Gewerbe
Freitag, 7. Oktober 2011
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Der Weinladen am Küferweg bleibt in Obfelden Die Weinhandlung am Küferweg AG zieht aus Platzgründen nach Seon AG Myriam Bulliard hat den Weinladen am Küferweg in Obfelden mit dem gesamten Sortiment der Weinhandlung am Küferweg AG übernommen. Diese zieht nach Seon AG, weil die Lagerräume im Stehli-Seiden-Areal einer Überbauung weichen müssen. Heiner Stolz hat die Weinhandlung am Küferweg vor rund 25 Jahren gegründet. Anfänglich hegte der Buchund Zierfischhändler damit kaum kommerzielle Absichten. «Am Anfang hatte das auch wenig mit Bio gemein», sagt er. «Ich suchte Weine, die gut verträglich waren». Was zaghaft begann, entwickelte sich in beeindruckender Weise. Stolz besuchte zwar Kurse, bildete sich aber auf dem Gebiet autodidaktisch weiter, knüpfte sein Beziehungsnetz mit Weinproduzenten in der Schweiz, Frankreich, Italien und Spanien – und gab jährlich ein Weinbuch heraus, dessen Umfang im Laufe der Jahre von 20 auf 320 Seiten anwuchs. Heiner Stolz wollte nicht einfach Wein verkaufen, nicht nur Händler sein. Er begleitete die Produzentinnen und Produzenten, diskutierte mit ihnen, woraus die Eigenmarke «Cuvée Henri» entstand. Hauptumsatzträger der Weinhandlung am Küferweg: Starproduzent Telmo Rodríguez. «Bei Weinmacherei habe ich den Produzenten nie dreingeredet, bei der Vermarktung hingegen schon», sagt Heiner Stolz. Der Spezialist für Weine aus biologischem Anbau belieferte neben Privatkundschaft auch Biofachgeschäfte
und Gastrobetriebe in der ganzen Schweiz. Und steigerte den jährlichen Umsatz auf rund 6 Mio. Franken. Wichtiger Teil der Weinhandlung am Küferweg bildeten regelmässige kulturelle Veranstaltungen, unter anderem mit Auftritten des Schriftstellers Peter Bichsel oder kürzlich mit dem stillen Hasen Endo Anaconda beim Jubiläumsfest in der Badi Obfelden.
«Mein Vorbild» Vor fünf Jahren – inzwischen ins Pensionsalter gekommen – verkaufte Heiner Stolz die Weinhandlung am Küferweg AG. Seither ist Markus Schamberger als Geschäftsführer und Mitinhaber verantwortlich für das Unternehmen. Nun erfolgt der Wegzug ins aargauische Seon, weil die Weinhandlung die Lagerräume auf dem Stehli-Seiden-Areal wegen eines Überbauungsprojekts räumen muss. Der Weinladen bleibt jedoch am Küferweg in Obfelden. Er wird neu von Myriam Bulliard selbstständig geführt, die seit 15 Jahren mitarbeitet und hineingewachsen ist. «Heiner Stolz ist mein berufliches Vorbild», sagt sie, die natürlich von seinem enormen Wissen profitiert und die das Weinbuch und Handzettel der Weinhandlung weiterhin werbewirksam benützen darf. Selbstredend führt Myriam Bulliard das gesamte Sortiment der Weinhandlung am Küferweg weiter und stockt es allenfalls mit dem einen oder anderen Schweizer Produkt auf. Heiner Stolz ist glücklich, dass der Weinladen in Obfelden bleibt.
«Flaschenübergabe» zum Start: Myriam Bulliard übernahm letzten Dienstag den Weinladen am Küferweg in Obfelden, Markus Schamberger zieht mit der Weinhandlung am Küferweg AG nach Seon. (Bild Werner Schneiter) «Das ist eine wunderbare Lösung. Myriam Bulliard kennt das Metier und betreut die Kundschaft mit Herzblut und Charme.» Gewiss, Myriam Bulliard hat von der Pike auf das Weingeschäft kennengelernt. Das begann mit Versandarbeiten, bei der die ganze Familie Hand anlegte. Später kamen Einsätze an Veranstaltungen und Messen dazu
und seit sechs Jahren arbeitet Myriam Bulliard im Verkauf mit. Dazu gehören Beratungen im Laden und am Telefon, das, was sie mit ihrer gewinnenden Art am liebsten mag. – Die Liegenschaft am Küferweg 3, in welcher der Weinladen domiziliert ist, hat Heiner Stolz übrigens seinem Nachbarn Heinz Haldimann verkauft, der in den beiden oberen Stockwerken sein Ge-
schäft für Heizungs- und Sonnenenergieplanungen einrichtet. (-ter.) Am 22. Oktober findet im Weinladen am Küferweg 3 in Obfelden ein Willkommensapéro von 9 bis 16 Uhr statt. Ab 11 Uhr mit musikalischer Umrahmung. Seit letzten Dienstag gelten folgende Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag von 14 bis 18.30 Uhr, Freitag von 9 bis 12 Uhr und von 14 bis 18.30 Uhr. Samstag von 9 bis 16 Uhr.
aus gewerbesicht
Anstand, Respekt und Fairness ................................................... von hans-ulrich bilger*
Fliegende Kindercoiffeuse im Kleiderladen «Fänomenal»: Lidia Meier in Aktion. (Bild Thomas Stöckli)
Haarschnitt aus dem Kleiderladen Fliegende Kindercoiffeuse auch sesshaft Nebst ihrer Tätigkeit als «fliegende Kindercoiffeuse» empfängt Lidia Meier ihre junge Kundschaft neu auch im «Fänomenal» am Fabrikweg 11 in Affoltern. Seit über 20 Jahren schneidet sie Haare, erst für Erwachsene, später für Kinder. «Das ist meine Leidenschaft», betont Lidia Meier. Vielen ist sie bereits als fliegende Kindercoiffeuse bekannt. Als solche geht sie bei ihrer jungen Kundschaft zuhause vorbei. Nun wirkt sie auch im «Fänomenal», dem Kinder- und DamenmodeGeschäft beim Zentrum Oberdorf in Affoltern. Hier können Mütter nach Schmuck und Kleidern für sich und die Kleinen schmökern, während diese nach allen Regeln der Kunst frisiert werden. «Das ist eine Bereicherung für mein Geschäft», sagt «Fänomenal»-Inhaberin Doris Schyrr, die sowohl Se-
condhand- als auch neue Kleider anbietet.
«Dem Kind soll es wohl sein» Was unterscheidet die Kindercoiffeuse von einer Berufsgenossin für erwachsene Kunden? «Wichtig ist es, aufs Kind einzugehen und sich Zeit zu nehmen», betont Lidia Meier. So hat sie auch Verständnis, wenn ein Kind schreit oder trotzt. «Dem Kind soll es wohl sein», sagt Lidia Meier. Zum Erlebnis Coiffeur-Besuch gehören deshalb auch Film-DVD und Süssigkeiten. So kommen die Tränen oft nicht dann, wenn die Kinder zum Coiffeur müssen, sondern erst, wenn es wieder auf den Heimweg geht ... (tst.) Fliegende Kindercoiffeuse «Rägeboge», Termine nach Absprache, Telefon 076 202 79 28. Infos: www.kindercoiffeuse.com.
Dieser Tage ist mir eine kleine Meldung in die Augen gestochen: «Gemeindepräsident tritt zurück», hiess der Titel und versprach an sich nichts Überraschendes. Speziell machte die Meldung dann aber der Rücktrittsgrund: Nachdem er das gute Zusammenleben von Schweizern und Ausländern in seiner Wohngemeinde lobte, erhielt der Gemeindepräsident von Spreitenbach Drohbriefe. Nicht genug, sogar seine Kinder wurden am Telefon beschimpft und bedroht. Und alles nur darum, weil ihr Vater, der Gemeindepräsident das Zusammenleben von Schweizern und Ausländern in seiner Wohngemeinde gelobt hat. Eine Schande sei er für unser Land, war noch das Gnädigste, was man ihm gesagt hat.
Unglaublicher Vorfall Eine Schande ist es in der Tat, und ich kann es nicht genug laut sagen: Ich bin gleichermassen erschüttert und empört ob diesem Vorfall. Ich konnte mir das in unserem Land mit seiner Freiheit und seinem Wohlstand schlicht nicht vorstellen. Nun fragen Sie nicht zu Unrecht: Was hat das mit Gewerbepolitik zu tun? Sehr viel, ist da die Antwort, denn Ausländerinnen und Ausländer sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ohne sie gäbe es keine zuverlässige Altersversorgung und Krankenpflege, ohne sie gäbe es kein funktionierendes Gastgewerbe, ohne sie stünden zahlreiche industrielle Produktionsstätten zumindest teilweise still. Kurz, ohne die Mitarbeit ausländischer Arbeitskräfte, vom Müllmann über die Serviertochter bis zum Maschineningenieur und zum Spezialarzt wäre die Schweiz nicht, was sie
ist: Ein Land mit niedriger Arbeitslosenquote und hohem Wohlstand, ein Land, das fähig ist, sogar den grossen Herausforderungen der Zeit zu trotzen, ein Land auch, das es immer fertig gebracht hat, H.-U. Bigler Minderheiten, Andersgläubige und Andersdenkende zu integrieren. Wenn nun feige Anrufer, vermummt mit ihrer Anonymität, gerade diese Fähigkeit der Integration in Frage stellen, ist das mehr als einfach ein Tabubruch. Wenn Leute bedroht werden, weil sie die Integrationsfähigkeit eben dieser Gesellschaft loben, für die sie sich im Rahmen eines politischen Amtes engagieren, ist das ein fieser Angriff auf die wichtigsten Werte einer freien und liberalen Gesellschaft. Denn mit einem Wettstreit der politischen Ideen hat das nichts mehr zu tun. Ich bin weiss Gott nicht bekannt als Mann der leisen Töne. Ich sage es deutsch und deutlich, wenn ich mit politischen Entwicklungen nicht einverstanden bin, weil sie in die falsche Richtung gehen. Das gestatte ich auch jedem politischen Gegner. Was ich aber verlange, ist Anstand, Respekt und Fairness. Ohne Anstand und Fairanzeige
ness in Politik und Leben schaden wir nicht einfach unserer Kultur, wir schaden ganz direkt der Wirtschaft. Denn wieso sollten unter diesen Umständen Ausländerinnen und Ausländer unser Kranken pflegen oder die Maschinen in unseren Fabriken bedienen wollen? Daran sollten wir denken, denn selber wollen wir ja diese Arbeiten kaum mehr erledigen.
Schande von Spreitenbach Deshalb ist das, was eben in der aargauischen Gemeinde mit ihrem freisinnigen Präsidenten geschehen ist, nicht weit davon entfernt, von dem, was am letzten Sonntag auf dem Zürcher Letzigrund geschehen ist. Beides sind Gewaltereignisse, in Zürich sind es Chaoten, die mit Krawallen ein Fussballfest verhindern, in Spreitenbach sind es anonyme Anrufer und Briefeschreiber, die dem Gemeindepräsidenten sein politisches Engagement «danken». So verschieden und doch so gleich. Denn an beiden Orten flüchten die Täter in die Anonymität, hier mit Roger-Staub-Mützen, dort mit anonymisierter Kommunikation. Seit Sonntag muss man nicht nur von der Schande von Zürich reden, sondern auch von der Schande von Spreitenbach. *Der Autor ist Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv und wohnt in Affoltern