Behörden Spiegel Februar 2017

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Unabhängige Zeitung für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

G 1805

www.behoerdenspiegel.de

Berlin und Bonn / Februar 2017

Nr. II / 33. Jg / 6. Woche

Beidseits der Oder

“Bitte mit Gesetzesgrundlage!”

Wenn es einmal an der Leine zieht

Ministerin Kathrin Schneider zum deutsch-polnischen Zukunftskonzept ......... Seite 8

Dr. Jürgen Gehb zu Theorie und Praxis seiner Aufgabe .......................................... Seite 23

Bernd Barabasz: Berliner Feuerwehrtaucher sichern sich gegenseitig ............................ Seite 48

Gestalten statt beharren

“Digitaler Thesenanschlag” (BS/ein) Die Landesregierung in Sachsen-Anhalt hat Ende Januar ihr erstes “Digitalisierungskabinett” durchgeführt und will im September 2017 eine umfassende Digitale Agenda verabschieden. Darin sollen auch die Ergebnisse des “Digitalen Thesenanschlags” der Staatskanzlei aus den Jahren 2015/16 einbezogen werden, darunter Themen wie “Digitale Infrastruktur”, “Digitale Bildung”, “Öffentliche Verwaltung als digitaler Dienstleister” und “Datenschutz, Datensicherheit und Informationsfreiheit”. Der Koalitionsvertrag sehe in nahezu allen wichtigen Politikfeldern Digitalisierungsaktivitäten vor, erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. “Wir stellen uns dieser Aufgabe.“

“Blaues Band Deutschland” (BS/ein) Das Bundeskabinett hat Anfang Februar das Programm “Blaues Band Deutschland” beschlossen. Damit will die Bundesregierung verstärkt in die Renaturierung der Bundeswasserstraßen investieren sowie neue Akzente in Naturund Gewässerschutz, Hochwasservorsorge sowie Wassertourismus und Sport setzen. Der gemeinsam von Bundesverkehrsund Bundesumweltministerium erarbeitete Handlungsrahmen soll “ökologische Trittsteine” auf viel befahrenen Bundeswasserstraßen schaffen, vor allem aber auf den rund 2.800 Kilometern Nebenwasserstraßen – wo kaum noch Gütertransporte unterwegs sind – gleichermaßen ökologisch entwickeln und für Freizeit und Erholung aufwerten.

Ersten Schritt zur Weiterentwicklung des Beamtenrechts gehen (BS/Jörn Fieseler) Streikrecht, Pensionen und jüngst die Beihilfe: Um gewerkschaftliche Mitgliederzahlen zu erhöhen oder die Bilanz der Sozialkassen zu verbessern, geistern alle möglichen Vorschläge durch Gesellschaft und Medien. Die Beamten sind eine begehrte Gruppe – allein ihre elementare staatliche Funktion bleibt dabei oft unberücksichtigt. Gerade deswegen ist es in diesen für Deutschland wirtschaftlich guten, weltweit aber immer unsichereren Zeiten dringend geboten, das Beamtenrecht adäquater zu gestalten. Sonst muss stärker zwischen hoheitlichen Aufgaben und weniger essenziellen Dienstleistungen unterschieden werden. “Wenn wir eine effiziente und leistungsstarke öffentliche Verwaltung wollen, die auch gegenüber der Wirtschaft bestehen kann”, so formuliert es Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, “müssen die bewährten Rahmenbedingungen erhalten bleiben.” Besoldung, Versorgung und Beihilfe seien drei unverrückbar zusammenhängende Bestandteile dieser Rahmenbedingungen. Der oberste Dienstherr reagierte damit auf eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Deren Ergebnis: Die Integration der Beihilfe in die gesetzliche Krankenversicherung könnte zu Milliarden-Einsparungen führen (s. Seite 15). Seit Jahren melden sich weitere Stimmen, die die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Zweifel ziehen. Vor allem aus der Wissenschaft. Prof. Dr. Gisela Färber von der Universität in Speyer moniert in einem Gutachten zur Nachhaltigkeit der Beamtenversorgung die “stark besitzstandswahrende Interessenpolitik”. Selbst das Bundesverfassungsgericht habe reine Detailaspekte etwa aus dem Besoldungs- und Versorgungsrecht zu hergebrachten Grundsätzen erklärt, wodurch die gesetzliche Ausgestaltung besoldungs- und versorgungsrechtlicher Fragestel-

Damit der Öffentliche Dienst auch in Zukunft ein attraktiver, moderner und verlässlicher Arbeitgeber bleibt, sollte der erste Schritt gegangen und das Beamtenrecht modifiziert werden. Foto: BS/©Marco 2811, Fotolia.com

lungen inflexibler geworden sei. Damit stellt sich die Frage, inwieweit beamtenspezifische Grundsätze und tradierte Ausprägungen bis heute beansprucht werden können? Oder: Welche verfassungsrechtliche Fortentwicklung ist bei einer zeitgemäßen, zukunftsfähigen Interpretation des einschlägigen Art. 33 Abs. V GG über-

haupt möglich? Angesichts aktueller Entwicklungen nicht ohne Weiteres zu klären. Beim Streikrecht oder Streikverbot steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) noch aus. Aufgrund vorrangig zu bearbeitender Verfahren sei es dem Zweiten Senat nicht möglich gewesen, im Jahr 2016 das Verfah-

ren zu entscheiden, teilte ein Sprecher des obersten deutschen Gerichts mit. Dies soll nun 2017 nachgeholt werden. Ein Zwei-Klassen-Beamtentum scheint aber, selbst wenn Karlsruhe dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) folgt, nicht wahrscheinlich. Positionen von “Tarifbeamten” (Prof. Dr. Jens

Kommentar

Parallele Großlagen (BS/mfe) Im Rahmen der gemeinsamen Übung von Polizei und Bundeswehr Anfang März werden mehrere gleichzeitig zu bewältigende Terroranschläge und Großlagen simuliert. Innerhalb dieses Rahmens des Kernszenarios legt jedes beteiligte Bundesland das länderspezifische Szenario dann selbst fest. Es ist unter anderem die Rede von zwei Terroranschlägen auf Bremer Schulen, einem Sprengstoffattentat und einer Geiselnahme in Bayern sowie einer Bombendetonation auf dem Düsseldorfer Flughafen und einem Anschlag auf ein ausländisches Konsulat in Stuttgart. An der dreitägigen Stabsrahmenübung (GETEX) nehmen, neben der Bundespolizei, die Länder Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Schleswig-Holstein teil, sowie die Bundeswehr. Hier werden zum Beispiel die Kommandos Streitkräftebasis und Territoriale Aufgaben aktiv sein.

No-Go oder go to go? (BS) Alle Macht geht vom Volke aus. Alle Gewalt – da, wo sie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Rechtsstaats dient – notwendigerweise ausschließlich vom Staat, das sogenannte Gewaltmonopol. So sieht es das Grundgesetz vor. Doch mit der Diskussion um die No-Go-Areas sind zumindest deutliche Zweifel am Gewaltmonopol des Staates aufgekommen. In einer Dauerschleife reden Politiker davon, dass es in Deutschland keine No-Go-Areas gebe. Stimmt und stimmt nicht! Mit No-Go-Areas sind Stadtteile gemeint, in die sich die Polizei nicht mehr hineintraut. Und solche gibt es mittlerweile. Nicht nur in Neukölln (Berlin), auch in Altenessen oder DuisburgMarxloh, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine ZweimannBesatzung eines Streifenwagens wird nur nach längerem Zögern hier anhalten, um eine Straftat zu vermeiden oder zu verfolgen. Polizeibeamte in solchen Gegenden gehen nur noch in Zivil zur Dienststelle und verlassen diese auch in Zivil. Sie gehen mittlerweile jeden Tag andere Wege, um nicht erkannt oder angegriffen zu werden. “Ich gehe auch deswegen in Zivil zur

Dienststelle nach Neukölln, weil ich in Uniform gezwungen wäre, bei einer Straftat auf der Straße sofort einzugreifen. Das erwarten die Leute. Doch das ist zu gefährlich. Ich rufe dann lieber von meinem privaten Handy aus eine Streife oder gleich die Hundertschaft“, so ein Polizist in Neukölln im Gespräch mit diesem Autor. No-Go für die Polizei gibt es deswegen nicht, da zur temporären Durchsetzung der Staatsgewalt Hundertschaften anrücken oder gleich das SEK. In DuisburgMarxloh liegt eine Hundertschaft direkt vor Ort, in Neukölln abrufbereit in der Nähe und das SEK ist schnell dabei. Mit dieser

massiven Präsenz können Politiker zu Recht konstatieren, es gebe keine No-Go-Areas für die Polizei, weil, wenn es zu einem kritischen Polizeieinsatz kommt, schwerbewaffnete Einheiten anrücken. Doch kaum sind sie weg, gilt dies auch für den Rechtsstaat. Was bleibt, sind Angsträume und eben No-Go-Areas für die Bevölkerung. Diese ist in den oben genannten Stadtteilen größtenteils türkischstämmig. Und die Meinung dieser Menschen einzuholen, lohnt sich in jedem Fall, denn sie sind die vehementesten Befürworter für mehr Staat auf der Straße! R. Uwe Proll

Super Fusel

Schubert), die streiken dürfen, könnten langfristig auch von Angestellten besetzt werden. Aktuell wird angesichts von Terrorgefahr, Flüchtlingsströmen und dem damit verbundenen Ruf nach mehr Sicherheit und Ordnung ein starker Staat gefordert. Das Pendel kann jedoch wieder umschwenken, wie es der ehemalige Abteilungsleiter aus dem BMI, Paul Fietz, artikuliert (s. Seite 5). Zum Beispiel, wenn die Konjunktur einen Dämpfer erhält, die Zinsen steigen, die Steuereinnahmen zurückgehen und dementsprechend Stücke der Personalund Versorgungskosten am Gesamtkuchen der öffentlichen Haushalte wieder über die politisch gesetzten Grenzen steigen. Die Lösung kann nicht lauten, einen größeren Kuchen zu backen, wie es Wolfgang Pieper, Vorstandsmitglied bei Verdi, treffend formuliert. Wenn das Recht nicht moderat “in die Zeit gesetzt” wird, bleibt lediglich, die Zahl der Beamten zu senken. Schlimmstenfalls im Sinne des inzwischen emeritierten Prof. Dr. Bernd Wunder von der Universität Konstanz, für den das Beamtenverhältnis die Ausnahme, der “Angestellte der Regelfall im Öffentlichen Dienst” sein soll. Mit allen Effekten, die damit verbunden sind.


Inhalt

Seite 2

Behörden Spiegel / Febuar 2017

Auf dem Prüfstand Karlsruhe hinterfragt Tarifeinheitsgesetz ......................................................................................................................... Seite 3

Intransparenz für das Parlament BRH-Präsident Scheller über unzureichende Prüfungsrechte und Risiken des Föderalismus ........................................ Seite 9

Eine Abkehr von Bewährtem Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ................................................................................................... Seite 9

Legitim, aber illegal? Ein vorbestrafter Bürgermeister zwischen Bürgerwillen und Rechtsstatuten ................................................................ Seite 17

Überwachung oder Beobachtung? Bonn möchte eigene Videokameras .............................................................................................................................. Seite 24

Mehr Managementerfahrung nötig Interview mit Sebastian Muschter, Ex-Interims-Chef des Berliner LAGeSo .................................................................... Seite 27

32 Behörden bis Ende 2018 Fahrplan der IT-Konsolidierung Bund konkretisiert sich ............................................................................................... Seite 33

Kommunikation muss wichtiger werden Polizei muss effektiver gegen “Fake News” vorgehen können .................................................................................... Seite 42 Die drei Statuten der Bundesrepublik sind dieser Tage und außerhalb der europäischen, gar der deutschen Grenzen keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr gilt es hierzulande, sich nicht nur auf diese notwendigen Grundsätzlichkeiten immer wieder zu berufen, sie zu verteidigen, sondern auch in der unendlichen Kleinteiligkeit politischer und administrativer Praxis mit zeitgemäßen Mitteln zu unterlegen. Foto: BS/jana purplepen, CC BY-NC-ND 2.0, flickr.com

Bayern will Polizeigesetz reformieren Freistaat plant elektronische Fußfesseln für Gefährder ................................................................................................ Seite 43

Mehr Chancengerechtigkeit gefordert Sexuelle Minderheiten in der Bundeswehr .................................................................................................................... Seite 47

Impressum Der Behörden Spiegel wird verlegt von der ProPress Verlagsgesellschaft mbH. www.behoerdenspiegel.de

Innen Spiegel

Anwenderforum

Zukunft des Digitalfunks BOS ALL-IP-Transformation & mobile Breitbandkommunikation im Berliner Congress Center, bcc (Raum B05) (parallel zum 20. Europäischen Polizeikongress)

22. Februar 2017 in Berlin

Programm 09:00

Eröffnung der Konferenz Gerd Lehmann, Behörden Spiegel

09:10

Zukunft des Digitalfunks BOS Thomas Scholle, Direktor Technik, Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS)

09:40

Bernhard Klinger, Vice President Business Development, Hytera Mobilfunk GmbH

10:10

BOS-Digitalfunk in Gegenwart und Zukunft in Europa – ein Länderüberblick Dr. Barbara Held, Abteilungsleiterin Betrieb, Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS)

10:40

LTE für Sicherheitsnetze Helge Krysiak, Director Public Safety Market Germany, Nokia

11:10

Kaffeepause

11:30

Evolution des Mobilfunks in Richtung 5G – was bedeutet das für die BOS? Dr.-Ing. Christoph Bach, Head of Network Products Germany, Ericsson GmbH

12:00

Akzeptanz des Digitalfunks BOS – ein Forschungsprojekt des Landes Rheinland-Pfalz Markus Moog, Leiter der Autorisierten Stelle des Landes Rheinland-Pfalz

12:30

Christoph Thomas, Managing Director, Motorola Solutions Germany GmbH

13:00

Mittagessen / Buffet

13:50

Polizeikommunikation in den Zeiten von WhatsApp und Co Andreas Noack, CEO, heinekingmedia GmbH/stashcat

14:20

Sichere Sprachkommunikation und moderne Breitbandkommunikation – Einheit oder Gegensatz bei taktischen Herausforderungen? Michael Wolf, Airbus Defence and Space

14:40

Bedeutung der mobilen Datenkommunikation für die Sicherheitsbehörden Werner Drögemüller, Abteilungsleiter Informations- und Kommunikationstechnologien, Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD)

15:10

Mobile IT der Polizei Niedersachsen (Statusbericht) Marco Trumtrar, Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen

15:40

HiMoNN – eine breitbandige Kommunikationslösung für Video- und Datenanwendungen bei Katastrophen und Großschadenslagen Michael Schaefer, IABG im Auftrag des Polizeiverwaltungsamtes Sachsen

16:05

Zusammenfassung und Ende der Veranstaltung

Aktuelle Zusatzinvestitionen kein neues Phänomen Behörden Spiegel-Auswertung zur Inneren Sicherheit (BS/mfe) Die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin will mindestens 45 Millionen Euro in die Verbesserung der Inneren Sicherheit und der Prävention investieren. Angeschafft werden sollen in der Bundeshauptstadt unter anderem 12.000 neue Pistolen, 3.600 Maschinengewehre und 6.300 kugelsichere Westen. Auch Hamburg und Thüringen stecken erhebliche Mittel in eine bessere Schutzausstattung der Landespolizisten. Die Hansestadt investiert zum Beispiel in ballistische Schutzwesten und sondergeschützte Fahrzeuge. Immer mehr Polizeien in Deutschland erhalten zudem Körperkameras, von denen sich die politisch verantwortlichen einen Rückgang der Angriffe auf Vollzugsbeamte versprechen. Eine Auswertung des Behörden Spiegel zeigt nun jedoch, dass diese Investitionen nicht völlig neu sind. Vielmehr haben sowohl der Bund als auch die Länder und Gemeinden bereits in der Zeit von 2005 bis 2016 – teilweise massiv – in das Politikfeld der Inneren Sicherheit investiert. Allerdings unterscheiden sich die jeweiligen Zahlen der einzelnen Länder zum Teil erheblich. Während zum Beispiel Hessen, Thüringen, Bayern und Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr deutlich mehr für Polizei und Verfassungsschutz ausgaben als noch 2005, kürzte Sachsen-Anhalt diese Mittel im Vergleich der beiden Jahre sogar. Der Behörden Spiegel hat zur Frage “Was kostet die Innere Si-

Moderation: Gerd Lehmann, Behörden Spiegel

Eine Veranstaltung des

Fotoquellen Seite 1: Foto 1: BS/MIL Foto 2: BS/BImA Foto 3: BS/Feldmann

cherheit?” eine Sonderausgabe seines wöchentlich erscheinenden Newsletters “Netzwerk Sicherheit” herausgegeben. Darin sind alle Daten und Zahlen zu den einzelnen Bundesländern und dem Bund sowie zur Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen enthalten.

Herausgeber und Chefredakteur R. Uwe Proll Leiter der Berliner Redaktion Carsten Köppl Leiter der Bonner Redaktion Guido Gehrt Redaktion Julian Einhaus (Kommunal- und Energiewirtschaft, ÖPP), Marco Feldmann (Innere Sicherheit, Katastrophenschutz), Jörn Fieseler (Personal, Beschaffung, Vergabe), Guido Gehrt (IT, ITK-Politik, Haushalt), Tobias Henke (IT-Sicherheit), Carsten Köppl (Demografie, Länder und Kommunen), Lora Köstler-Messaoudi (Haushalt, Finanzen), Dr. Gerd Portugall (Verteidigung, Wehrtechnik), R. Uwe Proll (Politik, Parlament), Benjamin Stiebel (IT, IT-Sicherheit), Gerd Lehmann (Sonderkorrespondent BOS) Büro Brüssel Hartmut Bühl Parlamentsredaktion Berlin Tel. 030 / 726 26-22 12, Fax 030 / 726 26-22 10 Layout Beate Dach, Cornelia Liesegang, Birte Schulz Verlag Bonn Anzeigen / Redaktion / Vertrieb, Tel. 0228 / 970 97-0, Fax 0228 / 970 97-75 Verlag Berlin Redaktion / Vertrieb, 10317 Berlin, Kaskelstr. 41, Tel. 030 / 55 74 12-0, Fax 030/557412-57 Anzeigenleitung Helga Woll, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 28/2017, Jahresabonnement (12 Ausgaben) 9,80 Euro (inkl. Porto und MwSt.) Bankverbindungen Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE06 3705 0198 0007 5030 63, BIC: COLSDE33; Berliner Bank AG, IBAN: DE03 1007 0848 0482 2631 00 BIC: DEUTDEDB110; Postbank, IBAN: DE24 3701 0050 0022 6905 09 BIC: PBNKDEFF Geschäftsführung Helga Woll Vorsitz Herausgeber- und Programmbeirat Dr. August Hanning, Staatssekretär a. D. Reimar Scherz, Brigadegeneral a. D. Im Falle höherer Gewalt und Störungen des Arbeitsfriedens besteht kein Anspruch auf Belieferung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen (auch Werbeeinschaltungen) sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Auflagenkontrolle durch

Den Sonder-Newsletter können Sie unter folgender Adresse abrufen: http://www.daten.beho erdenspiegel.eu/nl/polizei_nl6 79.pdf .

Satz Spree Service und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin Druck Heider Druck GmbH, Bergisch Gladbach Erfüllungsort und Gerichtsstand Bonn Zentrale Anschrift Verlag / Redaktion / Anzeigenleitung 53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 57 Zentrale Sammelnummern Telefon: 0228/970 970 Telefax: 0228/970 97-75 Altpapieranteil 100%


Aktuelles Öffentlicher Dienst Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Februar 2017

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Treppe statt Welle

KNAPP

Prozessvereinbarungen in Tarifverhandlungen wahrscheinlich / bundesweite Warnstreiks (BS/Jörn Fieseler) Die Verhandlungen in der zweiten Tarifrunde hatten noch nicht begonnen, da hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Münster schon eine erste Kundgebung für den Tag danach angemeldet. Der ritualisierte Ablauf wurde eingehalten, die Gespräche durch die Verhandlungsführer unterbrochen. In keinem Punkt konnte bisher eine Einigung erzielt werden. Denn die momentan gute Konjunktur könne nicht als Argument herangezogen werden. Tariferhöhungen wirkten dauerhaft und seien nicht abhängig von wellenartigen Konjunkturzyklen. Jetzt heißt es nacharbeiten. Zahlreiche Forderungen sind struktureller Natur. Wie hoch deren Anteil an den sechs Prozent Gesamtforderung sein könnte, zeigt ein Rechenbeispiel. “Wir haben in keiner wesentlichen Frage ein konkretes Ergebnis vorzuweisen”, zog Verdi-Chef Frank Bsirske ein ernüchterndes Fazit. Denn: Die Berechnungsgrundlagen liegen teilweise zu weit auseinander. Beide Seiten wollen bis zur dritten Runde die Daten miteinander abgleichen. Ohne diesen Schritt machte eine Weiterführung der Verhandlungen am zweiten Tag der zweiten Runde keinen Sinn, weshalb mittags Schluss war. Bsirske und Willi Russ, Verhandlungsführer beim DBB Beamtenbund und Tarifunion, sehen die Arbeitgeber in der Pflicht, die kein Angebot vorgelegt hätten. Deshalb erfolgte prompt der Aufruf zu Aktionen. Es werde keinen Frieden in den Betrieben geben, so Russ. Die Aktionen waren zum Teil schon vorbereitet und genehmigt. So gingen u.a. die Lehrer in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern bereits am 1. Februar 2017 auf die Straßen. Dabei standen die Kundgebungen schon vor der zweiten Runde fest, da sie – wie etwa im nordrhein-westfälischen Münster – bereits vor der zweiten Verhandlungsrunde angemeldet und genehmigt wurden.

Ein Dutzend Forderungen Demgegenüber betonte Niedersachsens Finanzminister und Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), Peter-Jürgen Schneider, die Schwierigkeit der Verhandlungen: “Es gibt nicht eine Forderung, sondern mehr als ein Duzend, die alle Geld kosten.” Und am Ende solle noch eine allgemeine Erhöhung der gesamten Entgelttabelle stehen. Zudem gebe es Aufklärungsbedarf beim Volumen der einzelnen Forderungen, weshalb beide Seiten bis zur dritten Runde einen Abgleich vornehmen wollten. Zudem kann Schneider nicht der

17. Februar weiterverhandeln. Ein Durchbruch wird, trotz der bestehenden Differenzen, angestrebt. Dafür seien die Gewerkschaften auch bereit, die ein oder andere strukturelle Frage mittels einer Prozessvereinbarung aus der aktuellen Verhandlungsrunde herauszunehmen. Möglicherweise könnte die Angleichung im Sozial- und Erziehungsdienst zwischen Ländern und Kommunen so vertagt werden. “Daran soll ein Abschluss nicht scheitern”, sagte Bsirske. Auch die Diskussionen um eine Weiterentwicklung der Lehrkräfte, die der DBB Beamtenbund und Tarifunion allein mit der TdL führt, könnten so verschoben werden. Es darf gestreikt werden: Wie zu erwarten war, haben die Gewerkschaften nach der zweiten Runde zu Warnstreiks und anderen Aktionen aufgerufen. Pikant: Manche waren schon vorher angemeldet und genehmigt. Foto: BS/Fieseler

Logik der Gewerkschaften folgen, dass sprudelnde Steuereinnahmen auch deutliche Lohnund Gehaltserhöhungen nach sich ziehen müssten. Er entgegnete: “Steuern richten sich nach der Konjunktur, Tarife sind aber für die Ewigkeit und eine Treppe, die nur nach oben geht.” Im Falle von sinkenden Steuereinnahmen würden die Tarifentgelte schließlich auch nicht gekürzt werden. Die Länder müssten jedoch die Tragfähigkeit der Haushalte im Blick haben.

Mindestbeitrag und Entgeltstufe 6 Den Gewerkschaften ist an einer satten Entgelterhöhung von sechs Prozent gelegen. Darin enthalten sein sollen ein Mindestbetrag als soziale Komponente und die Einführung einer sechsten Stufe in den Entgeltgruppen neun bis 15. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Länderbereich (inkl. Hessen, das nicht Mitglied der TdL ist) zum 30. Juni 2015 rund 406.200 Beschäftigte. Würde

der Mindestbetrag bei 90 Euro liegen, würde dies für die Länder im Tarifbereich Mehrkosten von rund 36,5 Mio. Euro bedeuten. Für die Stufe sechs sind die Mehrkosten viel schwieriger zu ermitteln. Das Statistische Bundesamt weist in der Fachserie zum Personal im Öffentlichen Dienst 2015 insgesamt 567.410 Beschäftigte in allen Ländern aus. Angenommen, die Länder führten die Stufe sechs ein und legten die doppelte Differenz in den Entgeltgruppen zwischen den Stufen fünf und sechs der aktuellen Tabelle des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) Bund zugrunde, und angenommen, jeder zweite Beschäftigte würde die Voraussetzungen für einen Übergang in die Stufe sechs erfüllen, würden sich die Mehrkosten anhand dieser Rechnung auf rund 141,3 Mio. Euro belaufen. Beide Forderungen hätten dann eine finanzielle Wirkung von rund 0,7 Prozent pro Jahr. Dementsprechend würde die lineare Erhöhung der gesamten

Tabelle entsprechend niedriger ausfallen. Allerdings: Hierbei handelt es sich um eine pauschalierte Berechnung über alle Bundesländer hinweg, die die jeweilige Situation in den einzelnen Flächen- und Stadtstaaten nicht weiter beleuchtet. Die Kosten werden wahrscheinlich deutlich höher ausfallen. Allein in Sachsen wird an dieser Stelle mit 3,5 Prozent gerechnet. Ursache sei die Vielzahl von angestellten Lehrern, die fast alle mehr als 15 Jahre tätig sind und damit die Voraussetzung für einen Stufenanstieg erfüllen.

Absage und Vertagung Einer Forderung erteilte der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder eine Absage: Der Reduzierung der sachgrundlosen Befristungen. Dies sei ein arbeitsrechtliches und kein tarifrechtliches Thema. Deshalb seien auch nicht die Tarifparteien, sondern der Bundesgesetzgeber gefordert, das Arbeitsrecht zu ändern. Beide Seiten wollen am 16. und

Dämpfer von IG Metall Maßgeblich ist, wie hoch der Abschluss am Ende ausfällt und welchen Anteil die Einführung der Stufe sechs in die Entgelttabelle daran hat. Diese kommt nämlich allen angestellten Lehrern zugute. Zudem mussten die Arbeitnehmer einen Dämpfer bereits hinnehmen. Und zwar von der IG Metall. Die fordert für ihre Mitglieder “nur” 4,5 Prozent und damit deutlich weniger als Verdi und DBB. Und auch die Übertragung auf die Beamten ist entscheidend. Zwar wirken sich nicht alle strukturellen Fragen auf die Besoldung aus, doch die finanzielle Wirkung einer einprozentigen Entgelterhöhung für die aktiven Beamten ist mit 535 Mio. Euro doppelt so hoch wie für die Tarifbeschäftigten (276 Mio. Euro). Hinzu kommen die Versorgungsempfänger. Ein Prozent mehr bedeuten, für die Länder 257 Mio. Euro Mehrausgaben an Pensionen. Parallel zur TdL haben auch in Hessen die Verhandlungen begonnen. Die Forderungen lauten gleich, es ist aber nur ein weiterer Termin Anfang März vorgesehen.

Auf dem Prüfstand

Vertrag nach 23 Jahren (BS/jf) Seit 1994 gab es in der rund 8.500 Einwohner zählenden Stadt Naunhof in Sachsen keinen Tarifvertrag für die Angestellten in der Kommunalverwaltung. Diese Zeit ist nun zu Ende. 98,21 Prozent der Beschäftigten stimmten für einen nach 18 Monaten ausgehandelten Haustarifvertrag, ebenso wie der Stadtrat, der ein einstimmiges Votum abgab. Der Haustarifvertrag bildet den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) fast zu 100 Prozent ab. Zudem sollen die Mitarbeiter entsprechend ihrer Tätigkeit in die Entgeltgruppen eingruppiert und an die Gehaltsentwicklung beim TVöD angekoppelt werden. Aber: Die Stadt ist damit nicht wieder Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Sachsen. Dazu bedürfe es eines weiteren Stadtrat-Beschlusses, mit dem sich die Stadt an den Flächentarifvertrag von Bund und Kommunen anschließt.

Tarifabschluss in Bremen (BS/jf) In Bremen haben sich Arbeitgeber und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi auf einen Tarifvertrag für die Überleitung von Beschäftigten vom Senator für Umwelt, Bau und Verkehr sowie dem Umweltbetrieb Bremen in eine geplante Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) für die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung geeinigt. Die Vergütung der Mitarbeiter erfolgt nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD), bestehende Besitz- und Rechtsstände, etwa bei der Altersversorgung, bleiben erhalten. Zudem wurde ein Rückkehrrecht in den Öffentlichen Dienst vereinbart, falls die AöR insolvent wird. “Wir haben nach mehreren Verhandlungsrunden einen für beide Seiten tragfähigen Kompromiss gefunden. Der Tarifabschluss ist ein wichtiger Baustein für die anstehende Neuorganisation der Abfallwirtschaft”, so das Fazit von Finanzstaatsrat Henning Lühr und Umweltstaatsrat Ronny Meyer.

Klage abgewiesen

Bundesverfassungsgericht hinterfragt Tarifeinheitsgesetz

(BS/jf) 2015 hat das Bundesver-

(BS/jf) Ist das Tarifeinheitsgesetz nun verfassungskonform oder nicht? Werden die Karlsruher Richter im Sinne der Kläger entscheiden oder wird die Bundesregierung zum Nach- fassungsgericht seine Rechtbessern aufgefordert? Zwei Tage nahm sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Klärung sämtlicher offener Fragen Zeit. sprechung zum Tragen eines Im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMAS) ist man auch nach der Verhandlung von der Rechtmäßigkeit des Gesetzes überzeugt. Schließlich hätten auch das Bundesinnenministerium (BMI) und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) geprüft und ihre Zustimmung signalisiert. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verteidigte die Regelung entsprechend: “Die Tarifeinheit vermeidet Tarifkollisionen. Das ist das Hauptziel des Gesetzes. Wir wollen damit die Tarifautonomie in Deutschland stärken, um die uns viele Länder beneiden. Wir sind davon überzeugt, dass das Gesetz verfassungsfest ist.” Aus Respekt vor dem Gericht wolle man im Ministerium jedoch keine Aussagen darüber treffen,

wie das höchste deutsche Gericht entscheiden wird. Anders der Bundesvorsitzende des DBB Beamtenbund und Tarifunion: “Die mündliche Verhandlung in Karlsruhe hat gezeigt, dass eine gründliche Prüfung des Tarifeinheitsgesetzes in jeder Hinsicht angezeigt war und ist”, so Klaus Dauderstädt. “Allein die Tatsache, dass sich das Bundesverfassungsgericht einen ganzen Tag lang Zeit nahm, um das Gesetz an sich und all seine Auswirkungen überhaupt erst einmal zu verstehen, spricht aus meiner Sicht Bände. Am zweiten Tag kamen dann die schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Einwände auf den Tisch – auch da konnte die Bundesregierung die substanziellen Zweifel der Gesetzeskritiker an der Rechtmäßigkeit dieses mas-

Zwei Tage prüfte der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (im Bild) das Tarifeinheitsgesetz. Foto: BS/Bundesverfassungsgericht

siven Eingriffs in die Koalitionsfreiheit nicht ausräumen.” So schien den Richterinnen und Richtern um den Senatsvorsitzenden Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof das Prinzip der Verdrängung nicht schlüssig zu sein, wodurch Minderheitsgewerkschaften trotz Nachzeichnungsrecht praktisch nichts bekämen. Die Mitglieder des ersten Senats hinterfragten aber auch die Verteilungsgerechtigkeit innerhalb eines Betriebes und den horizontalen Ausgleich verschiedener Beschäftigtengruppen. Die Entscheidung wird trotz Verhandlung nicht vor dem zweiten Quartal 2017, vielleicht auch erst im Herbst fallen, da der Gesetzgeber sich bisher mit Regelungen zur Tarifautonomie zurückgehalten hat und das BVerfG hier Neuland betritt.

(muslimischen) Kopftuches geändert. Vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück blieb eine Klage in gleicher Sache jedoch erfolglos. Eine Schule in Niedersachsen hatte eine Einstellungszulage zurückgezogen, nachdem bekannt geworden war, dass die angehende Lehrerin auch im Unterricht ein Kopftuch aus religiösen Gründen tragen wolle. Dagegen klagte die Frau vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück auf Schmerzensgeld wegen Diskriminierung. Ohne Erfolg. Denn laut niedersächsischem Schulgesetz sind sämtliche religiösen und weltanschaulichen Symbole in Schulen verboten. Damit seien an alle Lehrkräfte die gleichen Einstellungsanforderungen im Hinblick auf die staatliche Neutralitätspflicht gestellt.


Aktuelles Öffentlicher Dienst

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Behörden Spiegel / Februar 2017

Psychologische Deeskalation

Schluss mit Symbolpolitik

Umgang mit schwierigen Kunden

Diskussion über den Zukunftsweg Europas / Vertrauen wieder aufbauen

(BS/Ilona Vogel) Beschäftigte im Öffentlichen Dienst treffen im Rahmen ihres Kundenkontaktes oft auf schwierige oder aufgebrachte Menschen. Gerade in Ämtern, bei denen negative Bescheide, Anhörungen oder Bußgelder zum Alltag gehören, stellen die unzufriedenen, wütenden oder gar aggressiven Kunden eine große Herausforderung dar.

(BS/Jörn Fieseler) Niederlande, Frankreich, Tschechien, Deutschland – in allen vier Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stehen in diesem Jahr Parlamentswahlen an. Ebenso beim Beitrittskandidaten Albanien und beim “aktivsten Außenseiter” Norwegen. Und auch in Italien könnte noch ein Urnengang folgen. Angesichts der Vielzahl EU-kritischer Parteien und deren zum Teil herausragender Umfragewerte geht es immer mehr darum, das Bild von Europa als Garant für Stabilität und Sicherheit zu vermitteln. Keine leichte Aufgabe angesichts dreier Krisen.

Wer solch kritischen Situationen regelmäßig ausgeliefert ist, für den können die Konflikte sehr belastend sein und sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Hier gilt es für die Arbeitgeber, unbedingt vorzubeugen, um langfristig die Gesundheit und die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sichern.

Entspannter Umgang In der Konfliktsituation ist nicht das Fachwissen der Mitarbeiter gefragt, sondern Methoden, wie sie mit den eigenen und fremden Emotionen umgehen können. Selbststeuerung hilft hier genauso wie Kommunikationsfähigkeit, um die Situation zu entschärfen und gut für die eigene Gelassenheit und damit für die eigene Gesundheit zu sorgen. Ziel muss es daher sein, sicher mit schwierigen und aggressiven Kunden umzugehen. Dabei gilt es zu erkennen, wie in schwierigen Situationen lenkend eingegriffen werden kann. Das ist z. B. möglich, indem eine positive und wertschätzende Grundhaltung gegenüber anderen Menschen eingenommen wird. Auch das eigene Denken gilt es zu kontrollieren. Gedanken, Gefühle und Wünsche sind in eine positive Richtungen zu lenken. Das eigene Handeln ist ein anderes als wenn negative Gedanken, Gefühle und Wünsche gegenüber dem Kunden vorherrschen. Der richtige Zeitpunkt, um hier lenkend einzugreifen, ist der, wenn der Mitarbeiter merkt, dass man vor Wut fast platzt. In diesem Augenblick gilt es, gedanklich einen Schritt zurückzugehen und ein Gedankenexperiment zum Positiven zu machen. Statt “Dieser Kunde hat was gegen mich” oder “Der spinnt doch!”, sollte einfach mal “Ich glaube, der Kunde hat heute aber einen besonders schlech-

Mehr zum Thema Wie eine psychologische Deeskalation gelingen kann, verdeutlicht die Autorin in einem Seminar des Behörden Spiegel am 8./9. Mai 2017 in Berlin.

Ilona Vogel ist Trainerin und Coach für “Soziale Kompetenzen”. Foto: BS/privat

ten Tag – der Arme….” gedacht werden. Das Gefühl für den Kunden wandelt sich von einem negativen oder aggressiven bestenfalls zu Mitleid – und das eigene Handeln wird anders sein.

Schwierige Gespräche deeskalieren Eine weitere Methode, um schwierige Kundenkontakte zu entschärfen, sind lösungsorientierte und gewaltfreie Kommunikationstechniken. Hier helfen “aktives Zuhören” genauso wie eine “ICH-Botschaft”. Mitarbeiter sollten durch ihr Kommunikationsverhalten versuchen, den Druck, der von einem aggressiven oder schwierigen Kunden ausgeht, abzufangen und aus dem Gespräch herauszunehmen. Ein wichtiges Selbststeuerungsmanagement sind dafür auch Entspannungsmöglichkeiten und Deeskalationsmethoden zur eigenen Gesundheitsvorsorge. Nur wenn die Beschäftigten für sich selbst gut sorgen, können sie in schwierigen Gesprächssituationen gelassen und sicher reagieren, um zu deeskalieren! Diese bringt nachhaltig Zufriedenheit – bei den Kunden, beim Mitarbeiter und letztlich auch in der Behörde. Deshalb: Legen Sie Wert auf eine wertschätzende Grundhaltung sich und anderen Menschen gegenüber sowie auf psychologische Deeskalations- und Kommunikationstechniken. So klappt es auch mit schwierigen Kunden! Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefteforum.de, Suchwort “ Deeskalation”

“Europa ist erfolgreich, wenn gegenseitige Offenheit und Fairness gelebt werden”, erklärt Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Ein starkes Europa könne sich aber nur entfalten, wenn alle an einem Strang zögen. Insbesondere müssten neben dem Brexit positive Zeichen gesetzt und die Europäische Union weiterentwickelt werden. In diesem Zusammenhang räumte die Kanzlerin auf der Jahrestagung des DBB Beamtenbunds und Tarifunion auch Fehler ein: Als wenige Flüchtlinge kamen, hätte man sich zu wenig um den Schutz der Außengrenzen gekümmert. Doch starke Außengrenzen seien wichtig, um die Freizügigkeit innerhalb der EU zu wahren. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft fordert zudem einen leidenschaftliche Debatte für Europa: “Wir müssen unsere freiheitliche Gesellschaft verteidigen – daran müssen sich alle beteiligen, dafür lohnt es sich zu kämpfen.” Auch müsse deutlicher gemacht werden, welche Vorteile Europa biete. Und Defizite seien zu beseitigen.

weiter aus und verweist auf die Situation in der Ukraine, der Türkei, in Libyen und Syrien. Vor allem Syrien habe gezeigt, das Nichthandeln ebenfalls Konsequenzen und Kosten zur Folge habe. Graf Lambsdorff fordert deshalb eine echte europäische Sicherheitsdebatte und kritisiert parallel Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der Frontex nach der Aufstockung und Kompetenzerweiterung als europäische Behörde bezeichnet hatte. Denn die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache habe weder eigene Beamte noch eigene Laufbahnen. Nach wie vor würden die Beamten aus den Mitgliedsstaaten entsandt. Zudem würden die nationalen Sicherheitsbehörden noch nicht genug miteinander kooperieren. “Dabei sind Frontex und Europol die Behörden, die einen Mehrwert für Europas Sicherheit leisten können.”

Die Demokratie-Krise sei vor allem eine Vertrauenskrise in die europäischen Institutionen, sagt der Parlaments-Vizepräsident. Ausdruck dieser Krise sei ein Systemwettbewerb zwischen einer freiheitlichen und einer gelenkten Demokratie. Zu letzterer zählt Lambsdorff etwa Ungarn und Polen, wo Parlamente geschwächt und Menschenrechte eingeschränkt würden. “Der Erosion der Bürgerrechte müssen wir als Demokraten alle entschieden entgegentreten!” Sonst seien die Folgen für die Europäische Union nicht absehbar. Deshalb dürfe auch nicht die dritte Krise unterschlagen werden, die in einigen Staaten im Süden des Kontinents noch immer nicht überwunden sei, die Sozial- und Wirtschaftskrise. Für die Liberalen sei eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik die richtige Antwort auf diese Herausforderung, so Lambsdorff.

Nichthandeln hat Konsequenzen Kein Defizit, sondern gleich drei Krisen sieht Alexander Graf Lambsdorff, Vizepräsident des Europaparlaments, als aktuelle Herausforderungen. “Europa befindet sich in einer Sicherheitskrise, einer Demokratiekrise und einer Wirtschaftskrise”, betont er. Die Sicherheitskrise werde vor allem im Osten, Südosten und Süden des Kontinents deutlich, führt der FDP-Politiker

Europa, quo vadis? – Über diese Frage diskutierten Richard Kühnel, Rolf-Dieter Krause, Prof. Dr. Heribert Hirte und Alexander Graf Lambsdorff (v. l.). Foto: BS/Marco Urban

Insgesamt bedürfe es einer breiten Einigung der bürgerlichen Mitte, die sich für Europa ausspreche, unterstrich Prof. Dr. Heribert Hirte, Mitglied des Deutschen Bundestages der CDU/CSU-Fraktion. Denn in der öffentlichen Diskussion würden überwiegend die negativen Randmeinungen wahrgenommen, vor allem online. Deshalb solle jeder seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen und seine Meinung auf Facebook und Twitter einbringen.

Menschen überzeugen Vor allem müsse nach acht Krisenjahren das Vertrauen in die europäischen Institutionen wieder aufgebaut werden, sind sich Richard Kühnel von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland und Rolf-Dieter Krause, Journalist beim ZDF, einig. Denn “Europa ist eine Geschichte gebrochener Versprechen”, so Krause weiter. Sätze, wie “nie die Schulden anderer Länder zu übernehmen”, seien oft gesprochen worden, die Realität sehe aber anders aus, nannte der Journalist nur ein Beispiel. Auch habe sich die EUKommission von ihrem Anspruch verabschiedet, Hüter der Verträge zu sein. Doch wie entsteht Vertrauen? Auch darauf hat Krause eine Antwort: “Sagen, was man denkt, tun, was man sagt!” Und vor allem den Menschen nicht mehr erklären, dass Europa ein Friedensprojekt sei, sondern warum es das sei. Und Graf Lambsdorff betont: “Dazu gehört eine ehrliche Kommunikation und keine Symbolpolitik.”

Wichtiger Faktor Interkulturelle Kompetenzen im Alltag (BS/Souad El-Hasnaoui*) Die hohen Zahlen der nach Deutschland geflohenen Menschen und die Zuwanderung im Allgemeinen wirken sich auch auf die Einstellungsvoraussetzungen im Öffentlichen Dienst aus: Interkulturelle Kompetenz ist immer häufiger Bestandteil von Anforderungsprofilen bei Bewerbungen. Doch warum und wie? Der Begriff bezeichnet die Fähigkeit, Menschen verschiedenster Herkunft und Kultur aufgeschlossen und unvoreingenommen zu begegnen, deren Wahrnehmung, Denken, Fühlen und Handeln zu erfassen und zu verstehen. Ebenfalls zählt dazu die Bereitschaft, sich kulturspezifisches Wissen anzueignen und anzuwenden sowie der bewusste Umgang mit Vorurteilen und Stereotypen. Denn die Entwicklung von Vorurteilen ist immer mit der der eigenen Identität verbunden und Menschen sind darauf ausgelegt, ihre soziale Welt zu kategorisieren. Besonders im Hinblick auf die hohe Anzahl geflüchteter Menschen sowie die allgemeine Zuwanderung nach Deutschland rückt interkulturelle Kompetenz als Qualifikation immer mehr in den Fokus. Auch geeignete Maßnahmen zum richtigen Umgang mit kulturellen Konflikten zu erlernen, um gezielt Missverständnisse zu vermeiden, die zu Deeskalationen in Bezug auf interkulturelle Unterschiede führen, sind ein großer Nutzen und können Bestandteil solcher Fortbildungen sein. Wer sich auskennt in den Verwicklungen, die bei Begegnungen unterschiedlicher Kulturen entstehen können, ist Problemen nicht mehr hilflos ausgeliefert. Menschen jeder Kultur sehen ihre eigenen Gepflogenheiten, Werte und Einstellungen meist als die “richtigen” an, aber genau diese unter-

scheiden sich manchmal enorm, woraus sich folglich ein hohes Konfliktpotenzial ergeben kann. Fremde Einstellungen und Werte gelten oft als ungewöhnlich oder sogar vollkommen falsch, ein Umstand, welcher sich insbesondere auf den Bereich der Kommunikation auswirkt. Hierbei spielen beispielsweise die unterschiedlichen Interpretationen von Körperhaltungen und Gestiken eine wesentliche Rolle: Ein einfaches Nicken bedeutet nicht in jedem Kulturkreis auch eine Zustimmung. Die Akzeptanz und die Toleranz anderen Religionen gegenüber ist auch ein erwähnenswerter Schwerpunkt. Aktuell erlebt Deutschland insbesondere in Bezug auf bestimmte Religionen große gesellschaftliche Spannungen. Viele Ängste sind innerhalb der Gesellschaft verbreitet. Grenzen zu setzen, ohne den Menschen dennoch aufgrund seiner religiösen Zugehörigkeit abzuwerten oder einfach nur “vor den Kopf zu stoßen”, sind Herausforderungen, die den Menschen im Alltag immer wieder begegnen und effektiv behandelt werden sollten. Aktuell lässt sich ebenfalls ein klarer Zusammenhang zwischen Sicherheit im beruflichen Alltag und interkultureller Kompetenz feststellen. Der Erwerb interkultureller Kompetenzen kann zu einer Reduzierung des Arbeitsaufwandes führen, daher ist kulturspezifisches Wis-

sen ein wichtiger Bestandteil. Ebenfalls wichtig in Bezug auf das Erfordernis interkultureller Kompetenz, ist das Thema Integration. Denn Integration ist sicher ein Prozess, der uns noch sehr lange beschäftigen wird und eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleibt. Um Integrationsprozesse erfolgreich und nachhaltig zu initiieren und begleiten, ist interkulturelle Kompetenz ein wichtiger Faktor. Gesetzliche Vorgaben, vor allem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), sind auch ein Beweis dafür, dass die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht nur wünschens-

wert ist, sondern auch klar gefordert wird. *Souad El-Hasnaoui ist Mitarbeiterin in der Stabsstelle Integration in der Bundesstadt Bonn. In zwei Seminaren des Behörden Spiegel thematisiert sie einerseits die Herausforderungen interkultureller Kompetenz und Kommunikation und verdeutlicht andererseits, wie Öffnungsprozesse gestaltet und unterstützt werden können. Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefteforum.de/ Suchwort “Interkulturell”

MELDUNG

Referendariat in Teilzeit (BS/jf) Ob Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Notar, juristische Berufe können heute vielfach in Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden. Die Ausbildung im Referendariat zwischen dem ersten und zweiten Staatsexamen ist dagegen nur in Vollzeit möglich. Dies soll nun geändert werden. Dazu hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem das Deutsche Richtergesetz entsprechend modifiziert werden soll. Es ist beabsichtigt, dass die Länder eigene Regelungen erlassen können, einen Vorbereitungsdienst in Teilzeit aus fami-

liären Gründen zu ermöglichen. Denn bislang würden Absolventen des ersten Examens, die ein oder mehrere Kinder betreuten, den Vorbereitungsdienst verzögert oder gar nicht aufnehmen. Gleichzeitig bleibe mit der Einschränkung die Chancengleichheit der Absolventen erhalten. Teilzeitbeschäftigungen ohne sachlichen Grund, um die Vorbereitungszeit auf die zweite Staatsprüfung zu verlängern, seien weiterhin nicht möglich, heißt es in dem Gesetzentwurf weiter. Kosten würden durch dieses Vorhaben nicht entstehen.


Bund

Behörden Spiegel / Februar 2017

U

m die Antwort gleich vorwegzunehmen: Natürlich ist das Dienstrecht in der Lage, Entwicklungen beweglich und zeitgerecht aufzunehmen oder neuen Aufgaben gerecht zu werden und Schritt zu halten. Dazu müssen allerdings, bezogen auf die momentanen Trends und die bekannten Reaktionsmuster, einige Bedingungen erfüllt sein.

Gezeitenbewegungen “Der Staat ist wieder mehr gefragt”, liest und hört man öfter in letzter Zeit: Die Flüchtlingszuwanderung, die Häufung terroristischer Anschläge und andauernde Terrorbedrohung in ganz Europa haben das Bedürfnis nach Ordnung und staatlichem Schutz steigen lassen. Und je intensiver die Sicherheitsdebatte geführt wird, desto breiter ist die Akzeptanz und desto mutiger die Politik, den Öffentlichen Dienst zu stärken. Allerdings handelt es sich bei diesem Trend um eine Teilbewegung sich abwechselnder Gezeiten: Die Gegenbewegung, die voranging und im Zweifel auch wieder folgen wird, sind der Rückzug des Staates und verstärkte Privatisierungen. Das Reaktionsmuster auf diese Gezeitenbewegung lässt sich in der Stellenpolitik anschaulich nachzeichnen: 2015 gab es im Bundesbereich im Vergleich zu 1992 132.000 Stellen weniger. Mit deutlichen Spuren, weil weniger junge Nachwuchskräfte nachrücken konnten. Der Stellenbestand stabilisierte sich bei 249.000. Dann folgte der Paradigmenwechsel: 2017 ist die Zahl der Stellen auf 258.000 gewachsen. Nach dem Stopp des pauschalen Stellenabbaus 2013 profitieren von dieser Gegenbewegung insbesondere die Sicherheitsbehörden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Und ein Punkt ist hier wohl noch nicht gesetzt. Aber: Wenn die staatlichen Aufgaben allenthalben weiterwachsen und mit ihnen auch eine (kurzfristige) Neuverschuldung als Projektion der Wirtschaftsinstitute für die öffentlichen Finanzen wieder am Horizont auftaucht, kann dieses Wohlwollen seitens der Politik leicht wieder kippen. Personalverantwortliche der Verwaltungen kennen solche Stimmungswechsel.

Öffentliche Arbeitgeber sind attraktiv! Das Ansehen des Öffentlichen Dienstes steigt. Bei vielen Schul- und Studienabgängern ist längst durchgesickert, dass die öffentlichen Arbeitgeber nicht nur verantwortungsvolle und sichere Arbeitsplätze anbieten, sondern dass das Gesamtpaket an Arbeitsbedingungen attraktiv ist, von der Bezahlung über die soziale Absicherung bis hin zu flexiblen Arbeitszeiten. Ob dieses Kombi-Paket ausreicht, künftig jede gesuchte Fachkraft zu gewinnen, muss sich allerdings erst noch erweisen. Durch den verstärkten Abgang der Babyboomer-Generation entstehen breite Lücken. Im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung wurden bereits viele konkrete Vorschläge hierzu entwickelt, die am 16. März 2017 auf dem Demografiegipfel präsentiert werden. Doch so überzeugt und stolz Arbeitgeber und Politiker hinsichtlich der guten Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst auch sind, so verhalten wird manch einer, wenn es darum geht, die Unterschiede für Beamte und Tarifbeschäftigte in der Öffentlichkeit deutlich zu benennen und zu vertreten. Aus Sorge davor, dass zum Beispiel die Versorgung und die Beihilfe für die Beamten – nicht das erste Mal – als ungerechtfertigte “Überprivilegierung” empfun-

Erfolgsmodell erhalten Antworten auf neue Trends und alte Reaktionsmuster im Dienstrecht (BS/Paul Johannes Fietz) “Was kommt?”, “Was bleibt?”, sind gängige Fragen am Ende einer jeden Legislaturperiode, wenn Politik und Öffentlichkeit den Blick in Richtung Zukunft schweifen lassen, so auch im Bereich Öffentlicher Dienst. Wer sich in solch einer Phase nach (modernen) Antworten oder (originellen) Reformzielen sehnt, stößt eher früher als später auf die kritische Frage: Ist denn das Dienstrecht überhaupt in der Lage, sich auf Trends und die Aufgaben der Zeit einzustellen? Trödelt es mit seinen traditionsgeprägten Strukturen nicht wie eine “Bummelliese” der heutigen Arbeitswelt hinterher? den werden, versuchen die Befürworter eigenständiger sozialer Sicherungssysteme, die öffentliche Debatte zumeist auf die “wahre” Dimension der Unterschiede zu konzentrieren. Und auch wenn dies nachvollziehbar ist angesichts der oft schiefen oder überzogenen Vergleiche zwischen gesetzlicher Rentenversicherung und Versorgung oder bei der Begründung einer einheitlichen “Bürgerversicherung”: Öffentliche Arbeitgeber setzen sich mitunter nicht mit genügend Verve für den Erhalt der attraktiven Arbeitsbedingungen für Beamte ein, weil sie Gefahr laufen, weitere unergiebige Debatten über “Überprivilegierte” anzuzetteln.

Zusammenarbeit bei Querschnittsthemen Ein weiterer Trend seit einigen Jahren ist, Querschnittsthemen an viele Mitspieler übergreifend zu adressieren: Das gilt beispielsweise für die Entwicklung einer Demografiestrategie, bei der die Bundesregierung an viele “Gestaltungspartner” den Appell richtete, sich an dieser Querschnittsaufgabe zu beteiligen. Diese weite Einbindung verschiedener Ebenen ermöglicht ein Zusammendenken und dadurch mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Im Rahmen der Demografiestrategie führte dieser Gedanke zur Gründung der Arbeitsgruppe “Der öffentliche Dienst als attraktiver und moderner Arbeitgeber”, die die Umsetzung mancher kreativer Idee befördert hat, zum Beispiel den Stellenpool für eine demografievorsorgende Stellenpolitik oder eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit von Bund, Ländern und Kommunen. Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften zeigt aber auch ein weiteres Reaktionsschema: Der Wunsch nach Vereinheitlichung von Beschäftigungsbedingungen. Die Forderungen lauten: “Streikrecht statt Streikverbot”, “Absenkung der Wochenarbeitszeit der Beamten auf das Niveau für die Tarifbeschäftigten” oder “mehr Beteiligung für Interessenvertretungen” als Ersatz für die fehlende Tarifmacht im Dienstrecht. Die Liste ließe sich fortsetzen. Für den Dienstrechtsgesetzgeber ist dies kein neues Phänomen. Die Themen Absenkung der Wochenarbeitszeit und Ausbau der Beteiligungs- und/oder Personalvertretungsrechte bleiben daher mit Sicherheit auf der Agenda.

Strategisch Maß halten Wie gelingt es nun, das Dienstrecht in dieser Gemengelage von Trends, Ansprüchen und Forderungen strukturgerecht Schritt halten zu lassen und dessen Leistungs- und Reformfähigkeit unter Beweis zu stellen? Strategisch betrachtet, müssen diejenigen, die den Öffentlichen Dienst langfristig auch durch Veränderungen stärken wollen, Maß halten bei ihren Forderungen, um die Akzeptanz nicht zu gefährden. Das gilt auch in der Stellenpolitik: Wenn unterm Strich “zu viele” Beschäftigte den Kostendruck für den Bundeshaushalt erhöhen (was regelmäßig auch das eigenständige Versorgungssystem für die Beamten in Verruf bringt), dann droht die Wiedereinführung der pauschalen

geredet oder gar vertuscht, sondern offensiv begründet und begrüßt werden. Sie haben nach wie vor ihre Berechtigung. Und: Sie funktionieren! Und auch zum Zankapfel Versorgung sollte deutlich gesagt werden: Ja, die Beamtenversorgung ist attraktiv. Sie ist für gut ausgebildete Fachkräfte ein Pluspunkt und geht einher mit einem Weniger an Gehalt in der aktiven Zeit. Diesen Pluspunkt brauchen wir. Normativ sollten die Gesetzgeber die Unterschiede beider StaPaul Johannes Fietz war bis 31. Januar 2017 Leiter der Abteilung Dienstrecht im tusgruppen nicht ohne Grund Bundesministerium des Innern. Er wechselte zu Beginn des Monats in den Vor- nivellieren, nur um damit einem stand der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Foto: BS/Jörn Fieseler vermeintlichen Gerechtigkeitsgefühl zu folgen. Oft sind die UnStelleneinsparung – als Bume- Unterschiede zwischen den bei- terschiede sehr wohl systemimrang. Kommunikativ sollten die den Statusgruppen nicht klein- manent gerechtfertigt und Er-

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gebnis eines schonenden Interessenausgleichs innerhalb des jeweiligen Systems. Die Mütterrente war aus Sicht des Bundes mit Blick auf die Regelungen zur Mindestpension solch ein Fall. Bei allen Unterschieden zwischen den Statusgruppen gibt es zwar Schnittmengen, wenn die Bedingungen auf beiden Seiten vergleichbar sind und Analogien rechtfertigen: Tariferhöhungen auf Beamte systemgerecht zu übertragen, ist richtig, da sich der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Tarifbeschäftigten auf den zwischen Dienstherrn und Beamten übertragen lässt. Die Regelaltersgrenze für Tarifbeschäftigte und Beamte gleichermaßen anzupassen, war ebenfalls geboten. Aber je mehr die Schnittmenge vergrößert wird, desto weniger lässt sich die Dualität der Statusgruppen rechtfertigen. Deshalb ist die höhere Arbeitszeit der Bundesbeamten für diese nicht nur ein Nachteil. Das Erfolgsmodell der beiden Statusgruppen zu erhalten, muss das Ziel bleiben – nicht nur in der nächsten Legislaturperiode.


Bund

Behörden Spiegel / Februar 2017

Seite 6

Woher bekommt die EU ihr Geld – und wofür gibt sie es aus?

Zahlmeister 2015: die Niederlande 2015 20 Einzahlungen nzahlungen an die EU pro K Kopf Auszahlungen der EU pro K Kopf

(BS/lkm/stb) Der Haushalt der Europäischen Union wird 2017 134,4 Milliarden Euro betragen. Die beiden wichtigsten Ausgabenposten sind die Agrarpolitik sowie Beschäftigung und Wachstum, die rund 70 Prozent des Gesamtetats ausmachen. Die EU kann nicht selbst Steuern und Abgaben erheben, will das aber in Zukunft ändern (siehe Beitrag Seite 7). Ihre Einnahmen erhält sie von den Mitgliedsstaaten. Die Länder zahlen einen Anteil der von ihnen erhobenen Mehrwertsteuer sowie Beiträge, die sich an deren Bruttonationaleinkommen orientieren, an die EU. Daneben gibt es “traditionelle Eigenmittel“, insbesondere Zölle, die aber aufgrund der allgemeinen Liberalisierung des internationalen Handels in den letzten Jahrzehnten rückläufig waren. Der Haushalt der EU muss immer ausgeglichen sein. Sie darf sich nicht verschulden.

EU-Ausgaben 2017 Beschäftigung und Wachstum

14 %

Forschung und Technologie

28 % 34 %

12 %

EU-Einnahmen 2017 Mehrwertsteueranteil

14 %

Beiträge der Mitgliedsländer

Agrarpolitik

70 %

41 % 38 %

72 %

13 %

Zölle

15 %

Verwaltung

13 %

7%

Innenpolitik

6%

Außenpolitik

3%

EU-Ausgaben 2017

2%

EU-Ausgaben 2016

7% 7%

Verschiedenes

1% 2%

EU-Ausgaben 2017 EU-Ausgaben 2016

Fehlerquote

8

Der Europäische Rechnungshof stellt bei seinen jährlichen Haushaltsprüfungen immer eine Fehlerquote fest. Sie ist eine Schätzung des Betrags der Mittel, die nicht aus dem EU-Haushalt hätten gezahlt werden dürfen, weil sie nicht in Einklang mit den EU-Vorschriften verwendet wurden.

7

FEHLERQUOTE

Fehlerquote in Prozent Anteil am Haushaltsvolumen in Mrd. Euro

6 5 4 3 2

6,0

1

EU-Mittel in Deutschland 0

2015 zahlte Deutschland 28 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein. Das war in absoluten Zahlen der höchste Beitrag. Von den elf Milliarden Euro, die zurückflossen, ging mehr als die Hälfte in die Landwirtschaft.

2010

2012

2013

2014

2015

Britenrabatt

2,7 1,9 in Mrd. Euro

0,2

2011

0,2

Großbritannien wird seit 1985 auf Betreiben der damaligen britischen Regierungschefin Margaret Thatcher ein Rabatt auf seine Beitragszahlungen gewährt. Das Land ist das einzige, das einen Rabatt auf seine Einzahlungen erhält.

119,57 Mrd. Euro

Agrarpolitik

Beschäftigung Forschung und und Wachstum Technologie

Innenpolitik

Verwaltung

(1985–2015)

Quellen: EU-Kommission, Europäischer Rechnungshof, Eurostat Grafiken: ©irina, Fotolia.com; ©cunico, Fotolia.com; ©Fredex, Fotolia.com; ©dikobrazik, Fotolia.com; designed by Photoroyalty, Freepik, BS/Liesegang Alle Grafiken und bildlichen Darstellungen unterliegen dem Copyright. Nachdruck oder andere Vervielfältigungen nur mit Genehmigung.

Angaben in Euro

Saldo pro Kopf

LLuxemburg uxembu urg +655 +6 655 2.945 2.9 945

+2.290

Slowakei Sl S low owake +129 + 689

+561

T schechi Tschechische Repu Republik + +146 671

+525

Ungarn U ngarn n +109 571

+462

Griechenland G riechen nland +124 575

+451

LLettland ettlan ett tland +119 +119 496 49 96

+377

Bulgarien Bulgarie g n +67 +6 6 379 37 7

+312

Slowenien S lowenie e +196 +19 9 456 45 5

+260

Rumänien R umänie en e +73 +7 73 329 32 29

+256

Polen Po P ole le en +111 351

+240

Estland Estland +160 338

+177

LLitauen itauen +133 300

+167

Belgien Belgien g +488 8 620 0

+132

Portugal Po P ortugal rtugal g l +159 9 250 0

+92

Spanien Sp S panien anien n +217 295

+78

Malta Ma M alta lta +240 0 309 9

+69

Kroatien Krroatien K oatien n +94 4 143 3

+49

IIrland rland d +397 434

+37

Zypern Z ypern yp +271 239

-32

Italien I alien It Italie +262 +26 62 203 20 03

-59

Frankreich Frankreicch +310 +310 218 2 18

-92

Finnland F innlan nd +339 +339 243 24 43

-96

Österreich Össterrei Ö terreicch +318 +31 209 2 0

-110

Dänemark Dä D änem nema a +445 +44 + 270 27

-175

Deutschland De D eutsch utschla lan +346 +3 + 135 1

-211

Vereinigtes V ereini reinig Königreich Kö i eic Königre +331 +3 33 115 11 1

-215

Schweden S chwede chwe +412 +41 + 151 15

-262

Niederlande Niederland +470 + 140

-331


Länder

Behörden Spiegel / Februar 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Becker, im Koalitionsvertrag der Berliner Senatsregierung sind die Vorhaben zum Öffentlichen Dienst thematisiert auf zehn Seiten. Für Sie ein Grund zur Freude, weil so viel getan werden soll?

Seite 7

Gutes Gefühl mit diesem Finanzsenator Frank Becker zu den Vorhaben der Berliner Regierung im Öffentlichen Dienst

(BS) Im Berliner Öffentlichen Dienst beabsichtigt die Regierungskoalition Zuständigkeiten zu verschieben, die Zusammenarbeit zwischen Bezirken und Senatsverwaltungen zu optimieren, mehr zu standardisieren – wie das Bewerbungsverfahren und den Einsatz von E-Recruiting – und einzelne Aufgaben auch zu zentralisieren, etwa die Personalaktenführung im Landesverwaltungsamt. Mehrere tausend neue Beschäftigte sollen Becker: Was heißt viel getan? in den nächsten Jahren jährlich eingestellt werden, damit Verwaltung die an sie gestellten Aufgaben weiter erfüllen kann. Im Gespräch mit dem Für uns ist maßgeblich, was die Behörden Spiegel erläutert der Landesvorsitzende vom DBB Berlin, Frank Becker, die zentralen Punkte aus Sicht der Beamtenvertretung. Die Folgen vom Tarifabschluss sind. Fragen stellte Jörn Fieseler. Hier legen wir insbesondere einen Schwerpunkt bei der Angleichung der Besoldung an die anderen Bundesländer und den Bund. Im Tarifbereich soll das Niveau der übrigen TdL-Mitglieder bis Ende 2017 erreicht sein. Uns ist klar, dass die Angleichung der Besoldung nicht auch noch bis dahin erfolgen wird. Aber wir sind froh, dass im aktuellen Nachtragshaushalt eine Formulierung enthalten ist, den Rückstand von fünf Prozent auf vier Prozent zu drücken. Bedeutet für mich Tarifergebnis plus ein Prozent. Mal sehen, ob das auch so kommt. Zudem fordern wir die zeitgleiche Übernahme des Tarifergebnisses plus X Prozent für die Beamten im aktiven Dienst und die Versorgungsempfänger. In der Vergangenheit wurde die Besoldung immer erst im Sommer erhöht, nicht wie bei den Tarifbeschäftigten zum 1. März. Unser zweites Anliegen ist die Verbeamtung der Lehrerschaft. Behörden Spiegel: Warum? Becker: Wir haben in Berlin einen Lehrermangel. Wir glauben, dass wir mit einer Verbeamtung die Attraktivität des Berufs steigern und so die Abwanderungsrate senken können. Auch Länder, die zwischenzeitlich Lehrkräfte als Tarifangestellte eingestellt haben, verbeamten wieder, das muss ja einen Grund haben. Die Diskussion, ob ein Lehrer Beamter sein muss oder nicht, führen wir gerade mit den Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Lehrerinnen und Lehrer üben nicht nur hoheitliche Tätigkeit aus, aber der Staat hat eine Verpflichtung nach dem Grundgesetz. Und kann es denn sein, dass bei einem Anrecht auf Bildung durch einen Streik ein Abitur vermasselt wird? Die betroffenen Abiturienten müssten dann schlimmstenfalls im nächsten Jahr die Prüfungen absolvieren. Das ist der zweite

“Wir fordern die zeitgleiche Übernahme des Tarifergebnisses plus X Prozent für die Beamten im aktiven Dienst und die Versorgungsempfänger.” Aspekt neben dem finanziellen, wo in Berlin schon ordentlich draufgesattelt wird. Behörden Spiegel: Als größtes Vorhaben sollen alle Kompetenzen zum Öffentlichen Dienst künftig beim Finanzsenator gebündelt werden. Becker: Ja, aber es gibt noch viele Fragestellungen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Unsere Auffassung: Der Personalbereich muss zum Innensenator. Ausgehend von den Aufgaben muss man sagen, wie viel Personal benötigt wird. Erst dann klärt der Innensenator mit dem Finanzsenator, wie viel Geld dafür benötigt wird. Wenn alles beim Finanzsenator gebündelt ist, könnte es passieren, dass die Finanzierungsfrage im Vordergrund steht und nicht die Aufgaben, die zu erledigen sind. Behörden Spiegel: Wie ist denn ihr persönliches Verhältnis zum jetzigen Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen? Becker: Sehr vertrauensvoll. Besonders im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern. Wir haben den Eindruck, wenn wir mit Ideen und Forderungen an den Finanzsenator herantreten, werden wir ernst genommen, die Sachen werden geprüft und wir bekommen eine Rückmeldung. In einigen Punkten ist er unserer Ansicht schon gefolgt und hat

Frank Becker, Landesvorsitzender des DBB Berlin, hofft, dass die Regierung die Fehler der Vergangenheit erkannt hat und nun gegensteuert. Foto: BS/Matthias Henning

sich dann auch entsprechend eingesetzt. Ich habe ein gutes Gefühl mit diesem Finanzsenator. Es mag sein, dass er nicht allen unseren Forderungen entsprechen kann, aber: Es ist schon wichtig, dass wir nicht nur wahrsondern auch ernst genommen werden. Ich habe nicht den Eindruck, dass der DBB Berlin hier über den Tisch gezogen wird. Behörden Spiegel: In vielen Bereichen wird die Zusammenarbeit von Senat und Bezirksverwaltungen thematisiert. Diese soll verbessert werden, indem u. a. zentrale Stellen auf Senatsebene geschaffen werden. Werden die Bezirke damit entmachtet? Becker: Das glaube ich nicht. Denn im Nachtragshaushalt heißt es, “die Bezirke sollen in diesem Jahr 50 Mio. Euro mehr aus dem Landeshaushalt erhalten, um so zusätzliches Personal, aber auch einzelne Mehrbedarfe finanzieren zu können”. Dadurch werden die Bezirke gestärkt. “Und zur näheren Ausgestaltung wird eine gemeinsame Arbeitsgruppe Ressourcensteuerung eingerichtet.” Zudem werden es sich die Bezirke nicht

Becker: Wir haben schon jetzt die Situation, dass das Landesverwaltungsamt für viele Senatsstellen die Personalaktenführung übernommen hat. Wir haben einige Bereiche, die sind überhaupt nicht glücklich darüber. Alles dauert viel länger, die Wege sind weiter geworden, weil die Personalstelle nicht mehr direkt vor Ort ist und die Mitarbeiter nun einmal quer durch die Stadt fahren müssen, wenn sie beispielsweise in ihre Personalakte Einsicht nehmen wollen. Unser Ansatz ist: Wenn gebündelt wird, dann muss auch das Personal 1:1 überführt werden. Im Gegenzug gibt es mit Sicherheit auch Aufgaben, die besser dezentralisiert bleiben. Aber wir reden in vielen Bereichen über Dezentralisierung und mehr Nähe zum Bürger, warum sollen wir dann hier zentralisieren? Auch für die Verwaltungsmitarbeiter sind kurze Wege positiv.

nehmen lassen, hier Verantwortung abzugeben. Und hinsichtlich der zentralen Stellen ist auch noch nicht alles geklärt. Es gibt noch Diskussionen, ob Teile der Personalverwaltung beim Innensenator bleiben. Behörden Spiegel: Berlin Oder beim E-Government-Gesetz. Hier steht auch noch nicht braucht jährlich 5.000 bis 6.000 fest, wie sich die neu ernannte neue Beschäftigte in den nächsStaatssekretärin Sabine Smen- ten Jahren. Ist das schaffbar? tek hier einfindet. Fest steht nur, Becker: Wir werden in den dass mit der Umsetzung des EGovernment-Gesetzes sehr viel nächsten Jahren deutlich mehr Personal beGeld in die nötigen, das Hand genom“Der Personalbereich ist richtig. Ob men werden muss. Da wird muss zum Innensenator.” es 5.000 sind, muss man sees auch interhen. Seitens essant sein, was das ITDZ als zentraler der Fraktion Die Linke hieß es Dienstleister zu den Plänen sagt einmal: “Uns ist erst mal daran und dann für die Umsetzung gelegen, die jetzt vorhandenen noch benötigt. Auch an perso- freien Stellen zu besetzen.” Das nellen Ressourcen. Und da kom- wäre schon mal was. Hier sind in der Vergangenheit men wir wieder bei der Bezahviele Fehler gemacht worden. Ich lung an. hoffe, dass die RegierungskoalitiBehörden Spiegel: In diesem on diese Fehler erkannt hat und Zusammenhang wird auch von versucht, diese im Rahmen der Bündelung und Standardisie- gegebenen Möglichkeiten zu berung gesprochen. Etwa die Perso- wältigen. Dafür braucht es auch nalaktenführung beim Landes- nicht erst den Begriff der “wachverwaltungsamt anzusiedeln. senden Stadt”. Berlin hat auch Bevölkerungszuwächse Wäre nicht ein eigenes Landes- ohne schon mehr Personal benötigt, personalamt denkbar?

und zwar in den unterschiedlichsten Bereichen des Öffentlichen Dienstes. Sei es bei den Bürgerämtern, Polizei, Schulen und, und, und. Deshalb sollten wir überlegen, wie man zusätzliches Personal gewinnen kann, zum Beispiel durch mehr Quereinsteiger. Und wir sollten darüber nachdenken, welche Qualifikationsstandards notwendig sind. Aber dann sind wir wieder beim Anfangsthema der Bezahlung. Und der Konkurrenz mit der freien Wirtschaft, mit dem Bund, Brandenburg und den anderen Bundesländern. Deswegen müssen wir gerade im Beamtenbereich etwas tun. Behörden Spiegel: Da haben sich die Regierungsfraktionen ja einiges vorgenommen, etwa die Eintrittsaltersgrenzen ins Beamtenverhältnis zu ändern oder den Laufbahnwechsel zu erleichtern. Wie ist ihre Meinung zu den Vorhaben? Becker: Man sollte so flexibel wie möglich werden, aber nicht verkennen: Für bestimmte Berufsgruppen gab es schon immer Späteinsteiger. Zum Beispiel im Justizvollzug. Da braucht es eine vorherige Qualifikation. Da war es in der Vergangenheit für den DBB Berlin und dem BSBD Berlin schon ein Erfolg, dass Anwärtersonderzuschläge eingeführt wurden. Laufbahnwechsel können flexibler gestaltet werden. Wenn die Leute da sind und mit Schulungen einen Aufstieg machen können, dann steigert das auch deren Motivation. Behörden Spiegel: Letzte Frage: Was steht bei Ihnen für 2017 noch auf der Agenda? Becker: Wir haben im Laufbahnrecht einiges gesammelt. In Berlin gibt es für unterschiedliche Laufbahnen unterschiedliche Laufbahnrechte. Dass muss man zusammentragen und vereinheitlichen. Das zweite, das ein großes Thema werden wird, ist die Veränderung des Personalvertretungsgesetztes. Auch hier haben wir einige Punkte zusammengetragen, die wir in unseren Gremien besprechen wollen. Es muss sich was ändern, nicht nur durch die neuere Rechtsprechung. Unsere Ergebnisse wollen wir dann ebenfalls mit den Fraktionen diskutieren.

Steuern für die EU

“Komplikationslos im Betrieb”

Reform soll “Nettozahlerstreit” entschärfen

Baden-Württemberg: Bewährungs- und Gerichtshilfe wieder beim Staat

(BS/lkm) Der EU-Haushalt soll in Zukunft weniger von den direkten Beiträgen der Mitgliedsstaaten abhängig sein. Diese machen aktuell rund 80 Prozent des EU-Haushaltes aus. Mit einem verbesserten Einnahmesystem sollen mehr Eigenmittel generiert werden. Eine EU-Arbeitsgruppe unter der Federführung des früheren italienischen Premierministers und ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti hat nun Vorschläge zur Finanzierung des EU-Haushalts vorgelegt. Im Fokus stehen dabei vor allem neue Steuern für Europa.

(BS/ein) Seit Jahresbeginn ist die Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg wieder in Hand des Landes. Dazu wurde die “Landesanstalt Bewährungs- und Gerichtshilfe Baden-Württemberg (BGBW)” mit Sitz in Stuttgart neu gegründet.

Die aktuellen Krisen stellen Europas Haushalt vor eine Bewährungsprobe. Hinzu kommt der Brexit. Tritt Großbritannien 2019 aus der EU aus, verliert sie einen ihrer größten Nettozahler. Dem Brüsseler Budget droht dann ein Verlust in zweistelliger Milliardenhöhe. Die anderen Nettozahler haben wenig Ambition, diese Lücke zu füllen. Monti empfiehlt in seinem Bericht daher, die Finanzierung der EU auf ganz neue Füße zu stellen, vor allem bei den Einnahmen.

Verschiedene Vorschläge Als mögliche neue Eigenmittelquellen werden in dem Monti-Bericht ein reformiertes MwSt-Eigenmittelsystem, eine EU-Körperschaftsteuer, eine Finanztransaktionssteuer und weitere Finanzaktivitätssteuern erwähnt. In Verbindung mit der Energieunion, der Umwelt-, Klima- und Verkehrspolitik der EUPolitik werden ferner eine CO2Abgabe, Erlöse aus dem europäi-

schen Emissionshandelssystem, eine Stromsteuer, eine Kraftstoffsteuer (oder allgemein eine Verbrauchssteuer auf fossile Brennstoffe) und eine indirekte Besteuerung von in Drittländern mit hohen Emissionen hergestellten Importwaren vorgeschlagen. Mit der damit einhergehenden Reduzierung der nationalen Beiträge will die Monti-Gruppe auch die Nettozahlerdebatte beenden. Stattdessen sollen im Haushalt neue Indikatoren entwickelt werden, die den Nutzen der EU-Mitgliedschaft und den Zugang zum Binnenmarkt deutlich machen.

Länder-Steuerhoheit bleibt erhalten Laut Arbeitsgruppe geht es nicht darum, die Finanzmittel der EU zu erhöhen. Vielmehr sollen neue Quellen erschlossen werden, um die Abhängigkeit von den direkten Beiträgen der Mitgliedsstaaten zu verringern. “Solange der Haushalt sich überwie-

gend über die nationalen Beiträge finanziert, ist es politisch unmöglich, das Budget zu erhöhen”, so der französische Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Alain Lamassoure. Sei die Grundlage jedoch eine indirekte Steuer, so würden sich die über diese Steuern generierten Ressourcen automatisch im Zuge des jährlichen Wirtschaftswachstums erhöhen. Laut Lamassoure können so mehr Finanzmittel generiert werden, ohne dabei die relative Last für den Steuerzahler zu erhöhen. Die Monti-Gruppe betonte, dass die EU durch die Reformvorschläge keine Kompetenz zum Erheben von Steuern bekäme. Die EU-Kommission kündigte an, einen Teil der Vorschläge aufzugreifen und einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen. Einer Änderung des Eigenmittelsystems und die Nutzung bestimmter Steuern müssen die Mitgliedsstaaten einstimmig zustimmen.

“Wir haben die Bewährungsund Gerichtshilfe zum 1. Januar wieder in staatliche Trägerschaft überführt und damit eine Vereinbarung des Koalitionsvertrags umgesetzt”, sagte Landesjustizminister Guido Wolf. Die neue Behörde werde die Arbeit des freien Trägers nahtlos fortsetzen und weiter verbessern: “Die bewährten Strukturen werden weitergeführt, die hohen fachlichen Standards beibehalten.” Die Mitarbeiter könnten ihre wichtige Tätigkeit fortsetzen. Auch der aus Sicht der Sozialarbeiter sehr wichtige Betreuungsprozess werde nahtlos fortgesetzt, versprach Wolf. Wichtig sei ihm, dass die zahlreichen ehrenamtlichen Bewährungshelfer weiter eingebunden und gefördert würden. Die Aufgaben der Bewährungsund Gerichtshilfe waren 2007 für zehn Jahre auf die Neustart gGmbH übertragen worden. Vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im November 2014 hatte der Landtag be-

nicht gelungen, ein Umwandlungsprojekt dieser Größe in einem solchen kurzen Zeitraum zu bewältigen.” Nach den ersten Werktagen sei die Landesanstalt komplikationslos im Betrieb.

Im Auftrag von Staatsanwaltschaft oder Gericht

Durch Gerichtshilfe sollen die sozialen Hintergründe eines Täters und die Auswirkungen der Tat auf Geschädigte ermittelt werden, um den Staatsanwaltschaften und Gerichten Hilfestellung zur Findung der angemessenen Sanktion zu geben. Foto: BS/Q.pictures, pixelio.de

schlossen, beides ab 2017 mittels einer rechtlich selbständigen Einrichtung wieder durch das Land tragen zu lassen. Wolf hob das Engagement der Mitarbeiter während des Umstellungsprozesses hervor: “Ohne ihre tatkräftige Mitwirkung und Unterstützung wäre es

Strafgerichte können bei Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt werden, die verurteilte Person unter die Führung und Leitung eines Bewährungshelfers stellen. Zudem wird in vielen Fällen der vorzeitigen Entlassung aus dem Justizvollzug ein Bewährungshelfer bestellt. Die Gerichtshilfe wird während oder nach einem Strafverfahren im Auftrag einer Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts tätig. Dabei sollen die sozialen Hintergründe der Person des Täters sowie – wie bei Gewaltverbrechen – die Auswirkungen der Tat auf Geschädigte ermittelt werden, um den Staatsanwaltschaften und Gerichten Hilfestellung zur Findung der angemessenen Sanktion zu geben.


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I

n den vergangenen Jahren haben sich zunehmend vielfältige wirtschaftliche, infrastrukturelle, kulturelle und andere Beziehungen zwischen Polen und Deutschen entwickelt. Die nördliche Uckermark begreift sich zunehmend auch als Teil der Metropolregion Stettin. In den vergangenen Jahren haben sich dort immer mehr Bürgerinnen und Bürger aus Polen angesiedelt, die in Brandenburg wohnen und in Stettin arbeiten. Umgekehrt sind aber auch Deutsche nach Polen gezogen oder arbeiten dort.

Verflechtungsräume stärker nutzen Mit dem Ziel, das Potenzial des Verflechtungsraums stärker zu nutzen und die Region noch besser in Europa zu positionieren, begann vor zwei Jahren die Arbeit für das Zukunftskonzept. Vier Wojewodschaften, vier Bundesländer und zwei staatliche Ministerien waren daran beteiligt, eine raumplanerische Vision für die Jahre bis 2030 zu entwerfen. Die Zusammenarbeit zu Fragen der Raumentwicklung hat Tradition. 1999 wurde der Deutsch-Polnische Raumordnungsausschuss als dritter Ausschuss der DeutschPolnischen Regierungskommission ins Leben gerufen. Seither haben die Mitglieder zu verschiedenen Themen Arbeitsmaterialien und Konzepte vorgelegt, wie beispielsweise zur Verkehrsinfrastruktur. Darauf gründen sich die Leitlinien und Handlungsansätze des Zukunftskonzeptes. Es zeigt, wie der Raum auf beiden Seiten der Oder und Lausitzer Neiße im Jahre 2030 aussehen soll. Das Konzept enthält Handlungsempfehlungen für die zuständigen Behörden, Einrichtungen und Entscheidungsträger in Deutschland und Polen.

Länder

Beidseits der Oder

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bote, auch im Busverkehr, entsprechend der Nachfrage erhöht und gemeinsame Ticket- und Tarifsysteme weiter ausgebaut werden. Die Tatsache, dass es gelungen (BS/Kathrin Schneider*) Beim Blick auf die Karte des Landes Brandenburg liegen die Städte entlang der Oder am östlichen Rand. Diese Perspektive ist, dieses Konzept innerhalb verändert sich unvermittelt auf der Karte des Deutsch-Polnischen Verflechtungsraums. Schwedt, Eberswalde, Frankfurt oder Cottbus rücken ins von zwei Jahren zu erarbeiten, zeigt, dass die Zusammenarbeit Zentrum und es werden die Entwicklungsachsen zwischen den Zentren Brandenburgs und Polens deutlich. Hier setzt das Zukunftskonzept an. zwischen beiden Seiten funktioIm Fokus stehen dabei Themen niert. Dies ist gerade in Zeiten wie die weitere Verbesserung der zunehmender Spannungen in Verkehrsverbindungen, der Europa ein wichtiges Signal. Für grenzüberschreitenden Wirt- die Nutzung der sich bietenden schaftsbeziehungen, des Zu- wirtschaftlichen und kulturelgangs zum Arbeitsmarkt, der len Potenziale kann das Zusammenarbeit der Hoch- deutsch-polnische Zukunftsschulen, aber auch Fragen der konzept ein guter Kompass sein. interkulturellen Kompetenz und Nun kommt es darauf an, diese der Energiesicherheit. Vorlage für die Umsetzung konkreter Projektideen zu nutzen. Attraktiverer Nah- und Hierzu wird eine Arbeitsgruppe Fernverkehr des RaumordnungsausschusIm Hinblick auf die Siedlungs- ses ein Kommunikations- und entwicklung sollen die städti- Umsetzungskonzept erarbeiten. schen Zentren in ihrer Funktion Damit sollen der Einsatz euroals “Tore zur Welt” gestärkt wer- päischer Fördermittel optimiert den. Das Zukunftskonzept ent- und Projekte im Sinne des Konhält aber auch Empfehlungen zeptes gefördert werden. Denn für die Zusammenarbeit zwi- nur das Zusammenwirken vieler Menschen schen Städten und ihrem “Es soll dazu motivieren, und InstitutioUmland, mit die Aufmerksamkeit für nen füllt das “Gemeinsame dem Ziel, die diesen Raum auf euro- ZukunftskonVersorgung päischer und nationaler zept 2030” mit der Menschen Leben. Es soll in Gebieten siEbene zu erhöhen.” dazu motiviecherzustellen, ren und inspiin denen die rieren, die Zusammenarbeit im Bevölkerungszahlen sinken. Ein besonderes Gewicht deutsch-polnischen Verflechkommt im Deutsch-Polnischen tungsraum weiter zu vertiefen Verflechtungsraum dem Ver- und die Aufmerksamkeit für diekehrsthema zu. Vision des Kon- sen Raum auf europäischer und zeptes ist es, die grenzüber- nationaler Ebene erhöhen. Zuschreitenden Verbindungen des gleich leistet es mit seiner besonNah- und Fernverkehrs attrakti- deren, grenzübergreifenden Perver und wettbewerbsfähiger zu spektive einen Beitrag zur Disüber zukünftige machen. Die Zentren sollen kussion nach Möglichkeit – vor allem Schwerpunkte der europäidurch attraktive Bahnverbin- schen Kohäsionspolitik. dungen – direkt miteinander *Kathrin Schneider ist Ministerin verbunden werden. Dies würde Ungewohnte Perspektive: die Oder in der Mitte; im Westen die neuen Bundesländer, im Osten die Woiwodschaften die Fahrzeiten spürbar verkür- für Infrastruktur und LandesplaWestpommern, Lebus, Großpolen und Niederschlesien Foto: BS/MIL zen. Gleichzeitig sollen die Ange- nung des Landes Brandenburg.

Zukunftskonzept für engere deutsch-polnische Zusammenarbeit


Finanzen

Behörden Spiegel / Februar 2017

B

ehörden Spiegel: Herr Scheller, Sie haben Anfang des Jahres die Prüfungsgebiete des Bundesrechnungshofes reorganisiert. Was hat sich durch die Reform verändert? Scheller: Mit unserer Strukturreform haben wir die bisher eigenständigen Prüfungsämter aufgelöst und in den Bundesrechnungshof integriert. Damit wurde eine Hierarchieebene abgeschafft. Gleichzeitig haben wir die Aufgabenverteilung neu geordnet. Schnittstellen wurden reduziert, indem fachlich nahestehende Aufgabenbereiche gebündelt wurden. Die Abteilungen sind stärker als bisher auf wesentliche Politikfelder ausgerichtet. Damit wollen wir schneller und flexibler auf neue und komplexe Handlungsfelder der Bundesverwaltung reagieren. Neben der fachlichen Fokussierung wollten wir auch die Verteilung der Prüferinnen und Prüfer auf die Abteilungen einander angleichen. Das war vorher anders, als wir mit den Prüfungsämtern des Bundes einen nachgeordneten Bereich hatten.

Behörden Spiegel: Wo haben Sie bei den Prüfungsgebieten besondere Akzente gesetzt? Scheller: Wir haben Inhalte und Themen von Prüfungsgebieten neu zugeschnitten. Damit haben wir die Aufgaben dieser Prüfungsgebiete neu justiert und auf die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft ausgerichtet. Wir haben eine große Zuwendungs- und Beteiligungs-Abteilung geschaffen. Dazu zählen die Zuwendungen für Bereiche wie Wirtschaft und Energie, Bildung und Forschung und Landwirtschaft. Zudem hat der Bund auch eine große Beteiligungsverwaltung, die wir prüfen. Neu ist auch, dass wir die Äußere Sicherheit jetzt auf fünf Prüfungsgebiete in der Abteilung “Verteidigung” verteilt haben. Eines davon ist ein Cyber-Prüfungsgebiet, das die Cyber-Einheiten der Bundeswehr beim Aufbau prüferisch begleiten wird. Die Innere Sicherheit, das Bundeskanzleramt, die Dienste, das Bundesinnenministerium, Kultur und die Stasiunterlagenbehörde sind jetzt in einer Abteilung konzentriert.

Intransparenz für das Parlament BRH-Präsident Scheller über unzureichende Prüfungsrechte und Föderalismus (BS) Der Bundesrechnungshof (BRH) hat Anfang des Jahres seine Prüfungsgebiete reformiert und neue Akzente in der Flüchtlingspolitik gesetzt. Auch die Digitalisierung spielt in Zukunft ein gewichtigere Rolle bei der Prüfung des BRH. Neben den eigenen Reformen hat der BRH auch die Reformen des Bundes im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen im Blick. Im Gespräch mit dem Behörden Spiegel prangerte Kay Scheller, Präsident des Bundesrechnungshofes, vor allem die fehlenden Prüfrechte bei der geplanten Verkehrsinfrastrukturgesellschaft an und machte auf die Risiken des Föderalismus aufmerksam. Die Fragen stellen R. Uwe Proll, Chefredakteur des Behörden Spiegel, und Lora Köstler-Messaoudi.

“Die DB AG ist eine Black Box für uns. Wenn das für die Straße auch so kommt, wird das Parlament geschwächt – auch zum möglichen Nachteil der Steuerzahler.” Dort haben wir auch die IT-Prüfungskapazitäten verstärkt, mit den beiden Prüfungsgebieten “IT-Konsolidierung, Netzpolitik und Digitalfunk” und “Informations- und Kommunikationstechnik und IT-Sicherheit”. Zusammen mit der Jahresrechnungsprüfung bekommen digital-orientierte Prüfungen damit eine größere Bedeutung. Veränderungen gab es auch bei der Infrastruktur. Hier gibt es nun eine Säule für den Tief- und eine für den Hochbau. Vorher war das alles in einer Abteilung gebündelt. Behörden Spiegel: Gänzlich neu ist das Prüfgebiet Flüchtlinge und Asylbegehrende. Wo werden hier in Zukunft die Schwerpunkte liegen?

Paradigmenwechsel beim bundesstaatlichen Finanzausgleich Das nun vereinbarte Modell geht – mit geringfügigen Anpassungen – auf einen Vorschlag der 16 Länder vom 3. Dezember 2015 zurück. Diese hatten sich damals einstimmig verständigt, was angesichts der Interessenvielfalt und den bis dahin schwerfälligen Verhandlungen als Überraschung galt. Politisch sind die Verständigung unter den Ländern im Dezember 2015 sowie die rund ein Jahr später

Kay Scheller ist Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH). Foto: BS/Benjamin Stiebel

von Liegenschaften durch die BImA zur Unterbringung der Flüchtlinge. Behörden Spiegel: Der Bund plant eine neue Verkehrsinfrastrukturgesellschaft. Welche Vorstellungen oder Empfehlungen gibt es seitens des Bundesrechnungshofes dazu?

Scheller: Wir haben schon seit vielen Jahren gefordert, dass der Bundesautobahnbau in eine Bundesinstitution gebracht Scheller: Der Bund gibt an, al- wird, um die leidigen Defizite der lein in diesem Jahr 22 Milliarden Bundesauftragsverwaltung zu Euro für flüchtlingsbezogene beheben. Ich habe im Dezember Leistungen auszugeben. Hier letzten Jahres auch ein Gutachwollen wir uns jetzt wichtige Be- ten zu den Organisationsformen und Finanziereiche genau“Wir haben schon seit rungsvarianer anschauen. Dazu gehören vielen Jahren gefordert, ten im Bundesfernstrabeispielsweidass der Bundesßenbau vorgese die Arbeit autobahnbau in eine stellt. Die Bundes BAMF, desregierung aber auch der Bundesinstitution hat sich jetzt Bundesagengebracht wird.” für eine tur für Arbeit GmbH, die und der JobCenter für die zu uns gekomme- auch weitere Untergliederungen nen Menschen. Auch nehmen haben soll, entschieden. Dabei wir die Integrationsleistungen, dürfte auch eine funktionale Priwie die Sprachkurse, näher in vatisierung möglich werden, den Blick oder die Überlassung über Dritte, die dann planerisch,

D

as zentrale Element der Einigung bildet die Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Das geltende System wurde bereits mit seiner Implementierung bis zum 31. Dezember 2019 befristet. Dann laufen seine einzelgesetzlichen Grundlagen sowie seine wesentlichen Begleitgesetze aus. Auch die gesonderten Mittel für die Neuen Länder im Rahmen des Solidarpakts II werden im Jahr 2019 letztmalig gewährt. Weil die Finanzverfassung in Artikel 107 Abs. 2 GG einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder ausdrücklich fordert, musste eine Anschlussregelung gefunden werden. Dies ist der Politik entgegen vieler Erwartungen noch vor Beginn des Wahljahres 2017 gelungen.

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baulich und auch in der Finanzierung tätig werden können. Schon 2021 soll ein funktionierendes neues System stehen. Unsere Prüfer fragen sich, wie wir in Deutschland in drei Jahren schaffen können, wofür die Österreicher neun Jahre gebraucht haben, bei einem Fünftel des Autobahnnetzes gegenüber unserem deutschen Autobahnnetz. Hinzu kommt der Mangel an Bauingenieuren und schubladenfertigen Planungsvorhaben in Deutschland. Solange der Bund noch nicht genügend eigene Kapazität hat, sollte er sich daher im Wege der Organleihe an den Baukapazitäten der bestehenden Landesstraßenbauämter bedienen. Behörden Spiegel: Wenn man den Gesetzentwurf der Infrastrukturgesellschaft analysiert, welche Rechte hat da zukünftig die externe Finanzkontrolle? Scheller: Prüfungsrechte sieht der Gesetzentwurf bisher nicht vor. Die fordern wir aber ein. Wir haben auch die fehlenden Kontrollrechte im parlamentarischen Bereich angesprochen und die entsprechenden Konse-

quenzen einer drohenden Intransparenz für das Parlament aufgezeigt. Bei der DB AG haben wir zum Beispiel auch nur begrenzte Möglichkeiten, Transparenz herzustellen. Bei den Instandhaltungsmaßnahmen, den Mitteln aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, ist die DB AG eine Black Box für Behörden Spiegel: Gibt es uns. Wir dürfen die Haushaltsund Wirtschaftsführung nicht noch weitere Bereiche, die nach prüfen, versuchen aber, so gut Ansicht des Bundesrechnungses geht, den Verbleib der Zuwen- hofes beim Bund zusammengedungsmilliarden zu prüfen. Der führt werden sollen? Bund will das Eigenkapital der Scheller: 2007 hat mein VorDB AG um bis zu eine Milliarde Euro erhöhen und in den nächs- gänger in einem Gutachten zur ten vier Jahren auf Dividenden Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen auch verzichten. Wenn das für die Straße auch die Struktur der Verfassungsso kommt, wird das Parlament schutzbehörden analysiert und geschwächt – auch zum mögli- eine Zentralisierung vorgeschlachen Nachteil der Steuerzahler. gen, wie sie BundesinnenminisSo können auch die Wahlkreis- ter de Maizière jetzt fordert. Wir müssen bei abgeordneten, die ja vor Ort “Die Verfassungsschutz- Angriffen auf den Bestand immer wieder behörden sollten u n s e r e r mit den Bauin einer BundesGrundordmaßnahmen zu tun haben, institution konsolidiert nung und unseres Staates durch uns keiwerden.” ebenenüberne Einsicht greifend denmehr über Fehler beim Planen, Bauen und ken und handeln. Jeder Angriff Finanzieren bekommen. Das ist auf ein Bundesland hat auch etwas, das wir in den nächsten Konsequenzen für die BundesWochen stärker betonen und ebene. Insofern muss man auch auch immer wieder öffentlich den Verfassungsschutz gemeinmachen müssen, denn unsere sam denken. Die VerfassungsPrüfungsergebnisse zeigen, schutzbehörden sollten deshalb dass in diesem Bereich unab- in einer Bundesinstitution konhängige Prüfungen notwendig solidiert werden, die natürlich sind. Wir stellen hier regelmäßig lokale oder regionale Komponenten haben muss. Der Auferhebliche Defizite fest. wand, im Föderalismus zusamBehörden Spiegel: Wie haben menzuarbeiten, ist wahnsinnig andere Länder die Straßenfinan- groß. Die dauernden Koordinierungen im föderalen Staat gehen zierung gelöst? mit einem Verlust an SchaffensScheller: Frankreich sichert und Schlagkraft einher. Diese sich seine Einnahmen für die Risiken des Föderalismus sehen Straße über die Maut. Dort hat wir auch beim Straßenbau, den der Staat jede Aktivität verloren Steuern und im Sozialbereich.

Eine Abkehr von Bewährtem Die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (BS/Thomas Lenk/Philipp Glinka/Oliver Rottmann*) Mit der Einigung über die Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen am 14. Oktober 2016 haben die Regierungschefs von Bund und Ländern die lange verhandelte und noch länger diskutierte Frage nach der künftigen Einnahmenverteilung im Bundesstaat in wesentlichen Teilen beantwortet. Im gleichen Zug sind einige Neuerungen im Bereich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beschlossen worden, die derzeit gesetzgeberisch konkretisiert werden. Beides verändert die bisher geltende Ordnung der Aufgaben-, Lasten- und Einnahmenverteilung zwischen den föderalen Ebenen in Deutschland nicht unwesentlich. Denn den Einigungsdetails liegt in ihrer Summe eine klare Tendenz zugrunde. Diese lautet: Zentralisierung und Vertikalisierung. gelungene Einigung der Ländergesamtheit mit dem Bund bemerkenswert. Inhaltlich irritiert jedoch, dass die Länder selbst mit ihrem damaligen Modellentwurf proaktiv eine Form der Systemveränderung gewählt haben, die ihre eigene Stellung im föderalen Gefüge abwertet und die des Bundes stärkt. Denn das neue System gleicht Finanzkraftunterschiede in der Summe aller Stufen zwar in einem ähnlichen Maße aus wie das bestehende. Jedoch wird dieser Ausgleich in deutlich größerem Umfang über Mittel des Bundes, sogenannte Bundesergänzungszuweisungen, hergestellt, folglich über vertikale Elemente. Damit steigt die Verantwortung des Bundes systemisch. Zugleich verfallen die Länder (nicht nur die finanzschwachen) in eine neue Abhängigkeit gegenüber dem Bund. Das Einstehen der Länder füreinander, folglich die unmittelbare Solidarität der finanzstarken mit den finanzschwachen Ländern, rückt im

Vergleich zum Status quo erheblich in den Hintergrund. Messund sichtbar wird dies zum einen an der geringer werdenden finanziellen Bedeutung des horizontalen Ausgleichs im Rahmen des Gesamtsystems und zum anderen – was mindestens ebenso bedeutsam und besonders symbolträchtig ist – an der Art des neuen horizontalen Ausgleichs. Dieser erfolgt nicht über den direkten Weg zwischen finanzkraftstarken und finanzkraftschwachen Ländern, sondern indirekt und damit auch intransparenter über die Zuordnung des Länderanteils an der Umsatzsteuer. Zahler und Empfänger entfallen damit vollständig. An ihre Stelle treten Länder, deren Umsatzsteuermittel durch Abschläge gemindert werden (finanzkraftstarke Länder) und solche, die Zuschläge im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung erhalten (finanzkraftschwache Länder). Eine Umverteilung “eigener” Mittel nach dem Vorbild des bestehenden Län-

derfinanzausgleichs bleibt aus. Ein lange bewährtes Prinzip wird abgeschafft.

Der Preis der Mehreinnahmen Finanziell verzeichnen alle Länder Vorteile im neuen System gegenüber einer Fortsetzung des bestehenden Systems. Dies verdeutlichen Berechnungen, die auf der Grundlage der aktuellen Steuerschätzung durchgeführt werden können. Die Mehreinnahmen der Länder korrespondieren mit den Mehrbelastungen des Bundes. Von einem höheren Länderanteil am Umsatzsteueraufkommen profitiert die Ländergemeinschaft insgesamt. Die finanzkraftstarken Länder werden darüber hinaus im Rahmen des horizontalen Ausgleichs entlastet, die finanzkraftschwachen Länder erhalten deutlich höhere Bundesergänzungszuweisungen. Zudem werden weitere Bundesmittel gewährt, die im bestehenden System nicht existieren bzw. ab dem Jahr 2020 entfallen

und die Kontrollmöglichkeiten komplett aus der Hand gegeben. Vinci und eine Hand voll anderer Unternehmen haben dort die Autobahnlandschaft unter sich aufgeteilt und stehen nicht im Wettbewerb untereinander. Der Wettbewerb ist aber die Triebfeder für wirtschaftliches Handeln. In Frankreich haben wir damit Monopolisten auf den Strecken und die haben eine hohe Renditeerwartung. Die Autofahrer zahlen dort zwischen 20 bis 24 Prozent nochmal on top zu dem, was eigentlich das Bauen und Betreiben kosten würde. Natürlich ist das ein anderes Land, mit einer anderen Straßenkultur. Aber man muss sich in der Nachbarschaft umschauen und überlegen, was das für uns bedeuten könnte.

wären. Doch werden nicht die fiskalischen Ergebnisse beider Systeme im Jahr 2020 miteinander verglichen, sondern die Einnahmen der Länder in den Jahren 2019 und 2020 unter der Annahme eines Systemwechsels, lassen sich im Ländervergleich deutliche Nachteile für die Neuen Länder beim Wachstum der zur Verfügung stehenden Einnahmen nach Verteilung aller Mittel feststellen. Der deutlichste Unterschied – wenn die Stadtstaaten unberücksichtigt bleiben – besteht zwischen Bayern und dem Land Brandenburg. Die Einnahmen des Freistaates wachsen im Jahr 2020 gegenüber 2019 je Einwohner um 137 Euro stärker – der Finanzausgleich ist darin schon berücksichtigt. Dies ist nicht ausschließlich auf das neue Finanzausgleichssystem zurückzuführen. Dieses trägt jedoch wesentlich zum Zustandekommen des Ergebnisses bei. Dass alle Länder, wenngleich in unterschiedlichem Maße, Mehr-

einnahmen von 2019 zu 2020 erwarten können, dürfte wohlwollend zur Kenntnis genommen werden. Doch ist es angesichts des nach wie vor großen wirtschaftlichen und finanziellen Aufholbedarfs des Ostens bedenklich, dass die Neuen Länder zum Teil deutlich unterdurchschnittliche Zuwachsraten verzeichnen werden, während die ohnehin finanzstarken Länder (in der Fläche: Bayern, Hessen, Baden-Württemberg) deutlich über dem Durchschnitt liegen. Der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse dient dieses Ergebnis nicht im wünschenswerten Maße. *Thomas Lenk und Philipp Glinka sind am Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management an der Universität Leipzig tätig. Oliver Rottmann leitet das Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. Die Ausführungen der Autoren beziehen sich auf die Ergebnisse einer Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. der Universität Leipzig zur Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen, die in Kooperation mit der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG sowie dem Institut für den Öffentlichen Sektor e. V. entstanden ist.


Beschaffung / Vergaberecht

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qanuun-aktuell

Vorübergehend besonders fester Wohnsitz von Rechtsanwältin Dr. Stefanie Lejeune In politisch korrekten Zeiten sind treffende Umschreibungen für nicht ganz so gängige Lebensformen gefragt: So gibt es Personen ohne festen Wohnsitz, solche mit einem häufig wechselnden oder mit einem vorübergehend besonders festen Wohnsitz. Damit sind keine pflegebedürftigen Menschen gemeint, sondern die Gefangenen einer Justizvollzugsanstalt (JVA). 23 Stunden (eine Stunde Hofgang) täglich im engen Raum auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, ist keine leichte Übung. Und so wird sich derjenige, der eine JVA von innen sieht, auch fragen, ob die Sache das wert war. Gegenwärtig dürfte der Oberbürgermeister von Regensburg sich diese Frage stellen. Seit Mitte Januar hat er als Untersuchungshäftling einen vorübergehend besonders festen Wohnsitz. Wenn die Berichterstattung zutreffend ist, und das Agieren der Strafverfolgungsbehörden legt diese Annahme nahe, dann war Regensburg dank einiger engagierter Kommunalpolitiker ein Sumpfgebiet mit Amigos und Klüngelmeistern außerhalb des BNatSchG. Zahlreiche ge-

Dr. Stefanie Lejeune ist Präsidentin des Vereins qanuun – Institut für interdisziplinäre Korruptionsprävention in der Verwaltung e. V. In jeder Ausgabe des Behörden Spiegel kommentiert sie aktuelle Entwicklungen rund um die Themen Compliance und Korruptionsprävention. Foto: BS/www.qanuun.org

stückelte Parteispenden (unterhalb der 10.000-EuroGrenze) und persönliche Zuwendungen sollen im Gegenzug für Filetgrundstücke und Bauaufträge an drei Bauträger erfolgt sein. Irritierend ist dabei der Aufschrei der Klüngelanhänger, die Aufdeckung der Machenschaften sei “Verrat”. Ein gefährliches Wort, setzt es doch den Whistleblower ins ethische Unrecht und nicht den Täter. Sollte tatsächlich ein Whistleblower die Ermittlungen ins Rollen gebracht haben, dann ist sein Motiv ohne Belang, solange er nicht wissentlich verleumdet. Amigos werden das anders sehen.

“And the Winner is…”

(BS/jf) Volker Romeike, seit 2001 Leiter der Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein (2. v. r.), und der IT-Dienstleister des Landschaftsverbands Rheinland “LVR Infokom”, vertreten durch Markus Lang (4. v. r.) und seine Mitarbeiter, wurden von der Jury des Hamburger Vergabepreises um Laudator Hans Randl (2.v.l.) von der Finanzbehörde Hamburg als Gewinner 2017 gekürt. Romeike zeichne zwar kaum Vergaben ab, engagiere sich aber seit 20 Jahren intensiv für das öffentliche Beschaffungswesen und das Verhältnis von Bietern und öffentlichem Einkaufsmanagement, lobte Randl den Preisträger, der auch als Beisitzer in der Vergabekammer Bund ehrenamtlich tätig ist. Die “LVR Infokom” wiederum wurde für ihre wegweisende Beschaffung von 4.500 Druckern und Kopieren ausgezeichnet, weil sie in der Ausschreibung verschiedene Instrumente kombiniert und damit den Dreiklang von Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Funktionsfähigkeit bestens erfüllt habe. Das hohe Niveau der Umweltanforderungen, die sich in den 130 Bewertungskriterien widerspiegelten, überzeugte. Foto: BS/Fieseler

Behörden Spiegel / Februar 2017

Fehler und Nachprüfungen vermeiden Zwischen Leistungsbestimmungsrecht, Konzessionen und Loslimitierung (BS/Jörn Fieseler) Nachprüfungsverfahren werden immer komplexer, aber nehmen sie auch zu? Hans-Werner Behrens, Vorsitzender der ersten Vergabekammer des Bundes, sagt ja. Hermann Summa, Richter am OLG Koblenz, meint nein. Aber: “Das Vergaberecht ist der natürliche Feind der Kommunalpolitik.” Aufgrund der neuen Regelungen, etwa bei Inhouse- oder Konzessionsvergaben, werde es zu Verlagerungen kommen, wobei die meisten Schwierigkeiten sich die Auftraggeber selbst machen. Doch selbst bei gleichbleibender Anzahl werde mehr Personal benötigt. Normalerweise gilt für ein Verfahren vor der Vergabekammer des Bundes (VK Bund) eine Frist von fünf Wochen, doch die Beisitzer hätten ob der Anzahl der Vorgänge nur wenige Tage zur Verfügung. Fristverlängerungen nehmen daher zu. Bei der VK Bund war dies im vergangenen Jahr in 32 von 145 Nachprüfungen der Fall. Letztere stiegen im Vergleich zu 2013 um 15 Prozent. Bei 220 Arbeitstagen im Jahr und 100 Verfahren hätte jeder Beisitzer 25 Verfahren in zwölf Monaten zu bewältigen. Pro Verfahren neun Tage Zeit, rechnet Behrens, Direktor des Bundeskartellamts vor. Für den Vorsitzenden halbiert sich sogar die Zeitspanne. Im Gegenzug steige durch neue Rechtssetzungen und die neuen gesetzlichen Regelungen die Komplexität. Zudem verzeichnet Behrens immer mehr Verfahren im Bereich Verteidigung und Sicherheit (VSVgV). Sollen die Nachprüfungen jedoch zurückgehen, müssten die Vergabestellen quantitativ und qualitativ personell aufgestockt werden, so Behrens. Nicht nur die, sondern auch die Nachprüfungsinstanzen insgesamt, meint Summa. Viele Bundesländer hätten hier Nachholbedarf. “Machen sie nicht zu viel, aber das, was sie machen, machen sie fehlerfrei”, rät Heinz-Peter Dicks, Vorsitzender Richter des 27. Zivilsenats, Vergabe- und zweiten Kartellsenats am Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. Denn alles, war im Vergabevermerk stehe, könne schließlich Gegenstand eines Nachprüfungsantrages werden. Dies fange schon

Volles Haus: Jörg Wiedemann, Richter am OLG Naumburg (links im Bild), und seine Amtskollegen Hermann Summa und Heinz-Peter Dicks diskutierten mit den 300 Teilnehmern des Hamburger Vergabetages des Behörden Spiegel und Moderator Prof. Dr. Heiko Höfler sowie Hans-Werner Behrens (rechtes Bild v.l.n.r.) über vergaberechtliche Fallstricke und wie diese umgangen werden können. Fotos: BS/Fieseler

bei der Bestimmungsautonomie an, die einerseits großen Einfluss auf die Ausgestaltung des Verfahrens und dessen Erfolg, andererseits auf den Beschaffungsgegenstand habe. Hinsichtlich des Verfahrens biete das Vergaberecht genügend Spielräume. “Wählen Sie das offene Verfahren”, rät Dicks und weiter: “Bereinigen sie die Eignungsprüfung, machen sie diese schlank.” Wenn zu viele Angebote eingingen, könnten Vergabestellen die Wertungsstufen auch umdrehen und zuerst die Angebote werten und die Eignung dann bei den ersten drei oder fünf Unternehmen nachholen. Zudem könnte mehr von Präqualifizierungsverfahren Gebrauch gemacht werden – eine Forderung, die sich an die Bieter richtet. Hinsichtlich der Eignungsprüfung fragte der Vorsitzende Richter des Düsseldorfer Vergabesenats spitz: “Wen interessiert die Bilanz?” Und lieferte auch den Grund für die Frage: Lesen können, die doch keiner. Das unbekannte Wesen, die

Konzessionsvergabe, ist für Summa ein weiteres Feld für Nachprüfungsverfahren. Denn nicht alles wo Konzession drauf, stehe, sei eine im Sinne des Vergaberechts, so der Koblenzer Richter. Problematisch seien vor allem die Abgrenzungen einer Konzession zu einer Subvention ohne vergaberechtliche Relevanz und zum Dienstleistungsauftrag. Als Faustregel gelte: “Ist die Übertragung eines Nutzungsrechtes die einzige Gegenleistung, dann handelt es sich um eine Konzession.” Ebenso bieten Losaufteilung und Loslimitierung weitere Anknüpfungspunkte für Nachprüfungsverfahren. Dies kann schon bei der Frage beginnen, ob europaweit ausgeschrieben werden muss oder nicht. “Die Losaufteilung spielt keine Relevanz bei der Ermittlung des Schwellenwertes. Ist dieser nach Addition aller Lose erreicht, müssen auch alle EU-weit ausgeschrieben werden”, mahnt Jörg Wiedemann, Mitglied des Vergabesenats und Richter am OLG Naum-

burg. Die einzige Ausnahme bestehe im Fall einer Kontingentierung. Nur müssten diese auch von Beginn an im Vergabevermerk enthalten sein. Und auch wenn die Losaufteilung vergaberechtlich normiert sei, müsse sie sich trotzdem an der Wirtschaftlichkeit messen lassen. “Es ist nicht alles für die Mittelstandsfreundlichkeit zu opfern, wenn dadurch teurer eingekauft werden muss.” Und was ist bei der Loslimitierung? Wenn zum Beispiel jeder Bieter maximal drei Lose gewinnen kann, einer aber bei vier Losen das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt hat? Ist dieses dann im vierten Fall auszuschließen? Auch hier rät Wiedemann erstens zur Anwendung von kombinierten Losgruppen und zweitens zu einer klaren Dokumentation im Vergabevermerk. Neben der Zuschlagslimitierung könne auch eine Angebotslimitierung vorgesehen werden. Wichtig aus Sicht des Richters: Die konkrete Zulässigkeit ist abhängig vom Vorliegen eines sachlichen Grundes.

Keine Beihilfe durch Vergabe? Zu den Überschneidungen von Beihilfe- und Vergaberecht (BS) Wo und wie sind Beihilferecht und Vergaberecht voneinander abzugrenzen? Welche Besonderheiten existieren bei der Übertragung von Aufgaben der Daseinsvorsorge und von Infrastrukturprojekten? Die Rechtsanwälte Dr. Mathias Mantler und Dr. Andreas Bartosch geben Auskunft zu den wichtigsten Fragen. Vermehrt wird im Beihilferecht auch auf die vergaberechtlichen Regelungen Bezug genommen. Gibt es eine Regel, dass bei Gewährung einer Beihilfe stets auch die EU-Vergaberegeln beachten werden müssen? Ein derartiger Grundsatz lässt sich nicht aufstellen. Das EUBeihilfenrecht dehnt den Anwendungsbereich der EU-Vergaberechtsregeln nicht aus und umgekehrt. Das bedeutet, dass die öffentliche Hand den durch eine Beihilfe Begünstigten nicht zwingend im Wege eines den vergaberechtlichen Regeln entsprechenden Vergabeverfahrens auswählen muss, soweit dies nicht aus vergaberechtlichen Gründen erforderlich ist. Aber es gibt zum Beispiel bestimmte Einflüsse des EU-Vergaberechtsregimes, wenn der Staat ein bestimmtes Unternehmen mit Daseinsvorsorgeaufgaben betraut? Die EU-Kommission geht davon aus, dass die Durchführung bestimmter Vergabeverfahren bei der Übertragung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge das Entstehen einer prima facie unerlaubten Beihilfe verhindern kann. So sei das offene Verfahren dafür stets ausreichend. Bei Wahl des nicht offenen Verfahrens könne dies nur gelten, wenn interessierten Bewerbern nicht ohne stichhaltige Begründung versagt wird,

beihilferechtskonform bzw. beihilferechtswidrig ist? Auch hier gilt es zu differenzieren. Die Wahl der unterschiedlichen Vergabeverfahren hat nur Einfluss darauf, ob die dem in dieser Dr. Mathias Mantler und Dr. Andreas Bartosch sind Weise ausgeRechtsanwälte in der Kanzlei Lutz | Abel Rechtsanwählten Dienstwalts GmbH. Fotos: BS/Kanzlei Lutz | Abel leistungserbringer staatlicherAngebote einzureichen. Ver- seits gezahlte Vergütung eine handlungsverfahren mit vorhe- Beihilfe im Sinne des Artikels rigem Aufruf zum Wettbewerb 107 Absatz 1 AEUV darstellt dagegen gewähren der Bewil- bzw. darstellen kann. Dies lässt lungsbehörde einen weiten Er- die weitere Frage unberührt, ob messensspielraum und können diese Beihilfe als solche rechtunter Umständen die Teilnah- mäßig ist. me interessierter Bewerber einWie gestaltet sich der Einfluss schränken; aus diesem Grund sind sie nur in Ausnahmesitua- des Beihilferechts in öffentlichen tionen geeignet, das Entstehen Infrastrukturprojekten? Auch dies ist ein weites und einer unerlaubten Beihilfe prima facie zu verhindern. Das komplexer werdendes Feld. Seit Verhandlungsverfahren ohne dem Urteil des Europäischen Veröffentlichung einer Be- Gerichtshofes in der Sache kanntmachung schließlich ist Flughafen Leipzig/Halle untergänzlich ungeeignet, das Ent- liegt nicht nur die Nutzung von stehen einer Beihilfe zu verhin- mit öffentlichem Geld geförderter staatlicher Infrastruktur der dern. EU-Beihilfenkontrolle, sondern Bedeutet dies dann, dass je auch der Bau und ihre Finanzienach der Wahl des Verfahrens rung. So prüft die Kommission zur Vergabe eines Auftrags der bei jedem Infrastrukturprojekt öffentlichen Daseinsvorsorge umfassend nach, ob auf der die dem Auftragnehmer staatli- Ebene des Eigentümers, des Becherseits gewährte Vergütung treibers sowie der Nutzer uner-

laubte Beihilfen gewährt werden. Wie spielt hier das EU-Vergaberecht hinein? In der Anwendungspraxis zeichnet sich auch hier ab, dass die Durchführung eines den vergaberechtlichen Vorschriften genügenden Verfahrens zur Vergabe des Betreibers einer solchen Infrastruktur der in Kommissionsverfahren am leichtesten gangbare Weg ist, eine Beihilfe auszuschließen. Ist dann damit eine Beihilfe auch auf den Ebenen des Eigentümers und der Nutzer ausgeschlossen? Nein, so einfach ist dies nicht. Auf der Stufe des Eigentümers muss danach unterschieden werden, ob die Finanzierung der Infrastruktur überhaupt geeignet ist, eine Beihilfe für diesen zu begründen. Dies scheidet vor allem dann aus, wenn die Einrichtung nur einen bloß regionalen bzw. lokalen Bezug besitzt und daher den sog. innerstaatlichen Handel nicht zu beeinträchtigen vermag. Wenn dies allerdings doch der Fall ist, besteht für bestimmte Einrichtungen in Abhängigkeit von der Art ihrer Nutzung auch die Möglichkeit, die entsprechende staatliche Finanzierung zu genehmigen. So ist das beispielsweise bei Sport- oder Kulturstätten.


Behörden Spiegel / Februar 2017

Beschaffung / Vergaberecht

Seite 11

Kleine Kommunen abgehängt!

Bleibt der Flickenteppich?

Bei Vergabe mehr zusammenarbeiten

Unterschiedliche Wertgrenzen für freihändige und beschränkte Ausschreibungen

(BS/Dr. Dieter Laux/Jürgen Watz*) Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern sind personell generell nicht in der Lage, das bereitgestellte Vergaberecht folgerichtig anzuwenden. Sie sind real vom Vergaberecht abgehängt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsstudie der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HfPV) in Wiesbaden.

(BS/jf) In Bayern sind die Wertgrenzen für freihändige Vergaben und beschränkte Ausschreibungen erhöht worden. Mecklenburg-Vorpommern hat die Geltung der bestehenden Maximalwerte verlängert. Nach wie vor existieren jedoch vielfältige unterschiedliche Regelungen. Ob sich durch die beschlossene Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) etwas ändert, bleibt abzuwarten. Sie kennt zudem noch den Direktkauf.

Diese Erkenntnis ist alarmierend, denn mehr als drei Viertel der Kommunen in Deutschland sind dieser Größenklasse zugehörig. Die HfPV hat in Hessen die Rechnungsprüfungsämter sowie einzelne Kommunen nach deren Erfahrungen befragt. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Die Befragten berichteten übereinstimmend von erheblichen Unsicherheiten im Umgang mit dem Vergaberecht. Sie beklagen, dass die Gesetzgeber mit ihren ständigen Rechtsänderungen die kommunal Handelnden eher noch mehr verunsichern, als dass sie ihnen Hilfestellungen geben würden. Die vom Gesetzgeber beabsichtigten Vereinfachungen im Vergaberecht kommen bei den kleinen Kommunen nicht an. Ein Lösungsvorschlag der Studie lautet: “Ausgestaltung der Interkommunalen Zusammenarbeit (IKZ) im Bereich Vergabewesen”. Benachbarte oder kreisangehörige Kommunen

können sich zusammenschließen und eine gemeinsame zentrale Vergabestelle einrichten. Diese zentrale Vergabestelle kann als Dienstleister, z. B. auf der Ebene des Landkreises, Beschaffungsaufträge entgegennehmen und eine rechtssichere Vergabe durchführen. Die kooperierenden Kommunen bestimmen weiterhin, was sie beschaffen wollen. Sie müssen deshalb keinen Autonomieverlust in der Frage “Was soll beschafft werden?” befürchten. Die Studie “Kommunales Beschaffungswesen – Durchführung, Analyse und Bewertung am Beispiel des Landes Hessen” (ISBN 978-3-942731-607) wurde im Verlag für Verwaltungswissenschaft veröffentlicht. *Dr. Dieter Laux ist Lehrbeauftragter, Jürgen Watz Dozent an der HfPV im Fachbereich Verwaltung. Beide unterrichten und forschen in Themen der BWL, unter anderem zur Beschaffung im VOL-Bereich.

Evaluation beachtet Schleswig-Holstein ändert Ordnung und Erlasse (BS/jf) Im Landtag ist die Evaluation des Tariftreue- und Vergabegesetzes Schleswig-Holstein (TTG) debattiert worden, eine Gesetzesänderung hat sich daraus aber nicht ergeben. Doch die in der Untersuchung enthaltene Kritik wurde inzwischen aufgegriffen. So hat das zuständige Wirtschaftsministerium bei der Landesbeschaffungsordnung Schleswig-Holstein (LBeschO) darauf hingewirkt, dass diese an das TTG angeglichen wird. Und zwar indem die Erklärungen zur Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen nur noch vom dem Bieter abgefordert werden sollen, der den Zuschlag erhalten soll. “Insoweit haben wir die Kritik am erhöhten Bürokratieaufwand in der Evaluierung zum TTG aufgegriffen”, sagte ein Ministeriumssprecher. Die übrigen Anbieter würden so von diesem formalen Aufwand entlastet. Die neue LBeschO ist kürzlich veröffentlich worden.

Ebenfalls entlastend wirken soll die Aufnahme einer Wahlmöglichkeit in den Anwendungshinweisen zum TTG. Öffentliche Auftraggeber sollen künftig frei entscheiden können, ob sie bei den Verpflichtungserklärungen die vorgesehenen Formblätter verwenden oder ob sie die Erklärungen direkt in die Vergabeunterlagen integrieren. Mit dem unterschriebenen Angebot würden sich dann zusätzliche Nachweise erübrigen. Eine Änderung hat das TTG aber doch erfahren: Die Anhebung des vergaberechtlichen Mindestlohns auf 9,99 Euro, gültig seit dem 1. Februar 2017.

Seit Beginn des Jahres dürfen staatliche Auftraggeber im Freistaat Dienstleistungen und Produkte per freihändiger Vergabe bei einem Auftragswert von bis zu 50.000 Euro netto durchführen. Bislang galt eine Grenze von 30.000 Euro. Kommunen haben zudem die Möglichkeit, bis zu 100.000 Euro eine beschränkte Ausschreibung durchzuführen. Für Bauleistungen gelten ebenfalls unterschiedliche Höchstwerte. Beschaffungsstellen des Landes dürfen in diesem Bereich bis zu 10.000 Euro freihändig vergeben. Beschränkte Ausschreibungen sind je nach Gewerk bis zu 50.000 Euro (Ausbaugewerke, Landschaftsbau und Straßenausstattung) oder bis zu 150.000 Euro für Tief-, Verkehrswege- und Ingenieurbau möglich. Für alle übrigen Gewerke gilt eine Grenze von bis zu 100.000 Euro. Für bayrische Kommunen gelten deutlich höhere Nettopreise. Die freihändige Vergabe ist bis zu 50.000 Euro möglich, für beschränkte Verfahren gelten Werte von 125.000 (Ausbaugewerke etc.) bis zu 500.000 Euro (Tiefbau etc.) sowie für übrige Gewerke von 250.000 Euro.

Zwischen 10.000 Euro und 100.000 Euro Demgegenüber hat Mecklenburg-Vorpommern seine bisherigen Regelungen per Erlass für zwei weitere Jahre fortgeschrieben (siehe Tabelle). Das nordöstliche Küstenland hat, zusammen mit Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, die höchste Grenze für freihändige Vergaben für Leistungen und Dienstleistungen festgelegt (100.000 Euro). Allerdings gelten in Brandenburg und NRW diese nur für kommunale Auftraggeber. Landesbeschaffungsstellen dürfen nur bis 15.000 (NRW) bzw. 20.000 Euro freihändig vergeben. Die geringste Grenze existiert hingegen im Saarland mit 10.000 Euro. Noch unübersichtlicher wird es bei beschränkten Ausschreibungen. In Sachsen besteht hier gar keine Grenze, ebenso wie für Landesbeschaffungsstellen in Bayern. In Rheinland-Pfalz gelten 40.000 Euro, in BadenWürttemberg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Wertgrenzen in Euro für freihändige und beschränkte Ausschreibungen Land

(Dienst-)Leistungen

freihändige Vergabe

beschränkte Ausschreibung

Bauleistungen

freihändige Vergabe

beschränkte Ausschreibung

Baden-Württ.

20.000

50.000

20.000**

50.000 – 100.000*

Bayern

50.000

100.000**

50.000**

50.000 – 500.000*/**

10.000

100.000

50.000*

500.000*

100.000**

100.000**

100.000**

1 Mio.**

Bremen

50.000

100.000

50.000

500.000

Hamburg

50.000

100.000

100.000

1 Mio.

Hessen

100.000

207.000

100.000***

1 Mio.***

Meckl.-Vorp.

Berlin Brandenburg

100.000

100.000

200.000

1 Mio.

Niedersachsen

25.000

50.000

25.000

50.000 – 150.000*

Nordrh.-Westf.

100.000**

100.000**

100.000**

1 Mio.**

20.000

40.000

10.000

50.000 – 150.000*

Saarland****

10.000

100.000

10.000

50.000 – 150.000*

Sachsen

25.000

25.000

50.000 – 150.000* 50.000 – 150.000*

Rheinl.-Pf.****

Sachsen-Anhalt

25.000

50.000

10.000

Schleswig-Holst.

100.000

100.000

100.000

1 Mio.

20.000

50.000

50.000

150.000

Thüringen * je nach Gewerk

** je nach Auftraggeber

*** je Fachlos

**** nur für Landesbehörden verpflichtend, die übrigen öffentlichen Auftraggeber können die Regelung anwenden. Tabelle: BS, Quelle: Ständige Konferenz der Auftragsberatungsstellen/Auftragsberatungszentrum Bayern e.V.

50.000 Euro, die übrigen Länder haben 100.000 Euro festgeschrieben, Hessen sogar 207.000 Euro. Zudem unterscheiden Nordrhein-Westfalen und das Saarland noch zwischen beschränkten Ausschreibungen mit und ohne Teilnahmewettbewerb. Für Verfahren, die ohne diesen Verfahrensschritt erfolgen, gilt in beiden Ländern eine Höchstsumme von 50.000 Euro.

Vielfalt im Baubereich Noch heterogener ist es im Baubereich. Bremen, Hamburg, Hessen Mecklenburg-Vorpommern, und Thüringen nehmen bei beiden Verfahrensarten keinerlei weitere Unterscheidungen vor. In Rheinland-Pfalz und dem Saarland erstreckt sich der Anwendungsbereich nur auf die Landesvergabestellen. Den Kommunen ist die Nutzung freigestellt oder empfohlen. Vier Länder unterscheiden bei der freihändigen Vergabe zwischen den Beschaffungsstellen des Landes und der Kommunen. Dazu gehören Baden-Württemberg (10.000 Euro / 20.000 Euro), Bayern (10.000 Euro/ 50.000 Euro), Brandenburg (20.000 Euro / 100.000 Euro) und Nordrhein-Westfalen (keine Grenze / 100.000 Euro). In Berlin wiederum wird bei beiden Vergabearten nur nach den Gewerken unterschieden.

Für Hochbauleistungen gelten 20.000 bzw. 200.000 Euro, für die übrigen Gewerke 50.000 bzw. 500.000 Euro. Bei der beschränkten Ausschreibung unterscheiden neben Bayern auch Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz, das Saarland, Sachsen, und Sachsen-Anhalt zwischen den Gewerken. Doch abgesehen von Nordrhein-Westfalen haben diese Länder keine weiteren Unterscheidungen zwischen den

Auftraggebern unternommen. An Rhein und Ruhr gelten diese Unterscheidungen nur für Landesvergabestellen. Für Kommunen gilt eine einheitliche Grenze von einer Mio. Euro. Neben diesen Wertgrenzen sieht die UVgO den Direktkauf, ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens, bis zu einem Auftragswert von 1.000 Euro vor. Auch hier hat Bayern eine Angleichung vorgenommen und die Grenze von vormals 500 Euro auf 1.000 Euro erhöht.

KOMMENTAR

Wider das Hoflieferantentum (BS) Kein Wunder, dass sich Beschäftigte immer weniger in der Lage sehen, die Vielzahl der Normen rechtssicher anzuwenden. Da sind die von den Ländern gesetzten Wertgrenzen doch eine gute Entscheidung. Aber nur auf den ersten Blick. Die Studie der Hochschule für Polizei und Verwaltung (siehe oben links) verdeutlicht nicht nur, dass kleine Kommunen vom Vergaberecht immer mehr abgehängt werden, sie zeigt auch, dass die Mitarbeiter in Städten und Gemeinden unter 10.000 Einwohner die wenigsten Probleme mit freihändigen Vergaben – neu Verhandlungsvergabe – haben.

Und wie viele öffentliche Ausschreibungen sind in so einer Kommune wohl im Jahr durchzuführen, wenn die Wertgrenze für die Verhandlungsvergabe bei 100.000 Euro liegt? Doch gerade solche Regelungen fördern das Hoflieferantum und sind Ausdruck einer regionalen Wirtschaftsförderung. Gerade Ersteres soll durch das Vergaberecht verhindert werden und Letzteres ist nicht Aufgabe der öffentlichen Beschaffung. Moderate Wertgrenzen, die ein annehmbares Verhältnis zwischen Beschaffungsgegenstand und internem Aufwand abbilden, wären angemessener. Jörn Fieseler

Aus der Praxis für die Praxis

Beratung für Bewerter und Bieter

Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Ausschreibungen · Submissionen

Praxisseminare im April:

Vergaberecht und Vergabemanagement Facility Management 05. April 2017, Berlin

Die neue UVgO 2017 05. April 2017, Berlin

Das neue Vergaberecht 2017

Optimierung der Beschaffung durch Rahmenverträge

24. – 25. April 2017, Berlin

25. April 2017, Berlin

Bieterstrategien und Bieterfragen

Beschaffung von Bauleistungen

25. – 26. April 2017, Berlin

27. April 2017, Hamburg

Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Bildnachweis: Rainer Sturm, pixelio.de, Montage: BS


Beschaffung / Vergaberecht

Seite 12

Gründlich, aktuell und umfassend

Behörden Spiegel / Februar 2017

Entscheidungen zum Vergaberecht

Kommentar zum Sektorenvergaberecht (BS/Norbert Portz*) Während der Praktiker bei der Auswahl von Kommentaren oder Lehrbüchern zum allgemeinen Vergaberecht oft die Qual der Wahl hat, sieht die Situation in vergaberechtlichen Spezialmaterien anders aus. Zu den Spezialgebieten gehört zweifellos das Sektorenvergaberecht. Hier haben die beiden Herausgeber Greb/Müller nunmehr in zweiter Auflage einen Kommentar zum Sektorenvergaberecht herausgegeben. Während die Erstauflage noch unter dem Titel “Kommentar zur SektVO” erschien, wird durch die Erweiterung des Kommentars zum “Sektorenvergaberecht” auch die neue Struktur deutlich: In diesem werden, anders als in der Vorauflage, sowohl die sektorenrelevanten Neuregelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) als auch die Normen der SektVO jeweils eigenständig kommentiert. Mit dieser “erweiterten Kommentierung” ist auch eine erhebliche Verstärkung des Autorenteams verbunden. Dieses ist jetzt aus insgesamt zehn erfahrenen Vergaberechtlern aus dem Bereich der Rechtssetzung und des Bundeswirtschaftsministeriums, der Rechtsanwaltschaft sowie der Energieversorger zusammengesetzt. Der Kommentar wird seinem Anspruch als Praxiskommentar voll gerecht. Hierzu trägt bei, dass das Werk nicht nur die unmittelbar für den Sektorenvergabebereich relevanten Regelungen, wie etwa § 100 GWB (Sektorenauftraggeber) und § 102 (Sektorentätigkeiten), behandelt und alle Vorschriften der SektVO kommentiert. Vielmehr geht der Kommentar im erforderlichen Umfang auch auf andere für das Sektorenvergaberecht wichtige und hiermit zusammenhängende Regelungen

Greb/Müller (Hrsg.): Kommentar zum Sektorenvergaberecht – SektVO, GWB und Richtlinie 2014/25/EU, Werner-Verlag 2017, 2. Auflage, 332 Seiten, 129 Euro

ein. Hierzu gehört etwa die Kommentierung des für den Sektorenbereich wichtigen § 108 GWB über die “Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit” sowie auch die Kommentierung des § 97 GWB über die “Grundsätze der Vergabe”. Auch der für die Praxis der Sektorenauftragsvergabe sehr bedeutsame § 132 GWB zu den “Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit” erfährt eine Kommentierung. Der Kommentar wird auch seinem wissenschaftlichen Anspruch gerecht. Dazu trägt bei, dass das Werk vielfach auf die dem Sektorenrecht zugrunde liegende Richtlinie 2014/25/EU eingeht und diese für die Kommentierung mit Recht in Bezug

nimmt. Hinzu kommt, dass im Anschluss an den Text des jeweiligen Paragrafen und dem Beginn der Kommentierung jeweils die “amtliche Begründung” zu der Norm wiedergegeben wird. Im Kontext mit der Kommentierung wird so ein für den Leser spürbarer Mehrwert erreicht. Insgesamt weist der Kommentar eine gute Strukturierung und Lesbarkeit auf. Durch die Aufteilung des Sektorenvergaberechts auf den jeweils separaten GWB- und SektVO-Bereich kann für den Praktiker noch gezielter auf die ihn konkret berührenden Fragen, auf die er in der Regel auch Antworten erhält, eingegangen werden. Die einzelnen Kommentierungen sind gründlich verfasst und aktuell. Vereinzelt veranschaulichen plastische Schaubilder, wie bei der Kommentierung von Greb zum Inhouse-Geschäft bei § 108 GWB, die Themen und Problemstellungen. Jedenfalls kann der in zweiter Auflage erschienene Kommentar von Greb/Müller zum Sektorenvergaberecht als rundes und in sich abgeschlossenes Werk für alle mit dem Sektorenvergaberecht befassten Akteure im Bereich der Energie-, Wasserund Verkehrsversorgung angesehen werden. Der Kommentar ist mit seiner Praxisnähe und Aktualität ein uneingeschränkt zu empfehlendes Werk. * Norbert Portz ist Beigeordneter des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB).

Schulessen ausschreiben, aber wie? Vergaberechtliche Anforderungen an die Kinder- und Schülerverpflegung (BS/Sabine Chilla/ Petra Vonderach*) Immer mehr Schulen werden zu verbindlichen Ganztagsschulen und viele Kindertagesstätten bieten immer längere Öffnungszeiten an, damit Eltern berufstätig sein können. Die öffentlichen Auftraggeber, als Träger dieser Einrichtungen, müssen dafür Sorge tragen, dass eine Mittagsverpflegung angeboten wird. Die Beschaffung dieser Leistungen unterliegt den strengen Vorgaben des Vergaberechts und stellt die öffentlichen Auftraggeber vor große Herausforderungen. Themen wie Großküchenhygiene, Qualitätsstandards für die Speisen, Speiseplangestaltung oder internetbasierte Bestellsysteme, Verpflegungskonzept, Eigen- oder Fremdregie, Liefervertrag, Dienstleistungsauftrag oder -konzession, Pachtvertrag, Betrieb gewerblicher Art sowie räumliche und technische Rahmenbedingungen etc. müssen entschieden und rechtssicher in die Ausschreibungsunterlagen eingearbeitet werden. Zu guter Letzt muss dann das Vergabeverfahren nach den umfangreichen Neuerungen zur elektronischen Vergabe umgesetzt werden. Bevor mit der eigentlichen Ausarbeitung der Ausschreibungsunterlagen begonnen wird, sollte daher genügend Zeit in die Vorbereitung, die Analyse der Ist-Situation und in strategische Entscheidungen investiert werden. In dieser Phase bewährt es sich, die vielen verschiedenen Beteiligten, die das Thema direkt betrifft, ins Boot – oder noch besser – an einen

LEISTUNGSVERZEICHNIS

Wie oder was? Baubeschreibung gibt kein Verfahren vor Der Baugrund für eine neue Brücke liegt in der Nähe einiger Wohnhäuser und ist nicht besonders stabil. Er muss mit Rammpfählen verbessert werden, um die Brücke zu tragen. Die nahe Wohnbebauung macht es aber erforderlich, diese Pfähle mit möglichst geringen Erschütterungsund Lärmemissionswerten vorzutreiben. Das hat der Auftraggeber erkannt und in seiner Vergabedokumentation niedergelegt. Dazu schreibt er, er wolle dies mit innengerammten Pfählen erreichen. In den Vergabeunterlagen taucht diese Vorgabe in der Baubeschreibung nicht auf. Sie findet sich an einer einzigen Stelle in der Langversion des LV. Nach der Submission stellt der Auftraggeber fest, dass dieses Verfahren offenbar sehr teuer ist. Zwei Bieter, die statt dessen kopfgerammte Pfähle lediglich mit innengerammten Pfahlfüßen angeboten haben, waren preislich wesentlich niedriger gelegen. Der preisgünstigere von ihnen sollte den Zuschlag erhalten. Um dies zu erreichen, argumentiert der Auftraggeber nun, dass die einmalige Erwähnung der Innenrammung nicht ausreiche, um die Bieter auf dieses Verfahren festzulegen, das im Wesentlichen von nur einem marktbeherrschenden Unternehmen angeboten werde. Vielmehr müsse auch hier der Grundsatz der “Produktneutralität” Anwendung finden. Das sieht die Vergabekammer anders. Die Baubeschreibung kläre nur das “Was” der Beschaffung. Das “Wie” ergebe sich aus dem LV. Und das habe im Wortlaut eindeutig die Innenrammung festgelegt. Angebote mit einem anderen Rammverfahren könnten demnach nicht zugelassen werden, zumal sich diese Vorgabe ausdrücklich auf den Schaft und nicht auf den Fuß beziehe. Sie sei auch nicht wettbewerbsbeschränkend, weil nach Ablaufen des Patentes inzwischen mehrere Unternehmen dieses Verfahren anböten. VK Niedersachsen (Beschl. v. 22.08.2016, Az.: VgK-32/2016

DE-FACTO-VERGABE

Dreiste Vetternwirtschaft Frechheit siegt nicht immer

Ob asiatisch oder gut-bürgerlich: Bei der Beschaffung der Schulverpflegung gelten besondere Anforderungen. Foto: BS/Jens Olaf Walter, flickr.com, cc-by-nc-20

Runden Tisch zu holen. Dazu gehören zuerst Schulleitungen und Eltern- und Schülerbeirat, die Ausschüsse und der Gemeinderat, aber auch Architekten, Küchenplaner und – leider oft vergessen – der Steuerberater! Die Einbindung möglichst vieler Beteiligter und eine transparente Kommunikation sind die Erfolgsfaktoren für die anstehende Ausschreibung.

Save the Date Die Autorinnen vermitteln in zwei Seminaren des Behörden Spiegel nicht nur theoretisches Wissen, sondern geben den Teilnehmern Werkzeuge an die Hand, um sich den Anforderungen an eine rechtssichere und fachlich qualitativ hochwertige Ausschreibung der Verpflegungsleistungen von Kitas und Schulen gelassen stellen zu können. E-Vergabe und aktuelles Vergaberecht dienen dabei als Grundlage. Termine: • 15./16. März 2017, Berlin • 13./14. September 2017, Bonn Weitere Informationen unter: www.fuehrungskraefte-forum.de, Suchwort “Kita”

Die Suche nach einem Lieferanten oder einem Caterer ist vor allem dann erfolgreich, wenn es gelingt, sämtliche in der Analyse- und Konzeptionsphase entschiedenen und festgelegten Anforderungen an die Speisenversorgung in die Ausschreibungsunterlagen einzuarbeiten. Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen und ihn in die Lage zu versetzen, einen Preis für die ausgeschriebenen Leistungen zu kalkulieren und anzubieten. *Sabine Chilla und Petra Vonderach arbeiten als Beraterinnen und unterstützen öffentliche Auftraggeber bei Vergabeverfahren und bei der Beschaffung von Verpflegungsleistungen.

Wenn der Auftraggeber vom Auftragsgegenstand wenig bis keine Ahnung hat, ist er auf Berater angewiesen, die ihn über den Markt und seine Möglichkeiten aufklären. Gerät er dabei an einen windigen Zeitgenossen, kann das üble Folgen haben. So erging es einem medizinischen Dienstleister. Dessen ganzes Konstrukt klingt schon abenteuerlich. Der Dienstleister benötigt einen Berater, der ihm sagt, wie er einen anderen Berater findet, der seine Labore organisiert. Sein Ausschreibungsberater empfiehlt ihm nun, auf eine Ausschreibung gänzlich zu verzichten, weil es am Markt nur einen Labormanagementdienstleister gebe, der alle Anforderungen erfüllen könne, die der Ausschreibungsberater für nötig erachtet. Zufälligerweise sind Ausschreibungs- und Laborberater vertraglich miteinander verbunden. Der Auftraggeber legt dies al-

les in der Vergabeakte nieder, folgt aber dem Vorschlag seines Beraters, stellt seine Vorbereitungen für eine europaweite Ausschreibung ein und vergibt den Auftrag ausschreibungsfrei an den vermeintlich einzig möglichen Auftragnehmer. Doch da hat er die Rechnung ohne die Konkurrenz gemacht. Als der Vertragsschluss bekannt wird, beantragt sie, den Vertrag für nichtig zu erklären. Damit hat sie erwartungsgemäß Erfolg. Die Vergabekammer vermisst jede Überprüfung, ob der Auftraggeber wirklich ein so einzigartiges Leistungsportfolio bietet. Ohne dies zu verifizieren, ist aber eine Direktvergabe unzulässig. VK Brandenburg (Beschl. v. 14.09.2016, Az.: VK 14 /16)

LEITPRODUKT

Korrosionsvermeidung Widersprüchliche Anforderungen Unachtsamkeiten bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses können unangenehme Folgen haben. So erging es dem Auftraggeber, der sich bei der Lieferung neuer Türen auf ein bestimmtes Modell von Türdrückergarnituren festlegen wollte. Er gab ein Leitprodukt vor und führt zudem aus, welche Anforderungen für die Beurteilung der Gleichwertigkeit von Alternativprodukten gestellt werden. Darin beschrieb er detailliert die Form der Türdrücker und stellte Anforderungen an das zu verwendende Material auf. Danach sollten die Türdrücker die Korrosionsklasse 5 erreichen. Das ausgewählte Leitprodukt gibt es zwar in insgesamt drei verschiedenen Serien, jedoch erfüllen alle maximal die Korrosionsklasse 4. Nach der Submission wollte der Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot erteilen, das das Leitprodukt beinhaltete. Ein Konkurrent, der ein gleichwertiges Produkt der Klasse 5 (zu einem deutlich höheren Preis) angeboten hatte, verlangt den Ausschluss des Bestbieters. Das sei nicht möglich, meint der Auftraggeber. Er könne doch das Leitprodukt nicht von der Wertung ausschließen. Stimmt, sagt dazu die Vergabekammer. Aber einen Zuschlag auf das Leitprodukt darf er dennoch nicht erteilen. Wenn das Leitprodukt nicht die technischen Anforderungen erfüllt, ist das LV widersprüchlich. Deswegen muss das Verfahren bis vor den Stand der Bekanntmachung zurückversetzt und das LV korrigiert werden. VK Nordbayern (Beschl. v. 20.10.2016, Az.: 21.VK-319433/16)

NEBENANGEBOT

Trotz Untauglichkeit gewertet Auftraggeber schadenersatzpflichtig Für die Gründung einer Lärmschutzwand hat der Auftraggeber in seinen Ausschreibungsunterlagen weitgehende Forderungen aufgestellt, die über das übliche Maß an Standsicherheit hinausgehen. Dass er über das Ziel hinausgeschossen ist, wurde ihm erst bewusst, als er von einem Bieter ein Nebenangebot erhält, das zu deutlich geringerem Preis mit einer einfacheren Gründung auskam. Diesem Angebot hat er zum

Leidwesen des Bieters mit dem preislich führenden Hauptangebot den Zuschlag erteilt. Letzterer erhob Klage auf Schadenersatz, weil er sich zu Unrecht übergangen fühlte. Damit hat er vor dem OLG Koblenz Erfolg. Schon das Landgericht kam in erster Instanz nach umfangreicher Beweiserhebung durch mehrere Gutachter zu dem Schluss, dass das Nebenangebot nicht gleichwertig war. Demnach hätte es nicht bezuschlagt werden dürfen. Die Gerichte haben auch die gesamte Angebotswertung des Auftraggebers überprüft, mit dem Ergebnis, dass auf das Angebot des Klägers zwingend der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Daher stehe ihm auch der entgangene Gewinn als Schadenersatz zu. Dass der Auftraggeber bei einem solchen Ergebnis des Vergabeverfahrens glaubte, das Verfahren gänzlich aufheben und mit geringerer Anforderung neu hätte starten dürfen, ist für den Schadenersatzprozess nicht maßgeblich, weil das Verfahren ja mit dem Zuschlag abgeschlossen worden war. OLG Koblenz (Beschl. v. 25.08.2016, Az.: 1 U 260/16)

REFERENZEN

Selbst erbrachte Leistungen Die Grenzen der Eignungsleihe Das Land beabsichtigt, ein Hochschulgebäude errichten zu lassen, um es später vom Errichter anzumieten. Dies ist unstrittig wie ein Bauauftrag zu behandeln. Doch was muss ein Bieter für Referenzen vorlegen, wenn von ihm gefordert ist, dass er gleichartige Leistungen aus der Vergangenheit belegen soll? Zwei öffentliche Bauherren, die bereits derartige Projekte gestemmt hatten, haben sich neben einschlägigen Bauunternehmen um den Auftrag beworben. Sie erklärten, sie hätten Erfahrung darin, Gebäude zur späteren Vermietung nicht etwa zu errichten, sondern errichten zu lassen. Neben vielen anderen Kritikpunkten fand ein Bauunternehmen, dass diese beiden Bieter ausgeschlossen werden müssten. Schließlich müssten die Referenzen doch beinhalten, dass sie in der Lage seien, die Gebäude selbst zu errichten und nicht nur deren Errichtung zu managen. Die Vergabekammer sieht es ebenso. Die geschuldete Leistung sei die Errichtung des Gebäudes. Der Text des Formblattes zur Eigenerklärung über Referenzleistungen verlange ausdrücklich, dass vergleichbare Leistungen in der Vergangenheit erbracht worden seien. Dies sei hier nicht der Fall, denn diese beiden Bieter hätten die eigentliche Leistung von Dritten erbringen lassen. Wollten sie sich insofern auf eine Eignungsleihe berufen, wäre es aber erforderlich gewesen, die Referenzen und aktuelle Verpflichtungserklärungen ihrer damaligen Nachunternehmer vorzulegen. VK Südbayern (Beschl. v. 21.11.2016, Az.: Z3-3-3194-137-09/16)

Zusammenfassung der Entscheidungen: RA und FA für Vergaberecht Dr. Rainer Noch, München und Unkel/Rh. (Oppler Büchner PartGmbB)

jeden Monat im Behörden Spiegel


Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Schlossplatz 4 (Neues Schloss), 70173 Stuttgart Postfach 10 01 41, 70001 Stuttgart E-Mail: Poststelle@wm.bwl.de Internet: www.wm.baden-wuerttemberg.de Telefon: 0711/123-0 Telefax: 0711/123-2121

Ministerbüro MRin Martina Oschmann

-2804

Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau

Persönliche Referentin RDin Annika Ahrens

-2803

Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL

Grafik: Behörden Spiegel-Gruppe, Quelle: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Stand: 01.02.2017

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ANin Silke Walter

-2859

Zentralstelle RD Andreas Neef

-2853

Behörden Spiegel / Februar 2017

Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau

Foto: BS/wm.bwl

Dienststellen: Neues Schloss: Amtsleitung, Abt. 1; Ref. 60 – 64 Theodor-Heuss-Str. 4; Abt. 2, 3, 4 Willi-Bleicher-Str. 19; Ref. 15 (Haus der Wirtschaft) Lautenschlagerstr. 20; Abt. 5, Ref. 65 – 68

Persönliche Referentin ParlRin Christiane Schreck-Gärtner Europabeauftragter Prof. Dr. Norbert Höptner

Staatssekretärin Katrin Schütz -2813

-2810

-2868

Ministerialdirektor Hubert Wicker

Leitungsbereich Bundesrat und BunRD Dirk Abel -2854 desangelegenheiten RDin Brigitte Gathof -2860

Beauftragte für Chancengleichheit ANin Marion Brucksch

-2604

-2820

Abteilung 2

Abteilung 3

Abteilung 4

Abteilung 5

Personal-, Organisation und Ordensangelegenheiten, Haushalt, Informationstechnik, Haus der Wirtschaft Baden-Württemberg MDgt Norbert Eisenmann -2400

Fachkräftesicherung und Quartierspolitik AN Prof. Dr. Markus Müller -2348

Industrie, Innovation und wirtschaftsnahe Forschung MDgt Günther Leßnerkraus

Mittelstand und Märkte MDgt Hartmut Reichl

Baurecht, Städtebau, Landesplanung MDgtin Kristin Keßler

Referat 11 Personal LMR Matthias Gottschaldt

Referat 21 Fachkräftesicherung MR Joachim Schmider

-2818

Referat 12 Organisation und Ordensangelegenheiten MR Markus Sorg -2500

Referat 22 Berufliche Ausbildung MRin Rose Köpf-Schuler

Referat 13 Haushalt MR Markus Vogt

Referat 23 Berufliche Weiterbildung MR Dietmar Stengele

Referat 14 Informationstechnik RD Peter Hagen Referat 15 Haus der Wirtschaft MR Erwin Müller

-2180

-2338

Referat 24 Wirtschaft und Gleichstellung MRin Dr. Birgit Buschmann

-2643

Referat 25 Städtebauliche Erneuerung LMR Ralph König Referat 26 Denkmalpflege und Bauberufsrecht MR Peter Rothemund

Referat 41 Mittelstand und Handwerk MR Bernd Scherrer

-2133

-2665

Referat 32 Clusterpolitik, regionale Wirtschaftspolitik MRin Edith Köchel -2240

Referat 42 Kammern MRin Ina von Cube

Referat 33 Automobil- und Produktionsindustrie, Logistik MRin Dr. Ehrentraud Graw

Referat 43 Existenzgründung und Unternehmensnachfolge AN Prof. Peter Schäfer

-2233

-2084

-2221

Referat 27 Wohnungswesen MR Dr. Eckart Meyberg

-2226

Referat 28 Steuerung ESF MRin Elisabeth Groß

-2548

-2448

-2443

Referat 34 Rohstoffwirtschaft und Ressourcensicherung MRin Gabriele Maschke -2347

Referat 44 Unternehmensbetreuung LMR Dr. Hans-Joachim Hauser

Referat 35 Gesundheitsindustrie, Chemie und Werkstoffe MR Dr. Joachim Wekerle

-2453

Referat 45 Dienstleistungswirtschaft MR Frank Fleischmann

-2356

Referat 46 Standort Baden-Württemberg AN Thomas Schwara

Referat 36 IKT und Kreativwirtschaft MRin Monika Mundkowski-Vogt

Strategie und Grundsatz, Arbeit und Europa MDgt Michael Kleiner

-2200

-2904

Referat 61 Grundsatz Wirtschaftspolitik und Reden MR Roland Brecht

-2117

-2910

Referat 62 Wirtschaftspolitik in Europa MR Dr. Frank Speier

-2161

-2919

Referat 63 Wirtschafts- und Gewerberecht MR Matthias Brehm

-2335

-2925

Referat 64 Justiziariat, Kartell- und Vergaberecht N.N.

-2900

-2420

Referat 31 Industrie- und Technologiepolitik LMR Dr. Peter Mendler

-2605

-2095

Abteilung 6

Referat 37 Steuerung EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) MRin Magdalena Häberle -2488

Referat 47 Außenwirtschaft MR Bernd Reuter

-2138

Referat 51 Bauordnungsrecht MR Dr. Alfred Reutzsch

-2113

Referat 52 Städtebau, Bauplanungsrecht LMRin Angelika Vamos Referat 53 Raumordnung, Flächenmanagement MRin Dr. Waltraud Buck

Personelles

Abteilung 1

-2773

-2465

Referat 54 Regionalplanung, Energiewende MR Karl-Hans Eismann

-2386

Referat 65 Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsrecht LMR Ulrich Conzelmann

-2476

Referat 66 Grundsicherung für Arbeitssuchende N.N.

-2149

-2954

Referat 67 Allgemeine Vorschriften der Sozialversicherung, Unfallversicherung MR Dr. Klaus Bayer -2968 Referat 68 Arbeit und Gesundheit MR Dr. Johannes Warmbrunn

-2972

Verehrte Leserinnen und Leser! Sollten Sie Interesse an Organigrammen haben, die in früheren Ausgaben veröffentlicht wurden, besteht die Möglichkeit, diese über ein Abonnement der Behörden Spiegel-App zu erhalten. Dort finden Sie rückwirkend bis März 2014 alle Ausgaben und die Organigramme digital. Die App steht für Apple und Google in den App Stores zur Verfügung.

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Diplomaten Spiegel

“W

Europa weiter ausbauen!

ir können mit großem Stolz auf die Bilanz dieser Jahre zurückblicken”, erklärt seine Botschafterin Marta Kos Marko. “Deutschland und sein damaliger Außenminister Genscher haben eine sehr wichtige Rolle bei unserer Souveränität und, ein Jahr später, 1992, bei der internationalen Anerkennung gespielt. Die Bundesrepublik hat uns auch auf dem Weg in die EU und die NATO durchweg unterstützt und stand uns fortwährend fest zur Seite. Das wissen wir sehr zu schätzen.”

Behörden Spiegel / Februar 2017

Ein Gespräch mit der slowenischen Botschafterin Marta Kos Marko (BS/ps) Slowenien ist die am weitesten vorangeschrittene, seit 1991 unabhängige, ehemalige jugoslawische Teilrepublik, ist etwas größer als Rheinland-Pfalz und baut nicht ganz so viel Wein an wie die Pfälzer. Das Land mit seinen knapp über zwei Millionen Einwohnern grenzt an Italien, Österreich (zu dem es bis 1918 gehört), Ungarn, Kroatien und die Adria. Ab 2004 ist es Mitglied der NATO, der EU und führt 2007 den Euro ein. In diesem Jahr bestehen die diplomatischen Beziehungen zwischen Berlin und Ljubljana (ehedem Laibach, zu Habsburgs Zeiten)) über ein Vierteljahrhundert.

In zarte Harfenklänge verwandeln Frau Kos Marko, 51, ist in diesen Wendejahren Anfang der 90er-Jahre Mitte 20, Praktikantin bei der Deutschen Welle in Köln und berichtet, außer über die deutsche Einheit und den rheinischen Karneval, vor allem über die Entstehung ihres Staates und den Zerfall des alten. “Ich kam aus dem kommunistischen Jugoslawien und erlebte zum ersten Mal leibhaftig, was es bedeutet, im Kapitalismus zu leben. Gleichzeitig habe ich die Ereignisse erlebt, die sonst vielleicht alle 500 oder 1.000 Jahre vorkommen.” Bis 1997 reportiert die junge Frau mit der markanten Brille noch für den Slowenischen Rundfunk aus Bonn, wird anschließend Regierungssprecherin in Ljubljana und sodann Pressechefin der slowenischen Wirtschaftskammer. Bevor Kos Marko 2013 in Berlin akkreditiert wird, leitet sie das Kommunikationsprogramm einer international aufgestellten Schweizer Gruppe für Südosteuropa. Als Frontfrau ihres Landes vermag es die Kommunikationsexpertin die Paukenschläge der Staatsmänner gegebenenfalls in zarte Harfenklänge zu verwandeln. Aber das ist eine andere Geschichte und i. Ü. bei unserer, schon seit jenen historischen Tagen Anfang der 90er Jahre, nicht nötig.

Trio-Ratspräsidentschaft “Seit 2004 sind wir gute Partner in den wichtigsten multilateralen Organisationen und Foren und pflegen weiterhin exzellente bilaterale Beziehungen. Eine besonders intensive Zusammenarbeit haben wir innerhalb der EU in der Trio-Ratspräsidentschaft in den Jahren 2007 und 2008 aufgebaut. Im Jahr 2011 hat man den guten Beziehungen durch die Annahme der gemeinsamen Deklaration über eine verstärkte Zusammenarbeit eine neue politische Qualität verschafft. Auf dieser Grundlage arbeiteten wir auch in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten in den letzten Jahren sehr gut zusammen. Während der Wirtschafts- und Finanzkrise hat Deutschland stets den Reformkurs der slowenischen Regierung unterstützt.”

trainieren…” Dafür aber ihr “Ohr” für die zahlreichen Dialekte zwischen Flensburg und Rosenheim. “Auch unsere Sprache zeichnet sich durch viele Mundarten aus.” Ferner hat sie festgestellt, dass alle, die Slowenien zum ersten Mal besuchen, sehr angenehm überrascht sind, ein entwickeltes Land mit europäischem Standard und ausgesprochen gastfreundliche Menschen vorzufinden. “Es ist häufig die Liebe auf den ersten Blick, zu der man, auch aufgrund der kurzen Entfernung im Lande und seiner besonderen Vielfalt der Natur, immer wieder zurückkehrt. Leider sind wir für viele Deutsche als Reiseziel noch unbekannt.”

Ungern im Vordergrund

Marta Kos Marko ist Botschafterin der Republik Slowenien in Berlin.

furt) oder MAHLE (Automobilzulieferer, Stuttgart), haben bei uns sehr qualifizierte Arbeitnehmer gefunden und schätzen die günstige geostrategische Lage des Landes. Noch wichtiger ist, dass wir aufgrund gemeinsamer Werte im immer mehr verflochtenen Europa und einer globalisierten Welt viele überein“Slowenien fühlen”, das tut Marta Kos Marko beson- stimmende Interesders, wenn sie sich in ihrer Heimat als Bergsteigerin sen zu pflegen und zu schützen haben betätigt. und für einen weite“Auch in der Flüchtlingskrise ren Ausbau der europäischen haben wir einen offenen und ver- Integration arbeiten. Nur so köntrauensvollen Dialog geführt. nen wir Freiheit, Frieden, SiMan hat mit gegenseitiger Unter- cherheit und Wohlstand erhalstützung nach Lösungen ge- ten und stärken. All das versucht, um die Situation auf der pflichtet uns, die guten BezieWestbalkanroute und in ganz hungen auch künftig zu intensiEuropa schnellstmöglich zu ver- vieren und zu vertiefen.” bessern. Deutschland bleibt für Slowenien auch der wichtigste Keine Anti-EU-Parteien Handelspartner und mit über elf Trotz zunehmendem Verdruss Milliarden Euro bei Handels- an Europa, dummen nationalisund Dienstleistungen auf einem tischen Parolen hier und da und stabilen Wachstumskurs. Von einer in Brüssel anstehenden allen Ländern, mit denen “Scheidung auf britisch”, sind Deutschland Geschäfte macht, die Slowenen nahezu stramm ist Slowenien auf Rang 38. Viele pro-europäisch und sehen ihre Investoren, wie Fraport (Frank- Zukunft in der EU. Es gibt im slo-

Rezept der Botschafterin Nuss-Potica – Hefekuchen für Festtage Zutaten: 500 g Mehl, 8o g Zucker, 40 g Butter, 30 g frische Hefe, 250 ml Milch (lauwarm), 3 Eigelb, Salz, abgeriebene Zitronenschale (unbehandelt), Fett und Semmelbrösel für die Form. Für die Füllung: 500 g geriebene Nüsse, 100 g Zucker, 50 g Butter, 375 ml Milch, 150 g Zwiebackbrösel, 1 TL Zimt, 3 EL Rum, 1 Pck. Vanillezucker, 1 Ei zum bestreichen, Puderzucker zum bestreuen. Zubereitung: Das gesiebte Mehl in eine Schüssel geben, eine Mulde hineindrücken und die Helfe reinbröckeln. 2 TL Zucker darüber streuen und mit 5 – 6 EL lauwarmer Milch vorsichtig zu einem Vorteig verrühren. Leicht mit Mehl bestäuben, warm stellen und ca. 20 Min. zugedeckt gehen lassen. Nun die Füllung mit Milch, Zucker, Butter und Vanillezucker aufkochen. Die (Wal-)Nüsse, Zwiebackbrösel, Zimt und Rum hinzugeben, gut verrühren und abkühlen lassen. Man kann unter die Nussfüllung

auch noch in Rum eingelegte Rosinen oder SchokoTröpfchen geben Für den Teig die Butter in die warme Milch einrühren. Sie darf nicht mehr heiß sein, wenn sie mit dem Eigelb, dem restlichen Zucker, der Prise Salz und der abgeriebenen Zitronenschale zum Vorteig gegeben und zu einem geschmeidigen Teig geknetet wird. Zugedeckt nochmals mindestens 30 Min. ruhen lassen. Wenn er “gegangen ist” durchkneten und zu einem Rechteck ausrollen. Die Füllung auf dem Teig verteilen und ihn entweder von beiden Seiten zur Mitte aufrollen oder ganz normal von der Seite her. Eine Gugelhupfform gut buttern, mit Semmelbröseln ausstreuen und die Rolle in die Form geben und 20 Min. gehen lassen. Danach mit dem verquirlten Ei bestreichen und bei 180° C (Unter-Oberhitze) im vorgeheizten Backofen etwa 45 Min. auf mittlerer Schiene backen. Abgekühlt mit Puderzucker bestreuen.

Fotos: BS/Dombrowsky

wenischen Parlament keine Anti-EU-Parteien. “Wir schätzen die europäischen Errungenschaften, die vielen Freiheiten, den Euro und den Schengener Raum sehr hoch und sind bereit, den Weg zu gehen, um all das auch für künftige Generationen zu erhalten. Dennoch sieht man auch bei uns, dass es in der Union durchaus noch Verbesserungspotenzial gibt und diese sich in einer der schwersten Zeiten überhaupt befindet. Die Staats- und Regierungschefs haben 2016 in Bratislava anerkannt, dass die EU zwar nicht fehlerfrei sei, aber trotzdem das einzig geeignete Bündnis, um die bevorstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Hier wird der Beitrag aller 27 Mitgliedsstaaten entscheidend sein. Deutschland hat als das größte und wirtschaftlich stärkste Land natürlich eine besondere Verantwortung. Trotzdem kann es “die Karre” nicht allein bewegen und schon gar nicht schieben.” Vulgo: aus dem Dreck ziehen.

Aktive Haltung gegenüber dem Kosovo Um Letzteres müht sich Slowenien seit Jahren im Kosovo, der sich “sowohl sozial, ökonomisch, wie auch innen- und außenpolitisch in einer wenig beneidenswerten Lage befindet. Daher ist es umso wichtiger, dass die EU eine aktive Haltung ihm gegenüber einnimmt. Der Status quo dort nützt niemandem und führt zu politischer Frustration und Unzufriedenheit der Bevölkerung. Ich möchte in diesem Zusammenhang die Jugend besonders hervorheben, da sie eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung des Staates einnimmt. Sie muss eine positive Zukunftsperspektive geboten bekommen, um einer Radikalisierung vorzubeugen.” “In diesem Kontext unterstützt meine Regierung weitere Reformen u. a. auch im sozial-ökonomischen Bereich. So wurde z. B. im November vergangenen Jahres eine “Europäische Reformagenda” zur Umsetzung der Annäherung des Landes an die Europäische Union lanciert. Ein weiterer, ganz entscheidender

Aspekt des EU-Engagements ist der Dialog Belgrad – Priština. Unabhängig davon, ob das anvisierte Ziel erreicht wird, ist er nicht nur von außerordentlich großer Bedeutung für die stabilen Partnerschaften und Beziehungen zwischen Belgrad und Priština, sondern für die gesamte Region.”

Leidenschaftliche Bergsteigerin An Berlin, ihrer ersten Stage als Botschafterin, hat Kos Marko nichts zu bemängeln. Überhaupt – sie vermisst in Deutschland so gut wie nichts. Das heißt – außer den Bergen, die es in Brandenburg nun mal nicht gibt. “Ich bin nämlich eine leidenschaftliche Bergsteigerin, aber momentan muss ich diese Leidenschaft für meinen Beruf zurückstecken. Mein Ziel ist es, noch alle 430 Berge Sloweniens, die höher als 2.000 Meter sind, zu besteigen. Zurzeit kann ich leider aus Zeitgründen nicht mal

Das könnte sich nun aber mit dem Einzug der Melania Trump ins Weiße Haus ändern. Die Slowenin schafft es von der Provinzstadt Sevnica bis zur First Lady nach Washington ins Weiße Haus. Und in manches Blatt hierzulande. Für Kos Marko haben sich die Slowenen das (noch) Unentdecktsein ihrer Heimat “wahrscheinlich selbst zuzuschreiben, da sie sich ungern in den Vordergrund spielen, sondern vielmehr nach dem Motto “Eigenlob stinkt” leben und auch sonst mit dem Lob sehr zurückhaltend sind. Das politische Berlin kennt uns sehr gut, schätzt dies wie auch unsere pro-europäische und friedliche Orientierung sowie unsere Zuverlässigkeit. Wenn es um die Zukunft unserer Europäischen Union geht, werden wir den “like-minded” Staaten zugeordnet.” Und Gleichgesinnte im Sinne eines “einig Eurolandes” kann es nie genug geben.

Blick hinter die Kulissen werfen Die 51-Jährige ist in ihrem neuen Job in Deutschland “angekommen”. Gelegentlich zeigt sich aber doch noch die Journalistin in ihr. Da würde sie nämlich gerne mal für einen Tag mit Tina Hassel, der Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios in Berlin, tauschen. “Um einen Blick hinter die Kulissen des politischen Berlins zu werfen und die deutschen Politiker auf manchen interessanten Reisen zu begleiten.” Letzte Frage: Welches Talent hätten Sie gerne? “Mich über dumme und unfähige Menschen nicht aufzuregen.” Sie werden scheitern Madame – dagegen kämpfen selbst Götter vergebens (Schiller, “Die Jungfrau von Orleans”).

MELDUNG

Plädoyer für Freihandel (BS/mfe) Die Bundesrepublik tritt trotz der aktuellen Entwicklungen in den Vereinigten Staaten von Amerika und der Diskussionen über die Details des Austrittsprozesses Großbritanniens aus der Europäischen Union weiterhin für freien Handel in der Welt ein. Zugleich unterstütze man Maßnahmen gegen nationale Abschottung und Protektionismus einzelner Staaten, betonte der Leiter der Abteilung für Wirtschaft und nachhaltige Entwicklung im Auswärtigen Amt, Miguel Berger. Auf einer Veranstaltung des Internationalen Clubs im Auswärtigen Amt, an der rund 150 Personen, darunter rund 60 Wirtschafts- und Handelsattachés verschiedener Botschaften, teilnahmen, unterstrich der Ministerialdirektor außerdem: “Wir glauben weiterhin an die Bedeutung multinationaler Handelsabkommen.” Des Weiteren machte der Beamte vor den Diplomaten, die

unter anderem aus Spanien, Belgien, Österreich, der Slowakei und Litauen kamen, und mehreren Mitgliedern des Deutschen Bundestages klar: “Die Welthandelsorganisation muss in ihrer aktuellen Form erhalten bleiben.” Und er zeigte sich überzeugt: “Deutschland ist ein Gewinner der Globalisierung.” Diese Feststellung machte der Abteilungsleiter etwa an dem für die Bundesrepublik prognostizierten Wirtschaftswachstum sowie an dem derzeitigen Beschäftigungsrekord hierzulande deutlich. Für seine These spricht auch das für dieses Jahr erwartete deutsche Exportwachstum in Höhe von 2,8 Prozent. Zugleich warnte Berger allerdings auch vor einer großen Verunsicherung, die deutsche Wirtschaftsvertreter momentan befalle. Gründe für diese Unsicherheit seien unter anderem der Brexit und der unklare Ausgang bevorstehender Wahlen, zum Beispiel in Frankreich und den Niederlanden.


Gesundheit / Versorgung

Behörden Spiegel / Februar 2017

Seite 15

Wartezeiten addieren

Diskussionen nach Studie

Bayern: Versorgung für Bürgermeister und Abgeordnete verbessern

Bundesinnenministerium und Beamtenbund widersprechen / Antrag in Sachsen

(BS/jf) Menschen, die ein Wahlamt in Bayern übernehmen, haben erst dann Anspruch auf eine Mindestpension, wenn sie zehn Jahre lang entweder als kommunaler Wahlbeamter oder als Landtagsabgeordneter tätig waren. Wer vor dieser Zeit von dem einen in das andere Amt wechselt, muss mit einer Versorgungslücke rechnen. Dies soll nun geändert werden.

(BS/Jörn Fieseler) Kann der Staat Kosten sparen und die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziell entlastet werden, wenn die Beihilfe der Beamten abgeschafft und diese in die GKV überführt werden? Ja, meint die Bertelsmann Stiftung und zieht dafür eine eigene Studie heran. Diese betrachtet aber nicht die verfassungs- und beamtenrechtliche Dimension.

Aus diesem Grund will die CSU im Freistaat das Gesetz über kommunale Wahlbeamte, das Bayerische Abgeordnetengesetz (BayAbgG) sowie das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung entsprechend ändern. Die Regelungen des Kern-Beamtentums, nämlich das Beamtengesetz, Besoldungsgesetz und Beamtenversorgungsgesetz, bleiben davon unberührt. Der Gesetzentwurf (Landtagsdrucksache 17/14995) sieht vor, Abgeordnetenzeiten auf die versorgungsbegründeten Wartezeiten als kommunaler Wahlbeamter anzurechnen, wenn für erstere nicht bereits eine Versorgungsabfindung, eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Zusatzversorgung oder eine Berücksichtigung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit beantragt wurde. Gleiches soll gelten, wenn jemand Mitglied der Staatsregierung war. Allerdings: War jemand vor einem kommunalen Wahlamt Landtagsabgeordneter und zeitgleich Mitglied des Kabinetts, kann diese Zeit unter den genannten Voraussetzungen nur

einmal berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Kosten “erstattet der Freistaat dem ehemaligen kommunalen Dienstherren die Versorgungsbezüge anteilig in dem Umfang, der dem Verhältnis dieser Zeiten zur kommunalen Amtszeit entspricht”, heißt es im Gesetzentwurf. Mit anderen Worten: Bei einer fünfjährigen Abgeordnetentätigkeit und einer Dauer des kommunalen Wahlbeamtenverhältnisses von sechs Jahren übernimmt der Freistaat die Kosten der Versorgungsbezüge in Höhe von 5/11. Im umgekehrten Fall sieht der Gesetzentwurf ebenfalls einen Anspruch auf Altersentschädigung vor und bietet damit eine Alternative zur Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch hier gilt, dass dies nur möglich ist, wenn noch keine Anrechnung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit erfolgte. Eine rückwirkende Anrechnung oder Nachversorgung aus der Zeit als Mitglied des Landtages ist dann jedoch ausgeschlossen. Sollte also ein Landtagsabgeordneter nach einer Legislaturperiode als Bürgermeister einer Stadt für sechs

Jahre gewählt werden und sich die Abgeordnetenzeit für die Wartezeit im kommunalen Wahlamt anrechnen lassen, könnte er diese nicht mehr bei einem erneuten Einzug in den Landtag geltend machen. Wie hoch die Kosten für den Staat ausfallen, könne aber nicht prognostiziert werden, weil sie aufgrund der unbekannten Fallzahl nicht quantifizierbar seien.

Weitere Neuerung Darüber hinaus soll die Ausnahmeregelung des Art. 7 BayAbgG modifiziert werden. Dieser normiert die Kürzung der Kostenpauschale für die Mandatsträger, z. B. für die Betreuung des Stimm- und Wahlkreises, die Büro, Telefon- und Portoausgaben etc. Absatz 4 sieht vor, dass ab dem 15. Tag einer ärztlich attestierten Erkrankung diese Pauschale um 50 Prozent gekürzt wird. Diese Regelung soll zukünftig auch bei der Wahrnehmung von Mutterschutzfristen sowie ab dem gleichen Zeitraum bei der Betreuung eines erkrankten, im eigenen Haushalt lebenden Kindes unter 14 Jahren gelten.

Solides Fundament BMI hat sechsten Versorgungsbericht vorgelegt (BS/jf) 2014 haben die Versorgungsausgaben im Bundesbereich den höchsten Stand seit 1999 erreicht. 15,8 Mrd. Euro wurden im Bundeshaushalt für die Versorgungsbezüge verausgabt. Dennoch sind Versorgungsquote und Versorgungs-Steuerquote stabil. Und bis 2050 wird sich die Zahl der Versorgungsempfänger deutlich reduzieren. 5,6 Mrd. Euro für den unmittelbaren Bundesbereich und 10,1 Mrd. Euro für den sonstigen Bundesbereich schlugen 2014 im Haushalt zu Buche. Bei Letzterem beziehen sich die Ausgaben vor allem auf den Postbereich (sechs Mrd. Euro) und auf das Bundeseisenbahnvermögen (rund 3,5 Mrd. Euro). Dies geht aus dem sechsten Versorgungsbericht des Bundes hervor, der einmal pro Legislaturperiode seitens des Bundesinnenministeriums an den Bundestag zu übermitteln ist. Aussagekräftiger als die absoluten Zahlen sei hingegen die Versorgungsquote, die die Ausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt abbildet. Diese sei zwischen 2011 und 2014 stabil bei rund 0,2 Prozent ge-

blieben. Auch die VersorgungsSteuerquote (Pensionsausgaben im Verhältnis zu den Steuereinnahmen des Bundes) lag im gleichen Zeitraum bei rund 2,1 Prozent. “Die Beamtenversorgung beim Bund steht auf einem soliden Fundament”, bilanziert deshalb auch Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière.

42 Prozent weniger Pensionäre Bis 2050 wird sich die Zahl der Versorgungsempfänger deutlich reduzieren. Von 647.600 zum 1. Januar 2015 auf voraussichtlich 378.000 (-42 Prozent). Gleichwohl werden sich die Ausgaben um 55,5 Prozent auf 24,6 Mrd. Euro erhöhen. Trotz dieser Steigerung werden die Versorgungsquote und die Versor-

gungs-Steuerquote stabil bleiben.

Anstieg der Rentenzusatzversicherung Demgegenüber wird die Zahl der Betriebsrenten aus Pflichtversicherung und beitragsfreier Versicherung kontinuierlich zunehmen. Waren es zu Beginn des Jahres 2015 106.200 Renten. Mit einer Summe von 470,5 Mio. Euro, werden diese bis 2050 auf 133.400 Renten mit einem Volumen von 599,8 Mio. Euro ansteigen. Maßgeblich dafür sind einerseits ein erheblicher Rentenzugang in den nächsten Jahren sowie andererseits ein erwarteter Rückgang bei den ehemaligen Beschäftigten der Deutschen Bundesbahn frühestens ab dem Jahr 2040.

Sache der Tarifparteien Bund will Betriebsrenten stärken (BS/jf) Für Beschäftigte mit geringem Einkommen sowie für kleine und mittlere Unternehmen sieht das Betriebsrentenstärkungsgesetz ein Bündel von Maßnahmen vor, um neue Anreize für die Form der Altersvorsorge zu schaffen. Auch ein Sozialpartnermodell kommt hinzu. Wie wirkt sich das Gesetz auf den Öffentlichen Dienst aus? Das Gesetz sieht vor, künftig den Sozialpartnern auf der Grundlage von Tarifverträgen sogenannte reine Beitragszusagen einzuführen. Diese sind bislang im Betriebsrentengesetz nicht vorgesehen. Ziel dieses Modells ist es, Arbeitgeber von den bisherigen Haftungsrisiken für Betriebsrenten zu entlasten. Der Arbeitgeber verpflichtet sich lediglich, die zugesagten Beiträge an einen externen Versorgungsempfänger zu entrichten. Mindest- bzw. Garantieleistungen werden nicht zugesagt, weder vom Arbeitgeber noch von der Versorgungseinrichtung. Im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen einerseits und den Ländern anderer-

seits ist der Anspruch auf betriebliche Altersversorgung in § 25 TVöD bzw. TV-L geregelt. Die Altersversorgung selbst im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung ATV) und im Altersvorsorge-TVKommunal (ATV-K). Diesen Verträgen entsprechen auch die satzungsrechtlichen Bestimmungen der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). “Die VBL bietet zusätzlich zu der Pflichtversicherung eine freiwillige Versicherung für die Beschäftigten der beteiligten Arbeitgeber an”, sagte eine Sprecherin der Anstalt des öffentli-

chen Rechts. Zudem erfülle sie mit der freiwilligen Versicherung den tarifvertraglichen Auftrag für eine ergänzende freiwillige betriebliche Altersversorgung nach § 26 ATV / ATV-K. Reine Beitragszusagen könne die VBL erst anbieten, wenn die Tarifparteien dies im jeweiligen Tarifvertrag regeln würden. Ob es dazu kommt, ist fraglich, denn “schon jetzt gibt es im Öffentlichen Dienst bereits flächendeckend gut funktionierende Betriebsrentensysteme”, heißt es aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Bei der Tarifrunde von Verdi und dem DBB mit der Tarifgemeinschaft der Länder steht das Thema nicht auf der Agenda.

Drei bis 3,2 Mrd. Euro pro Jahr Einsparungen für die öffentlichen Haushalte haben die Verfasser Dr. Richard Ochmann, Dr. Martin Albrecht und Guido Schiffhorst vom IGES Institut errechnet, wenn die Beihilfe komplett abgeschafft, über 80 Prozent der Beamten in die GKV wechselten und die öffentliche Hand anstelle der Beihilfe die Arbeitgeberanteile an den Beiträgen. Bund und Länder würden um 60 Mrd. Euro und laut Studie damit tendenziell die westdeutschen Flächenländer entlastet, die relativ hohe Pro-KopfBeihilfeausgaben und hohe Pensionsanteile aufweisen (siehe Grafik). “Wenn für Beamte auch eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht gelten würde, würden nicht nur die meisten Länder profitieren, sondern auch der Bund. Das wäre eine Entlastung für jeden Steuerzahler”, sagte Brigitte Mohn, Mitglied des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung. Ziel der gemeinnützigen Gütersloher Einrichtung ist, “die Basis für die Sozialversicherung zu verbreitern, um das Solidaritätsprinzip als wesentlichen Faktor für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zukunftsfest zu machen”. Allerdings zeigt das Ergebnis auch, dass über einen Untersuchungszeitraum bis 2030 in drei Ländern die Etats bei einem Wechsel der Beamten in die GKV mehr belastet würden und in drei weiteren Ländern die Beihilfeausgaben nur minimalst anstiegen. Folglich würde sich für diese sechs Länder ein Wechsel nicht unbedingt lohnen.

BMI lehnt Vorschlag ab Seitens des Bundesinnenministeriums (BMI) heißt es zu dem Vorschlag: “Die in der Studie erhobene Behauptung, man könne auf die Schnelle bis zu 60 Mrd. Euro einsparen, ist aus hiesiger Sicht nicht belastbar.” Sie blende beispielsweise verfassungsrechtliche Aspekte völlig aus. Insbesondere die Fragen der Gesetzgebungskompetenz und der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf den Alimentationsgrundsatz und die Fürsorgepflicht. Darüber hinaus sei die Frage der wirtschaftlichen Folgen etwa bei der gesetzlichen Pflegeversicherung nicht hinreichend berücksichtigt, wenn diese das “Mehr” an pflegebedürftigen Versorgungsempfängern zu schultern hätte und wenn mehrere 10.000 Arbeitsplätze vor allem im Bereich der privaten Krankenversicherungen wegfie-

len.” “Das BMI tritt daher dafür ein, nicht in das austarierte und bewährte System von Alimentation, Versorgung und Beihilfe einzugreifen und das duale System der Krankenversorgung zu erhalten”, sagte ein Sprecher des Hauses. Eine Argumentation, die auch seitens des DBB und seiner Landesverbände vertreten wird. “Ich kann nur allen dringend raten, den Beipackzettel einer solchen Reform gründlich zu lesen und auf die vielen Risiken und Nebenwirkungen zu achten”, mahnte der DBB-Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt. Das Beamtentum in seiner jetzigen Form stelle die Wettbewerbsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes bei der Nachwuchsgewinnung gegenüber der Wirtschaft sicher. Und seitens des Vorstands der Hamburger Lehrergewerkschaften heißt es: “Es ist bei diesem Vorschlag der gleiche unqualifizierte Aktionismus zu beobachten wie bei dem “Beamte-sollen-in-die-Rentenversicherung-einzahlen-Thema”. Beides wird nicht richtiger, auch wenn es immer wieder wiederholt wird!” Derweil hat die Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag einen Antrag für die Abschaffung der Beihilfe gestellt. Unter

dem Titel “Gesetzliche Krankenversicherung für Beamte, Selbstständige und Freiberufler – eine Kasse für alle!” fordern die Parlamentarier um den Fraktionsvorsitzenden Rico Gebhardt die Landesregierung auf, im Bundesrat “die Voraussetzungen für ein Ende der derzeitigen Zwei-Klassen-Medizin auf den Weg zu bringen”. Anders Verdi: Die Gewerkschaft mahnt eine sachliche Diskussion an und schlägt verbesserte Wahlmöglichkeiten für Beamte bei der Krankenversicherung vor. Zur Bürgerversicherung lägen verschiedene Vorschläge vor, die die Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten beträfen. Unter Verweis auf ein aktuelles Papier der SPDnahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) erklärte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Wolfgang Pieper: “Der FES-Vorschlag sieht eine Wahlfreiheit der Beamtinnen und Beamten zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vor. Entscheiden sie sich für die gesetzliche Krankenversicherung, muss der Dienstherr einen Beitragszuschuss zahlen. Dies wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung und könnte die Attraktivität der gesetzlichen Krankenversicherung auch für Beamtinnen und Beamte deutlich erhöhen.”

rungsprozess bis zum Jahr 2020 in der Krankenkasse begleiten. Beide Seiten sind sich einig, dass Herabgruppierungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht Teil des Vertrages sein sol-

len. Zudem wurde über Zumutbarkeitsregelungen und Mobilitätshilfen verhandelt. Weitere Detailfragen sollen in der nächsten Runde Anfang Februar erörtert werden.

Wahlfreiheit gefordert

MELDUNG

Annäherung (BS/jf) Die Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS) und die IKK classic haben sich in den Verhandlungen um einen neuen Haustarifvertrag angenähert. Dieser soll den Restrukturie-


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20. Europäischer Polizeikongress Europa – grenzenlos? Freiheit, Mobilität, Sicherheit 21.–22. Februar 2017, bcc Berlin Congress Center

www.europaeischer-polizeikongress.de

Dienstag, 21. Februar 2017

Mittwoch, 22. Februar 2017

08:00 Uhr

Eröffnung der Ausstellung / Registrierung

08:00 Uhr

Öffnung der Ausstellung / Registrierung

08:45 Uhr

Eröffnung des 20. Europäischen Polizeikongresses R. Uwe PROLL, Chefredakteur und Herausgeber, Behörden Spiegel

08:30 Uhr

Weiterführung des Programms

08:40 Uhr

Grenzenlose Gefahren – endliche Sicherheit? Dr. Hans-Georg MAAßEN, Präsident, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesrepublik Deutschland

09:00 Uhr

Eröffnungsblock Ein starker Staat für ein starkes Europa Dr. Thomas DE MAIZIÈRE, Bundesminister des Innern, Bundesrepublik Deutschland

09:30 Uhr

Dimitris AVRAMOPOULOS, Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Europäische Kommission

10:00 Uhr

Prof. Dr. Peter NEUMANN, OSZE-Sonderbeauftragter für den Kampf gegen Radikalisierung & Direktor, Internationales Zentrum für die Erforschung von Radikalisierung, King's College London

10:30 Uhr

Industriepartnerschaften für ein sichereres Europa Jamie WYLLY, General Manager, Worldwide Public Safety and National Security, Microsoft

11:00 Uhr

Pause

11:15 Uhr

Fachforen (1A – 1H)

12:45 Uhr

Mittagspause

14:15 Uhr Moderation:

Community Policing: Gemeinsam sicher Ansgar HEVELING, MdB, Vorsitzender des Innenausschusses, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Pieter-Jaap AALBERSBERG, Polizeichef Amsterdam, Nationale Politie, Königreich der Niederlande Hubertus ANDRÄ, Polizeipräsident, Polizei München, Bundesrepublik Deutschland Dr. Sebastian DENEF, Fraunhofer Gesellschaft e. V. Klaus KANDT, Polizeipräsident in Berlin, Bundesrepublik Deutschland General Karl MAHRER, Landespolizeivizepräsident, Landespolizeidirektion Wien, Republik Österreich Jürgen MATHIES, Polizeipräsident, Polizeipräsidium Köln, Bundesrepublik Deutschland

Teilnehmer:

15:15 Uhr

Body-worn Video Adrian HUTCHINSON, Superintendent, Metropolitan Police Service, Großbritannien

15:35 Uhr

Pause

15:45 Uhr

Fachforen (2A – 2G)

17:15 Uhr

Pause

18:00 Uhr

Blockchain – Hype oder Perspektive? Bernd BAPTIST, Head of Consulting Public Sector CEE, CSC Deutschland GmbH

18:20 Uhr Moderation: Teilnehmer:

19:15 Uhr 14:15 – 19:15 Uhr

Zukunft Europas: grenzenlos? R. Uwe PROLL, Chefredakteur und Herausgeber, Behörden Spiegel Michèle CONINSX, Präsidentin, Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union (EUROJUST), Europäische Union Krum GARKOV, Exekutivdirektor, Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (eu-LISA) Nicoletta DELLA VALLE, Direktorin, Bundesamt für Polizei (fedpol), Schweizerische Eidgenossenschaft MMag. Konrad KOGLER, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Republik Österreich Fabrice LEGGERI, Exekutivdirektor, Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (FRONTEX), Europäische Union Guenther SABLATTNIG, Berater des EU-Anti-TerrorismusKoordinators, Europäische Union

09:10 Uhr

Ballistischer Kopfschutz für Polizisten im Streifendienst. Besondere Anforderungen – Möglichkeiten und Grenzen Alexander SCHARPENACK, ULBRICHTS Protection, Ulbrichts Witwe GmbH

09:30 Uhr

Debatte: Deutschland, Frankreich – Europas gemeinsame Antworten auf Cyber-Angriffe Dr. August HANNING, Staatssekretär a. D. und Präsident des BND a. D., Programm- und Herausgeberbeirat des Behörden Spiegel Guillaume POUPARD, Generaldirektor, Agence nationale de la sécurité des systèmes d'information, Französische Republik Arne SCHÖNBOHM, Präsident, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Bundesrepublik Deutschland

Moderation:

Teilnehmer:

10:10 Uhr

Gesichtserkennung ohne Gesichter – Zukunft der Gesichtserkennung für die Öffentliche Sicherheit Akif EKIN, Präsident, Ekin Technology

10:30 Uhr

Pause

11:10 Uhr

Verleihung Zukunftspreis Polizeiarbeit 2017

11:30 Uhr Moderation:

Diskussionsrunde der Innenminister und -senatoren R. Uwe PROLL, Chefredakteur und Herausgeber, Behörden Spiegel Andreas GEISEL, Senator für Inneres und Sport von Berlin Joachim HERRMANN, Bayerischer Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr Ralf JÄGER, Minister für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen Boris PISTORIUS, Niedersächsischer Minister für Inneres und Sport Dr. Holger POPPENHÄGER, Thüringer Minister für Inneres und Kommunales Mag. Wolfgang SOBOTKA, Bundesminister für Inneres, Republik Österreich Holger STAHLKNECHT, Minister für Inneres und Sport, Sachsen-Anhalt

Teilnehmer:

12:30 Uhr

Polizeikommunikation in Zeiten von WhatsApp & Co Andreas NOACK, CEO, heinekingmedia GmbH/stashcat

12:50 Uhr

Mittagspause

14:30 Uhr

Fachforen (3A – 3H)

16:00 Uhr

Pause

16:30 Uhr

Uwe G. KRANZ, Behörden Spiegel-Terrorexperte

17:00 Uhr

Zusammenfassung und Ausblick R. Uwe PROLL, Chefredakteur und Herausgeber, Behörden Spiegel

Moderation:

Brigadegeneral a. D. Reimar SCHERZ, Programm- und Herausgeberbeirat, Behörden Spiegel

09:00 – 16:00 Uhr

Bronzesponsoren

Dimitris Avramopoulos Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Europäische Kommission

Mag. Wolfgang Sobotka Bundesminister für Inneres, Republik Österreich

Michèle Coninsx Präsidentin, Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union (EUROJUST), Europäische Union

Fachforen Forum 1A Grenzsicherheit Forum 1B Intelligente Verkehrsüberwachung als Beitrag zur Inneren Sicherheit (Fachforum in Kooperation mit der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG))

Forum 1C Big Data in der polizeilichen Arbeit Kriminalistik 2.0 Forum 1E Mobile Täter / Mobile organised crime groups

Forum 1F Gesichtserkennung

Parallel zum Hauptprogramm Anwenderforum: Zukunft des Digitalfunks BOS – All-IP-Transformation & mobile Breitbandkommunikation

Forum 1G Partnerschaften gegen die Finanzquellen von Terrorismus und Organisierter Kriminalität Forum 1H Zukünftige digitale Plattformen für eine erfolgreiche Polizeiarbeit: Public, Private und Hybrid Cloud Computing Forum 2A Smart Policing Überwachung öffentlicher Räume (CCTV) Forum 2C Gewalt gegen Vollzugsbeamte (Fachforum in Kooperation mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP))

Forum 2D IT-Sicherheit

Parallel zum Hauptprogramm Forum “Behörden- und Unternehmensschutz”

Goldsponsoren

Dr. Thomas de Maizière Bundesminister des Innern, Bundesrepublik Deutschland

(Fachforum in Kooperation mit dem Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK))

Buffet und Networking

Platinsponsoren

Foto: Henning Schacht

Referenten, u. a.:

Forum 2E Fluggastdaten (PNR) zur Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität Silbersponsoren

Forum 2F Informationsaustausch – Nutzung von SIENA in Gemeinsamen Zentren Forum 2G Interoperabilität zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden Forum 3A Internationale Polizeimissionen Forum 3B Predictive Analytics: Polizei, Verkehr, Feuerwehr, BOS Forum 3C Digitale Kriminalistik Forum 3D Elektronische Vorgangsbearbeitung der Justiz Forum 3E Ausrüstung und Ausstattung der Polizei Forum 3F Kognitive Systeme – Chancen und Risiken für die Polizeiarbeit 2020?

Mit Unterstützung von

Forum 3G Innovative Lösungen zur Bekämpfung von Schmuggel und Produktfälschung


Kommune Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Februar 2017

www.behoerdenspiegel.de

Legitim, aber illegal?

KNAPP

Ein beliebter, aber vorbestrafter Bürgermeister zwischen den Rädern aus Bürgerwillen und Rechtstatuten

Konferenz zum Siebten Altenbericht

(BS/Julian Einhaus) Straffällig gewordene und gerichtlich verurteilte Wahlbeamte dürfen sich in Brandenburg bisher erneut zur Wahl stellen, wenn das Gericht dies für einen Zeitraum (BS/ckö) Das Bundesministerinicht ausdrücklich ausschließt, was in der Praxis aber kaum vorkommt. Das gilt selbst bei Korruptionsdelikten im Amt. Viele sehen darin eine “rechtspolitische Lücke”, die die Lan- um für Familie, Senioren, Frauen despolitik nun durch eine Novellierung des Kommunalwahlgesetzes beheben will. Aufhänger ist der aktuelle Fall eines Bürgermeisters aus der Stadt Guben. und Jugend (BMFSFJ) veranDieter Hübner hat sich im südbrandenburgischen Guben in der Stichwahl als Bürgermeisterkandidat durchgesetzt, darf sein Amt aber nicht antreten. Der Grund: eine Suspendierung, die noch aus seiner vorherigen Amtszeit rührt. Der FDP-Politiker war 2011 wegen Korruptionsverdacht suspendiert worden, musste seinen Stuhl räumen und wurde schließlich 2015 wegen Untreue und Bestechlichkeit zu einer anderthalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Trotzdem konnte er im vergangen Sommer als Bewerber zur Neuwahl antreten. Das soll sich nicht wiederholen, wenn es nach den Grünen im Potsdamer Landtag geht. Die Bürger dürften keinem solchen Verdruss ausgesetzt werden.

Gesetzentwurf für eine Fünf-Jahres-Sperre “Für die Wählerinnen und Wähler sollte hier künftig vor Wahlen Klarheit herrschen”, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Ursula Nonnemacher. Ein aktueller Gesetzesentwurf der Oppositionsfraktion sieht vor, dass künftig hauptamtliche Bürgermeister, Oberbürgermeister oder Landräte aufgrund der Verurteilung zu einer Freiheits- oder Bewährungsstrafe von mindestens einem Jahr nicht nur – wie im Beamtenrecht schon geregelt – ihr Amt verlieren, sondern auch automatisch nicht mehr wiedergewählt werden können. Ähnlich wie in Sachsen oder Baden-Württemberg geregelt, sieht der Gesetzentwurf eine Sperre von fünf Jahren vor. Eine solche Sperre ist auch jetzt schon möglich, wird von den Gerichten aber nur sehr selten angewandt. “Sofern dies für bestimmte Delikte wie Bestechlichkeit gesondert gesetzlich ange-

Irgendwo zwischen den rechtspolitischen Rädern: Dieter Hübner wurde zweimal Mal direkt zum Gubener Bürgermeister (im Bild: die Neiße-Brücke, die die deutsche Grenzstadt mit dem polnischen Nachbarn Gubin verbindet) gewählt, wurde dann wegen Korruption im Amt strafrechtlich verurteilt – und Anfang 2016 erneut gewählt. Er kann sein Amt aber faktisch nicht antreten. Foto: BS/Mirko Klammer, CC BY-ND 2.0, flickr.com

ordnet ist”, sagt Professor Dr. Thorsten Ingo Schmidt, “kann das Strafgericht nach § 45 II StGB im Wege einer Ermessensentscheidung für die Dauer von zwei bis fünf Jahren die Wählbarkeit aberkennen.” In allen übrigen Fällen der Verurteilung, also wenn gesetzlich nicht die Möglichkeit der Aberkennung vorgesehen ist oder das Gericht davon keinen Gebrauch gemacht hat, bleibe der Verurteilte weiterhin wählbar, erklärt Schmidt, der an der Universität Potsdam Verwaltungs- und Kommunalrecht lehrt. Wurde der Täter dagegen im Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernt, ist er laut Kommunalwahlgesetz auf Lebenszeit nicht mehr wählbar. Das passierte aber im “Fall Hübner” nicht. Denn mit der Aufnahme eines Strafverfahrens am Landgericht Cottbus wurde das Disziplinarverfahren – wie auch in anderen Fällen üblich – ausgesetzt. Und nach der Verurteilung einge-

stellt. Die derzeitige Rechtslage leidet deshalb laut Schmidt an zwei Widersprüchen: Zum einen kann ein Täter, der “nur” wegen eines Vergehens verurteilt wurde und nicht zusätzlich im Wege des Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt wurde, “durch die Maschen schlüpfen” – er ist weiterhin wählbar. Zum anderen sind die Rechtsfolgen bei einer bloß disziplinarischen Entfernung aus dem Dienst schwerwiegender als bei der strafgerichtlichen Verurteilung wegen eines Delikts: Im ersten Fall entfällt die Wählbarkeit lebenslang, im zweiten Fall, wenn überhaupt, nur für maximal fünf Jahre (zuzüglich der Zeit einer etwaigen Strafhaft). Auch das soll die Novellierung des Kommunalwahlgesetzes ändern. In der rechtlichen Praxis sieht der Verwaltungsjurist Prof. Dr. Klaus Herrmann weitere Defizite. Denn den für die Disziplinarverfahren zuständigen unteren staatlichen Rechtsaufsichtsbe-

hörden mangle es oft an ausreichendem Personal, um Klagen vorzubereiten. Daraus folgten Verzögerungen, die schließlich dazu führten, dass Disziplinarverfahren regelmäßig eingestellt würden. Zumindest dann, wenn es in einem zeitgleichen Strafverfahren zu einem rechtskräftigen Urteil gekommen ist, durch das der Straftäter seine Rechte aus dem Beamtenverhältnis verloren hat. So geschehen im Gubener Fall. Ein bisschen anders stellt sich die Situation für Richter Wilfried Kirkes dar, Mitglied bei der Vereinigung der Verwaltungsrichterinnen und Verwaltungsrichter des Landes Brandenburg. Aus seiner Sicht existiert keine verwaltungsrechtliche “Regelungslücke”. Stattdessen bestünden mehrere Korrektive wie die strafrechtlichen und disziplinarischen Verfahren, die gegen Amtsinhaber angewendet werden könnten. Auch hätten die Bürger in Brandenburg die Möglichkeit, ihr Stadtoberhaupt nach der Wahl wieder abzuberufen. Das braucht zwar entsprechende Mehrheiten, ist aber schon geschehen: 2015 wurde etwa der Bürgermeister von Mittenwalde wegen Vorteilsnahme und Untreue verurteilt, suspendiert und 2016 per Bürgerentscheid aus dem Amt gewählt.

Wähler-Bevormundung? Kirkes hält auch den “hohen Verdruss der Wahlbevölkerung”, der in der Begründung des Gesetzentwurfes der Grünen aufgeführt wird, nicht für plausibel. Womöglich handle es sich um parteipolitischen Frust. “Die Bürger aber haben den Gubener Bürgermeister ja trotz rechtskräftigen Urteils erneut und unmittelbar zu ihrem Stadtoberhaupt gewählt.” Ihm scheint, als

wolle die Politik darüber bestimmen, wann und wie der Bürger Frust haben dürfe. Auch eine Einschränkung des passiven Wahlrechts könne “hohen Verdruss” bereiten, wenn ein populärer Kandidat nicht mehr wählbar sein solle, erklärt der Richter. Befriedigend ist die aktuelle Situation für keine Seite. Denn Hübner kann als vorbestrafter, aber erneut direkt gewählter Bürgermeister sein Amt nicht wahrnehmen. Ihm wurde Hausverbot erteilt, er wurde wieder seines Amtes enthoben und sieht sich einem neuerlichen Disziplinarverfahren durch den Landrat ausgesetzt. Dagegen wehrt er sich seinerseits juristisch und reichte einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht Potsdam ein, das landesweit für Disziplinarangelegenheiten in der öffentlichen Verwaltung zuständig ist. Klare Verhältnisse sehen anders aus. Klarheit brauche es aber, um eine effektive Amtsausübung zu gewährlisten, erklärt auch Dr. Holger Obermann vom Landkreistag Brandenburg. Aber wohl nicht sofort. “Unter den Vertrauensschutzaspekten wird der Gesetzgeber hier voraussichtlich eine Übergangsregelung schaffen müssen”, so Obermann, für den deshalb in Betracht käme, die Neuregelung zur kommenden Brandenburger Kommunalwahl in Kraft zu setzen. Das wäre im Frühjahr 2019. Den Grünen geht es im “Fall Hübner” aber noch um mehr, sie wollen ein Signal senden, die Ämter in ihrem Rechtsstatut zu schützen. Dafür braucht es vielleicht aber noch mehr. Professor Schmidt: “Im Grunde fehlt es an einem eigenen Gesetz für kommunale Wahlbeamte. Ähnlich den Ministergesetzen auf Bundes- und Landesebene.”

10. Bürgermeisterkongress

staltet am 4. April 2017 eine Konferenz zu den Themen und Empfehlungen des Siebten Altenberichts. Dieser trägt den Titel “Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften” und steht seit November 2016 der Öffentlichkeit zur Verfügung. Der Bericht adressiert die immer wichtiger werdende Frage, an welche lokalen Voraussetzungen die gesellschaftliche Teilhabe und ein gutes Leben älterer Menschen geknüpft sind. Die sich daraus ergebenden Empfehlungen richten sich an die Politik von Bund, Ländern und Kommunen. Die zentralen Befunde und Empfehlungen des Berichts werden auf der Konferenz von Mitgliedern der Siebten Altenberichtskommission präsentiert und u.a. werden Vertreter der kommunalen Spitzenverbände dazu Stellung nehmen. Weitere Informationen unter: www.siebter-altenbericht.de

Streit um Bewaffnung (BS/mfe) Um die Ausstattung der Mitarbeiter des geplanten Kommunalen Ordnungsdienstes in München ist Streit entbrannt. Während Michael Kuffer von der CSU verlangt, die Beschäftigten im Außendienst auch mit Waffen auszurüsten, lehnt die SPDFraktion im Kommunalparlament der bayerischen Landeshauptstadt dieses Ansinnen ab. Und das, obwohl beide Fraktionen im Stadtrat eigentlich eine gemeinsame Stimmenmehrheit haben. Der Kommunale Ordnungsdienst an der Isar soll zunächst mit einer geringen Zahl an Beschäftigten starten und auch nur an Brennpunkten zum Einsatz kommen. Mittelfristig wünscht sich die CSU, dass seine Mitarbeiter stadtweit aktiv sind.

3. – 4. April 2017 » Bonn

Risiken und Katastrophen in Deutschland www.buergermeisterkongress.de

Top-Themen:

» Terrorismus, Amok und schwere Unglücke — » »

kommunale Zusammenarbeit Klimawandel Cyber-Angriffe auf öffentliche Einrichtungen

Beratend: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe andreastrojak, VV BY 2.0, flickr.com

Eine Veranstaltung des


Kommunalpolitik

Seite 18

B

ehörden Spiegel: Welches ist aktuell die größte Herausforderung für Ihre Stadt? Gavotzis: Das Thema Abfallwirtschaft und die Wasserversorgung in Migdonia, einem Stadtteil von Oraiokastro. Das dortige Wassernetz ist nicht in Ordnung. Es besteht das Risiko, dass die EΥΑΘ – die staatliche Wasserversorgung – privatisiert wird und der Wasserpreis dann steigt. Deswegen müssen wir als Gemeinde mithilfe von EU-Programmen das Wassernetz besser organisieren. Auch der Know-how-Transfer mit unserer Partnergemeinde Detmold und mit der Deutsch-Griechischen Versammlung ist für uns in diesem Bereich sehr wichtig. Behörden Spiegel: Wie verläuft die Zusammenarbeit mit der Stadt Detmold? Gavotzis: Unsere Zusammenarbeit begann bereits lange vor der Zeit der Verwaltungsreform von 2010, als der heutige Stadtteil Kallithea noch eine eigenständige Gemeinde war. Offiziell wurde die Partnerschaft 2012 im Rahmen der Jahreskonferenz der Deutsch-Griechischen Versammlung begründet. Der Austausch läuft sehr gut, wir haben viele positive Ergebnisse und besuchen uns regelmäßig. Wir arbeiten in verschiedenen Bereichen mit

Persönliche Verbindungen das A und O Bürgermeister Asterios Gavotzis: Flüchtlingsversorgung tickende Zeitbombe (BS) Mit dem “Kallikratis-Gesetz” wurden 2010 die staatlichen Zuständigkeiten in Griechenland dezentralisiert und vereinfacht. Wenn der griechische Nationalstaat in der Vergangenheit oft nicht richtig funktioniert hat, waren die heute insgesamt 325 Gemeinden wichtiger denn je – hier werden die Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrgenommen. Über die Verwaltungsstärke seiner Stadt, Fördergelder, die deutschgriechische Zusammenarbeit und nicht zuletzt über die Lage bei der Flüchtlingsversorgung sprach der Behörden Spiegel mit Asterios Gavotzis, Bürgermeister der griechischen Stadt Oraiokastro. Die Fragen für diese Zeitung stellte Andrea Marita Dimitriadis. Gemeinde haben in Detmolder Betrieben ein Praktikum gemacht. Auch im Energiesektor und im Bereich der Technologie kooperieren wir sehr eng mit unseren deutschen Partnern und der Deutsch-Griechischen Versammlung.

bildung abgeschlossen. Es gibt einen Zuständigen, der sich mit den EU-Programmen beschäftigt. Wir haben keine perfekten, jedoch gute Möglichkeiten, um uns mit den EU-Programmen auseinanderzusetzen. Leider sind die Anforderungen der EUProgramme sehr hoch.

Behörden Spiegel: Welcher Bereich ist für Ihre Gemeinde besonders wichtig?

Behörden Spiegel: Wurden bei Ihnen in der Region Flüchtlinge angesiedelt?

“Die öffentlichen Angestellten werden heute besser geschult.”

Gavotzis: Hier in Zentralmakedonien sind 60 Prozent der Flüchtlinge in Griechenland angesiedelt, 30 Prozent davon befinden sich in drei Gemeinden: in Oraiokastro, Delta und Langada.

Gavotzis: Der TechnologieTransfer im Bereich Abfallwirtschaft. In diesem Bereich haben wir sowohl als Gemeinde als auch der griechische Staat tatsächlich große Probleme. Gemeinsam mit der FODSA (Abfallwirtschaftsträger Region Zentralmakedonien, d. Red.) stellen wir UntersuORAIOKASTRO chungen an über die Lage an und stellen entsprechende Anträge, um EU-Fördermittel zu beantragen. Behörden Spiegel: Welche Fortschritte gibt es hier bereits?

Grafik: BS/©pico, Fotolia.com

unseren deutschen Partnern zusammen, z. B. im Jugendbereich. Schüler aus Detmold und Oraiokastro treffen sich regelmäßig und arbeiten gemeinsam an verschiedenen Projekten. Mehr als zehn Schülerinnen und Schüler aus unserer

D

ie Nutzung von Medien im Kindesalter wird schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Dabei geht es oft darum, wie häufig und intensiv Kinder Medien konsumieren und welche Wirkung damit verbunden ist. Im gleichen Zuge wird immer wieder von Gefahren gesprochen. Doch ein Leben ohne Medien ist in Zeiten der Digitalisierung kaum möglich und vielleicht auch nicht erstrebenswert. Man kann Kinder nicht komplett von der Mediennutzung abschirmen. Mediale Einflüsse sind Teil unseres Alltags, seien es Werbedurchsagen im Supermarkt, die Nutzung des Smartphones oder ein Fernseher in der Kinderspielecke eines Kleidergeschäfts.

Medienkompetenz wichtig Umso wichtiger ist es, dass weder Eltern noch Fachkräfte Medien im Alltag der Kinder ausklammern. Die Förderung einer sogenannten Medienkompetenz, ein Heranführen an den Umgang mit Medien, ist für die Entwicklung der Kinder wichtig. Das schreibt auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einer Veröffentlichung zum Thema “Medienkompetenzförderung

Behörden Spiegel / Februar 2017

Gavotzis: Da ist d i e Einführung grüner Sammelpunkte zu nennen, wo wir den Abfall seiner Art nach getrennt einsammeln. Grüne Müllcontainer und die Methode des Recyclings allgemein werden eingeführt. Darüber hinaus gibt es die bereits erwähnte Zusammenarbeit mit

Behörden Spiegel: Wie gehen Sie damit um? Gavotzis: Das Flüchtlingsthema betrifft in erster Linie den Staat, nicht die Gemeinden. Der Staat muss ein gutes Konzept Asterios Gavotzis ist Bürgermeister der rund 40.000 Einwohner zählenden grie- gemeinsam mit den Gemeinden chischen Stadt Oraiokastro nördlich von Thessaloniki. Foto: BS/Dimitriadis entwickeln. Grundsätzlich laufen wir allerdings den Ereignisder FODSA, um das Problem des Rolle. Hier gibt es keine Parteien- sen hinterher. Wir sind nicht gegen Flüchtlinschwer zu entsorgenden Mülls politik. Es gibt nur ein gemeinsaund des Sperrmülls in den Griff mes Ziel: für unsere Gemeinde ge und wir wollen keine faschisdas zu tun, was für sie am besten tisch-rassistische Mentalität. zu bekommen. Im Gegenteil: Wir sind eine Geist. meinde mit großer Erfahrung Behörden Spiegel: Wie wichtig Behörden Spiegel: Haben Sie beim Thema Integration von sind bei Ihrer Partnerschaft die ausreichend geschultes Personal Flüchtlingen. Die Gemeinde persönlichen Verbindungen? Oraikastro hat seit 1924 einen in Ihrer Verwaltung? großen Flüchtlingsstrom aufgeGavotzis: Für mich sind die Gavotzis: Wir beschäftigen cir- nommen. Die Menschen haben persönlichen Verbindungen das Wichtigste. Ebenfalls der Aus- ca 350 Leute. Für mein persönli- sich hier gut eingelebt. Ab 1990 kamen die tausch auf Augenhöhe zwischen ches Empfin“Die Regierung lässt griechischen unseren Verwaltungen. Ohne den als selbstRückkehrer den kann es kein positives Er- ständiger Arzt uns Kommunen allein aus der ehehaben wir gebnis geben. mit den Flüchtlingen.” maligen Soausreichend wjetunion, die Behörden Spiegel: Wie kom- Personal. Das munizieren Sie mit Ihren deut- Personal, das wir haben, müsste hier ebenfalls gut angenommen nur noch mehr “in Gang ge- wurden. schen Partnern? bracht” werden und die klassiBehörden Spiegel: Worin liegt Gavotzis: Wir haben hier einen sche Einstellung des öffentlidann das Problem? Berater, der in Deutschland ge- chen Angestellten ablegen. Seit der Verwaltungsreform lebt und studiert hat und der Gavotzis: Unser Problem ist, sich mit Solartechnik beschäf- Kallikratis von 2010 werden die tigt. Er ist zwar politisch gesehen öffentlichen Angestellten besser dass die Regierung uns allein mein Widersacher, aber das geschult. Eine große Anzahl von lässt, statt mit uns in Kontakt zu spielt in diesem Bereich keine ihnen hat eine universitäre Aus- treten. Wir bekommen hier keine

Filmvorführung und Kita – passt das zusammen? Nutzung von audiovisuellen Medien in Kindergruppen (BS/Nina Meyer*) Mediennutzung im Kindesalter wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Studien zeigen, dass die Förderung einer Medienkompetenz sinnvoll sein kann. Hierbei sind auch Fachkräfte in Kitas und Horten gefragt. Wenn es um eine Ente mit feuchter Aussprache geht, ist es natürlich Donald Duck. Eine Maus mit Schleife auf dem Kopf? Klar, das ist Minnie Maus. Disney sorgt mit diesen Figuren bei vielen Erwachsenen für Kindheitserinnerungen und manchmal auch für ein Lächeln im Gesicht. Hat uns das Schauen von Filmen in frühen Kindheitsjahren geschadet? für Kinder und Jugendliche”. Der Medienpädagogische Forschungsverband Südwest (mpfs) führt regelmäßig Studien zur Mediennutzung in verschiedenen Altersgruppen durch. Demnach spielt das Fernsehen schon für Zwei- bis Fünfjährige eine zentrale Rolle. Fast die Hälfte der Kinder dieser Altersgruppe sieht laut der miniKIMStudie 2014 jeden oder fast jeden Tag fern. Doch nicht dieses Konsumverhalten an sich stellt ein Problem dar, zum Problem wird Mediennutzung insbesondere dann, wenn Kinder damit allein gelassen werden. Gerade Kleinkinder nehmen audiovisuelle Einflüsse ganz anders wahr als Erwachsene und können diese nicht immer einordnen. Um dies zu lernen, ist aktive Medienarbeit gefordert. In Kitas oder Horten kann es daher sinnvoll sein, z. B. auch audiovisuelle Medien mit einzubeziehen und das Erlebte mit Kindern zu

Ob Donald Duck, Minnie Maus oder neue Helden – die Welt des Films kann für Kinder bereichernd sein. Die Motion Picture Licensing Company (MPLC) vergibt sogenannte Schirmlizenzen und kann für eine pauschale Lizenzierung sorgen, damit die zur Verfügung stehende Filmauswahl groß ist. Foto: BS/Monkey Business 2, Shotshop, picture alliance

besprechen. Natürlich spielt dabei auch die Auswahl eine große Rolle, denn nicht jeder Film ist für Kinder geeignet. Auch hier gibt es Unterstützung: Das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) zum Beispiel bietet Informationen und Inspiration zur Nutzung von audiovi-

suellen Medien und will damit einen verantwortungsvollen und kreativen Umgang mit Medien unterstützen.

Wenig Arbeit dank Schirmlizenzen Wenn nun also Astrid Lindgrens Helden oder andere Figu-

ren nicht nur in Form von Büchern, sondern auch auf Bildschirmen Einzug in die Kita halten, ist allerdings Vorsicht geboten. Denn für die Vorführung von Filmen bedarf es einer Lizenz. Dies gilt auch, wenn selbstmitgebrachte oder ausgeliehene DVDs in der Gruppe ge-

finanzielle Unterstützung durch den Staat. So sind die hygienischen Bedingungen im Camp in Oraiokastro katastrophal. Es gibt keine Heizung, ebenso gibt es Klagen über das Essen. Ich als Arzt beurteile die aktuellen Zustände als eine tickende Zeitbombe. Ein anderes Thema in diesem Zusammenhang ist die schulische Integration der über 1.000 Flüchtlingskinder, die in Oraiokastro untergebracht sind. Dazu sage ich nicht grundsätzlich Nein. Aber es gibt eine Bedingung: Alle Kinder müssen geimpft sein, und da beziehe ich auch die griechischen Kinder mit ein! 25 Prozent der griechischen Kinder sind nämlich nicht geimpft. Aus diesem Grund sollten in diesem Jahr die Flüchtlingskinder noch nicht mit den griechischen Schülern gemeinsam unterrichtet werden. Wir wünschen uns ein Umgehen mit den Menschen, wie wir es in Detmold gesehen haben: Ansiedlung in Wohnungen, eine monatliche finanzielle Unterstützung, regelmäßige Untersuchungen und Betreuung. Und Aussicht auf Arbeit. Wir könnten auch so etwas tun. Die Integration kann für uns alle von Vorteil sein. Die Menschen müssen hier eingebunden werden.

MELDUNG

Kieler Rathausbündnis zerbrochen (BS/ein) Die Kieler Grünen haben die Zusammenarbeit mit SPD und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) im Kieler Stadtrat aufgekündigt. Auslöser waren offenbar Maßnahmen aus dem Bereich Erneuerbarer Energien wie ein Windparkprojekt im südwestlichen Stadtteil Meimersdorf (Grüne: “ein Bruch des Kooperationsvertrags”), unterschiedliche Auffassungen beim Wohnungsbau sowie die Frage der Nachnutzung einer kulturellen Einrichtung und eines alten Flughafens. Auch auf Landesebene regiert in Schleswig-Holstein eine rotgrün-blaue Koalition. Die nächsten Landtagswahlen finden am 7. Mai 2017 statt – die Grünen schließen hier künftig eine Koalition mit CDU und FDP zumindest nicht aus.

zeigt werden. Dass sich Fachkräfte in Kitas oder Horten nun auch noch mit juristischen Belangen auseinandersetzen, ist viel verlangt. Die Lösung ist jedoch einfach. Die Motion Picture Licensing Company (MPLC) vergibt sogenannte Schirmlizenzen und kann damit für eine pauschale Lizenzierung sorgen. Die damit zur Verfügung stehende Filmauswahl ist groß, denn MPLC arbeitet mit über 900 Studios, Filmverleihern und Produzenten zusammen. Darunter auch Disney und Universal Pictures. Hat man einmal die passende Lizenz erworben, steht dem Filmerlebnis und damit auch der aktiven Medienarbeit in Kitas und Horten nichts mehr im Weg. Ob nun Donald Duck, Minnie Maus oder ganz neue Kinderhelden – das Abtauchen in die Welt des Films kann auch für Kinder bereichernd sein und sorgt sicher bei dem ein oder anderen für eigene Kindheitserinnerungen in ferner Zukunft. Weitere Informationen unter: www.mplc-film.de *Nina Meyer ist Pressesprecherin MPLC Deutschland GmbH


Personelles

Behörden Spiegel / Februar 2017

Seite 19

Städte, Gemeinden und Landkreise

Stellenmarkt MELDUNGEN

91,7 Prozent: Schaub bleibt in Baunatal (BS/ein) Der bisherige Amtsinhaber Manfred Schaub bleibt Bürgermeister der nordhessischen Stadt Baunatal. Der 59-jährige Sozialdemokrat wurde als einziger Kandidat mit 91,7 Prozent der Stimmen erneut zum Stadtoberhaupt gewählt. Die Wahlbeteiligung lag laut Stadtverwaltung bei 31,3 Prozent. Schaub hat eine Beamtenausbildung bei der Stadtverwaltung, war Pressesprecher, Bürgerbeauftragter und zuletzt Amtsleiter, bis er 2005 erstmals zum Bürgermeister gewählt wurde. Seit 2001 ist er zudem Bezirks-

Manfred Schaub bleibt Bürgermeister in Baunatal. Foto: BS/SPD Hessen

vorsitzender der SPD Hessen-Nord und stellvertretender Vorsitzender der hessischen SPD. Seine neue Amtszeit beginnt Anfang Juni und dauert sechs Jahre. Baunatal hat rund 28.000 Einwohner, gehört zum Landkreis Kassel und grenzt unmittelbar südlich an die

Stadt Kassel. Die Stadt ist geprägt durch das Volkswagenwerk, das mit rund 13.000 Mitarbeitern größter Arbeitgeber der gesamten Region Nordhessen ist.

13 Stimmen fehlten (BS/ein) Bei der Bürgermeisterwahl im baden-württembergischen Weilheim an der Teck hatte das amtierende Stadtoberhaupt Johannes Züfle zwar die Nase vorn, verfehlte aber mit 49,8 Prozent knapp die absolute Mehrheit – 13 Stimmen fehlten. Der 36-jährige Verwaltungsfachwirt ist seit acht Jahren Bürgermeister sowie Kreisrat im

Geht in Weilheim an der Teck als Favorit in die Stichwahl: Amtsinhaber Johannes Züfle. Foto: BS/Stadt Weilheim

Landkreis Esslingen. Stärkster Verfolger war mit 30,8 Prozent Hendrik van Woudenberg. Der entscheidende zweite Wahlgang zwischen beiden Kandidaten findet am 12. Februar statt – an diesem Termin wird auch der neue Bundespräsident gewählt.

Meersburg: Mit 70 Prozent neuer Bürgermeister (BS/ein) Robert Scherer hat die Wahl um das Bürgermeisteramt in Meersburg am Bodensee gewonnen. Mit 70,22 Prozent setzte sich der 49-jährige Bauingenieur im erst Wahlgang gegen Amtsinhaber Martin Brütsch (22,8 Prozent) durch. Der Drittplatzierte kam nur auf 6,4 Prozent. Scherer, bisher Bauamtsleiter der Nachbargemeinde Uhldingen-Mühlhofen (ebenfalls Bodenseekreis), tritt sein Amt am 1. April 2017 in der rund 6.000 Einwohner zählenden Kleinstadt zwischen Friedrichshafen und Überlingen an.


Personelles / Kommunaler Haushalt

Seite 20

Behörden Spiegel / Februar 2017

Sparkassen bitten Kommunen zur Kasse

“Versorgung”

Reaktion auf Zinstief

Erfolgsfaktoren in der Trinkwasserversorgung von Dr. Ulrich Keilmann

(BS/lkm) Immer mehr Kreditinstitute verlangen von Kommunen und anderen institutionellen Kunden sogenannte Verwahrentgelte oder Guthabengebühren für Geld, dass diese auf dem Konto der Banken lagern. Mit dabei sind viele Sparkassen, die die Kommunen jetzt zur Kasse bitten. Als Grund dafür nennen sie die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB will die Kreditvergabe im Euro-Raum ankurbeln und verlangt deshalb für die Geldaufbewahrung bei der EZB von den Banken einen Strafzins. Noch vor einigen Jahren war dieser Zins deutlich positiv. Einen Höhepunkt erreichte der EZBEinlagenzins im Jahr 2001 mit plus 3,75 Prozent. Seit Juli 2014

müssen Banken jedoch für ihre Einlagen bei der EZB zahlen. Damals waren es minus 0,1 Prozent, seitdem ist der Zins immer weiter gesunken. Der Einlagenzins bei der EZB beträgt aktuell minus 0,40 Prozent. Dieser müsse bei hohen Summen aus wirtschaftlichen Gründen zumindest teilweise an die Kunden

weitergegeben werden, erklärte Ulrich Netzer, Präsident des Bayerischen Sparkassenverbandes. “Das machen inzwischen auch andere Banken so”, sagte Netzer. In Bayern gibt es gleich eine Reihe von Sparkassen, die seit Kurzem einen Negativzins von Kommunen verlangen. So fordert beispielsweise die Sparkasse Nürnberg seit Anfang des Jahres ein Verwahrentgelt von minus 0,40 Prozent von Geschäftskunden ab 1.000.000 Euro Einlagen. Auch die Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen und verlangt seit Januar einen Strafzins von minus 0,40 Prozent von Kommunen und Geschäftskunden. Firmenkunden, Kommunen und Vereine, die mehr als 100.000 Euro bei der Sparkasse Vogtland – eine Region im Grenzgebiet der drei bundesdeutschen Freistaaten Bayern, Sachsen und Thüringen – geparkt haben, müssen seit Februar 2017 Strafzinsen zahlen. Die Höhe beträgt auch hier minus 0,40 Prozent. Die Sparkasse München Starnberg Ebersberg verlangt ebenfalls seit Februar 2017 Strafzinsen von institutionellen Anlegern und Bestandskunden mit besonders großvolumigen Einlagenveränderungen in den vergangenen Monaten. Ein Durchschnittswert aus dem Jahr 2015 soll als Freibetrag angerechnet werden. Was darüber hinaus geht, wird mit 0,4 Prozent Zins belastet. Die Raiffeisenbank Isar-Loisachtal, die in der Region rund um den Starnberger See operiert, verlangt seit Januar 2017 ein Verwahrentgeld von minus 0,4 Prozent von Firmenkunden, sofern

deren Einlage einen Freibetrag von zwei Konten à 200.000 Euro übersteigt. In Sachsen bittet unter anderem die Sparkasse Leipzig seit Januar 2017 Landkreise, Kommunen, Verbände und Geschäftskunden ab Einlagen von 500.000 Euro zur Kasse. In Nordrhein-Westfalen verlangt die Sparkasse Höxter von ausgewählten institutionellen Kunden seit Ende 2016 ebenfalls ein Verwahrentgelt, über dessen Höhe die Sparkasse mit den betroffenen Kommunen und andern institutionellen Kunden eine individuelle Vereinbarung trifft. Auch die NRW-Kommunen, die Geld bei der Kreissparkasse Wiedenbrück oder der Stadtsparkasse Versmold haben, müssen seit Oktober 2016 einen Zins von 0,4 Prozent auf Guthaben zahlen. Bei letzterer findet jedoch eine Prüfung von Fall zu Fall statt. Doch auch im Norden müssen Kommunen und Firmenkunden mit hohen Einlagen bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) Medienberichten zufolge einen Strafzins zahlen. Die Höhe des Verwahrentgeltes richtet sich dabei nach dem individuellen Geschäftsumfang mit der Haspa. Als Konsequenz aus den hohen Gebühren für die Geldaufbewahrung bei der EZB hätten mehrere Bayerische Sparkassen auch schon alternativ darüber nachgedacht, das Geld im eigenen Tresor zu lagern und sich beim Bayerischen Sparkassenverband erkundigt, welche versicherungstechnischen Kosten damit verbunden wären. Bislang habe aber noch kein Institut damit begonnen, sagte Netzer.

An die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser werden hohe Anforderungen gestellt. Maßgeblich sind dabei vier Eckpunkte: • Versorgungssicherheit, • Versorgungsqualität, • Nachhaltigkeit und • Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Vielerorts ist die Entwicklung der Einwohner und Wassermengen rückläufig, was sich zusätzlich negativ auf die Wasserversorgung auswirkt. Einerseits sind damit bei den aktuellen Gebührenmodellen Erlöseinbußen bei gleichzeitiger Kostenremanenz verbunden, was zu notwendigen Gebührenerhöhungen führt. Andererseits sind der Qualitätsstandard und die Versorgungssicherheit auch bei etwa prognostizierten weiteren Rückgängen der Einwohner und Wassermengen aufrechtzuerhalten und die Schwachstellen zu beseitigen. Mit der 189. Vergleichenden Prüfung untersuchte die Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften das Themenfeld Trinkwasser. Dabei stellten sich nachfolgende Faktoren als erfolgskritisch heraus: • Um die Wasserqualität nachhaltig sicherzustellen, sind Wasserschutzgebiete für die Gewinnungsanlagen eine zwingende Rahmenbedingung. • Kommunen sollten mindestens ein Provisorium für eine Versorgungssicherheit vorhalten, um dauerhaft eine einwandfreie Normalversorgung sicherzustellen und zugleich mögliche Risiken eines Engpasses in der Wasserversorgung auszuschließen. • Qualifiziertes Personal kann mithilfe einer systematischen Schulungsbedarfsermittlung sachgerecht ausund fortgebildet werden. Sie ermöglicht eine vorausschauende Planung und dient als Entscheidungsgrundlage der Qualifikationsmaßnahmen. • Eine Verdichtung des Arbeitsvolumens auf wenige Wissensträger führt bei einem Ausfall von Mitarbeitern dazu, gegebenenfalls die Wasserversorgung nicht adäquat sicherzustellen. Ein Ansatz, Engpässe bei der Organisation der Wissensträger

Dr. Ulrich Keilmann leitet die Abteilung Überörtliche Prüfung kommunaler Körperschaften beim Hessischen Rechnungshof in Darmstadt. Foto: BS/Hessischer Rechnungshof

zu vermeiden, stellt die Interkommunale Zusammenarbeit dar. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, das Fachwissen durch eine personenunabhängige Dokumentation und zentrale Ablage sicherzustellen. • Schadensereignisse sollten zentral in einer Schadensstatistik dokumentiert und analysiert werden, um eine wirtschaftliche Instandhaltungsund Investitionsplanung zu ermöglichen. • Der Umfang von Sanierungsmaßnahmen sollte unabhängig von der Abgrenzung als Investition oder Erhaltungsaufwand geplant werden. Demnach sollte die jährlich zu erneuernde Netzstrecke anhand der tatsächlichen Nutzungsdauer unter Berücksichtigung der Schadensentwicklung bestimmt werden. Zudem sollten die entsprechenden Sanierungsmaßnahmen in ein Bauprogramm aufgenommen werden und das Investitionsund Erhaltungsaufwandsbudget innerhalb der Haushaltsplanung zugrunde gelegt werden. • Kommunen, die noch nicht über eine Fernüberwachungsanlage verfügen, sollten zeitnah Nachrüstungen vornehmen, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. • Neben der Beseitigung von Defiziten sollten kostendeckende Gebühren erhoben werden. Gebührenmodelle, die Fixkosten durch einen verbrauchsunabhängigen Grundgebührenanteil besser abbilden, sind zu favorisieren. Zudem sollten die Kommunen verstärkt die Möglichkeit der Beitragsfinanzierung in Betracht ziehen. Mehr zum Thema “Trinkwasser III” im Kommunalbericht 2016, Hessischer Landtag, Drucksache 19/ 3908, S.172 ff. (unter www.rechnungshof-hes sen.de)


Stadtwerke / Abfallwirtschaft

Behörden Spiegel / Februar 2017

Seite 21

Das Glas ist halb voll

Gratis-Biotüten als “Vorsammelgefäß”

Chancen durch Verpackungsgesetz und Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft

Test zur Optimierung der Abfallmengen in Hamburg

(BS/Michael Wiener*) Ob das Glas halb voll ist oder halb leer, ist bekanntlich eine Frage der Betrachtung. Als das Bundeskabinett Ende Dezember den Entwurf für das Verpackungsgesetz beschlossen hat, sahen einige das als Eingeständnis einer Niederlage: Bundesumweltministerin Hendricks, die als dritte in diesem Amt versucht hat, ein Wertstoffgesetz zu starten, musste wie ihre Vorgänger eingestehen, dass es politisch nicht durchsetzbar ist. Daher legte sie das Verpackungsgesetz vor, das, so die Kritiker, nicht mehr sei als eine neuerliche Reform der alten Verpackungsverordnung.

(BS/ein) Mit speziellen Biotüten will die Stadtreinigung Hamburg (SRH) die Mülltrennung und das separat gesammelte Aufkommen von Bioabfällen steigern bzw. die Restmüllmenge in der Hansestadt reduzieren.

Ich sehe das anders, optimistischer. Sicher hätte auch ich mir ein Wertstoffgesetz gewünscht, das eine einheitliche Wertstoffsammlung für ganz Deutschland gebracht hätte. Bratpfanne, Küchenschüssel und andere tonnengängige Abfälle, die aus Plastik oder Metall sind und heute als Restmüll gelten, hätten dann zusammen mit gebrauchten Verpackungen wie Joghurtbechern und Konservendosen recycelt werden können, statt in der Müllverbrennungsanlage zu enden. Aber auch das Verpackungsgesetz bringt einen Fortschritt, den die Kreislaufwirtschaft in Deutschland dringend braucht und der sie voranbringen wird.

Kommunen und Systeme müssen sich abstimmen Die Kommunen hätten das Wertstoffgesetz verhindert, heißt es, weil sie nicht auf die Abfälle verzichten wollten, die ihnen als Restmüll zustünden. Doch auch in der Wirtschaft hat es Widerstände gegen das Wertstoffgesetz gegeben, zumindest keine Einigkeit, sich dafür mit Nachdruck einzusetzen. Partikularinteressen überwogen den Blick auf das große Ganze. Immerhin haben wir jetzt Klarheit: Es bleibt beim dualen System für gebrauchte Verpackungen und bei der kommunalen Zuständigkeit für die anderen Wertstoffe – aber auch bei der Möglichkeit, auf kommunaler Ebene die Einführung einer Wertstofftonne mit den dualen Systemen abzustimmen. Diese Klarheit könnte dafür sorgen, dass in der einen oder anderen Kommune jetzt wieder über die Wertstofftonne gesprochen wird. Über 14 Millionen Bundesbürger haben sie schon vor der Tür stehen, etwa in Hamburg oder Köln. Jetzt sollten Kommunen, die bisher abgewartet haben, und duale

Die kleinen Biotüten aus Papier sind von innen mit Wachs beschichtet und sollen so gleichzeitig kompostierbar sein sowie in feuchtem Zustand stabil bleiben. Hamburger Stadtreinigung und Umweltsenat erhoffen sich mit der Probeausgabe, dass Bürger ihre Speiseabfälle in den Küchen vorsammeln und sie anschließend in höherem Maße und sortenreiner in der grünen Biotonne entsorgen. “Müllbeutel aus Plastik stören die Kompostierung und gehören deshalb nicht in die Grüne Tonne”, erklärte Umweltstaatsrat Michael Pollmann.

Von der Obst- zur Bio-Tüte In mancher Großstadt und manchem Kiez ist noch viel Luft nach oben beim Recycling von Wertstoffen. Das Verpackungsgesetz schreibt künftig höhere Wiederverwertungsquoten vor. Foto: BS/Silke Gebel, Flickr.com

Systeme das Thema wieder aufgreifen. Und das Verpackungsgesetz sorgt endlich für höhere Recyclingquoten. Die wurden zwar noch einmal gestreckt, weil einigen in der Wirtschaft der Mut fehlt. Aber immerhin bewegt sich etwas für den Ressourcen- und Klimaschutz. Und es gibt der Privatwirtschaft die Sicherheit, dass Investitionen in innovative Technik zum Beispiel zur Sortierung und Aufbereitung sich auch auszahlen. Schließlich wollen wir Recyclingweltmeister bleiben – auch, weil das Arbeitsplätze schafft oder sichert. Was wäre die Alternative? Stillstand für mehrere weitere Jahre, bis eine neue Bundesregierung sich aufrafft, das Thema erneut anzugehen.

In mancher Großstadt geht es noch besser Die Kommunen bekommen mit dem Verpackungsgesetz mehr Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der getrennten Sammlung von Verpackungen vor Ort und haben damit viele ihrer Wünsche und Forderungen durchgesetzt. Das bedeutet aber

auch mehr Verantwortung dafür, Quantität und Qualität der gesammelten Wertstoffe deutlich zu verbessern. In mancher deutschen Großstadt werden weniger als zehn Kilogramm Leichtverpackungen pro Einwohner und Jahr getrennt gesammelt – bei einem Bundesdurchschnitt von 30 Kilogramm. Und in manchem Sprengel ist die Fehlwurfquote einfach zu hoch. Das können wir nur besser machen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Ich habe die Forderungen der Kommunen nach mehr Einfluss immer so verstanden, dass sie das auch wollen. Ganz klar: Das Verpackungsgesetz ist ein wichtiges Vorhaben, das Kommunen und private Wirtschaft gemeinsam in die Pflicht nimmt. Ich sehe es als große Chance für die Kreislaufwirtschaft. Und deshalb ist das Glas halb voll und das Verpackungsgesetz, wie es jetzt vorliegt, ist ein gutes Stück Bewegung in die richtige Richtung.

Die Tüten sollen in den nächsten Wochen pilotweise auf dem Wochenmarkt in HamburgNiendorf durch die Obst- und Gemüsehändler in Verkehr gebracht werden, die ihre Waren darin einpacken. Die Kunden können die Tüten als Vorsammelgefäß für Küchenabfälle wiederverwenden und mit in die

Foto: BS/SRH

(BS/ein) Der nordrhein-westfälische Landkreis Höxter will durch Optimierungen beim Versand von Abfallgebührenbescheiden pro Jahr rund 20.000 Euro einsparen. Der Umstieg vom postalischen auf einen E-MailVerteiler sei auch ein guter Beitrag zum Umweltschutz, sagt Michael Werner, Leiter des Fachbereichs Umwelt, Planen, Bauen im Kreis Höxter. “Mit dieser Maßnahme können wir im Idealfall eine Ersparnis von rund 20.000 Euro erreichen”, erklärte Werner, “so viel kostet es, die Jahresbescheide vom Rechenzentrum Lemgo drucken, kuvertieren und vergünstigt per Post verschicken zu lassen.” Erste Maßnahmen, die Kosten für den Versand der Abfallgebührenbescheide zu senken, hat der Kreis schon unternommen. So wurden in den Jah-

*Michael Wiener ist CEO der Duales System Deutschland DSDHolding GmbH & Co. KG.

ren 2013 und 2016 zu Beginn des Jahres keine neuen Abfallgebührenbescheide verschickt, weil in den Bescheiden der Vorjahre schon auf deren Gültigkeit für das jeweilige Folgejahr hingewiesen wurde. Einige hundert Haushalte hätten sich jedoch nachträglich eine Kopie des nicht mehr vorhandenen Bescheides zusenden lassen, sodass es nicht zur vollen Ersparnis der Kosten reichte. “Weitere erhebliche Einsparungen wä-

Den Abfall abholen – noch analog, Abfallbescheide versenden – hoffentlich auch im Kreis Höxter bald digital.

(BS/ein) Der Berliner Senat hat den ersten Schritt zur Einführung eines Coffee-to-go-Mehrwegsystems geschafft. Das Abgeordnetenhaus stimmte Ende Januar einem entsprechenden Antrag der rot-rot-grünen Landesregierung zu. Auch andere deutsche Länder und Großstädte suchen nach der besten Lösung, um Abfall zu vermeiden und den öffentlichen Raum sauberer zu halten. über einen entsprechenden Vorstoß nach und versucht, neben den Bäckereien auch die großen Café-Ketten von der Idee zu überzeugen. Das ist bislang noch keiner Kommune gelungen. In Braunschweig hat man dafür jüngst Erfahrung sammeln können, womit ein Mehrwegbecher am besten bedruckt werden soll. 1.600 Bürger gaben bei der Auslobung des Recycling-Unternehmens ALBA ihre Stimme ab und votierten schließlich für die Motive zweier einheimischer Künstler. Ab Mitte Februar zieren diese den städtischen “Meinwegbecher” und können in den ALBA-Kundencentern erworben, allerdings nicht zurückgegeben werden. Mal sehen, wie die Resonanz ausfällt. Im Berliner Abgeordnetenhaus wird das Mehrweg-Anliegen nun erst einmal im Fachausschuss für Umwelt beraten und soll von den Parlamentariern anschließend endgültig verabschiedet werden. Dem Abgeordnetenhaus ist danach erstmals bis zum 30. Juni 2017 und dann jährlich über den Fortgang zu berichten.

Der Hamburger Senat und die Stadtreinigung wollen die Zahl der 130.000 Biotonnen in der Hansestadt steigern. Als Zwischenlösung für Grünabfälle – von der Küche bis zur Tonne – sollen künftig Bio-Tüten zum Einsatz kommen, die anders als Plastiktüten einfach mitentsorgt werden können.

Kreis Höxter will 20.000 Euro einsparen

Immer mehr Initiativen gegen Einweg-Kaffeebecher

praxistaugliche und umweltgerechte Lösungen an, teilte das Landesumweltministerium mit. Dafür würden unterschiedliche Systemvarianten geprüft, bis hin zu übergreifenden Mehrwegsystemen. Beispielhaft sei etwa das bisherige Modell aus den Berliner Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln, bei dem sich mehrere Kaffehäuser auf ein gemeinsames Modell zur Rücknahme von Mehrwegbechern geeinigt haben (siehe dazu Behörden Spiegel 01/2017, S. 20). Umweltminister Stefan Wenzel begrüßte auch das Projekt “Fair Cup”, das ab Februar in einer Berufsschule in Göttingen startet. Neben einigen Unternehmen würden sich auch Bäckereien aus der Universitätsstadt für das System interessieren, heißt es. Potenzial für mehr? In Freiburg, wo ebenfalls viele Studenten leben, sind bereits mehrere tausend Pfand-Kaffeebecher im Einsatz. Hier hatte das lokale Abfallunternehmen ASF die Initiative ins Leben gerufen, um das Abfallaufkommen in der Stadt zu vermindern. Auch in Hamburg denkt der Senat

etwa drei Millionen Einheiten pro Jahr. Wenn sich die Maßnahme bewährt, soll es die Tüten ab dem 1. April 2017 flächendeckend für interessierte Haushalte geben.

Abfallgebührenscheide per E-Mail

Auch Berlin will einheitliches System

Wegwerfbecher: Früher türmten sie sich vielerorts auch auf den Weihnachtsmärkten – bis Pfandbecher aus Porzellan die Müllberge vermeiden halfen. Ähnlich stellt sich der Berliner Senat das für den schnellen Coffee-to-go vor. Laut Antrag soll ein entsprechendes System gemeinsam mit Handels- und Umweltverbänden entwickelt werden und schon bestehende Kiez-Initiativen berücksichtigen. Der Wechsel von Einweg- zu Mehrwegbecher könnte durch einen Rabatt “von mindestens 20 Cent” unterstützt werden, den die Verkaufsstellen beim Kauf von AußerHaus-Getränken gewähren. Zudem soll ein “attraktiver Berliner Mehrwegbecher” entworfen werden, der durch die teilnehmenden Cafés und Gastronomen einheitlich in Verkehr gebracht, nachgefüllt und abgegeben werden kann. Auch das Land Niedersachsen arbeitet nach eigenen Angaben “mit Nachdruck” daran, die Zahl der Einweggetränkebecher zu verringern. In Kooperation mit Handel, Gastronomie und weiteren Akteuren strebe das Land

Biotonne geben. Ziel ist es, dass 500 “Obsttüten” später zu “Biotüten” werden. Die SRH will das Projekt auch mit eigenem Personal unterstützen und Tüten aktiv an die Gäste des Wochenmarktes verteilen. Bis Ende März soll es zudem kostenlose Exemplare auf einem Recyclinghof geben, sagte SRHGeschäftsführer Professor Dr. Rüdiger Siechau. “Während des Versuchszeitraums verarbeiten wir die Kundenrückmeldungen, bereiten eine flächendeckende Verteilung in ganz Hamburg vor und lassen das INFA-Institut untersuchen, wie groß die Mengensteigerung bei Speiseabfällen durch die Biotüten in Niendorf ist. Außerdem befragen wir die Kunden, ob sie mit den Tüten zufrieden sind und beobachten, wie sich die Biotüten im Biogasund Kompostwerk verhalten.” Um das System dauerhaft einzuführen, arbeitet die SRH derzeit an einem stadtweiten Vertriebsnetz. Langfristig rechnet man mit einem Verbrauch von

Foto: BS/Gabi Schoenemann, pixelio.de

ren möglich, wenn wir zukünftig die Abfallgebührenbescheide nicht mehr auf dem Postwege, sondern per elektronischer Post versenden”, erläutert Dr. Kathrin Weiß, Leiterin der Abteilung Umweltschutz und Abfallwirtschaft im Landkreis. Sowohl die Portokosten als auch die begleitenden Versandkosten, wie Papier, Kuvert und das Kuvertieren, könnten eingespart werden. “Das setzt jedoch voraus, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit diesem Vorgehen individuell einverstanden erklären.” Deshalb soll beim Versand der Bescheide für 2017 deutlich darauf hingewiesen werden, dass sich idealerweise jeder für den E-Mail-Versand anmeldet. “Wir können hier nur an alle appellieren, dieses umweltschonende und vor allem kostensparende Verfahren zu unterstützen”, so Weiß.

“Was machen wir da?” Kommunen und Behörden werden zu Marketingagenturen (BS/Dr. Johannes Latsch*) “Wir machen demnächst einen Tag der offenen Tür. Ist gerade beschlossen worden. Und der Termin ist schon abgestimmt.” “Gut, also, was machen wir da? Hat jemand eine Idee?” So oder so ähnlich läuft das bisweilen mit dem kommunalen Marketing. Irgendeine Veranstaltung ist gesetzt, und niemand hat sich vorher Gedanken gemacht: Was wollen wir? Wo wollen wir hin? Mit wem? Und wie? Gewiss: Blicken wir auf die vergangenen Jahrzehnte zurück, hat sich einiges getan. Das traditionelle Rathaus oder Landratsamt, das sich als obrigkeitsstaatliche Genehmigungsbehörde sieht, ist Vergangenheit. Die zeitgemäße Kommunalverwaltung versteht sich als Identitätsstifter und Marketingagentur im Standortwettbewerb. Sie muss sich nicht nur trotz aller regionaler Kooperation von ihren Nachbarn absetzen, sondern sie muss auch nach innen – den eigenen Bürgern gegenüber – Kontur gewinnen, ihr Profil schärfen, ihre Stärken stärken. Dabei kommt es nicht nur auf die Marketingmaßnahmen selbst an; sie müssen auch in der Öffentlichkeit glaubhaft präsentiert, vermittelt werden. Marketing und Kommunikation hängen direkt zusammen.

So weit, so gut. Aber: Kommunales Marketing erschöpft sich nicht in einem Slogan und ein paar Veranstaltungen, die zum “Event” hochstilisiert werden. Es braucht den strategischen Ansatz, das Bewusstsein für Markenbildung und -stärkung und Ideen, wie das mit welchem Zielpublikum originell und ansprechend umgesetzt werden kann. Bei Licht betrachtet, können Kommunen und Behörden trotz anderer Rahmenbedingungen viel von der Wirtschaft lernen, in der Marketing schlichtweg zu den Existenzgrundlagen zählt. *Dr. Johannes Latsch ist seit 2002 Pressereferent des MainTaunus-Kreises und in dieser Funktion mit den Herausforderungen des Kommunalmarketings, der verständlichen Ver-

waltungssprache, der Medienund Öffentlichkeitsarbeit einer Behörde sowie der Krisenkommunikation und der Konzeptionierung von Marketingmaßnahmen vertraut.

Mehr zum Thema In einem Seminar des Behörden Spiegel thematisiert der Autor die entscheidenden Überlegungen um als Kommune, Kreis oder Region eine Marke zu entwickeln und zu stärken. Die Veranstaltung findet statt vom 15. bis 16. März 2017 in Bonn. Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.fueh rungskraefte-forum.de, Suchwort “Marketing”


Kommunalwirtschaft / Kommunale Infrastruktur

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Behörden Spiegel / Februar 2017

Chance für komplexe Bauvorhaben

Unterdecken-Fehler in Sporthallen

Realisierung und Nutzung von Inbetriebnahmemanagement (IBM )

Stadt Braunschweig muss Millionen investieren

(BS/Dr. Stefan Holeck*) Das Bauen von Gebäuden hat in den letzten Jahren einen grundlegenden Wandel erfahren, wodurch sich eine völlig veränderte Ausgangslage für die Entwicklung, Planung, Realisierung und Nutzung ergibt. Die Architektur ist stark funktionalen Anforderungen unterworfen. Die Bauphysik wird durch die extrem gestiegenen ökologischen und raumklimatischen Anforderungen bestimmt und die Nutzungsanforderungen sind wesentlich spezifischer und komplexer geworden. Die energetische und ökologische Gesetzgebung erfordert eine genaue, detaillierte Planung und eine sehr hohe Qualität in der Ausführung.

(BS/ein) Laut eines Gutachtens müssen in der niedersächsischen Stadt Braunschweig die Unterdecken von 27 der 74 überprüften Sporthallen erneuert werden. In weiteren 20 Turnhallen bestehe zumindest Sanierungsbedarf, teilt die Stadtverwaltung mit.

Die Bau- und Nutzungkosten spielen eine entscheidende Rolle und die Kosten und Termine stehen stark im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Es sind sehr hohe Sicherheitsanforderungen zu berücksichtigen, denn das Bewusstsein für das Betreiberrisiko ist stark gestiegen und es gibt eine fast unüberschaubare Menge an Gesetzen, Regelungen und normativen Anforderungen. Die Investitionssummen sind dabei erheblich.

Das IBM muss sich daher auf alle Anlagen, Gewerke, Bauteile, Prozesse und Anforderungen eines Projektes beziehen, da nur so alle Abhängigkeiten und Wechselwirkungen erfasst werden können. Es handelt sich daher um ein Managementverfahren zur Sicherstellung, dass die geplanten, geforderten und vereinbarten technischen, funktionalen, energetischen und wirt-

Übergang äußerst schwierig Die Komplexität von Bauvorhaben ist daher in allen Phasen der Planung, Realisierung und Nutzung extrem gestiegen. Die Projektabwicklung erfolgt in aller Regel nach HOAI und VOB. Ein IBM ist dort nicht enthalten und die Qualitätsmaßstäbe für die Funktions- und Leistungsfähigkeit sind nur sehr allgemein definiert. Sie reichen für den Nachweis der vollen Gebrauchsfähigkeit des Bauwerkes nicht aus. Die Inbetriebnahme-, Fertigstellungs- und Abnahmephase verläuft daher häufig unkoordiniert und ungeplant und hinterlässt eine Vielzahl von Mängeln und Restarbeiten. Der Übergang in die Nutzung ist äußerst schwierig und zieht lange Nachregulierungsund Anpassungsphasen nach sich, in der die Nutzung eingeschränkt, zum Teil unmöglich ist. Die Nutzungsfähigkeit der Bauwerke ist nicht nachgewiesen, es entsteht für Eigentümer oder Betreiber eine unsichere Rechtssituation mit einem großen Haftungsrisiko. Öffentliche, hochkomplexe, anspruchsvolle Gebäude werden für sehr viel Geld errichtet, aber bei der Fertigstellung ist nicht gesichert, dass die Anforderungen an die Nutzung und den Betrieb erfüllt werden. Die Sinnhaftigkeit der Gesamtinvestition ist damit zum Teil oder vollständig infrage gestellt. Das IBM bietet einen Ansatz, um diese Situation zu verbessern.

Anlagen, Gewerke, Bauteile, Prozesse und Anforderungen Nach VDI 6039 ist das IBM ein “Prozess mit dem Ziel, die Gesamtfunktionalität des Gebäudes durch koordinierende Maßnahmen während der Planung, Errichtung und des Betriebes zu erreichen. … Ziel des IBM ist es, als zentrale Funktion die Koordination aller Gewerke und aller Beteiligten zu verbessern.”

Die Anforderungen an komplexe Bauvorhaben werden in Zukunft weiter steigen. Das macht eine ordnungsgemäße und effizienze Inbetriebnahme von Gebäuden umso wichtiger, um später Aufwand und Kosten zu vermeiden. Foto: BS/©Seraphim Vector, Fotolia.com

schaftlichen Anforderungen der einzelnen technischen Anlagen, der gewerke- und anlagenübergreifenden Systeme und des gesamten Gebäudes erreicht werden. Die sicherheitstechnischen Anforderungen sind zu erfüllen, die Dokumentation ist im vereinbarten Standard zu liefern, die Abnahmemängel sind zu reduzieren und ein problemfreier Übergang in die Nutzung ist zu erreichen. Ziel des IBMs ist, die volle Nutzungsfähigkeit eines Gebäudes von Beginn der Nutzung an sicherzustellen.

Wichtig: der Inbetriebnahmemanager Wichtige Bausteine zur Zielerreichung sind die Qualifikation und die Kompetenzen des Inbetriebnahmemanagers, die Klärung der Informationsquellen und Kommunikationswege sowie der Schritte und Methoden des IBMs. Dies sind in erster Linie die Gewerkebeziehungsmatrix, der Schnittstellenkatalog, der Inbetriebnahmeterminplan, die Prüf- bzw. Testverfahren und Leistungsmessungen der

technischen Anlagen. Die Abnahmevoraussetzungen sind frühzeitig zu definieren und in die Verträge zu integrieren. In der Fertigstellungsphase ist eine intensive Überwachung der Funktionsprüfungen, Leistungsmessungen, Sachverständigenprüfungen, Abnahmen und der Dokumentation erforderlich. Ggf. ist der Übergang in die Nutzung vom Inbetriebnahmemanager zu begleiten. Der Erfolg des IBMs im Projekt hängt maßgeblich von der Klarheit, Eindeutigkeit und Konkretisierung der Einflussfaktoren ab. Die Ziele, Grundlagen, Inhalte und Methoden des IBMs sind zu definieren und verbindlich für alle Projektbeteiligten zu beschreiben. Das IBM, seine Struktur, seine Kompetenzen und Aufgaben sind eindeutig und für alle Akteure, insbesondere aber für den Bauherrn, die Planer und die ausführenden Firmen im Prozess zu verankern.

Ab 2019 gilt ein Niedrigstenergiestandard Die Anforderungen an die Realisierung von komplexen Bauvorhaben werden zukünftig nicht sinken, sondern eher steigen. Die GEEG-Richtlinie der EU fordert ab 2019 einen Niedrigstenergiestandard für öffentliche Gebäude. Die nächste Novellierung und Verschärfung der EnEV ist in Vorbereitung. Die Kundenanforderungen steigen hinsichtlich Nutzung, Nutzungskosten, Raumklimatik und Technik und die Digitalisierung des Bauwesens nimmt deutlich zu. Die Projekte werden daher technisch und prozesstechnisch noch komplexer und die Zielanforderungen hinsichtlich Nutzung, Bau- und Nutzungskosten sowie Funktionalität steigen weiter. Vor diesem Hintergrund sind zukünftig Instrumente zur Koordinierung und Qualitätssicherung unerlässlich und zur Umsetzung der höchst anspruchsvollen Ziele von komplexen Baumaßnahmen mit sehr großen Investitionsvolumina unbedingt erforderlich. Das Inbetriebnahmemenagement bietet die Chance, hier einen wesentlichen Beitrag zu leisten und die volle Nutzungsfähigkeit von Beginn an auf einem sehr hohen Niveau zu erreichen. *Dr. Stefan Holeck ist Mitarbeiter des BLB Bau- und Liegenschaftsbetriebs NRW in Münster.

Für die Sanierung und Erneuerung der Unterdecken sind demnach umfangreiche Haushaltsmittel vorgesehen: Die Stadt kalkuliert in diesem Jahr mit 2,8 Millionen Euro. In der Finanzplanung für den Zeitraum 2017 bis 2020 sind derzeit insgesamt etwa 13 Millionen Euro vorgesehen.

In vielen Sporthallen Westdeutschlands Die Sporthallen wurden im Sommer 2016 überprüft, weil es mit Decken ähnlicher Bauart in Nordrhein-Westfalen Probleme gibt. Im Jahr 2015 hatte sich eine Deckenkonstruktion in Bochum gelöst und war auf den Hallenboden gestürzt. Nach einer Fehleranalyse war das zuständige Gebäudemanagement darauf gestoßen, dass sie in den 1960er- und 1970er-Jahren unsachgemäß befestigt wurden. Statt die damals noch ungeriffelten, glattschaligen Nägel zur Befestigung schräg einzuschlagen, hatte man sie senkrecht in die Decke getrieben, erklärt Andreas Grosse-Holz, Leiter des Technischen Gebäudemanagements Bochum. Ein kleiner, aber maßgeblicher Unterschied. Das Landesbauministerium hatte nach der Bochumer Untersuchung ein Rundschreiben an

In den alten Bundesländern dürften hunderte, wenn nicht gar tausende Turnhallen von dem Problem “mit dem geraden Nagel” betroffen sein. Foto: BS/Erich Westendarp, pixelio.de

die nordrhein-westfälischen Kommunen versendet, um über den Pfusch zu informieren. In der Ruhr-Stadt hat die Verwaltung mit Sofortmaßnahmen in mehr als 20 Hallen reagiert. Diese Projekte würden über den kommunalen Haushalt finanziert, so Grosse-Holz. Maßnahmen an weiteren Hallen, die nun annähernd abgeschlossen seien, dienten gleichzeitig auch dazu, die Gebäude energetisch zu sanieren und mit modernen Heizsystemen auszustatten.

Hierzu konnten auch Mittel aus dem Investitionsförderungsgesetz verwendet werden. Die Sanierungen in Braunschweig gehen nun erst los. Nicht nur dort: Bei der fehlerhaften Befestigung handle es sich um ein Problem, das in vielen Sporthallen Westdeutschlands auftauche und entsprechend viele Kommunen beschäftige. Die Gesamtzahl sei jedoch unbekannt, erklärt Grosse-Holz, da die Fälle niemand zentral erfasst habe.

MELDUNG

Dresden: Krankenhaus-Fusion umgesetzt, Wohnbau verzögert sich (BS/ein) Seit Jahresbeginn sind die beiden städtischen Krankenhäuser Dresden-Friedrichstadt und Dresden-Neustadt zu einem Klinikum fusioniert worden. Das neue “Städtische Klinikum Dresden” gehört mit mehr als 3.000 Mitarbeitern nun zu den größten in der Bundesrepublik. Dem Zusammenschluss war ein fast vierjähriger Prozess vorausgegangen, der die Weichen für den Erhalt sowie für die medizinische und ökonomische Weiterentwicklung der Leistungen stellte. Weiterhin soll eine wohnortnahe Versorgung an den bislang bestehenden vier Standorten bestehen bleiben, teilte das Klinikum mit. Zum neuen Krankenhaus gehört auch weiterhin eine bestehende Medizinische Berufsfachschule, die qualifizierte Nachwuchsausbildung sichern soll, um auch in Zukunft jährlich rund 170.000 Patienten behandeln zu können. Im Vergleich zum Klinikum ist die von der rot-grün-roten Stadtratsmehrheit 2015 beschlossene Gründung einer eigenen Wohnungsbaugesellschaft bis März 2017 bislang nicht konkretisiert worden. Auf einer Sonderausschusssitzung des Dresdner Rates im Januar konnte man sich nicht über Rechtsform und

Finanzierung einigen, die Entscheidung wurde vertagt. Ein entsprechendes Unternehmen soll künftig vor allem sozialen Wohnraum schaffen, um

den angespannten Mietmarkt zu entlasten. Die frühere “Woba” war 2006 verkauft und die Landeshauptstadt ad hoc schuldenfrei geworden.


Kommunale Infrastruktur

Behörden Spiegel / Februar 2017

B

ehörden Spiegel: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ist seit einem Jahrzehnt der zentrale Immobilienverwalter des Bundes. Ein Erfolg? Gehb: Für ihr junges Alter hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bereits viel erreicht. Innerhalb weniger Jahre hat sie sich zur zentralen Immobiliendienstleisterin des Bundes entwickelt. Allein 2016 hat die BImA fast 2,3 Milliarden Euro an den Bundeshaushalt abgeführt. Damit übertrifft sie die Erwartungen aus der Anfangszeit deutlich. Behörden Spiegel: Welche Rolle spielt die BImA im staatlichen Gefüge? Gehb: Unsere Kernaufgabe ist es, das Immobilienvermögen des Bundes für Dienstzwecke nach kaufmännischen Grundsätzen zu verwalten. Liegenschaften, die nicht benötigt werden, um diese Aufgabe zu erfüllen, müssen wirtschaftlich veräußert werden. So steht es schwarz auf weiß im BImA-Errichtungsgesetz. Behörden Spiegel: Inwiefern ist es in der Vergangenheit zu einer Weiterentwicklung Ihrer originären Aufgaben gekommen? Gehb: Die Aufgaben wachsen stetig: Die BImA übernimmt immer häufiger auch die Rolle als Bauherrin wie etwa beim BNDNeubau, dem derzeit größten Bauprojekt des Bundes, oder beim deutschlandweit größten Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei in Bamberg. Große Aufmerksamkeit erzielten auch die Grundsteinlegung für den international renommierten UN-Erweiterungsbau in Bonn und das Richtfest für das geschichtsträchtige Deutschlandhaus in Berlin. Derartige Projekte haben die Bedeutung und öffentliche Beachtung der BImA im vergangenen Jahr nochmals spürbar anwachsen lassen. Auch Kundenzufriedenheitsabfragen zeigen sehr erfreuliche Ergebnisse. Behörden Spiegel: Welche Handlungsmöglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung, um den Mangel an Wohnungsimmobilien in zentralen Lagen zu beseitigen? Gehb: Um Wohnungsbauprojekte im großen Stil durchzufüh-

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“Bitte mit Gesetzesgrundlage!”

desanstalt findet sich bei ihren gesetzlich verankerten Aufgaben zur wirtschaftlichen Veräußerung entbehrlicher Liegenschaften damit immer häufiger in einer Sandwich-Position wie(BS) Als Verwalter des Liegenschaftsvermögens agierte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in den letzten zwei, drei Jahren vor der, zwischen gesetzlichen Maßallem als Ansprechpartner und Wegbereiter für Kommunen, die Flüchtlinge unterbringen mussten. Vielfach wurden ehemalige militärische An- gaben, politischen Forderunlagen instandgesetzt und zur Verfügung gestellt. Über die bilanziellen Auswirkungen für die Behörde, ihre “Sandwich-Position” und die künftige gen, Rechts- und Fachaufsicht, medialer Kritik und BundesAufgabenstellung sprach der Behörden Spiegel mit Vorstandssprecher Dr. Jürgen Gehb. Die Fragen stellte R. Uwe Proll. rechnungshof. Diese teils gegensätzlichen Anren, fehlt uns schlicht und erforderungen sind oft nicht mit greifend der gesetzliche Auftrag. unserer unternehmerischen Selbst wenn wir damit beaufRolle vereinbar. Die durch Getragt würden: Die BImA verfügt setzesinitiative angestrebte Öffnur über eine sehr begrenzte An“Der BImA wurden nungsklausel inklusive Abkehr zahl sogenannter “FiletgrundKorsettstangen von der wirtschaftlichen Veräustücke” in beliebten Wohnlagen angelegt.” ßerung widerspräche der Ziel– also dort, wo die Flächen am setzung der BImA-Gründung, nötigsten gebraucht werden. ein betriebswirtschaftlich geHinzu kommt, dass die Plaführtes Immobiliendienstleisnungshoheit bei den Kommutungsunternehmen zu etablienen liegt. Sie alleine entscheiren. den, ob eine Liegenschaft aus Dr. Jürgen Gehb ist Vorstandsdem Bestand der BImA für den – sprecher der Bundesanstalt für Behörden Spiegel: Finden Sie, gegebenenfalls sozialen – WohImmobilienaufgaben (BImA). dass Ihre Aufgabe als Immobinungsbau geeignet ist. Foto: BS/BImA liendienstleisterin des Bundes in der Politik noch richtig wahrgeBehörden Spiegel: …trotzdem nommen wird? spielt die BImA in vielen Diskussionen eine wichtige Rolle, nicht Gehb: Leider nein. Der gesetznur bundespolitisch, sondern (Stichtag: 27. Dezember 2016). ellen politischen Diskussion machen, auf deren Gebieten es BImA-Liegenschaften lich verankerte Auftrag gerät imDiese Mindereinnahmen und taucht immer die Frage auf, es keine auch vor Ort. die Übernahme von Herrich- könne nicht sein, dass die BImA gibt? Es wäre deutlich zielfüh- mer mehr in den Hintergrund. Gehb: Ja, die BImA versucht tungskosten schlagen sich na- ihre Immobilien marktgerecht render, die Kommunen finan- Ich halte es für ein falsches Siziell zu fördern, statt die Objekte gnal, dass unsere primären Aufgrundsätzlich, alle Problemstel- türlich in unserem Wirtschafts- nach Preis verkauft. gaben auf die hinteren Ränge zu verbilligen. lungen und Fragen offensiv an- plan nieder. verwiesen werden. Wir sollen zuGehb: Das Paradoxe an diesen zugehen und im Sinne einer Behörden Spiegel: Sehen Sie nehmend die Rolle der “eierleBehörden Spiegel: Der Rück- Debatten ist, dass der gesetzlischnellen Hilfestellung zu vernünftigen und praktikablen Lö- gang der Flüchtlingszahlen ist che Auftrag der BImA außer sich durch die politischen Vorga- genden Wollmilchsau” einnehsungen zu kommen. Das haben erheblich. Die von Ihnen zur Ver- Acht gelassen wird – auch und ben, zunehmend mehr infra- men, daher werde ich nicht müwir unter anderem durch unsere fügung gestellten Immobilien gerade von denjenigen, die es ei- strukturelle als auch sozialpoliti- de, unsere Kernaufgabe zu betozügige Unterstützung bei der werden damit in einigen Kommu- gentlich besser wissen müss- sche Ziele zu berücksichtigen, als nen: Die BImA soll den Raumbedarf des Bundes decken – so Unterbringung von Asylbewer- nen überflüssig. Gibt es eine ten. Wir sind an die Bundes- Unternehmen eingeschränkt? steht es im BImA-ErrichtungsRückabwicklung oder müssen haushaltsordnung gebunden, bern und Flüchtlingen gezeigt. Gehb: Das ist in der Tat eine gesetz. Wenn unser ZuständigSie für eine eventuell eintretende wonach Vermögensgegenstänneue Flüchtlingswelle diese Im- de des Bundes nur zum “vollen Herausforderung. Seit einiger keitsbereich sich erweitern soll, “Wir sollen Wert” veräußert werden dürfen. Zeit sieht sich die BImA ver- dann bitte mit einer entspremobilien weiterhin vorhalten? zunehmend die Rolle Gesetzesgrundlage Der volle Wert ist der Verkehrs- mehrt mit kommunalen und po- chenden Gehb: Die Zuwanderungsent- wert, wie er sich am Markt bil- litischen Wünschen und Forde- und einer klar definierten der “eierlegenden wicklung ist nach wie vor unge- det. Daher ist regelmäßig das rungen konfrontiert. Die Bun- Marschrichtung. Wollmilchsau” wiss. Daher akzeptieren wir vor- höchste Gebot dasjenige, das einnehmen.” läufig, dass die Länder, Kreise den Bestimmungen der Bunentund Kommunen belegte Liegen- deshaushaltsordnung MELDUNG schaften trotz derzeit ungenutz- spricht. Durch die Erstzugriffster Reservekapazitäten vorhal- und Verbilligungspolitik und Köln: 57 Schul-Container als Übergangslösung Behörden Spiegel: Es wurde ten. Die BImA unterstützt hier die damit verbundenen modifipolitisch beschlossen, dass Ihre weiterhin im Rahmen des Haus- zierten Regularien wurden der (BS/ein) Der Kölner Stadtrat hat Dazu gehöre etwa die MehrLiegenschaften Kommunen und haltsvermerks und überlässt ih- BImA “Korsettstangen ange- beschlossen, insgesamt 57 “mo- klassenbildung bis hin zur ErLändern mietzinsfrei für Flücht- re Immobilien mietzinsfrei. Lie- legt”. bile Unterrichtseinheiten” zu be- höhung der Zügigkeit an den lingsunterkünfte zur Verfügung genschaften müssen allerdings schaffen, die zum Schuljahr Schulen, in denen es räumlich Behörden Spiegel: Sie gene- 2017/18 an 19 Schulstandorten zulässig war. Auch seien die zu stellen sind. Auch die Ertüch- an die BImA zurückgegeben tigung dieser Immobilien wurde werden, wenn sie nicht mehr rieren weniger Einnahmen für zum Einsatz kommen sollen. Klassengrößen in den EingangsIhnen auferlegt. Welche Auswir- dauerhaft in Gänze oder soweit den Bund … Weil sich viele der geplanten klassen vieler Schulen bis zum sie nur teilweise für konkrete kungen hat das? Neu- und Erweiterungsbauten äußersten ausgeschöpft worGehb: Diese fortschreitende verzögern, sollen die Container den. “Es ist davon auszugehen, Unterbringungszwecke benötigt Gehb: Derzeit überlässt die BI- werden. Unser gesetzlicher Auf- Verwässerung unseres gesetzli- als Zwischenmaßnahmen die- dass sich an der derzeit bereits mA den kommunalen und staat- trag, nicht betriebsnotwendiges chen Auftrags schränkt nicht nen. Alle sonstigen Übergangs- bestehende räumliche Enge in lichen Stellen für die Unterbrin- Vermögen wirtschaftlich zu ver- nur unseren Handlungsspiel- lösungen, die schulrechtlich den Kölner Schulen auch mittelgung von Flüchtlingen und Asyl- äußern, gilt dabei unverändert raum enorm ein und geht letzt- und organisatorisch zur Verfü- bis langfristig nichts ändern lich zulasten des Staatshaus- gung stünden, seien durch die wird und deshalb sind dringend begehrenden Bundesimmobi- weiter. haltes, sondern ist auch unge- Verwaltung lien mit einem Mietwert von 11,3 bereits ausge- zusätzliche Räume erforderBehörden Spiegel: In der aktu- recht: Was sollen Kommunen schöpft worden, heißt es. Millionen Euro pro Monat lich”, teilte die Stadt mit.

BImA-Chef Gehb: Unser Auftrag gerät zunehmend in den Hintergrund

Fotos: Stadt Leipzig; BEM; BS/SMWA

Neue Mobilität

Strategien für Kommunen und öffentliche Fuhrparks 4. Mai 2017, Hotel Westin, Leipzig

Top-Referenten:

Eine Veranstaltung des

Uwe Albrecht, Bürgermeister, Beigeordneter für Wirtschaft und Arbeit, Stadt Leipzig

Kurt Sigl, Vorsitzender Bundesverband eMobilität

Dr. Hartmut Mangold, Staatssekretär, Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

www.kommunale-mobilitaet.de


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E

s handle sich ausdrücklich um “Video-Beobachtung”, betont Ashok Sridharan, Oberbürgermeister der Bundesstadt Bonn. Der CDU-Politiker hatte die Debatte mit dem Ziel losgetreten, eigenständig über den erweiterten Einsatz von Kameras entscheiden zu können. Dadurch will er sowohl die objektive Sicherheit in der Bundesstadt als auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Einwohner verbessern. Der Bonner Stadtrat soll nun beschließen, dass die Stadt die Landesregierung auffordert, auch den Kommunen die Möglichkeit einzuräumen, eigenständig unsichere Orte im öffentlichen Raum zu bestimmen und dort Videobeobachtung einzurichten. Auf der jüngsten Ratssitzung wurde die Vorlage jedoch vertagt. Die nächste Sitzung findet erst Ende März statt.

Öffentliche Flächen attraktiver machen “Gerade die Kommunen verfügen aufgrund der Erfahrungen verschiedener Fachdienststellen über Fachwissen über Gegenden, in denen es häufig zu Ruhestörungen, Vandalismus oder Verschmutzungen kommt. Außerdem wissen sie, in welchen öffentlichen Bereichen sich Bürgerinnen und Bürger unsicher fühlen”, erklärt Sridharan. Zu den Dienststellen mit der notwendigen Expertise gehörten vor allem das Amt für Kinder, Jugend und Familie, das Ordnungsamt, Stadtreinigung sowie die Mitarbeiter der Park- und Grünanlagenpflege. Es gehe darum, öffentliche Flächen als Aufenthaltsraum für die Bürger attraktiver zu machen und darum, dass Polizei und Kommunale Ordnungsdienste in kritischen Situationen schneller reagieren könnten. “Und schließlich helfen Videoaufnahmen bei der Identifizierung der Täter. Dabei geht es nicht um die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, sondern um die Verhinderung und gegebenenfalls Aufklärung von Straftaten”, so der Bonner Oberbürgermeister weiter.

Bonner Stadtrat gespalten Im Stadtrat unterstützen die eigene CDU-Fraktion sowie die beiden Oppositionsfraktionen BürgerBundBonn (BBB) und die Allianz für Bonn (AfB) die Initiative. Grüne und FDP – mit denen die Christdemokraten im Stadtparlament immerhin ein “Jamaika-Bündnis” eingegangen sind – monieren, dass sie im Vorfeld nicht eingebunden wurden. Auf Landesebene zeigen sich die Sozialdemokraten jedoch offener. Ihr innenpolitischer Sprecher im Düsseldorfer Landtag, Thomas Stotko, sagt: “Wir werden in aller Ruhe sowohl mit den kommunal Verantwortlichen, aber auch mit betroffenen Datenschützern und den Bürgerinnen und Bürgern in einen Dialog eintreten. Dieser wird sicherlich nicht in den nächsten zehn Wochen abgeschlossen sein. Dafür ist das Thema zu wichtig.” Und Stotko unterstreicht, dass nach Einschätzung seiner Fraktion kein neues Gesetz erforderlich sei, um Videoüberwachung durch Kommunen zu ermöglichen. Auch müsse das Landespolizeigesetz nicht reformiert werden. Vielmehr könne man das Ordnungsrecht entsprechend anpassen, meint der Innenpolitiker. Auch der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) ist dem Vorschlag gegenüber nicht völlig abgeneigt. “Wir müssen offen über alles diskutieren, was mehr Sicherheit für die Menschen in NordrheinWestfalen verspricht. Dazu kann auch die Videobeobachtung durch die Städte und Gemeinden gehören.” Sein Haus werde nun auf die kommunalen

Kommunale Ordnung

Behörden Spiegel / Februar 2017

Überwachung oder Beobachtung? Bonn möchte eigene Videokameras / Innenminister Jäger offen für Ideen (BS/Julian Einhaus/Marco Feldmann) Kameras können unter Sicherheitsaspekten zweckdienlich sein – an bestimmten Orten. Bislang entscheidet die Polizei anhand statistischen Materials und ihrer Einsatzerfahrungen, wo Kriminalitätsschwerpunkte in Kommunen liegen und damit auch über den Rückgriff auf Videokameras. Darüber, wer am besten einschätzen kann, ob eine Örtlichkeit ein solcher Hotspot ist und ob Städte und Gemeinden künftig selbst entscheiden sollen, wo Kameras zum Einsatz kommen dürfen, ist in Bonn eine Diskussion ausgebrochen. Aber auch in anderen Großstädten drängen Politiker auf einen stärkeren Einsatz von Kameras, um sich ordnungs- und sicherheitspolitisch besser aufzustellen. ihres Stadtgebiets per Kamera. In der Hansestadt betrifft das die Reeperbahn, in Bayerns Landeshauptstadt findet Videobeobachtung laut eines Sprechers der Polizei an Orten von besonderem Interesse statt. Dort werde explizit auf die Überwachung hingewiesen. An der Isar soll es nun eine “Sicherheitsoffensive” geben – zumindest, wenn es nach der CSU-Fraktion geht. In mehreren Anträgen fordern die Christsozialen den rot-blau dominierten Stadtrat auf, “Angsträume” im Stadtgebiet zu beseitigen. Dabei sollen eine stärkere Beleuchtung, bauliche Anpassungen und die sichtbare Präsenz des geplanten KommuIn Nordrhein-Westfalen werden Überwachungskameras von der Polizei bisher unter anderem in Düsseldorf, Mönchen- nalen Ordnungsdiensts zum gladbach, Duisburg und Köln eingesetzt. Ihre Nutzung wird jeweils für zwölf Monate durch den zuständigen Polizeiprä- Tragen kommen. Und Videosidenten genehmigt. Foto: BS/Dieter Schütz, pixelio.de Überwachung. “Die Video-Überwachung muss so ausgelegt Spitzenverbände zugehen, kün- insgesamt zehn Kameras instal- esse an der visuellen Überwa- sein, dass nicht nur eine nachdigt der Ressortchef an. trägliche Auswertung, sondern liert, fünf davon in der Altstadt. chung überwiegen. Beim Deutschen Städte- und Diese nähmen jedoch nicht zu bei Bedarf auch eine EchtzeitGemeindebund (DStGB) dürfte allen Tages- und Nachtzeiten Bundesregierung hat reagiert Überwachung möglich ist”, er diesbezüglich offene Türen Bilder auf, sondern nur zwiMit einem “Videoüberwa- heißt es. Dafür soll die Landeseinrennen. Denn laut Hauptge- schen 15 und sechs Uhr, erklär- chungsverbesserungsgesetz” hauptstadt “aktiv” mit der Polischäftsführer Dr. Gerd Lands- te eine Polizeisprecherin. Auch will die Bundesregierung nun zei kooperieren. An Orten, an berg wünscht sich die Mehrheit die fünf übrigen Systeme seien erreichen, dass Sicherheitsbe- denen polizeiliche Überwader Bürger eine Ausweitung des nicht im Dauerbetrieb. Sie fil- lange im Rahmen der für eine ViKameraeinsatzes an zentralen men an den Wochenenden sowie deobeobachtung erforderlichen Plätzen. “Die Videoüberwa- vor Feiertagen zwischen 21 und Abwägungsentscheidung zwichung an öffentlichen Plätzen sechs Uhr und während Groß- schen dem öffentlichen Interesund Bahnhöfen sowie im Öffent- veranstaltungen. Ihre Bilder lichen Personennahverkehr laufen in der Polizeiinspektion “Wir halten eine muss ausgebaut werden.” Das Mitte auf, wo sie von einem BeSicherheitsbedürfnis der Bürge- amten fortlaufend ausgewertet Ausweitung auf die Komrinnen und Bürger nehme auf- werden. Dies habe den Vorteil, munen für falsch.” grund der erhöhten Terrorge- dass die Polizei im Ernstfall fahr, Gewalttaten sowie der stei- meist innerhalb von weniger als genden Alltags- und Hasskrimi- einer Minute vor Ort sein könne, se an mehr Sicherheit einerseits nalität deutlich zu. Zugleich so die Sprecherin. Gespeichert und dem Recht auf informatiosteige die Erwartungshaltung werden die Aufnahmen von der nelle Selbstbestimmung der aufgegenüber dem Staat, ausrei- Düsseldorfer Polizei sieben Tage genommenen Personen andechend Schutz und Sicherheit zu lang, obwohl rein rechtlich zwei rerseits einen höheren Stellengewährleisten, so der DStGB- Wochen möglich wären. Werden wert erhalten sollen. Der BunVertreter. Und er ergänzt: “Es ist die Bilder jedoch für die Strafver- desrat hat der dafür notwendischon bemerkenswert, dass ins- folgung benötigt, werden sie gen Novellierung des Bundesdabesondere die Landespolitik die dauerhaft gesichert. Dann die- tenschutzgesetzes bereits zuge- Der nordrhein-westfälische LandesBürgerbeteiligung immer mehr nen sie als Beweismittel. stimmt. Nun liegt die Gesetzes- vorsitzende der Gewerkschaft der Poausweiten will, nicht aber für ein Der DStGB plädiert in diesem initiative beim Bundesrat. Sie ist lizei (GdP), Arnold Plickert, ist gegen Thema, das die Bürger ganz beallerdings nicht zustimmungs- kommunale Videoüberwachung. sonders betrifft. Dem Schutz der bedürftig und zudem mit einer Foto: BS/GdP NRW Allgemeinheit ist Vorrang vor besonderen Eilbedürftigkeit verdem Schutz der informationelchungsmaßnahmen zur Verfolsehen worden. Bei Polizeigewerkschaften trifft gung und Aufklärung von Strafder Vorschlag des Bonner Ober- taten nicht erforderlich seien, “Kommunen wissen, in bürgermeisters Sridharan nicht heißt es im Antrag, “wird die welchen öffentlichen auf ungeteilte Zustimmung. So Stadt mit eigenen optischen sagte etwa der nordrhein-west- Überwachungsmaßnahmen täBereichen sich Bürger fälische Landesvorsitzende der tig, soweit dies aus ihrem Blickunsicher fühlen.” Gewerkschaft der Polizei (GdP), winkel der Prävention und Ordsinnvoll erscheint”. Arnold Plickert: “Wir halten eine nung len Selbstbestimmungsfreiheit Ausweitung auf die Kommunen Schließlich könnten Auswereinzuräumen.” für falsch. Auch sind wir gegen tung und Beobachtung der komVideoüberwachung eine Komplettüberwachung.” munalen Befristung auf ein Jahr Eher komme es darauf an, Kri- zusammen mit weiteren städtiminalitätsschwerpunkte und schen Sicherheits- und OrdIn Nordrhein-Westfalen setzt Brennpunkte zu beobachten. nungsaufgaben in einer Sicherdie Polizei VideobeobachtungsSoftware bisher in der Düssel- Bonns Oberbürgermeister Ashok Srid- Ebenso wichtig sei es, dass die heitszentrale des Ordnungsdorfer Altstadt, in Bielefeld, haran (CDU) will erreichen, dass auch Bilder der Kameras direkt in eine dienstes gebündelt werden. Mönchengladbach, Essen, Köln den Kommunen selbst die Befugnis Polizeidienststelle übertragen und Duisburg ein. Laut Landes- zur Anordnung einer Videoüberwa- würden. Und der Bundesvorsit- Technik ist auschlaggebend polizeigesetz darf die Technik chung des öffentlichen Raums einge- zende der Deutschen PolizeigeUm relevante Geschehnisse ef(DPolG), Rainer fizient identifizieren und Notrufnur an Kriminalitätsschwer- räumt wird. Foto: BS/Giessen werkschaft Wendt, betonte: “Die Kommu- meldungen schnell absetzen zu punkten genutzt werden. Außerdem ist ihr Einsatz immer auf Zusammenhang für längere nen haben schon jetzt ein ge- können, sollen die technischen “Die Lö- wichtiges Wort mitzureden, Möglichkeiten intelligenter Vimaximal zwölf Monate befristet. Speicherfristen. Sofern die rechtlichen Voraus- schungsfristen sollten mindes- wenn es um die Einrichtung von deoüberwachung ausgeschöpft setzungen vorliegen, also weiter- tens zwei Monate betragen”, for- polizeilichen Überwachungska- werden. Hier können nicht nur hin eine außergewöhnliche De- dert Landsberg. Die Bundesre- meras geht. Das kann immer Kommune und Polizei zusamlikthäufung zu konstatieren ist, gierung scheint das vernommen nur eine gemeinsame Entschei- menarbeiten. Die CSU fordert kann die Videoüberwachung zu haben: Sie will das Bundeda- dung von Polizei und Kommune ebenso, an israelische Sicherreformieren. sein.” Zugleich machte Wendt heitsbehörden heranzutreten, aber jeweils um ein weiteres tenschutzgesetz Jahr verlängert werden. Die An- Bisher ist die Videoüberwa- allerdings auch klar: “Die Profis um von ihren Erfahrungen zu ordnung zur Nutzung der Tech- chung öffentlich zugänglicher für Gefährdungsbeurteilungen lernen. nik obliegt dabei dem jeweils zu- Räume nämlich nur sehr einge- sitzen bei der Polizei, nicht in den Das muss aber nicht unbedingt ständigen Polizeipräsidenten. schränkt erlaubt. Die Nutzung Rathäusern.” sein. Schließlich könne intelliDer Behördenleiter beteilige an der Technik ist zum Beispiel gente Videosoftware schon heudieser Entscheidung jedoch ausschließlich zur Erfüllung München geht zwei Schritte te so programmiert werden, dass voraus auch immer die Kommune, staatlicher Aufgaben oder zur die Technik selbständig verheißt es aus dem Düsseldorfer Ausübung des Hausrechts zuVideoüberwachung ist aller- dächtige Gegenstände oder geInnenministerium. Die Kosten lässig. Verboten ist Videobeob- dings nicht nur ein Thema, das fährliche Situationen erkenne. der Videoüberwachung trägt in achtung momentan grundsätz- die Verantwortlichen in Nord- Das gelte etwa für die IdentifizieNordrhein-Westfalen bisher lich, sofern schutzwürdige In- rhein-Westfalen beschäftigt. So rung rennender oder stürzender teressen der aufgenommenen kontrollieren auch die Polizeien Menschen, das Erkennen plötzgrundsätzlich das Land. In Düsseldorf zum Beispiel sind Personen das öffentliche Inter- in München und Hamburg Teile lich entstehender Menschenan-

sammlungen oder das Aufdecken der Tricks von Taschendieben, heißt es vonseiten der DPolG. Genau darum soll es künftig in Mannheim gehen. Nach guten Erfahrungen aktiver Videoüberwachung aus den Jahren 2001 bis 2007 mussten die Kameras aufgrund ihres Erfolges – also wegen rückläufiger Kriminalitätsbelastungen vor Ort – eingestellt werden. Nun, da die Zahlen in bestimmten Bereichen des Zentrums wieder angestiegen sind, will die Stadt modernere Technik einsetzen. Geplant ist ein System, das gemeinsam von Stadt und Polizei finanziert und vom Polizeipräsidium Mannheim betrieben werden soll. Man wolle den "Mannheimer Weg" wieder aufgreifen und auch eine “Schutzfunktion” bei Übergriffen installieren: Bilddaten sollen nicht nur aufgezeichnet, sondern permanent beobachtet werden. im Bedarfsfall sollen polizeiliche Interventionskräfte binnen drei Minuten am Ort des Geschehens sein. Um dabei die Zahl der Beobachterstellen nicht ausufern zu lassen, sei eine systemimmanente, Algorithmus-basierte Vorfilterfunktion notwendig, heißt es. Kritische Situationen können so automatisch von Alltagssituationen unterschieden werden. In Bremen wiederum existieren 109 öffentlich betriebene Videokameras im Straßenland. Hinzu kommen Geräte, die die Polizei unter anderem zur Überwachung des Bahnhofsvorplatzes nutzt. Im Öffentlichen Personennahverkehr der Hansestadt schließlich sind mittlerweile alle Straßenbahnen und Busse mit Kameras ausgestattet. Damit einher gingen deutlich geringere Vandalismusschäden und weniger Übergriffe auf Fahrgäste und Personal. In der Bundeshauptstadt schließlich forderte die Polizei die Bürger nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz auf, ihr Fotos und Videos des Geschehens zur Verfügung zu stellen. Sie selbst verfügte über keine Bildaufnahmen des Täters. In Thüringen will Landesinnenminister Dr. Holger Poppenhäger (SPD) den Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes und die Präsidenten der Industrie- und Handelskammern in Kürze zu einem fachlichen Austausch zum Thema Videoüberwachung einladen. “Ich bin der Ansicht, dass der Schutz von Leben und Gesundheit uns diese Diskussion wert sein sollte.” Die Vorfälle in Berlin, München und Ansbach hätten gezeigt, dass Terroristen hochfrequentierte öffentlich zugängliche Anlagen und Räume in ihren Fokus nähmen, so der Erfurter Ressortchef: “Es ist daher gut und richtig, dass wir diskutieren, wo die Videoüberwachung als Teil der Sicherheitsmaßnahmen das Gefahrenpotenzial eindämmen, ein rasches polizeiliches Einschreiten ermöglichen und zeitnah Ansätze für Ermittlungsmaßnahmen liefern kann.” Der Bonner Rathauschef Sridharan tritt unterdessen leicht auf die Bremse. “Die Kosten können wir derzeit noch nicht beziffern. Ehe wir Angebote für eine Videobeobachtung einholen, müssen wir abwarten, ob es zu einer Gesetzesänderung kommt.” Außerdem müssten sich Stadt und Polizei abstimmen, an welchen Orten und innerhalb welcher Zeiten eine Videobeobachtung sinnvoll wäre. Und der Christdemokrat kündigt an: “Ehe ich offiziell Gespräche aufnehme, warte ich die Entscheidung des Rates ab.” Gleichwohl habe er im Vorfeld die Fühler ausgestreckt, um auszuloten, welche Resonanz seine Idee finden könnte, so Sridharan abschließend.


Digitaler Staat Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Februar 2017

www.behoerdenspiegel.de

Moderne Verwaltung – Vision oder Strategie?

KNAPP Bund beschließt Open-Data-Gesetz

Staatssekretär Klaus Vitt zur IT-Konsolidierung Bund

(BS/Klaus Vitt) Im Mai 2015 hat die Bundesregierung durch den Kabinettsbeschluss zum “Grobkonzept zur IT-Konsolidierung Bund” einen entscheidenden Schritt getan, um die In- (BS/gg) Die Bundesregierung formationstechnik der Bundesverwaltung auch für die Zukunft effizient und sicher aufzustellen. Wesentlicher Treiber auf diesem Weg ist das ressortübergreifende Projekt “IT-Kon- hat Ende Januar den Entwurf eisolidierung Bund”, das einen sehr komplexen Modernisierungsprozess der Bundesverwaltung umfasst und bis ins Jahr 2025 andauern wird. nes Open-Data-Gesetzes beDer Schutz staatlicher IT-Systeme vor Cyber-Angriffen hat dabei erste Priorität. Es gilt, Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität vor dem Hintergrund der sich zunehmend kritisch entwickelnden Cyber-Bedrohungslage zu gewährleisten. Wir müssen die Hoheit und Kontrollfähigkeit über die eigene IT dauerhaft erhalten. Auf technologische Trends wollen wir flexibel reagieren können. Ein leistungsfähiger, wirtschaftlicher, stabiler und zukunftsfähiger Betrieb ist sicherzustellen. Außerdem muss der Bund ein attraktiver Arbeitgeber für IT-Fachpersonal bleiben. Mit der Betriebskonsolidierung, der Beschaffungsbündelung und der Dienstekonsolidierung haben wir drei Handlungsstränge aufgesetzt. Die IT der unmittelbaren Bundesverwaltung ist derzeit auf etwa 1.200 Betriebsstätten verteilt. Die damit verbundenen Risiken und Effizienzpotenziale liegen auf der Hand. Jedes Rechenzentrum verursacht Aufwände, etwa für “State of the art”- Virenschutz und -Firewalls, für Gebäudesicherheit und Betriebspersonal. Durch eine Konsolidierung des IT-Betriebs auf wenige Rechenzentren mit entsprechender Standardisierung der Systemplattformen und Vereinheitlichung der IT-Sicherheitsstandards sollen die Kosten reduziert und ein angemessenes Sicherheitsniveau gewährleistet werden. Außerdem werden die IT-Beschaffungsprozesse vereinheitlicht und in der zum 1. Januar 2017 gegründeten Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) im Beschaffungsamt des BMI zentralisiert. Die Bündelung der Beschaffung unterstützt die Standardisierung der IT des Bundes und ermöglicht das Erschließen

bereich des Bundesinnenministeriums werden ab 2017 sukzessive ihre IT-Betriebe überführen. Die Konsolidierung des BMI selbst ist ab 2018 vorgesehen.

Zukunftsfähige Anwendungen

Im Zuge der IT-Konsolidierung der Bundesverwaltung werden sukzessive zahlreiche Bausteine zusammengeführt. Foto: BS/Helene Souza, Pixelio.de

rung des Konsolidierungsprozesses obliegt der beim BMI angeEin Gastbeitrag des Beaufsiedelten Getragten der Bundesregierung für Informationstechnik, samtprojektleiKlaus Vitt, Staatssekretär im tung. Die operatiBundesministerium des Inve Ausführungsnern verantwortung Foto: BS/Bundespresseamt liegt bei den einzelnen Teilprojektleitungen im von weiteren Einsparpotenzia- BMF, BMAS, BMVI und BMVg. len beim Einkauf von IT-Kompo- Die Steuerungsverantwortung nenten. für den Projekterfolg liegt beim Gleichzeitig wird insgesamt der IT-Rat, in dem die Ressorts auf “bunte Strauß” an bisher ge- Staatssekretärsebene vertreten nutzten Basis- und Quer- sind. Der IT-Rat wird von der schnittsanwendungen auf ein Konferenz der IT-Beauftragten Angebot an digitalen Lösungen der Ressorts operativ untermit maximal zwei Anwendungs- stützt. plattformen je Funktionalität reDas Jahr der Konzepte duziert. Ein derart umfassendes VorhaRessortübergreifende ben bedarf einer guten VorbereiZusammenarbeit tung. Das Projekt liegt bisher gut Die Verantwortung für die ein- im Zeitplan. Der Grundsatz: Eizelnen Teilprojekte ist auf meh- ne gute und detaillierte Planung rere Ressorts verteilt. Die Steue- ist der erste wichtige Schritt für

ein erfolgreiches Projekt. Daher war das Jahr 2016 quasi das “Jahr der Konzepte”. Das Grobkonzept “IT-Controlling Bund”, das “Zielbild IT-Beschaffung”, das Grobkonzept “Überführung des IT-Betriebs der Behörden in das ITZBund”, ein Vorschlag zur Weiterentwicklung der IT-Steuerung des Bundes, der Rechenzentrums(RZ)-Konsolidierungsplan 2017–2019, die Architektur-Richtlinie und das Soll-Konzept Beschaffungsbündelung sind inzwischen vom IT-Rat beschlossen worden. Damit gewinnt das Projekt spürbar an operativer Dynamik. Der RZ-Konsolidierungsplan legt die in den nächsten Jahren zu konsolidierenden Behörden sowie den Umgang mit Ausnahmefällen fest. Bis 30. Juni 2017 wird das Feinkonzept zur Überführung des IT-Betriebs der unmittelbaren Bundesbehörden erstellt, das Hilfestellungen für die konkrete Umsetzung bieten soll. Die Behörden im Geschäfts-

Im Programm “Gemeinsame IT des Bundes” werden zukunftsfähige Anwendungen und Dienste mit hoher Priorität entwickelt. Die schnelle und sichere Erledigung übergreifender Verwaltungsaufgaben bedarf zeitgemäßer, elektronischer Unterstützung. Grundlegende Voraussetzung ist die Realisierung von Infrastrukturangeboten wie Bundesclient, Bundescloud und eines ressortübergreifenden Identitätsmanagements. Eine der prioritären Maßnahmen des Programms ist die elektronische Akte, die bis 2020 als führendes System in die gesamte Bundesverwaltung zu implementieren ist. Das Vergabeverfahren für die E-Akte läuft bereits. Sie wird auch über eine Workflowkomponente verfügen und damit die Grundlage für eine Vielzahl anderer Anwendungen legen, zum Beispiel für die elektronische Gesetzgebung. Die öffentlichen Auftraggeber müssen bis November 2018 außerdem in der Lage sein, elektronische Rechnungen annehmen und verarbeiten zu können. In konsequenter Fortsetzung des Gesamtprozessgedankens wird parallel die Vielzahl von Beschaffungssystemen in einem zentralen E-Beschaffungsportal zusammengeführt. Ziel ist, dass der gesamte Prozess, von der Bedarfsermittlung, der Ausschreibung und Vergabe bis zum Liefe-

Fortsetzung auf Seite 26 >>>

schlossen. Mit der unentgeltlichen Bereitstellung offener Daten durch Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung erfüllt die Bundesregierung damit eine Forderung aus der Digitalen Agenda, die Rahmenbedingungen für einen effektiven und dauerhaften Zugang zu öffentlich finanzierten Daten zu verbessern. Der Wirtschaft sollen damit neue Geschäftsmodelle eröffnet werden, von denen dann vor allem auch die Bürger profitieren sollen. Beispiele sind Apps oder Internetangebote, die auf der Grundlage offener Verkehrs-, Wetter- oder Geodaten geschaffen werden.

Initiative D21 stellt sich neu auf (BS/lkm) Das gemeinnützige Netzwerk Initiative D21 hat sich neu positioniert und seine Ziele überarbeitet. Zu den neuen Themenbereichen gehören die digitale Selbstbestimmtheit, die digitale Lebenswelt sowie der digitale Standort. Zusätzlich will sich die Initiative D21 für das Digitale Ehrenamt einsetzen. Einher geht die strategische Neuausrichtung mit einer neuen Website und einem neuen Corporate Design.

Punkteauskunft online (BS/lkm) Autofahrer können ab sofort ihren Punktestand beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg mit der Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises online und kostenfrei abrufen. Die Auskunft aus dem Fahreignungsregister wird den Nutzern direkt nach der elektronischen Identifizierung mittels der eIDFunktion im PDF-Format zum Herunterladen bereitgestellt.


Organisation & Management

Seite 26

<<< Fortsetzung von Seite 25 ranten-, Lizenz- und Vertragsmanagement, in einem System abgebildet wird. Das Projekt EGesetzgebung soll über die verschiedensten Verfassungsorgane hinweg einen durchgängigen, medienbruchfreien, digitalen Ablauf eines GesetzgebungsVerfahrens des Bundes vom ersten Textentwurf über die Abstimmung und Beratung bis zur Verkündung ermöglichen.

Verbund der IT-Dienstleister Zum 1. Januar 2016 wurden zunächst die Rechenzentren ZIVIT des BMF, BIT des BMI und DLZ-IT des BMVI im “Informationstechnikzentrum Bund” (ITZBund) in Form einer Behörde im Geschäftsbereich des BMF organisatorisch vereint. Der IT-Rat hat im September 2016 beschlossen, dass das ITZBund ab 2019 die Rechtsform einer rechtsfähigen AöR erhält. Die BWI Informationstechnik GmbH (der IT-Dienstleister des BMVg) wurde als 2. IT-Dienstleister neben dem ITZ-Bund etabliert. Damit steht für die Konsolidierung der IT-Betriebe ein zweiter Dienstleister zur Verfügung. In dem Verbund werden die Infrastruktur, Basis- und Querschnittsdienste entwickelt und betrieben. Wir verfolgen dabei einen “Full-Service-Ansatz”. Mit der Betriebskonsolidierung der einzelnen Kundenbehörden wird jeweils der zuständige ITDienstleister als “Single Point of Contact” pro Kundenbehörde festgelegt. Der zuständige ITDienstleister ist anschließend gegenüber der Kundenbehörde allein verantwortlich für die Erbringung aller IT-bezogenen Dienstleistungen – unabhängig davon, von wem im Verbund die Leistungen tatsächlich erbracht werden.

Transparenz ist der Schlüsselfaktor Wichtige Maßgabe ist hierbei, dass die Aufgabenerfüllung in den Behörden von der Konsolidierung nicht beeinträchtigt werden darf. Die derzeitige Qua-

B

ehörden Spiegel: Herr Dr. Schuster, bevor wir einen Ausblick auf dieses Jahr wagen, wie fällt Ihre Bilanz für das vergangene Jahr aus?

lität der IT-Unterstützung muss mindestens auf dem heutigen Niveau erhalten bleiben. Für den Erfolg des Konsolidierungsvorhabens ist Transparenz von zentraler Bedeutung. Die verantwortlichen Interessenvertretungen sind zu jeder Zeit eng eingebunden und begleiten die einzelnen Schritte. Durch aktive Kommunikation soll der Konsolidierungsprozess für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachvollziehbar sein. Dieser umfassende Transformationsprozess muss zusätzlich durch ein Veränderungsmanagement auch innerhalb der Behörden aktiv begleitet werden. Das Informationsangebot über das Projekt wird laufend erweitert. Die CeBIT im kommenden März bietet auf dem Stand des Bundesinnenministeriums im Public Sector Parc eine gute Gelegenheit, sich näher über die konkreten Projekt-Planungen sowie das Angebot der IT-Dienstleister zu informieren.

Tragfähige Strategie Aus meiner Sicht ist es uns gelungen, aus einer gemeinsamen Vision des Jahres 2015 eine tragfähige Lösung zu entwickeln. Es bedarf jedoch weiterhin der kontinuierlicher Mitwirkung und Unterstützung aller Beteiligten, um die hoch gesteckten Ziele bis zum Jahr 2025 zu verwirklichen. Das Konsensprinzip in den Steuerungsgremien der Ressorts ist ein wesentlicher Baustein des Erfolges, setzt aber auch voraus, dass alle Beteiligten an einem Strang ziehen und eigene Interessen im Sinne des großen Ganzen gelegentlich auch zurückstellen. Der regelmäßige offene und konstruktive Austausch erhöht die Transparenz über die Entscheidungen und hilft, den Transformationsprozess aktiv zu gestalten. Es ist unser gemeinsames Ziel, einen leistungsfähigen und sicheren IT-Betrieb aufzubauen und verlässliche und zukunftsfähige Services anzubieten. Weitere Informationen zur ITKonsolidierung Bund sind der Homepage www.cio.bund.de zu entnehmen.

Behörden Spiegel / Februar 2017

Mentalitätswechsel erforderlich Fraunhofer-FOKUS-Veranstaltung zu IT-Konsolidierung (BS/Carsten Köppl) IT-Konsolidierung ist das Megathema der deutschen Verwaltungs-IT. Der Bund, zahlreiche Bundesländer und noch mehr Kommunen arbeiten an einer Zusammenlegung und Standardisierung ihrer Dienste und Server. Dabei sind immer noch viele Fragen offen, wie die zweite Konferenz IT-Konsolidierung von Fraunhofer FOKUS, Capgemini, Cassini und Atos zeigt. Der Behörden Spiegel war als Medienpartner mit an Bord. Allen voran geht der Bund mit seinem Großprojekt der IT-Konsolidierung. Dr. Heike Stach, Leiterin des Teilprojekts 6 der ITKonsolidierung Bund im Bundesministerium des Innern, erläuterte die Rahmendaten: Die Betriebskonsolidierung der etwa 1.200 Server und Rechenzentren soll bis 2022 80 Prozent erreicht haben. Die IT-Beschaffung soll bis 2018 zu 90 Prozent bei der neu geschaffenen Zentralstelle für IT-Beschaffung (ZIB) im Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern gebündelt werden. Bei der Dienstekonsolidierung ist es komplizierter, bis 2025 sollen nur noch maximal zwei Basis/Querschnittsdienste je Funktionalität existieren. Derzeit verschaffe sich das BMI einen Überblick über die eingesetzten Dienste in der Bundesverwaltung, eine Konsolidierungsstrategie ist gerade in der Entwicklung und soll bis Jahresmitte fertig sein. Für 2017 hat sich das BMI die E-Akte, die Bundescloud, den Bundesclient, die E-Gesetzgebung und ein Social-Intranet im Pilotbetrieb vorgenommen, wobei nicht alle Dienste beim BMI entwickelt werden. Das Social Intranet wird beispielsweise vom Bundeskanzleramt übernommen.

Bundescloud im Februar Unterdessen geht die Betriebskonsolidierung beim ITZBund weiter. “Durch die Migrierung sammeln wir Verfahren ein und wollen sie dann auch standardisieren. So haben wir beispielsweise die unterschiedlichsten Betriebssysteme derzeit bei uns laufen”, erläutert Hans-Georg Göhring, Direktor des ITZBund. Derzeit betreut das ITZBund 80.000 Arbeitsplätze und hat 2.700 Mitarbeiter. Aber das ITZBund baut auch an eigenen Anwendungen, so soll die Bundes-

Die Technik kriegen wir hin, sagte Ines Fiedler, Vorständin beim Berliner ITDZ. Aber dafür, dass alle mitmachen, ist eine Änderung des Mindsets notwendig. Foto: BS/Fraunhofer Fokus

cloud im Februar starten, zunächst mit einer kostenfreien Entwicklerplattform. Weitere geplante Dienste sind eine Art Dropbox-Dienst, E-Reise und fachliche Querschnittsverfahren wie Beihilfe, Kindergeld und Personalabrechnung. Auch der Bundesclient ist nun beim BSI in der Pilotierung und soll noch in diesem Jahr ausgerollt werden.

Ebenenübergreifende Services Mit der Schaffung der BITBW hat auch Baden-Württemberg den Weg der IT-Konsolidierung beschritten. Der CIO und CDO der Landesregierung, Stefan Krebs, hob in seiner Rede vor allem auf die Zusammenarbeit von Land und Kommunen ab. “Unser Verwaltungsportal servicebw ist deutschlandweit führend, aber unsere Kommunen müssen wir zum Jagen tragen”, gab Krebs zu Bedenken. “Wir müssen zeigen, dass wir es können und dann hoffen, dass immer mehr mitmachen”, so sein Re-

zept. So soll im April zusammen mit einem Landratsamt eine durchgängig digitale Beantragung des Führerscheins möglich werden. “Für 2017 haben wir uns fünf weitere Prozesse vorgenommen, die wir digitalisieren wollen”, so Krebs. Aber eine Frage wird zunehmend wichtig, erläuterte Krebs: “Habe ich das Recht, wenn ich einen Kanal öffne, einen anderen zu kappen?” Vor eine Mammut-Aufgabe steht auch die Bundeshauptstadt Berlin. Das ITDZ Berlin betreut derzeit nur rund 12.000 der insgesamt rund 70.000 Arbeitsplatz-PCs. Durch das Berliner E-Government-Gesetz ist das ITDZ aber als zentraler ITDienstleister gestärkt worden. “Die Verwaltungen müssen ihre dezentrale Fach- und Ressourcenverwaltung aufgeben”, erläutert Ines Fiedler, Vorständin des ITDZ. Die Standardisierung wird zentral festgelegt und über das Budget entscheidet künftig die neue IKT-Staatssektretärin Sabine Smentek (siehe Inter-

Hoher Bedarf – großes Engagement Vivento will verlässlicher Partner der öffentlichen Verwaltung bleiben

(BS) Wenn es um die qualifizierte und zeitnahe Besetzung von Vakanzen bei Behörden jeder Größenordnung geht, fällt häufig auch der Name Vivento. Der Personaldienstleister der Deutschen Telekom wurde vor mehr als zehn Jahren gegründet, um den notwendigen Personalabbau des Schuster: Sie fällt eindeutig Unternehmens innerhalb Deutschlands zu unterstützen und hat sich fest am Behördenmarkt etablieren können. Inzwischen hat Vivento rund positiv aus. Wir haben das meis- 48.000 Mitarbeitern zu einer neuen Perspektive verholfen. Zum Jahresbeginn sprach der Behörden Spiegel mit Dr. Matthias Schuster, der seit te, was wir uns vorgenommen 2013 die Geschäfte des Unternehmens leitet, über die Perspektive für das laufende Jahr. haben, erreicht oder auf einen guten, vielversprechenden Weg gebracht. Ich möchte das gerne kurz am Beispiel BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) erläutern: In Summe haben bis Dezember rd. 700 Telekom-Mitarbeiter das BAMF unterstützt. Damit ist Vivento zum größten Amtshilfepartner der Behörde avanciert. Die Kollegen, so meine ich, können mit Recht stolz darauf sein, sich an gesellschaftlich hochrelevanter Stelle aktiv einzubringen. Rund 500 weitere Vermittlungen in den Öffentlichen Dienst zu Bund, Ländern und kommunalen Einrichtungen im vergangenen Jahr, darunter auch rund über 40 zur Bundeswehr, zeigen mir: Vivento wird als verlässlicher Partner des Öffentlichen Dienstes wahr- und auch angenommen. Neue Projekte oder Herausforderungen, Spezial- oder Regelaufgaben, ganz gleich, vor welche Aufgabe wir gestellt werden, wir unterstützen mit personellen Ressourcen. Behörden Spiegel: Was haben Sie sich für 2017 vorgenommen, wo liegen im laufenden Jahr die Handlungsschwerpunkte?

Schuster: Wir werden genauso ambitioniert weitermachen wie in den vergangenen Jahren und an unsere Erfolge anknüpfen. Uns geht es zuvorderst darum, den Beamtinnen und Beamten, die sich für eine neue Beschäftigung außerhalb der Telekom interessieren, eine echte Perspektive zu bieten. Daher setzen wir uns dafür ein, ihnen Einsätze bei Behörden entweder mit dem Ziel einer Versetzung oder zumindest einer langfristigen Abordnung zu ermöglichen. Aus unseren Kundengesprächen wissen wir, dass viele öffentliche Verwaltungen 2017 weiter händeringend qualifiziertes Personal suchen. Und in vielen Fällen sind sie ebenso an einer dauerhaften Übernahme interessiert wie wir. Allerdings hängt hier vieles von der Bewilligung der Haushalte und den freigegebenen Planstellen ab. Auch wenn wir noch am Anfang des Jahres stehen, so zeichnen sich schon jetzt zahlreiche Bedarfe in öffentlichen Verwaltungen ab, etwa bei der Bundeswehr, bei Bundes- und Landespolizeibehörden sowie im Bereich Sicherheit. Hinzu kommen zahlreiche Aufgaben, die für eine

Dr. Matthias Schuster, Sprecher der Geschäftsleitung von Vivento: “Behörden brauchen das digitale Know-how der Telekom-Mitarbeiter, heute und in Zukunft.” Foto: BS/Vivento

Integration der Flüchtlinge gestemmt werden müssen. Last but not least entstehen Personalbedarfe durch die Digitalisierung 4.0. Personalbedarfe, die an uns herangetragen werden, bearbeiten wir mit Hochdruck. Wir spiegeln die Anforderungsprofile der Behörden an neues Personal an den Erfahrungen und Kompetenzen unserer an einem Wechsel interessierten Beamten. Innerhalb der Telekom sind wir zudem stets im engen Austausch mit Bereichen und Segmenten, die über kurz oder lang ihren Mitarbeiterstamm

verkleinern müssen. Behörden Spiegel: Im Zuge der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltungen werden IT- und insbesondere IT-SicherheitsFachkräfte händeringend gesucht. Kann Vivento die Behörden hier unterstützen? Schuster: Die Deutsche Telekom ist als großes, weltweit agierendes ITK-Unternehmen einer der wichtigsten Vorreiter der Digitalisierung in Deutschland. Telekom Personalvorstand Christian P. Illek ist dazu vielgefragter

Experte bei Veranstaltungen und Diskussionen. Unsere Telekom-Produkte – Smart Home, Smart Metering, Cloud, Vectoring, um nur einige zu nennen – sowie der flächendeckende Breitbandausbau weisen den direkten Weg in die digitale Gesellschaft. Die Digitalisierung betrifft bereits heute viele Alltags-Bereiche, weitere werden sukzessive dazukommen. Auch unsere eigene Arbeitswelt verändert sich im Übrigen immer schneller in diese Richtung. Unsere Mitarbeiter befinden sich nicht erst seit heute inmitten dieses Prozesses und haben daher ein hervorragendes digitales Know-how erworben. Behörden brauchen genau diese Unterstützung, heute, in einem Jahr, aber auch noch in zehn Jahren. Viele Arbeitgeber sehen in der Personalunterstützung durch uns eine ideale Partnerschaft, daran wird sich, so hoffe ich, auch 2017 nichts ändern. Behörden Spiegel: In den kommenden Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge altersbedingt aus dem Öffentlichen Dienst ausscheiden. Der demografische Wandel wird dann ins-

view, S. 32). Bis 01.01.2018 sollen alle Basisdienste und die verfahrensunabhängige IT zentral vom ITDZ betrieben werden – der sogenannte Anschlusszwang. “Aber den 01.01.2018 werden wir nicht schaffen”, gab Fiedler zu Bedenken, “eher wird es eine stufenweise Migration geben.” So gebe es auch noch einige offene Fragen: “Wie weit soll die Konsolidierung gehen? Macht das Sinn, dass wir wirklich alle Fachverfahren betreiben?” Einen Schub der Standardisierung erhofft sich Fiedler von dem modernisierten Berlin-PC, den es ab nächstem Jahr auf Basis von Windows 10 geben soll. “Die Technik kriegen wir hin, aber alle Berliner Behörden zu überzeugen, dass ist eine GesamtBerlin-Aufgabe und hat etwas mit der Änderung des Mindsets zu tun”, sagte Fiedler.

Nutzer im Fokus Die Nutzerzentrierung als wichtigen Erfolgsfaktor nahm Stefanie Hecht von Fraunhofer FOKUS in den Blick. “Ein Drittel der Erfolgsfaktoren bei IT-Großprojekten hängt mit der Nutzerzentrierung zusammen”, erläuterte Hecht. Zudem spare eine frühe Einbindung der Nutzer später Kosten bei der Anpassung der Software. Dabei müsse eine Nutzerevaluation nicht aufwendig sein, denn bereits fünf Test-Anwender aus unterschiedlichen Nutzergruppen reichte aus, um 85 Prozent der Usability-Probleme zu erfassen, so Hecht. Zum Einsatz kommt dabei die Evaluationsmethode “Thinking Aloud” (Lautes Denken), bei der potenzielle Nutzer die Software anhand typischer Anwendungsfälle erproben und dabei ihre Eindrücke laut aussprechen. Zum Einsatz kam diese Methode zum Beispiel bei der Einführung der E-Akte-Justiz in Baden-Württemberg.

besondere bei den Kommunalverwaltungen “voll zuschlagen”. Neben der Rekrutierung von Personal mit Verwaltungserfahrung wird es für die Behörden daher vornehmlich auch darauf ankommen, junge Nachwuchskräfte aus der Generation der sogenannten Digital Natives zu gewinnen – auch, um eine bessere Alters- und Teamdurchmischung zu gewährleisten. Wie können Sie den Verwaltungen bei diesem Vorhaben helfen? Schuster: Seit 2010 betreiben wir mit Interamt ein behördenübergreifendes Stellenportal, das sich speziell auch an die Gruppe der Digital Natives richtet. Im vergangenen Jahr haben wir zudem unsere Social-MediaAktivitäten ausgebaut und sprechen damit gezielt Hochschulabsolventen, Quereinsteiger und Auszubildende an. Damit erhöhen wir die Reichweite von Interamt in der Zielgruppe und verschaffen den Behörden Zugang zum dringend benötigten Fachkräftenachwuchs. Gleichzeitig ermöglichen wir den Verwaltungen, ihr gesamtes Bewerbermanagement über Interamt zu managen und effizienter zu gestalten: Von der Stellenausschreibung bis zur Kandidatenauswahl über eignungsdiagnostische Verfahren. Mit über 90.000 Online-Bewerbungen haben wir Interamt zu einer der führenden Stellenplattformen für den Öffentlichen Dienst ausgebaut. Dies werden wir 2017 fortführen.


Behörden Spiegel / Februar 2017

B

ehörden Spiegel: Wenn Sie an Ihre erste Woche im LAGeSo zurückdenken, was haben Sie vorgefunden?

Organisation & Management

Mehr Managementerfahrung nötig Interview mit Sebastian Muschter, Ex-Interims-Chef des Berliner LAGeSo

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beiten, haben eine einheitliche Marschrichtung. Viele Behörden haben so etwas nicht. Wir müssen zwischen der Politik und der Verwaltung solche zielorientierten Steuerungsmechanismen einrichten. Da muss auch die Politik mitziehen: Was wollen wir erreichen? Was sind die Leistungen, die wir für Bürger, Kunden und Unternehmen haben wollen? Diese Erfolgskriterien muss die Politik definieren, das geht über Gesetze hinaus. Wie eine Behörde solche Ziele erreicht, sollte sie dann viel stärker in Eigenregie entscheiden dürfen. Eine klare Trennung in “was” und “wie”. So steigern wir die Erwartungen an Behördenchefs, aber auch deren Freiheitsgrade.

Muschter: Wir mussten mehrere Krisen gleichzeitig bewälti- (BS) Hunderte Flüchtlinge warteten Mitte Juli 2015 vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), teilweise unter unmenschgen: Zum einen die akuten Ver- lichen Bedingungen, auf ihre Registrierung. Das Landesamt knickte auf dem Höhepunkt der Flüchtlingssituation unter der Last der Arbeit zusorgungslücken, die menschli- sammen und wurde von den Medien als Deutschlands „berüchtigtste“ Behörde bezeichnet. Anfang 2016 übernahm der Ex-McKinsey Manager chen Katastrophen, die wir für Sebastian Muschter als Interims-Chef für ein Jahr das Amt. Carsten Köppl sprach mit ihm über seine größten Herausforderungen und welche die Flüchtlinge produziert hat- Lehren für die Verwaltungstransformation zu ziehen sind. ten. Zum anderen die großen Behörde wie das Probleme auf der Mitarbeitersei- um die Krankenstände runterLAGeSo, mit über te, Überforderung und riesige zukriegen. Sebastian Muschter war ein 1.000 MitarbeiDamit war eigentlich die Krankenstände. Gleichzeitig Jahr Interims- Chef beim Berlitern, 500 Millioner LAGeSo und sollte die mussten dringend strukturelle Marschrichtung klar. Ich habe nen Euro HausBehörde durch die FlüchtVerbesserungen angegangen aber unterschätzt, dass für die haltsvolumen, lingssituation steuern und zuwerden. Und gleich vom ersten Politik ein solcher Zielekatalog Verantwortung für kunftsfähig machen. Tag an musste ich schwierige nicht alles ist. Wenn morgens eiüber 600.000 BeFür ihn war es das “wahrEntscheidungen treffen. Z.B. ne Zeitung anruft und berichtet, hinderte in Berlin scheinlich spannendste und hatten wir eine bestimmte Grup- dass in einer Flüchtlingsunterund für 50.000 bis erfüllendste Jahr seiner berufpe von Flüchtlingen wochenlang kunft Sicherheitsleute bestech80.000 Flüchtlinlichen Karriere”. nicht mehr mit Geld versorgt, lich sind und Flüchtlinge sich Behörden Spiegel: Was ist ge, geführt wird obwohl sie schon Selbstversor- für 100 Euro ein besseres Bett Foto: BS/ Dombrowsky von einem Chef, jetzt Ihr Fazit nach einem Jahr ger waren und sich ihr Essen kaufen können, dann fing bei der weniger ver- beim LAGeSo? selbst kaufen sollten. Wir konn- mir sofort das Telefon an zu klindient als der Chef ten denen kein Geld auszahlen, geln. Wir mussten sofort rausMuschter: Mein persönliches weil wir nicht genügend Sachbe- finden, was wir zum Thema wis- Warum ist das nicht passiert? Quadratmeter Bürofläche? Ha- einer kleinen Sparkasse, der arbeiterkapazitäten hatten. Ich sen. Gibt es Vermerke? Haben Wir haben z.B. gesagt, beim Per- be ich genügend Netzwerkkapa- gerne das zweieinhalbfache be- Fazit: Das war das wahrscheinhabe dann bei der Polizei ange- wir rechtzeitig reagiert? Schmei- sonalaufbau sollen die besten zität? Wo bekomme ich die PCs kommt. Das Problem zieht sich lich spannendste und auch errufen und 35 Polizisten bestellt ßen wir jetzt die Sicherheitsfir- Sacharbeiter von heute die und Softwarelizenzen her? Für ja bis ganz nach oben: Angela füllendste Jahr meiner berufliund einen Barauszahlungspro- ma raus oder müssen wir jetzt Teamleiter von morgen werden. solche Fragen ist ein guter Ma- Merkel trägt die Last der westli- chen Karriere. Ich habe meine zess organisiert, sodass wir am den Betreiber wechseln? Akute Die “Häuptlinge” sollten nicht nager ausgebildet, das ist strate- chen Welt auf ihren Schultern Zeit vorher bei McKinsey sehr geersten Tag etwa 400 Flüchtlin- Krisenbekämpfung, die alle von außen kommen. Das hat ex- gische Planung. Solche Aufga- und verdient halb so viel wie der nossen, aber hier hatte ich das ben werden in der klassischen Chef der Stadtsparkasse Neuss. Gefühl, der richtige Mann an der gen zumindest 100 Euro pro Per- Prioritäten über den Haufen trem geholfen. Verwaltungslaufbahn und Aus- Stadtwerke, Sparkassen, Kran- richtigen Stelle zur richtigen Zeit son geben konnten, sodass sie wirft. Ich habe dann irgendwann Behörden Spiegel: Welche bildung nicht vermittelt. Wir kenkassen sind öffentliche Un- zu sein. Die Mitarbeiter haben übers Wochenende kamen. Da- gesagt, ich mache das nur zu eimit hatte ich zwar gegen sämtli- nem gewissen Prozentsatz mei- Lehren für die Verwaltungsmo- brauchen mehr solcher Experti- ternehmen, die deutlich besser mich sehr offen und freundlich bezahlen als aufgenommen. Ich hatte den che Sicherheitsbestimmungen ner Arbeitszeit. Ich durfte meine dernisierung ziehen Sie aus Ihrer se in den Bedie Kernver- Eindruck, ich konnte wirklich hörden, durch verstoßen, aber es war eine un- eigentliche Aufgabe, Verbesse- Zeit beim LAGeSo? “Der Erfolg der Wir was bewegen. Ich habe an vielen Ausbildung mittelbare Notwendigkeit, damit rungen in den Prozessen und für Bundesagentur für Arbeit waltung. als Bürger Stellen auch Neues ausprobiert. Muschter: Wir brauchen mehr oder von exdie nicht am Wochenende ohne die Mitarbeiter zu erreichen, in den letzten Jahren müssen da sa- Der Veränderungshunger in der Essen in den Unterkünften sit- nicht aus den Augen verlieren. Prozessexpertise und mehr Ma- tern. gen, wir wollen Behörde war dramatisch, größer Und wenn wir Das hat durchaus Aufsehen er- nagementerfahrung in Behörzen. hat viel mit Steuerung einen guten als ich es je zu wünschen gewagt Genauso habe ich in der ersten zeugt. Derartigen Widerspruch den. Als Verwaltungsjurist ist dann solche zu tun.” Service, also hätte. Mein inhaltliches Fazit: man gewohnt, Regeln anzuwen- Leute haben, Woche einige harte Personalent- war die Politik nicht gewohnt. brauchen wir Das LAGeSo ist eine deutlich kriden. Es gibt aber zu wenige Leu- die neben dem scheidungen treffen müssen. Behörden Spiegel: Viele Be- te, die die Prozesse gestalten Anwenden von Verwaltungsre- gute Leute und müssen die auch senfestere Behörde. Die MitarDie hohen Krankenstände hatbeiter haben viel Eigeninitiative ten viel damit zu tun, dass der hörden waren mit der hohen Zahl können, um diese Regeln mög- geln auch die Prozesse gestalten gut bezahlen. Auch muss die Steuerung von gezeigt. Wir haben StrategiepläDruck der wachsenden Fallzah- der Flüchtlinge überfordert. Auch lichst gut und effizient umzuset- und umsetzen können, dann len einfach nach unten durchge- das Bundesamt für Migration zen. Oder Szenarienplanung: müssen wir die auch besser be- Behörden fundamental anders ne für die Zukunft gemacht. Wie stellt wurde. Ich habe versucht, und Flüchtlinge ist ins Kriseln ge- Wie organisiere ich Wachstum? zahlen. Wir müssen uns auf Be- werden. Der Erfolg der Bundes- geht man mit dem NachwuchsRuhe reinzubringen, und habe raten. Wie war die Kommunikati- Was passiert, wenn sich meine hördenchef-Ebene und auch auf agentur für Arbeit in den letzten problem um? Wir haben einen Kundenzahl verdoppelt? Welche Staatssekretärsebene langsam Jahren hat viel mit Steuerung zu massiven Mangel bei Ärzten, bei mit den Beschäftigtenvertretun- on mit dem BAMF? Prozessschritte brechen zusam- an die Gehälter annähern, die tun. Klare Ziele für die Agentu- IT und bei Sozialberufen. Wir hagen eine Grundregel ausgeMuschter: Das BAMF hat eine men? Welche Fähigkeiten sind die in Stadtwerken oder Spar- ren in Flensburg, in Garmisch ben Zukunftsstrategien entwikmacht: Wir lassen uns nicht unseren täglichen Druck von der Außenstelle in Berlin, mit denen mein Engpass, wo könnte ich kassen für Managementpositio- Partenkirchen, in München, in kelt und ich habe den Eindruck, Berlin. Die 500 Leute, die in dass das LAGeSo jetzt wieder gut Anzahl der Leute draußen vor wir sehr gut zusammengearbei- kurzfristig mehr Kapazität her- nen gezahlt werden. Es kann nicht sein, dass eine Mainz für die Arbeitsagentur ar- aufgestellt ist. der Tür diktieren, wir entkop- tet haben. In gewisser Weise sind bekommen? Habe ich genügend peln das. Wir schaffen einen sta- das BAMF und das LAGeSo wie bilen, planbaren Arbeitspro- kommunizierende Röhren. Zuzess, und das ist dann das, was erst kommt die Registrierung wir täglich bearbeiten können. beim LAGeSo, da haben wir den Und alle, die dann noch vor der Druck, bis danach der AsylanTür stehen, die versorgen wir trag gestellt wird, der Druck geht Zentrales Service Center im BAMF eingerichtet über Abschlagszahlungen. Und dann direkt an das BAMF. Wenn das BAMF eine (BS/Karin Patock*) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stand in letzter Zeit häufig in der Kritik, für Anfragen von Außenstein der ZwiEntscheidung henden nicht zeitnah erreichbar zu sein. Als wesentlicher Teil des integrierten Flüchtlingsmanagements stand daher, neben zahlreichen Proschenzeit bau“Der wichtigste Grund getroffen hat, zessoptimierungen, auch die Verbesserung der Erreichbarkeit – insbesondere für alle am Asylverfahren beteiligten Behörden – im Fokus der en wir die Orfür die schnelle wird der Kun- Strategie. Hierfür wurde ein zentrales Service Center im Bundesamt implementiert, das sich von August 2016 bis Januar dieses Jahres im Rahmen ganisation von Verbesserung war, dass de dann ent- eines Pilotverfahrens konstituierte. innen nach außen auf, wir den Reformprozess weder vom LAGeSo an das Ziel war es, die Erreichbarkeit zierten Personalentwicklungsschaffen mehr Der Behördenservice – wie erteilt. Andere beteiligte Behörauf viele Schultern J o b c e n t e r für Behörden wie auch Bürger maßnahmen geschult und bil- auch der Bürgerservice – ist un- den (z.B. Anwälte, JugendKapazität so gestützt haben.” ü b e r t r a g e n deutlich zu verbessern, eine ef- den sich kontinuierlich weiter. ter der Rufnummer 0911 / 943 – amt/Vormund, Gerichte) erhalschnell wir oder er bleibt fektive Kommunikation bei ge- Im Durchschnitt bearbeitet das 0 von Montag bis Freitag zwi- ten Auskunft nach Rückruf unkönnen. Dieim LAGeSo als ringen Wartezeiten und gleich- Service Center zurzeit bis zu schen 09:00 und 15:00 Uhr oder ter der im System hinterlegten ses Vorgehen hat sehr viel Druck rausgenom- geduldeter Flüchtling. Wir ha- bleibend kompetenten und qua- 4.000 Gespräche und rund über service@bamf.bund.de zu Nummer des aktuellen Verfahmen. Die Mitarbeiter haben ben uns immer wieder eng koor- litativ hochwertigen Auskünften 3.000 E-Mails pro Woche. Die erreichen. rensbevollmächtigten/Vorschnell realisiert, dass da jetzt diniert, da z.B. die Anzahl der zu gewährleisten. Dieses zentra- Erreichbarkeit liegt damit zwimundes. Klar definierte Zielgruppe einer einen harten Rücken Asylentscheidungen direkt be- lisierte Auskunfts- und Bera- schen 70 und 80 Prozent. Ein wichtiger Hinweis zur ermacht, schaffbare Arbeitspen- stimmt, wie lange das LAGeSo tungsangebot kommt auch den Die sich daraus ergebenden EfZur Zielgruppe des Behörden- folgreichen Beantwortung des sen fordert, den Rest abfedert für die Unterbringung von wie Außenstellen des Bundesamtes fizienzgewinne sind bereits in service gehören ausschließlich Anliegens: Aufgrund datenund so den Druck von den Mitar- vielen Menschen verantwortlich zugute. Durch die Entlastung der Pilotphase deutlich spürbar: am Asylverfahren beteiligte Stel- schutzrechtlicher Bestimmunist. beitern fernhält. können sich die Außenstellen Die Bündelung der bestehenden len wie Ausländerbehörden, Ge- gen können schriftliche Anfrakünftig noch intensiver um ihr Hotline-Angebote sowie die Zen- richte, Polizei, Rechtsanwälte, gen nicht direkt im Service CenBehörden Spiegel: In der Kerngeschäft, die Entgegennah- tralisierung der Anfragen im Jugendämter sowie gerichtlich ter beantwortet werden – daher Behörden Spiegel: Haben Sie von der Politik damals Ziele mit- Rückschau, was waren die ent- me und Bearbeitung von Asyl- Service Center führen zu einer bestellte Vormünder. Sie alle er- wird darum gebeten, sich bei scheidenden Faktoren, warum anträgen, kümmern – denn merklichen Entlastung der Au- halten wichtige Informationen Sachstandsanfragen bekommen? telefodie Transformation geklappt rund 70 Prozent der im Service ßenstellen, zu einer insgesamt rund um laufende oder abge- nisch mit dem Behördenservice Muschter: Es gab für die Auf- hat? Center eingehenden Anfragen verbesserten Erreichbarkeit des schlossene Asylverfahren kor- in Verbindung zu setzen. gabe des kommissarischen LeiDie weitere Professionalisieumfassen das Thema Asyl und Bundesamtes, zu einem Effi- rekt, schnell und aus einer Muschter: Natürlich ist die können zumeist abschließend zienzgewinn in der Anfragenbe- Hand. Die Auskunftserteilung rung des Angebots wird neben ters drei Kandidaten und alle wurden gefragt, was sie jetzt ma- Transformation niemals “ge- beantwortet werden. Der Be- arbeitung sowie zu einer Verein- umfasst im Wesentlichen Sach- der Implementierung ausgechen würden. Ich habe gesagt, schafft”, aber als im August reich der sprachlichen Bildung heitlichung von Beauskunf- standsanfragen, Anfragen zu wählter Qualitätsstandards in dass wir das LAGeSo von innen 2016 das Nachfolge-Landesamt nimmt mit rund 15 Prozent ei- tungsstandards und Authentifi- Aufenthaltsstatus und Daten- Zukunft vor allem ein umfassenheraus aufbauen müssen, von für Flüchtlingsangelegenheiten nen ebenfalls größeren Teil der zierungsverfahren, was ein ein- änderungen sowie Mitteilungen des IT-gestütztes Wissensmanaden Mitarbeitern kommend. Das seine Arbeit aufnahm, war die Anfragen ein. heitlich hohes Servicelevel zur von Adress- und Personen- gement umfassen, das alle relewar mein persönlicher Plan. Wir Situation deutlich stabiler. Der Informationen und Folge hat. Auch Ausländerbe- standsänderungen. Zur siche- vanten haben dann in den ersten zwei wichtigste Grund für die schnel- 7.000 Kontakte pro woche hörden und Verwaltungsgerich- ren, eindeutigen Authentifizie- Neuerungen zentral dokumenWochen nachdem ich angefan- le Verbesserung war, dass wir Doch auch weitere Themen te signalisieren ihre Wertschät- rung werden Kenndaten ge- tiert und somit die Arbeitsabläugen habe in zwei Strategiework- den Reformprozess auf viele rund um Integration, Einrei- zung für die Einrichtung der nutzt, die nur den zuständigen fe und Auskunftserteilung noch shops mit der politischen Lei- Schultern gestützt haben. Die se/Aufenthalt, Anerkennung, neuen Dienstleistung, denn der Behörden bekannt sind. Aus- effizienter gestaltet. Dies steht – tung zusammen einen kurzfris- Beschäftigtenvertreter und die Rückkehr, Jüdische Zuwande- Behördenservice kann bereits länderbehörden und Polizei wer- neben der weiteren Entlastung tigen Zielkatalog aufgebaut. Es Mitarbeiter waren mit vielen Ide- rung usw. gehören zum Bera- heute deutschlandweit in An- den gebeten, die AZR-Nummer, der Außenstellen – im Fokus des gab drei Prioritäten: Erstens: en selbst involviert, es war ein tungsportfolio des Service Cen- spruch genommen werden. Mit das Behördenkennzeichen so- Service-Center-Ausbaus im humanitären Notstand stoppen. gemeinsamer Reformprozess. ters. Somit spiegelt das Service dem erfolgreichen Abschluss wie das Aktenzeichen bereitzu- Jahr 2017. Zweitens: den Rückstand im So sind trotz der vielen neuen Center als zentraler Anlauf- der Pilotierung wird das Service halten. Nur bei einem erfolgreiLeistungsbereich abbauen. Leute keine Gegensätze entstan- punkt das gesamte Aufgaben- Center nun sukzessive auch für chen Abgleich aller drei Authen*Karin Patock ist ReferatsleiteDrittens: den Mitarbeitern ein den: Die da oben gegen die da un- spektrum des Bundesamtes. die weitere flächendeckende tifizierungskriterien werden der rin Service Center beim Bundesschaffbares und menschenwür- ten, das neuen Führungskräfte Hierfür werden die Mitarbeiter/ Entlastung aller Außenstellen anfragenden Behörde Auskünf- amt für Migration und Flüchtlinge diges Arbeitsumfeld schaffen, gegen die alt eingesessenen. -innen im Rahmen von qualifi- ausgestattet werden. te zum Stand des Asylverfahrens in Nürnberg.

Verbesserte Erreichbarkeit


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Behörden Spiegel / Februar 2017

Zukunftskongress Bayern B

ayern hat darauf mit einer mehrschichtigen Digitalisierungsstrategie reagiert, auch bekannt als Montgelas 3.0. Die Basis, um alle mit der digitalen Transformation einhergehenden Herausforderungen adäquat meistern zu können, bildet eine leistungsfähige technische Infrastruktur wie z.B. eine flächendeckende Breitbandanbindung. Hier präsentierte Bauer den Teilnehmern aktuelle Zahlen des bayerischen Förderprogramms, welches die Kommunen im Freistaat in der Zwischenzeit beinahe flächendekkend (96 Prozent) erreicht hat (mehr hierzu auf Seite 30). Das Förderprogramm laufe insgesamt sehr gut. Aktuell sei es jedoch durchaus schwierig, neue Projekte zu starten, da es am Markt nicht genügend Tiefbauunternehmen gebe, die die Aufträge übernehmen könnten. Neben der flächendeckenden Versorgung mit Breitband soll in Bayern bis zum Jahr 2020 ein engmaschiges WLAN-Netz mit rund 20.000 landesweit verteilten Accesspoints entstehen. Diese Hotspots sollen nicht nur in den Landesbehörden entstehen, sondern auch in den einzelnen Kommunen. Diese können dazu eine finanzielle Unterstützung des Freistaats von bis zu 5.000 Euro für die Ersteinrichtung von zwei Hotspots erhalten. Mit dem BayernPortal wurde zudem ein zentrales E-Government-Portal geschaffen, welches das Informations- und Dienstleistungsangebot des Freistaats bündelt. In das Portal können

Prof. Dr. Manfred Broy zeigte den Teilnehmern auf, zu welch tiefgreifenden Veränderungen die Digitalisierung in der Gesellschaft geführt hat und wie Verwaltung damit umgehen sollte.

Die disruptive Evolution Zukunftskongress Bayern diskutiert die digitale Transformation (BS/Guido Gehrt) “Die Digitalisierung geht leise vor sich, dennoch sind die Entwicklungen durchaus disruptiv”, so Dr. Rainer Bauer, Abteilungsleiter IT im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, auf dem Zukunftskongress Bayern des Behörden Spiegel, der Anfang Februar in München stattfand. Die Veranstaltung machte deutlich, mit welcher Geschwindigkeit der digitale Wandel voranschreitet und die öffentliche Verwaltung (heraus)fordert. auch die Kommunen ihre Angebote einstellen. Über die Hälfte der bayerischen Kommunen hätten bislang von diesem Angebot Gebrauch gemacht, so Bauer. Derzeit verzeichne das BayernPortal monatlich rund 250.000 Besucher. Über 55.000 Bürgerkonten seien dort bereits registriert. Neben der Verbesserung und Ausweitung des E-GovernmentAngebotes ist Teil der bayerischen Strategie aber auch, “die Digitalisierung zu den Menschen zu bringen”, wie Bauer es formulierte. Hierzu sollen bis 2018 landesweit acht BayernLabs entstehen, die als offene Informationsplattform digitale Trends und innovative Technologien für Bürger, Schüler, Kommunen und sonstige Interessierte “anfassbar machen” soll. Zwei der Labore (Wunsiedel und Traunstein) haben ihre Arbeit bereits aufgenommen. Wie wichtig es ist, den Prozess der Digitalisierung durch derartige Angebote zu begleiten, zeigte Prof. Dr. Manfred Broy, Gründungspräsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrums Digitalisierung. Bayern (ZD.B). “Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie stark unsere Welt bereits digitalisiert ist. Digitale Technologie durchdringt die physische Wirklichkeit. Digitale Medien, Daten und Dienste liegen näher am Menschen als jede andere Technologie”, erklärte Broy. Man müsse sich die einzelnen Wellen der Digitalisierung ansehen und schauen, wie sich diese auch auf die öffentliche Verwaltung übertragen ließen. Dies bedeute mehr, als “nur” überkommene Prozesse zu digitalisieren. Vielmehr geht es etwa um die Nutzung von Synergien, die Etablierung neuer Funktionalitäten und neuartiger Dienste bis hin zu neuen Geschäftsprozessen und Businessmodellen. “Government 4.0 steht für die

P

eter Onderscheka, Leiter des Geschäftsbereichs IT-Strategie und IT-Sicherheit, Landeshauptstadt München, betonte, dass es immer besser sei, etwas aktiv zu beeinflussen, anstelle nur auf Ereignisse zu reagieren. Daher befasse man sich in München schon länger mit vielen Projekten und Ideen, um München smarter zu machen. Während eine Vielzahl von Studien immer nur von rund 1,5 Bürgerkontakten pro Jahr ausgehen seien diese in einer Smart City “sehr intensiv und häufig”, betonte Onderscheka: “In Smart Cities kommt der Bürger mit der Verwaltung ständig im 20 MeterAbstand in Kontakt, nicht im Jahrestakt.” Das Potenzial, das sich mit neuen, smarten Technologien für Städte heben ließe, sei enorm. Smart Cities könnten Beiträge dazu leisten, die Lebensqualität und Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe der Bürger zu verbessern, die Nutzung von endlichen Ressourcen zu

Diskutierten Auswirkungen der Digitalisierung auf Staat und Verwaltung und wie man diesen begegnen sollte: Dr. Rainer Bauer, Cornelius Everding, Horst Westerfeld (Moderator), Dr. Petra Wolf und Prof. Dr. Konrad Walser. Fotos: BS/Dombrowsky

nächste Welle der digitalen Revolution. Die Welle hat uns bereits erreicht”, so Broy. Die “Thesen zur Digitalisierung des Staates” (s. Kasten) von Prof. Dr. Konrad Walser, Wirtschaftsinformatiker und E-Government-Experte von der Berner Fachhochschule, waren Grundlage und Ausgangspunkt einer intensiven Podiumsdiskussion unter der Moderation des Fachlichen Leiters des Kongresses, Staatssekretär a.D. Horst Westerfeld, ehemaliger CIO des Landes Hessen. “Es besteht die Gefahr, dass Föderalismus und Digitalisierung gegeneinander

ausgespielt werden”, so Cornelius Everding, Chief Process Innovation Officer (CPIO) des Landes Brandenburg. Natürlich sei es wichtig, vor dem Hintergrund der durch die Digitalisierung veränderten Rahmenbedingungen, die Organisationshoheit neu zu definieren. Besonders wichtig sei es, dabei die entscheidungserheblichen von den entscheidungsunerheblichen Teilen des Prozesses zu trennen. Für Dr. Petra Wolf von Capgemini bedeutet vom Blatt zum Byte die Abkehr von Dokumenten. Die Daten müssten vielmehr strukturiert in den jeweiligen

Thesen zur Digitalisierung des Staates* • Digitalisierung erfordert ein Neudenken des Föderalismus- und Subsidiaritätsprinzips. • Digitalisierung erfordert ein Neudenken des Territorialitäts- und Zuständigkeitsprinzips. • Digitalisierung erfordert die “Einnahme der Kundenperspektive”. Daraus folgt die Anforderung der Überwindung des Ressort- und Siloprinzips aus Kundensicht. • Digitalisierung bedeutet: IT ist Chefsache und damit in der Exekutive zu verankern. • Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung ist dringlich und unausweichlich. • Was können wir vom Staat ins digitale Zeitalter retten? Den menschlichen Staat. *vorgetragen von Prof. Dr. Konrad Walser

Prozess eingebracht werden. “Die Digitalisierung bietet Gestaltungsmöglichkeiten. Die Verwaltung muss anfangen, die Digitalisierung zu ihrem Nutzen zu gestalten.” Hier stimmte ihr Dr. Rainer Bauer ausdrücklich zu: “Wir digitalisieren die Verfahren und erkennen dabei, wo wir Synergiepotenzial haben und nutzen dieses.” Prof. Walser erläuterte zu der von ihm in die Diskussion eingebrachten Kundensicht: “Im Hinblick auf die Kundenperspektive muss es gelingen, dem Bürger ein “Gesamterlebnis Staat” zu ermöglichen.” Hierzu sei es auch wichtig, diesen mit einer digitalen Identität auszustatten, so Walser weiter. Auch hier bekam er Unterstützung von Bauer: “Genau das wollen wir mit dem Servicekonto machen.” Man wolle natürlich auch kundenfreundlich sein. Dazu gehöre allerdings auch, dass man noch für längere Zeit zweigleisig fahren müsse und die Dienstleistungen auch weiterhin vor Ort anbieten müsse. Ein wesentlicher Hebel für mehr Komfort, Kundenfreundlichkeit und letztlich auch die Nutzung von E-GovernmentAngeboten liegt für Wolf im Portalverbund. “Der Portalverbund

Smart City Munich Reallabore mitten in der Stadt (BS/lkm) Für die Landeshauptstadt München ist Smart City ein großes Thema. Zur IT-Strategie Münchens gehört neben der IT-Optimierung, den digitalen Bürgerservices und offenen Verwaltungsdaten als weiteres Standbein die Stadtentwicklung zu einer Smart City. In Zusammenarbeit mit städtischen Gesellschaften wie den Stadtwerken München und Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft arbeitet die Stadt daran, innovative Konzepte u.a. in den Bereichen Energieeffizienz und vernetzte Mobilität zu erarbeiten und umzusetzen. verringern und die Nutzung erneuerbarer Ressourcen zu etablieren, die Daseinsvorsorge langfristig zu sichern und zu optimieren, die Überlebens-, Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit des Siedlungsraums zu stärken, eine transparente Entscheidungskultur und Wissensgesellschaf zu schaffen sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes dauerhaft zu erhalten oder zu erhöhen, mithin die Zukunftsfähigkeit des Siedlungsraums zu verbessern und dabei negative Folgen der Urbanisierung zu mindern oder zu vermeiden. Um dies zumindest in Teilen zu realisieren, müsste die Verwaltung experimentieren und mutig sein, be-

“Fangen Sie an, experimentieren Sie, seien Sie mutig”, riet Peter Onderscheka anderen Städten, damit auch dort Smart-City-Projekte ins Leben gerufen werden.

tonte Münchens IT-Experte. Ein ganz konkretes Projekt Münchens stellte Wolfgang Glock, Leiter der Stabsstelle E-

Government und Smart-City der Stadt München, vor. Hier werden in einem Projektgebiet in München, das als Reallabor ge-

nutzt wird, Laternenmasten mit Technologie und intelligenter Sensorik ausgestattet. “Wir wollen als Staat engagierten Unternehmen und Start-ups damit eine Plattform bieten, um Lösungen auszuprobieren”, erklärte Glock. Der geplante Lichtmast wird neben Licht unter anderem über WLAN, Umweltsensorik, Radar und Video verfügen. All die vom Lichtmast gesammelten Daten sollen auf einer SmartData-Plattform gespeichert werden. “Wir wollen Offenheit”, betonte Glock. Man halte sich deswegen an Standards, biete Schnittstellen an und ermutige zum Nachbauen und Replizieren. “Das alles natürlich unter der Maßgabe des Datenschut-

muss einen gemeinsamen Bauplan entwickeln, wie Verwaltungshandeln zukünftig strukturiert sein soll.” Das Angebot müsse so strukturiert und dargestellt sein, dass Bürger und Unternehmen sich darin leicht zurechtfänden und die Nutzer zudem den Eindruck gewönnen, dass das Angebot einen echten Mehrwert darstelle. Für Bauer kommt es dabei weniger darauf an, das Rad neu zu erfinden, sondern “die verschiedenen vorhandenen Bausteine zusammenzubauen”. Hier zeigte er sich unter Verweis auf Vorhaben wie KONSENS zuversichtlich: “Bund und Länder können etwas gemeinsam auf die Beine stellen.” Einen interessanten Aspekt zum Wandel der Rolle des Staates im Zuge der Digitalisierung brachte Everding in die Diskussion ein. “Bis jetzt repräsentiert der Staat den Bürger, zukünftig repräsentiert der Bürger den Staat.” Ein gutes Beispiel hierfür sei der Maerker Brandenburg. Auf dieser Plattform können die Bürger dem Staat etwa Straßenschäden oder defekte Straßenlaternen melden, übernehmen dadurch also gewissermaßen Aufgaben, die sonst von behördlichen Mitarbeitern zu erledigen wären. “Man muss neu denken”, forderte auch Bauer und berichtete, dass Audi bereits heute über das Unternehmenskonto tausende Autos elektronisch anmelde. Diese grundsätzliche Aussage wurde auf dem Podium ebenso begrüßt wie Walsers Satz vom Anfang der Diskussion: “Man muss nicht alle Möglichkeiten nutzen, welche die Digitalsierung bietet.” Das Austarieren dieser beiden Botschaften dürfte entscheidend für den Erfolg der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung sein.

Jetzt vormerken! 4. Zukunftskongress Bayern 31. Januar – 1. Februar 2018 Die Reden und Vorträge des Zukunftskongresses Bayern finden Sie unter: www.zukunftskongress.bayern

zes”, versicherte Glock. Besonders wichtig sei es bei solchen Projekten, Aufmerksamkeit zu erzeugen, um möglichst viele Menschen und kreative Denker zu aktiveren. Mit den Daten der intelligenten Lichtmasten lasse sich eine Vielzahl von Projekten und Ideen umsetzten. Als Beispiele nannte Glock u.a. die Messung von Temperatur, Feuchte, Emissionen, Schadstoffen, Straßenbelag, Informationen zum Verkehrsfluss als Basis für Optimierungen, Unterstützung bei der Suche nach einem freien Parkplatz oder auch einer E-Ladestationen, die verbesserte Wahl der Verkehrsmittel auch in Verbindung mit dem aktuellen Wetter, Lösungen rund um Sicherheit sowie “Gamification” mit dem Lichtmast. “Um diese Potenziale nutzbar zu machen, sind wir auf die Bürger, den Markt und innovative Unternehmen angewiesen, die die Informationen auch nutzen wollen”, betone der Smart-City-Experte.


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rof. Dr. Roman Beck vom Lehrstuhl für Informationsmanagement der IT-Universität Kopenhagen sprach dort über digitale Innovationen in der dänischen Verwaltung. Mit einer Vielzahl an Beispielen zeigte Beck, wie groß die Kluft hier zwischen Deutschland und Dänemark ist. So verfügt beispielsweise jeder dänische Bürger über ein sogenanntes Nemkonto, auf das alle staatlichen Leistungen gezahlt werden, von dem aber auch die Steuern abfließen. Bezahlt ein Bürger seine Forderungen an den Staat nicht, können diese auch vom Nemkonto zwangseingezogen werden. In Dänemark gibt es zudem schon seit zwölf Jahren 100 Prozent Breitbandausbau (zum derzeitigen Stand der Technik). Schon seit zehn Jahren gibt es in Dänemark die NemID, mit der die Bürger sich überall einloggen können. Sie ist verbindlich. Da die NemID schon so lange existiert, basiere sie nicht mehr auf dem aktuellsten Stand der Technik, habe aber dennoch viele Vorteile. Das diese Innovationen in Dänemark möglich seien, liege laut Beck zum einen daran, dass Dänemark direkt von einer Agrargesellschaft in eine Digitalisierungsgesellschaft gesprungen sei. Auch hätten die Dänen ein größeres Vertrauen in ihre Verwaltung, während in Deutschland viel Skepsis – Sichtwort Sicherheit und gläserner Bürger – herrsche. “In Dänemark kann ich mich sogar mit dem Handy von meiner Frau scheiden lassen, das ist in Deutschland undenkbar”, so Beck. Einen weiteren Unterschied machte der IT-Experte in der Herangehensweise der Verwaltungen aus. So beauftrage die Verwaltung in Dänemark Private, um Innovationen umzusetzen, während in Deutschland die Innovation in die Verwaltung kommen müsse. Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, sieht in der fehlenden Nutzerorientierung der Verwaltungsangebote einen weiteren Grund für die geringe Nachfrage nach digitalen

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eorg Eisenreich, Staatssekretär im Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, betonte, dass die digitale Bildung in den bayerischen Schulen einen wichtigen Stellenwert habe. Die Digitalisierung, so Eisenreich, biete eine Vielzahl von Chancen, aber auch Risiken. Der Blick auf die Risiken dürfte jedoch nicht dazu führen, die Chancen vergehen zu lassen. Mit der Digitalisierung im Bildungsbereich lasse sich beispielsweise vieles besser veranschaulichen. Für Menschen mit Behinderungen, Migranten oder auch Hochbegabte ließen sich mit der Digitalisierung Angebote und Lerninhalte besser individualisieren.

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Auf dem Schleichweg

auf der Bestandsaufnahme der Organisation sowie der IT-und Verwaltungsprozesse, der Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Einbeziehung aller Stakeholder durch (BS/Lora Köstler-Messaoudi) Deutschland hinkt beim E-Government im europäischen Vergleich deutlich hinter anderen Ländern hinterher. Wa- Workshops. Dies mündete am rum andere Länder hier schneller sind und welche technischen Möglichkeiten und Wege es gibt, die Online-Services der Verwaltungen für Bürger Ende in Empfehlungen für die Kommune mit einem Maßnahund Unternehmen attraktiver zu machen, war ein Thema auf dem Zukunftskongress Bayern. menkatalog, der Optimierungsansätze, ein gemeinsames Ziel staatlichen Dienstleistungen in und die Identifikation der notDeutschland. Sie kritisierte zuwendigen Schritte enthielt. Für dem, dass den Bürgern in vielen Kommunen, die nicht so viel Geld Verwaltungen sogar von der Nutfür Beratung in die Hand nehzung solcher Angebote wie beimen möchten, bietet init einen spielsweise der eID abgeraten “eGovReadiness-Check”, bei werde. Christian Bähr, Leiter des dem auf Basis von ErhebungsReferats für Grundsatzfragen und Bewertungsrastern sowie eides IT-Beauftragten, IT-Planem Workshop mit der Kommunungsrat, Rechtsfragen der IT im ne Handlungsempfehlungen erBayerischen Finanzministeristellt werden. um, erläuterte, dass man in Als weitere Beispiele für meDeutschland noch nicht die Bedienbruchfreie digitale Verwalreitschaft zu zentralen Lösungen tungsdienstleistungen stellte wie in Dänemark habe. Frank Jorga, Vorstand der FJD Nur digitale Fassade Information Technologies AG, Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, kritisierte die fehlende Nutzerorientierung der E-GovernGovOS (Governmental Operating ment-Angebote in Deutschland. Ganz anders hingegen das von Prof. Dr. Roman Beck vorgestellte Selbstverständnis In Dänemark wird aktuell die System) und den Standard XFall der dänischen Verwaltung zum Thema Digitalisierung: “Die digitale Verwaltung ist dort der Resonanzboden, auf dem Position des Digitalbotschafters vor. Mit GovOS können sämtliInnovationen gedeihen können.” geschaffen, der als Single Point of Fotos: BS/Dombrowsky che Verwaltungsverfahren onContact und Ansprechpartner line ausgefüllt, eingereicht und für Wirtschaft und Bürger agieren soll. Laut Bähr werden damit che Diskussion ist da in Däne- Stelzer, Referent für E-Govern- und bürokratiearme Verwal- bearbeitet werden. Die Behörde die richtigen Signale gesetzt. In mark viel weiter. Die Akzeptanz ment beim Bayerischen Städte- tungsprozesse umsetzten kön- bestimmt dabei, welche VerwalDeutschland habe man hinge- in der Bevölkerung ist dazu sehr tag, betonte dort, dass vor allem nen. Kuczera erstellte für die tungsleistungen sie den Bürgern gen den IT-Planungsrat, der all- unterschiedlich”, sagte Bähr. die Nutzung der digitalen Ange- Stadt Konstanz hierfür einen E- online beantragbar zur Verfüjährlich der Bundeskanzlerin ei- “Bevor bei uns ein Verfahren zum bote einfacher werden müsse. Government-Maßnahmenplan gung stellen will und wie die Unnen Bericht vorlege, ohne dass Einsatz kommt, werden sofort Neue Ansätze seien da notwen- vor, in dem verschiedene Maß- terlagen eingereicht werden solsich etwas dadurch verändern die unterschiedlichsten Miss- dig, wo sich zu komplizierte und nahmen wie die Einführung der len (signiert, mit elektronischem heftig veraltete Lösungen nicht durch- E-Akte, die Überprüfung der Personalausweis unterschriewürde. In Deutschland hätten brauchsmöglichkeiten E- ben oder ohne Überprüfung der sich zwar einige Länder einen diskutiert,” Im Ergebnis setzte setzen konnten. Als Beispiele Schriftformerfordernisse, Staatssekretär oder einen Refe- man viele Verfahren deshalb erst nannte Stelzer hier die qualifi- Mail-Verschlüsselung, die Post- Antragsteller). Nutzer von GovOS ratsleiter zum Thema Digitalisie- gar nicht um. Beck erläuterte in zierte Signatur, die eID des neu- eingangsdigitalisierung, ePayBL sind unter anderem das Land rung geleistet, das reiche jedoch diesem Zusammenhang, dass en Personalausweises und De- und andere detailliert mit einem Thüringen, mit dem Thüringer nicht aus. Das Thema müsse ins man in der dänischen Verwal- Mail. Zudem müsse auch das Zeitplan erfasst wurden. Flan- Antragssystem für VerwaltungsKanzleramt, sonst sei alles nur tung bewusst daran arbeite, Recht noch mehr E-Govern- kiert wurden die insgesamt zwölf leistungen (ThAVEL), sowie das eine digitale Fassade, so Bähr. mehr Menschen dazu zu bewe- ment-tauglich werden. Ein ers- Maßnahmen von einer Infokam- Land Niedersachsen mit dem “Wir brauchen einen IT-Weisen- gen die Online-Angebote zu nut- ter Schritt sei es, hier noch mehr pagne, der Optimierung der Niedersächsischen Antragssyrat – ähnlich den Wirtschaftswei- zen. “Wir üben hier sanften Formvorschriften abzubauen. Haushaltsplanung, der Konsoli- stem für Verwaltungsleistungen sen – der aus unabhängigen Wis- Druck auf den Bürger aus und Ferner mahnte Stelzer, die Zu- dierung der IT-Abteilung und der Online (NAVO). XFall, ein Intersenschaftlern besteht und me- machen das analoge Angebot sammenarbeit von Bund, Län- Einführung einer IT-Steuerung. operabilitäts-Standard für Andienwirksam Berichte vorlegt”, künstlich unattraktiv, beispiels- dern und Kommunen und den Läuft alles nach Plan, wird Kons- tragsdaten, erlaubt es Kommuweise über lange Warteschleifen Datenfluss im Backoffice zu ver- tanz bis 2023 die letzte Maßnah- nen, zentrale Services medienschlug der Referatsleiter vor. me, die flächendeckende Umset- bruchfrei zu nutzen, ohne bei ihbessern. Laut Bähr ist auch die Akzentu- am Telefon.” Angela Krämer, Professional zung elektronischer und me- ren Softwareanbietern Spezialierung bei der Digitalisierung der Consultant bei der init AG, und dienbruchfreier Antragsverfah- schnittstellen zu beauftragen Verwaltungsangebote in Zu kompliziert und zu alt Deutschland eine ganz andere Einem der größten Hemmnisse Christian Kuczera, Managing ren, umgesetzt haben. Für die und pflegen zu lassen. Der Stanals in Dänemark. “Bei uns ist das digitaler Verwaltungsdienstleis- Consultant im gleichen Unter- Nordrhein-Westfälische Stadt dard XFall ermöglicht die Verbinein zusätzliches Angebot, ohne tungen, den Medienbrüchen, nehmen, zeigten anhand von Bornheim entwickelte Krämer ei- dung von Landesportalen mit E-Government-Roadmap. den Fachverfahren der zuständidass man bereit ist, das Analoge widmete sich eigens ein Fachfo- zwei Referenzprojekten, wie ne abzuschalten. Die gesellschaftli- rum auf dem Kongress. Richard Kommunen medienbruchfreie Ein besonderer Fokus lag dabei gen Stellen.

Hindernisse deutscher E-Government-Praxis

Die Zukunft des Lernens und der Pflege

Facebook-Gruppen, in denen sich pflegende Angehörige austauschen, weil sie keine andere Chancen durch die Digitalisierung Plattform haben oder kennen”, (BS/Lora Köstler-Messaoudi) Bildung und Pflege sind zwei wichtige Sozialbereiche, in denen die Digitalisierung eine immer wichtigere Rolle so Neumann. Die Pflegestützspielt und die deshalb auch auf dem Zukunftskongress Bayern thematisiert wurden. Schüler und Lehrer müssen sich neuen Zukunftsaufgaben punkte der öffentlichen Veraltung, die hier eigentlich ein zenstellen, während in der Pflege der Digitalisierung vor allem eine unterstützende und vernetzende Aufgabe zukommt. traler Anlaufpunkt seien, kenne oft niemand. be, verändern werde: “Das Ziel, terfragen, auswählen, bewerten In der vernetzten Pflege der viunsere Kinder zu souveränen und auf deren Seriosität übertacare GmbH würden alle wichund mündigen Bürgern zu erzie- prüfen können. Auch werde sich tigen Akteure, wie der medizinihen, bleibt gleich.” Auch werde die Rolle des Klassenlehrers änsche Dienst, die Pflegestützes immer Schulen und Lehrer dern. Dieser werde stärker ein punkte, die Pflegekassen und geben. Eine reine Online-Schule Begleiter von Lernprozessen die JUUNA-Plattform, mit den werde es nicht geben “Die Per- werden. Pflegebedürftigen und deren AnIm Bereich der digitalen Bilsönlichkeitsentwicklung kann gehörigen vernetzt. In Ergänkein Computer oder das Internet dung sieht Eisenreich Bayern an zung sei für die Zukunft auch übernehmen”, betonte Eisen- der Spitze Deutschlands: “Wir Vernetzung mit Apotheken, machen hier mehr als alle andereich. Nachbarschaftshilfen, Pflegeren Bundesländer.” Beispielhaft Höhere Anforderungen an dienstleistern, Hilfsmittelliefenannte der Staatssekretär unter Medienkompetenz ranten und Weiteren angedacht. anderem die Medienbildung für Menschenbild bleibt “Satt und sauber kann in der Was sich aber ändern werde, Lehrer, die medienpädagogiPflege in Zeiten der DigitalisieEisenreich betonte, dass sich seien beispielsweise die Anfor- schen Fachkräfte, die Lehrer im rung nicht mehr der alleinige mit zunehmender Digitalisie- derungen an die Medienkompe- Schulalltag unterstützten, die “Satt und sauber kann in der Pflege in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr Anspruch sein. Es müssen auch der alleinige Anspruch sein”, betonte Frank Neumann, Geschäftsführer der rung in der Bildung aber nicht tenz. Man müsse heute und in Referenzschulen für Medienprosoziale und unterstützende Anvitacare GmbH. das Menschenbild, das man ha- Zukunft Quellen genauer hin- jekte, das digitale Landesmegebote wahrgenommen werden dienzentrum, den Medienfühkönnen”, betonte Neumann. Unrerschein Bayern sowie die Virtuelle Hochschule Bayern. Bay- sierung für die Bildung aufzeigHier könne die Digitalisierung terstützung liefere hierfür u.a. ern habe zudem jüngst eine Ver- te, machte Frank Neumann, Ge- helfen, das Wichtige vom Un- auch das JUUNA-Aufgabenmaordnung überarbeitet, die es er- schäftsführer der vitacare wichtigen, das Seriöse vom Un- nagement. Dieses könne mithilmögliche, nun auch digitale GmbH, auf die Chancen für die seriösen und das Kommerzielle fe der kostenlose Aufgaben-App Schulbücher einzusetzen. “Die Pflege aufmerksam. vom Nicht-Kommerziellen zu schnell und einfach in den Alltag integriert werden und biete Hilfe Schulbuchverlage müssen sich Der Anteil der Pflegebedürfti- trennen. darauf erst noch umstellen, bis gen sei in den letzten Jahren “Die Digitalisierung trägt dazu bei der Pflegeplanung sowie der wir hier entsprechende Angebo- stark angestiegen. Knapp zwei bei, Angebote zur Pflege zu de- Organisation innerhalb der Pflete auf dem Markt haben.” Beim Drittel der Pflegebedürftigen mokratisieren und Angehöri- gegemeinschaft. Die JUUNA-Themenbereiche Thema Ausstattung müsse man werde von Angehörigen zu Hau- genbelange zu berücksichtiaber noch schneller werden, se gepflegt. Die häusliche Pflege gen”, erläuterte Neumann. Die böten zudem einen situations“damit die, die wollen, voran- stehe dabei vor vielen Herausfor- Digitalisierung helfe, Geld ge- bezogenen Einstieg je nach indikommen und die, die nicht wol- derungen: der Vereinbarkeit von zielt in die richtige Richtung bzw. vidueller Pflegesituation. Der len, keine Ausrede mehr haben”, Pflege und Beruf, dem Fachkräf- die richtige Versorgung zu brin- Nutzer gelange schnell zu den erklärte Eisenreich. temangel im Pflegebereich, der gen. Hierbei unterstütze bei- benötigen Informationen, die in fehlenden Vernetzung in der spielsweise eine Plattform der vi- Form von bearbeitbaren CheckVernetzung in der Pflege Versorgungspraxis, und den tacare GmbH, die die unter- listen aufgebaut seien und dem “Wir machen in Bayern mehr als alle anderen Bundesländer”, hob Georg Eisenreich, Bayerns Bildungsstaatssekretär, auf dem Kongress hervor. Während Staatssekretär Eisen- Qualitätsunterschieden in der schiedlichen Akteure vernetze. pflegenden Angehörigen Orien“Es gibt zu diesem Thema viele tierung und Struktur böten. reich die Chancen der Digitali- Beratung.


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Schritt für Schritt

Ressourcen ausbauen und bündeln

Verwaltung macht sich auf den Weg in die Cloud

Mehr IT-Sicherheit durch Kooperation und Neugründung

(BS/gg) Für die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen IT wird es darauf ankommen, wie es ihr gelingt, Techno- (BS/rup/gg) Angesichts der wachsenden Bedrohung durch Cyber-Angriffe stellt sich die öffentliche Verwallogien wie Cloud Computing in ihre Prozesse einzubinden. Zwar steht die Cloud-Nutzung im Behördenbe- tung in Deutschland bei der IT-Sicherheit neu auf – in Bayern und darüber hinaus. reich noch am Anfang, doch diese Reise hat auch hier längst begonnen. Thomas Sigl, Leiter des Referats BayernServer, Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, stellte erste Ansätze und Strategieüberlegungen in den Rechenzentren IT-DLZ und RZ Nord vor und gab eine Reihe von Beispielen aus der Praxis. So wird dort mit der Lösung OwnCloud eine Austauschplattform – ähnlich wie Dropbox – betrieben. Die Cloud erlaube die Speicherung und den Austausch von Dateien in einer “private Cloud” sowie die Synchronisation mit lokalen Verzeichnissen, egal ob PC, Smartphone oder sonstigen Geräten. Auch das Freigeben von Dateien für mehrere Nutzer sei möglich. Aktuell gebe es eine sehr hohe Nachfrage des Services bei den Kunden, so Sigl. Die Erweiterung der internen Infrastruktur laufe. Eine weitere Anwendung sei die Service Desk Cloud. Hier werde nach dem Bausteinprinzip die gesamte Infrastruktur des Service Desks zu einer Applikation zusammengesetzt. Über den Service Katalog könne dem

Kunden eine anwenderspezifische Demo- oder Testumgebung zur Verfügung gestellt werden. Dieser habe dadurch die Möglichkeit, bereits in einer sehr frühen Projektphase mit dem künftigen System arbeiten zu können. Zukünftig soll auch die Microsoft-Anwendung Exchange 2016 in der Cloud betrieben werden. Die Umstellung läuft gegenwärtig. Insgesamt liegen die Voraussetzungen für Cloud Computing in den beiden Rechenzentren vor. “Der Einsatz von PrivateCloud-Lösungen hat begonnen und wird sich intensivieren”, erklärte Sigl. Auch würden Überlegungen zum Einsatz von PublicCloud- oder Hybrid Cloud-Lösungen angestellt, dies jedoch unter starkem Fokus auf Datensicherheit, Datenschutz und dem Gedanken der digitalen Souveränität. Zudem müsse auch die Wirtschaftlichkeit und Zweckerreichung hierbei kritisch betrachtet werden. “Ziel ist es, die unbestreitbaren Chancen der Cloud-Technologien auch in den staatlichen Rechen-

zentren zu nutzen und gleichzeitig der notwendigen staatlichen digitalen Souveränität gerecht zu werden.” Nicht nur auf der staatlichen Ebene, sondern auch bei den Kommunen ist man zwischenzeitlich auf dem Weg in die Cloud. Und teilweise auch schon drin, wie Reinhard Babl, IT-Verantwortlicher vom Landratsamt Cham, aufzeigte und den Teilnehmern Lösungen aus dem Bereich der Schulverwaltung und der Geoinformationen präsentierte. Auch für ihn steht fest: “Die Frage des “Ob” ist meiner Meinung nach schon geklärt. Entscheidend ist, wie wir Cloud Computing in der öffentlichen Verwaltung umsetzen.” Es sei an der Zeit, sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Dies tun naturgemäß auch die Anbieter von Cloud-Lösungen. So zeigten Jürgen Breithaupt von T-Systems und Thore Bahr, von SUSE Möglichkeiten auf, wie ihre Unternehmen die öffentliche Verwaltung bei ihrem Weg in die Cloud unterstützen können.

Den Blick für das Ganze Prozessmanagement in der Praxis (BS/lkm) Digitale Prozessmodernisierung ist mehr als nur die Elektrifizierung analoger Verfahren. “Die Digitalisierung verpufft, wenn man sie einfach auf die analoge Welt draufsetzt”, erklärte Prof. Dr. Manfred Mayer von der Mayburg Rechtsanwaltsgesellschaft. Zur Digitalisierung gehören daher immer auch Prozessmodernisierung und -optimierung. Deren praktische Umsetzung in der Verwaltung zeigte Annette Kirchner, Referatsleiterin Management für Prozesse und Service Orientierte Architektur (SOA) beim Deutschen Patentund Markenamt. Hier habe man in einem ersten Schritt Prozesse und Dienstleistungen identifiziert, die sich für den Bürger und die Behörde selbst am meisten lohnen, um schneller und besser zu werden. Hierauf folgten die Prozessbeschreibung, die Identifikation der fachlichen Dienste und Vorschläge zur Prozessoptimierung. Im zweiten Schritt, dem technischen Prozessdesign, folgte die technische Anreicherung der Prozesse, die Beschreibung technischer Dienste und letztendlich die Überführung in ein BPEL-Prozessdesign und das Design der technischen Basisarchitektur. “Wir haben viele Basisdienste eingeführt, die im ganzen Haus genutzt werden”, so Kirchner. Diese Workflowanwendung laufe seit 2011 sehr stabil und werde ständig weiterentwickelt. Wich-

tig sei hierbei vor allem die Sicht auf die gesamte Wertschöpfungskette anstelle einzeln herausgelöster Abläufe. Auch müsse das Prozessmanagement geeignet organisatorisch verankert werden, da es eine Aufgabe der gesamten Behörde sei, betonte die Referatsleiterin. Auch in Nürnberg beschäftigt man sich schon seit 2010 intensiv mit dem Thema Prozessmanagement. Kerstin Herzog vom Amt für Organisation, Informationsverarbeitung und Zentrale Dienste der Stadt Nürnberg, machte auf die Vorteile, die dadurch entstehen können, aufmerksam. So konnten mit Prozessmanagement in der Ausländerbehörde beispielweise 250.000 Euro Papierkosten eingespart werden. “Wir hatten auch deutliche Zeitgewinne zu verzeichnen. Diese haben uns in die Lage versetzt, die Flüchtlingssituation besser zu bewältigen”, so Herzog. Praktiker machten in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass Prozessmana-

gement trotz dieser Einsparungen in erster Linie immer eine Investition für die Kommunen sei. Vorteile ergeben sich hier primär für Bürger und Unternehmen, aber auch für Kommunen, denn am Ende verfügen diese über effiziente und transparente Prozesse. Einen Blick in die Zukunft des Prozessmanagements warf Nils Kiehne, Marktcenterleiter Public Sector der Mentana-Claimsoft GmbH. “Die Künstliche Intelligenz (KI) wird extrem wichtig”, so Kiehne. Dem IT-Experten zufolge könnten KIs in Zukunft darüber entscheiden, welches Dokument in welchen Workflow müsse und erkennen, um was für Dokumente (Rechnung, Kündigung, Antrag etc.) es sich handele, prüfen ob eine Schriftformerfordernis vorliegt und, falls, ja das Dokument direkt zur Signaturanforderung überstellen und später wieder in den Vorgang zurückführen. “Die Künstliche Intelligenz ist eines der großen Stichworte für die Zukunft der Digitalisierung”, so Kiehne abschließend.

Diskutierten über digitale Prozessmodernisierung (v.l.n.r.): Nils Kiehne, Mentana-Claimsoft GmbH, Kerstin Herzog, Stadt Nürnberg, Annette Kirchner, Deutsches Patent- und Markenamt, und der Moderator Prof. Dr. Manfred Mayer. Foto: BS/Dombrowsky

Dr. Andreas Mück, IT-Sicherheitsbeauftragter (CISO) des Freistaats, zeigte anhand einiger Zahlen die rasante Entwicklung auf, welche das Internet in den vergangenen rund 30 Jahren genommen hat. So wurde im Jahre 1984 die erste E-Mail in Deutschland empfangen, ein Jahr später die erste Domain der Welt (nordu.net) registriert und 1990 im Rahmen der CeBIT die ersten von der damaligen Bundespost zugelassenen Modems präsentiert. Im Jahre 1993 gab es weltweit gerade einmal 500 Webseiten, 15 davon In Deutschland. Zum Vergleich: Heute gibt es weit über eine halbe Milliarde Websites, weit über 100 Mrd. E-Mails täglich. Es gibt rund 2,5 Mrd. Internet-Nutzer und über eine Milliarde mobile Internet-Zugänge. Das tägliche Datenaufkommen im Internet wird auf ca. ein Exabyte (eine Mrd. Gigabyte) geschätzt. Trotz des enormen Sprungs bei der Nutzung basiere das Internet aber immer noch auf den Technologien der 80er-Jahre, erklärte Mück. Und weiter: “Das Internet ist aus seiner Historie heraus nicht auf Sicherheit, sondern auf Verfügbarkeit ausgelegt. Um angesichts des großes Bedrohungspotenzials ein Höchstmaß an IT-Sicherheit bei den Behörden von Bund, Ländern und Kommunen zu gewährleisten, habe sich der ITPlanungsrat des Themas angenommen und im Jahre 2013 eine Leitlinie für Informationssicherheit verabschiedet. Mit dieser solle ein ausreichendes Sicherheitsniveau auf den Netzen der Verwaltung, eine si-

chere, ebenenübergreifende Kommunikation von Fachverfahren und die gemeinsame Abwehr von Angriffen erreicht werden, so Mück. Bei der Umsetzung der Einzelmaßnahmen der Leitlinie, die Mück anhand eines Ampelsystems verdeutlichte, steht in der Zwischenzeit vieles auf Grün, etwa was den Aufbau der LandesCERTs angeht. Ein Vorhaben steht jedoch deutlich auf Rot: Die Erarbeitung eines Konzepts für die regelmäßige Bedarfsermittlung und gemeinsame Festlegung von Mindestsicherheitsanforderungen für sichere Produkte, Systeme und Verfahren mit dem Ziel, gemeinsame Basiskomponenten einzusetzen. Hier habe bislang noch keine Verständigung erzielt werden können.

LSI kommt Sicherheit will organisiert sein, daher hat der Freistaat Bayern beschlossen, ein eigenes Landesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (LSI) zu gründen. Anders als das Bundesamt soll es sich aber nicht mit Zertifizierungen von Produkten und der Entwicklung von Standards beschäftigen, sondern diese für die bayrische Landesverwaltung anwendbar machen und die Behörden des Freistaates beraten. Wolfgang Bauer, Leiter des Referates IT-Strategie, IT-Sicherheit, IT-Infrastruktur und RZ-Steuerung des bayrischen Finanzministeriums, zeigte sich zuversichtlich, ausreichend qualifiziertes Personal zu gewinnen, besonders auch deswegen, weil das Amt nicht

wie die neue Einheit ZITIS des BMI in München, sondern in der Region Nürnberg / Erlangen angesiedelt werden soll. Bayern war in der IT-Sicherheit aber schon weit früher einen selbstständigen Weg gegangen. Das Bayrische IT-Sicherheitscluster hatte vor Jahren mit dem Standard ISIS12 ein leicht handhabbares Instrument für Unternehmen, vornehmlich KMUs, aber auch kleinere Behörden geschaffen, das auch die anerkennende Segnung des ITPlanungsrates erhalten hatte. Auch dieses Jahr soll es wieder Fördermittel geben, die der Bezuschussung der Maßnahmen dienen, sagte Felix Struve, Projektleiter des IT-Sicherheitsclusters. Günter Junk, der CEO der Virtual Solutions, stellte mit PIM Secure eine Lösung für die sichere mobile Kommunikation vor, die kürzlich eine Zulassung des BSI für dienstliche Mails erhielt und auf Tablets wie Smartphones auf iOS- wie Android-Basis arbeiten kann. Dass zwischen den Datenschutzregelungen, insbesondere der noch umzusetzenden Datenschutzgrundverordnung der EU, und dem deutschen IT-Sicherheitsgesetz ein anspruchsvoller Handlungsbogen für Behörden und Unternehmen entstanden ist, führte Jens Westphal von der Unternehmensberatung msg aus. Viele, besonders Unternehmen, wüssten noch nicht, dass bei Vergehen gegen diese beiden Vorschriften auch saftige Geldstrafen drohten. Hier herrsche sehr großer Aufklärungsbedarf.

Wider die weißen Flecken Flächendeckender Breitbandausbau schreitet voran (BS/gg) Ein großes Thema der letzten Jahre war und ist in Bayern der flächendeckende Breitbandausbau. Hier wurden – dank umfänglicher staatlicher Förderung – große Fortschritte beim Schließen der sog. “weißen Flecken” gemacht. Doch den Kommunen stehen weitere Investitionen ins Haus. Nachdem das Thema Breitbandausbau (insbesondere im ländlichen Raum) am Beginn dieses Jahrzehnts in Bayern aufgrund einer komplizierten und schwer anwendbaren Förderrichtlinie nur schwer vorankam, hat der Freistaat Mitte 2014 “die Kurve bekommen” und ein bundesweit einmaliges Förderprogramm aufgelegt, in dem er den Kommunen insgesamt 1,5 Mrd. Euro Fördermittel für den flächendeckenden Breitbandausbau zur Verfügung stellt. Mit großem Erfolg. Aktuell befinden sich 96 Prozent der Gemeinden (1.979) im Förderverfahren, 1.416 davon haben bereits einen Bescheid erhalten. Insgesamt sind an die Kommunen bis dato rund 546 Mio. Euro Fördermittel geflossen. Hierdurch wurden bislang ca. 500 neue Breitbandnetze in Betrieb genommen, 570.000 Haushalte angebunden und über 25.000 Kilometer Glasfaserkabel verlegt. Durchschnittlich wurden die notwendigen Investitionen in den Kommunen dabei zu 78 Prozent vom Freistaat getragen. Diese Zahlen präsentierte Dirk Kleffel, zuständiger Referatsleiter im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Ungeachtet der beträchtlichen finanziellen Unterstützung lobte er ausdrücklich das große Engagement in den Kommunen, denn “Breitband funktioniert nur, wenn Staat und Kommunen gut zusammenarbeiten”. Diese gute Zusammenarbeit wollte auch Stefan Graf, als Di-

Stefan Graf vom Bayerischen Gemeindetag stellte eine Konzessionsabgabe beim Breitband zur Refinanzierung der kommunalen Investitionen in den Raum. Foto: BS/Dombrowsky

rektor beim Bayerischen Gemeindetag für Breitband zuständig, auch gar nicht in Abrede stellen. Dennoch befand er: “Mit den Kommunen zahlen die Falschen.” Immerhin habe der kommunale Finanzierungsanteil trotz der Fördermittel durch den Freistaat bislang mindestens 154 Mio. Euro betragen. Der Breitbandausbau sei jedoch seiner Ansicht nach eine gesamtstaatliche Aufgabe – wie etwa Post- und Telekommunikationsbereich. Die Breitbandversorgung habe sich in den letzten Jahren jedoch zu einer Aufgabe der freiwilligen Daseinsvorsorge der Gemeinden etwickelt. Kritik übte Graf zudem daran, dass die Kommunen seit dem letzten Jahr durch das Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) dazu verpflichtet sind, bei allen ganz oder teilweise öffentlich finanzierten Bauarbeiten “von Verkehrsdiensten” Glasfaserkabel mitzu-

verlegen, um den späteren Betrieb durch Telekommunikationsunternehmen zu ermöglichen. Graf hat hier u.a. verfassungsrechtliche Bedenken, da Aufgaben nicht durch Bundesgesetz auf die Kommunen übertragen werden dürften. Er sieht zudem Konflikte mit dem Grundsatz der Technikneutralität (Alternative etwa Mobilfunk 5G). Nicht zuletzt hält er dieses Vorgehen aber auch für volkswirtschaftlich zwiespältig, da die Mitverlegung zwar in der Regel sinnvoll sei, jedoch die Netzbetreiber die öffentliche Hand durch Verweigerung des eigenwirtschaftlichen Ausbaus zum Infrastrukturausbau zwingen könnten. Anders als etwa im Energiebereich fehle es den Kommunen zudem an einer generellen Refinanzierungsmöglichkeit ihrer Breitbandinvestitionen. Daher könne man durchaus die Einführung einer Konzessionsabgabe in Erwägung ziehen, so Graf.


CeBIT 2017

Behörden Spiegel / Februar 2017

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ehörden Spiegel: Welches sind die Highlights der diesjährigen CeBIT?

Digitalisierung erlebbar machen

Frese: Die CeBIT 2017 wird die Digitalisierung für unsere Besucher erlebbar und greifbar machen, indem sie alle wichtigen Trends aufgreift und anhand von ganz konkreten Beispielen präsentiert. Drohnen, humanoide Roboter, künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge, Virtual Reality und viele völlig neue Geschäftsmodelle. Insbesondere für den Besucher, der in einer Stadt oder Kommune Verantwortung trägt, werden konkrete Beispiele zur vernetzten und smarten Stadt gezeigt. Und natürlich geht es auch in diesem Jahr um Soft- und Hardware, die jedes Unternehmen oder auch jede Verwaltung braucht, um effizienter zu arbeiten oder um den Service für die eigenen Kunden und Bürger weiter zu verbessern.

CeBIT 2017 will Besuchern mehr Orientierung bieten

Behörden Spiegel: Was gibt es an interessanten Neuerungen für die Besucher? Frese: Wir legen sehr viel mehr Wert darauf, dem Besucher noch mehr Orientierung zu bieten. Das ist ja einer der wesentlichen Mehrwerte, die eine internationale Leitveranstaltung wie die CeBIT bieten kann. Denn wir haben in den vergangenen Jahren die Erfahrung gemacht, dass geführte Touren über das Messegelände, nach einzelnen Themenbereichen aufgeteilt, sich immer stärkerer Beliebtheit erfreuen. Deshalb haben wir das Programm genau an dieser Stelle deutlich ausgebaut. Und das machen wir auch digital. Wir nehmen den Besucher ein Stück weit an die Hand – und erleichtern ihm damit, genau die relevanten Themenfelder zu finden, die er für die digitale Transformation seines Unternehmens oder der Behörde benötigt. Ganz wichtig dabei ist die digitale Tour “Discover d!conomy”, die 25 ganz konkrete Anwendungen zeigt. Da ist für jeden was dabei, der sich die Frage stellt, wie sich Verwaltung oder Unternehmen angesichts der digitalen Transformation aufstellen müssen. Übrigens, zum Thema Orientierung gehört auch, dass wir noch einmal in die Qualität unserer Foren in den Messehallen investiert haben. Ich kann nur jedem empfehlen, sich die Programme genau anzuschauen, denn wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor wenigen Tagen geschrieben hat: Die CeBIT wird zum Weiterbildungsprogramm. Behörden Spiegel: Japan ist das diesjährige CeBIT-Partnerland. Welche Impulse erwarten Sie sich durch diese Kooperation? Frese: Japan ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt und eines der reichsten Länder der Erde und verfügt über eine breit aufgestellte, technologisch hoch entwickelte und stark exportorientierte Wirtschaftsstruktur. Nun steht das Land – und das hat die dortige Politik auch erkannt – vor einer ähnlichen Herausforderung wie die deutsche Wirtschaft. Die Transformation einer stark industrieund hardwaregeprägten hin zu

(BS) Wenn die CeBIT 2017 vom 20. bis 24. März in Hannover ihre Pforten öffnet, werden wieder rund 3.000 Aussteller den Besuchern digitale Innovationen präsentieren. Über Highlights und Neuerungen, das diesjährige Partnerland Japan, den Public Sector Parc, aber auch die Abgrenzung zur Hannover Messe sprach der Behörden Spiegel mit Oliver Frese, für die CeBIT zuständiger Vorstand des Veranstalters Deutsche Messe AG. Die Fragen stellte Guido Gehrt. einer digital getriebenen Wirtschaft. Ich denke, dass sowohl Japan von Deutschland und Europa, aber auch wir von Japan lernen können. Auf jeden Fall ist die japanische Gesellschaft sehr technologieaffin, die Forschung in den unterschiedlichsten Bereichen weltweite Spitze. Das werden auch die 120 Unternehmen zeigen, die aus Japan in diesem Jahr auf der CeBIT sein werden. Und auch im Konferenzprogramm wird das Partnerland sehr präsent sein. Behörden Spiegel: Die Digitalisierung ist längst kein Spezialistenthema mehr, sondern hat mittlerweile alle Bereiche des Lebens – so auch die Wirtschaft – erreicht. Wir leben gewissermaßen am Übergang in das 4.0-Zeitalter. Wie trägt die CeBIT diesem Rechnung, insbesondere in Abgrenzung zu Veranstaltungen wie der Hannover Messe? Frese: CeBIT und Hannover Messe sind ein wenig wie Bruder und Schwester. Und sie haben völlig unterschiedliche Aufgaben. Während bei der Hannover Messe die industrielle Produktion und damit auch die Zukunft der Energie im Zentrum steht, dreht sich die CeBIT um alle Fragen der Digitalisierung außerhalb der Fabrikhalle. Sie ergänzen sich daher ganz hervorragend. Die CeBIT hat ja für sich den Anspruch, Plattform für die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft zu sein – und sie erfüllt ihn auch. Die Aussteller zeigen, was eine Verwaltung oder ein Unternehmen braucht, um die richtigen Schritte in der digitalen Transformation zu unternehmen. Und wir liefern gesellschaftliche und sogar politische Anstöße. Die Europäische Union und die Bundesregierung sind mit facettenreichen Aktivitäten vertreten. Mindestens fünf Bundesminister tauschen sich mit den führenden Köpfen der Digitalwirtschaft in kleinen Runden auf der CeBIT aus. Ray Kurzweil spricht auf den Global Conferences, der weltweit profilierteste Wissenschaftler im Bereich künstliche Intelligenz. Holger Münch, Chef des Bundeskriminalamtes spricht über Cybercrime, Verbrechensbekämpfung und Terrorgefahren im Netz. Und Edward Snowden wird wieder aus Moskau zugeschaltet. Die CeBIT bietet also die beste Plattform, um eine digitale Zukunft von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft zu verstehen, zu diskutieren und zu gestalten. Behörden Spiegel: Auch in der öffentlichen Verwaltung ist die Digitalisierung in vollem Gange. Die CeBIT trägt diesem bereits seit Jahren mit dem Public Sector Parc Rechnung. Was können die Besucher hier in diesem Jahr erwarten?

MELDUNG

Behörden Spiegel auf der CeBIT 2017 (BS/gg) Der Behörden Spiegel wird auf der diesjährigen CeBIT auch wieder mit einem eigenen Messestand im Public Sector Parc (Halle 7/A13) vertreten sein. Interessenten sind herzlich eingeladen, sich dort über die zahlreichen Produkte der Behörden Spiegel-Gruppe zu informieren oder mit den Mitarbei-

tern über verschiedene IT-Modernisierungsthemen zu diskutieren. Zudem wird es auch in diesem Jahr erneut eine tägliche Sonderausgabe des E-GovernmentNewsletters geben, in der von der Messe insbesondere über die für die öffentliche Verwaltung relevanten Themen berichtet wird.

Oliver Frese ist Vorstand der Deutschen Messe AG, die vom 20. – 24. März 2017 in Hannover die diesjährige CeBIT ausrichtet. Foto: BS/Deutsche Messe

Frese: Der Public Sector Parc in Halle 7 ist Kernbestandteil der CeBIT und seit Jahren ein Erfolgsmodell. Das gelingt nur, weil wir zusammen mit engagierten Partnern die relevanten Themen aus den Verwaltungen in den Fokus rücken. Begleitet

wird die Ausstellung von Konferenzen, Showcases und Diskussionsrunden. 2017 hat der Public Sector Parc auch neues zu bieten: Neben Infora als neuem Partner für die Programmgestaltung der Foren “Public Sector Parc” und “Marktplatz Kommu-

ne” wird das Ausstellungsprogramm um den Schwerpunkt “Smart City” erweitert. Weitere Anregungen verspricht die Roadshow der Deutschen Energie-Agentur “Intelligente Stadt 2017 – von der intelligenten Beleuchtung zur Smart City”. Zum vieldiskutierten Thema auf der CeBIT werden sicherlich die Aktivitäten des IT-Planungsrates der Bundesregierung. Im Vordergrund stehen das Föderale Informationsmanagement (FIM) und der Governikus MultiMessenger (GMM). Ziel des FIM-Projekts ist die Harmonisierung der Informationen zu Verwaltungsvorgängen zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Der Governikus MultiMessenger soll als Multikanal-Lösung für die sichere Kommunikation zwischen Verwaltung, Unternehmen und

Bürgern die technisch und juristisch einwandfreie Verarbeitung aller elektronischen EinschreibZustelldienste gewährleisten. Behörden Spiegel: Nach einer Reihe von Verkürzungen der Dauer der Messe hat sich die CeBIT in den vergangenen Jahren bei fünf (Wochen-)Tagen eingependelt. Werden Sie dieses auch absehbar beibehalten oder denkt man aktuell wieder über Veränderungen nach? Frese: Wir denken immer und kontinuierlich über Veränderungen nach. Die CeBIT ist die weltweit wichtigste Plattform für die Digitalisierung von Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft. Damit gestalten wir als Deutsche Messe eine Plattform für die schnellste aller Branchen – für die digitale Wirtschaft. In einer Branche, wo die Innovationszyklen eher in Wochen denn in Monaten gezählt werden, muss sich die Leitmesse diesem Tempo anpassen. Das ist zugegeben nicht immer einfach, aber dass wir auf dem richtigen Weg sind, wird die CeBIT 2017 eindrucksvoll unter Beweis stellen.


Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Was haben Sie aus Ihrer früheren beruflichen Lebenserfahrung mitgenommen, das Ihnen bei Ihrer jetzigen Aufgabe helfen könnte? Smentek: Ich habe keinen Lebenslauf, wo ich von der Ausbildung bis zum heutigen Tag beim gleichen Unternehmen beschäftigt war, sondern habe vieles gemacht. Durch die Ausbildung zur Bank- und Diplomkauffrau habe ich ein gutes Verhältnis zu Zahlen, Daten und Fakten. Und aus meiner 20-jährigen Berufstätigkeit als Organisationsberaterin habe ich ein gutes Verständnis für komplexe Aufgaben, an denen viele Personen mit unterschiedlichen Interessen zusammenarbeiten müssen. Das wird mir jetzt bei der Umsetzung des E-GovernmentGesetzes helfen. Ich habe auch jahrelang Berliner Verwaltungen beraten, dadurch konnte ich mir ein gutes Netzwerk zu allen Ebenen aufbauen, was mir jetzt auch stark hilft. Behörden Spiegel: Sie haben die Berliner Verwaltung als Beraterin quasi von der anderen Seite kennengelernt. Was haben Sie dabei für Erfahrungen gemacht? Smentek: In jedem Projekt habe ich gemerkt, dass es unglaublich viele engagierte und motivierte Mitarbeitende gibt. Die Erfahrung mache ich auch jetzt wieder, hier in der Innenverwaltung. Und dann gibt es besondere Rahmenbedingungen in der öffentlichen Verwaltung. Alles was wir tun, finanzie-

Behörden Spiegel / Februar 2017

Mittendrin in den ersten 100 Tagen Interview mit Berlins erster IKT-Staatssekretärin Sabine Smentek (BS) Mit Sabine Smentek hat Berlin erstmals eine Staatssekretärin ausschließlich für die Aufgaben der Verwaltungs-IT. Carsten Köppl sprach mit ihr über ihre Erfahrungen mit der Berliner Verwaltung, welche ersten Projekte sie sich vorgenommen hat und wie die zukünftige IT-Steuerung und das zentrale IT-Budget aussehen werden. ren wir aus Steuergeldern. Dafür gibt es spezielle Regeln, anders als in der Privatwirtschaft. Als Unternehmerin, also als Kundin der Verwaltung, hat es mich geärgert, dass ich für ein Angebot zu einem größeren Beratungsprojekt ein Führungszeugnis beantragen musste. Dafür musste ich damals noch regelmäßig zum Bürgeramt. Wenn Sie so wollen, die frühe Motivation für diese Aufgabe.

“Ich kann nur jede IT-Fachkraft bestärken, sich bei uns zu bewerben.” Sabine Smentek will die Berliner IT-Landschaft von einem Flickenteppich in einen Hochflor verwandeln. Dafür hat sie einige Aufgaben vor sich. Foto: BS/SenInn Berlin

Behörden Spiegel: In Berlin wurde nun erstmals ein Staatssekretärsposten ausschließlich für IKT eingerichtet. Welche Vorteile hat das?

Behörden Spiegel: Neben Ihnen, der IKT-Staatssekretärin, gibt es in der Wirtschaftssenatsverwaltung einen Digitalstaatssekretär. Wie ist die Aufgabenverteilung geregelt?

Smentek: Die Entscheidung war überfällig, weil die BerlinerIKT jetzt von einer Behörde und einer Person, der Staatssekretärin, gesteuert werden kann. Von großem Vorteil ist, dass im Berliner E-Government-Gesetz nicht nur steht, dass es diese Position gibt, sondern auch, welche Befugnisse damit verbunden sind. Meine Kompetenzen sind sehr klar beschrieben. Ich setze als Person die Regelungen für die IKT-Architektur im Land Berlin fest. Und wir müssen gefragt werden, wenn andere Verwaltungen IT-Fachverfahren einsetzen, damit wir die Kompatibilität sicherstellen können.

Smentek: Es gibt sogar noch einen Dritten im Bunde: Der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, ist für Netzpolitik, Digitalisierung im öffentlichen Raum zuständig und für Partizipation und Beteiligung. Wir haben schon alle miteinander über die Abgrenzung der Aufgaben gesprochen, was gut möglich ist. Ich bin für alles verantwortlich, was IT in der Verwaltung angeht, die aber auch Bürgern zugute kommt. Staatssekretär Christian Rickerts von der Wirtschafsverwaltung verantwortet das Thema Digitalisierung als Wirtschaftsförderung. Interessant wird, dass wir

beide auf die gleichen Unternehmen treffen, nur mit einer anderen Ausrichtung. Wir haben versprochen, uns darüber regelmäßig auszutauschen. Behörden Spiegel: Was haben Sie sich für die ersten 100 Tage vorgenommen? Smentek: Nach sieben Wochen bin ich schon mittendrin in den ersten 100 Tagen. Derzeit bereiten wir den IKT-Lenkungsrat vor, der mich bei allen Fragen rund um die Umsetzung des E-Government-Gesetzes und Verwaltungsmodernisierung berät. Dort werden Staatssekretärinnen und Staatssekretäre der Senatsverwaltungen, die sehr viel mit IT zu tun haben, und alle Bezirke zusammenkommen. Die erste Sitzung wird Ende Februar stattfinden und wir werden Standards, zum Bei-

spiel zur Geschäftsprozessoptimierung oder Einführung der E-Akte, diskutieren. Ich bin stolz, dass es mir gelungen ist, mehr als die Hälfte der Bezirksbürgermeisterinnen und -bürgermeister für das Gremium zu gewinnen. Das zeigt, wie wichtig das Thema IKTSteuerung ist. Ich habe zwar das Recht, Festlegungen zu IKT-Fragen zutreffen, aber an der Umsetzung des E-Government-Gesetzes müssen wir alle zusammenarbeiten. Ein zweites 100-Tage-Projekt ist die weitere Optimierung der Bürgerämter, jetzt wo genügend Personal in den Bezirken vorhanden ist. Mein Ziel ist es, dass wir schon in diesem Jahr weitere Online-Anwendungen starten. Behörden Spiegel: Gibt es erste Prozesse, die digitalisiert werden sollen? Smentek: Damit beschäftigt sich gerade eine Projektgruppe. Da geht es nicht nur um die Fragen von Onlineprozessen, sondern auch, wie Arbeitsabläufe weiter zu optimieren sind, sodass Bürgerinnen und Bürger ihr Anliegen noch schneller erledigen können. An der Projektgruppe sind fünf Bezirke beteiligt. Die Zusammensetzung wird der Rat der Bürgermeister festlegen und dann geht es los. Behörden Spiegel: Was sind für Sie die wichtigsten Punkte des E-Government-Gesetzes? Smentek: Wir wollen in den nächsten fünf Jahren die ITLandschaft der Berliner Landesverwaltung von einem Flickenteppich in einen wunderbaren Hochflor verwandeln. Das bedeutet, dass wir alle verfahrensunabhängigen Prozesse und die IT-Infrastruktur zentral beim ITDZ anbinden werden. Das notwendige Geld wird in einem zentralen Kapitel des Haushaltsplanes bei mir in der Innenverwaltung angesiedelt. Das ist handwerklich nicht ganz einfach, denn im Augenblick ist das Budget bei jeder Senatsverwaltung und jedem Bezirk verteilt. Daneben ist mir das Thema Open Data, also der freie Zugang zu veröffentlichungsfähigen Daten, wichtig. Die Berliner Verwaltung verfügt über so viele Informationen. Wenn es uns gelingt, dieses anwenderfreundlich für Unternehmen und Bürger nutzbar zu machen, dann ist das ein echter gesellschaftlicher Gewinn. Auch steht die Einführung der E-Akte bis 2023 im E-Government-Gesetz. Allerdings steht in der Koalitionsvereinbarung auch der weise Satz, dass wir die Terminfestlegungen des E-Government-Gesetzes noch einmal auf Machbarkeit überprüfen. Es nützt nichts, Erwartungen zu wecken, die nachher nicht eingehalten werden. Behörden Spiegel: Sie hatten das zentrale IT-Budget angesprochen. Wie hoch ist das und wie wird es dann verteilt? Smentek: Die genauen Verfahren werden gerade zwischen den Verwaltungen, im Rahmen des Doppelhaushalts 2018– 2019, vorbereitet. Die Finanzen werden dann von uns zentral verwaltet, aber die Verwaltungen werden wissen, wie viel Geld ihnen daraus zur Verfügung steht. Ich will ein transpa-

rentes Verfahren. Im Augenblick gibt es im Berliner Landeshaushalt für verfahrensunabhängiges IKT ein Budget von etwa 110 Millionen Euro im Jahr. Wir gehen davon aus, dass der Einzelplan 25, so wird er heißen, bis 2023 verdoppelt wird. Wir wollen hier weiter investieren. Wir hoffen darüber hinaus auf Projektmittel aus einem Sonderinvestitionstopf in Höhe von etwa 70 Millionen Euro. Dies ist aber zunächst beantragt und steht noch nicht fest. Behörden Spiegel: Das ITDZ wird durch das E-GovernmentGesetz gestärkt und zum zentralen IT-Dienstleister. Welche Schwerpunkte sehen sie bei der Weiterentwicklung des ITDZ? Smentek: Als IKT-Staatssekretärin bin ich auch gleichzeitig Verwaltungsratsvorsitzende des ITDZ. Dadurch ist die Anbindung der IKT-Steuerung im Land Berlin an das ITDZ als zentralem Dienstleister gewährleistet. Die gesamte verfahrensunabhängige IKT soll vom ITDZ betrieben werden. Das ITDZ bereitet sich gerade auf diesen sogenannten Anschlusszwang vor – eine riesige Herausforderung. Denn mit der Zentralisierung soll die Leistung ja auch besser werden. Das muss das ITDZ stemmen. Dazu braucht es Geld und Personal. Wir gehen davon aus, dass sich in den nächsten fünf bis sechs Jahren das Personal beim ITDZ verdoppeln wird, von derzeit 600 auf über 1.000 Beschäftigte. Zu einem gewissen Teil werden dass die IT-Fachkräfte sein, die derzeit noch dezentral in den Bezirken und Senatsverwaltungen arbeiten. Allein das ist schon eine echte Organisationsentwicklungsaufgabe. Behörden Spiegel: Nicht nur das ITDZ wird sich personell vergrößern, auch Ihre Abteilung IKT-Steuerung wächst… Smentek: Ja, das ist richtig Dafür brauchen wir nicht nur IT-Fachkräfte, sondern auch gute Projektleitungen und Verwaltungsangestellte – ein Mix aus unterschiedlichen Berufen. Derzeit arbeiten rund 20 Mitarbeitende in einem Referat der Innenverwaltung. Wir bauen daraus nun eine Abteilung mit rund 60 Beschäftigten auf. Behörden Spiegel: Wie soll die IKT-Steuerung in Zukunft konkret aussehen? Smentek: Das ganze Thema Vereinheitlichung der Standards, sowohl verfahrensunabhängig als auch fachverfahrensbezogen, wird zentral über diese Abteilung gesteuert. Das bedeutet, dass diese Abteilung bei allem, was in Berlin in Sachen IKT passiert, mitwirkt und auf die Standards achtet: von den technischen Standards über die IT-Sicherheitsstandards bis hin zur Wirtschaftlichkeit. Das passiert in ständiger Abstimmung. Übrigens auch die Weiterentwicklung dieser Standards. Wir haben jetzt IKT-Architekturstandards, aber ich bin mir sicher, dass diese in drei Jahren anders aussehen. Gleichzeitig müssen die zahlreichen Projekte, die es braucht, damit es tatsächlich zu einer Vereinheitlichung der IKT kommt, gesteuert und geleitet werden. Das wird auch in dieser Abteilung passieren – viele spannende Aufgaben. Hierfür werden wir viele Stellen ausschreiben: Ich kann nur jeder IT-Fachkraft, die sich da berufen fühlt, darin bestärken, sich bei uns oder beim ITDZ zu bewerben.


ÖFIT

Behörden Spiegel / Februar 2017

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Monatliche Themenseite in Kooperation mit:

KOMPETENZZENTRUM ÖFFENTLICHE IT (ÖFIT)

Februar 2017 beim Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme

Die Zukunft des Internets Die Vernetzung der Verwaltung muss mit der Entwicklung des Internets und seiner Nutzung Schritt halten.

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mmer mehr soll “über das Internet“ machbar sein – sei es das Arbeiten mit gemeinsamen Datenbeständen in der Cloud oder die Ampelsteuerung in der Smart City. Gleichwohl wollen wir weder Ampeln noch gar Kernkraftwerke dem beliebigen Zugriffsversuch von außen aussetzen. Vernetzung wird oft vereinfachend mit dem öffentlichen Internet gleichgesetzt und das Internet wiederum als homogene, schrankenlose Infrastruktur dargestellt. Leicht übersehen wird dabei, dass die Netzstrukturen weit differenzierter und keinesfalls alle vernetzten Systeme erreichbar sind: im lokalen Behördennetz hat man Zugriff auf andere Dienste als im öffentlichen Internet oder gar im Netz einer anderen, über das Internet erreichbaren Behörde. Die Einfachheit und Flexibilität der Internettechnik und die Offenheit des Internets sind Basis für Innovation und Wettbewerb. Aber neue Funktionen der Netzebene, z. B. zur Sicherstellung von Videoqualität in einem offenen Netz, sind weltweit nur schwer einzuführen. Je breiter die Technologie Anwendung findet, desto mehr Akteure müssten Funktionsänderungen auf der Netzebene umsetzen. Der Erfolg des Internets lähmt hier seine Weiterentwicklung. Bei der Nutzung anspruchsvoller An-

wendungen sind oft eine garantierte Übertragungsqualität oder ein besonderes Schutzniveau notwendig, die heute nicht immer und überall erfüllt werden. Da vom Internet insgesamt keine umfassenden Qualitätssteigerungen zu erwarten sind, werden je nach Anwendungsfall unterschiedliche technische und organisatorische Netzausprägungen benötigt. Der technischen Weiterentwicklung der Vernetzung insgesamt sowie der Optimierung der Technologie im vorgegebenem Rahmen widmen sich sowohl die Forschung als auch Netzbetreiber, Internet Service Provider und große Anbieter internetbasierter Dienste. In der Forschung lassen sich grob zwei Future-Internet-Ansätze unterscheiden: Die Weiterentwicklung der Netze auf Basis bestehender Architekturen und die Einführung eines radikal neuen Ansatzes, der mit den bestehenden Netzwerkprinzipien bewusst bricht. Eine Auseinandersetzung mit der Forschung zum Future Internet ist also bereits alleine deshalb lohnend, weil sie ungewohnte Sichtweisen auf Netze und die Informationsverarbeitung bietet. Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Derzeit steht eine IP-Adresse sowohl für den Ort als auch die Identität eines vernetzten Geräts. Eine Trennung von Orts- und Identitätsbezug der Adresse ermöglicht mehr Flexibilität zur Unterstützung von Mobilität und Portabilität – sowohl von Endgeräten und Servern als auch von ganzen Netzen. Heute schon genutzte Techniken wie Netzwerkvirtualisierung und Software-

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emäß dem nun zwischen den Ressorts abgestimmten Rechenzentrumskonsolidierungsplan sind folgende Behörden bzw. Einrichtungen für eine Betriebskonsolidierung im Jahr 2017 vorgesehen: • Bundesanstalt für Kartographie und Geodäsie (Projekt bereits gestartet), • Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (Projekt bereits gestartet), • Bundeszentrale für politische Bildung (Projekt bereits gestartet), • Hochschule Bund (inkl. BAköV), • Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, • Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Für folgende Behörden wird 2018 die Konsolidierung ihrer IT-Betriebe beginnen: • Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, • Bundesministerium des Innern, • Luftfahrt-Bundesamt, • Bundesanstalt für Straßenwesen, • Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, • Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, • Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, • Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter: Aschaffenburg, Berlin, Bingen, Brandenburg, Braunschweig, Bremen, Bremerhaven, Brunsbüttel, Cuxhaven, Dresden, DuisburgMeiderich, Duisburg-Rhein, Eberswalde, Emden, Freiburg, Hamburg, • Wasserstraßen-Neubauämter: Aschaffenburg, Berlin, Datteln. Darüber hinaus wird derzeit

Wie auch immer das “Future Internet“ aussieht, es wird auch Auswirkungen auf die Verwaltungs-IT haben. Foto: BS/jpeter2, Pixabay.com

defined Networking erlauben einen flexiblen und automatisierten Betrieb von Netzen. Die dadurch mögliche feingranulare Steuerung trägt zur Optimierung von Leistung, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit bei. Eine globale Einigung über eine neue Art der Vernetzung, wie sie für die Umsetzung radikaler Vorschläge der FutureInternet-Forschung erforderlich wäre, ist schwer vorstellbar. Inkrementelle Anpassungen und Druck tragen jedoch zu einem Wandel bei. Dieser mündet derzeit darin, dass im öffentlichen Internet • Daten und Dienste auf von vielen Orten aus zugreifbare, logisch zentrale Server (z. B. “in die Cloud“) verlagert werden, • Server, auf denen Daten, Dienste oder Verarbeitungskapazität verteilt bereitgehalten werden (z. B. in Form von Content Delivery Networks), räumlich nah an den Endnutzern installiert werden, bspw. um trotz geografisch verteilten Zugangs die Reaktionszeiten zu verkürzen,

• weitere öffentliche Netze mit dem Internet verbunden werden und mehr und mehr Dienste Internettechnik durchgängig nutzen (IP-Telefonie, Fernsehen usw.), • Plattformen und Ökosysteme entstehen, die teils bereits ihre eigenen Übertragungsstrecken und Zugangsnetze betreiben und für ihre Nutzer zum “Pförtner“ für das Internet werden, z. B. ausgehend von Suchmaschinen oder Sozialen Netzen, • nicht-öffentlich genutzte Übertragungsstrecken und reservierte Kontingente auf gemischt genutzten Leitungen zunehmen, z. B. unter Einsatz von MPLS-Technik oder Network Slicing. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Verwaltungsvernetzung? Die vielfältigen Anforderungen an Netze sind teilweise widersprüchlich, wenn beispielsweise die Kommunikation stark verschlüsselt, zentral auf unzulässige Inhalte überprüften und gleichzeitig ausreichend flüssige Sprach- und Videoqualität erreicht werden soll. Deshalb

braucht hochwertige, sichere Kommunikation mehrere parallele Infrastrukturansätze. Das reicht von der Trennung von rechnerverarbeiteten Daten und Sprachdaten bis zur Anbindung eines Rechenzentrums an Netze unterschiedlichen Sicherheitsniveaus. Die logische Zentralisierung von Daten und Diensten bei gleichzeitig mehrfacher Bereitstellung in Nutzernähe ist ein Ansatz, der angesichts steigender gemeinschaftlicher Nutzung von Daten und Diensten an Bedeutung gewinnt. Ebenso ist IP-Telefonie bis zu den Geräten der Behördenmitarbeiter ein Thema, das schon wegen des “Aussterbens“ herkömmlicher Technik angegangen werden muss. In Behörden können WLANGästenetze für den Publikumsverkehr und für die private Kommunikation der Mitarbeiter helfen, Wildwuchs und “Hintertüren“ und damit Sicherheitsrisiken zu vermeiden. Mit eigenständigen, getrennten Verwaltungsnetzen, dem übergreifenden Verbindungsnetz und dem öffentlichen Internet, die alle durchgängig auf Internettechnik basieren, sowie mit der zunehmenden Nutzung zentraler Rechenzentren stehen die Bausteine einer leistungsfähigen und flexiblen Verwaltungsinfrastruktur bereit. Bei Diensten zur sicheren und vertrauenswürdigen Kommunikation mit Wirtschaft und Bürgern über das Internet besteht allerdings Nachholbedarf. Mehr zu diesen und anderen Themen findet sich in den ÖFIT-Publikationen: www.oeffentliche-it.de/publikationen.

32 Behörden bis Ende 2018 Fahrplan der IT-Konsolidierung Bund konkretisiert sich (BS/Carsten Köppl) Am 19. Januar hat der IT-Rat des Bundes die weiteren Behörden zur Betriebskonsolidierung zur Kenntnis genommen. Demnach werden im Jahr 2017 und 2018 insgesamt 32 Behörden in das ITZBund konsolidiert. Auch plant das Bundesministerium des Innern, eine Programmorganisation aufzubauen, die die Behörden bei der Konsolidierung berät. zwischen der Gesamtprojektleitung, der BWI IT GmbH, dem ITZBund und den Ressorts abgestimmt, welche Behörden als Pilotvorhaben zur BWI konsolidiert werden könnten.

Programmorganisation als Berater Allein die Zahl der zu konsolidierenden Behörden ist eine Mammutaufgabe. Um das Ziel zu erreichen, soll ein standardisiertes, einheitliches Vorgehen bei gleichzeitiger, behördenübergreifender zentraler Steuerung und Koordination gewählt werden. Um dies bewältigen zu können, plant die Gesamtprojektleitung im Bundesministerium des Innern, mit Rolf Krost als Leiter, eine Programmorganisation einzurichten. Sie soll bei der Gesamtprojektleitung eingerichtet werden. Hierfür plant Krost mit zusätzlichen Planstellen (laut BMI “unter zehn”), die mittels Umschichtung innerhalb des Gesamtprojektes geschaffen werden sollen. Zudem soll für das Programm der Überführung der IT-Betriebe externer Sachverstand u.a. für die Unterstützung der betroffenen Behörden eingekauft werden. Eine Ausschreibung über das Beschaffungsamt des Bundesministeriums des Innern ist noch in diesem Frühjahr geplant.

Knackpunkt Ressortforschungseinrichtungen Noch nicht abschließend behandelt ist der Umgang mit den Ressortsforschungseinrichtun-

gen. Diese haben häufig hochkomplexe IT-Systeme (Cray-Supercomputer im DWD) und sind international in vielfältige Netzwerke eingebunden. Eine Konsolidierung könnte zumindest in einigen Fällen daher nicht zielführend sein und die Arbeit der Einrichtungen erschweren. Dieses Thema soll in einer weiteren Sitzung des IT-Rates näher beleuchtet werden.

Steuerung des ITZBund Um das ITZBund strategisch zu steuern, wurde außerdem mitt-

lerweile ein Gremium auf Abteilungsleiterebene eingerichtet. In dem Gremium sind unter Vorsitz des Bundesministeriums der Finanzen die Ressorts BMI, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz und Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vertreten. Unstimmigkeiten gibt es derzeit noch über die Geschäftsord-

nung des Gremiums und konkret über die Frage, in welcher Form Beschlüsse getroffen werden können. Hier fordern einige Ressorts noch die Möglichkeit ein, Beschlüsse des Steuerungsgremiums bei Bedarf noch vom IT-Rat abstimmen zu lassen. Zu den Befugnissen des Gremiums soll es zudem noch eine Kabinettsentscheidung geben.

Weiterentwicklung der IT-Steuerung Mit der IT-Konsolidierung Bund geht auch ein grundlegen-

der Wandel in der ressortübergreifenden Beziehung von fachlichen Bedarfsträgern zu den zentralen IT-Dienstleistern des IT-Leistungsverbunds sowie der IT-Beschaffung einher. Dabei entsteht gegenüber den einzelnen Ressorts, samt nachgeordneten Bereichen als Bedarfsträger (Nachfrageseite), in den nächsten Jahren ein Verbund von IT-Dienstleistern (Angebotsseite), die konsolidierte ITDienstleistungen anbieten werden. Daher denken die Ressorts bereits jetzt über eine Weiterentwicklung der IT-Steuerung nach. Im Zentrum steht hierbei eine “Nachfragemanagementorganisation”, die die Anforderungen der Ressorts koordiniert und bei den IT-Dienstleistern abfragt.

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Praxisseminare im April/Mai:

Informationstechnologie Rechtliche Steuerung von IT-Projekten

IT-Vergabe 26. April 2017, Bonn

05. – 06. April 2017, Köln

EVB-IT Intensiv 25. – 26. April 2017, Hamburg

Vertragsgestaltung in agilen IT-Projekten 27. April 2017, München

Gebrauchte Softwarelizenzen für Behörden

IT-Management in der öffentlichen Verwaltung

27. April 2017, Bonn

16. – 17. Mai 2017, München

Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Bildnachweis: Peter Kirchhoff, pixelio.de


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it dem Wechsel von Papier zu elektronischen Akten wurde der Wandel in vielen Behörden bereits technisch eingeleitet. Nun geht es darum, diesen Weg mit der Einführung der Signatur, der elektronischen Eingangsprüfung, der elektronischen Ablaufprüfung und Weiterleitung sowie der elektronischen Ablage der Akten sowohl technisch als auch organisatorisch und mental konsequent fortzusetzen, dadurch die Arbeitsabfolgen auf das Maß der Dinge, die über elektronische Kanäle eingehenden Anforderungen, zu beschleunigen. Für die elektronische Eingangs- und Ablaufprüfung gelten weiterhin die Kriterien, die sich aus dem hoheitlichen Auftrag der Behörde ergeben. Also nicht die Akten und die Regeln, wie die Akten zu behandeln sind, ändern sich, sondern die Arbeitsweise und der Arbeitstakt mit den Akten. Und: Wenn stupide Arbeiten wie Akteneingangsprüfungen und Aktenablaufprüfungen sowie die Ablage von Akten mittels ITWerkzeugen, Workflows und Checklistenverfahren durch Automatisierung entfallen, entstehen für die Mitarbeiter neue Handlungsfreiräume. Sie sollten im Eigeninteresse der Behörden durch eine veränderte Personaleinsatzplanung und die Zuweisung individueller Tätigkeitsmixe ausgeschöpft werden. Einige Mitarbeiter begegnen diesem anstehenden Wandel aufgrund ihrer Prägung oft mit Skepsis. Sie trauen anfangs dem digitalen Arbeiten nicht. Dennoch müssen auch sie sich neu orientieren und sich dem deut-

Behörden Spiegel / Februar 2017

Aufbruch ins Arbeiten 4.0 Auf eine agile Vorgehensweise kommt es an (BS/Detlef Schumann) Die öffentliche Verwaltung steht passgenau zur Digitalisierung in der Wirtschaft und im Markt vor einem Umbruch. Die Behörden sind gefordert, mit der Unterstützung durch die IT in digitale Arbeitsweisen aufzubrechen. Wie Arbeiten 4.0 technisch, organisatorisch und mental aufsetzen und einleiten? Nur über digitale Arbeitsweisen werden sie mit den Anforderungen der Bürger und Wirtschaft, angestoßen über die Möglichkeiten des Internet, Schritt halten und neue, lukrative Wertschöpfungspotenziale erschließen können. lich höheren Arbeitstakt einer elektronischen Aktenbearbeitung und -verwaltung, automatisierten Prozessen, neuen Informations- und Kommunikationsweisen sowie neuen Schulungsformen fügen. Sie, die Mitarbeiter, bestimmen letztlich die Geschwindigkeit der technischen und vor allem organisatorischen und mentalen Transformation. Gefordert ist in den Behörden eine agile Vorgehensweise, mit der alle Mitarbeiter Schritt für Schritt abgeholt und mit Bedacht und viel Einfühlungsvermögen an das digitale Arbeiten herangeführt werden können.

schlagenen Weg zum digitalen Arbeiten folgen oder bleiben einzelne Teammitglieder zurück? Mit der notwenDetlef Schumann ist Managedigen Gesprächsment Consultant beim Beraempathie und tungshaus BridgingIT GmbH. Feinabstimmung Foto: BS/BridgingIT ist das Bausteinmodell eine ideale etc. zusammensetzen. Entwe- Methode, um die Mitarbeiter der der jeweils Fachverantwort- und Teams sanft, das heißt ohne liche oder ein in Sachen Bau- große Reibungsverluste, an ihre steinmodell firmes Beratungs- neuen Aufgabenfelder heranzuhaus kann in persönlichen Ge- führen. Änderungsbedarf an sprächen den individuellen Tä- den Arbeitsprofilen kann auch tigkeitsmix und die Gewichtung dann entstehen, wenn sich die der einzelnen Grundbausteine Strategie der Behörde oder die Neue Aufgabenzuordnung bestimmen. Wichtig dabei ist, Anforderungen von Bürgern über Bausteinmodell für einen sanften Übergang vom und/oder Wirtschaft an eine Das Bausteinmodell, um da- traditionellen zum digitalen Ar- schnelle elektronische Aktenberüber die individuellen Tätig- beiten immer wieder zu hinter- arbeitung und -verwaltung zwischenzeitlich ändern. keitsprofile für die Zuweisung fragen: neuer oder veränderter Aufga- • Sind die individuellen Tätigkeitsprofile richtig ausgerich- Zusätzliche Vorteile benfelder herauszubilden, kann tet oder sollte nachjustiert werdabei eine Schlüsselrolle spieDer Einsatz des Bausteinmoden? len. Ein Bausteinmodell sollte dells für eine flexible Mitarbeiindividuell auf die Fähigkeiten • Inwieweit harmonieren diese terentwicklung hin zum ArbeiProfile im Team? und Stärken, aber auch Schwäten 4.0 hat für die Behörde weichen der Mitarbeiter abstellen • Stimmt die agile Vorgehenswei- tere Vorteile. Die Zusammense in wohl definierten Schritten stellung persönlicher Arbeitsund kann sich aus den exemplaoder muss die Geschwindigkeit bausteine, die die Fähigkeiten, rischen Grundbausteinen “Arund/oder Schrittabfolge geän- Stärken und Schwächen der beiten-4.0-Affinität”,”Organisadert werden? Können alle Mitarbeiter widerspiegeln, förtion und fachliche Kompetenz” Teammitglieder dem einge- dert das für das digitale Zusamund “vertriebliche Fähigkeiten” menarbeiten so wichtige bereichsübergreifende Querdenken, dadurch auch den Teamzusammenhalt. Außerdem kann die Grundstruktur aus den BauBürgerberatung vor Ort oder futuristische Online-Verwaltung? steinen dazu herangezogen wer(BS/Mathias Oberndörfer) Dass die Digitalisierung die öffentliche Verwaltung grundlegend verändern wird, den, die Mitarbeiter entsprebestreitet kaum jemand. Die Frage lautet: Wie genau wird sich die Arbeit der Kommunen wandeln? Eine chend ihrer Aufgabenfelder und ihres Informationsbedarfs unneue Studie liefert Antworten – und zeigt vier Szenarien für die Kommunalverwaltung im Jahr 2040.

tereinander sowie mit Informations-Pools zu vernetzen, dadurch die Informations-, Kommunikations- und Prozessgeschwindigkeit weiter zu erhöhen.

Webinare als Schulungsmedium und zur Rekrutierung Ergänzend zum Einsatz des Bausteinmodells erweisen sich neue Schulungsformate wie Webinare als gute Ergänzung, um den Wechsel vom traditionellen zum digitalen Arbeiten wohl koordiniert voranzubringen. Digitale Schulungsformate wie Webinare haben den Vorteil, dass keiner der zu Schulenden wissen muss, wie die Lernsoftware technisch funktioniert. Demzufolge sind Webinare ein ideales Schulungsmedium, um auch, zwar zuerst unter Anleitung, Mitarbeiter mit Vorbehalten an das digitale Arbeiten heranzuführen und mit den neuen Informationsmöglichkeiten, Kom-

munikationswegen und Prozessen vertraut zu machen. Einfache und schnelle Wissensvermittlung in kurzen praxisnahen Einheiten, beispielsweise auch über Videosequenzen, schaffen Vertrauen für den Wandel. Der zusätzliche Vorteil von Webinaren: Es kommen zu Schulungszwecken bereits hier Methoden und Instrumente zum Einsatz, auf die die Mitarbeiter später zur Erfüllung ihrer Aufgaben rund um die digitalen Prozesse zurückgreifen können. Darüber hinaus bieten sich neue digitale Schulungsformate auch für Bewerbungsprozesse an. Auf diese Weise können Behörden für das digitale Arbeiten neues Personal überzeugend ansprechen und rekrutieren. Darum wird es in den Behörden gehen: Sich nicht auf ihrem hoheitlichen Auftrag auszuruhen, stattdessen ein digitales Arbeitsumfeld mit geeigneten Prozessen zu schaffen. Denn nur unter dieser Voraussetzung werden sie die Anforderungen der Bürger und Wirtschaft in hinreichender Qualität und mit dem notwendigen Tempo erfüllen können. Und, was mindestens ebenso wichtig ist: Nur unter dieser Voraussetzung werden sie den Konkurrenzkampf um gute neue Mitarbeiter aufnehmen und bestehen können.

Kommunalverwaltung 2040

Egal ob Reisepass beantragen, Wohnsitz ummelden oder Auto zulassen: Wer einen Behördengang erledigen möchte, muss sich dafür meist ein paar Stunden Zeit nehmen. Deutsche Ämter sind schlicht zu umständlich organisiert und überlastet. Viele Bürger wünschen sich zu Recht einen erleichterten Zugang zur Kommunalverwaltung statt eine Wartenummer zu ziehen. Und tatsächlich lautet die eigentliche Frage nicht, wann sich die Verwaltungen ändern werden, sondern wie.

sönliche Identifikation erfolgt durch elektronische Signaturen und biometrische Daten. Ein direkter Bürgerkontakt besteht nur noch in wenigen Dienstleistungszentren in den Kommunen, die in Ausnahmefällen tätig werden. Standardisierte Formulare und Vorgehensweisen reduzieren den Personalbedarf auch für nicht elektronische Dienstleistungen auf ein Minimum. Die “Kollaborative Verwaltung” spricht eher aktivere, engagierte Bürger an: Zwischen der Verwaltung und den Bürgern besteht über eine OnlinePlattform partizipativer Austausch. Die Bürger können so beMathias Oberndörfer ist Partquem ihre Anliener bei der KPMG AG Wirtgen kommunizieschaftsprüfungsgesellschaft und als Bereichsvorstand verren und sich bei antwortlich für den Öffentliöffentlichen Entchen Sektor. scheidungsproFoto: BS/KPMG zessen und Bürgerinitiativen beteiligen. Zudem Das von KPMG geförderte Insti- werden auf der Plattform die retut für den öffentlichen Sektor levanten Verwaltungsvorgänge hat sich das Thema in der Studie bereitgestellt, der Bürger kann “Kommunen der Zukunft – Zu- aus modular aufgebauten Forkunft der Kommunen” ange- mularen die für ihn passenden nommen und sich die Frage ge- auswählen. stellt: Wie könnten die Verwaltungen im Jahr 2040 – also rund Der analoge Bürger eine Generation später – ausseBei der “Tante-Emma-Verwalhen? Die Antwort liefern vier Zu- tung” verursacht Behördenkonkunftsszenarien, die zeigen, wie takt kaum Mehraufwand für den die Transformation der Kommu- Bürger. Verwaltungsgänge könnalverwaltung in den kommen- nen bequem im Zusammenhang den Jahrzehnten aussehen mit anderen Dienstleistungen könnte. Im Mittelpunkt steht der etwa in Lebensmittelgeschäften Bürger mit Blick auf seine digita- oder Sparkassen erledigt werle Akzeptanz (digital vs. analog) den. Der Staat hat seine eigene und seinen Aktivitätsgrad (be- Verwaltungsinfrastruktur weitquem vs. aktiv). gehend aufgegeben und vergibt stattdessen Konzessionen an Der digitale Bürger private Unternehmen. Die “Boutique-Verwaltung” In der “Online-Discounter-Verwaltung” ist die Kommunalver- richtet sich an sehr anspruchswaltung vollständig auf Online- volle Bürger, die individuelle BeVerfahren umgestellt. Die per- ratungsleistungen einfordern.

Die Verwaltung ist kleinteilig strukturiert und von zahlreichen Spezialbehörden dominiert. Lösungen werden in persönlichen Gesprächen gesucht. Für die “Bürgerberater” besteht mit einer leistungsorientierten Vergütung ein finanzieller Anreiz, den enormen Anforderungen an die öffentliche Verwaltung gerecht zu werden.

Kein Patentrezept für die Digitalisierungsstrategie Es stellt sich nun die Frage: Welche Schlüsse sollte man aus den Zukunftsszenarien ziehen bzw. welche Maßnahmen sollten die Behörden ergreifen, um fit für die digitale Zukunft zu sein? Dafür gibt es leider kein Patentrezept. Kommunen müssen individuell abwägen, welche Aufgaben sie in einer digitalisierten Welt übernehmen möchten. Die Aufgabe kann im Extremfall darin bestehen, nur eine Agentur bzw. ein Portal für das Dienstleistungsspektrum des Bundes oder Landes mit wenig eigener Gestaltungsfreiheit zu sein. Die zunehmende Regulierung kommunaler Aufgaben bzw. Zuweisung neuer Aufgaben bei sinkender Finanzausstattung deuten in diese Richtung. Von der ursprünglichen Konzeption des Grundgesetzes her sollte die Kommune aber im Sinne der Selbstverwaltung das Leben vor Ort individuell gestalten, sich für den aktiven Bürger vor Ort öffnen und eher passiven Bürgern ein Lebensumfeld bieten, das Engagement als lohnend erscheinen lässt. Neue digitale Kommunikationskanäle sowie Online-Plattformen können diesen Prozess sehr gut unterstützen. Die Studie steht unter https:// publicgovernance.de/docs/ZukunftKommunenWeb.pdf zum Download zur Verfügung.

“Aus der Community für die Community” Neues Internetportal “Handbuch Deutschland” bündelt Informationen (BS/mfe) Flüchtlinge und Migranten, die erst kurz in Deutschland sind, müssen schnell viele unterschiedliche Informationen erhalten und verarbeiten, um sich hierzulande zurechtfinden zu können. Egal ob es um ihr Asylverfahren, die Gesundheitsversorgung oder eine eventuelle Arbeitserlaubnis geht: Sie sind an zahlreichen Fronten gefordert. Und dabei sind sie zugleich mit einem großen Problem konfrontiert. Das Internet hält zwar viele Informationen bereit, sie liegen aber meist nicht gebündelt vor. Hier will das Portal “handbook germany.de” Abhilfe schaffen und verhindern, dass sich die Geflüchteten bei der Informationsbeschaffung zu stark auf ihre Landsleute verlassen, die ebenfalls in der Bundesrepublik leben. Betrieben wird die Internetseite von Journalisten der “Neuen deutschen Medienmacher”, die oftmals selbst Fluchterfahrung aufweisen. So betont zum Beispiel der Syrer Monis Bukhari, der die Informationsplattform mitentwickelte: “Wir bringen neben Informationen auch persönliche Erfahrungen ein.”

Unterstützung durch die Bundesregierung Und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz, die das Projekt fördert, unterstreicht: “Wir schaffen mit dem Handbuch Deutschland die Startseite für Flüchtlinge zu Themen wie Arbeit, Bildung, Leben und Wohnen in Deutschland. Das Handbuch ist ein Begleiter für die ersten Jahre, das qualifizierte Information und Alltagsorientierung liefert.” Besonders leserfreundlich werden die Inhalte des Portals übrigens auf Smartphones dargestellt. Außerdem werden die Inhalte über Kanäle in Sozialen Netzwerken verbreitet. Konstantina Vassiliou-Enz von den “Neuen deutschen Medienmachern”

Deutsche Telekom, die die in acht Sprachen verfügbare Vorgänger-Internetseite im Herbst 2015 in Betrieb nahm, und Adobe Systems agieren als Technikpartner. Zu diesem Engagement Foto: BS/Bundesregierung, Denzel sagt Birgit Kleserklärt: “In unseren kurzen Info- per, President Group Corporate videos werden Themen wie zum Responsibility bei der DeutBeispiel die Familienzusam- schen Telekom: “Wir freuen uns menführung nicht in kompli- sehr, dass wir in der Zusammenzierten Texten oder von Exper- arbeit mit Adobe und den Neuen ten erklärt, sondern von einem deutschen Medienmachern unsyrischen Vater, der seine Frau ser Portal auf die neue, erweiterund Kinder zu sich geholt hat.” te Plattform handbookgerma Verfügbar sind die Aufnahmen ny.de migrieren können.” Das in derzeit auf Deutsch, Standard- Dresden ansässige TelekomT-SysArabisch, Dari und Englisch. Tochterunternehmen Die meisten laufen jedoch in tems Multimedia Solutions werFremdsprachen und enthalten de die Webseite aus diesem nur deutsche Untertitel. Eines Grunde auch weiterhin als techist den Betreibern dabei ganz be- nischer Begleiter unterstützen. Und Stefan Ropers, Managing sonders wichtig: “Wir wollen viele lokale Informationen weiter- Direktor Central Europe bei geben”, sagt Vassiliou-Enz. Ihre Adobe Systems, unterstreicht: Prämisse dabei: “Aus der Com- “Durch den Einsatz unserer Lösungen helfen wir den Menmunity für die Community.” schen, einen einfachen Zugang Auch Telekom und zum Portal über die für sie verAdobe beteiligt fügbaren Geräte zu bekommen.” Das Projekt, das eine Weiter- Gleichzeitig identifiziere das entwicklung des Portals “refuge Software-Unternehmen persönes.telekom.de” darstellt und re- liche Bedürfnisse und gebe so gelmäßige Updates erfährt, wird konkrete Hilfestellungen. Techallerdings nicht nur durch die nik werde auf diesem Wege zu eiBundesregierung gefördert. Die ner Art Berater. Aydan Özogˇuz, Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, fördert das neue, Smartphone-optimierte Internetportal “handbookgerma ny.de”. Auch die Deutsche Telekom und der Softwarehersteller Adobe Systems leisten Unterstützung.


Informationstechnologie

Behörden Spiegel / Februar 2017

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CIOs befragt

Neues Rechenzentrum

IT-Trends im öffentlichen Sektor

Dataport schließt Konsolidierung ab

(BS) Seit fast fünfzehn Jahren untersucht Capgemini in einer jährlich veröffentlichten Studie aktuelle IT-Trends. (BS/gg) Ende vergangenen Jahres hat Dataport das Konsolidierungsprojekt “Neues Rechenzentrum” planAn der aktuellen Studie beteiligten sich rund 150 CIOs von Unternehmen und Verwaltungen aus Deutschland, mäßig abgeschlossen. Die bislang an sechs Standorten betriebenen Rechenzentren wurden an zwei StandÖsterreich und der Schweiz. Hier die Ergebnisse mit Blick auf den Bereich der öffentlichen Verwaltung. orten zusammengeführt. Die Digitalisierung hat für die Verwaltung eine ebenso hohe Bedeutung wie für die Wirtschaft. Dementsprechend ist ihr Ausbau in beiden Lagern das wichtigste Ziel in den kommenden 12 Monaten. Während sich die öffentliche Verwaltung darüber hinaus auf die Erhöhung der Endkundenzufriedenheit und der Effizienz konzentriert, wollen IT-Dienstleister der öffentlichen Hand in erster Linie neue Produkte und Services entwickeln. Das Ziel, die Effizienz in der IT zu steigern, haben sich nur wenige Dienstleister gesetzt. Die Erhöhung der Datensicherheit steht sowohl bei der öffentlichen Verwaltung als auch bei deren IT-Dienstleistern weiterhin hoch im Kurs. Ähnlich wie andere Branchen reagiert die öffentliche Verwaltung auf die Herausforderungen der Digitalisierung organisatorisch hauptsächlich mit der Einstellung von Mitarbeitern mit dem entsprechenden Know-how und dem Engagement von ITBeratungsunternehmen. Darüber hinaus erhöht sie ihre Software-Entwicklungskapazitäten. Technisch konzentriert sie sich auf die stärkere Vernetzung von Daten, den Ausbau der Cloud-Kapazitäten und den Aufbau zentraler Plattformen für Test und Deployment. Allerdings gibt es auch Probleme beim Ausbau der Digitalisierung, die meisten schätzt die Verwaltung aber als weniger gravierend ein als 2016. Einzige Ausnahme sind die Verantwortlichkeiten, die offenbar unklarer geworden sind. Demgegenüber haben die Probleme der ITDienstleister zugenommen, sie klagen vor allem über zu starre Organisationsstrukturen, einen Mangel an qualifizierten Mitarbeitern und unflexible Geschäftsprozesse. Technologisch bereitet ihnen vor allem die mangelnde Reife von Cloud-Technologien Schwierigkeiten. Probleme mit Big Data gibt es selten, weil sowohl Dienstleister als auch Verwaltung noch in der Workshop- und Konzeptionsphase stecken. Die Cloud-Nut-

zung der Verwaltung hat demgegenüber stark zugenommen, allen voran im Infrastruktur- und Plattformbereich. Die Dienstleister halten in diesem Bereich − ähnlich wie in der Privatwirtschaft − das recht hohe Niveau des letzten Jahres. Den zukünftigen Betrieb von Anwendungen richten sie ebenfalls gleich aus: Individuallösungen bleiben langfristig in der eigenen Betriebsverantwortung, während Standardanwendungen zum größten Teil an CloudAnbieter abgegeben oder alternativ ausgelagert werden sollen. Plattformen und Middleware wollen sie zu relativ gleichen Teilen von Outsourcern oder Cloud-Anbietern betreiben lassen, während nur knapp zehn Prozent inhouse betreut werden.

Umsetzung des E-Government-Gesetzes Die IT-Budgets werden in diesem Jahr in der Verwaltung weiter steigen, allerdings nicht so stark wie vor 12 Monaten. Für die kommenden Jahre rechnet sie mit weiteren Erhöhungen. Demgegenüber ist die Lage bei den öffentlichen IT-Dienstleistern ruhiger. Die meisten gehen von gleichbleibenden Budgets aus, nur wenige erhalten in diesem Jahr mehr Geld. Dafür fallen diese Erhöhungen häufig hoch aus. Ein Teil des Geldes fließt in die Umsetzung des E-GovernmentGesetzes, das in der Verwaltung mit einem Drittel der IT-Budgets viel Geld bindet. Noch höher ist der Aufwand im Bereich IT-Personal, während das IT-Management weniger zu Buche schlägt. Um derartigen Mehraufwand aufzufangen und auch insgesamt die Effizienz in der IT zu steigern, sprechen sich die meisten Teilnehmer bei Verwaltung und Dienstleistern dafür aus, Software auf kommunaler, Bundes- und Landesebene gemeinsam zu entwickeln. Die entsprechende Initiative des IT-Planungsrates Föderale IT-Kooperationen kommt derzeit aber kaum voran, weil die Bildung einer rechtsfähigen Anstalt auf

März 2018 verschoben wurde. Von der Erstellung und Weiterentwicklung von Standards versprechen sich viele Teilnehmer ebenfalls Effizienzgewinne, allerdings ist im Vergleich zum letzten Jahr etwas Ernüchterung eingetreten. Denn auch um dieses Thema soll sich der ITPlanungsrat kümmern, der bislang aber innerhalb von sechs Jahren lediglich drei nationale Standards verabschiedet hat.

Potenzial von Smart City und Open Data Smart Cities werden zwar sehr unterschiedlich definiert, grundsätzlich geht es bei den meisten Konzepten aber um die intelligente Steuerung städtischer Systeme. Denn durch die Digitalisierung entstehen Unmengen von Daten, die ausgewertet und zusammengeführt werden können, um intelligente Lösungen für die Verkehrsführung, den Ressourcenverbrauch, die Gestaltung von und das Zusammenleben in Städten zu nutzen. Nachdem das Thema zunächst fast ausschließlich Unternehmen vorangetrieben haben, misst ihm jetzt auch die öffentliche Verwaltung Bedeutung zu. In Deutschland gibt es mit Berlin, Hamburg und München bereits einige prominente Beispiele für Städte, die SmartCity-Programme aufgelegt haben. Solche Vorhaben sind allerdings mit hohen Investitionen verbunden, was ihre Verbreitung offenbar hemmt. Verhaltener schätzen die Teilnehmer das Potenzial von Open Data ein, obwohl bereits verschiedene Beispiele gezeigt haben, dass Bürger mit offenen Daten für die Allgemeinheit wertvolle Projekte realisieren können. Wenn aber die Verwaltung selbst keinen Nutzen daraus ziehen kann, fehlt ihr die Motivation, die Daten bereitzustellen. In diesem Bereich fehlen derzeit offenbar die Konzepte. Die Studie steht unter www.de.capgemini.com/ittrends-studie zum Download bereit.

Neues Portal: “service.hessen.de” Erste Verwaltungsdienstleistungen online (BS/gg) Das Land Hessen stellt mit dem neuen Portal “service.hessen.de” digitale Dienstleistungen und vielfältige Informationen rund um die Hessische Landesverwaltung in mehr als 150 Themengebieten bereit. “Das neue Verwaltungsportal ist das Ergebnis von konstruktiver, ressortübergreifender Zusammenarbeit mit dem Fokus, die Digitalisierung den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen und anderen Verwaltungen näherzubringen und die Interaktion mit der hessischen Verwaltung zu erleichtern. Immer mehr Amtsgänge können dann schnell und einfach vom heimischen Wohnzimmer aus erledigt werden”, so Hessens Innenminister Peter Beuth. Schon jetzt können Online-Antragsverfahren beispielsweise im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs oder für BAföGAnträge über das neue Portal in Anspruch genommen werden. Vielfältige Informationen, von Arzneimittelsicherheit über Einbürgerungs- oder Elterngeldanträge und Rechtsfragen bis hin zu Wahlverfahren, können gebündelt und strukturiert eingesehen und recherchiert werden. Bei weiterführenden Fragen stehen die Mitarbeiter zur sofortigen Beantwortung unter der Behördennummer 115 bereit.

“Sobald Online-Service wie Servicekonten, Antragsverfahren, Bezahlfunktion oder elektronischer Warenkorb eingeführt worden sind, werden Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verwaltung zukünftig möglichst viele ihrer Anliegen orts- und zeitunabhängig erledigen können”, erklärte Finanzminister und Chief Information Officer (CIO) Dr. Thomas Schäfer. Bis zum Jahr 2019 ist in Zusammenarbeit mit den hessischen Kommunen ein flächendeckendes Online-Angebot vorgesehen. Verwaltungsvorgänge können dann jederzeit papierlos und bequem von Zuhause aus gestellt werden. Die Angebote und Dienste im Portal “service.hessen.de” sind nach Nutzergruppen und Themenfeldern aufbereitet. Auf “service.hessen.de” stehen verschiedene Wege zu einem gesuchten Anliegen zur Verfügung: Das Portal bietet auf der Startseite nicht nur eine Suchfunktion, sondern auch Schnelleinstiege oder den Zugang über die Navigation. Die Navigation

orientiert sich an den drei Zielgruppen – Bürger, Unternehmen sowie Verwaltung – und gibt einen Überblick über alle Themen, die für die jeweilige Zielgruppe relevant sind. Darüber hinaus bietet ein Verzeichnis aller Behörden umfassende Informationen und Kontaktdaten der zuständigen Stellen. Mit der Strategie “Digitale Verwaltung Hessen 2020” verfolgt das Land das Ziel, Angebote und Dienste künftig in digitaler Form bereitzustellen. “Ein zentraler Baustein dieser Strategie ist das neue Verwaltungsportal, das unter der Federführung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Ministerium der Finanzen realisiert worden ist und in Umfang und Funktion weiter ausgebaut wird”, so Roland Jabkowski, seit Jahresbeginn Co-CIO. Das Portal “service.hessen.de” berücksichtigt Barrierefreiheit und Inklusion in der digitalen Welt. Die Angebote seien unter den Gesichtspunkten der Barrierefreiheit umgesetzt, so Beuth.

Im Rahmen des Großprojektes (Beginn 2010) wurden 600 Verwaltungsverfahren der Bundesländer Hamburg, SchleswigHolstein, Bremen sowie zwei Verfahren aus Sachsen-Anhalt auf die neue Rechenzentrumsumgebung vorbereitet. “Mit dem Abschluss des Projektes haben wir gezeigt: Die öffentliche Verwaltung kann Großprojekte stemmen. Und das auch übergreifend, unter Beteiligung mehrerer Bundesländer. Eine Erfahrung, die uns stolz macht”, erklärte Dr. Johann Bizer, Vorstandsvorsitzender von Dataport. Die notwendigen Arbeiten für die Integration der einzelnen

Verfahren in die neue Rechenzentrumsumgebung reichten von der Umstellung der IPAdressen bis hin zu weitreichenden Veränderungen der Verfahrensarchitektur. Bis Mitte 2017 werden die weiteren von Dataport betriebenen Verwaltungsverfahren von Sachsen-Anhalt in das hochsichere Rechenzentrum umziehen. Mit dem neuen Rechenzentrum will Dataport den steigenden ITBedarf der Verwaltungen sicherstellen. Eine Grundlage, um die Digitalisierungsstrategien der Trägerländer von Dataport umzusetzen. Zudem erfordert, die Verarbeitung immer größerer

Datenmengen und deren intelligente Auswertung sowie zunehmende Vernetzung in der digitalen Welt eine zukunftsfähige Infrastruktur. Die beiden Standorte sind über eine redundante Hochgeschwindigkeitsdatenanbindung gekoppelt. Das Designprinzip basiert auf zwei identischen Rechenzentren mit verteilten ITSystemen. Die Infrastruktur ist so ausgelegt, dass jederzeit flexibel auf Technologiesprünge reagiert werden kann. Nur wenige Rechenzentren in Deutschland verfügen über ein vergleichbares Sicherheits- und Redundanzkonzept.

Künstliche Intelligenz Baden-Württemberg startet Cyber Valley (BS) Baden-Württemberg will mit einer neuen Forschungsoffensive “Cyber Valley” die Frage beantworten, wie das Land, aber auch Deutschland als Ganzes, gestaltend in die digitale Revolution eingreifen kann. Auf Initiative der Max-PlanckGesellschaft haben sich Kernpartner zusammengefunden, um in den kommenden Jahren einen internationalen TopStandort im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zu schaffen: das Land Baden-Württemberg mit den Universitäten Stuttgart und Tübingen, dem Max-PlanckInstitut für Intelligente Systeme sowie den Unternehmen Bosch, Daimler, Porsche, BMW, ZF Friedrichshafen und Facebook. Das Cyber Valley soll gleichzeitig als internationales Zentrum für Grundlagenforschung und als Gründerplattform für marktfähige Anwendungen aufgesetzt

werden. Die Ausbildung exzellenter Nachwuchswissenschaftler mit bis zu 100 Doktoranden ist Teil des Projekts. Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich überzeugt, dass mit Cyber Valley ein Hotspot für wissenschaftliche Exzellenz für die weltweit besten Köpfe von morgen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz entstehen kann. Im ersten Schritt werden neun Cyber-Valley-Forschungsgruppen eingerichtet, finanziert durch das Land, die Industriepartner sowie ein Konsortium baden-württembergischer Stiftungen. Zehn Professuren an

den Universitäten Stuttgart und Tübingen sollen dem Cyber Valley im internationalen Vergleich zusätzliches Gewicht verleihen. Darüber hinaus wird im Sommer 2017 eine gemeinsame Graduiertenschule (International Max Planck Research School Intelligent Systems) eingerichtet werden. In der zweiten Ausbaustufe wird das Land mit einer Sonderfinanzierung ein gemeinsames Neubauvorhaben als physisches Zentrum von Cyber Valley unterstützen. Baden-Württemberg wird in die Forschungskooperationen in den kommenden Jahren mehr als 50 Millionen Euro investieren.


IT-Sicherheit

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E

ckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW.Bank, machte deutlich, dass Cyber-Sicherheit nicht nur im Bankenbereich bereits seit Jahren ein Riesenthema ist, sondern man zukünftig auch den Kunden in diesem Bereich beratend und unterstützend zur Seite stehen werde. Der Beauftragte der Landesregierung für Informationstechnik (CIO), Hartmut Beuß, unterstrich nicht nur seinerseits die große Bedeutung der IT-Sicherheit für die öffentliche Verwaltung, sondern konnte auch von einer Cyber-Attacke durch einen Trojaner auf sein Haus, das Ministerium für Inneres und Kommunales, berichten. Damals habe man aber schnell und richtig reagiert, wodurch Schäden vermieden wurden. Die Methode: Stecker ziehen, also Trennung der Systeme vom Internet. “Anschließend hat es rund zwei Tage gedauert, um die Systeme wieder voll hochzufahren”, erklärte Beuß.

Investieren – aber richtig Angesichts des zunehmenden öffentlichen Bewusstseins für die Risiken, die von kriminellen Aktivitäten im Cyber-Raum ausgehen, steigt auch die Nachfrage nach gut funktionierenden Sicherheitslösungen für Unternehmen und Behörden. Der Wille ist also da. Aber wie erkennt man, welche Investitionen wirklich lohnen? Eine Antwort falle schwer, sagte Dr. Sandro Gaycken, Direktor des Digital Society Institute in Berlin, weil sich “Wissenschaft

Sicher in der digitalen Welt Symposium der NRW.Bank zum Schutz vor Cyber-Angriffen (BS/stb/gg) Im Zuge der digitalen Durchdringung von Staat und Gesellschaft beschäftigen sich auch immer mehr Akteure mit Cyber-Sicherheit, so auch die NRW.Bank, Förderbank des Landes Nordrhein-Westfalen, die das Thema ins Zentrum ihres 8. NRW.Symposiums stellte. und Praxis im Bereich Cyber-Sicherheit noch in einem Stadium der Unreife” befänden. Es fehle noch an brauchbaren Verfahren zur individuellen Risiko- und Bedarfsanalyse sowie Maßstäben, um die Leistungsfähigkeit von Sicherheitslösungen bewerten zu können. Hürden bestünden vor allem in der Intransparenz des Marktes für IT-Sicherheitslösungen. Außerdem würde schon bei der Entwicklung von Basis-IT zu wenig Wert auf Sicherheit (Security by Design) gelegt. Institutionen, die in Cyber-Sicherheit investieren wollen, empfahl Gaycken, sich nicht nur auf Angaben großer Anbieter von Sicherheitslösungen zu verlassen, sondern unabhängige Beratung heranzuziehen, den offenen Austausch mit anderen Einrichtungen zu suchen und langfristig eigene Expertise zu entwickeln. Die Anschaffung teurer Security-Programme allein sei nicht immer die beste Lösung, warnte Gaycken. Zunächst solle ein starkes Fundament für die Sicherheit geschaffen werden – durch die Entwicklung einer ausgeprägten Sicherheitskultur und technische Basismaßnahmen, wie der Erneuerung veralteter Systeme. Cloud Computing lockt mit dem Versprechen, mit über-

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion, hier Peter Vahrenhorst (vorne) und Prof. Dr. Jörg Schwenk, waren sich einig: Institutionen müssen vor allem eine nachhaltige Sicherheitskultur aufbauen. Foto: BS/NRW.Bank

schaubarem Investitionsaufwand Zugriff auf leistungsstarke IT-Lösungen erhalten zu können. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen können so moderne Ressourcen, technisches Wissen und komplexe Softwaresysteme nutzbar machen, die sie im eigenen Hause nicht beschaffen und verwalten könnten. Doch in Zeiten wachsender Sensibilität für das Thema Cyber-Sicherheit ist die Entscheidung, Kontrolle über wichtige Betriebsmittel und Informationen an externe Dienstleister abzugeben, keine leichte. Grundlegendes zum Gefahrenpotenzial bei Cloud-Systemen

Raffiniert aber anfällig Schutz vor Cyber-Angriffen noch ausbaufähig (BS) Deutschland ist bei der IT-Sicherheit vergleichsweise gut aufgestellt, bei Kritischen Infrastrukturen gibt es aber wie in allen Ländern Schwachstellen – so Tony Cole von FireEye. Mit dem Behörden Spiegel sprach er über russische Hacker, Beeinflussung von Wahlen und IT-Sicherheit in Deutschland. Die Fragen stellte Benjamin Stiebel. Behörden Spiegel: Die russische Hackergruppe APT28 wird mit der Cyber-Attacke auf den Deutschen Bundestag 2015 in Verbindung gebracht. Wie aktiv ist diese Gruppe in Deutschland? Cole: Die Gruppe ist sowohl in Europa als auch den USA sehr aktiv, die Aktivitäten können wir bis mindestens ins Jahr 2007 zurückverfolgen. In den letzten beiden Jahren scheint Russland APT28 verstärkt für Operationen eingesetzt zu haben, die einer breiteren militärstrategischen Doktrin entsprechen. APT28 war beispielsweise im Syrienkonflikt involviert, bei der EU-Flüchtlingskrise, beim Dopingskandal um russische Olympioniken 2016 und bei der US-Präsidentschaftswahl. Auch die Phishing-Attacke auf die CDU im Frühjahr 2016 lässt sich auf APT28 zurückführen. Sowohl im Falle der CDU als auch des Bundestags hat APT28 versucht, Zugriff auf E-Mail-Accounts von Politikern zu bekommen, um vertrauliche Daten an pro-russische politische Initiativen zu streuen. Behörden Spiegel: Welche anderen Hackergruppen stellen eine Gefahr für Deutschland dar? Was sind Ihre Ziele? Cole: Neben APT28 rechnen wir mit Aktivitäten weiterer russischer Gruppierungen, wie beispielsweise APT29 oder dem Einsatz der Malware Turla. Außerdem hat FireEye einige chinesische Gruppen beobachtet, die an Industriespionage in deutschen Unternehmen interessiert sind. Wir glauben, dass diese Aktivitäten in den letzten Jahren aber nachgelassen haben. Während des G20-Gipfels

Behörden Spiegel / Februar 2017

nicht. In fast jedem Cyber-Angriff spielt der Faktor Mensch eine wichtige Rolle und wir haben einige sehr ausgeklügelte Phishing Attacken gesehen. Die entscheidende Frage ist: Wie gehen wir damit um, wenn Informationen über einen Kandidaten gestohlen und veröffentlicht werden? Wir können nicht in die Köpfe der Wähler blicken und sehen, wie diese Informationen eine Wahlentscheidung beeinflussen. “Erschreckend ist die Vielzahl an Schwachstellen in Steuerungssystemen”, sagt Tony Cole, Vice President und Global Government Chief Technology Officer bei FireEye. Foto: BS/FireEye

Behörden Spiegel: Wie gut sind Kritische Infrastrukturen und die öffentliche Verwaltung in Deutschland gegen Cyber-Angriffe aufgestellt?

2016 haben sich China und andere Nationen darauf geeinigt, ihre Spionageaktivitäten einzuschränken.

Cole: Deutschlands Cyber-Sicherheit gehört im Großen und Ganzen zu den raffiniertesten der Welt, ist aber anfällig für gezielte Angriffe – genau wie die aller anderen Länder. Zu Kritischen Infrastrukturen in Deutschland lässt sich kein pauschales Urteil abgeben, da sie mit Bund, Ländern oder Privatunternehmen unterschiedliche Betreiber haben. Entsprechend unterschiedlich ist auch das Level an IT-Sicherheit. Wir haben hierzu kürzlich einen Report veröffentlicht: Erschreckend ist die Vielzahl an Schwachstellen in Steuerungssystemen von industriellen Anlagen, die das Rückgrat beispielsweise für Stromnetze sind. Für viele solche Schwachstellen gibt es keinen Patch, weil die Technologie veraltet ist. Auch ist das Bewusstsein beim Personal oft unterentwickelt. Für bedenklich halte ich die Zunahme von IoT-Geräten oder Smart Meters, die zu einer großen Herausforderung für Cyber-Sicherheit werden.

Behörden Spiegel: Wie wahrscheinlich sind Manipulationsversuche durch Cyber-Angriffe bei der Bundestagswahl 2017? Cole: Bei der US-Präsidentschaftswahl erfolgte die Einflussnahme nicht mittels CyberAngriffen, sondern durch Informationen, die gestohlen und anschließend veröffentlicht wurden. Das Ziel hinter dieser Kampagne war eindeutig eine Einflussnahme auf die Wahlen. Wir sehen ähnliche Ansätze in Europa, dies betrifft die Wahlen in Deutschland, aber auch die in Frankreich und den Niederlanden. Behörden Spiegel: Wie kann man dagegen vorgehen? Cole: Die einfache Antwort wäre: Ein besseres Level an IT-Sicherheit. Ganz so einfach ist es

erläuterte Prof. Dr. Jörg Schwenk vom Horst Görtz Institut für ITSicherheit an der Ruhr-Universität. Er stellte fest, dass beim Cloud Computing Datenübertragungen zur Nutzeranmeldung nicht durch das übliche Perimeter-Sicherheitskonzept geschützt seien. Firewalls, Virenscanner und dergleichen bildeten zwar eine Art schützende Burgmauer um das Rechenzentrum des Cloud-Anbieters, jedoch stünde neben potenziellen Angreifern auch der Nutzer gewissermaßen außerhalb der Wehranlagen. Für Cyber-Kriminelle entfalle dadurch, so Schwenk, die Notwendigkeit, die Sicherheitssysteme überhaupt knacken zu müssen. Denn sobald sie LoginDaten eines schlecht geschützten Nutzers erbeutet hätten, bräuchten sie sich nur noch von außerhalb beim Dienstleister anzumelden und hätten freien Zugriff auf die Cloud mit vollen Nutzerrechten. Hier sei eine “starke Authentifizierung erforderlich”, urteilte

Schwenk. Möglich wäre hier eine Ergänzung des üblichen Logins mit Nutzername und Passwort um ad hoc anzufordernde Einmalpasswörter wie beim OnlineBanking oder um physische Komponenten wie Token-Generatoren. Doch Cloud Computing bietet auch Chancen. Schwenk betonte, dass sich Schutzkonzepte in der Cloud realisieren ließen, die bei hauseigenen IT-Systemen nicht möglich wären. Einer böswilligen Datenverschlüsselung durch Ransomware sei mit Datenredundanz – am besten an geografisch getrennten Orten – und intelligenter Backup-Verwaltung in der Cloud beizukommen. Überlastungsausfällen durch DoS-Attacken könne man durch Strukturen mit verteilten Servern vorbeugen.

Mitarbeiter mitnehmen Werden Institutionen, die Opfer erfolgreicher Cyber-Angriffe geworden sind, nach den Ursachen gefragt, wird unbeabsichtigtes Fehlverhalten einzelner Mitar-

beiter besonders häufig genannt. In der Cyber-SicherheitsUmfrage 2015 der Allianz für Cyber-Sicherheit gaben über die Hälfte der Befragten diesen Grund noch vor organisatorischen oder technischen Mängeln an. Die sogenannte Schwachstelle Mensch wird auch von Experten häufig beschrieben. Doch wie kann Sorglosigkeit im Umgang mit IT-Systemen im Arbeitsalltag vorgebeugt werden? Peter Vahrenhorst vom Cybercrime-Kompetenzzentrum beim Landeskriminalamt NRW versuchte, keine pauschale Antwort auf diese Frage zu geben. Dafür sind Organisationsstrukturen und die konkrete Ausgestaltung von IT-Systemen in Institutionen auch zu verschieden. Stattdessen gab der Kriminalhauptkommissar Denkanstöße und Best-Practice-Beispiele für Maßnahmen, die Gefahren anschaulich machen und das Interesse der Mitarbeiter wecken. Klare Sicherheitsregeln seien unerlässlich. Allerdings würde es schnell als lästige Pflicht wahrgenommen werden, wenn regelmäßig die geltenden Richtlinien unterschrieben werden müssten. “Die liest irgendwann keiner mehr”, meinte Vahrenhorst. Zielführend seien dagegen zum Beispiel gut aufbereitete ELearning-Systeme. An die Stelle der regelmäßigen Unterschrift könnten verbindliche Tests am Ende von selbstständig zu absolvierenden Schulungen treten. Eine weitere empfehlenswerte Maßnahme sei die regelmäßige Prüfung der Mitarbeiter auf Einhaltung der Sicherheitsregeln. Wenn schon einen Tag nach der letzten Belehrung eine testweise verschickte E-Mail mit verdächtigem Anhang vom Großteil der Mitarbeiter geöffnet würde, zeige sich, wie schwierig es ist, für das Thema zu sensibilisieren. Zumindest aber könne so ein Test den einen oder anderen wachrütteln – durch Konfrontation mit der eigenen Sorglosigkeit.

KOMMENTAR

Cyber-Sicherheit für alle! (BS/Michael Hartmann) Deutschland muss Geld und Ressourcen investieren, um den katastrophalen Zustand bei der Cyber-Sicherheit zu verbessern. Generalsekretär Stoltenberg warnt vor Cyber-Attacken auf die NATO, der Weltwirtschaftsgipfel in Davos stellt das Thema ins Zentrum, die Beeinflussung des US-Wahlkampfs sorgt für weltweite Aufregung und BfVPräsident Maaßen fordert Gegenattacken. Netzsicherheit wird als brisantes Thema erkannt und schon 2005 legte die Bundesregierung ihren ersten Cyber-Sicherheitsbericht vor. Leider heißt Gefahr erkannt noch nicht Gefahr gebannt. Während die Hacker immer besser und vernetzter werden, bleibt Deutschland hinter sei-

nen Möglichkeiten zurück. Wie könnte dies anders sein angesichts der geteilten Federführung zwischen vier Ministerien. Und auch das sogenannte Cyber-Abwehrzentrum kann keine Angriffe verhindern. Dafür arbeitet die Bundeswehr ohne rechtliche Grundlage und Kontrolle nachrichtendienstlich. Und noch etwas: Der Gesetzgeber bittet die deutschen Unternehmen mit seinem IT-Sicherheitsgesetzchen gerade mal um Meldung bei Angriffen. Mut- und schutzlos steht unser Land den Bedrohungen gegenüber. Terrorangriffe sind eben deutlicher zu spüren als Cyber-Angriffe. Nötig ist die Aufstockung der Kapazitäten an zentraler Stelle. Der Schutz Kritischer Infrastrukturen erfordert Resilienz. Der Mut zum Gegenangriff ge-

Michael Hartmann ist Bundestagsabgeordneter der SPD. Foto: BS/www.michael-hartmann-spd.de

hört dazu, wenn er einhergeht mit Entspannungspolitik. Diese muss die transnationale Zusammenarbeit gegen Kriminelle stärken und vor allem den Willen zur Cyber-Abrüstung schaffen. Denn die Eskalation bedroht – wie die atomare Rüstung – alle.

Cyber-Attacke Tschechisches Außenministerium gehackt (BS/stb) Unbekannte Hacker sollen monatelang E-Mails des tschechischen Außenministers mitgelesen haben. Hacker konnten laut Medienberichten offenbar monatelang die interne Kommunikation des tschechischen Außenministeriums mitverfolgen, nachdem sie sich unbemerkt Zugriff auf das E-Mail-System verschafft hatten. Bereits am 31. Januar hatte der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek den Vorfall eingeräumt und versichert, dass keine als geheim eingestuf-

ten Informationen erbeutet worden wären, weil diese über ein separates System liefen. Zwei Tage später berichteten tschechische Medien, die Attacke sei schwerwiegender gewesen als zunächst dargestellt. So sollen unter anderem interne Verhandlungsunterlagen gestohlen worden sein, die strategisch gegen das Land verwendet werden könnten. Minister Zaorálek bestritt dies mit Nachdruck.

Über die Herkunft der Hacker gibt es bislang keine sicheren Erkenntnisse. Zaorálek zufolge habe die Cyber-Attacke aber Ähnlichkeit mit den Angriffen auf die Parteizentrale der Demokraten vor der US-Präsidentschaftswahl. Diese wird von amerikanischen Geheimdiensten Russland angelastet. Das nationale Amt für Sicherheit (NBÚ) hat die Ermittlungen aufgenommen.


IT-Security made in Germany

Behörden Spiegel / Februar 2017

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Sonderteil

IT-Security made in Germany T

eil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) kennt daher entsprechende Ausnahmen von der Anwendungspflicht des Kartellvergaberechts, um den Bedürfnissen der öffentlichen Hand insoweit zu entsprechen.

Allgemeine Ausnahme vom EU-Vergaberecht aus Sicherheitsinteressen § 107 Abs. 2 GWB enthält zwei allgemeine Ausnahmen vom EU-Vergaberecht. Gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB unterliegen solche Aufträge nicht dem Vergaberecht, bei denen die Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften den Auftraggeber dazu zwingen würde, Auskünfte zu erteilen, deren Inhalt wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. Art. 346 Abs. 1 lit. a AEUV widersprechen. Eine nähere Konkretisierung der wesentlichen Sicherheitsinteressen wie sie § 100 Abs. 7 GWB a.F. enthielt, fehlt in § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Auftraggeber müssen daher bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in jedem Einzelfall prüfen, ob die Voraussetzungen des

Ausnahmen im EU-Vergaberecht Sicherheitsinteressen gehen vor (BS/Günther Pinkenburg*) Bei der Beschaffung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen können öffentliche Auftraggeber in die Situation kommen, dass Sie bei Einhaltung des EU-Vergaberechts gezwungen wären, Informationen herauszugeben, deren Preisgabe berechtigten Sicherheitsinteressen zuwiderliefe. § 107 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 GWB erfüllt sind. Indizwirkung können jedoch die in den im früheren § 100 Abs. 7 GWB a.F. geregelten Fälle haben, die den Betrieb oder den Einsatz von Streitkräften, die Umsetzung von Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung oder die Beschaffung von Informationstechnik oder Telekommunikationsanlangen betreffen. Durch die offenere Formulierung von § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist aber auch eine Anwendbarkeit auf ähnlich gelagerte, vergleichbar schwerwiegende Sachverhalte denkbar. So etwa Aufträge, bei deren Vergabe und Durchführung die Unternehmen Einblick in die Organisation oder Arbeitsweise von Sicherheitsbehörden erlangen sowie Beschaffungen, die im Zusam-

menhang mit Einsätzen der Bundespolizei stehen oder die Beschaffung sensibler Materialien oder Anlagen. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass zwar der verfahrensgegenständliche Auftrag wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland berührt, dass solche Ausnahmen vom EU-Recht grundsätzlich eng auszulegen sind. Dies gilt erst recht seit Inkrafttreten der “Verteidigungs-Richtlinie” 2009/81/EG, mit der ein besonderes Vergaberechtsregime geschaffen wurde, um einen europäischen Markt für Verteidigungsgüter aufzubauen. Um diese marktöffnende und wettbewerbsfördernde Intention des EU-Gesetzgebers nicht zu unterlaufen, dürfen nur noch solche Aufträge zum Schutz we-

sentlicher Sicherheitsinteressen eines EU-Mitgliedsstaates vom Vergaberecht ausgenommen werden, bei denen selbst die besonderen Bestimmungen der Verteidigungs-Richtlinie und des in Deutschland durch die VSVgV umgesetzten Vergaberechtsregimes nicht ausreichen, um die betreffenden Sicherheitsinteressen zu schützen. Die einschlägigen Ausnahmeregelungen sind dementsprechend nur insoweit in Anspruch zu nehmen, wie dies zur Wahrung der Sicherheitsinteressen unbedingt erforderlich und zur Erreichung der verfolgten Ziele angemessen ist.

Sicherheitsaspekte begründen Ausnahmen Die unter den Ausnahmetatbestand des § 107 Abs. 2 Nr. 2 GWB

fallenden Aufträge betreffen den Verteidigungsbereich i.S.d. Art. 346 Abs. 1 lit. b AEUV und in diesem Rahmen die Beschaffungen der Bundeswehr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial. Neben den allgemeinen Ausnahmen des § 107 Abs. 2 GWB bestimmt § 117 GWB, dass das EU-Vergaberecht bei öffentlichen Aufträgen und Wettbewerben, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfassen, ohne verteidigungs- oder sicherheitsspezifische Aufträge zu sein, bei bestimmten Fallgruppen ebenfalls nicht anzuwenden ist. So etwa, wenn und soweit der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden

kann, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens zur Verfügung stellt, oder wenn die Vergabe und die Ausführung des Auftrags für geheim erklärt werden oder nach den Rechts- oder Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern.

Ausnahme auch im nationalen Vergaberecht Bei der Durchführung von “nur” nationalen Vergabeverfahren gilt das zuvor Gesagte entsprechend. Denn § 1 Abs. 2 der neuen Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) bestimmt, dass diese Verfahrensordnung nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, für die das GWB in den §§ 107, [...] 117 Ausnahmen von der Anwendbarkeit des Teils 4 des GWB vorsieht. *Günther Pinkenburg ist Fachanwalt für IT- und Vergaberecht und Geschäftsführender Gesellschafter der MAYBURG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

Vorreiter Deutschland

Verschlüsselung der Zukunft

Umsetzung der europäischen IT-Sicherheits-Richtlinie

Forschungsprojekt der TU Darmstadt

(BS/stb) Cyber-Bedrohungen und Informationsnetzwerke haben eine Gemeinsamkeit: Beide reichen häufig über Staatsgrenzen hinweg. Wer letztere vor ersteren schützen will, tut gut daran, nationale Maßnahmen und überstaatliche Strategien zu koordinieren. In der EU wird die gemeinsame IT-Sicherheitsstrategie von der NIS-Richtlinie vorgegeben. Ihre Umsetzung erfordert in Deutschland nur noch einige Anpassungen, weil viele Vorgaben schon durch das IT-Sicherheitsgesetz erfüllt sind.

(BS/th) Eine neue Art von Computern könnte dazu führen, dass herkömmliche Verschlüsselungssysteme bald nicht mehr sicher sind. Konkret geht es um sogenannte Quantencomputer, an denen weltweit geforscht wird. Experten schätzen, dass 2025 der erste funktionierende Quantencomputer gebaut werden könnte.

Die Richtlinie (EU) 2016/1148 zur Netz- und Informationssicherheit, kurz NIS-Richtlinie, fordert Mitgliedsstaaten zur Umsetzung von Maßnahmen im Sinne einer gemeinsamen Strategie zur IT-Sicherheit auf. Für IT-Systeme soll ein einheitliches Sicherheitsniveau gelten; EULänder sollen stärker miteinander, aber auch mit Unternehmen kooperieren. Ziel ist es, Kritische Infrastrukturen gegen technische Störungen, insbesondere aber gegen Cyber-Angriffe zu schützen. Die Richtlinie trat am 8. August 2016 in Kraft und ist bis zum 10. Mai 2018 in den Mitgliedsstaaten umzusetzen. Auf nationaler Ebene fordert die EU vor allem drei Maßnahmen. Erstens müssen Mitglieder eine eigene Strategie für die Sicherheit von Informationssystemen festlegen. Zweitens müssen sie für die IT-Sicherheit zuständige Behörden und Anlaufstellen einrichten – dazu gehört auch mindestens ein nationales Computer-Notfallteam. Drittens müssen sie Betreiber wesentlicher Dienste benennen und zu einheitlichen Sicherheitsstandards und zur Meldung von Sicherheitsvorfällen verpflichten. Hierzulande gilt die Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland 2016 in Fortschreibung der Cyber-Sicherheitsstrategie von 2011 als Rahmenplan für nationale Maßnahmen. Mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt es

Bei Sicherheitsvorfällen in Rechenzentren von Betreibern Kritischer Infrastrukturen soll das BSI künftig Expertenteams zur Unterstützung schicken können. Foto: BS/Torkild Retvedt, cc by sa 2.0; flickr.com

auf Bundesebene schon seit 25 Jahren eine für IT-Sicherheitsfragen zuständige Behörde – seit 2011 mit eigenem Computer Emergency Response Team (CERT-Bund). Weitere CERTs werden von den Ländern unterhalten. Mindeststandards und Meldepflichten für wesentliche Dienste gelten seit Inkrafttreten des IT-Sicherheitsgesetzes im Juli 2015. Was wesentliche Dienste aus den Bereichen IT, Energie, Wasser und Ernährung sind, regelt Teil eins der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen (BSI-KritisV); der zweite Teil der Verordnung für die Bereiche Finanzen, Gesundheit sowie Transport und Verkehr ist für Mai 2017 vorgesehen.

Damit sind die meisten Vorgaben der NIS-Richtlinie bereits erfüllt. Letzte notwendige Schritte zur Umsetzung sollen nun mit einem entsprechenden Gesetz auf den Weg gebracht werden. Den Entwurf des Bundesinnenministeriums (BMI) hat das Kabinett jüngst beschlossen. Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière betonte, dass die Ausgangsposition günstig sei, weil bereits ein einheitlicher Rechtsrahmen für die Kooperation zwischen Wirtschaft und Staat in IT-Sicherheitsfragen bestünde. “Wir setzen uns dafür ein, dass der im IT-Sicherheitsgesetz verankerte kooperative Ansatz EUweit als Vorbild für die Umsetzung der NIS-Richtlinie genutzt werden kann. Damit werden wir

unserer Vorreiterrolle in Europa auf dem Gebiet der Cyber-Sicherheit gerecht.”, sagte der Minister. BSI-Präsident Arne Schönbohm erklärte zum Gesetzentwurf: “Konkret bedeutet dies unter anderem, dass das BSI die Betreiber Kritischer Infrastrukturen und andere wichtige Akteure außerhalb der Bundesverwaltung künftig noch besser und intensiver unterstützen kann als bisher, zum Beispiel auch durch unsere Mobile Incident Response Teams.” Mithilfe solcher Einsatzteams (MIRTs) könne das BSI in Zukunft bei herausgehobenen Sicherheitsvorfällen Unterstützung bieten, wenn Betreiber Kritischer Infrastrukturen oder Verwaltungsbehörden darum ersuchen. Außerdem soll das BSI auch den Ländern stärker beratend und mit technischer Expertise beistehen können. In einem Punkt ist die Bundesrepublik bisher noch nicht Vorreiter: Mindestanforderungen und Meldepflichten müssen auch gegenüber Anbietern bestimmter digitaler Dienste (Online-Marktplätze, Suchmaschinen und Cloud-Computing) geltend gemacht werden, sofern sie Niederlassungen oder IT-Systeme in der EU haben. Im Gesetzentwurf des BMI sollen diese Pflichten in Deutschland eingeführt und deren Einhaltung durch das BSI beaufsichtigt werden.

Derartige Computer funktionieren nach der physikalischen Theorie der Quantenmechanik, die einen Paradigmenwechsel in der Physik bedeutete. Sie besagt u.a. dass es keine definierten Aggregatzustände wie fest, flüssig und gasförmig gibt, sondern dass sogenannte Überlagerungen existieren, die sich zwischen den definierten Zuständen bewegen. “Ein Quantencomputer unterscheidet nicht zwischen Null und Eins, sondern kennt auch Zwischenräume”, so Professor Johannes Buchmann von der TU-Darmstadt gegenüber dem Behörden Spiegel.

Kooperationen mit Behörden und Unternehmen Der Wissenschaftler forscht mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und in einem weiteren Projekt mit der Firma Intel Labs, um neue kryptografische Verfahren zu entwickeln. Quantencomputer können Verschlüsselungs- und Signaturverfahren leichter brechen als herkömmliche PCs. Bei Public-Key-Verfahren verfügt jeder Kommunikationsteilnehmer über einen privaten und einen öffentlichen kryptografischen Schlüssel, der aus hinreichend großen Primzahlen besteht. Beide sind über eine sogenannte Einwegfunktion mitein-

ander verbunden. Der private Schlüssel besteht aus Primzahlen, die miteinander multipliziert den öffentlichen Schlüssel ergeben. Will man die Verschlüsselung brechen, muss man den öffentlichen Schlüssel zurück in seine Primfaktoren zerlegen. “Das ist sehr aufwendig. Heutige Computer haben dafür nicht die nötige Rechenleistung”, so Buchmann. Hier seien Quantencomputer wesentlich schneller als andere Computer.

Gitterbasierte Kryptografie Eine Verschlüsselungsmethode, um Quantencomputern standzuhalten, ist die sogenannte gitterbasierte Kryptografie. Hierbei werden mathematische Gitter verwendet, die aus Gitterpunkten und Gittervektoren bestehen. Für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) führen die Wissenschaftler in Darmstadt eine Bewertung gitterbasierter kryptografischer Verfahren durch. “Da das BSI regelmäßig Empfehlungen zu Themen der IT-Sicherheit ausspricht, können wir mit diesem Projekt dazu beitragen, dass die Gitter-Kryptografie schneller den Weg in die Praxis findet“, erklärt Dr. Juliane Krämer, stellvertretende Projektleiterin an der TU Darmstadt.


IT-Security made in Germany

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Behörden Spiegel / Februar 2017

Glasfasernetze – sicher und performant

11. Europäischer Datenschutztag

Antwort auf aktuelle Herausforderungen

Nationalstaatliche Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung im Fokus

(BS/*Patrick Pensel) Die Anforderungen an die IT steigen auch bei öffentlichen Institutionen und Behörden rasant. Die Bewältigung der immer größer werdenden Datenmengen stellt ebenso wie eine sichere Übertragung der Daten sowie der Zugang zu den zentralen Ressourcen eine große Herausforderung für die vorhandenen Infrastrukturen und Lösungen dar.

(BS/th) Aus Anlass des 11. Europäischen Datenschutztages, der Ende Januar stattfand, lud die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 30. Januar ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Seit Jahresbeginn ist Barbara Thiel, Landesbeauftragte für den Datenschutz in Niedersachsen, Vorsitzende des Gremiums, dessen Vorsitz jährlich wechselt.

Gleichermaßen erhöhen sich die Anforderungen an IT-Sicherheit. Öffentliche Institutionen können diese Hürden jetzt mit einem neuen Angebot nehmen – der für die Geheimhaltungsstufe “Verschlussache – nur für den Diensgebrauch” (VS-NfD) zugelassenen Übertragung in Glasfasernetzen.

Gestiegene Anforderungen meistern Durch zunehmende Digitalisierung und Vernetzung steigt die Datenmenge permanent an. Gleichzeitig erhöhen sich die Anforderungen an Sicherheit. Das zeigen auch die Cyber-Angriffe auf die Infrastrukturen von öffentlichen Verwaltungen und Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen oder auf Router der Deutschen Telekom. Hinzu kommen neue Verordnungen, die gestiegenen Ansprüche von Bürgern und begrenzte Budgets. Um sich zu schützen, ist deshalb eine ganzheitliche, abteilungsübergreifende Cyber Defence-Strategie mit der richtigen Mischung aus Prävention, Detektion und Reaktion gefragt. Nur eine integrierte Lösung lässt sich über alle Ebenen hinweg miteinander verzahnen, um einen umfassenden und möglichst lückenlosen Schutz zu bieten. Dabei sind im Zuge von mobilen Arbeitsplätzen, Cloud-Nutzung und verteilten Infrastrukturen auch die vernetzten Systeme außerhalb des eigenen Hauses zu berücksichtigen. Glasfasernetze eignen sich

hervorragend, um große Datenmengen über Rechenzentrumsgrenzen hinweg zu transportieren. Denn sie besitzen niedrige Latenzzeiten, einen hohen Datendurchsatz und eine hohe Skalierbarkeit. Gleichzeitig sind sie kompatibel und wirtschaftlich.

Sicherheit für Glasfasernetze Allerdings können auch Glasfasernetze Ziel von Cyber-Angriffen werden. So ist es beispielsweise möglich, dass sich Betrüger Zugriff auf die Verteilerkästen verschaffen, die sich entlang der Glasfaserstrecke befinden und Spleißstellen enthalten. Haben sich Angreifer Zugang zu einem solchen Verteilerkasten verschafft, sind sie über das Y-Kabel, den Biegekoppler oder durch Auffangen des Streulichts in der Lage, unverschlüsselte Daten abzufangen – und dies oft unbemerkt. Zum Schutz Ihrer Glasfasernetze bietet Computacenter gemeinsam mit ADVA Optical Networking eine sichere, schnelle und effiziente Lösung an.

BSI-geprüft und für VS-NfD zugelassen Sie ist vom BSI für die Verarbeitung von VS-NfD eingestuften Daten zugelassen (BSIVSA-10034). Mithilfe der ADVA FSP 3000 lassen sich Glasfaserverbindungen über weite Strecken zuverlässig absichern.

Dies gewährleisten eine AESVerschlüsselung mit 256 bit Schlüssellänge, eine Überwachung der optischen Übertragungsebene zur Erkennung von Abhörversuchen sowie sicherheitsgehärtete Software. Die Lösung lässt sich sowohl zur Nutzung eines zweiten, redundanten Rechenzentrums inklusive Datenspiegelung einsetzen als auch zur Vernetzung von mehreren geografisch verteilten Rechenzentren inklusive Datenspiegelung. Zudem ist es damit möglich, Außenstellen oder speziell abgesicherte Heimarbeitsplätze an die Infrastruktur anzubinden.

Schnell, sicher, skalierbar Die Lösung bietet eine Verschlüsselung auf unterster Netzebene (Layer 1) ohne Einbußen bei der Leitungsgeschwindigkeit und eine Datenübertragung unabhängig von Format oder Anwendung. Durch die Partnerschaft zwischen ADVA Optical Networking und Computacenter erhalten Kunden die höchste Absicherung ihrer Glasfasernetze aus einer Hand. ADVA Optical Networking gewährleistet als deutsches Unternehmen “Security – Made in Germany”. Computacenter berät, erstellt individuelle Angebote und unterstützt bei Design, Installation, Implementierung und Wartung. *Patrick Pensel ist Business Development Specialist, Public Sector, bei der Computacenter AG & Co oHG.

Die zentrale deutsche Veranstaltung stand unter dem Motto “Diktatur der Daten? – Privatsphäre und Selbstbestimmung im Zeitalter von Big Data und Algorithmen”. Dazu erklärt die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Andrea Voßhoff: “Datenschatz und Datenschutz müssen kein Gegensatz sein. Angesichts der technologischen Herausforderungen der Digitalisierung wird vielen Menschen der Schutz ihrer Daten immer wichtiger. Die Chancen der Digitalisierung sind mit dem grundrechtlichen Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts in Einklang zu bringen. Mit der am 25. Mai 2016 in Kraft getretenen europäischen Datenschutzgrundverordnung steht ein Rechtsrahmen zur Verfügung, der hierzu Vorgaben setzt.” Nationale Gestaltungsspielräume sollten laut BfDI nicht zulasten des Datenschutzes genutzt werden. Datenschutz sei der Schutz des Einzelnen in der digitalen Welt. Er dürfe nicht als Hemmnis der wirtschaftlichen Entwicklung verstanden, sondern müsse als Qualitätsmerkmal angesehen werden. Die BfDI begrüße die zügige Anpassung des deutschen Datenschutzrechts an den EU-Rechtsrahmen. Deutliche Kritik übt Voßhoff an eingeschränkten Kontrollrechten der Datenschutzbehörden und Einschränkungen von wichtigen Betroffenenrechten auf Auskunft und Widerspruch. Zwar werde der für den Datenschutz zentrale Grund-

satz der Zweckbindung noch zu sehr beschränkt. Allerdings dürften nicht-öffentliche Stellen bereits erhobene Daten nun nicht mehr für andere Zwecke verarbeiten, wenn die Interessen der betroffenen Person überwögen.

BfDi hält Teile des Gesetzes für verfassungswidrig Die vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Kontrollbefugnisse der BfDI im Bereich Polizei und Justiz und außerhalb des Geltungsbereichs des EU-Rechts wurden laut Voßhoff deutlich beschränkt. Gerade für heimliche Datenerhebungen sei eine unabhängige Kontrolle jedoch zwingend notwendig. Anstatt jedoch das Vertrauen der Bürger in die staatliche Datenerhebung in diesem Bereich zu verbessern, erhalte die BfDI hier keinerlei Durchsetzungsbefugnisse, möglich seien hier nur nicht-bindende Beanstandungen. Dies sei europarechtswidrig und auch in der Sache falsch. Laut der EU-Richtlinie sollten Datenschutzaufsichtsbehörden zumindest die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit bestimmter Verarbeitungsvorgänge gerichtlich überprüfen zu lassen. Auch dürfe die BfDI den Deutschen Bundestag in Zukunft nicht mehr proaktiv über Kontrollen beim Bundesnachrichtendienst informieren. Dies ist laut Voßhoff verfassungswidrig. Diese Vorschläge gefährdeten das bisherige Datenschutzniveau in Deutschland. Im parlamentarischen Verfahren werde die BfDI daher weiter mit

Nachdruck für wirksame Sanktionsmöglichkeiten der Datenschutzaufsichtsbehörden eintreten.

Problematische Einschnitte bei Betroffenenrechten Kritisch betrachtet werden müssten auch Einschränkungen der Rechte betroffener Bürgerinnen und Bürger, etwa beim Auskunftsrecht oder beim Widerspruchsrecht. “Die Datenschutzgrundverordnung lässt solche Beschränkungen nur unter strengen Voraussetzungen zu. Einige der von der Bundesregierung vorgesehenen Beschränkungen gehen aber zu weit und sind problematisch”, erklärt Andrea Voßhoff. Positiv bewertet die BfDI das geplante Verfahren für die effiziente und einheitliche Vertretung der deutschen Aufsichtsbehörden in europäischen Aufsichtsgremien. Dafür wird bei der BfDI eine Zentrale Anlaufstelle für die Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder eingerichtet. Als Ergänzung zur europäischen Datenschutzgrundverordnung wurde Anfang Januar die E-Privacy-Verordnung von der EU-Kommission veröffentlicht. So soll die Privatsphäre von Internetnutzern besser geschützt werden. Die Verordnung ist eine Ergänzung zur EU-Datenschutzgrundverordnung, die 2016 verabschiedet wurde. Beide werden 2018 in Kraft treten. Die aktuelle Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes setzt die Beschlüsse in nationales Recht um.


IT-Security made in Germany

Behörden Spiegel / Februar 2017

S

elbst wenn es nicht für jede Komponente eine deutsche Variante gibt, lässt sich die mögliche Angriffsfläche hierdurch verkleinern. Schon seit geraumer Zeit werden ausländische IT-Produkte, die an sensiblen Stellen eingesetzt werden, mit Argwohn beobachtet. Nach Edward Snowdens Enthüllungen stand endgültig fest, was viele bislang nur vermutet hatten: Fremde Dienste manipulierten fabrikneue IT-Komponenten, bevor sie vom Kunden installiert wurden. Auch wenn dieses Szenario wohl nur in wenigen Fällen zutraf, setzte bei vielen Firmenlenkern ein Umdenken ein. Sicherheitsrelevante Produkte wurden nun auch im Hinblick auf ihre Herkunft analysiert. Denn natürlich gibt es nicht nur in den USA aktive Nachrichtendienste, auch China und Russland interessieren sich für Informationen aus deutschen Unternehmen oder Organisationen. Deren Neugierde kann zu Hintertüren und Indiskretion bei Sicherheitstechnologien führen. Solche durch den Gesetzgeber geplanten “Schwachstellen” sind bei deutschen Herstellern nicht zu befürchten. IT-Sicherheit “Made in Germany” ist ein wichtiger Bestandteil der kürzlich aktualisierten “Cyber-Sicherheitsstrategie für Deutschland 2016”. Die Strategie bildet den ressortübergreifenden strategischen Rahmen für die Aktivitäten der Bundesregierung mit Bezügen zur Cyber-Sicherheit und schreibt die Cyber-Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2011 fort. Sie sieht über 30 strategische Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der Cyber-Sicherheit vor, darunter die Einführung eines ITSicherheitsgütesiegels. Die Bundesregierung wird zudem die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen IT-Sicherheitswirtschaft stärken und das Qualitätsmerkmal “IT-Security Made in Germany” fördern. Es bedarf darüber hinaus eines breiteren Portfolios qualifizierter, vertrauenswürdiger Dienstleister, zum Beispiel für IT-Sicherheitslösungen, Forensik, Angriffserkennung und -reaktion. Indem IT-Unternehmen durch die Bundesregierung im Kontext spezieller Forschungsprogramme gefördert werden, sollen Anwender zukünftig auf einen breiteren Markt von Dienstleistern zurückgreifen können.

Misstrauen in den Vorstandsetagen Schon 2014, kurz nach Snowden, reagierten viele Manager besorgt. Nach einer Un-

Made in Germany bald Pflicht? Heimische IT-Lösungen als Standortvorteil (BS/Jürgen Hönig*) Zurzeit kapseln sich viele Staaten vom Weltgeschehen ab und zeigen zum Teil stark nationalistische Tendenzen. Im Ausland hergestellte, sensible IT-Sicherheitsprodukte wie Firewalls, Router und VPN-Gateways könnten künftig noch stärker unter Beobachtung stehen als früher. Eine Alternative ist in Deutschland entwickelte und produzierte IT-Sicherheitstechnik.

Foto: BS/NCP engineering GmbH

tersuchung von Pierre Audoin Consultants “IT Made in Germany – Was wollen deutsche Unternehmen?” planen zwei Drittel der IT-Entscheider in deutschen Unternehmen, infolge der anhaltenden Sicherheits-Skandale im Umfeld der NSA-Abhöraffäre verstärkt IT-Lösungen nationaler Unternehmen zu nutzen. High-Tech-Unternehmen wie der deutsche Sicherheitsspezialist NCP engineering GmbH waren schon lange vor Edward Snowden und der dadurch gesteigerten Aufmerksamkeit eine gute Adresse für IT-Sicherheit. Das Nürnberger Unternehmen gilt als einer der weltweit führenden Remote-Access-Anbieter. Der deutsche Standort ist ein Garant für hervorragend ausgebildete Mitarbeiter und damit innovative, zuverlässige Technik. VPN-Clients und Gateways von NCP finden sich in der BSI-Schrift 7164 “Liste der zugelassenen IT-Sicherheitsprodukte und -Systeme”. Sicherheitstechnologie in dieser Liste ist dazu geeignet, Informationen der Vertraulichkeitsstufe VSNfD (Verschlusssache, nur für den Dienstgebrauch) über öffentliche Netze zu übertragen. Auch die immer häufiger angebotenen Cloud-Lösungen, die ihre Server ausschließlich auf deutschem Boden betreiben und so deutschem Datenschutzrecht unterliegen, sind eine sehr gut geeignete Zielgruppe für die Virtual-Private-Network-Lösungen (VPN) von NCP. Denn Server in Deutschland

ZITiS gestartet Behörde nimmt Arbeit auf (BS/lkm) Das Bundesinnenministerium (BMI) hat den Startschuss für den Aufbau einer Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) gegeben. ZITiS soll Beratungs- sowie Unterstützungsaufgaben übernehmen und sich mit der Erforschung und Entwicklung von Methoden, Produkten und übergreifenden Strategien für die Sicherheitsbehörden beschäftigen. Standort von ZITiS soll München sein. Auf die Befugnisse der Sicherheitsbehörden werde ZITiS keinen Einfluss haben, sie werden davon nicht berührt oder ausgeweitet. Die zentrale Stelle selbst erhält keine Eingriffsbefugnisse. Im Bundeshaushalt 2017 sind für ZITiS 120 Planstellen sowie zehn Millionen Euro für Sach- und Personalmittel eingeplant. Perspektivisch soll ZITiS bis 2022 400 Stellen haben. “Eine ganze Reihe von Ereignissen mit kriminellem, insbeson-

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dere aber terroristischem Hintergrund im Verlauf des Jahres 2016 haben unsere Sicherheitsbehörden auch vor technische Herausforderungen gestellt. Daher ist die Einrichtung einer Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern von großer Bedeutung”, so Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière. Die Aufgaben von ZITiS sollen insbesondere in den Bereichen der digitalen Forensik, der Telekommunikationsüberwachung, der Kryptoanalyse (Dekryptierung), der Massendatenauswertung/Big-Data sowie der technischen Fragen von Kriminalitätsbekämpfung, Gefahrenabwehr und Spionageabwehr liegen.

schützen nicht vor Datenabfluss, wenn Infrastrukturkomponenten von Herstellern verwendet werden, deren Wille zur

Sicherheit durch Dekrete und Geheimvereinbarungen ihrer Regierungen eingeschränkt werden kann. Ganz werden sich

RZ-Betreiber und Unternehmen natürlich nie von Produkten aus dem Ausland befreien können. Die IT-Industrie in Amerika, Indien und China ist riesig und für zahlreiche Produkte gibt es keine sinnvolle Alternative. Doch wer zumindest bei den Schaltstellen des Informationsflusses auf Nummer sicher geht, reduziert die Angriffsvektoren. Und möglicherweise stehen wir gerade am Anfang einer Entwicklung, in der solche Schlüsseltechnologien verstärkt national gefördert werden. Mehr Unterstützung für deutsche Unternehmen, wie sie die Cyber-Sicherheitsstrategie nennt, würde die Abhängigkeit von ausländischen Herstellern reduzieren. So wie es im Moment in den USA aussieht, könnte das nicht nur sinnvoll, sondern bald auch notwendig sein.

Mit einer Sicherheitslösung “Made in Germany“ gehen Unternehmen heute ein deutlich geringeres Risiko ein. Sie müssen keine von fremden Regierungen gewünschten oder erpressten Hintertüren fürchten und können von einem voll funktionsfähigen Produkt mit optimaler Schutzwirkung ausgehen. Auch wenn man nicht alle Infrastrukturkomponenten durch im Land entwickelte und produzierte Produkte tauschen kann, reduzieren deutsche ITSicherheitskomponenten die Angriffsfläche. Natürlich sollte man immer im Auge behalten, dass Technologie allein nicht zum Schutz der Firmeninformationen ausreicht. Das Schutzniveau der ITSicherheit zieht seine Stärke aus einem ganzheitlichen Ansatz. Prozesse, Produkte und Personen müssen eingebunden, geschult und optimal aufeinander abgestimmt sein. Dann kann das Siegel “Made in Germany“ auch ein Garant für starke IT-Sicherheit sein. *Jürgen Hönig ist Marketingleiter bei der NCP engineering GmbH


IT-Security Made inGermany

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Behörden Spiegel / Februar 2017

Teilnehmerrekord bei Jugendwettbewerb

MELDUNG

Spam-Mail im Umlauf

Sensibilisierung für IT-Sicherheit

(BS/th) Der Jugendwettbewerb “myDigitalWorld” verzeichnet einen neuen Rekord. Bundesweit haben sich in diesem Jahr über 4.000 Schülerinnen und Schüler mit über 300 Beiträgen (BS/th) Zurzeit ist eine Spamam Wettbewerb für mehr Sicherheit im Netz beteiligt. Gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung hatte die Initiative Deutschland sicher im Netz e.V. (DsiN) junge Mail mit schädlichem Anhang Menschen dazu aufgerufen, sich mit ihrer digitalen Identität auseinanderzusetzen. im Umlauf. Als vermeintlicher “Wir konnten in diesem Jahr mit dem Wettbewerb mehr junge Menschen für das Thema ITund Internetsicherheit erreichen als je zuvor. Wir sehen ein steigendes Interesse bei Jugendlichen im kritischen Umgang mit ihrer digitalen Identität. Die Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung ist ein Erfolg”, erklärt Dr. Thomas Kremer, Vorstandsvorsitzender von Deutschland sicher im Netz e.V. Der Wettbewerb fördert seit 2014 Engagement für mehr ITSicherheit bei jungen Menschen. Durch die erstmalige Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung im Schuljahr 2016/2017 hat das Thema IT-Sicherheit auch Eingang in den größten deutschsprachigen Schülerwettbewerb

Der Wettbwerb “myDigitalWorld” soll Jugendliche für IT-Sicherheit sensibilisieren. Foto: BS/Rainer Stropek, cc by 2.0, flickr.com

zur politischen Bildung gefunden. Das Angebot von DsiN wirkt einem unter Jugendlichen weit verbreiteten Fatalismus entgegen. Laut DsiN-Sicherheitsin-

dex 2016 bildet die Verbrauchergruppe der Fatalisten mit 52,4 Indexpunkten das Schlusslicht, wenn es um die digitale Sicherheit der Verbraucher geht. Fatalistische Nutzer

kennzeichnen sich dadurch, dass sie zwar gute Kenntnisse zu Schutzmaßnahmen haben, dieses Wissen aber nicht in demselben Maße anwenden. myDigitalWorld soll als Angebot zur Anwendung vorhandenen Wissens motivieren, um (Selbst)Vertrauen zu stärken und Unsicherheiten abzubauen. Der Wettbewerb wird regelmäßig von mehreren Patenorganisationen unterstützt. In diesem Jahr sind dies neben dem Bundesministerium des Innern als Schirmherren von DsiN die Deutsche Telekom, Google Deutschland und Ericsson, die alle Mitglieder bei DsiN sind. Der Jugendwettbewerb ist auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung entstanden und wird von DsiN nun zum dritten Mal mit Förderung des Bundesministe-

riums des Innern veranstaltet. Ziel ist es, bei jungen Menschen einen sicheren Umgang mit dem Internet zu fördern und herausragende Beiträge zu prämieren. DsiN wurde im Rahmen des 1. Nationalen IT-Gipfels ins Leben gerufen mit dem Ziel, als Ansprechpartner für Verbraucher und Unternehmen konkrete Hilfestellungen für mehr Sicherheitsbewusstsein im Netz zu leisten. In Zusammenarbeit mit seinen Mitgliedern und Partnern entwickelt der Verein Strategien und Maßnahmen zum sicheren Umgang in der digitalen Welt. In der Digitalen Agenda der Bundesregierung wurde beschlossen, die Unterstützung und Zusammenarbeit mit DsiN zu verstärken. 2007 übernahm das Bundesministerium des Innern die Schirmherrschaft für DsiN.

Absender wird das Nationale Cyber-Abwehrzentrum genannt. Die E-Mail wird von unterschiedlichen gefälschten Absenderadressen mit dem Betreff “Nationales Cyber-Abwehrzentrum (NCAZ)” verschickt. Sie ist in fehlerhaftem Deutsch verfasst und fordert den Empfänger auf, anhand eines angehängten ZIP-Archivs ein Sicherheitszertifikat zu installieren. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) rät dringend dazu, die E-Mail nicht zu öffnen und sie ungelesen zu löschen. Zum Schutz der Regierungsnetze und des Informationsverbundes Berlin-Bonn (IVBB) hat das BSI bereits geeignete Schutzmaßnahmen umgesetzt. Auf seiner Webseite veröffentlicht das BSI Handlungsempfehlungen zum Umgang mit unerwünschten E-Mails.

Netzausausfälle bei der Telekom

Die smarte Alternative zum GS-Tool

SPD-Bundestagsfraktion fordert Konsequenzen

Modul IT-Grundschutz kostenlos

(BS/stb) Nach der Störung von zahlreichen Internetanschlüssen von Telekomkunden im November fordert (BS/Krzysztof Paschke*) Die Lösung DocSetMinder der GRC Partner GmbH unterstützt eine optimale Umsetdie SPD-Bundestagsfraktion rechtliche Konsequenzen. Der Umgang von Geräteherstellern sowie Netz- und zung der BSI-Standards 100-1 bis 100-4 in der öffentlichen Verwaltung. Infrastrukturbetreibern mit bekannten Sicherheitslücken müsse verbessert werden. Bei Nachlässigkeit sollen sie haftbar gemacht werden können. Für eine reibungslose Übernah- der SQL-Datenbank nach ASE- dabei für die unmittelbaren BunEnde November 2016 waren bis zu 900.000 Router von Telekomkunden ausgefallen, nachdem ein weltweiter Übernahmeversuch eines Botnetzes auf Router des Unternehmens gescheitert war. Befragungen von Experten durch den Innenausschuss sowie den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages haben ergeben, dass die Sicherheitslücke, auf die die Cyber-Attacke gezielt hatte, lange bekannt gewesen sei und durch entsprechende Netzkonfiguration hätte geschlossen werden können. Die SPD-Bundestagsfraktion

fordert nun eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern und zuständigen Sicherheitsbehörden, damit bei Bekanntwerden von Sicherheitslücken schneller reagiert werden könne. Es seien klare Haftungsregeln vonnöten, um die Unternehmen bei Nachlässigkeit in die Verantwortung nehmen zu können. Außerdem sei das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) als Ansprechpartner und Dienstleister für die Prävention und die Bewältigung von Sicherheitsvorfällen weiter zu

stärken. Die Telekom hatte nach den Angriffen betont, dass die Router zwar ausgefallen sein, aber dennoch dem Angriff standgehalten hätten. Das Ziel der Angreifer sei es gewesen, die Router zu übernehmen, um sie für einen Bot-NetzAngriff zu benutzen. Dies sei jedoch nicht gelungen, da die Router sich als Reaktion auf die permanenten Zugriffsversuche der Angreifer ausgeschaltet hätten. Die Betroffenen waren nach dem Angriff zum Teil über mehrere Tage nicht mehr ins Internet gekommen.

Hakdefnet ist ein junges Cyber-Security Unternehmen, das die Möglichkeit gibt, sich umfassender, günstiger und einfacher zu schützen als jemals zuvor. Wir analysieren Sicherheitslücken, finden bereits gestohlene Daten – auch im Darknet und können Bund, Länder und Kommunen, sowie Polizeibehörden, das Militär und die Nachrichtendienste daraufhin individuell absichern. Dementsprechend wissen unsere Kunden nicht nur, dass und wie sie angegriffen wurden, sondern auch was mit Ihren Daten passiert ist. Nur so lässt sich der Schaden durch Cyber-Angriffe optimal eindämmen und künftig vermeiden. Hakdefnet setzt auf jahrzehntelange Expertise in der IT-Sicherheit in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Anwendung. Wir helfen Angriffe zu identifizieren, diese zu verstehen und sich davor zu schützen. Unsere Lösung lernt selbstständig und hält sich so aktuell. Das ist die Basis für bestmöglichsten Schutz vor Cyber-Attacken und dem Verlust von kritischen Daten.

HAKDEFNET GmbH Michael Goedeker, CEO Hemke 16c D-49565 Bramsche Tel.: +49 174 329 42 02

me der Daten aus dem GS-Tool steht ein grafischer Import-Assistent (Step-by-Step) zur Verfügung. Der Benutzer entscheidet, welche IT-Verbünde, Zielobjekte und verwendete Bausteine mit den Maßnahmen übernommen werden sollen. Die erfassten Sicherheitskonzepte sind sicher in

256 verschlüsselt. DocSetMinder bildet konsequent die BSIMethodik des IT-Grundschutzes inkl. Notfallmanagement ab. Optional stehen bereits die Module “BSI-Standards 200-3” (Draft), “Krisenmanagement” und die “EU DS-GVO” zur Verfügung. Das Modul “IT-Grundschutz” ist

des-, Landes- und Kommunalverwaltungen der Bundesrepublik Deutschland lizenzkostenfrei. Machen Sie ihre Behörde sicher und “Ready for Audit”!

*Krzysztof Paschke ist Geschäftsführer der GRC Partner GmbH.


Sicherheit & Verteidigung Behörden Spiegel

Berlin und Bonn / Februar 2017

www.behoerdenspiegel.de

Festhalten an Altbewährtem

KNAPP

LTE wird deutschen TETRA-Digitalfunkstandard höchstens ergänzen

GSG9 auch bei Berlin (BS/rup) Die Anti-Terroreinheit

(BS/Gerd Lehmann) Die deutschen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) werden beim Digitalfunk auch weiterhin auf den TETRA-Standard setzen. Eine Ablösung der Bundespolizei GSG9 soll durch LTE, wie in Großbritannien geschehen, ist vom Tisch. Hierzulande stehen zunächst der Weiterbetrieb und die Modernisierung des bestehenden Digitalfunknetzes auf der Agenda. nach Planungen der BundesreDabei geht es zum einen um den Werterhalt und zum anderen um die Gewährleistung von Funktion und Verfügbarkeit in den kommenden zehn bis 15 Jahren. Zur Deckung des schon heute erkennbaren Bedarfs der BOS an mobiler Breitbandkommunikation ist LTE jedoch als Ergänzung von TETRA angedacht. Das geht aus der vom Bundesministerium des Innern (BMI) im Zusammenwirken mit den Innenressorts der Länder erarbeiteten Entscheidungsgrundlage zur Zukunft des Digitalfunks der BOS in Deutschland hervor. Diese hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BDBOS) mittlerweile gebilligt.

Veraltete Infrastruktur Das war auch dringend erforderlich. Denn obwohl der letzte Netzabschnitt des bundesweiten Digitalfunknetzes erst im vergangenen Jahr in Betrieb genommen wurde, zahlreiche Feuerwehren überhaupt noch nicht mit Digitalfunk ausgestattet sind und eine Reihe von Leitstellen, allen voran die der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen, noch immer nicht leitungsgebunden an den Digitalfunk angeschaltet sind, ist die Infrastruktur des 2006 beauftragten Digitalfunknetzes für die deutschen BOS in die Jahre gekommen. Soll es weiterbetrieben werden, muss es erneuert werden. Zudem erfordert allein schon die rasant fortschreitende Umstellung der Telekommunikationsnetze auf die IP-basierte Kommunikation einen Umstieg aller Netzwerkelemente des BOS-Digitalfunknetzes auf IPKonnektivität. Im Gegensatz zur Schweiz, wo

Auch Bayerns Polizisten werden beim Funken weiter auf den bisher bereits verwendeten TETRA-Standard setzen. Die LTE-Technologie kommt beim Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) – wenn überhaupt – künftig nur als Ergänzung zum Einsatz. Foto: BS/Martin_LE, CC BY-SA 2.0, flickr.com

die Erneuerung des Sicherheitsfunknetzes Polycom freihändig an den französischen Systemintegrator Atos vergeben wurde, sollen die von der Industrie zur Gewährleistung des Weiterbetriebes des deutschen BOS-Digitalfunknetzes zu erbringenden Leistungen nun bis zum Ende dieses Jahres auf der Basis der Beschlusslage des Verwaltungsrates der BDBOS europaweit öffentlich ausgeschrieben und im Laufe des kommenden Jahres vergeben werden. Im Fokus der notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung der Funktionalität und Zuverlässigkeit der Systemtechnik stehen insbesondere die Sicherstellung des Betriebs durch ein entsprechendes Lebenszyklusmanagement der eingesetzten Netzkomponenten, die Umstellung der Telekommunikationsnetze auf die IP-basierte Kommunikation und der damit verbundene Umstieg aller Netzwerkelemente des BOS-Digitalfunknetzes auf IP-

Konnektivität sowie die Berücksichtigung offener Bedarfe der Nutzer. Der derzeitige Systemhersteller, Airbus DS, beabsichtigt, die Modernisierung im Zuge einer sanften Migration anzubieten. Der Austausch aller 64 Vermittlungsstellen ist aber auch bei dieser Lösung unumgänglich.

Mammutaufgabe vor der Tür Das bedeutet, dass die gesamte Systemtechnik des derzeitigen Netzes zur Disposition steht. Eine Mammutaufgabe, die jedoch auch die Möglichkeit eines Wechsels des Infrastrukturherstellers bietet. Die größten Herausforderungen stellen dabei die Umstellung der Telekommunikationsnetze auf die IP-basierte Kommunikation und der damit verbundene Umstieg aller Netzwerkelemente des BOS-Digitalfunknetzes auf IP-Konnektivität (ALL-IP-Transformation) dar. Davon betroffen sind alle 64 Vermittlungsstellen, sämtliche

Basisstationen (derzeit 4.521) des Digitalfunknetzes sowie alle leitungsgebunden, an den Digitalfunk angeschalteten Leitstellen. Die Schnittstellen der Vermittlungsstellen und Basisstationen zum Anschluss der Verbindungs- und Zugangsleitungen sowie zur Anbindung der Leitstellen basieren auf E1-Verbindungen, die von den Telekommunikationsanbietern nunmehr sukzessive abgeschaltet und auf All-IP-Netze umgestellt werden. Da der BOS-Funk unterbrechungsfrei weiterlaufen muss, wird der Austausch der Systemtechnik bei einem Herstellerwechsel infolge der unzureichenden Kompatibilität der einzelnen TETRA-Systeme nur im Zuge eines Parallelaufbaus des Netzes zu bewältigen sein. Aber auch eine sanfte Migration stellt eine große Herausforderung dar. Sie setzt eine sorgfältig zwischen Bund und Ländern abgestimmte Planung in finanziel-

ler und operativer Hinsicht voraus. Der Austausch aller Vermittlungsstellen ist dabei ebenfalls unumgänglich. Da aber die IP-basierten Nachfolgemodelle der DXTip-Vermittlungsstellen (DXTA und CCVN) mit den bereits vorhandenen DXT-Servern rückwärts kompatibel sein sollen und die derzeit installierten, einheitlich mit Schnittstellenkarten für E1-Interfaces ausgerüsteten TETRA-Basisstationen problemlos auf Schnittstellenkarten, die sowohl eine E1-Anbindung als auch den VoIP-Anschluss ermöglichen, umgerüstet werden können, dürfte auch ein Mix der Verbindungs- und Zugangsleitungen auf E1- und VoIP-Basis technisch grundsätzlich möglich sein. Ein Vorteil dieser Lösung wäre, dass die Modernisierung des Netzes sukzessive und abgestuft auf regionaler oder Landesebene vorgenommen werden kann. Im Übrigen müssen bei dieser sanften Migration nur die Basisstationen ausgetauscht werden, deren Lebenszyklus beendet ist.

Erhebliche Investitionen erforderlich Die Modernisierung des Digitalfunknetzes der deutschen BOS, die in jedem Fall einen dreistelligen Millionenbetrag erfordert und einen Zeitaufwand von drei bis fünf Jahren in Anspruch nehmen wird, steht unter dem Vorbehalt der Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel. Die Zukunft des BOS-Digitalfunks ist auch Gegenstand des BOS-Anwenderforums am 22. Februar 2017 in Berlin, das zum 20. Europäischen Polizeikongress parallel stattfindet. Weitere Informationen unter: www.eu ropaeischer-polizeikongress.de/ bos-anwenderforum

gierung einen eigenen Standort in Berlin erhalten. Bisher ist sie ausschließlich in Sankt Augustin bei Bonn stationiert. Nach dem Amok-Lauf in München gab es eine Diskussion über eine Dislozierung der GSG9 auf mehrere Standorte. Im Gespräch waren Sankt Augustin, Berlin, gegebenenfalls Nord und Süd. Geblieben ist nun die Planung für einen Zweitstandort der GSG9 in Berlin. Dieser soll aber offenbar außerhalb der Bundeshauptstadt liegen, damit auch eine Anbindung an Hubschrauberkapazitäten möglich ist. Der Vorschlag bleibt allerdings nicht ohne Bedenken. Schließlich ermöglicht die Konzentration einer Einheit an einem Standort eine zentrale Logistik und Infrastruktur sowie eine einheitliche Aus- und Fortbildung. In Österreich und Frankreich sind die Anti-Terroreinheiten jedoch an verschiedenen Standorten positioniert. Über die Reaktion der Länder zu den Planungen des Bundes ist noch nichts bekannt.

Neue Direktion kommt (BS/rup/mfe) Im Laufe der kommenden Wochen wird bei der Bundespolizei die neue Direktion Spezialkräfte aufgebaut. In ihr vertreten sein, sollen neben der Elite-Einheit GSG 9 die Fliegergruppe, die Flugsicherheitsbegleiter sowie die Kräfte des Personenschutzes Ausland. Diskutiert wird noch über die Integration der Entschärfereinheiten sowie der Kräfte des Referats “Einsatz- und Ermittlungsunterstützung” im Bundespolizeipräsidium. Die neue Dienststelle, die ihren Sitz in Berlin haben soll, wird unabhängig vom geplanten neuen GSG 9-Standort in der Hauptstadt existieren.


Innere Sicherheit

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B

ehörden Spiegel: Herr Herrmann, was sind die wichtigsten Lehren aus dem Amoklauf von München? Herrmann: Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass der Einsatz in München insgesamt gut gelaufen ist. Das Grundkonzept, das alle Polizeibehörden in Deutschland nach dem Amoklauf an einem Erfurter Gymnasium 2002 entwickelt haben, hat sich als richtig erwiesen. Es muss in einer solchen Lage versucht werden, den Täter sofort zu stellen. Das ist die Aufgabe der zuerst am Tatort eintreffenden Beamten. In München ist das umgesetzt worden, auch wenn der Kontakt zum Täter zeitweise verloren ging. Behörden Spiegel: Und welche polizeitaktischen Schlüsse ziehen Sie aus diesem Einsatz? Herrmann: In einer solchen Lage müssen alle verfügbaren Polizeikräfte so schnell wie möglich im Einsatz sein. Sie müssen für Außenstehende aber auch eindeutig erkennbar sein. Das gilt insbesondere für Zivilkräfte, die sich zumindest ihre Schutzwesten überziehen sollten. Für die Bürger muss immer erkennbar sein, dass es sich um Polizeibeamte handelt. Ansonsten kommt es zu Missverständnissen und Fehlalarmen, weil Menschen den Eindruck gewinnen, Unbefugte würden in der Öffentlichkeit mit Waffen hantieren. Das sind alles ganz praktische Dinge. Ebenso wichtig ist es, schnell Spezialkräfte am Ort des Geschehens zu haben. Auch das hat in München ja gut funktioniert. Behörden Spiegel: Neben der Polizei muss in Terror- und Amoklagen auch die Feuerwehr gut funktionieren. In München gab

Behörden Spiegel / Februar 2017

Kommunikation muss wichtiger werden Effektives Vorgehen gegen “Fake News” erforderlich (BS) Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hält Community Policing, also die dialogische Massenkommunikation zwischen Polizei und Bürgern für eines der zukunftsweisenden Themen. Gleichzeitig spricht er sich im Gespräch mit dem Behörden Spiegel dagegen aus, für eine Stärkung der Inneren Sicherheit hierzulande pauschal auf zentralisiertere Strukturen zu setzen. Die Fragen stellten R. Uwe Proll und Marco Feldmann. es offenbar eine zeitweise Unterversorgung mit Rettungswagen, weil sich die Feuerwehr weigerte, in Gebiete zu fahren, die noch nicht als sicher deklariert wurden. Was sagen Sie dazu? Herrmann: Bei einem Amoklauf hat man natürlich das Problem, dass unter Umständen Schwerverletzte versorgt und gerettet werden müssen, obwohl der Täter noch nicht gestellt ist. Dann besteht für die Rettungskräfte natürlich ein Gefährdungsrisiko. Während der Lage in München ist versucht worden, schnell eine eindeutige Lageübersicht zu bekommen, damit die Rettungskräfte nicht gefährdet werden. Durch die in Bayern eingeführte Handlungsempfehlung für Rettungsdiensteinsätze bei besonderen Einsatzlagen”‘REBEL” soll künftig bei derartigen Lagen noch mehr auf eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen der Polizei und dem Rettungsdienst geachtet werden. Behörden Spiegel: Eine ganz andere Frage, Herr Hermann. Welche Bedeutung wird Community Policing – die dialogische Massenkommunikation zwischen Polizei und Bevölkerung – künftig bei der Polizeiarbeit einnehmen? Wird das eine eigene Sparte polizeilichen Handelns? Herrmann: Community Policing muss in Zukunft definitiv einen höheren Stellenwert bei

der gibt, in denen der Verfassungsschutz nicht ganz so schlagkräftig ist. Aber deshalb gleich den Verfassungsschutz komplett zu zentralisieren, halte ich für falsch. Die Landesämter für Verfassungsschutz müssen erhalten bleiben. Gleichzeitig begrüße ich ausdrücklich die Personalverstärkungen bei der Bundespolizei, dem Bundeskriminalamt sowie den Nachrichtendiensten des Bundes.

Herrmann: Ich habe da noch kein fertiges Konzept. Behörden Spiegel: Der BunEs ist aber zwingend erforderlich, desinnenminister hat nun Bundass wir zur Wei- desausreisezentren in Flughat e r e n t w i c k l u n g fennähe vorgeschlagen. Ihre Joachim Herrmann (CSU) ist seit 2007 bayerischer Innenmider Cyber-Sicher- Partei fordert Transitzonen dinister. Er tritt für Transitzonen an Deutschlands Grenzen heitsarchitektur rekt an der Grenze. Widerspreein. Außerdem plädiert er dafür, im Bereich der Cyber-Siin Deutschland chen sich diese beiden Ideen cherheit über Strukturreformen zu diskutieren. jetzt eine fachliche nicht? Foto: BS/Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Diskussion beginHerrmann: Nein, das widernen. Das muss der Polizei erhalten. Schließlich werden jetzt schrittweise ge- aber unbedingt eine fachliche spricht sich überhaupt nicht. findet die Berichterstattung, schaffen. Dafür mussten aber Debatte und keine parteipoli- Bei den Transitzonen geht es nicht zuletzt aufgrund der Sozia- zunächst einmal auch genügend tisch geprägte Diskussion sein. darum, dass wir bei denen, die len Medien, immer stärker ein- Beamte gewonnen werden, weil Allen Beteiligten muss klar sein, in unser Land kommen, von Ansatzbegleitend und nicht erst im das ja keine klassische Polizeiar- dass im Bereich von groß ange- fang an die Identität klären. Anschluss an die polizeiliche La- beit ist. Da gab es innerhalb der legten Cyber-Attacken die Tren- Wenn jemand sagt, er habe keige statt. Die Polizei muss in Zu- Organisation auch durchaus nung zwischen Innerer Sicher- nen Ausweis, muss er erstmal kunft deutlich schneller auf Widerstände zu verzeichnen. In- heit auf der einen und Äußerer aufgehalten werden, um seine Falschmeldungen im Internet zwischen merken aber alle Be- Sicherheit auf der anderen Seite Identität sicher feststellen zu und in Sozialen Netzwerken rea- teiligten, dass diese Form der kaum mehr möglich ist. Hier können. Um das schon beim gieren und diese rasch demen- Kommunikation beim Bürger darf es keine Denkverbote ge- Grenzübertritt zu klären, brauchen wir die Transitzonen. Nietieren beziehungsweise richtig- sehr gut ankommt. Damit kann ben. mand darf dafür belohnt werstellen können. Das ist auch für die Polizei unnötige Ängste inBehörden Spiegel: Und wel- den, vor der Einreise nach das Sicherheitsgefühl der Bür- nerhalb der Bevölkerung beseichen Beitrag könnte in diesem Deutschland sein Ausweisdoger von entscheidender Bedeu- tigen. Bereich das bayerische Landes- kument wegzuwerfen. tung. Eines steht jedoch auch Außerdem müssen AsylbewerBehörden Spiegel: Und wie amt für Sicherheit in der Informafest: Ein derartiges Agieren der ber, die vollziehbar ausreisePolizei ist personalintensiv. Die sieht es mit “policing-do-it-your- tionstechnik (LSI) leisten? pflichtig sind, wieder schneller Mitarbeiter müssen immer auf self” – wie zuletzt nach dem AnHerrmann: Da werden alle ih- und konsequenter in ihre Heidem neuesten Stand der Ent- schlag in Berlin oder dem Attenwicklung sein. Das erfordert in tat von Boston geschehen – aus? ren Beitrag leisten. Mit dem neu matländer zurückgeführt werdiesem Bereich mehr Personal Soll das integraler Bestandteil zu errichtenden Landesamt den. Hier können die vom Bunschützen wir in Bayern zu- desinnenminister vorgeschlaals früher im Rahmen der klassi- künftiger Polizeiarbeit werden? nächst einmal unsere staatliche genen Bundesausreisezentren schen Pressearbeit. Herrmann: Wir sind immer IT-Infrastruktur bestmöglich. einen wichtigen Beitrag leisten. Behörden Spiegel: Wird es für dankbar, wenn sich Bürger en- Wesentliche AufgabenschwerBehörden Spiegel: Wie könnte diese Aufgaben denn zusätz- gagieren und Courage zeigen. punkte des LSI sollen auch die liche, spezielle Stellen bei der Wenn Menschen mit ihren Analyse kompromittierter IT- eigentlich der InformationsausSmartphones Fotos oder Videos Systeme und die Unterstützung tausch zwischen Bund und Länbayerischen Polizei geben? von Straftaten machen, ist es für von Kommunen bei Sicherheits- dern verbessert werden? Wie Herrmann: Ja, diese Stellen uns aber wichtig, dass diese vorfällen sein. Insgesamt sind könnte erreicht werden, dass die dann auch der Polizei zur Verfü- wir beim Aufbau des Landes- Idee des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ) weiter gung gestellt werden. Die Bürger amts auf einem guten Weg. Daneben haben wir beim Baye- mit Leben erfüllt wird? sollen die Aufnahmen nicht selbständig ins Internet hochla- rischen Landesamt für VerfasHerrmann: Man hat ja das Geden. Schließlich kann der Ein- sungsschutz bereits frühzeitig Terrorabwehrzenzelne selten beurteilen, welche die Beratung für Wirtschaftsun- meinsame Schlüsse aus dem Gesehenen zu ternehmen in unserem Land trum extra dafür geschaffen, ziehen und welche Maßnahmen massiv ausgebaut, um die Wirt- dass dieser Informationsauserforderlich sind. Auch weiß er schaft vor Spionage und Sabota- tausch besser wird und zwar sowohl zwischen nicht, ob die Person, die auf den ge insbesonPolizei und durch Aufnahmen zu sehen ist, tat- dere “Die Landesämter für Verfassungssächlich der Täter ist. Jedenfalls elektronische schutz wie zu ist es für die Polizei hilfreich, Angriffe Verfassungsschutz eben auch wenn Bürger ihr solche Aufnah- schützen. Unmüssen erhalten zwischen den ser Cyber-Allimen zur Verfügung stellen. bleiben.” 16 Ländern anz-Zentrum und dem Behörden Spiegel: Vom Kon- Bayern unterBund. Und es seit kreten zum Allgemeinen in Sa- stützt offensichtlich chen Innerer Sicherheit. Der Bun- 2013 betroffene Einrichtungen funktioniert desinnenminister hat ja auf mehr kompetent und vertraulich und auch. Problematisch ist jedoch, zentrale Steuerung in der deut- warnt in anonymisierter Form dass die Rechtsprechung des schen Sicherheitsarchitektur ge- auch weitere Unternehmen vor Bundesverfassungsgerichts den Informationsaustausch drängt. Was halten Sie von sei- möglichen Angriffen. zwischen Polizei und Verfasnen Vorschlägen? Behörden Spiegel: Für wie sungsschutz in den letzten JahHerrmann: Wir müssen uns realistisch halten Sie die Gefahr, ren weiter erschwert hat. Karlsmit diesem Thema sehr viel diffe- dass die kommenden Bundes- ruhe hat für diesen Austausch renzierter auseinandersetzen. tagswahlen durch Angriffe aus viel zu hohe Hürden aufgestellt. Ich glaube, dass uns pauschal dem digitalen Raum beeinflusst Dabei ist er von entscheidender Bedeutung für die Sicherheit in ein stärkerer Zentralismus in werden? Deutschland. der Sicherheitspolitik überHerrmann: Es kann sein, dass haupt nicht weiterbringt. LetztBehörden Spiegel: Was wäendlich gibt es dafür auch keine jemand versuchen könnte, die Belege. Gleichwohl gibt es hier- Bundestagswahl durch Cyber- re – rein fiktiv gesprochen – eizulande große Baustellen im Si- Angriffe zu beeinflussen. Dieses gentlich die erste Maßnahme eicherheitsbereich. Das ist zum Risikos müssen wir uns be- nes Bundesinnenministers, der Beispiel bei der Cyber-Sicher- wusst sein. Wir müssen dieses von Ihrer Partei gestellt würde? heit der Fall, wo es praktisch kei- Thema sehr ernst nehmen. Späne Grenze mehr zwischen Inne- testens seit dem erheblichen CyHerrmann: Zu theoretischen rer und Äußerer Sicherheit gibt. ber-Angriff auf den Deutschen Personaldiskussionen nehme Da müssen wir in den nächsten Bundestag 2015 ist ersichtlich, ich grundsätzlich keine StelJahren über neue Strukturen dass auch der parlamentarische lung. diskutieren. Ein erster Schritt in Bereich in Deutschland im FoEines ist aber klar: Die CSU die richtige Richtung ist in die- kus professioneller Angreifer wird alles dafür tun, vor und sem Zusammenhang die Bünde- steht. Im Mai und August 2016 nach der Bundestagswahl in lung der Cyber-Fähigkeiten in waren auch mehrere politische Fragen der Inneren Sicherheit einem neuen militärischen Or- Parteien Ziel weiterer Cyber- ein gehöriges Wort mitzureden. ganisationsbereich für den Cy- Attacken. Innere Sicherheit muss sich in ber- und Informationsraum ausreichendem Maße in einem Behörden Spiegel: Was hal- neuen Koalitionsvertrag wieder(CIR) bei der Bundeswehr. ten Sie denn von de Maizières finden. Innere Sicherheit gehört Behörden Spiegel: Welches Idee, den Verfassungsschutz für die Union zu den zentralen Ressort sollte Ihrer Meinung nach vollständig in die Bundeszu- Aufgaben des Staates. Deshalb denn künftig für Cyber-Sicher- ständigkeit zu überführen? muss sie im Regierungshandeln heit und Cyber-Abwehr zuständer kommenden LegislaturperiHerrmann: Ich will nicht aus- ode eine besondere Priorität hadig sein? Bisher teilen sich diese Aufgabe ja mehrere Ministerien. schließen, dass es Bundeslän- ben.

“Niemand darf dafür belohnt werden, vor der Einreise nach Deutschland sein Ausweisdokument wegzuwerfen.”


Innere Sicherheit

Behörden Spiegel / Februar 2017

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Bayern will Polizeigesetz reformieren

Neues Verhältnis zur Polizei

Freistaat plant elektronische Fußfesseln für Gefährder

“Community Policing” trifft in Deutschland noch auf Vorbehalte

(BS/mfe) Die bayerische Staatsregierung plant Erweiterungen des Polizeiaufgabengesetzes. Die Regelung (BS/Dr. Sebastian Denef*) Polizeiarbeit ohne Autos ist heute undenkbar. Sie gehören zur Standardausstatsoll unter anderem um eine präventiv-polizeiliche Bestimmung zur offenen elektronischen Aufenthaltsüber- tung, ein Führerschein ist Bedingung für den Polizeiberuf. Polizeiliche Präventionsarbeit, Präsenz und Konwachung ergänzt werden. Damit würde der Einsatz elektronischer Fußfesseln möglich. trollen gewährleisten die Sicherheit der Straßenverkehrsteilnehmer. Was heute normal ist, war 1886, als der erste Carl Benz Patent-Motorwagen fuhr, noch unvorstellbar. Das Automobil veränderte das gesellDes Weiteren ist beabsichtigt, Ex- ßerdem betonte er: “Darüber chen. Was definitiv komme, sei schaftliche Leben im 20. Jahrhundert nachhaltig und damit auch die Polizeiarbeit. hinaus wollen wir auch die technischen und rechtlichen Möglichkeiten zum Ausbau der Gesichtserkennung bei der Videoüberwachung untersuchen.”

Auch Justiz wird gestärkt Herrmann kündigte auch an, sowohl die Schutzausstattung als auch die Bewaffnung der Polizisten zu verbessern. Des Weiteren wolle er sich für eine personelle Aufstockung der Observationseinheiten stark ma-

ein Ausbau stationärer und mobiler polizeilicher Videoüberwachungsanlagen, versprach der Innenminister. Und sein Kabinettskollege, Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback (ebenfalls CSU), kündigte an: “Bei den Staatsanwaltschaften bauen wir die Staatsschutzabteilungen aus. Zudem errichten wir eine bundesweit einzigartige kombinierte Einrichtung zum Vollzug von Strafund Abschiebehaft.”

MELDUNG

Kroatien soll vollwertiger Partner im Schengen-Raum werden (BS/mfe) Kroatien soll sukzessive in das Schengener Informationssystem (SIS) integriert werden. Das empfahl die EU-Kommission nun dem Europäischen Rat. Damit wird in Zukunft eine engere Kooperation zwischen kroatischen Sicherheitsbehörden und ihren Kollegen in den Schengen-Staaten möglich. Denn: Kroatien wendet die Rege-

lungen des Schengen-Abkommens bisher nur in Teilen an. SIS enthält derzeit rund 70 Millionen Einträge. 2015 wurden die Daten 2,9 Milliarden Mal abgefragt, 2014 waren es “nur” 1,9 Milliarden Abrufe. Die Datenbank enthält insbesondere Informationen über Personen, die kein Recht auf Einreise in den Schengen-Raum oder auf Auf-

enthalt darin haben oder die in Verbindung mit kriminellen Tätigkeiten gesucht oder vermisst werden. Außerdem enthält das System Angaben zu bestimmten verloren gegangenen oder gestohlenen Gegenständen, wie zum Beispiel Fahrzeugen, Schusswaffen, Booten und Ausweispapieren, sowie Daten zur Identitätsfeststellung.

Im 21. Jahrhundert sind es digitale Medien, die die Gesellschaft verändern. Über kulturelle und soziale Grenzen hinweg digitalisiert sich die Welt in einer dramatischen Geschwindigkeit. Doch was bedeutet diese Entwicklung für die Polizei? Seit einigen Jahren erforscht die Wissenschaft, wie Polizeien in unterschiedlichen Ländern sich durch digitale Medien verändern und digitale Werkzeuge in ihre Arbeit integrieren. Über neue Möglichkeiten in Ermittlungen hinaus wird deutlich, dass digitale Medien die Beziehung zwischen Polizei und Bevölkerung nachhaltig verändern können. Der direkte digitale Draht zwischen Polizisten und Bürgern ermöglicht Informationsaustausch in beide Richtungen. Im Internet ist “ihr Freund und Helfer” nicht mehr nur ein Slogan, sondern für Polizeien bereits gelebte Praxis. In den Niederlanden oder Finnland berichten Streifenbeamte mittels Smartphone über aktuelle Entwicklungen in einem Ortsteil und helfen bei Problemen im

Stashcat schließt Lücke Anwendung erlaubt sichere Kommunikation und Dateiablage (BS) Polizeibeamte sind sowohl in ihrem Alltagsgeschäft als auch bei Großlagen auf eine funktionierende, verlässliche und sichere Kommunikation mit ihren Kollegen angewiesen. Gleichzeitig müssen sie datenschutzrechtliche Bestimmungen einhalten. Mit der Anwendung stashcat, die von der heinekingmedia GmbH entwickelt wurde, können die Mitarbeiter all diesen Anforderungen gerecht werden. Der CEO des Unternehmens beantwortet die wichtigsten Fragen zu der Anwendung. Herr Noack, was versprechen Sie sich von der Einführung von stashcat? Was kann Ihr Produkt, was andere nicht können? Noack: WhatsApp hat Messenger in unserem Leben als Standard etabliert. Die kostenlosen, für den Privatgebrauch konzipierten Dienste sind für den Einsatz in Unternehmen und Behörden aber ungeeignet. Sie verdienen Geld mit der Weitergabe von Nutzerdaten. Für Einrichtun-

bile-Device-Management, machen stashcat für Behörden betreibbar. Wie gewährleisten Sie bei stashcat eine hohe Verfügbarkeit und zugleich eine große Abhörsicherheit?

Noack: Stashcat verschlüsselt die Kommunikation Ende-zuEnde und bietet damit ein Maximum an Sicherheit. Die Daten werden auf den Endgeräten und im Rechenzentrum in separaten Datenbanken verschlüsselt abAndreas Noack ist CEO der gelegt. Zusätzliheinekingmedia GmbH. Das che Merkmale, Unternehmen bietet mit wie Zwei-Faktorstashcat eine Lösung, die Authentifizieden Bedarf an Messenger rung, ergänzen und Dateiablage in einer sidas Sicherheitscheren Umgebung abdeckt. konzept. Foto: BS/heinekingmedia GmbH Da Kunden stashcat selbst gen, die mit personenbezogenen im eigenen Rechenzentrum beDaten und vertraulichen Infor- treiben können, haben sie die mationen arbeiten, ein No-Go. Kontrolle. Dass stashcat so perZudem erfüllen die Dienste nicht formant zu bedienen ist, zeichden gesetzlich vorgeschriebenen net das Produkt aus und macht Datenschutz. Der Vorteil der es zur echten Alternative. Denn Messenger ist aber nicht von der nur wenn Performance und BeHand zu weisen, weshalb sie dienung gleichwertig sind, kann dienstlich genutzt werden, aus sich stashcat bei den Nutzern für den Dienstgebrauch gegen priMangel an Alternativen. Diese Lücke schließt stashcat vate Dienste durchsetzen. und deckt den Bedarf an MesWie schaffen Sie es, dass senger und Dateiablage in einer sicheren Umgebung. Stashcat stashcat die Anforderungen aller ermöglicht die sichere Kommu- Behörden und Organisationen nikation, sowohl im Alltag als mit Sicherheitsaufgaben (BOS), auch in Einsatzsituationen, wie auch in verschiedenen Ländern Großeinsatzlagen. Stashcat bie- Europas, erfüllt? tet Bedienkomfort, wie WhatsNoack: Polizei, Feuerwehr oder App, neben Smartphone auch am PC und Tablet. Die Dateiab- Rettungsdienste haben besonlage ergänzt die Funktionalität. dere Anforderungen an eine Die gesamte Kommunikation ist K o m m u n i k a t i o n s l ö s u n g . Ende-zu-Ende verschlüsselt Stashcat kann auf behördenund kann vom Kunden selbst on oder firmeneigenen Servern bepremise betrieben werden. trieben werden, auf Wunsch Stashcat ist nicht an die Telefon- auch zum eigenen Dienst genummer, sondern an die behör- brandet. Da heinekingmedia deneigene Benutzerverwaltung stashcat selbst entwickelt, kann angeschlossen (LDAP). Weitere auf die Anforderungen einzelner Merkmale, wie verschlüsselte Kunden und auch auf die beDatenbank und integriertes Mo- stimmter Märkte oder Zielgrup-

pen zeitnah reagiert werden. Wir arbeiten mit zahlreichen Partnern an Integrationslösungen, zum Beispiel in Leitstellensoftware oder gesonderten Hardware- und Sicherheitsumgebungen. Die Erfahrung von Kunden und Partnern unterstützt uns, die Anforderungen des Marktes zu erkennen und umzusetzen. Mit welchen Kosten ist die Einführung von stashcat für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) verbunden? Noack: Stashcat wird pro Nutzer und Monat abgerechnet. Wie viel der einzelne Nutzer kostet, hängt von einigen Faktoren ab. Gesamtnutzerzahl, Hosting, eventuell Branding. Diese Faktoren bestimmten den Preis. Grundsätzlich kann von einem einstelligen Eurobetrag pro Nutzer und Monat ausgegangen werden. Die Frage nach dem Preis wirft aber zugleich auch die Frage nach dem Einsparungspotenzial auf. Wie viel einfacher kann mit Kollegen kommuniziert werden, wie viel Zeit wird beim Verteilen von Informationen und Dokumenten gespart? Welche praktischen Möglichkeiten für den Einsatzfall bietet stashcat den Mitarbeitern der BOS? Noack: In kritischen Einsatzsituationen ist es wichtig, schnell zu reagieren. Wenn etwa während eines Fußballspiels Einsatzkräfte vor dem Stadion mit den Einsatzkräften am Bahnhof kommunizieren möchten, schreiben diese in stashcatGruppen untereinander und geben sich so Statusberichte, tauschen Bilder oder Fotos aus. Auch Dokumente, wie der Einsatzplan als PDF oder Ablaufdiagramme, sind über stashcat einfach auszutauschen. Durch die optionale Standortmitteilung wissen alle Mitarbeiter, wo sich Kollegen befinden und können

im Notfall schnell zueinander gelangen. Allein mit Sprechfunkt ist es der Polizei heute nicht möglich, ein Fahndungsfoto an Kollegen zu versenden. WhatsApp und Co. erlauben in der Regel nur die Kommunikation zwischen dem Nutzer und bekannten Personen mit Handynummer. Aber nicht jeder Kollege besitzt die Handynummer aller Kollegen. stashcat nutzt die vorhandene Benutzerverwaltung und dockt an diese an. Somit ist das behördeneigene Adressbuch innerhalb von Stashcat verfügbar. Große Gruppen können nach Belieben gebildet und Informationen standortort- und endgeräteübergreifend ausgetauscht werden. stashcat ergänzt den BOSFunk um jene Funktionen der modernen Kommunikation bei gewohnter Sicherheit.

digitalen Raum. Das ist für deutsche Polizeibehörden (noch) Zukunftsmusik. Die zögerliche Haltung hierzulande ist vor allem damit zu erklären, dass diese Adaptation digitaler Medien für eine neue Art von “Community Policing” eines organisationalen Wandels bedarf. Wenn öffentliche, schriftliche Kommunikation mit dem Bürger nur von zentralen Pressestellen bearbeitet wird, kann ein digitaler, lokaler Austausch zwischen Polizisten und Bürgern nicht stattfinden. Es gilt, neue Praktiken zu entwickeln und in den Polizeialltag zu integrieren. Digitale Medien benötigen technische Infrastruktur, die bei Deutschlands Polizeien noch nicht in der erforderlichen Art und Weise zur Verfügung steht. Dass Polizeibeamte mit einem dienstlichen Smartphone und Polizeiapps ausgestattet werden, ist in anderen Ländern Standard. In Deutschland bringt die Diskrepanz zwischen nicht vorhandener dienstlicher Ausstattung und privaten Geräten Beamte in die Verlegenheit, private Geräte und nicht zugelassene Services auf eigenes Risiko hin zu nutzen, um effektive Polizeiarbeit möglich zu machen. Die Nicht-Nutzung ist keine Alternative. Unter dem Stichwort “Do-It-Yourself Policing” (“DIY Policing”) erforschen Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Ar-

beitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO) derzeit, wie Bürger mit digitalen Medien selbst zum Sherlock Holmes werden und online und offline Kriminalität aufklären und bekämpfen kommen. In den deutschen Polizeibehörden gilt es also, digitalen Medien die Bedeutung zu geben und jene Aufmerksamkeit zu schenken, die sie im Leben der Menschen heute haben. Digitale Medien sind ein effektives Mittel der Polizeiarbeit. Schon bald wird Polizeiarbeit ohne Smartphone so undenkbar sein wie Polizeiarbeit ohne Auto heute. *Dr. Sebastian Denef arbeitet als Wissenschaftler im Berliner Büro des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (Fraunhofer IAO).

Save the Date “Community Policing” ist auch Thema auf dem 20. Europäischen Polizeikongress am 21. und 22. Februar in Berlin. Ihre Erfahrungen damit erläutern die Polizeipräsidenten Münchens, Kölns und Berlins, Hubertus Andrä, Jürgen Mathies und Klaus Kandt. Die österreichische Perspektive steuert der Wiener Landespolizeivizepräsident General Karl Mahrer bei.

Aus der Praxis für die Praxis Kompetenz für Fach- und Führungskräfte

Praxisseminare im April/Mai:

Innere Sicherheit Soziale Medien bei Polizei, Feuerwehr und BOS 04. – 05. April 2017, Hannover

Vergabe von Rettungsdienstleistungen 03. Mai 2017, Bonn

Traumatisierten und belasteten BOS-Einsatzkräften begegnen 16. – 17. Mai 2017, Berlin

Anmeldung unter: www.fuehrungskraefte-forum.de

Bildnachweis: Digitoxin, cc by 2.0, flickr.com

tremisten und Gefährder künftig einfacher in Sicherheitsgewahrsam zu nehmen. Darüber hinaus plant die Landesregierung, die Speicherfristen von Videoaufzeichnungen zu verlängern. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte zu den geplanten Reformen: “Gefährder sollen künftig von der Polizei schon frühzeitig überwacht werden können. Wir setzen hier neue Maßstäbe im Kampf gegen den islamischen Terrorismus.” Au-


Innere Sicherheit / Katastrophenschutz

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er flächendeckende Einsatz von Body-Cams in London ist angelaufen. Wie reagieren die Bürger? Hutchinson: Mein Eindruck ist positiv. Die Öffentlichkeit in unserem Verantwortungsbereich akzeptiert und begrüßt den Einsatz von Body-Cams. Unbestritten haben diese einen mäßigenden Effekt. Insbesondere beim häufig auftretenden Problem der Rudelbildung bei Polizeieinsätzen tritt der Nutzen der Kameras hervor: Gefährder und Umstehende mögen es nicht, gefilmt zu werden. Unsere Erfahrung: die Gruppen lösen sich dann meist sofort auf. In Zeiten von Smartphones und Social Media ist es zudem sinnvoll, auch eine amtliche videobasierte Darstellung des Sachverhalts zur Verfügung zu haben. Schon in der Testphase stellt sich die Frage nach dem Design der Kameras. Sie haben sich gegen einen Front-Screen entschieden: warum? Hutchinson: Aus der umfangreichen Testphase mit 600 Body-Cams im Einsatz heraus kann ich sagen: Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass

S

ie erlaubt sowohl die Verwaltung der in SAP geführten Führungs- und Einsatzmittel als auch deren Bewirtschaftung. Symbolisch lässt sich das Zusammenspiel zwischen der Kosten- und Leistungsrechnung und dem Bedarfsmanagement als ein Gebäude darstellen, dessen Fundament die KLR bildet und das mit weiteren Funktionalitäten der Instandhaltung und der Materialwirtschaft erweitert wurde.

Body-Cams minimieren Gewalt Londoner Polizei setzt Tausende Geräte ein

Welche Lehren ziehen Sie rückblickend aus dem Beschaffungsprozess?

ein Front-Screen irgendeinen positiven Verhaltenseffekt in einer kritischen Situation oder mit einem Gefährder auslöst. Aus unserer Sicht erhöht der Screen lediglich die Störanfälligkeit des Systems und verringert die Laufzeit der Akkus.

Hutchinson: Grundlegend ist: Die Anschaffung einer BodyCam-Lösung ist nur dann erfolgreich, wenn sich erfahrene Polizeipraktiker intensiv einbringen und mit IT-Professionals eng zusammenarbeiten. Fundierte Einsatzerfahrung einbringen – darauf haben wir bei der Met großen Wert gelegt und ich rate meinen Kollegen, es uns gleichzutun.

War das ein Ausschlussmerkmal bei der Auswahl? Hutchinson: Nein, wir hatten keine No-Screens-Policy. Aber unsere Einsatzkräfte haben das Recht auf eine Gesamtlösung, die zu 100 Prozent ihren Herausforderungen im Polizeialltag entspricht. Dazu gehört auch ein durchdachtes Kamera-Design, das der ganzen Bandbreite ihrer Aufgabestellung gerecht wird. Wie auch das rote Blinklicht als Signal einer laufenden Aufnah-

Die Body-Cam “Axon Body 2” von Taser International wird bis August 22.000 Mal bei der Londoner Met im Einsatz sein. Fotos: BS/Taser International

me: Es wird weltweit verstanden. Das ist bei Sprachproblemen oder in Krawallsituationen essenziell.

Und was haben Sie darüber hinaus gelernt? Hutchinson: Die Beschaffung darf sich nicht zu sehr auf Kameras fokussieren. Aus meiner Sicht kann ein isoliertes BodyCam-Projekt nicht funktionie-

ren. Body-Cams sind immer als Systemlösung zu betrachten. Zu den Body-Cams gehört zwingend ein leistungsfähiges Back-EndManagement. Es ist ein End-toEnd-Service zwecks Beweismittelsicherung, der beschafft werden muss.

Schweriner Landespolizei setzt auf digitale Verwaltung ihrer Ausrüstung (BS/Annegret Tschersich*) Derzeit wird im Rahmen der Modernisierung der Landesverwaltung Mecklenburg-Vorpommerns die Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) bei der Landespolizei vorbereitet. Dafür müssen alle Objekte des Vermögens der Landespolizei erfasst werden. Als sinnvolle Ergänzung entwickelte die DVZ M-V GmbH (DVZ) deshalb – gemeinsam mit dem Finanz- und Innenministerium des Landes – eine Bedarfsmanagement-Lösung. Laufe der Zeit anfallenden Kosten für Instandhaltungsmaßnahmen und planmäßige Wartungsarbeiten von Bedeutung.

Direkte Zuordnung

In der Polizei Mecklenburg-Vorpommerns findet eine Erfassung aller Objekte und Vermögen statt. Dazu hat die DVZ M-V GmbH ein Bedarfsmanagement-System entwickelt. Es greift auf SAP-Technik zurück. Grafik: BS/DVZ M-V GmbH

Alle im HKR-Verfahren “ProFiskal” gebuchten Kosten werden über die Zusatzkontierung an das SAP-System übermittelt und den entsprechenden Objekten zugeordnet oder als Sachkosten auf Kostenstellen gebucht. Für die internen Werkstätten der Landespolizei wurden die Werkstattabläufe und die Ersatzteilverwaltung systemseitig unterstützt. Wolfram Mill, Leiter des Refera-

Belasteten Einsatzkräften begegnen Fürsorgegespräche mit Betroffenen (BS/Isa Julgalad/Sven Täuber*) Schwer belastende Einsätze wie Zugunglücke, Amoklagen, Anschläge oder polizeilicher Schusswaffengebrauch gehören nicht zu alltäglichen Ereignissen von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei. Sie können jedoch jederzeit Wirklichkeit werden. Diese Einsätze entwickeln außergewöhnliche Wirkmächtigkeit und können so zu belastenden Einsätzen für Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei werden. Schockphase dauert durchschnittlich 48 Stunden. Der Betroffene ist unter Schock, betäubt, verwirrt, wütend, traurig, orientierungslos. Bei einigen Betroffenen zeigt sich auch ein sichtbarer Aktivitätsdrang. Einsatzkräfte verfügen über die besondere Fähigkeit, auch in dieser Situation zu funktionieren, zu handeln, zu organisieren und erlebte Gefühle zu verdrängen. Die Einwirkungsphase tritt nach der Schockphase ein, in der Regel nach 48 Stunden. Sie dauert zwischen zwei und vier Wochen nach dem Ereignis an. In dieser Phase treten starke, vorübergehende Symptome auf. Das können unter anderem wiederkehrende Gedanken sein. Das Erleben dieser Symptome wird jedoch selten kommuniziert. Die Erholungs- oder Chronifizierungsphase dauert acht bis zwölf Wochen nach dem Traumaereignis an. Im Fall einer Erholung gelingt es der Einsatzkraft, das Ereignis zu verarbeiten. Die Chronifizierung der Belastungssymptome gewinnt

Krankheitswert, da das Trauma hier unzureichend verarbeitet wird. Die drei Symptome Intrusionen, Übererregbarkeit und Vermeidungsverhalten können sich verschieben, ausdehnen und verfestigen. Je nachdem, wie viele Symptome auftreten, spricht man hier von einer partiellen oder kompletten posttraumatischen Belastungsstörung.

oder die Führungskraft erkannt. Das Einsatznachsorgeteam, der Polizeiseelsorger, geschulte soziale Ansprechpartner oder ausgebildete Personen in Organisationen, die Einsatzkräften helfen, psychisch belastende Einsätze und den Stress besser zu bewältigen, sogenannte Peers, müssen im Rahmen der Fürsorgepflicht involviert werden.

Die Führungskraft kann und sollte in taktischen Nachbesprechungen persönliches Belastungserleben ansprechen und identifizieren. Abhängig vom Zeitpunkt ist auf Symptome der Phase eins oder zwei zu achten. Die Führungskraft muss das Gespräch über mögliche Symptome mit den Einsatznachsorgekräften einleiten.

Vermittlung schon vor dem Ereignis Das Wissen über Traumata und folgende Reaktionen muss bereits vor dem Traumaereignis vermittelt werden und eignet sich, um Einsatzkräfte auf ihre Reaktionen nach einem belastenden oder traumatischen Ereignis vorzubereiten. Vorhandenes Wissen schwächt dies präventiv ab. Das Erkennen der Schockphase ist bei Einsatzkräften schwierig, da sie oft mit dem “Funktionsmodus” bis zum Dienstende reagieren. Der Nachsorgebedarf wird im besten Fall durch die Einsatzkraft selbst, Kollegen

schen Polizeikongresses, des führenden Kongresses in Europa zum Thema Innere Sicherheit, am 21. und 22. Februar in Berlin senden?

Hutchinson: Meinen Auftritt auf dem Kongress verstehe ich als internationalen Wissenstransfer. Denn aus meiner Sicht ist Polizeiarbeit internaWas ist mit den Kosten? Die tional. Ebenso ist aus meiner müssen Sie doch immer im Blick Sicht die deutsche Polizeiarbeit mit der englischen vergleichhaben, oder? bar. Der Wissensaustausch mit deutschen Kollegen kann für beide Seiten Superintendent Adrian HutVorteile bringen, chinson verantwortet beim Rückschläge Metropolitan Police Service vermeiden und London das momentan größdie Einführung te Body-Cam-Projekt auf der hilfreicher neuer ganzen Welt. Technologien beschleunigen.

Mit Blaulicht und SAP zum Einsatz

Nach der Beschaffung eines Objektes wird für die Kostenerfassung in der KLR und für den Vermögensnachweis das SAPModul “Anlagenbuchhaltung” genutzt. Den Lebenszyklus eines Objektes bilden die Module “Instandhaltung” und “Materialwirtschaft” ab. Dabei sind sowohl die räumliche Zuordnung eines Objektes als auch die im

ie Einsatzkräfte der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) funktionieren in Einsatzsituationen, aus denen normale Menschen gewöhnlicherweise traumatisiert hervorgehen würden. Das Handeln unter Eigengefährdung, sogenannte primäre Traumatisierungsereignisse, aber auch Einsätze ohne Eigengefährdung wie Konfrontation mit Toten, Schwerverletzten oder psychischen Dauerbelastungen, sogenannte sekundäre Traumatisierungsereignisse, können Mitarbeiter von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei allerdings belasten. Besondere Belastungsintensität und Wirkmächtigkeit haben “Man-made-Disasters”, durch Menschen verursachte Traumata. Sie lösen stärkere Beschwerden aus als reine “Unglücke”. Doch bereits größere Schadenslagen stellen Probleme dar, wie das Zugunglück in Eschede sehr deutlich zeigte. Auch Fälle, in denen Einsatzkräfte Kindern als Opfer begegnen, traumatisieren. Sowohl ein einzelnes Ereignis von besonderer Intensität als auch mehrere, sich anhäufende Ereignisse sind in der Lage, bei der Einsatzkraft Symptome hervorzurufen. Der Betroffene reagiert auf das Ereignis in drei Phasen: Die Schockphase beginnt mit der traumatischen Situation. Die

Hutchinson: Natürlich, das sind wir unseren Steuerzahlern schuldig. Angesichts von letztlich 22.000 Body-Cams haben diese ein Recht auf Kosteneffizienz und eine langfristige Lösung, die allen konkreten Herausforderungen der Polizeiarbeit gerecht wird.

(BS) Er ist einer der erfahrensten Polizeipraktiker des Metropolitan Police Service in London: Superintendent Adrian Hutchinson. Seit 27 Jahren im aktiven Polizeidienst, ist er aktuell beim Metropolitan Police Service London (Met) als “Police Lead – Mobile Technology” tätig. Damit verantwortet Hutchinson auch das aktuell weltweit größte Body-Cam-Vorhaben überhaupt. Federführend an der Testphase zur Einführung von Body-Cams beteiligt, leitet er jetzt die Implementierung des Projekts “Body-Worn-Video” des Metropolitan Police Service. Aktuell sind in Greater London 7.000 Body-Cams im Einsatz, bis Mitte August werden es rund 22.000 Kameras sein. Superintendant Hutchinson beantwortet die wich- Welche Botschaft werden Sie an die Teilnehmer des 20. Europäitigsten Fragen zum Projekt.

Rückgriff auf Anlagenbuchhaltung von SAP

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tes IV 201 im Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommerns, ist überzeugt: “Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Einführung der KLR ist die Integration dieser in die behördlichen Abläufe. Insofern bedarf es keiner fachlichen Insellösungen, sondern integrierter Verfahren. Mit dem Projekt “IT-gestütztes Bedarfsmanagement der Polizei Mecklenburg-Vorpommern” ist es gelungen, die Führungs- und Einsatzmittel effektiv zu managen und eine doppelte Datenerfassung für die KLR zu vermeiden.”

Erhebliche Zeitersparnis Auswertungs- und Analyseprozesse würden schneller durchgeführt, umfangreiche Abfragen in der Fläche entfielen, so der Referatsleiter. *Annegret Tschersich ist Service-Managerin im Sachgebiet Finanzwesen der DVZ M-V GmbH.

Oft aber schweigen die Betroffenen. Um zu entscheiden, ob ein zeitweiser Aufgabenwechsel oder Dienstbefreiung sinnvoll sind, sollten Vorgesetzte mehrere Überlegungen einbeziehen, um eine Retraumatisierung zu vermeiden. Zum einen werden Routine und Alltag als stabilisierend vom Betroffenen erlebt. Zum anderen hinterlässt erfolgreiches Arbeiten das Gefühl, noch kompetent und stark zu sein. Präventionsarbeit reduziert das Risiko für eine posttraumatische Belastungsstörung erheblich. Sie ist Teil der Fürsorgepflicht und Ausdruck der Wertschätzung für den Mitarbeiter. Sie verhindert zudem falsche Kompensationstechniken wie zum Beispiel, dass der Betroffene in ungesundem Maß zu Alkohol greift. Zum Thema “Traumatisierte und belastete Einsatzkräfte von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS)” veranstaltet der Behörden Spiegel ein Seminar. Dieses findet am 16. und 17. Mai in Berlin statt. Weitere Informationen finden Sie unter: http://www.fuehrungs kraefteforum.de/detail.jsp?v_id =1637 .

Einsatzkräfte, die psychisch belastende Situationen bewältigen mussten, durchlaufen bei deren Verarbeitung drei Phasen. Auf die Schockphase folgt die Einwirkungsphase. Daran schließt sich die Erholungs- oder Chronifizierungsphase an. Foto: BS/Julgalad, Täuber

*Isa Julgalad ist Diplom-Psychologin. Sven Täuber arbeitet als Polizeiseelsorger.


Wehrtechnik

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Neues aus der Wehrtechnik Bericht des Wehrbeauftragten

Großauftrag aus den USA

Deutscher Bundestag

SIG Sauer

(BS) Im aktuellen Bericht des Wehrbeauftragten Dr. Hans-Peter Bartels wird festgestellt, dass “immer noch erst ein Bruchteil der für den Lufttransport benötigten Flugzeuge A400M (Foto) zur Verfügung” stünden. So besaß die Bundeswehr Ende 2016 sieben Maschinen dieses Typs. Ihr durchschnittlicher Verfügungsbestand von etwa 45 Prozent war in erster Linie fehlerhaften Propellergetrieben geschuldet. Seit Unterstellung des ersten deutschen A400M unter die Einsatzführung des European Air Transport Command (EATC) im niederländischen Eindhoven im Februar 2015 konnten bis Ende Oktober 2016 von 265 geplanten Einsätzen lediglich 154 – d. h. 58 Prozent – durchgeführt werden. Für Afghanistan-Flüge muss deshalb häufig auf

(BS) Ende Januar wurde bekannt, dass die SIG Sauer GmbH & Co. KG aus Eckernförde ein jahrelanges Auswahlverfahren über eine neue Pistolengeneration für die US-Streitkräfte gewonnen hat. In den nächsten zehn Jahren soll das Unternehmen in seinem US-Werk in Newington im Bundesstaat New Hampshire die Selbstladepistole P320 fertigen. Die Handfeuerwaffe mit Kaliber 9 mm Parabellum wird die italienische Beretta 92 – die US-Bezeichnung lautet “M9” – ersetzen. Es geht dabei um einen Auftrag über insgesamt 492.000 Pistolen, einschließlich Munition und Zubehör, im Umfang von 580,217 Millionen USDollar. Allein das amerikanische Heer soll 280.000 Stück von diesem modularen Handfeuerwaffensystem (MHS) erhalten. Auftraggeber ist

Foto: BS/Portugall

US-Lufttransport zurückgegriffen werden, der oft nur schwer planbar ist. Die deutschen Soldaten hatten deshalb des Öfteren lange Wartezeiten hinzunehmen. Mehr Informationen unter www.bundestag.de

hier das Army Contracting Command im Picatinny Arsenal in New Jersey. Das deutsche Unternehmen produziert Kurz- und Langwaffen nicht nur für den militärischen, sondern auch für den polizeilichen und privaten Gebrauch. Mehr Informationen unter www.sigsauer. com

Mehr als eine Umbenennung?

Verteidigungsgeschäft unter einem Dach

BwConsulting

Diehl Defence

(BS) Unter dem Leitsatz “Aus g.e.b.b. wird BwConsulting – mehr als eine Umbenennung” steht die Neufirmierung der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb (g.e.b.b.) als BwConsulting. Der neue Name soll eine Präzisierung ausdrücken: Im Gegensatz zur alten Benennung wird der Zweck des Unternehmens deutlich gemacht: Consulting, d. h. die Inhouse-Beratung der Bundeswehr, ist das Kerngeschäft des Unternehmens. Der Schwerpunkt liegt jetzt auf den Beratungsfeldern Strategie & Steuerung, Prozesse & Organisation sowie Projektmanagement-Unterstützung.

(BS) Aufgrund von Veränderungen auf den Märkten und von neuen Anforderungen der Kunden hat sich Diehl entschlossen, das Verteidigungsgeschäft ab Februar unter einem Dach in der Diehl Defence GmbH & Co. KG zu fokussieren. Die neue Firma übernimmt sowohl die Aufgaben der bisherigen Führungsgesellschaft Diehl Defence Holding GmbH als auch die Geschäftsaktivitäten der Unternehmenseinheit Diehl BGT Defence GmbH & Co. KG. Die bereits in beiden Unternehmen eingesetzte Geschäftsführung bleibt bestehen und umfasst

Die BwConsulting ist eine 100-prozentige Bundesgesellschaft, Gesellschafter ist das BMVg. Rund 115 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Der Firmensitz ist nach wie vor in Köln mit einem weiteren Standort in Berlin. Gegründet worden war die g.e.b.b. im Jahr 2000; damals war ihr Sitz noch Bonn gewesen. Mehr Informationen unter www.bwconsulting.de

Ausstellung auf der Colombiamar

Netzwerk Cyber-Sicherheitspolitik

MTG Marinetechnik GmbH

Stiftung Neue Verantwortung

(BS) Kerngeschäft der Hamburger MTG Marinetechnik GmbH ist die Entwicklung in sich geschlossener, funktionierender Schiffsentwürfe. Diese zeigt der Ingenieur-Dienstleister Mitte März in der kolumbianischen Hafenstadt Cartagena auf der Colombiamar, die alle zwei Jahre stattfindet. Lutz Rainer Mertschat (Foto), Leiter Marketing und Vertrieb, erklärte dazu: “Die MTG betreut bereits mehrere Projekte in Südamerika sowie am internationalen Markt. Wir möchten unsere Kontakte insbesondere zu den hiesigen Kunden mit der Teilnahme an der Colombiamar vertiefen, denn komplexe Dienstleistungen und Lösungen

lassen sich am besten im direkten Austausch erklären.” Heute arbeiten mehr als 50 Experten aus den Bereichen Schiffbau, Schiffsmaschinenbau, Elektrotechnik, Waffentechnik, Nachrichtentechnik und Informatik interdisziplinär in den Projekten zusammen.

Foto: BS/MTG

Mehr Informationen unter www.mtg-marinetech nik.de

(BS) Die Stiftung Neue Verantwortung e. V., eine gemeinnützige Berliner Denkfabrik, hat begonnen, ein transatlantisches Netzwerk aus deutschen und US-Experten für Cyber-Sicherheitspolitik aufzubauen. Diese Expertengruppe kommt aus Wissenschaft, NGOs und Wirtschaft. Sie wird in den nächsten zwei Jahren an den für beide Staaten immer wichtigeren Fragen der transatlantischen Cyber-Sicherheitspolitik arbeiten. Das Themenfeld betrifft die digitalen Beziehungen beider Länder und umfasst Fragen wie die Regelung staatlicher Überwachung, den Umgang mit Verschlüsselung, Kooperation bei IT-Sicher-

unverändert Claus Günther (Strategie und Beteiligungen) als Sprecher der Geschäftsführung, Thomas Bodenmüller (Finanzen und Administration), Dr. Rainer Kroth (Technik) sowie Helmut Rauch (Vertrieb und Programme). Diehl Defence entwickelt und liefert Ausrüstung in den Bereichen bodengebundene Luftverteidigung, Lenkflugköper, Munition sowie Trainings- und Schutzsysteme an die Bundeswehr und an zahlreiche internationale Streitkräfte. Mehr Informationen unter www.diehl.com

heit und internationale Konflikte im Internet. Dr. Sven Herpig (Foto) übernimmt die Leitung des transatlantischen Expertennetzwerks. Der Politikwissenschaftler arbeitete zuvor unter anderem für das BSI, das Auswärtige Amt und die Konrad-AdenauerStiftung.

MELDUNG

Trotzdem Kritik der BAAINBw-Personalvertretungen (BS/Dr. Gerd Portugall) Auf internationale Unwägbarkeiten gelte es zu reagieren, sagte Generalleutnant Benedikt Zimmer, Abteilungsleiter Ausrüstung im Verteidigungsministerium, Anfang des Jahres vor Leitung und Personalvertretungen des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in Koblenz. Damit einher gingen auch tiefgreifende, aber unvermeidliche strukturelle Veränderungen sowohl bei den deutschen Streitkräften als auch bei der zivilen Bundeswehr-Verwaltung, so der DreiSterne-General in seinen Ausführungen. diese. Es fehle ohnehin generell “immer noch das erforderliche Vertrauen in die Verantwortungsbereitschaft der Beschäftigten”, so der Personalratsvorsitzende.

Erwiderung des Abteilungsleiters General Zimmer sagte deshalb gleich zu Beginn seiner Erwiderung, dass er der Mitarbeiterschaft seiner Abteilung wie der des Beschaffungsamtes vollumfänglich vertraue. Auch schätze er deren Arbeitsleistung, die sich unter anderem in mehr als 13.000 abgeschlossenen Verträgen für 2016 manifestiere – davon allein 18 Vorlagen mit einem Volumen von mindestens 25 Millionen Euro für die parlamentarische Billigung. In den kommenden zwei Jahren sollen mehr als 500 neue Dienstposten im BAAINBw geschaffen werden. Zu deren Besetzung verspricht sich der Abteilungsleiter Ausrüstung viel vom neuen “E-Recruiting” der Bundeswehr, d. h. von Online-Stellenausschreibungen und -Bewerbungen.

Generalleutnant Benedikt Zimmer, Abteilungsleiter Ausrüstung im BMVg, sprach das Grußwort des Ministeriums für Ressortchefin Dr. Ursula von der Leyen. Foto: BS/Portugall

Abstecher in die Lokalpolitik Ein Grußwort der rheinlandpfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) überbrachte ihr Parteifreund David Langner,

Staatssekretär im Mainzer Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie. Sein Erscheinen dürfte aber sicherlich auch dem Umstand ge-

Foto: BS/SNV

Mehr Informationen unter www.stiftung-nv.de

Künftig mehr Geld und Personal

Zuvor hatte nämlich Erwin Gallas, Vorsitzender des BAAINBwPersonalrates, bei seiner Ansprache die vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) getroffenen Organisationsänderungen heftig kritisiert. Von einer deklarierten “moderaten Nachjustierung” könne beim Koblenzer Beschaffungsamt keine Rede sein: “Faktisch wird derzeit das komplette Amt grundlegend neu organisiert.” Skeptisch bewertete der Personalvertreter auch die geplante Beauftragung externer Unternehmensberater für einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag. Sowohl im technischen als auch im vertraglichen Bereich werde die “Gefahr des Verlustes von Kernkompetenzen” im Amt gesehen, so Gallas. Nicht mit Kritik sparte er auch beim Thema “Verhaltenskodex” für Bundeswehr-Angehörige, den die Verteidigungsministerin im Umgang mit Industrie, Parlament und Medien plant. Dieser Kodex sei “diskriminierend und würdigt nicht die bisher geleistete Arbeit”, sondern missachte

Foto: BS/U.S.Army

schuldet sein, dass dieser hofft, den amtierenden Oberbürgermeister der Rhein-Mosel-Stadt, Prof. Dr. Hofmann-Göttig (SPD) – der ebenfalls anwesend war –, zu “beerben”. Zwar will letzterer bei der diesjährigen OB-Wahl im Herbst noch einmal antreten, im Jahr darauf aber einen “Schichtwechsel” mit Langner vollziehen. Ein wichtiger Arbeitgeber mit zahlreichen potenziellen Wählern ist dabei die Bundeswehr allemal: Am Standort Koblenz existieren rund 5.300 Dienstposten, davon allein 2.100 im Beschaffungsamt. Anlass dieser Veranstaltung war der alljährliche Neujahrsempfang der Personalvertretungen des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung. Die komplette Amtsspitze war vertreten: Präsident Harald Stein, der militärische Vizepräsident Generalmajor Klaus Veit und der zivile Vizepräsident Armin Schmidt-Franke. Generalleutnant Zimmer hatte auch seinen Stellvertreter, Ministerialdirigent Hubert Blahnik, mitgebracht.

BMVg begrüßt U-BootWahl Norwegens (BS/por) Die Regierung in Oslo hat sich für eine Kooperation mit Deutschland bei der Beschaffung neuer U-Boote entschieden: Gemeinsam sollen die Kieler ThyssenKrupp Marine Systems GmbH (TKMS) und die norwegische Kongsberg Maritime AS sechs identische Boote bauen, davon zwei für die deutsche Marine und vier für die norwegischen Seestreitkräfte. Das Auftragsvolumen wird auf rund drei Milliarden Euro geschätzt. Die deutsche Werft hat sich damit gegen den französischen Konkurrenten DCNS durchgesetzt. Der Presse- und Informationsstab des BMVg begrüßte diese Entscheidung: “Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht eine gute Nachricht. Zu allererst werden die U-Boot-Fähigkeiten der Marine deutlich gestärkt”, da Deutschland seine bisherige Beschaffungsplanung deutlich vorziehen könne. Die norwegische Entscheidung werde darüber hinaus dazu beitragen, “eine zukunftsweisende Schlüsseltechnologie für die nächsten Jahrzehnte in Deutschland zu sichern und in enger Kooperation mit dem norwegischen Partner weiter auszubauen”.


Wehrtechnik

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er Hintergrund ist folgender: Das niederländische Kontingent der UN-Friedenstruppe MINUSMA zieht seine Hubschrauberkräfte aus dem westafrikanischen Land ab. Die deutschen Maschinen sollen die dadurch entstehende Fähigkeitslücke von diesem Frühjahr an bis zum Ablauf des ersten Halbjahres 2018 schließen. Dabei geht es um die Verlegung von Rettungsund Kampfhubschraubern der Bundeswehr mit dem dazugehörigen Personal in das Camp Castor bei Goa im unruhigen Norden des Landes. Die bisherige Mandatsobergrenze für MINUSMA von 650 deutschen Soldaten wurde daher auf insgesamt 1.000 angehoben. Erste Vorbereitungen für diesen befristeten Einsatz der Helikopter laufen bereits. Ziel der UNO ist es, für die Hubschrauber-Kapazitäten im Norden des Sahel-Landes eine internationale Rotationslösung zu schaffen.

Deutsches Engagement wächst

(BS/Dr. Gerd Portugall) Helikopter und mehr Personal der Bundeswehr sollen von Deutschland aus zur UN-Mission nach Mali verlegt werden. Das hat die Bundesregierung Mitte Januar beschlossen; Ende des Monats hat der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit das entsprechende Mandat erteilt. “Wir planen, in Kürze eine Rettungskette mit Hubschraubern aufzubauen”, hatte Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Deutsches Engagement Leyen bereits während ihrer Afrika-Reise im Dezember angekündigt. Im westafrikanischen Mali sind

Der mittlere Transporthubschrauber NH90 kann rund vier Tonnen aufnehmen.

fällen oder Wartungsarbeiten als Reserve. Die “Tiger” sollen Luftnahunterstützung für Bodentruppen leisten. Mit der Unterstützung dieser Hubschrauber können deutsche Patrouillen weiter hinausfahren, ca. 100 bis 120 Kilome-

ter vom Lager Gao entfernt. Im Falle eines Angriffs mit Verletzten sollen die Hubschrauber dafür sorgen, dass Verwundete innerhalb einer Stunde im Militärcamp medizinisch versorgt werden können. Für Deutschland ist diese Ein-Stunden-Regelung eine Grundbedingung für den Einsatz in Mali.

Das neue Gerät

Der Kampfhubschrauber “Tiger” war bereits in Afghanistan im Einsatz. Fotos: BS/Portugall

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ie Staatsfinanzen würden nicht mehr “die absolute Bestimmungsgröße” beim Einzelplan 14 (Verteidigung) sein. Das sagte Dr. Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, als Eröffnungsredner. Der Grund hierfür liege in der veränderten Sicherheitslage Deutschlands im Innern wie nach außen. In diesem Zusammenhang kündigte der CDU-Bundestagsabgeordnete ein “InnovationsManagement in der Bundeswehr” an. Dabei verwies er auf die Finanzplanung, wonach bis zum Jahre 2020 insgesamt rund sechs Milliarden Euro mehr für Rüstungsinvestitionen zur Verfügung stünden. Auf die Frage von Generalmajor a. D. Wolfgang Döring, ob mit den finalen Beschaffungsentscheidungen für das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) und für eine neue Korvetten-Flottille noch vor der anstehenden Bundestagswahl gerechnet werden könne, antwortete Dr. Brauksiepe, dass er da “überfragt” sei. Dessen ungeachtet sieht der Parlamentarische Staatssekretär ohnehin “keinen Bezug” zwischen Beschaffungsentscheidungen für die Bundeswehr und Wahlterminen.

Stimmen aus der Industrie Frank Haun, Vorsitzender der Geschäftsführung von KrausMaffei Wegmann (KMW), sprach

zeugen. Deshalb hat die Bundeswehr zum Beispiel das selbstfahrende Ladeund Transportsystem PFA-50 der französischen TLD Group, das bis zu 22,7 Tonnen heben kann, dorthin verbracht.

Hubschrauber und mehr Personal nach Mali

Auftrag Mit dem neuen Mandat wird die Bundeswehr insgesamt acht Drehflügler nach Mali entsenden: vier mittlere Transporthubschrauber NH90 zur Rettung von Verwundeten, die ab Anfang März einsatzbereit sein sollen, sowie vier Kampfhubschrauber vom Typ “Tiger”, die ab Anfang Mai verfügbar sein sollen. Im Einsatz fliegen jeweils immer zwei NH90. Dabei sichert einer mit seiner Bordbewaffnung den anderen bei der Aufnahme von Verwundeten. Die beiden anderen Maschinen dienen bei Aus-

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Die NH90 gehören zum Transporthubschrauberregiment 10 im niedersächsischen Faßberg. Dieser Typ wird von NH Industries (NHI) gebaut. Das multinationale Unternehmen wurde im Jahre 1992 zur Planung, Herstellung, Produktion und Logistikunterstützung des NATOHubschraubers gemeinsam von Eurocopter (seit 2014 Airbus Helicopters), Agusta (seit 2017 Leonardo) und Stork Fokker Aerospace gegründet. Die Aktienanteile dieser drei Unternehmen bei NHI liegen bei Airbus Helico-

pters mit 62,5 Prozent – davon bei Airbus Helicopters Deutschland GmbH mit 31,25 Prozent genau die Hälfte –, Leonardo (Italien) mit 32 Prozent und Fokker (Niederlande) mit 5,5 Prozent. Einziger Einsatzverband des “Tigers” ist das Kampfhubschrauberregiment 36 im hessischen Fritzlar. Dabei handelt es sich um ein deutsch-französisches Modell von Airbus Helicopters. Das Triebwerk wird von dem Konsortium MTU Turbomeca Rolls-Royce GmbH (MTR) im oberbayerischen Hallbergmoos gebaut. Die Endmontage des Hubschraubers erfolgt im nordschwäbischen Donauwörth, in Marignane (Provence), Albacete (Kastilien-La Mancha) und in Australien.

Drohnen Bereits seit Monaten kann die Bundeswehr RPAS (“Remotely Piloted Aircraft Systems”) im Luftraum über Mali nutzen. Seit

vergangenem Sommer stehen 15 unbewaffnete taktische Drohnen vom Typ “LUNA” für die Aufklärung bereit. Diese mussten erst von den Vereinten Nationen zertifiziert werden, was recht lange dauerte. LUNA (Luftgestützte Unbemannte Nahaufklärungs-Ausstattung) wurde von der EMT Ingenieurgesellschaft Dipl.-Ing. Hartmut Euer mbH im oberbayerischen Penzberg gebaut. Im Herbst 2016 folgten sog. MALE-Drohnen vom Typ “Heron 1”. MALE steht für “Medium Altitude, Long-Endurance”. Während LUNA – mit Zusatztanks – lediglich über eine maximale Flugdauer von acht Stunden verfügt, kann die “Heron 1” bis zu 27 Stunden lang ununterbrochen in der Luft bleiben und so nahezu ganz Mali abdecken. Aufklärungsbilder liefern ihre Kameras in Echtzeit. Gebaut von Israel Aerospace Industries Ltd. (IAI), wird sie gewartet von der Airbus DS Airborne Solutions GmbH mit Firmensitz in Bremen.

Logistische Herausforderungen Der logistische Aufwand bei solchen Operationen ist enorm. Allein für die “Heron 1” wurden in den ersten drei Wochen 120 Container von Deutschland nach Westafrika transportiert. Die strategische Verlegung über rund 5.000 Kilometer von Leipzig in die malische Hauptstadt Bamako erfolgte mit einem gecharterten Großraum-Flugzeug vom Typ Antonov AN-124. Dann ging es im taktischen Lufttransport mit der A400M 1.100 Kilometer weiter nach Gao. Da der Flughafen von Gao bei früheren Kämpfen arg in Mitleidenschaft gezogen worden war, fehlte dort vielfach die logistische Infrastruktur, u. a. auch zum Be- und Entladen von Flug-

Trendwenden hoch drei Neue Perspektiven für die deutsche Verteidigungswirtschaft (BS/por) Mehr Personal, mehr Material, mehr Geld – so lassen sich die Kernaussagen der von Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen verkündeten drei “Trendwenden” zusammenfassen. Und genau das waren die Botschaften, welche die Vertreter der Bundeswehr auf einer wehrtechnischen Fachkonferenz Ende Januar in Bonn Bad-Godesberg überbrachten. Die anwesenden Manager der deutschen Verteidigungswirtschaft werden dies gerne vernommen haben. hingegen Klartext: “Der Exodus der deutschen Wehrtechnik hat schon lange begonnen, wir wollen es nur nicht wahrhaben!” Der gesellschaftlich geforderte und politisch umgesetzte Ausstieg aus Kernkraft und Gentechnik sei wenigstens öffentlich verkündet worden. Bei der Verteidigungsindustrie geschehe dies hingegen verborgen “hinter dem Vorhang”. Das sei gegenüber den betroffenen wehrtechnischen Unternehmen ausgesprochen “unfair”, so der langjährige KMW-CEO. Nicht ganz so kritisch äußerte sich hingegen Dr. Heinz-Peter Hellmeister, Beauftragter des Vorstandes der Rheinmetall AG. Er erwartet von der Politik eine “klare, langfristige, strategische Ausrichtung” bei der Rüstungsentwicklung und -beschaffung. Rahmenverträge mit der Industrie – sogenannte “Partnering Agreements” – könnten dabei die Bundeswehr “personell entlasten”. Auch und gerade beim Rüstungsexport bräuchten die Unternehmen “Berechenbarkeit” bei den Ausfuhrgenehmigungen, so der Rheinmetall-Manager.

Auf dem Podium diskutierten (v.l.n.r.) Dr. Claudia Major (SWP), Direktor Dietmar Weidenfeller (BAAINBw), General a. D. Rainer Schuwirth (DWT), Generalleutnant Erhard Bühler (BMVg) und Dr. Heinz-Peter Hellmeister (Rheinmetall). Foto: BS/Portugall

Stimmen aus der Generalität/Admiralität Generalleutnant Erhard Bühler, Abteilungsleiter Planung im BMVg, gab bekannt, dass neben der bereits existierenden Ist-Fä-

higkeitslage der Bundeswehr erstmalig auch ein Soll-Fähigkeitsprofil erarbeitet werden würde. Dabei müsse u. a. der Umstand Berücksichtigung finden, dass Deutschland nicht

mehr wie zu Zeiten des Kalten Krieges “Frontstaat” sei, sondern mittlerweile “Aufmarschgebiet” und Transitland für das Bündnis als “Host Nation”. Wichtig sei insgesamt “strategi-

rund 720 deutschen Soldaten vor Ort. Dieses Engagement teilt sich auf in die deutschen Anteile an der MINUSMA-Mission der UNO mit bisher 560 Bundeswehr-Angehörigen (inkl. Verbindungsstelle im Senegal) bei der Stadt Gao im unsicheren Norden und an der EU-Ausbildungsmission EUTM mit 160 Soldaten im Süden, in der Nähe von Bamako. Die Mandatsobergrenze für EUTM Mali beträgt 300 Soldaten. Beide Missionen wurden erstmals am selben Tag Ende Februar 2013 durch den Bundestag mandatiert Die UN-Friedensmission MINUSMA (“Mission multidimensionnelle intégrée des Nations Unies pour la stabilisation au Mali”) begann 2013 und umfasst maximal 12.000 Soldaten und 1.500 Polizisten. Die EUTM Mali (“European Union Training Mission Mali”) ist hingegen eine reine EU-Ausbildungsmission mit Hauptquartier in Bamako. Die malischen Sicherheitskräfte sollen – ähnlich wie in Afghanistan – ausgebildet und beraten werden. Die EUTM Mali ist angehalten – anders als MINUSMA –, möglichst nicht selbst in Kampfhandlungen im Norden des Landes einbezogen zu werden. Sie ist mit etwa 450 europäischen Soldaten deshalb auch deutlich kleiner als die UN-Mission. Noch ist die Operation “Resolute Support” in Afghanistan mit rund 890 deutschen Soldaten (Stand Mitte Januar) personell der umfangreichste Einsatz der Bundeswehr. Mit der jetzt beschlossenen Aufstockung wird sich das Verhältnis zwischen Afghanistan und dem westafrikanischen Land jedoch umkehren. Schließlich ist Mali Europa näher, als man gemeinhin denkt: zwischen der ehemaligen französischen Kolonie und dem Mittelmeer liegt nur noch Algerien, das auch nicht gerade als Inbegriff politischer Stabilität gilt.

sche Geduld”, um die Bundeswehr adäquat auszurüsten, so General Bühler. Gerade das digitalisierte Gefechtsfeld, zu dem u. a. Waffensysteme mit sogenannter “embedded IT” zählten, werde immer wichtiger, betonte Generalmajor Ludwig Leinhos, Leiter des Aufbaustabs CIR (Cyber- und Informationsraum) im Verteidigungsministerium. Mit Sorge sieht er dabei die Entwicklung von elektromagnetischen Wirksystemen zur Störung elektronischer Bauelemente in militärischer Ausrüstung. Geradezu kuriose Auswirkungen der Soldatenarbeitszeitverordnung (SAZV) vom November 2015 thematisierte Flottillenadmiral Rainer Andres, Abteilungsleiter Personal, Ausbildung und Organisation im Marinekommando (MarKdo) in Rostock: Um das Stundenkonto der Besatzung nicht durch Hafenwache über Gebühr zu belasten, würden alle Besatzungsmitglieder von schwimmenden Einheiten von Bord gehen und hinter sich schlicht “abschließen”. Die Überwachung erfolge dann teils mit technischen Hilfsmitteln, teils mit privaten Dienstleistern. Getätigt wurden all diese Aussagen auf der Eröffnungsveranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e. V. (DWT) für 2017, die zum nunmehr zehnten Mal unter dem Titel “Perspektiven für die Verteidigungswirtschaft” stattfand.


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ber 200 hochrangige Vertreter aus Politik, Militär, Wirtschaft und Interessenverbänden nahmen am Workshop teil. Darunter waren neben der Ministerin selbst, u. a. der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey, der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, die Inspekteure der Teilstreitkräfte, die Militärseelsorge, der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Dr. Hans-Peter Bartels, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie Janina Kugel vom Vorstand der Siemens AG. Das Abschlussstatement kam von Dr. Katrin Suder, beamtete Staatssekretärin im BMVg. Bei der Workshop-Eröffnung kündigte Dr. von der Leyen in Bezug auf die Maas-Initiative an, eine “Art von pauschaliertem Ausgleich für erlittene Nachteile” prüfen lassen zu wollen. Federführend betreut wurde der Workshop durch das Team “Vielfalt und Inklusion” des Stabselements “Chancengerechtigkeit im Geschäftsbereich des BMVg”. Dieses Stabselement wurde im April 2015 durch den beamteten Staatssekretär Gerd Hoofe eingerichtet. Auf Initiative der Ministerin persönlich, so heißt es im BMVg, wurde im Mai des vergangenen Jahres das Stabselement um die Themen “Vielfalt und Inklusion” erweitert, zu denen ausdrücklich auch “sexuelle Orientierung und Identität” gehören – unter Hinweis auf die weitere Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber.

Verteidigung

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Mehr Chancengerechtigkeit gefordert

USA

Das aktuelle sozialwissenschaftliche Thema in den USA lautet “Transgender”. Unter der Clinton-Aministration war 1994 für die US-Streitkräfte die Regel (BS/Dr. Gerd Portugall) Wie die sexuellen Minderheiten unter den Bundeswehr-Angehörigen am besten “mitgenommen” werden können, war “Don’t ask, don’t tell” (DADT) erThema des Workshops “Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr”, der offiziell auf Anregung der Bundesministerin der Verteidi- lassen worden. Danach waren gung, Dr. Ursula von der Leyen, Ende Januar in Berlin stattfand. Gleichzeitig hat ihr sozialdemokratischer Kabinettskollege, Justizminister Heiko einerseits Diskriminierungen Maas, eine Rehabilitierungsinitiative zugunsten verurteilter Homosexueller gestartet und dabei alle Ressorts eingebunden. der LGBT-Community (Lesbian Gay Bisexual Transgender) verDienst genommen und schließ- boten, andererseits durften dedeswehr sieht diese Vielfalt als lich zwei Monate später ehren- ren Mitglieder sich nicht offen zu Chance.” Zum modernen “Diverhaft entlassen. Den Minister ihrer sexuellen Orientierung besity Management” in den Streithätte diese Affäre beinahe das kennen. Eine Studie von Dr. Takräften gehöre die Förderung Amt gekostet. von Vielfalt und Chancengerynn M. Witten von der Universirechtigkeit u. a. auch im Hinty of California in Santa Barbara Forschung blick auf “sexuelle Orientierung vom Februar 2007 kam noch zu und Geschlechtsidentität”. Zahlen zur sexuellen Orientie- dem Ergebnis, dass weite Teile Der Begriff “Inklusion” kommt rung und Identität der Soldaten des US-Militärs es rundheraus eigentlich aus den Erziehungsliegen in der Bundeswehr nicht ablehnten, mit Trans- und Interwissenschaften und beschreibt vor. Aus diesem Grund kündigte sexuellen zusammenzuarbeieinen pädagogischen Ansatz, die Ministerin bei ihrer Work- ten. wonach Diversität – d. h. UnterIm Juli 2011 verfügte ein Bunshop-Eröffnung an, eine wisschiedlichkeit – ausdrücklich senschaftliche Studie zur Gene- desberufungsgericht, dass offen anerkannt und wertgeschätzt rierung entsprechender Daten homosexuelle Soldaten nicht werden soll. Befürworter der gebeauftragen zu wollen. Über- länger entlassen werden dürfsellschaftlichen Inklusion beträgt man die Verteilungswerte ten. Präsident Barack Obama, trachten die Unterschiedlichkeit in der deutschen Gesamtgesell- Verteidigungsminister Leon Pavon Menschen als gegeben und Gab den Startschuss für das Diversity Management in der Bundeswehr: Vertei- schaft auf die Streitkräfte, so netta und Generalstabschef Adnormal. Deren Gegner hingegen digungsministerin Dr. Ursula von der Leyen. Foto: BS/Portugall würden ca. 17.000 Menschen in miral Mike Mullen bescheinigten argumentieren, dass Inklusion der Bundeswehr einer sexuellen daraufhin gegenüber dem Konkeine Methode der sozialen InteMinderheit angehören: Homo- gress einen Monat später, dass in der Ausgabe Dezember sexualität wäre demnach bei die Anerkennung der LGBTgration sei, sondern politisch2016/Januar 2017 der Zeit- fünf Prozent mit 13.000 Perso- Community keine negativen ideologisch motiviert. schrift “Y – Das Magazin der nen vertreten, Bisexualität bei Auswirkungen auf die EinsatzOffenkundig scheint in jedem Bundeswehr”. Der Beitrag schil- einem Prozent mit 2.600 und bereitschaft der Streitkräfte haFall, dass die Initiative der Midert die Geschichte von Oberst- Transsexualität mit einem hal- ben würde. Im September 2011 nisterin nicht ausschließlich leutnant i. G. Anastasia Biefang, ben Prozent mit 1.300. funktional begründet ist, um war das offizielle Ende der die als Mann in die Bundeswehr Problemen bei der PersonalgeFür die wissenschaftliche Be- DADT-Politik gekommen. eingetreten war. Die sexuelle arbeitung eines solchen militärwinnung und -bindung besser Im PräsidentschaftswahlOrientierung des Luftwaffen-Of- soziologischen Themas würde kampf von 2012 erklärte Vizebegegnen zu können. Antrieb dürfte vielmehr auch die Er- Das bunte Logo für Vielfalt in der Bun- fiziers (vormals männlich, jetzt sich das Zentrum für Militärge- präsident Joe Biden in Florida in kenntnis sein, dass Gesellschaf- deswehr (von links oben im Uhrzei- weiblich) entwickelte sich früh schichte und Sozialwissen- Bezug auf die Diskriminierung ten, einschließlich ihres Werte- gersinn): orange, rot, blau und grün über die Bi- zur Transsexualität. schaften der Bundeswehr von Transsexualität, dass dies kanons, sich wandeln – mal (ZMSBw) in Potsdam anbieten. “das Bürgerrechtsthema unseGrafik: BS/Bundeswehr Rückblick mehr, mal weniger – und dass rer Zeit” sei. Auf dessen sich auch die deutschen Streit- und der Deutschen Telekom. Eine Studie Dieser Umgang mit verschiede- Homepage ist “Die Bundeswehr Grundlagendokumente kräfte an solche sozialen Verän- Seit 2010 ist der Zusammen- nen sexuellen Orientierungen bei der Vorder Denkfaprofitiert von der brik RAND schluss ein gemeinnütziger Ver- war nicht immer so. Der §175 stellung von Bereits in der Personalstrategie derungen anpassen müssten. C o r p o r a tion ein unter der Schirmherrschaft des deutschen Strafgesetzbu- O b e r s t l e u t der Bundeswehr, die Dr. von der Vielfalt der Menschen, vom Juni 2016 der Bundeskanzlerin. Auch die ches, der sexuelle Handlungen nant Dr. Klaus Leyen im Dezember des vergan- Bundeswehr geht in die Offensive ungeachtet ihrer kam zu dem Geschäftsführerin dieses Ver- zwischen Männern unter Strafe Storkmann als genen Jahres erlassen hat, ist sexuellen Orientierung Ergebnis, dass nachzulesen, “dass die BundesDie Bundeswehr hat sich 2012 eins, Aletta Gräfin von Harden- gestellt hatte, existierte von aktuelles Prodie Zulassung wehr von der Vielfalt der Men- mit der Unterzeichnung der berg, nahm am jetzigen Work- 1872 bis 1994, wurde aber 1969 jekt “Der Umoder Identität.” des offenen abgemildert. Bis 1984 wurden gang der Bunschen profitiert, ungeachtet ih- “Charta der Vielfalt” ausdrück- shop teil. transsexuelIn den Bundeswehr-Medien Homosexuelle in den Streitkräf- deswehr mit rer Herkunft, Religion, sexuellen lich zum “Diversity ManageOrientierung ment” be- geht das BMVg vor dem Hinter- ten ausgemustert oder entlas- homosexuellen Soldaten 1955 len Bekenntnisses “minimale oder Identität, kannt. Ende grund des Workshops ausge- sen. In der Bundeswehr galten bis 2002” aufgeführt. “Mit dieser Auswirkungen auf die Einsatzund auf die (…)”. Als “per- “Die Diskriminierung von Februar jenes sprochen offensiv mit dem The- Homosexuelle damals als “Si- Studie”, ist dort nachzulesen, fähigkeit sonalstrategiJahres vollzog ma um. So wurde in der vom cherheitsrisiken”, weil “krimi- “soll im Auftrag des BMVg der Gesundheitskosten” der USTranssexualität ist das dies der Parla- Presse- und Informationsstab nell” oder politisch erpressbar. Umgang des Dienstherren mit Streitkräfte haben würde. sches Teilziel” Im Mai des vergangenen Jahres Die höchsten medialen und po- den homosexuellen Soldaten in wird dabei dem e n t a r i s c h e des Ministeriums herausgegeBürgerrechtsthema finiert, dass Staatssekre- benen Wochenzeitung “Bundes- litischen Wellen schlug in die- der Geschichte der Bundeswehr bestätigte der Senat mit Eric unserer Zeit “die Aspekte tär Kossendey wehr aktuell” aus Anlass des sem Zusammenhang die sog. bis zur grundsätzlichen Verän- Fanning als Heeresminister erstschlechthin.” der Vielfalt, im Beisein von Workshops Hauptmann Marcus Kießling-Affäre. Einen Tag vor derung der Vorschriftenlage mals einen bekennenden HomoInklusion und Maria Böhmer, Otto Ende Januar porträtiert. Heiligabend im Jahre 1983 war erstmals wissenschaftlich er- sexuellen auf der politischen Chancengerechtigkeit in alle damals Staatsministerin im Der Artillerist aus Idar-Ober- General Dr. Günter Kiesling, forscht werden.” Der Wissen- Leitungsebene des Pentagons. Ash stein ist Bundesvorsitzender des Stellvertreter des NATO-Ober- schaftliche Direktor Dr. Gerhard Verteidigungsminister Themenbereiche der Personal- Bundeskanzleramt. strategie hineinwirken und daBöhmer initiierte 2006 die Arbeitskreises Homosexueller befehlshabers in Europa (DSA- Kümmel, Projektleiter im For- Carter erklärte drei Wochen spämit ein gemeinsames integrati- Charta zur Förderung von Viel- Angehöriger der Bundeswehr e. CEUR), durch Verteidigungsmi- schungsbereich Militärsoziolo- ter anlässlich des Ehrenmonats ves Werte-, Auftrags- und Füh- falt in Unternehmen in Deutsch- V. (AHsAB). Die meisten der 120 nister Dr. Manfred Wörner in den gie am ZMSBw, erklärte gegen- “LGBT Pride Month”, dass deren rungsverständnis schaffen”. land nach französischem Vor- Vereinsmitglieder sind homose- vorzeitigen Ruhestand versetzt über dem Behörden Spiegel, Dienst die Angehörigen sexuelworden. Nach Entkräftung der dass es für verbündete Armeen ler Minderheiten zu “respektierSchon im Weißbuch 2016 steht: bild. Offiziell gegründet wurde xuelle Männer. Noch einen Schritt weiter geht Vorwürfe wurde General Kieß- durchaus entsprechende empi- ten Mitgliedern unserer Vertei“Die deutsche Gesellschaft wird sie dann von British Petroleum, digungsfamilie” machten. bunter und vielfältiger. Die Bun- Daimler, der Deutschen Bank der Bericht “Ich bin Anastasia” ling im Februar 1984 wieder in rische Studien gebe.

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as Programm der verstärkten Präsenz (“Enhanced Forward Presence”) der Atlantische Allianz sieht vor, dass in den drei baltischen Staaten sowie in Polen multinationale Gefechtsverbände der Bündnispartner rotierend anwesend sind. Das wurde auf dem NATOGipfel im Juli des vergangenen Jahres in Warschau beschlossen. Dabei wird das PzGrenBtl 122 personell mit rund 300 Soldaten und materiell den größten Anteil am Deutschen Kontingent in Litauen stellen.

Sexuelle Minderheiten in der Bundeswehr

Enhanced Forward Presence der NATO Deutscher Gefechtsverband verlegt nach Litauen (BS/por) Für die kommenden sechs Monate stellt das Panzergrenadierbataillon (PzGrenBtl) 122 im oberpfälzischen Oberviechtach den Kern des multinationalen NATO-Gefechtsverbandes im litauischen Rukla. Deutschland wird dort “Lead Nation” sein. Mitte Januar verabschiedeten sich die Soldaten mit einem feierlichen Appell von ihren Angehörigen und der Bevölkerung. xemburg Teile des Bataillons stellen. Gemäß dem von Deutschland 2013 vorgestellten Konzept (“Framework Nations Concept – FNC) übernimmt die jeweilige Rahmennation gegenüber den anderen Nationen eine höhere Verantwortung, indem sie die Koordination innerhalb der Fähigkeitsgruppen und mit dem Bündnis sicherstellt.

Rotierendes multinationales Engagement Neben den rund 450 deutschen Soldaten werden auch Soldaten aus Belgien, den Niederlanden und Norwegen in den nächsten Tagen und Wochen in Richtung Osten verlegen, um ein intensives und abwechslungsreiches Ausbildungs- und Übungsprogramm mit den litauischen Streitkräften zu durchlaufen. In den kommenden zwei Jahren sollen auch Soldaten aus Frankreich, Kroatien und Lu-

Das RahmennationenKonzept

Deutsche Panzergrenadiere bilden den Kern des multinationalen Bataillons in Litauen.

Foto: BS/Bundeswehr

Das Konzept ist als Beitrag zu mehr transatlantischer Lastenteilung gedacht: Durch eine strukturierte Zusammenlegung von militärischen Fähigkeiten und deren Entwicklung in Europa sollen die europäischen Mitgliedsstaaten die Ef-

fektivität ihrer Verteidigungsanstrengungen – und damit den europäischen Pfeiler in der Allianz – stärken. Im Juni 2016 wurde vereinbart, die Kooperation im Rahmen des FNC auch für relevante Partnerstaaten und Organisationen außerhalb der NATO zu öffnen. “Circa 25 Prozent ihrer Schlagkraft haben die EUStaaten seit 2008 verloren”, so Dr. Claudia Major aus der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Bereits im Weißbuch 2016 ist nachzulesen: “Deutschland ist bereit, in Allianzen und Partnerschaften als Rahmennation Verantwortung und Führung zu übernehmen.” Daraus folgert das Grundlagendokument vom Juli des vergangenen Jahres: “Um einen spürbaren Mehrwert zu generieren, muss die Bundeswehr in Vorleistung treten, die Verfügbarkeit dieser Fähigkeiten gewährleisten sowie eine hinreichende Interoperabilität und Standardisierung in der industriellen Entwicklung vorantreiben.”


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chließlich hänge davon die Einsatzbewältigung ab. Denn: Für jeden Einsatztaucher brauche er zusätzlich einen Sicherheitstaucher. Dieser sichere einerseits seinen Kollegen. Andererseits müsse er jederzeit in der Lage sein, ihn im Falle eines Ohnmachtsanfalls oder einer anderweitigen körperlichen Beeinträchtigung zu bergen und zu ersetzen, so der gebürtige Spandauer Barabasz. Aus diesem Grunde zögen sich auf der Anfahrt zum Einsatzort auch grundsätzlich zwei Alarmtaucher um. Dies geschehe im Gerätewagen Wasserrettung, der zu jeder Tages- und Nachtzeit und ganzjährig neben den beiden Tauchern jeweils mit einem Maschinisten und einem Fahrzeugführer besetzt ist. Im Gegensatz zu den Tauchern der Polizei hat die Berliner Feuerwehr ihre Unterwasserspezialisten übrigens an einem Ort zusammengezogen. Diese Stationierung im Ortsteil Siemensstadt hat den Vorteil, dass die Kollegen bei einer Alarmierung nicht erst aus verschiedenen Dienststellen herbeieilen müssen.

Behörden Spiegel / Februar 2017

Wenn es einmal an der Leine zieht ... Berliner Feuerwehrtaucher sichern sich gegenseitig ab

(BS/Marco Feldmann) “Wir wägen bei jedem Einsatz ab, ob tatsächlich noch jemand zu retten ist. Ist das der Fall, schicke ich auch zwei Taucher gleichzeitig ins Wasser.” So beschreibt Bernd Barabasz, Tauchgruppenführer bei der Berliner Feuerwehr, ein typisches Einsatzgeschehen. Eines Taucher mit eigener ist dem gebürtigen Hauptstädter dabei aber besonders wichtig: “Die Eigensicherung der Kräfte hat in allen Situationen absoluten Vorrang.”

Dienstvorschrift

Auch in kontaminierter Umgebung unterwegs Schließlich haben sie einiges zu tun. Neben der Rettung und Bergung von Personen und Fahrzeugen aus dem Wasser gehören Schneid- und Schweißarbeiten unter der Wasseroberfläche zu ihren Aufgaben. Außerdem müssen sie teilweise an kontaminierten Orten tauchen. Das kann etwa eine Klärgruppe sein. Speziell für solche Einsätze verfügen die Beamten über ein sogenanntes Helmtauchgerät. In diesem sind sie vollständig vom Tauchmedium abgeschnitten und kommen nicht mit möglicherweise gefährlichen Stoffen oder der belasteten Umgebung in Kontakt. Des Weiteren leisten Barabasz und seine Kollegen Amtshilfe für die Polizei. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn eine Schusswaffe im Wasser vermutet wird und die Polizeikräfte zu lange bräuchten, um an der Einsatzstelle einzutreffen. Ebenso unterstützend tätig werden sie für die Wasserschutzpolizei oder die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Dann geht es etwa darum, Netze aus Bootsschrauben zu entfernen. Und: Berlins Feuerwehrtaucher sind bei Wind und Wetter aktiv. Das führt dazu, dass sie auch Menschen retten, die im Winter ins Eis eingebrochen sind. Dazu sagt Barabasz: “Eistauchen ist immer eine besondere Herausforderung.”

Langzeitatemschutzgeräten in der Atemschutzgruppe und wirken auch in der Rüstgruppe mit. Eines findet Barabasz aber traurig: “Wir haben momentan keine Möglichkeit, ein ordentliches Hallentraining durchzuführen.”

Bernd Barabasz ist seit 2002 Taucher bei der Berliner Feuerwehr. Seitdem ist er in der Rettung und Bergung von Personen und Gegenständen aktiv. Aber auch zuvor war der Spandauer bereits dem Medium Wasser eng verbunden. Barabasz war zwischen 1993 und 1998 für die Bundeswehr als Minen- und Waffentaucher tätig. Foto: BS/Feldmann

Der Technische Dienst der Berliner Feuerwehr (BS/mfe) Der Technische Dienst der Berliner Feuerwehr ist auf zwei Standorte verteilt. Der eine befindet sich im Stadtteil Charlottenburg, der andere in Marzahn. In der Charlottenburger Wache werden mehr Fahrzeuge und Gerätschaften vorgehalten als in Marzahn. Die Einheiten des Technischen Dienstes nutzen größere und speziellere Geräte, die – auch aus Platz- und Kapazitätsgründen – nicht in allen Feuerwachen der Stadt vorhanden sind. Dazu gehören unter anderem ein Kran, ein Bagger, ein Dekontaminations- sowie ein Strahlenschutzabrollcontainer. Hinzu kommen zwei Gerätewagen Wasser für die Taucher. Beide sind in der Charlottenburger Wache stationiert, einer fungiert jedoch nur als Ersatzfahrzeug. Eine Einheit mit diesen beiden Fahrzeugen bildet der Abrollbehälter Rüst-Wasser.

Seine Besatzung wird bei allen Taucheinsätzen mitalarmiert, an denen spezielle Gerätschaften benötigt werden. Dazu zählen zum Beispiel Einsatzmittel für Hebearbeiten oder Material zum Tauchen in kontaminierter Umgebung. Der Technische Dienst der Berliner Feuerwehr besteht aus fünf Einsatzgruppen. Dazu gehören neben den Tauchern die Rüstgruppe, die Umweltschutzgruppe, die Schaumgruppe und die Beamten der Atemschutzgruppe. Die Mitglieder der Rüstgruppe werden alarmiert, wenn das in den Löschfahrzeugen der jeweiligen Feuerwachen vorgehaltene Material zur Einsatzbewältigung nicht mehr ausreicht. Das kann etwa bei einer eingeklemmten Person, bei Explosionen oder bei Verkehrsunfällen der Fall sein, an denen Lastkraftwagen beteiligt

Barabasz selbst, der Vater ei- rechtigung zum Bedienen eines nes viereinhalbjährigen Sohnes Gabelstaplers. Auch während seiner Dienstist, arbeitet übrigens seit 2002 bei den Tauchern. Zuvor hatte zeit bei der Feuerwehr bildete der 46-jährige die Ausbildung sich Barabasz, der in seiner für den mittleren feuerwehr- Freizeit gerne Kickboxen und technischen Dienst absolviert Schwimmen geht und darüber Alle auf Stufe drei und Dienst in einer Spandauer hinaus Mitglied in einem AngelGrundsätzlich hält der gelernte Feuererwache versehen. Und verein ist, ständig weiter. So verEinzelhandelskaufmann, der das, obwohl er, der von 1988 bis fügt er heute zusätzlich über einen Busfüh1999 zur Berliner Feuerwehr 1993 bei der rerschein, darf kam, fest: “Bei all unseren Ein- b r i t i s c h e n “Wir müssen viel üben, Gefahrgutsätzen arbeiten wir Hand in Militärpolizei um fit zu bleiben und das t r a n s p o r t e r Hand mit dem Rettungsdienst im ehemaliWestund den Hilfsorganisationen.” gen vorhandene Spezialgerät lenken und den GerätewaAußerdem unterstreicht Bara- Berlin arbeibedienen zu können.” gen Messtechbasz, der von 1993 bis 1998 als tete und dort nik bedienen. Minen- und Waffentaucher bei mit scharfen der Bundeswehr in Eckernförde Waffen zum Schutz von Objek- In diesem befindet sich moderne aktiv war: “Jeder meiner Kolle- ten des Vereinigten Königrei- Technik zur Messung und Anagen hier ist Taucher der Stufe ches eingeteilt war, zuvor keinen lyse der Ausbreitung chemidrei.” Diese höchstmögliche technisch-handwerklichen Be- scher Stoffe. Des Weiteren funQualifizierung sei erforderlich, ruf erlernt hatte. Als Barabasz giert der Beamte als Bahnerder um auch Schweißarbeiten unter genommen wurde, war das ei- bei Zugunfällen mit Personengentlich noch schäden und als WasseraufbeW a s s e r V o r a u s s e t - reitungshelfer. Außerdem ist er durchführen “Eistauchen ist immer zung für eine befugt, den feuerwehreigenen zu dürfen. eine besondere Arbeit als Bagger zu bedienen. Früher enAber auch F e u e r w e h r - gagierte sich Barabasz zudem ansonsten Herausforderung.” Dekontaminationsbeaufmann. Er als stelle die Beglaubt bis tragter. Allgemein hält der Berlihörde erhebliche Anforderungen an die Feu- heute, dass die umfangreiche ner fest: “Wir müssen viel üben, erwehrtaucher. Jeder von ihnen Bewerbung, die er damals ein- um fit zu bleiben und das vormüsse jährlich mindestens ei- reichte, den Ausschlag gab, ihn handene Spezialgerät bedienen nen Tauchgang in einer Tiefe von dennoch zu nehmen. Immerhin zu können.” Weiterhin aktiv ist der heutige mehr als 20 Metern und 15 wei- habe er zahlreiche Führerscheitere Tauchgänge absolvieren. ne, Bescheinigungen und absol- Tauchgruppenführer als LehrHinzu kämen mindestens zwei vierte Lehrgänge nachweisen taucher. Selbst taucht BaraTauchgänge mit dem den ganzen können. Dazu gehörten unter basz, dem zehn Alarmtaucher Körper schützenden Helm- anderem seine Befähigungen als unterstehen, mittlerweile deuttauchgerät im Jahr, berichtet Minen- und Waffentaucher, sein lich weniger. Das macht er nur Lkw-Führerschein und die Be- noch bei längeren Einsätzen der Hauptbrandmeister.

sind. Die Mitglieder der Umweltschutzgruppe wiederum kommen beispielsweise zum Einsatz, wenn Gas ausströmt. Die Beamten der Schaumgruppe rücken aus, wenn es darum geht, schaumgebundene Fahrzeuge an der Einsatzstelle über einen längeren Zeitraum hinweg mit dem Löschmittel zu versorgen. Durch die Atemschutzgruppe stellen die beiden Technischen Dienste (TD) unter anderem rund um die Uhr die entsprechende Einsatzreserve zur Verfügung. Die Tauchgruppe schließlich wird alarmiert, sofern eine Rettung oder Bergung von Personen oder Gegenständen aus Gewässern notwendig wird. Eine wirklich trennscharfe Einteilung der Beamten des Technischen Dienstes auf die einzelnen Gruppen existiert aber nicht. Vielmehr kommen sie in verschiedenen Einheiten zum Einsatz.

oder Bergungen in größeren Tiefen, wenn es darauf ankommt, die Kollegen regelmäßig abzulösen. Ansonsten konzentriert sich der Beamte verstärkt auf die Leitung der Einsätze. Ungeachtet dessen muss Barabasz einmal jährlich zur ärztlichen Tauchtauglichkeitsuntersuchung. Fällt er hier durch, darf er sich von einem Tag auf den anderen nicht mehr die Sauerstoffflasche auf den Rücken schnallen. Nicht nur dann würde Barabasz aber von der Durchlässigkeit des Technischen Dienstes

profitieren. Zu diesem gehören neben der Tauchgruppe auch noch die Umweltschutz- und die Rüstgruppe. Nicht umsonst meint der Tauchgruppenführer: “Der Job beim Technischen Dienst ist sehr abwechslungsreich. Im Laufe der Zeit gewinnt man zahlreiche Qualifikationen hinzu.” Deshalb arbeiten die Unterwasserkräfte auch eng mit den anderen Einheiten des Technischen Dienstes zusammen. Sie sind zum Beispiel als Träger von Chemieschutzanzügen in der Umweltgruppe aktiv, betätigen sich als Träger von

Für ihre Tätigkeit unter der Wasseroberfläche müssen sich die Taucher an eine eigene Dienstvorschrift halten. Diese legt unter anderem fest, welche körperlichen und fachlichen Anforderungen sie erfüllen müssen. So ist es etwa verboten, mit körperlichen Beeinträchtigungen Tauchgänge zu absolvieren, ohne Zertifizierung als Feuerwehrtaucher aktiv zu sein oder ohne eine Mindestanzahl an Fortbildungsveranstaltungen Personen zu retten oder zu bergen. Zudem wird in dem Papier zumindest empfohlen, dass Feuerwehrtaucher auch eine Ausbildung als Atemschutzgeräteträger absolviert haben sollten. Darüber hinaus legt die Dienstvorschrift fest, wie die Aufgabenverteilung im Tauchdienst aussehen sollte. Demnach sind sowohl der tatsächliche Einsatztaucher als auch sein Kollege, der ihn absichert, verpflichtet, vor jedem Einsatz die Funktionstüchtigkeit ihrer Geräte zu überprüfen. Des Weiteren muss der Alarmtaucher ein Tauchdienstbuch führen und festgestellte Mängel an seiner Ausrüstung unmittelbar nach Einsatzende melden. Der Sicherheitstaucher wiederum ist verpflichtet, jederzeit zum sofortigen Rettungseinsatz des Feuerwehrtauchers bereitzustehen.

Ausrüstungsgegenstände vorgeschrieben Das Papier regelt aber nicht nur die Aufgaben aller am Einsatz Beteiligten, sondern auch deren Mindest- und Zusatzausrüstung. Zu Ersterer gehören neben einem Taucheranzug und einem Leichttauchgerät mit Vollmaske als Atemanschluss unter anderem ein Gewichtssystem mit Schnellabwurfmöglichkeit, ein Tauchermesser, eine Signalleine und schnittfeste Füßlinge. Als weitergehende Ausrüstungsgegenstände sind zum Beispiel ein Tauchcomputer, ein Tiefenmesser, Sprecheinrichtungen oder Unterwasserlampen möglich. Schlussendlich enthält das Papier noch eine Übersicht über die möglichen Leinenzugzeichen zwischen Taucher und Signalmann sowie deren Bedeutung. Besonders gefährlich wird es in diesem Zusammenhang, wenn entweder Taucher oder Signalmann nur einmal die Leine betätigen. Dabei handelt es sich nämlich um das Notsignal. Betätigt einer von beiden hingegen fünf Mal hintereinander die Leine, fragt er seinen Gegenpart entweder, ob alles in Ordnung ist oder bestätigt ihm das.

In Berlin sind die Feuerwehrtaucher – im Gegensatz zu ihren Kollegen bei der Polizei – an einem Standort zusammengezogen worden. Sie rücken stadtweit zu Einsätzen aus und leisten auch Amtshilfe für andere Landes- und Bundesbehörden. Foto: BS/Detlef Machmüller


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