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Handelsabkommen
Abbildung 7: Entwicklung der Exporte der industriellen Gesundheitswirtschaft 65F76F
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Handelsabkommen
Status quo
▪ Die industrielle Gesundheitswirtschaft ist eine stark globalisierte Branche. Mehr als 90
Prozent des Exports der Gesundheitswirtschaft gehen auf sie zurück. Das Niveau der
Exporte ist dabei stark steigend und lag 2019 bei über 120 Milliarden Euro (siehe Abbildung 7). Das entspricht 7,5 Prozent der Gesamtexporte. Die Importe betrugen 80 Milliarden Euro (6 % der Gesamtimporte). 66F77F 79 ▪ Zunehmende Handelskonflikte in Form angedrohter und tatsächlich verhängter Zollerhöhungen belasten den internationalen Warenverkehr. Die Vereinbarung ambitionierter und umfassender Handelsabkommen mit verschiedenen Regionen der Welt (z. B. USA,
Lateinamerika, Japan) sind von großer Bedeutung für die exportorientierte und global
78 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (2020): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Ausgabe 2019. 79 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) (2020): Gesundheitswirtschaft – Fakten & Zahlen. Ergebnisse der Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung, Ausgabe 2019.
handelnde Branche der industriellen Gesundheitswirtschaft und den Erhalt von Arbeitsplätzen in Deutschland und Europa. ▪ Handelsabkommen helfen auch durch günstigere Importe der effizienten Produktion und durch alternative, günstige Bezugsländer der Sicherheit in den Lieferkette n. ▪ 64 Prozent der medizinischen Importgüter bezieht Deutschland aus 31 oder mehr Ländern. Das deutet auf einen hohen Grad an Diversifikation beim Bezug dieser Produkte
hin. 67F78F 80
Vision
▪ Eine Abkehr vom globalen Handel und eine europäische Autarkiepolitik im Gesundheitssektor ist gefährlich, da sie die Versorgungssicherheit in Krisenzeiten nicht hinreichend gewährleistet und damit die Resilienz sogar mindern kann. Entscheidend sind
Warenverkehrsfreiheit, offene Grenzen und Solidarität. ▪ Neben einer klaren Vision und einem realistischen Fahrplan für eine Industriestrategie in Deutschland ist darüber hinaus ein europäischer Ansatz nötig, um dem Wettbewerb aus China und den USA auf Augenhöhe zu begegnen – beide Länder machen derzeit vor, wie sie ihre wirtschafts- und industriepolitischen Interessen mit Nachdruck vorantreiben. Europa muss darauf eine Antwort finden, die auf gute Standortbedingungen statt auf Protektionismus setzt.
Lösungsvorschläge
▪ Der BDI ruft alle Staaten auf, die Zölle auf pharmazeutische Produkte und Vorprodukte sowie medizinische Produkte unbürokratisch, umfassend und dauerhaft zu beseitigen.
So würde der Kampf gegen weltweite Gesundheitsnotstände und Pandemien erleichtert und nationale Gesundheitssysteme wie Unternehmen entlastet. Für diese Position sollen Deutschland und die EU auf G20, WTO und WHO Ebene werben. ▪ Dabei sollte ein pragmatischer Ansatz verfolgt werden, der aufwendige Zollverfahren mit Auflagen zu Abnehmern oder Endverwendung genauso vermeidet wie eine zu enge
Produktabdeckung. ▪ Möglichst auf gemeinsamen Vorschlag der G20-Staaten sollte eine Initiative unter dem
Dach der WTO entsprechende Zölle in wichtigen Handelsnationen verbindlich und rasch beseitigen. Eine entsprechende Vereinbarung könnte sich zum Beispiel an bestehenden WTO-konformen Sektorabkommen anlehnen.
80 Ifo Institut: Apotheke der Welt oder am Tropf der Weltwirtschaft? Deutschlands Außenhandel auf dem Markt für Arzneien und medizinische Ausrüstungen, April 2020.
▪ Bis zum Inkrafttreten (also befristet) kann es wichtige Impulse liefern, wenn alle großen
Wirtschaftspartner umgehend einseitig entsprechende Zölle eliminieren, um in der aktuellen Pandemie sofort Kosten und Probleme in der Lieferketten zu verringern. 68F79F 81 ▪ Das Potenzial zukünftiger Freihandelsabkommen sollte dahingehend ausgeschöpft werden, indem explizite Kapitel zur Erbringung von Leistungen in der Gesundheitswirtschaft formuliert und die Einhaltung globaler Standards festgeschrieben werden. Die
Vereinbarung von sogenannten Mutual Recognition Agreements (MRA), gemeinsa men
Regeln zur Konformitätsbewertung sowie die gegenseitige Anerkennung von Inspektionen, sind dabei wichtige Anliegen der Unternehmen. Der Europäischen Union kommt hier eine entscheidende Rolle zu, denn sie verhandelt im Auftrag der Mitgliedsstaaten. ▪ In Handelsabkommen sollten auch die Standards für klinische Studien und Marktzulassung – einklagbar – verankert werden: Vereinbarungen zur Mitgliedschaft und Einhaltung der Verpflichtungen aus internationalen Harmonisierungskonferenzen wie beispielsweise der International Conference on Harmonization (ICH) Einzug auch in die
Handelsabkommen finden, um die regulatorischen Rahmenbedingungen für klinische
Studien und Marktzulassung weltweit einem hohen Standard zuzuführen. In Zeiten zunehmender Entkopplung sind diese Institutionen wertvolle globale Einrichtung zur Sicherung internationaler Standards. ▪ Die ASEAN-Staaten sind eine dynamische Marktregion mit mehr als 640 Millionen Konsumenten, die zusammen die achtgrößte Wirtschaftsregion der Erde ausmachen. Die
ASEAN-Staaten sind damit nach den USA und China der drittgrößte EU-Handelspartner. Derzeit gibt es lediglich Freihandelsabkommen mit Singapur und Vietnam. Verhandlungen mit weiteren Staaten konnten in den vergangenen Jahren nicht signifikant weitergeführt werden. Hier sollte ein deutlicher Fokus (insbesondere auf Malaysia und
Indonesien) der EU liegen, zeitnah in ernsthafte und zielorientierte Verhandlungen einzutreten. ▪ Die EU muss international auf die Mitgliedschaft in dem Government Procurement Agreement (GPA) der WTO drängen und in ihren Handels- und Investitionsabkommen im
Bereich der öffentlichen Beschaffung und Investitionen ambitionierte Marköffnung,
Transparenz und das Prinzip der Nichtdiskriminierung einklagbar verankern. Die Verabschiedung etwa des EU-Investitionsabkommens mit China muss zügig zu einem qualitativ guten Abschluss gebracht werden. ▪ In Handels- und Investitionsabkommen sollen außerdem Kapitel zu Digital Health und
Interoperabilität verankert werden.
81 BDI-Position, Zolleliminierung für pharmazeutische und medizinische Produkte zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und künftiger Gesundheitsnotstände, Mai 2020.