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Schutz des geistigen Eigentums

Schutz des geistigen Eigentums

Status quo

▪ Geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP) ist der Innovationstreiber in Europa und die Basis des Erfolgsmodells der forschenden Gesundheitswirtschaft. ▪ Wenn Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen industriellen Gesundheitswirtschaft im Zentrum politischer Bemühung Deutschlands und der EU stehen sollen, ist ein effektiver Patentschutz entscheidend. Dabei gilt: Ohne

Patentschutz gibt es keine Innovationen. Und ohne Innovationen auch keine neuen Generika. ▪ Die Entwicklung eines innovativen Medikaments dauert von der Idee bis zur ersten Zulassung in der Regel rund 13 Jahre. Dabei fallen Kosten in Höhe von durchschnittlich rund 2,6 Milliarden US-Dollar an – mit seit Jahren stark steigender Tendenz. Gleichzeitig liegt die Ausfallrate der Entwicklungsprojekte ab Beginn klinischer Studien bei fast 90 Prozent. 56F64F 66 ▪ Für hohe Investitionen in oft viele Jahre dauernde Entwicklungsprozesse und einen entsprechenden Return on Investment sind angemessene Patentverwertungszeiten, die

Nutzung von ergänzenden Schutzzertifikaten und der Unterlagenschutz entscheidend. ▪ Einschränkungen des Schutzes geistigen Eigentums führen nicht zu einer besseren

Versorgung von Patienten, sondern verhindern die Entwicklung neuer Arzneimittel und

Diagnostiken, die benötigt werden, um Erkrankungen zu erkennen, zu verhindern, zu verlangsamen oder zu kurieren. Fest steht, dass ohne einen umfassenden IP-Schutz die Grundlage für einen breiten Zugang zu innovativen Therapien nicht gesichert ist. ▪ IP ist kein Preistreiber – im Gegenteil – es regt den Wettbewerb an und treibt die Forschung nach alternativen Therapien für Patienten voran. Das wiederum bietet Patienten zusätzliche Behandlungsoptionen und steigert somit die Qualität in der gesundheitlichen Versorgung. Die Steigerung der Behandlungsoptionen und damit des Angebots führen zugleich zu einem Absinken der Arzneimittelpreise. ▪ IP ebnet den Weg für Kooperation: Forscher haben nur einen Anreiz zu kooperieren, wenn ihr geistiges Eigentum geschützt ist, d. h. IP fördert Forschungskooperationen. ▪ Der Patentschutz verhilft innovativen Unternehmen dazu in der relativ kurzen Amortisationszeit bis zum Patentauslauf für die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten einen Ausgleich zu bekommen. Ohne die Zeit des Patentschutzes wäre es Unternehmen unmöglich, weitere finanzielle Mittel in die Erforschung und Entwicklung neuer Innovationen zu investieren. Nach Patentauslauf und sobald Generika auf den Markt drängen, leisten innovative Arzneimittel weiterhin einen langfristigen gesellschaftlichen Nutzen. ▪ Die durchschnittliche Dauer der Verfahren vor den Beschwerdekammern bei technischen Beschwerden hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Von 2011 bis 2017

66 DiMasi J. A., Grabowski H. G., Hansen R.W. (2016), Innovation in the pharmaceutical industry: New estimates of R&D costs, in: Journal of Health Economics 47 (2016) 20–33. Die Ausfallrate von fast 90 Prozent ist in der Berechnung der F&EKosten bereits enthalten.

hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer vor den Beschwerdekammern um zehn

Monate verlängert. ▪ Für mittelständische Unternehmen, insbesondere neugegründete KMU oder institutionelle Forschungseinrichtungen, die durch zusätzliche Kosten in der Patentierungsphase deutlich stärker getroffen werden, als Großunternehmen, stellen die Gebühren, die bei den Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) anfallen, eine starke

Belastung dar. ▪ Ein oft vernachlässigter, aber wesentlicher Baustein eines innovationsfreundlichen Patentrechts ist die Sicherung von Ergebnissen der Grundlagenforschung für die Anwendung.

Vision

▪ Die Beibehaltung eines robusten und verlässlichen Schutzes geistiger Eigentumsrechte ist essenziell, um Forschung, Entwicklung und Produktion in Deutschland und Europa zu fördern und weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur so können innovative Therapieangebote auch weiterhin die Patienten erreichen.

Lösungsvorschläge

▪ Alle Einschränkungen beim Unterlagenschutz (Regulatory Data Protection, RDP), bei

Orphan Drugs (Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen) oder Arzneimitteln, die speziell für Kinder zugelassen werden, schwächen den Standort Europa und führen nur zur weiteren Verlagerung von Forschung in andere Staaten. Der Orphan-Drug-Begriff muss zukunftsfest gemacht und die patentfördernde Funktion auch für präzisionsonkologische, histologieunabhängige Substanzen zugänglich gemacht werden. ▪ Weiterhin sollte der europäische Rechtsrahmen für das geistige Eigentum um ein europaweit einheitliches SPC ergänzt werden (Einheits-SPC). Dies würde bestehende

Rechtsunsicherheiten ausräumen sowie den notwendigen bürokratischen Aufwand und die Kosten und Ressourcen für die Beantragung von SPC in den verschiedenen Mitgliedstaaten verringern. Außerdem ist die Schaffung eines Einheits-SPC für den Erfolg des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung unerlässlich. ▪ Erhalt der Patentierbarkeit von biotechnologischen Innovationen. ▪ Die innovative Verbesserung von Arzneimitteln auf Basis bewährter Wirkstoffe ist essenziell für Patienten. Angesichts der erheblichen Vorteile dieser Weiterentwicklungen (z. B. neue Indikationen, neue Patientengruppen) sowohl für Versicherte wie für Krankenkassen, muss deren (europäisch festgelegter) Unterlagenschutz auf fünf Jahre erhöht und in der tatsächlichen Umsetzung stringenter verfolgt werden. ▪ Existierende Patentrechtsverletzungen müssen in Deutschland durch regulatorische

Maßnahmen konsequent verhindert werden. So führt die Substitutionsregelung des §

129 Abs. 1 SGB V in der Praxis dazu, dass bestehende Verwendungspatente ausgehebelt und in patentgeschützten Indikationen Arzneimittel ausgetauscht werden. ▪ Die Verfahrensdauern beim Bundespatentgericht (BPatG) müssen beschleunigt werden. Dabei ist zu beachten, dass die inhaltliche Qualität der Verfahren nicht leiden darf, da die Unternehmen auf qualitativ gute Urteile, die dann auch Bestand haben, angewiesen sind. ▪ Der Schutz geistigen Eigentums sollte Vorrang vor „Open Access“ Anwendungen haben. Innovationen im Gesundheitswesen erfordern beträchtliche Investitionen für Mehrnutzen von Innovationen, die sich in der Preisfindung spiegeln. Auch Daten aus Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen dürfen nicht automatisch „Open Access“ sein.

Für solche Fälle sollten auf jeden Einzelfall abgestimmte Verträge aufgesetzt oder Vereinbarungen getroffen werden. ▪ Weiterentwicklung des Patentschutzes bzw. gleiches Schutzniveau für innovative Gesundheitslösungen, die nicht per se patentierbar sind, z. B. im Bereich von Gentherapien oder Software. ▪ Der bilaterale IP-Dialog muss auch auf europäischer Ebene eine zentrale Bedeutung haben. Zudem sollen die Bundesregierung und die EU sich in den multilateralen Foren wie WTO und WIPO (World Intellectual Property Organization) konsequent für den

Schutz geistigen Eigentums einsetzen. ▪ Der im Regierungsentwurf für ein Zweites Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (2. PatMoG) zur Aktualisierung des Patentrechts § 139 Patentgesetz (PatG) im Oktober 2020 formulierte Vorschlag zur Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gefährdet den Schutz des geistigen Eigentums und wird durch die iGW-Unternehmen abgelehnt. Stattdessen wird nach wie vor eine patentrechtsspezifische Weiterentwicklung des Vollstreckungsrechts („vollstreckungsrechtliche Lösung“) favorisiert. Sollte es dennoch bei einer Änderung des § 139 PatG bleiben, wird durch die industrielle Gesundheitswirtschaft eine rechtsdogmatisch schlüssigere Lösung über eine „Duldungsvariante“ vorgeschlagen. ▪ Deutschland als Land der Erfinder muss sich auf europäischer Ebene für den kompletten Erhalt gegenwärtiger IP-Schutzregeln einsetzen.

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