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03. Rechtsetzung und Gesetzesvorbereitung modernisieren

Rechtsetzung und Gesetzesvorbereitung modernisieren

Gute Gesetze brauchen eine klare Zielorientierung, eine agile Suche nach den besten Lösungen zur wirksamen Umsetzung und einen aufwandsarmen, pragmatischen Vollzug. In diesem Sinne müssen Rechtsetzung und Gesetzesvorbereitung neu gedacht werden.

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Hintergrund

Für einen modernen und innovationsfördernden Industriestandort ist nicht nur die Umsetzung von Gesetzen und die damit verbundene Interaktion mit der Verwaltung, sondern schon die Rechtsetzung entscheidend. Sie schafft die Voraussetzung für eine effektive, kooperative und digitale Verwaltung.

Ein gutes Gesetz ist nicht nur verfassungskonform, sondern zunächst einmal überhaupt erforderlich. Darüber hinaus ist ein gutes Gesetz verständlich und klar formuliert – sodass es keiner jahrelangen Rechtsprechung bedarf, um es zu interpretieren – es ist wirksam – in dem Sinne, dass es die angestrebten Ziele tatsächlich erreicht – es ist für die öffentliche Verwaltung widerspruchsfrei, effektiv und effizient vollziehbar, und es ist für Unternehmen aufwandsarm einzuhalten. Die Parlamente müssen außerdem auf den technologischen und gesellschaftlichen Wandel reagieren und die ohnehin hohe Regelungsdichte führt zu weiterwachsender Komplexität, wann immer ein Gesetz geändert wird. Hinzu kommt, dass der Vollzug von Gesetzen oft noch in überwiegend analogen Verfahren erfolgen muss. Dadurch wird die Wirksamkeit von Gesetzen geschwächt und das Verwaltungshandeln verliert an Effektivität – zum Nachteil von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen.

Zielbild

Etwa 80 Prozent der vom Bundestag seit seinem Bestehen verabschiedeten Gesetze sind von der jeweiligen Bundesregierung vorbereitet und initiiert worden. Der Gesetzesvorbereitung in den Bundesministerien kommt daher eine bedeutende Rolle für die Rechtsetzung zu. Sie ist ein Schlüsselprozess der öffentlichen Verwaltung.

Die großen Stärken der Gesetzesvorbereitung und Rechtsetzung in Deutschland liegen in der hohen Fachkompetenz und dem juristischen Sachverstand in den Ministerien. Die Fachressorts haben einen großen Anteil an der Rechtsgestaltung, weil viele Gesetzentwürfe dort erarbeitet werden und immer mehr Gesetze die Ministerien ermächtigen, Verordnungen zu erlassen.

In Anbetracht der bestehenden Herausforderungen muss die Gesetzesvorbereitung neu gedacht werden: Bevor konkrete Paragrafen formuliert werden, sollten Regelungen erst einmal inhaltlich konzipiert werden – in Form von Ziel- und Eckpunktepapieren – unterstützt durch möglichst breites und erprobtes Praxis80% wissen, das u. a. über Verbände gezielt abgerufen werden kann. Dazu müssen in der Vorbereitung eine klare Zielorientierung, eine agile Suche nach der besten Lösung zur wirksamen Umsetzung und ein allseits aufwandswarmer der Gesetze auf Vollzug im Mittelpunkt stehen. Das Bundesebene wurden in gilt insbesondere für Bundesgesetze, den Bundesministerien die im föderalen System vorwiegend erarbeitet. durch andere Ebenen vollzogen werden. Dabei sollte die Wirksamkeit von Gesetzen anhand festgelegter Erfolgskriterien überprüft werden können, und ihr Vollzug sollte von Beginn an standardmäßig als digitaler Prozess entworfen und gestaltet werden.

Handlungsempfehlungen

Für die ersten 100 Tage

In den vergangenen Jahren ist es schwieriger geworden, gute Gesetze zu erlassen. Kurze Medienzyklen und eine wachsende politische Polarisierung verlangen oft schnelle politische Antworten, die sorgfältiges Abwägen und den notwendigen Austausch mit verschiedenen Interessengruppen in den Hintergrund drängen. Dies zeigt sich unter anderem in den immer kürzer werdenden Beteiligungsfristen für Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen, die zum Teil nur noch wenige Tage umfassen und für eine fundierte Einschätzung keine Zeit lassen. . Die neue Regierung sollte ein angepasstes Standardvorgehen für die Vorbereitung ihrer Gesetzentwürfe festlegen, z. B. in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO):

– Noch vor dem Beginn der Gesetzesvorbereitung sollten Ziel und Erfolgskriterien des politischen Vorhabens in einem Zielepapier definiert werden. Dazu gehören eine genaue Erfolgsdefinition mit messbaren Größen und ein präziser Zeithorizont. – Verschiedene Möglichkeiten zur Umsetzung die-

ser Ziele sollten mithilfe von Wirkungs- und Vollzugsmodellen ermittelt und abgewogen werden.

In Gesetzgebungslaboren können Vorschläge und

Ideen interdisziplinär, agil und evidenzbasiert entwickelt und frühzeitig auf ihre Praxistauglichkeit getestet werden. Wenn Bundesgesetze von Kommunen vollzogen werden, sollten Kommunalvertreterinnen und -vertreter bereits in den Laborprozess intensiv eingebunden werden. Zu einer evidenzbasierten Gesetzesvorbereitung gehört auch die fundierte Datenanalyse, mit der eine neue evidenzbasierte Entscheidungskultur etabliert wird. – Noch vor dem Entwurf einer ersten Textfassung sollte ein Eckpunktepapier erstellt werden, das die politischen Ziele sowie Erkenntnisse aus den

Wirkungs- und Vollzugsmodellen zusammenfasst. – Dieses Eckpunktepapier sollte Gegenstand einer umfassenden Konsultation von Interessenvertreterinnen und -vertretern sein. Bereits heute ist die

Einbindung relevanter Interessengruppen in der

Gesetzesvorbereitung eine große Stärke der deutschen Rechtssetzung. Es muss aber sichergestellt werden, dass die Interessengruppen ihre Rolle als praxisnaher Resonanzboden auch wahrnehmen können. Die neue Bundesregierung sollte deshalb einen verbindlichen Prozess für die Einbindung von Interessengruppen mit ausreichenden und verbindlichen Fristen festlegen, die nur in engen

Ausnahmefällen abgekürzt werden dürfen. – Jeder Gesetzentwurf sollte einen „Digital-Check“ durchlaufen, um frühzeitig Hindernisse für einen digitalen Vollzug zu identifizieren, z. B. als Digitaltauglichkeitsprüfung im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung. Dabei sollten bereits die

Datenarchitektur und Informationen zur technischen Datenstruktur berücksichtigt werden, sodass nur noch Gesetze in Kraft treten, bei denen eine digitale Vollzugslösung für alle Verpflichteten einsatzbereit ist.

Bis zum Ende der Legislaturperiode

.Die zahlreichen bestehenden Leitfäden und Vorgaben für bessere Rechtsetzung müssen in einem Leitfaden konsolidiert werden, um die Erstellung von . Gesetzesentwürfen zu erleichtern. Gesetze, die in keiner staatlichen Daueraufgabe münden, deren definierte Ziele also im Rahmen einer Projektstruktur abgedeckt werden können, sollten . grundsätzlich an ein Verfallsdatum gekoppelt werden. Die Nachverfolgung der Wirksamkeit von Gesetzen anhand der festgelegten Indikatoren sollte zudem nicht nur punktuell, sondern als dauerhaftes Gesetzesmonitoring etabliert werden. Die einzelnen Kennzahlen sollten auf einer Übersicht fortlaufend aktualisiert und öffentlich einsehbar dargestellt werden. Regelmäßig sollte sich der Bundestag der Umsetzung und Wirksamkeit von beschlossenen Geset. zen widmen. Für eine effektive digitale Verwaltung und die Realisierung des „Once-Only-Prinzips“ müssen Rechtsbegriffe technisch und rechtlich harmonisiert und modularisiert werden. Dazu ist ein verfahrens- und zuständigkeitsübergreifendes Projekt erforderlich. Eine solche Modularisierung dient der Abbildung in Datenstrukturen (Datenmodule, Datenfelder), um die Zusammenarbeit verschiedener Behörden zu vereinfachen und bestehende Datensätze nutzbar zu machen. Dazu sollten bundeseinheitliche Referenzen in einem bundesweit verbindlichen „Data Dictionary“ und zusätzlichen bereichsspezifischen „Data Dictionaries“ aufgebaut und in der Gesetzesformulierung . genutzt werden. Bei neuen Gesetzen sollten vermehrt risikobasierte Ansätze genutzt werden, analog zum Vorgehen der Europäischen Kommission bei der neuen KI-Verordnung. Der Umfang gesetzlicher Vorgaben sollte stärker auf die Risiken spezifischer Anwendungen zugeschnitten sein: Je risikoärmer Technologien sind, desto zurückhaltender sollten regulatorische Vorgaben sein.

Neues Standardvorgehen für Gesetzentwürfe

Zielepapier

Eckpunktepapier Entwicklung von Wirkungs- und Vollzugsmodellen

Austausch mit Interessengruppen, Normvollziehenden und IT-Personal

Hausabstimmung

Ressortabstimmung

Austausch mit Interessengruppen, Normvollziehenden und IT-Personal

Evtl. Kabinettsabstimmung

Erster Textentwurf Hausabstimmung

Ressortabstimmung

Einholung schriftlicher Stellungnahmen von Interessengruppen (Mindestfrist 4 Wochen)

Evtl. Kabinettsabstimmung

Referentenentwurf Rechtsprüfung

Digital-Check

Kabinettsbefassung

Ministerien Neutrale Instanz Bundesregierung

Neutrale Qualitätskontrolle

Regierungsentwurf

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