielgeräte. Bei gleich mehreren war nicht die aktuelle Software vorhanden, die vor Manipulationen an den Geräten schützen soll. Fotos: BS/lkm

der Auflage, dass sie es nutzen müssen, um Spieler, die dies wünschen, zu sperren. Tun die Spielhallen das nicht, droht ihnen ein Zwangsgeld. Tarons Auflage ist ein gewerberechtliches Novum. Er hat damit zu den Erlaubnissen seiner in Arnsberg bestehenden Spielhallen die Spielersperre als gewerberechtliche Auflage angeordnet. “Gegen meine Auflage läuft zurzeit ein Klageverfahren beim Gewerberechtliches Novum Verwaltungsgericht. Darüber In Arnsberg gibt es 26 Spielhal- bin ich, ehrlich gesagt, froh, da len. Zu Tarons Aufgaben gehört ich mir wünsche, dass die Sache es, dort regelmäßig die Einhal- auch gerichtlich überprüft wird tung der glücksspielrechtlichen und erwarte, dass eine gewerbeRegelungen sowie des Jugend- rechtliche Spielersperre rechtund Verbraucherschutzes zu lich möglich und zulässig sein überprüfen. Damit dieser auch wird”, so Taron. Während nicht alle Spielhalgewährleistet werden kann, geht er mitunter auch mal unkon- lenbetreiber das Vorgehen des begrüßen, ventionelle Wege. So gibt es in Ordnungshüters Nordrhein-Westfalen – anders bestärkt ihn aber das positive als beispielsweise in Hessen Feedback einiger Betroffener. oder Rheinland-Pfalz – kein Ge- “Zweieinhalb Jahre später kam setz, das die Spielersperre regelt. der Spieler von damals wieder Mit einer Spielersperre können in mein Büro, mit einem Strauß sich gefährdete Spieler selbst für Blumen”, erzählt Taron. Der Spielhallen sperren lassen, um Mann berichtete ihm, er habe so davon abgehalten zu werden, seiner Spielersperre ein völlig neues Leben zu verdanken. Er habe sich selbstständig gemacht und sich sogar eine Magen-OP leisten können und fährt mittlerweile einen Audi Q5. Komplett geheilt sei er aber noch Ist Dirk Taron mal nicht unterwegs, sondern am Schreib- nicht. Er betisch, klingelt nicht selten sein Telefon. Oft sind es Hin- komme immer weise aus der Bevölkerung, denen Taron oder, in seinem noch ein Kribbeln in den Auftrag, der zentrale Außendienst dann nachgeht. Fingern, wenn in Spielhallen ihr Geld zu ver- er die Logos der Spielhallen sehe. “Leider kann man sich mit der spielen. “Wegen des Fehlens spezialge- Spielersperre nur hier in Arnssetzlicher Grundlagen habe ich berg sperren lassen. Aber ich als erster in NRW vor einigen schicke jeden, der zu mir kommt, Jahren die Spielersperre (nicht auch immer zur Suchtberatung, zu verwechseln mit Hausverbot) damit sie dort Hilfe bekommen”, in Spielhallen als gewerberecht- so Taron. liche Auflage angeordnet”, so Taron. Auslöser war ein Spiel- Undercover auf Kaffeefahrt süchtiger, der ratsuchend zu Auch illegale Kaffeefahrten ihm kam. Er beklagte, dass die hat der Arnsberger ins Visier Spielhallen ihn nicht sperren genommen. Bei etlichen ist er wollten und er so immer wie- als vermeintlicher Kunde bereits der sein Geld dort verspiele. “Ich mitgefahren. “Seit zehn Jahren habe daraufhin ein Formular gibt es solche Veranstaltungen entwickelt, dass mit Lichtbild nicht mehr in Arnsberg, da ich ausgefüllt wird.” Das Formu- jede hochgenommen habe”, belar wurde an alle Arnsberger richtet Taron stolz. “Das bindet Spielhallen weitergegeben, mit Kapazität und Zeit, aber wenn

man erst einmal seine Duftmarke gesetzt hat, hat man auch mehr Ruhe in dem Bereich.” Am schwersten sei es jedoch, an die Hintermänner zu kommen. Da sei richtige Detektivarbeit gefragt. “Hier wünsche ich mir eine stärkere Zusammenarbeit mit den Behörden. Mein Herzenswunsch ist ein zentrales Gewerberegister, in dem man sehen kann, wo ein Betroffener schon überall ein Gewerbe angemeldet hat.” Oft würden Gewerbeuntersagungs- und Bußgeldverfahren gegen Gewerbetreibende eingeleitet, die, davon unbeschadet, auch noch anderswo ein Gewerbe betreiben würden. Betreibern eines illegalen Gewerbes droht eine Gewerbeuntersagung, die Taron auch schon oft verhängt hat. “Die Gewerbeuntersagung ist ein scharfes Schwert.Siegiltdeutschlandweit und ein Leben lang”, so der Kommunalbeamte. Eine wesentliche Schwachstelle des Gewerbezentralregisters (GZR) sei es jedoch, dass für erlaubnisfreie Gewerbe keine Abfragepflicht bestehe. Laut Taron machen die erlaubnisfreien Gewerbe 95 Prozent der Gewerbeanmeldungen aus. “Es geht mir hierbei nicht um einen Generalverdacht, sondern darum, die herauszufischen, die dem System schaden.” Er selbst habe “auf seinem Schreibtisch” schon vier Gewerbetreibende gehabt, die laut GZR eigentlich überhaupt kein Gewerbe mehr hätten betreiben dürfen. “Komplett abschalten kann ich auch nach Dienstschluss nicht”, so Taron. So an einem Karfreitag, als er mit dem Auto zufällig an einer Spielhalle vorbeikam. Sie hatte geöffnet und war sehr gut besucht. “Kein Wunder, die anderen Spielhallen hatten an dem Tag alle zu, da es Spielhallen nicht erlaubt ist, an Karfreitag zu öffnen”, erklärt der Ordnungshüter. Da er seinen Dienstausweis immer bei sich trägt, ließ er die Spielhalle auch gleich schließen. Die Besitzerin musste alle Gäste nach Hause schicken und das Geschäft vor Tarons Augen abschließen. “Ich kann bei sowas nicht weggucken.” Nebenberuflich ist Taron als Referent tätig. Seit 2007 ist er mindestens einmal im Jahr beim Bundeskriminalamt (BKA) und unterrichtet hier vornehmlich Wirtschaftskriminalisten in den

Illegalen Spendensammlern nimmt Dirk Taron ihre Sammeldosen ab. Manchmal verwenden sie auch Dosen von seriösen Vereinen. Handelt es sich aber gänzlich um Scheinorganisationen, die nur auf dem Papier existieren, wird das Geld konfisziert und das erschwindelte Geld kommt dann den Organisationen zugute, für die vermeintlich gesammelt wurde.

Bereichen Steuerfahndung und Gewerberecht zusammen mit einem Kollegen vom Finanzamt. Ferner ist Taron seit 2013 auch nebenamtlicher Lehrbeauftragter für Gewerberecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Hagen. Auch privat ist Taron für die gute Sache unterwegs. Für ältere Menschen hält er nach Dienstschluss mehr-

mals im Jahr in Seniorenheimen und Kirchgemeinden Vorträge zum Verbraucherschutz. Im Mittelpunkt stehen hier Haustürgeschäfte, Telefonbetrug, Kaffeefahrten, Teppichverkäufer, der Enkeltrick und Spendenbetrug. “Zu mir kommen viele ältere Menschen, die Opfer solcher Betrügereien geworden sind. Sie sind die

Taron ist jetzt seit fast 25 Jahren im Geschäft. Er kann sich auch gut vorstellen, die nächsten 25 Jahre hier weiterzumachen. “Die Arbeit ist aufregend und interessant.” Für seinen Job, so der Ordnungshüter, brauche man aber ein dickes Fell, Kommunikationsfähigkeit und müsse wissen, wie man deeskalierend wirke. Für die Zukunft wünscht sich der Verwaltungswirt aber einen stärkeren Einbezug der Praktiker in die Gesetzesgebung. “Wir stellen immer wieder fest, dass Gesetze abgeschafft werden, die ein wichtiges Werkzeug für uns waren.” So beispielweise das Sammelgesetz. Früher waren Haus- und Straßensammlungen genehmigungspflichtig. Heute darf jeder auf der Straße Spenden sammeln. Doch damit treten auch viele Sammler auf den Plan, die vermeintlich für gute Zwecke in die eigene Tasche sammeln. “Ganze Drückerbanden sind hier professionell unterwegs.” Eine weitere Vorschrift, die zum Leidwesen von Taron abgeschafft wurde, ist die Pflicht zur Namensnennung an Geschäften und bei geschäftlicher Post, wie zum Beispiel irgendwelchen Angeboten. Sie gilt nur noch für GmbHs. Das alles sei unter dem Credo der Entbürokratisierung geschehen. Bei der Gewerbeüberwachung habe man mit dem Wegfall der Regelungen aber jetzt viel mehr Arbeit als vorher, kritisiert Taron. Spielerschutz und Glücksspielregulierung sind auch Thema in der Fachzeitschrift „Beiträge zum Glücksspielwesen“. In dem neuen Medium des Behörden Spiegel kommen Politik, Wissenschaft, Praktiker und Betreiber zu Wort, um gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden. www.gluecksspielwesen.de

Spielhalle oder Gaststätte? (BS/lkm) Laut Glückspielstaatsvertrag dürfen in einer Spielhalle maximal zwölf Spielgeräte aufgestellt werden. Alkoholische Getränke dürfen in Spielhallen nicht angeboten werden. Geraucht werden darf auch nicht. Zudem dürfen sich Spielhallen nicht im selben Gebäudekomplex wie ein Wettbüro befinden. Auch zwei Spielhallen im selben Gebäude sind untersagt. In Gaststätten hingegen dürfen maximal drei Spielgeräte aufgestellt werden. Da es auch aufgrund der Abstandsregelungen sehr schwierig geworden ist, eine Lizenz für eine Spielhalle zu erhalten, gehen viele Betreiber deshalb dazu über, eine “Pseudogaststätte” zu betreiben oder ehemalige Spielhallen in mehrere einzelne “Stehbistros” aufzuteilen und diese als Gaststätte mit je drei Geräten anzumelden. Hier steht jedoch meist nicht der Gaststättenbetrieb, sondern das Spiel im Vordergrund. So in einem Fall, den Taron jüngst überprüfte. Hier waren neben den Spielgeräten und einem Pokertisch lediglich eine Sitzgruppe, ein Kühlschrank und ein Regal mit Gläsern im Raum. “Es gab keine Preisliste für die Getränke, kein Servicepersonal, keinen, der die Spielgeräte im Blick hatte, was laut Gaststättenverordnung Pflicht ist, keinen Hinweis zum Jugendschutz. Außderdem war der Raum über einen kurzen Flur mit einem Sportwettbüro verbunden, das den selben Inhaber hat”, kritisiert Taron. Da auch die aufgestellten Geldspielgeräte, die Taron überprüfte, nicht über die aktuelle Zulassung

und Software verfügten und somit anfällig für Manipulationen waren, muss der Betreiber ein Bußgeld zahlen. Zudem mussten die drei Geräte abgeschaltet werden, bis alle von Tarons angeführten Mängel beseitigt worden sind. Hinweise zu solchen vermeintlichen Gaststätten erhält der Arnsberger von Spielern, aber auch von den Konkurrenten selbst: “Das Spielhallenwesen ist einer der am besten eigenüberwachten Wirtschaftszweige. Keiner gönnt dem anderen gesetzeswidrige Vorteile”, berichtet Taron.

Hier ein Blick auf die sogenannte Gaststätte, in der drei Spielgeräte aufgestellt waren.


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