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05. Innovations- und Transformationsmanagement zentral verankern
Innovations- und Transformationsmanagement zentral verankern 05
Hintergrund
Die öffentliche Verwaltung kombiniert nicht nur Stabilität und Verlässlichkeit, sondern hat sich – insbesondere in Krisensituationen – immer wieder als äußerst anpassungsfähig erwiesen.
Angesichts des enormen Veränderungsdrucks, vor dem unsere Gesellschaft, unsere Unternehmen und die öffentliche Verwaltung stehen, reicht es nicht mehr aus, weitreichende Transformationen nur im Kontext konkreter Krisensituationen anzustoßen.
Auch die Tradition der Schaffung neuer Organisationen zur Bewältigung spezifischer Herausforderungen, wird angesichts der anstehenden Aufgaben nicht immer zum Erfolg führen, sondern kann für zusätzliche Komplexität sorgen.
Stattdessen braucht die öffentliche Verwaltung in Deutschland eine transformativen Paradigmenwechsel, ähnlich den Stein-Hardenberg-Reformen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Preußische Verwaltung grundlegend modernisierten und bis heute fortwirken.
Die Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte sind mannigfaltig und heute nur unvollständig absehbar. Sicher ist jedoch, dass sie nur dann zu bewältigen sind, wenn die öffentliche Verwaltung vom Reagieren zum Agieren umschaltet.
Zielbild
Wandel durch Innovation und Transformation darf nicht als einmaliger, punktuell zu adressierender Anpassungsprozess verstanden werden, sondern muss Teil des Selbstverständnisses einer sich den aktuellen Anforderungen anpassenden Verwaltung sein.
Innovation und Transformation müssen in Form von Prinzipien und Strukturen als zentrale Elemente verankert werden.
Behördenleitungen auf allen Ebenen müssen Innovation und Transformation als ihre eigene Verantwortung verstehen und sich künftig daran messen lassen, ob sie ihr Haus zukunftsfähig aufgestellt haben.
Handlungsempfehlungen
Für die ersten 100 Tage
.Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat sich als äußerst wertvolles und hilfreiches Gremium erwiesen, um die Qualität der Rechtssetzung zu bewerten sowie überkomplexe Regelungen und Prozesse aufzuzeigen. So konnten bereits erhebliche Verbesserungen erzielt werden. Die Bundesregierung sollte deshalb das Mandat des NKR erweitern und diesen zu einem „Nationalen Rat für Staats- und Verwaltungsmodernisierung“ ausbauen. So kann er unabhängig vom politischen Tagesgeschäft für eine anhaltende und tiefgreifende Transformation der Verwaltung eintreten. Ziel sollte es sein, in diesem Gremium politischpragmatische und wissenschaftliche Sichtweisen auf
Modernisierungsfragen zu bündeln, um sowohl Innovationskraft als auch Umsetzbarkeit zu gewährleisten.
Der Rat für Staats- und Verwaltungsmodernisierung soll die Bundesregierung beraten und seine Empfeh. lungen in Berichten und Gutachten veröffentlichen. Die operative Umsetzung der in diesem Papier beschriebenen Transformation der öffentlichen Verwaltung sollte durch die neue Digitalagentur des Bundes unter Aufsicht des Bundesministeriums für die
Digitalisierung von Verwaltung und Recht sowie für digitale Infrastruktur erfolgen (Strukturen auf Bundesebene koordiniert vernetzen | Zusammenarbeit . der föderalen Ebenen verbessern). In jedem Ressort sollte ein Projektteam für Transformations- und Innovationsmanagement eingerichtet werden, das als Schnittstelle zum neuen Bundesministerium für die Digitalisierung von Verwaltung und Recht sowie für digitale Infrastruktur fungiert und Transformationsprojekte im eigenen Haus definiert und leitet.
.Die Behördenleitungen von Bund und Ländern müssen auf die Erfüllung klar definierter Anforderungen für die Weiterentwicklung ihres Hauses verpflichtet werden. Dies gilt es im Rahmen von Zielvereinbarungen mit Indikatoren zu hinterlegen und deren Erfüllung im Zuge der Fachaufsicht zu prüfen und sicherzustellen. Die jährlichen Ziele werden von den Behördenleitungen in Abstimmung mit der Fachauf. sicht festgelegt. Die neue Bundesregierung sollte die Entwicklung eines konkreten Plans entlang der „Science Based Targets Initiative“ (SBTI) beauftragen, wie die öffentliche Verwaltung bis zum Jahr 2030 Klimaneutralität erreicht und damit als gutes Beispiel vorangeht.
Bis zum Ende der Legislaturperiode
.Insgesamt gilt, dass – je nach Zielsetzung – kurz- bis mittelfristige Projekte von längerfristigen Daueraufgaben zu unterscheiden sind. Zeitlich begrenzte Aufgaben sollten im Rahmen von Projektstrukturen umgesetzt werden. Am jeweiligen Ende der Projektlaufzeit
muss dann entschieden werden, ob das Projekt beendet oder die zu erledigende Aufgabe in eine feste behördliche Struktur überführt wird. Nur Daueraufgaben sollten von vornherein fest im Rahmen behörd. licher Strukturen erledigt werden. Der erhebliche Umfang der Modernisierungs- und Transformationsbedarfe der öffentlichen Verwaltung muss von der Bundesregierung anerkannt und in Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen eine ausreichende Finanzausstattung hierfür sicher. gestellt werden. Die nächste Bundesregierung sollte zudem verstärkt auf den Aufbau eines leistungsfähigen „GovTech-Ökosystems“ hinwirken. Dazu gilt es unter anderem Startups und Behörden besser zu vernetzen, rechtliche Hürden zu beseitigen und kulturelle Hindernisse in Form unterschiedlicher Herangehensweisen und Prozesse zu adressieren (Personal gezielt fördern und Fähigkeiten erweitern). Eine leistungsfähige deutsche „GovTech-Branche“ würde sich nicht zuletzt auch positiv auf die Innovationsfähigkeit und digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung auswirken.
Bestimmte OZG-Leistungen exemplarisch bis zum höchsten Reifegrad entwickeln
„Der Aktuelle Digitalmonitor des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) zeigt auf, dass wir eine Digitalisierung der im Onlinezugangsgesetz vorgesehenen 575 Leistungen bis 2022 nicht erreichen werden – schon gar nicht eine, die dem sogenannten Reifegrad 4, d.h. Vollautomatisierung mit Registerdatenaustausch, entsprechen würde. Deshalb wäre es klüger, sich auf wenigere, bedeutende Verfahren zu einigen und diese zeitnah von der Antragstellung bis zum Bescheid durchgängig digital zu entwickeln und länderübergreifend zum Einsatz zu bringen. Dabei sollte auch die bislang noch wenig diskutierte Frage des Einsatzes von KI im Verwaltungsverfahren unbedingt einbezogen werden. Wir dürfen nicht weiter ‚kleckern‘, wir müssen endlich ‚klotzen‘.“
Dorothea Störr-Ritter

Mitglied, Nationaler Normenkontrollrat | Landrätin, Landkreis BreisgauHochschwarzwald
