Nr. 40 21. Jahrgang Donnerstag, 3. Oktober 2019
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«Grunder waren nicht kaputtzukriegen» Hölstein Georg Jäggin, der «Grunder-Schorsch», sammelt alte Grunder-Geräte und Traktoren BENILDIS BENTOLILA
Wohl die meisten, die ins ehemalige Treibhaus des Topfpflanzengärtners Georg Jäggin in Hölstein treten, wissen nicht, wohin sie schauen sollen. Hier stellt der Grunder-Schorsch, wie er in Kreisen der «Freunde alter Landmaschinen» genannt wird, eine ansehnliche Sammlung von Bodenfräsen, Motormähern, Kartoffel-Schleudergrabern und legendären Grunder-Traktoren aus. Die Modelle stammen hauptsächlich von der 1919 gegründeten Kommanditgesellschaft A. Grunder Co. Industriegesellschaft für Motor-Gartenfräsen in Basel und Binningen. Daneben zieht seine Frau Lotti – von ihm liebevoll «Lotti die Flotti» genannt – weiterhin Gemüse und Pflanzen, was der Szene zusätzliche Besonderheit verschafft. Zu Besuch beim Paar ist Walter Grunder, Sohn von August Grunder (1880– 1957), Pionier der Motorkultur. Die beiden 85-jährigen Männer präsentieren die alten Maschinen, schwärmen von deren ausgeklügelter Technik, erinnern sich an die Anfänge im Gartenbau und überholen einander im Rühmen. Sie lernten einander an einem Anlass für alte Landmaschinen kennen. Walter Grunder weiss, dass Georg Jäggin eine der schönsten und gepflegtesten Sammlungen besitzt. Er selbst ist ausgebildeter Fotograf und interessierte sich zuerst wenig für Vaters Gewerbe, obwohl er und seine Geschwister am Esstisch viel von seiner Leidenschaft mitbekamen. Georg Jäggin arbeitete als Schulbub im Gärtnereibetrieb des eigenen Vaters. Während der Anbauschlacht sei er ständig mit Ross und Wagen unterwegs gewesen und habe die Bauern unterstützt beim Fräsen. Das Ersatzbenzin taugte nichts Er erinnert sich: «Vater schimpfte oft über das Ersatzbenzin, das nicht viel taugte. Die Motoren liefen schlecht – aber Grunder-Maschinen waren nicht kaputtzukriegen.» Er sei stolz darauf, dass fast alle seine Maschinen und Geräte, gleich welchen Alters, funktionstüchtig waren. Als Beweis wirft er gleich ein paar an, das heisst, er zieht sie auf mit einem Lederriemen oder mit einem Hebel per Muskelkraft. Wenn über die Anfänge des Bio-Landbaus gesprochen wird, fällt oft der Name Grunder. Das sei quasi vorgegeben, sagt Walter Grunder. Für seinen Vater als Gartenarchitekt sei es wichtig gewesen, den Boden biologisch zu bearbeiten, und er habe sich für die Gründüngung stark- gemacht. «Die Grunder-Bodenfräse war dafür geradezu ideal, denn sie liess alle Tiere im Boden, die ihr in die Quere kamen, am Leben», erwähnt er. Georg Jäggin erklärt, praktisch sei es gewesen, dass sich mit einem Motor mehrere Bodenbearbeitungsgeräte betreiben liessen, beispielsweise eine Mähmaschine und eine Bodenfräse. «Das war zu jener Zeit wichtig», erläutert er, «schliesslich verfügten nicht alle über die Mittel, zwei Motoren zu kaufen.» Gerade mal vier Schrauben musste man lösen, und der Motor konnte ans nächste Gerät angeschlossen
Stolz sitzt Grunder Schorsch auf einem Grunder-Einachstraktor mit angehängter Baumspritze. An seiner Seite Walter Grunder, Sohn von August Grunder. FOTOS: BENILD IS BENTOLILA werden. Trotz der Beliebtheit und des Erfolgs der Grunder-Maschinen verschwanden sie. 1939 wurde die erste Serie von 50 Stück Grunder-Traktoren mit einem Chevrolet-Industriemotor hergestellt. Nach dem Krieg gab es Versuche, dort anzuknüpfen, die jedoch nicht erfolgreich waren. 1958 wurde Grunder zuerst von einer deutschen Firma übernommen und dann 1965 stillgelegt. Zudem waren angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen grössere Maschinen gefragt, um den landwirtschaftlichen Boden zu bearbeiten.
Mitte der 1960er-Jahre transportieren Grunder-Traktorführer Robert Wenger und ein Kollege die Requisiten für eine Theateraufführung der Jugendgruppe.
Die legendären Grunder-Traktoren Die Fangemeinde von Grunder-Traktoren ist gross; man trifft die Liebhaber an Anlässen von «Falnowe – Freunde alter Maschinen Nordwestschweiz». Diese besucht auch Robert Wenger, der ehemalige Lehrer und Schulleiter der Landwirtschaftlichen Schule Ebenrain, während 37 Jahren. Er erinnert sich: «Zu Hause auf dem elterlichen Betrieb war das ‹Grunderli›, wie es von uns Bauernfamilien allgemein genannt wurde, der erste Traktor überhaupt.» Nach dem
frühen Tod seines Vaters führte er als 20Jähriger den Hof selbstständig weiter. Auf die Grunder-Maschinen, die es in Benzinoder Dieselversion gab, sei stets Verlass gewesen. Er kann sich nicht erinnern, dass ein Grunder ihn je versetzt hätte. Der legendäre Traktor diente nicht nur der Arbeit, sondern war ebenso Transportmittel bei den verschiedensten Unternehmungen. www.falnowe.ch www.grunder-schorsch.ch
Kolumne
Tinderleicht Sie wissen nicht, was Tinder ist? Die meisten zwischen 18- und 35-Jährigen werden es wissen. Tinder ist eine kommerzielle Dating-App. Sie ermöglicht die Anbahnung von Flirts, Bekanntschaften oder die Verabredung von unverbindlichem Sex. Wer bei Tinder ein Konto hat, erstellt ein Profil mit Foto. Wenn Profile interessensmässig übereinstimmen, vermittelt ein Algorithmus die Personen in der näheren Umgebung für einen Chat im Netz. Derzeit hat Tinder weltweit über vier Millionen zahlende Mitglieder. Es ist kinder- bzw. tinderleicht, hier eine Partnerin oder einen Partner zu finden, entweder für eine Nacht, eine Affäre oder eine ernsthafte Beziehung. Viele Nutzerinnen und Nutzer vergessen, dass es mit der Datensicherheit nicht zum Besten bestellt ist. Mittels der Profile lassen sich Identität und Wohnsitz der Zielperson relativ einfach eruieren; darum gibt es auch Tinder-Stalking. In den USA wurde 2016 eine Studie vorgestellt, die belegen soll, dass Tinder-Nutzende eine geringere Zufriedenheit mit dem eigenen Körper haben. Nun mögen Sie sagen, eine solche Plattform zur Vermittlung von schnellen erotischen Abenteuern sei moralisch verwerflich. Das finde ich nicht, denn was Erwachsene im Einverständnis des jeweils anderen tun, ist nicht unmoralisch. Das Problem sehe ich vielmehr unter einem psychohygienischen und sozialen Aspekt. Wer auf Tinder surft, für den werden andere zur Ware in einem Riesenangebot. Die angebliche Freiheit der Wahl wird rasch zur Beliebigkeit. Nach jedem One-Night-Stand wird man sich fragen: Gibt es nicht noch eine Bessere Fortsetzung auf Seite 2