AUTO & Wirtschaft 11/2016

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HANDEL

Blaue Briefe für die Händler Wirkt sich der in Deutschland tobende Streit zwischen Opel und zwei Händlern, die gegen die Kündigung ihres Händlervertrages kämpfen, auch auf Österreich aus? Von Dr. Friedrich Knöbl

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ie 10 Gebote umfassen 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung kommt mit 300 Wörtern aus. Ein Opel-Händlervertrag samt Anhang kommt auf 46.328 Wörter mit 345.269 Zeichen. Einige dieser Klauseln benützte Opel, um in Deutschland 7 Händler kurzfristig loszuwerden. 2 davon bekämpften ihren fristlosen Rauswurf bei Gericht. Das Oberlandesgericht Frankfurt kam nun zur Entscheidung, dass diese Kündigung nicht rechtens war. Mit der Begründung, dass es den Opel-Klauseln an der erforderlichen Transparenz fehle. Eine Entscheidung, die aufgrund der extremen Ähnlichkeit aller europäischen Opel-Händlerverträge auch für Österreich von Relevanz ist.

Abmahnung schon zu Jahresbeginn Dem deutschen Fachmagazin „kfz-betrieb“ begründete Unternehmenssprecher Michael Blumenstein die fristlose Kündigung damit, dass bereits zu Jahresbeginn 24 Vertriebspartner abgemahnt worden seien. Ihre Verkaufszahlen seien zu mehr als 25 Prozent unter dem Netz-Durchschnitt gelegen. Allen wurde eine Frist von sechs Monaten eingeräumt, sich in die oberen Ränge vorzukämpfen. 10 Betriebe haben dieses Ziel geschafft, 7 wurde eine Nachfrist eingeräumt, die restlichen 7 erhielten den blauen Brief.

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Thomas Baiz ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner

Rechtsanwalt nahm Verträge unter die Lupe 5 Betriebe ließen den Kopf hängen, resignierten und wandten sich neuen Ufern zu. Sie hörten vom Opel-Händlerverband, dass sie gegen diese Kündigung nichts machen könnten. Die Begründung des Verbandes: Opel habe im neuen Händlervertrag eine derartige Kündigungsmöglichkeit fixiert. Die restlichen 2 OpelHändler sahen dies anders und wandten sich an Rechtsanwalt Thomas Baiz. Der Kfz-Experte von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen und Partner, im Netzwerk der European Distribution Lawyers (www.eudistributionlawyers.eu) verankert, nahm die entsprechenden Vertragsklauseln näher unter die Lupe. In Artikel 13 hat sich Opel ausdrücklich das Recht der Händlerbewertung eingeräumt. Allein diese Regelung umfasst 1.041 Wörter. Diese Bewertung bietet Opel die Grundlage, Händler fristlos zu kündigen. Dies ist in Artikel 18 geregelt. Für alle die dort verankerten Möglichkeiten einer fristlosen Kündigung benötigt Opel 1.368 Wörter – im Verhältnis zur Länge der 10 Gebote ein beachtlicher Aufwand. Aber doch zu wenig, um ausreichende Klarheit zu schaffen.

Oberlandesgericht Frankfurt musste entscheiden Es wurde daher beim Landesgericht Frankfurt beantragt, die fristlose Kündigung für unwirksam zu erklären. Man blitzte damit ab. Es sei zwar durchaus möglich, dass diese Opel-Maßnahme die Existenz der Betriebe gefährde. Aber da sie den Kündigungsgrund selbst durch ihre Zielverfehlung verursacht hätten, würde dem Antrag die erforderliche Dringlichkeit fehlen. Eine Rechtsansicht, die vom 5. Zivilsenat des OLG Frankfurt nicht geteilt wurde. Der entschied, dass die Händler bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsanfechtung weiter zu beliefern sind. Für den Fall des Zuwiderhandelns könne über Opel ein Bußgeld bis zu 250.000 Euro verhängt werden.

AUTO & Wirtschaft • NOVEMBER 2016


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